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Arzneimittelpreise im europäischen Vergleich:

methodische Überlegungen und aktuelle Ergebnisse

Reinhard Busse, Prof. Dr. med. MPH FFPHmit Dimitra Panteli, Dr. PH

FG Management im Gesundheitswesen, Technische Universität Berlin (WHO Collaborating Centre for Health Systems Research and Management)

&European Observatory on Health Systems and Policies

und aktuelle Ergebnisse

• Warum Arzneimittelpreise vergleichen?

• Was sind die wichtigsten Vorüberlegungen zu Länder- und Präparate-Auswahl und zurMethodik der Berechnung?

• Wie sehen aktuelle Ergebnisse aus?

Warum vergleichen?Um Unterschiede erklären zu können: Preis, Menge, Struktur?

Warum vergleichen?Um Unterschiede erklären zu können: Preis, Menge, Struktur?

Warum vergleichen?

• Preisvergleich von einzelnen bzw. mehreren bestimmtenArzneimitteln

Quelle: Iyengar et al. 2016

• Vergleich des durchschnittlichenPreisniveaus, ggf. fürbestimmte Perioden(prä-/ post-AMNOG)

Bitte noch nicht

nach Details fragen;

wir kommen

auf Sofosbuvir zurück

Methodische Vorüberlegungen

1. Auswahl der Länder

2. Auswahl der zu vergleichender Arzneimittel/ des Warenkorbes

3. Auswahl der geeigneten Preisbasis

4. Vergleichbarkeit der eingeschlossenen Präparate

5. Preisgewichtung bei Durchschnittsberechnungen5. Preisgewichtung bei Durchschnittsberechnungen

6. Normierung von Preisen in unterschiedlichen Währungen & ggf. Adjustierung nach wirtschaftlichen Kennzahlen

Methodische Vorüberlegungen (1)

Auswahl der Länder

• Verbrauchmuster (Demographie, Epidemiologie, Behandlungs-tradition, Erstattungsvorgaben)

• Wirtschaftskraft

• Gesundheitsspezifische Leistungsfähigkeit• Gesundheitsspezifische Leistungsfähigkeit

BIP -> Zahlungsfähigkeit

Gesamtausgaben für Gesundheit -> Zahlungsbereitschaft

Methodische Vorüberlegungen (2)

Auswahl der zu vergleichenderArzneimittel/ des Warenkorbes

• Abhängig von Zielstellung: z.B. nur Onkologika oder „alle“

• Vollerhebung unmöglich

• „Best seller“-Ansatz zur

Quelle: IMS 2015

• „Best seller“-Ansatz zur Untersuchung von Preisniveau bewährt, aber

– Verfügbarkeit potentiell variabel

– schließt vorwiegend Originalpräparate ein

• AM mit mehreren Wirk-stoffen schwer vergleichbar

Methodische Vorüberlegungen (3)

Auswahl der geeigneten Preisbasis

Herstellerabgabepreis (ApU)?Großhandelspreis (AEP)? Apothekenverkaufspreis (ohne/ mit MWSt.)?

• Distributionsstufen unterschiedlich (stark) reguliert (Aufschläge sogar innerhalb des reguliert (Aufschläge sogar innerhalb des Landes unterschiedlich, z.B. NL, UK)

• Mehrwertsteuer unterschiedlich hoch(0% in IE & SE bis zu 25% in DK)

• Je nachdem, welche Preisangaben(öffentlich) zu Verfügung stehen, müssenDistributionsstufen und Mehrwertsteuerherausgerechnet werden

• Listenpreise sind nicht (unbedingt) tatsächlich bezahlte Preise!

Methodische Vorüberlegungen (3)

Auswahl der geeigneten Preisbasis

Herstellerabgabepreis (ApU)?Großhandelspreis (AEP)? Apothekenverkaufspreis (ohne/ mit MWSt.)?

• Distributionsstufen unterschiedlich (stark) reguliert (Aufschläge sogar innerhalb des reguliert (Aufschläge sogar innerhalb des Landes unterschiedlich, z.B. NL, UK)

• Mehrwertsteuer unterschiedlich hoch(0% in IE & SE bis zu 25% in DK)

• Je nachdem, welche Preisangaben(öffentlich) zu Verfügung stehen, müssenDistributionsstufen und Mehrwertsteuerherausgerechnet werden

• Listenpreise sind nicht (unbedingt) tatsächlich bezahlte Preise!

Quelle: van Harten et al. 2016

Methodische Vorüberlegungen (3)

Auswahl der geeigneten Preisbasis

Herstellerabgabepreis (ApU)?Großhandelspreis (AEP)? Apothekenverkaufspreis (ohne/ mit MWSt.)?

• Distributionsstufen unterschiedlich (stark) reguliert (Aufschläge sogar innerhalb des reguliert (Aufschläge sogar innerhalb des Landes unterschiedlich, z.B. NL, UK)

• Mehrwertsteuer unterschiedlich hoch(0% in IE & SE bis zu 25% in DK)

• Je nachdem, welche Preisangaben(öffentlich) zu Verfügung stehen, müssenDistributionsstufen und Mehrwertsteuerherausgerechnet werden

• Listenpreise sind nicht (unbedingt) tatsächlich bezahlte Preise!

Quelle: van Harten et al. 2016

Quelle: DeBlok 2016

Methodische Vorüberlegungen (4)

Vergleichbarkeit der eingeschlossenen Präparate

• Packungsgrößen, Darreichungsformen, Dosisstärken und Dispensierungsmodalitäten können sich unterscheiden

• „typische Packung“ im Referenzland nicht unbedingt in allen Ländern typisch oder verfügbarLändern typisch oder verfügbar

• Übliche Aggregationsansätze:

– pro Standardeinheit (z. B. pro 20mg-Tablette, Kapsel, 20 ml-Ampulle etc.),

– pro Gramm Wirkstoff oder

– pro definierter Tagesdosis („defined daily dose“, DDD) oderBruchteil davon

Methodische Vorüberlegungen (5)

Preisgewichtung bei Durchschnittsberechnungen

• Einfacher Durchschnittswert über alle berücksichtigten Wirkstoffe � ABER: nicht alle Arzneimittel haben denselben Einfluss auf das allgemeine Preisniveau eines Landes (Verbrauchsmuster, allgemeine Preisniveau eines Landes (Verbrauchsmuster, Epidemiologie)

• Volumen-gewichteter Wert anhand der Verbrauchsmengen (unterschiedliche Optionen bzgl. Referenzland)

Methodische Vorüberlegungen (6)

Normierung von Preisen in unterschiedlichen Währungen

• Wechselkurse, zu einem Stichtag oder durchschnittlich über längereZeitperiode hinweg

– pro: bestimmen eigentliche Nettoeinkünfte der Hersteller aus Auslandsumsätzen

– contra: schwankungsanfällig, von Kapitalflüssen zwischen – contra: schwankungsanfällig, von Kapitalflüssen zwischen Ländern und Währungsspekulationen stark beeinflusst, lassen Wohlstandsunterschiede in den Vergleichsländern außen vor

• Kaufkraftparitäten/ Kaufkraftstandards

– pro: bessere Abbildung von Preisspiegeln, weniger instabil und spekulationsanfällig, ermöglichen Vergleich auch zwischen Ländern mit gleicher Währung

– contra: Berechnungsmethodik und Robustheit nicht unumstritten

Methodische Vorüberlegungen (6)

Adjustierung nachwirtschaftlichenKennzahlen – BIP (in KKS)

Vor allem indiziert, wenn

• Vergleich mit• Vergleich mitgesundheitspolitischerRelevanz

• Länder in ihrer Zahlungsfähigkeit und-bereitschaft nichtausreichend homogen

Effekt der KKS-Normierung(Sofosbuvir-Beispiel vom Anfang)

Quelle: Iyengar et al. 2016

Annahme von 23%

Rabatt beruht auf

CMS-Rabatte in USA

Die 1 x 1 (genauer 9 x 4 x 8 x 4)-Matrix der methodischen Vorüberlegungen

Die 1 x 1 (genauer 9 x 4 x 8 x 4)-Matrix der methodischen Vorüberlegungen

… und unser Vorgehen

Quelle: Busse et al. 2016

WIE SEHEN AKTUELLE ERGEBNISSE AUS?ERGEBNISSE AUS?

Bestseller-Ansätze liefern unterschiedlicheErgebnisse

Year (reference)

Pharmaceutical

basket

Price types

Price conversion

EU OECDAll

(per pack)

All

(per dose)

All

(per pack)

All

(per dose)2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011

DE 128 127 124 134 119 129 108 105 113 142 169 155 153

DK 121 120 118 122 116 119 - - - - - - -

2005

(Konijn 2007; OECD 2008)

2005-2011

(ABPI 2014; Department of Health 2012)

181 (comparable best-sellers,

75% originator products, 25%

generics

230 (best-seller originator products in primary care in England)

Pharmacy retail price

including margins and VATManufacturer price

2010

(Brekke & Holmås 2012)

153 (prescription-only medicines without

generic competition in Sweden)

Unclear** Unclear**

Pharmacy retail price

without VATWholesale price

Exchange rates (2005

average)*Exchange rates (average of the 4th quartile every year)

DK 121 120 118 122 116 119 - - - - - - -

IE 119 118 145 126 139 117 103 105 112 134 144 133 123

IT 118 117 - - 84 78 83 101 120 113 101

FI 111 111 112 110 90 89 101 96 99 119 113 105 103

NL 109 109 97 98 94 93 95 94 99 115 - - 117

AT 107 106 117 116 102 101 96 94 96 111 125 117 115

BE 106 105 99 105 97 100 95 97 101 122 132 122 123

EU25 100 - - - - - - - - - - - -

OECD 100 - - - - - - - - - - -

SE 95 94 100 100 100 100 - 103 105 116 126 130 134

PT 94 94 - - - - - - - - - - -

UK 93 92 72 77 76 81 100 100 100 100 100 100 100

FR 91 91 - - - - 96 89 92 108 115 104 104

ES 77 77 - - - - 84 85 88 109 118 106 101

GR 73 73 - - - - - - - - - - -

PL 68 68 - - - - - - - - - - -

Quelle: Panteli et al. 2016

Year (reference)

Pharmaceutical

basket

Price types

Price conversion

EU OECDAll

(per pack)

All

(per dose)

All

(per pack)

All

(per dose)2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011

DE 128 127 124 134 119 129 108 105 113 142 169 155 153

DK 121 120 118 122 116 119 - - - - - - -

2005

(Konijn 2007; OECD 2008)

2005-2011

(ABPI 2014; Department of Health 2012)

181 (comparable best-sellers,

75% originator products, 25%

generics

230 (best-seller originator products in primary care in England)

Pharmacy retail price

including margins and VATManufacturer price

2010

(Brekke & Holmås 2012)

153 (prescription-only medicines without

generic competition in Sweden)

Unclear** Unclear**

Pharmacy retail price

without VATWholesale price

Exchange rates (2005

average)*Exchange rates (average of the 4th quartile every year)

Bestseller-Ansätze liefern unterschiedliche- aber recht konsistente - Ergebnisse

DK 121 120 118 122 116 119 - - - - - - -

IE 119 118 145 126 139 117 103 105 112 134 144 133 123

IT 118 117 - - 84 78 83 101 120 113 101

FI 111 111 112 110 90 89 101 96 99 119 113 105 103

NL 109 109 97 98 94 93 95 94 99 115 - - 117

AT 107 106 117 116 102 101 96 94 96 111 125 117 115

BE 106 105 99 105 97 100 95 97 101 122 132 122 123

EU25 100 - - - - - - - - - - - -

OECD 100 - - - - - - - - - - -

SE 95 94 100 100 100 100 - 103 105 116 126 130 134

PT 94 94 - - - - - - - - - - -

UK 93 92 72 77 76 81 100 100 100 100 100 100 100

FR 91 91 - - - - 96 89 92 108 115 104 104

ES 77 77 - - - - 84 85 88 109 118 106 101

GR 73 73 - - - - - - - - - - -

PL 68 68 - - - - - - - - - - -

Quelle: Panteli et al. 2016

Im neusten Vergleich von durchschnittlichenBIP-gewichteten Listenpreisen für 250 umsatzstärkste

Präparate (2015) bleibt Deutschland oben100

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: A

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Bei den deutschen Top 10 ist der Preisinnerhalb der 9 Länder 9x am höchsten

Qu

elle

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Ein schneller Blick zurück zu methodischerVorüberlegung 6

Vergleichsländer im AVR:

Adjustierung für KKS und BIP führt zu (ggü. Deutschland):

- gemischtem/ geringem Effekt

- geringeren Preisen(aufgrund KKS)

- geringeren Preisen(aufgrund KKS & BIP)

Hier die Auswertung für die 189 Präparateohne Erstattungsbetrag …

100

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: A

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Hier die Auswertung für die 189 Präparateohne Erstattungsbetrag – mit Herstellerrabatt,

Rabatte für Preiserhöhungen etc. …100

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78 78 77

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... und hier für die 61 Präparatemit Erstattungsbetrag (Basis: Listenpreis!)

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... und hier für die 61 Präparatemit Erstattungsbetrag – unter Berücksichtigung von

Erstattungsbetrag und anderer gesetzlicher Rabatte100

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Andere Vergleiche zeigen für die AMNOG-Präparate ein noch deutlicheres Bild

• bei 85 Erstattungsbeträgen: durchschnittlicher Rabatt von 26,2%

• Launchpreise in Deutschland zu 57% über dem höchsten europäischenPreis, Erstattungsbeträge zu 31% unter dem niedrigsten (und imSchnitt 11,9% unter dem europäischen Durchschnittspreis)

Nachfrage beim vfa (per email): handelt sich um Herstellerabgabe-

preis – in Deutschland =Erstattungsbetrag, in anderen

Ländern ohne gewährte Rabatte

Andere Vergleiche zeigen für die AMNOG-Präparate ein noch deutlicheres Bild

Quelle: VfA 2016

Nachfrage bei ÖBIG (Daten-quelle): können Daten nichtnachvollziehen, da Arznei-

mittel nicht mit Namen versehen

KKS-adjustierte Preise und Gesamtkosten pro Land für Sofosbuvir

Quelle: Iyengar et al. 2016

Preisvergleich von 31 Original-Krebsmedikamenten in 16 Ländern (Standardeinheit, ApU Listenpreis, Wechselkurs Mai 2013)

28. Mai 2014 Management im Gesundheitswesen: Industrie 33

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Neuer Ansatz: Inzidenz-adjustierter Konsum und Ausgaben (hier für Krebs in OECD-Ländern)

Konsum

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Neuer Ansatz: Inzidenz-adjustierter Konsum und Ausgaben (hier für Krebs in OECD-Ländern)

Ausgaben(via Standardeinheiten,

AVP, Wechselkurse IV/14)

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Neuer Ansatz: Inzidenz-adjustierter Konsum und Ausgaben (hier für Krebs in OECD-Ländern)

Konsum Ausgaben

• Inzidenz-adjustierter Konsum und Ausgaben können verglichen werden

• Ergebnisse – Schweden (und UK): hoher– Schweden (und UK): hoher

Konsum & niedrige Ausgaben

(� niedrige Preise)

– USA: niedriger Konsum & hohe Ausgaben(� sehr hohe Preise)

– Deutschland: niedrigerKonsum, durchschnittliche

Ausgaben (� hohe Preise fürOriginalpräparate)

• Internationale Preisvergleiche ermöglichen uns, die Ursachen für Ausgabenunterschiede besser zu verstehen

• Aber: Preis ist nicht gleich Preis – und Methodik in Preisvergleichen ist sehr variabel; wichtig ist der Unterschied zwischen „ohne“ und „mit“ KKS- bzw. BIP-Normierung/ Adjustierung

Ein notwendigerweise unvollständiges Fazit

• Etwas vereinfacht gesagt: Adjustierung lässt Preise in Deutschland ggü. wichtigen Vergleichsländern (noch) höher erscheinen

• Wichtiger Faktor ist auch die Berücksichtigung von Rabatten bzw. ermäßigten Preisen, wie deutsches Preisniveau prä- und post-AMNOG zeigt (AMNOG wirkt!)

Kapitel 7

Folien unter www.mig.tu-berlin.de