Post on 11-Jun-2019
Einleitung
Schmerzen im Bereich der Patella oder des Streckappa−rates sind häufig und werden unter dem Oberbegriffretropatellares Schmerzsyndrom oder vorderer Knie−schmerz subsummiert. Es müssen jedoch einzelneKrankheitsbilder und Ursachen unterschieden werden.So kann die Ursache für ein retropatellares Schmerz−syndrom eine Dysplasie der Patella oder des Gleitlagers,eine Patella(sub)luxation, Patella alta (Patellahoch−stand) oder baja (Patellatiefstand, Patella infera), eineArthrose oder eine pathologische Veränderung derWeichteile, z.B. Entzündungen von Muskeln oderSynovia, sein.
Definition
Unter dem Begriff ¹patellofemorale Schmerzen“ (Syno−nyme: vorderer Knieschmerz, anteriorer Knieschmerz)werden verschiedene Störungen zusammengefasst, diedurch funktionelle oder strukturelle Veränderungen impatellofemoralen Gelenkkompartiment verursachtwerden bzw. sich auf dieses projizieren. Eine Assozia−
tion mit pathologischen Befunden am Extensorenappa−rat und/oder einer Schädigung des femuropatellarenGelenkknorpels (isoliert oder als Teil einer Arthrose desgesamten Kniegelenkes) ist möglich, aber nicht immernachweisbar.
Die Patella(sub)luxation ist eine Verlagerung oder(Teil−)Verrenkung der Kniescheibe aus ihrem femoralenGleitlager meist nach lateral. Man unterscheidet dieposttraumatische von der habituellen (z. B. Dysplasie,pathologischer Q−Winkel) Patella(sub)luxation.
Eine Patella(sub)luxation liegt vor, wenn in derTangentialaufnahme nach Merchant (1974) der Kon−gruenzwinkel positive Werte aufweist (Abb. 1) (Neyretet al. 2008). Laut Merchant ist ein Winkel über 168pathologisch. Zur Bestimmung der Patellahöhe gibt esden Insall−Salvati−, Caton−Deschamps− oder den Black−bourne−Peel−Index. Die Messung der Patellarsehnen−länge ist im MRT genauer als die der Patellaposition aufden seitlichen Röntgenbildern. Statistisch ist die Patel−larsehne bei Patienten mit Patella(sub)luxation länger.Ein Wert > 52 mm ist pathologisch (Neyret et al. 2008).
Patellofemorale SchmerzenC. Stukenborg−Colsman, C. J. WirthOrthopädische Klinik der Medizinischen Hochschule Hannover
Orthopädie und Unfallchirurgie up2date 3 ê2008 ê277 ± 288 êDOI 10.1055/s−2008−1077531
Die Behandlung des anterioren Knieschmerzes und einerInstabilität des Streckapparates ist schwierig und keineMethode ist für alle Patienten geeignet. Patienten mitpatellofemoralen Schmerzen benötigen eine gründlicheklinische Untersuchung und eine genaue Anamnese. DieKenntnis möglicher Verletzungsmechanismen sowie diegründliche Untersuchung der die Patella umgebendenWeichteile ermöglicht die Eingrenzung der Ursachen fürden anterioren Knieschmerz oder einer patellofemoralenInstabilität. Neben den a.±p. Standardröntgenaufnahmendes Kniegelenkes im Stehen wird eine Patellatangential−aufnahme in 30 ± 458 sowie ein streng seitliche Aufnahmebenötigt. Eine konservative Therapie ist in vielen Fällenerfolgreich und sollte vor jeder operativen Maßnahmeausgeschöpft werden. Die konservative Therapie beinhal−tet die Krankengymnastik zum Auftrainieren des M. vastusmedialis, Dehnen des M. quadriceps bei Verkürzung, pro−piozeptives Training, Kräftigung der Hüftaußenrotatoren,Medikamente (Antiphlogistika), physikalische Therapie(Kryotherapie, Ultraschall, Iontophorese usw.) und Orthe−sen (Patellabandagen, Taping).
Bei notwendiger Operation ist ein laterales Release für diepathologisch rotierte Patella (Patella Tilt) geeignet.Manchmal sind schmerzhafte Vernarbungen, Retinakula,Neurome oder Plicae zu entfernen. Die Wiederherstellungdes proximalen Patellaalignments kann durch arthrosko−pische und/oder offene Zugänge erreicht werden. Symp−tomatische Knorpelläsionen und ausgedehnte Instabilitä−ten des Streckapparates erfordern häufig distale Eingriffe,z. B. in Form einer medialen oder anteromedialen Tubero−sitas−tibia−Transposition.
Die aktuelle Therapie des patellofemoralen Schmerzesschließt eine genaue Anamnese und Diagnose, eine kon−servative Therapie unter Einschluss der gesamten Bewe−gungskette, die Wiederherstellung der Patellabalance, dieminimalchirurgische Intervention und eine genaue Indika−tion für die jeweilige Operationstechnik ein.
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Patellofemorale Schmerzen
Ätiologie und Pathogenese
Die häufigste Ursache ist eine muskuläre Dysbalanceohne radiologisch nachweisbare Auffälligkeiten.
Eine isolierte Patella(sub)luxation oder Lateralisationkann zu einer Instabilität des Streckapparates mit ei−nem erhöhten Risiko für eine Dislokation, Luxation oderVerletzung des Knorpels oder des Retinakulums führen.Eine Patellakippung (Tilt) hingegen bedingt eine ver−mehrte Druckbelastung der lateralen Facette und eineVerkürzung des lateralen Retinakulums (Fulkerson2000, Ficat 1977). Diese Fehlstellung kann zur Ausbil−dung einer sekundären Arthrose führen, die auf einemMissverhältnis von Belastung und Belastbarkeit des fe−moropatellaren Gelenkes beruht.
Ursachen für eine Patella(sub)luxation oder sekun−däre Arthrose sind:n Form− und Stellungsfehler der Patellan Formfehler des Gleitlagers (Dysplasie)n Genu valgumn Genu recurvatumn Patella altan pathologische Femurantetorsion und Tibiaaußen−
torsionn Lateralisation der Tuberositas tibiae (pathologischer
Q−Winkel)n eine generalisierte Bindegewebeschwächen Stufenbildung nach Frakturn chronische Überbelastung durch Sport oder Berufn Durchblutungsstörungenn systemische Erkrankungen (Gicht, Polyarthritis,
Hypothyreose)
Epidemiologie
In unterschiedlichen epidemiologischen Untersuchun−gen wird eine Prävalenz des vorderen Knieschmerzeszwischen 4 und 30% im Kindes− und Jugendalter ange−geben. In einer Vielzahl klinischer und experimentellerArbeiten aus den vergangenen Jahrzehnten werden un−terschiedlichste Theorien zur Ätiologie formuliert, diesich im Wesentlichen auf ein Malalignment der unterenExtremitäten, muskuläre Dysbalancen oder Überbean−spruchung reduzieren lassen (Günther et al. 2003).
Die habituelle Patellaluxation betrifft in 60 ±90 % derFälle Mädchen und junge Frauen. Eine traumatischeErstluxation als Ursache für rezidivierende Patellaluxa−tionen tritt meist im Alter zwischen 10± 20 Jahren auf(Pape u. Kohn 2007). Erstluxationen treten bis zu 61%beim Sport auf (Fithian et al. 2004). Die Häufigkeit derlateralisierten Patella mit retropatellarer Arthrose wirdbei Menschen > 55 Jahre mit 24 % bei Frauen und 11 %bei Männern angegeben (McAlindon et al. 1992). Retro−patellare Knorpelschäden gehören zu den häufigsten Er−krankungen des Kniegelenkes. Eine altersmäßige Häu−fung besteht im 2. ± 4. Lebensjahrzehnt, vermehrt beimweiblichen Geschlecht.
Diagnostik
Klinik
Bei der Untersuchung sollten alle periartikulären Struk−turen genau untersucht werden. Hierdurch könnenextraartikuläre Ursachen erkannt werden. Es sollte derVerlauf der Patella während eines Flexions− und Exten−sionszyklus beobachtet und palpiert werden. Schmerz−haftes Krepitieren oder Schmerzen nahe der Extensiondeuten auf eine distale retropatellare Läsion hin. Krepi−tationen oder retropatellare Schmerzen in Flexion tre−ten bei proximalen Läsionen auf. Jeder Patient sollte inRücken− und Bauchlage untersucht werden. In Bauch−lage können Pathologien des Streckapparates (Verkür−zung des M. quadriceps), Rotationsfehler der Tibia so−wie eine Schwäche der Hüftaußenrotatoren erkanntwerden. Eine Schwäche der Hüftaußenrotatoren führtzu vermehrter Innenrotation im Hüftgelenk und dieszur vermehrten Lateralisation des Streckapparates undder Patella. Eine Verkürzung des Tractus iliotibialiskann in Seitenlage untersucht werden. Eine dauerhafteLateralisation der Patella führt zu einem Knorpelscha−den der lateralen Patellafacette. Bei einem Knorpel−schaden wird über einen Spontanschmerz im Bereichder Patella geklagt, der sich typischerweise beimTreppauf− oder Treppabgehen sowie beim Sitzen mitgebeugtem Kniegelenk verstärkt (Erhöhung des retro−patellaren Drucks). Bei der klinischen Untersuchung ist
Abb. 1 n
Tangentialauf−nahme derPatella nachMerchantin 458 (1974)mit Merchant−Winkel.
lateral medial
Merchant-Winkel
b
a
Man zeichnet die Winkelhalbierende des Gleitrinnenwinkels. Eine zweiteLinie verbindet den tiefsten Punkt des Gleitlagers mit dem meist dorsalgelegenen Punkt der patellaren Gelenkfläche. Der Merchant−Winkel istder Winkel zwischen diesen beiden Geraden. Misst man den Winkelmedial der Winkelhalbierenden, ist er negativ, lateral ist er positiv. DerNormalwert ist ± 68 (SD � 118) (Neyret et al. 2008).
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die mediale und/oder laterale Patellafacette druck−schmerzhaft. Die passive Verschieblichkeit der Patellaim Gleitlager ist eingeschränkt (positiver Patella−Tilt−Test). Ein Kompressionsschmerz der Patella im Gleit−lager ist auslösbar und kann durch Anspannung desM. quadriceps femoris bei passiv fixierter Patella ver−stärkt werden (Zohlen−Zeichen; Abb. 2).
Bei der Patella(sub)luxation berichten Patientenüber ein plötzliches Einknicken im Kniegelenk beischnellen Bewegungen oder sportlicher Beanspruchung(giving way). Liegt eine habituelle Patellaluxation vor,findet sich bei der klinischen Untersuchung häufig einegeneralisierte Bandlaxität mit Überstreckbarkeit derGelenke (Beighton u. Horan 1969). Bei Patellainstabili−tät zeigt sich ein vermehrtes laterales Patellagleitenmit einem positiven Apprehension−Test.
Besondere Aufmerksamkeit sollte einer möglichenmedialen Patella(sub)luxation gewidmet werden, dieals Komplikationen nach operativen Korrekturen desStreckapparates auftreten kann. Bei der klinischen Un−tersuchung wird die Patella in Extension ca. 1 cm nachmedial subluxiert. Nach Flexion des Kniegelenkes undabruptem Loslassen der Patella verursacht eine Instabi−lität Schmerzen aufgrund der plötzlichen Repositionder Patella in die Trochlea. Eine Untersuchung derangrenzenden Gelenke komplettiert die klinische Un−tersuchung. Hierdurch können vor allem Pathologienim Hüftgelenk und Iliosakralgelenk ausgeschlossenwerden.
Abb. 2 n Kniestreckapparat.a Q−Winkel. Winkel zwischen den Verbindungslinien von Spina iliacaanterior zur Patellamitte und von der Patellamitte zur Tuberositas tibiae.b Passiver Patellakipptest. Wenn die Kniescheibe nicht unter die Linie Aparallel zur Transepikondylenachse (B) gekippt werden kann, ist daslaterale Retinakulum kontrakt. Die Linie C entspricht der Patellaachse.c Apprehension−Test. Beim passiven Verschieben der Patella nach lateraldroht für Patienten mit habitueller Patellaluxation die erneute Luxation,was mit Abwehrspannung verhindert wird.
d Prüfung der Quer− und Längsverschiebbarkeit der Patella.e Untergreiftest der Patella. Bei einem Verschieben der Patella nachmedial bzw. lateral kann die mediale bzw. laterale Facette palpiert undein Schmerz provoziert werden.f Zohlen−Zeichen. Die Verschiebung der Patella nach proximal und distalunter Kompression in die Trochlea verursacht Schmerzen bei Chondro−malacia patellae und retropatellarer Arthrose.(aus: Kohn D. Das Knie. In: Wirth CJ, Zichner L (Hrsg). Orthopädie undOrthopädische Chirurgie. 1. Aufl. Stuttgart: Georg Thieme Verlag; 2005).
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Bildgebende Verfahren
Röntgen. Durch Standardröntgenaufnahmen in 3 Ebe−nen ist das Ausmaß einer Arthrose und ggf. der Ursachezu erkennen. Hierbei sollten Patellatangentialaufnah−men in 30± 458 sowie eine streng seitliche Aufnahmeangefertigt werden. Auf der streng seitlichen Aufnahmekann der ¹Gleitlagervorsprung“ bestimmt werden.
Die Gleitlagertiefe kann ventral oder dorsal des Korti−kalisniveaus oder aber in derselben Höhe liegen. Dem−entsprechend kann der Vorsprung positiv, negativ oderNull sein. Jeder Vorsprung > 4 mm ist pathologisch(Abb. 3). Der Caton−Deschamps−Index wird ebenfallsauf einer seitlichen Röntgenaufnahme ausgemessenund bestimmt das Verhältnis AT/AP (AT: Entfernungzwischen inferiorem Punkt der Patellagelenkfläche unddem ventralen Punkt des Tibiaplateaus, AP: Länge derPatellagelenkfläche). Bei einem Index über 1,2 liegt einePatella alta vor (Neyret et al. 2008) (Abb. 4).
Defileeaufnahmen der Patella in 308, 608 und 908Grad Beugung informieren über eine Subluxation,Luxation, Tilt und Retropatellararthrose.
MRT. Das MRT ist zur Beurteilung von osteochondralenBegleitverletzungen nach traumatischer Patellaluxationsowie zur Beurteilung intraartikulärer Knorpelschädenindiziert.
CT. Die Tuberositas−Gleitrinnendistanz kann auf CT−Aufnahmen durch Bestimmung der Distanz des Zen−trums der Trochlea und des Ansatzes des Lig. patellae
an der Tuberositas tibiae bestimmt werden (engl. TT−TG). Gemessen wird er durch Superposition von 2 CT−Schnitten, einem durch die Femurrolle, dort, wo derinterkondyläre Spalt die Form einen romanischenBogens hat, und der andere durch den oberen Anteil derTuberositas tibiae, wo die Patellarsehne inseriert. Hier−bei wird eine Lateralisation von mehr als 20 mm inExtension als pathologisch gewertet (Dejour et al. 1994).Die Tuberositas−Gleitrinnendistanz hat den Q−Winkelund das Bajonettzeichen ersetzt.
Differenzialdiagnose
Die mannigfaltigen Ursachen extraartikulärer undintraartikulärer Pathologien des vorderen Kniegelenk−schmerzes sind oft schwierig abzugrenzen (Tab. 1).
Therapie
Konservative Therapie
Eine konservative Therapie ist in vielen Fällen erfolg−reich und sollte vor jeder operativen Maßnahme ausge−schöpft werden (siehe auch: Fraitzl C.R. Orthopädie undUnfallchirurgie up2date 3/2008: Kniegelenk ± Arthroseund Arthritis). Grundprinzip der Behandlung ist die Be−
Abb. 4 n Caton−Deschamps−Index (AT/AP) (nach Neyret et al. 2008).AT: Entfernung zwischen dem inferioren Punkt der Patellagelenkflächeund dem am weitesten ventral gelegenen Punkt des TibiaplateausAP: Länge der Patellagelenkfläche
Abb. 3 n Vorsprung des Gleitlagers. Vorsprung Null (a), Vorsprung positiv (b), Vorsprungnegativ (c) (nach Neyret et al. 2008).
Definition
Gleitlagervorsprung
Der Gleitlagervorsprung ist
der Abstand zwischen der
an den distalen 10 cm der
anterioren Femurkortikalis
angelegten Geraden und
dem am weitesten ventral
gelegenen Punkt der dorsa−
len Gleitlagerbegrenzung.
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seitigung der Überbelastung. Gegebenenfalls ist dahereine Sportkarenz bis zur Beschwerdefreiheit indiziert.
Die konservative Therapie beinhaltetn Krankengymnastik zum Auftrainieren des M. vastus
medialis und Dehnen des M. quadriceps bei Verkür−zung,
n propiozeptives Training,n Kräftigung der Hüftaußenrotatoren,n Medikamente (Antiphlogistika),n physikalische Therapie (Kryotherapie, Ultraschall,
Iontophorese),n Orthesen (Patellabandagen, Taping).
Operative Therapie
Im Falle einer Instabilität des Streckapparates odereines Knorpelschadens kann jedoch nach Ausschöpfungder konservativen Therapie eine operative Behandlungindiziert sein. Diese sollte jedoch sehr zurückhaltendund nur bei eindeutigen mechanischen Ursachen ein−gesetzt werden, da sonst von der Operation keine Ver−besserung zu erwarten ist.
Zur Behandlung des retropatellaren Schmerzsyndromsstellte Fulkerson einen Behandlungsalgorithmus auf(Fulkerson 2000, 2004) (Abb. 5 u. Tab. 2). Die Behand−lungskonzepte beinhalten die laterale Retinakulum−spaltung (z. B. nach Viernstein 1968), die mediale Raf−fung des M. vastus medialis (z.B. nach Insall 1983)sowie die Anteromedialisierung der Patella. Dies be−deutet die Medialisierung der Tuberositas tibiae zurRezentrierung des Streckapparates und die Ventralisie−rung der Tuberositas tibiae zur Druckverminderung.
Abb. 5 n Behandlung einer retropatellaren Knorpelläsion anhand ihrer Lokalisation(nach Fulkerson 2000, 2004).
Tabelle 2
Behandlungsalgorithmus einer Knorpelläsion anhand des Chondromalazie−grades nach Outerbridge (nach Fulkerson 2000)
Chondromalaziegrade Therapie
Grad I laterale Subluxation mit:Ia: Chondromalaziegrad 0 ± IIIb: Chondromalaziegrad III ± IV
MR + LRAMT + LR
Grad II laterale Subluxation 0 ± IIIIa: Chondromalaziegrad 0 ± IIIIb: Chondromalaziegrad III ± IV
LR + MRLR + AMT
Grad III Tilt mit:IIIa: Chondromalaziegrad 0 ± IIIIIb: Chondromalaziegrad III ± IV
LRLR + AMT
Grad IV kein MalalignmentIVa: Chondromalaziegrad 0 ± IIIVb: Chondromalaziegrad III ± IV
konservativDØbridement, ggf. ATT
MR: mediale Raffung; LR: laterales Release; AMT: Anteromedialisierung der Tuberositastibiae; ATT: Anteriorisierung der Tuberositas tibiae
Tabelle 1
Differenzialdiagnosen des patellaren Schmerzsyndroms inAnlehnung an Hassenpflug (2005).
n idiopathischn Nervenengpasssyndromn peripatellares Neurinom (z.B. nach Arthroskopie)n intraossäre Hyperpressionn Morbus Sudeck (CRPS)n ausstrahlender Schmerz von: Hüfte, Iliosakralgelenk, Wirbelsäulen Morbus Sinding−Larsenn Morbus Schlattern Plikasyndromn Tumorn Bursitis praepatellaris und infrapatellarisn Osteochondrosis dissecansn Chondropathie und Arthrosen Tendinitis des Lig. patellae und Insertionstendinosen
(¹jumper’s knee“)n Patella baja (unter anderem z. B. nach Narbenkontraktur des
Hoffa−Fettkörpers)
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Bevor eine operative Rezentrierung des Streckapparateserfolgt, müssen Weichteilpathologien wie z.B. schmerz−hafte Plica, Neurom, Narbengewebe, Retinakulum undQuadrizepsschwächen ausgeschlossen werden. Diesepathologischen Veränderungen lassen sich durch dienachfolgenden Operationen nicht behandeln.
n Proximale Rekonstruktion zur Rezentrierungdes Streckapparates
Laterales ReleaseEin laterales Release ist bei einem verkürzten lateralenRetinakulum und einer Patellakippung (Tilt) indiziert.Hiermit vergesellschaftet ist ein erhöhter Druck auf dielaterale Patellafacette. Hierbei muss ausgeschlossenwerden, dass durch das laterale Release eine Knorpellä−sion im Bereich der Patella oder der Trochlea einer ver−mehrten Belastung ausgesetzt wird (Abb. 6 a). Eine Sub−luxation der Patella kann nicht durch ein lateralesRelease behoben werden (Abb. 6 b). Das laterale Releasekann in offener oder arthroskopischer Technik durch−geführt werden. Die häufigste Komplikation des latera−len Releases ist die Blutung, die in der Literatur mit biszu 10% angegeben wird (Greslamer u. Stein 2005).
n Rekonstruktion des medialen patellofemoralenLigaments
Indikation der proximalen Rekonstruktion ist die chro−nisch−rezidivierende oder habituelle Patellaluxation.Ziel einer proximalen Rekonstruktion ist die möglichstphysiologische Rekonstruktion der medialen parapatel−laren Weichteile, insbesondere des medialen patellofe−moralen Ligaments (MPFL). Dagegen existieren Verfah−ren, die durch eine Medialisierung des Streckapparatesproximal der Patella eine Patellaluxation verhindernsollen (z.B. Operation nach Insall) (Rudert et al. 2001).Die Rekonstruktion des medialen patellofemoralen Li−gaments kann einerseits durch eine Naht oder Raffungdes Ligaments selbst oder durch eine Augmentation inForm eines freien Transplantates oder Versetzung desdistalen Semitendinosusansatzes erfolgen (Ostermeieret al. 2007) (Abb. 7).
Abb. 6 n a Laterales Release zur Korrektur einer Patellafehlrotation (Tilt)(nach Fulkerson 2005).b Laterales Release führt nicht zur Korrektur einer Subluxation derPatella (nach Fulkerson 2005).
Patella
SemitendinosussehneLig. collateralemediale (getunnelt)
Abb. 7 n Rekonstruktion des medialen patellofemoralen Ligamentsmit der getunnelten Semitendinosussehne (nach Ostermeier et al.2007).
Therapieziele
Operative Behandlung
Ziel der operativen Behandlung ist eine Stellungskor−
rektur der Patella und ggf. die Druckverminderung imFemoropatellargelenk.
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n Distale Rekonstruktion zur Rezentrierungdes Streckapparates
Eine chronische Patellalateralisation mit oder ohnePatella(sub)luxation führt häufig zu einem Knorpel−schaden. Dieser Knorpelschaden tritt fast immer an derlateralen Patellafacette und am distalen Patellapol auf.Aus diesem Grunde sollte eine Rezentrierung desStreckapparates mit einer Druckentlastung der betrof−fenen Knorpelläsionen einhergehen. Die Lokalisationder Knorpelläsionen kann im Rahmen des Eingriffsdurch eine vorausgehende Arthroskopie identifiziertwerden. Eine Rezentrierung des Streckapparates kanndurch eine alleinige mediale Transposition der Tubero−sitas tibiae erfolgen (OP n. Elmslie−Trillat 1964, Maquet1976). Soll gleichzeitig die Region der Knorpelläsionentlastet werden, ist eine anteromediale Transpositionder Tuberositas tibiae indiziert (z.B. nach Fulkerson2004; Abb. 8).
Ohne distale Kontinuitätsdurchtrennung lässt dieFixation mit kortikalen Schrauben eine aktive Nachbe−handlung zu. Eine Teilbelastung in einer Orthese solltefür 6 Wochen postoperativ durchgeführt werden. Kran−kengymnastische Behandlungen mit Flexion des Knie−gelenkes bis 908 sind erlaubt. Buuck u. Fulkerson (2000)berichten über 86 % gute Ergebnisse 12 Jahre postope−rativ nach Anteromedialisierung der Tuberositas tibiae.Eine Kontraindikation für diese Operation stellt derzentral−proximale Knorpelschaden dar, der durch diesesVerfahren unter vermehrte Belastung gesetzt wird.
Eine alleinige Ventralisierung der Tuberositas tibiae(OP n. Maquet 1983) zeigte weniger gute Ergebnisseund vermehrte Probleme, sodass die Anteromedialisie−rung dieser Technik heute vorgezogen wird (Radin et al.1993). Neyret u. Mitarb. 2008 stellten einen Algorith−mus zur Behandlung der Knieinstabilität und femoro−patellarer Schmerzen auf. Dieser basiert auf den o.g.röntgenologisch und im CT gemessenen Indices(Abb. 9).
" Von knöchernen Transpositionen sollten im Wachs−tumsalter aufgrund einer möglichen Verletzung der Epi−physenfuge verzichtet werden. Hier stellt die Operationnach Goldthwait (1899) eine Alternative dar.
b
Abb. 8 n a Anteromedialisierung der Tuberositas tibiae (nach Fulkerson1990, 2004).b Transposition der Tuberositas tibiae nach medial und anterior.
Tibia
Fibula
lateralmedial
a
ligamentärerSpannungsausgleichRekonstruktion des
Lig. patello-femorale mediale
Tuberositas-distalisierung
Tuberositas-medialisierung
Index >1,2 >20°≥20mm
Patella alta
CT
Instabilität, ÜberlagerungGleit lagervorsprung>4mm
Patellaabkippung
Patellainstabilität bei 0°, 30°laterales Röntgen-Bild
Knieinstabilität +femoropatellarer Schmerz
TT-TG
Abb. 9 n Algorithmus: Knieinstabilität und retropatellarer Schmerz (The Lyon Experience;nach Neyret et al. 2008).
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n Intraartikuläre Eingriffe
Eingriffe am Patellaknorpel beinhalten die arthroskopi−sche Knorpelglättung und die Anbohrung des subchon−dralen Knochens (Pridie−Bohrung) zur Bildung einesfaserknorpeligen Regenerats. Auch autologe Chondro−zytentransplantationen (ACT) oder Knorpel−Knochen−Transplantationen (Mosaikplastik) werden heute durch−geführt. ACT und Knorpel−Knochen−Transplantationenzeigen aufgrund der Scherbelastungen in diesem Ge−lenk schlechtere Ergebnisse als in anderen Komparti−menten des Kniegelenkes (Duchow et al. 2000). NachBentley u. Mitarb. (2003) sind jedoch die Ergebnissenach ACT günstiger als nach Knorpel−Knochen−Trans−plantation. Bei ausgedehnter retropatellarer Arthrosebesteht die Möglichkeit einer lateralen Patellaverschmä−lerung (Rudert u. Wirth 2000) oder einer isoliertenpatellofemoralen Prothese. Hierbei werden Polyethylen−patellarückflächen und Metallgleitlager ähnlich demtrikompartimentellen Kniegelenkersatz verwendet. Esgibt jedoch auch Autoren, die in diesen Fällen einen tri−kompartimentellen Ersatz bevorzugen (Laskin 1999,Thompson et al. 2001). Für die neue Generation derisolierten patellofemoralen Prothese finden sich ledig−lich früh− bis mittelfristige Ergebnisse in der Literatur.Ackroyd u. Chir (2005) berichten über 5−Jahres−Ergeb−nisse von 33 Patienten mit einer Revisionsrate von 3,6 %und persistierendem anterioren Knieschmerz von 4 %.
Die Patellektomie stellt heute eine Ausnahme darund wird lediglich in Einzelfällen angewandt.
Komplikationen
Da die Schrauben in der Tuberositas tibiae sehr ober−flächlich liegen, sind regelmäßige Wundkontrollenwichtig. Der Gebrauch einer Kopfraumfräse kann diesesRisiko mindern. Eine unzureichende Fixierung der Tu−berositas tibia kann zu einer Pseudarthrose führen. Essollte daher unbedingt darauf geachtet werden, dass dieGegenkortikalis von den Schrauben erfasst wird. Cer−clagedrähte können die Position im Zweifelsfall sichern.Eine Tibiafraktur kann nach zu tief reichender Osteo−tomie auftreten. Die Algodystrophie kann sich durchSpannungsschmerzen und eine Patella baja äußern.Eine unzureichende oder zur ausgedehnte Medialisie−rung des Streckapparates oder der Patella verursachtmedial lokalisierte Schmerzen.
Prognose
Bei guter Rekonstruktion des Streckapparates undEntlastung von Knorpelläsionen können gute Langzeit−ergebnisse erreicht werden. Eine Überkorrektur mitmedialer Instabilität ist unbedingt zu vermeiden.Wichtig sind die sorgfältige Patientenselektion unddie geeignete Operationstechnik.
Begutachtung
Bis auf die traumatische Patellaluxation handelt es sichum eine angeborene oder degenerative Erkrankung.
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Korrespondenzadresse
Prof. Dr. Christina Stukenborg−Colsman
Orthopädische Klinik der Medizinischen Hochschule Hannover
Anna−von−Borries−Str. 1 ± 7
30625 Hannover
Telefon: 0511/5354−0
Telefax: 0511/5354−682
E−Mail: christina.stukenborg@annastift.de
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Patellofemorale Schmerzen
Welche Aussage/n trifft/treffen zu?Welche prädisponieren−den Faktoren können zueiner Patellaluxationführen?
1 1. eine vermehrte Außenrotation der Tibia
2. eine vermehrte Antetorsion des Femurs3. ein Genu recurvatum4. ein Genu varum5. eine ligamentäre LaxizitätA Nur die Aussagen 1 und 3 treffen zu.B Nur die Aussagen 1, 2, 3 und 5 treffen zu.C Nur die Aussagen 2, 3 und 5 treffen zu.D Nur die Aussage 4 trifft zu.E Alle Aussagen treffen zu.
Welche Aussage/ntrifft/treffen zu?Welche Pathologieresultiert aus einerPatellakippung?
2 1. vermehrte Druckbelastung der lateralen Facette
2. Patella alta3. Verkürzung des lateralen Retinakulums4. retropatellare Arthrose5. Verkürzung des medialen RetinakulumsA Nur die Aussagen 1 und 5 treffen zu.B Nur die Aussagen 1, 3 und 4 treffen zu.C Nur die Aussagen 2, 3 und 5 treffen zu.D Nur die Aussage 4 trifft zu.E Alle Aussagen treffen zu.
Welche Aussage/ntrifft/treffen zu?Welche bildgebendeDiagnostik ist zurDiagnosestellung einerPatellaluxation hilf−reich?
3 1. Patella tangential
2. Knie seitlich3. MRT4. Tuberositas−Gleitrinnendistanz (engl. TT−TG)5. Caton−Deschamps−IndexA Nur die Aussagen 1 und 5 treffen zu.B Nur die Aussagen 1, 3 und 4 treffen zu.C Nur die Aussagen 2 und 5 treffen zu.D Nur die Aussage 1 trifft zu.E Alle Aussagen treffen zu.
CME−FragenDie folgenden Fragen beziehen sich auf den vorangehenden Beitrag. Sie können uns die entsprechenden
Antworten entweder online unter http://cme.thieme.de oder durch das CME−Teilnahmeheft hinten in dieser
Zeitschrift zukommen lassen. Jeweils eine Antwort ist richtig.
Die Vergabe von CME−Punkten ist an die korrekte Beantwortung der Multiple−Choice−Fragen gebunden.
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Beckengürtel und untere Extremität
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Welche Aussage/ntrifft/treffen zu?Ab wann sprichtman von einem patho−logischen Caton−Deschamps−Index?
4 1. < 1,2
2. > 1,23. < 0,94. > 1,85. < 3,5A Nur die Aussagen 1 und 5 treffen zu.B Nur die Aussagen 1, 3 und 4 treffen zu.C Nur die Aussagen 2 und 5 treffen zu.D Nur die Aussage 2 trifft zu.E Alle Aussagen treffen zu.
Welche Aussage/ntrifft/treffen zu?Bei einem pathologischerhöhten Index liegtwelche Patellafehl−stellung vor?
5 1. Patella baja
2. Patella alta3. Patellakippung4. Patellalateralisation5. Retropatellare ArthroseA Nur die Aussage 2 trifft zu.B Nur die Aussagen 1, 3 und 4 treffen zu.C Nur die Aussagen 2 und 5 treffen zu.D Nur die Aussage 1 trifft zu.E Alle Aussagen treffen zu.
Welche Aussage/ntrifft/treffen zu?Welche klinischen Testssind bei einer Patella−instabilität positiv?
6 1. Apprehension−Test
2. Elongation des M. quadriceps3. Schwäche der Hüftaußenrotatoren4. Verschieblichkeit der Patella5. Bandlaxität mit Überstreckbarkeit der GelenkeA Nur die Aussagen 1 und 5 treffen zu.B Nur die Aussagen 1, 3 und 4 treffen zu.C Nur die Aussagen 1, 3, 4 und 5 treffen zu.D Nur die Aussage 1 trifft zu.E Alle Aussagen treffen zu.
Welche Aussage/ntrifft/treffen zu?Welche operativenTherapiemöglichkeitengibt es zur Behandlungeiner Patellaluxation?
7 1. laterales Release
2. mediale Raffung3. Medialisierung oder Anteromedialisierung der Tuberositas tibiae4. kniegelenknahe OsteotomienA Nur die Aussagen 1 und 3 treffen zu.B Nur die Aussagen 1, 2 und 3 treffen zu.C Nur Aussagen 2, 3 und 4 treffen zu.D Nur die Aussage 4 trifft zu.E Alle Aussagen treffen zu.
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Patellofemorale Schmerzen
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Welche Aussage/ntrifft/treffen zu?Die Rekonstruktiondes medialen patello−femoralen Ligamentserfolgt häufig mitfolgender Struktur?
8 1. Semitendinosussehne
2. Pes anserinus3. Semimembranosus4. Vastus medialisA Nur die Aussage 1 trifft zu.B Nur die Aussagen 1, 2 und 4 treffen zu.C Nur die Aussagen 2, 3 und 4 treffen zu.D Nur die Aussage 4 trifft zu.E Alle Aussagen treffen zu.
Welche Aussage/ntrifft/treffen zu?Wann sollte man beieiner Patellainstabilitätdie Tuberositas−tibiae−Medialisierung miteiner Ventralisierungverknüpfen?
9 1. freies Knorpelfragment
2. retropatellare Knorpelläsion3. femorale Knorpelläsion4. Osteochondrosis dissecansA Nur die Aussage 1 trifft zu.B Nur die Aussagen 1, 2 und 4 treffen zu.C Nur die Aussage 2 trifft zu.D Nur die Aussagen 2, 3 und 4 treffen zu.E Alle Aussagen treffen zu.
Welche Aussage/ntrifft/treffen zu?Welches sinddie häufigstenKomplikationenbei einem lateralenRelease?
10 1. Wundinfekt
2. Vernarbung3. mediale Patellainstabilität4. Blutung5. HämatomA Nur die Aussagen 4 und 5 treffen zu.B Nur die Aussagen 1, 3 und 4 treffen zu.C Nur die Aussagen 1, 3, 4 und 5 treffen zu.D Nur die Aussage 1 trifft zu.E Alle Aussagen treffen zu.
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