Aufgaben und Strukturen der Prozessleittechnik · Struktur dezentraler PLS •ABK:...

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Fakultät ETIT, Institut für Automatisierungstechnik, Professur für Prozessleittechnik

VL Prozessleittechnik 1 SS 2013

Professur für Prozessleittechnik

Aufgaben und Strukturen der Prozessleittechnik - 2

Übersicht

• Einordnung des Themengebiets

Prozessführung, Prozessleittechnik, Prozessleitsystem

• Historische Entwicklung

Automatisierungsstufen, Sichtbare Veränderungen

• Aufgaben der PLT

Basisaufgaben Automation, Basisaufgaben Information

• Strukturen und Architekturen

Anforderungen, Funktions- und Ebenenmodelle, Komponenten

Urbas © 2012-2013 PLT-1 Folie 2

Fakultät ETIT, Institut für Automatisierungstechnik, Professur für Prozessleittechnik

Wiederholung: Aufgaben der Prozessleittechnik

Aufgaben der Prozessleittechnik

Basisaufgaben Automation

• Messen und Wandeln von Prozessgrößen

• Steuern und Sichern durch Abarbeitung von Logikprogrammen

• Regeln zur Stabilisierung von Prozessgrößen

• Überwachen und Erkennen von (gefährlichen) Prozesszuständen

• Anzeigen: Darstellen von Prozess- und Führungsgrößen

• Bedienen: Führende Eingriffe durch Bedienpersonal

Basisaufgaben Information

• Archivieren: Bereitstellen von Information über lange Zeiträume

• Konfigurieren: Automatisches Erkennen und Einbinden von Sensoren und Aktoren

• Vermitteln: zwischen Unternehmensleitebene und Produktion

• Absichern: gegen unerlaubte aktive oder passive Zugriffe von innen oder außen

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Prozessleitsystem

• Ein Prozessleitsystem (PLS; engl. digital control system DCS) ist

ein integriertes System zur technischen Realisierung der

Aufgaben der Prozessleittechnik

Marktvolumen: 12% des Automatisierungsmarktes für die Prozessindustrie

Informationsdrehscheibe mit Schnittstellen zum Prozess und zu betrieblichen Informationsbedarfsträgern

Monolithische Systeme / verteilte Systeme

• Anforderungen an PLS aus den verschiedenen Aufgaben

Echtzeitfähigkeit

Hohe Verfügbarkeit

Offenheit & Interoperabilität

Durchgängigkeit

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Echtzeitfähigkeit

• Vielfältige Definitionen, beispielsweise

logische und zeitliche Determiniertheit

Garantierte Einhalten von Zeitschranken

Dauerhafte Bereitschaft zur Erbringung eines Dienstes

• Definition für PLT-1:

Mit einem echtzeitfähigen System kann bei der Einhaltung bestimmter Vorgaben und Regeln beim Engineering eine Garantie abgegeben werden, dass die Wirkketten des Systems vorgegebene Deadlines unabhängig von dem aktuellen Prozesszustand einhalten werden

Dies gilt auch für das Verhalten von Wirkketten bei erkennbaren technischen Ausfällen PLT-2 (Zuverlässigkeit, funktionale Sicherheit)

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Verfügbarkeit ( PLT-2)

• Kurzzeitige Ausfälle können zu hohen Ausfallkosten führen

Fehlcharge, Wiederanfahren, …

• Hohe Verfügbarkeit durch

Redundanz von Hard- und Softwarekomponenten

Unterbrechungsfreie Übernahme von Funktionen bei Störungen

• Wie muss eine hochverfügbare Leittechnikarchitektur aussehen?

• Wie kann man Verfügbarkeit berechnen?

Offenheit und Interoperabilität

• Anlagen werden nicht als Inseln betrieben. Sie sind in den Informationshaushalt des Unternehmens zu integrieren

Wirtschaftliche Daten, Betriebsführung, Logistik, Qualitätssicherung, Engineering

• Offenheit: Die jeweiligen Hersteller legen Schnittstellen und Systemeigenschaften offen, damit andere Anwendungen angekoppelt werden können.

• Interoperabilität: Unterschiedliche Komponenten unterschiedlicher Hersteller können ohne Zusatzaufwand miteinander betrieben werden.

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Durchgängigkeit ( CAE-PA)

• PLS bestehen aus unterschiedlichen Komponenten mit vielfachen internen Schnittstellen.

• Forderung nach einfacher Pflege

• Durchgängigkeit: Eine Prozessinformation, die irgendwo im System bekannt ist, muss ohne Zusatzaufwand jeder Komponente zugänglich sein

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Strukturen und Architekturen der Prozessleittechnik

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Ebenenmodell

• Betrieb

• Produktion

• Prozessleitebene

• Feldebene

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Funktionsmodell

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Automatisierungspyramide

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Wandel der gerätetechnischen Grundstrukturen

• räumlich zentral, funktionell dezentrale Einzelregler, Bedienung über Einzelgeräte

• räumlich dezentral, funktionell partiell zentrale mehrkanalige Regler, Bedienung über BSG

• räumlich dezentrale und funktionell dezentrale Einzelregler, Bedienung über Bildschirmgeräte

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Aktuelle Systemkonzepte

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Struktur dezentraler PLS

• ABK: Anzeige-/Bedienkomponente

• PNK: Prozessnahe Komponente

• EK: Engineering Komponente (auch EWS Engineering Workstation)

• Kommunikation: Systembus, offener Betriebs-/Werkbus

Prozessnahe Komponenten (Ein/Ausgänge,Prozessrechner)

Anzeige- und Bedienkomponenten (Bedienen und Beobachten)

M

Feldebene (Sensoren, Aktoren)

Systeme der Betriebs-, Produktions- und Unternehmens- leitebene

Chemische Prozesse, Anlagen, Apparate

Syste

mbus

Werksbus

Prozessnahe Komponente (PNK)

• Rechner, auf dem die prozessnahen Funktionen ablaufen (engl. process station PS oder process controller PC)

• Anschluss der Feldsignale über E/A-Gruppen oder Feldbus

• Komponenten:

Stromversorgung *

Prozessormodul (*)

Schnittstelle zum Systembus *

Schnittstellen zum Anschluss von Remote-I/O, Feldbusgeräte und andere „intelligente“ Einheiten

Spezialmodule, z.B. für Motorsteuerung, eigensichere Signale, …

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Funktionen und Merkmale von PNK

• Funktionen

Regeln und Steuern mit Zykluszeiten 1 bis 100ms

Ausführen von Rezepten

Spez. Regelalgorithmen (Fuzzy, MPC, DMC, …)

Erkennen von Grenzwertverletzungen und Erzeugen von Meldungen mit Zeitstempel

• Merkmale

Autonomer Betrieb

Sicherheitsstellung bei Systemausfall

Puffern von Prozesssignalen bei Kommunikationsausfall

Mechanismen zum Upload/Austausch im laufenden Betrieb

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Offener Betriebs-/Werksbus

• De-facto Standard Ethernet + TCP/IP

• Anbindung von

Betriebsleitsystem: Bilanzierung, Logistik, kaufmännisches und technisches Berichtswesen

Laborautomatisierung (LAS), Labor-Informations-Managementsysteme (LIMS)

Enterprise Ressource Planing-Systeme (ERP)

Betriebliche PCs (Auswertung, Tabellenkalkulation)

Produktionsplanung und –steuerung

Qualitätssicherung (ISO 9000, FDA)

Expertensysteme

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Systembus

• Verbindet PNK untereinander und mit weiteren Komponenten des PLS (ABK, EK)

Verwendung von Standards auf Schichten 1 und 2, darüber herstellerspezifisch

redundante Ausführung

PNK ↔ PNK : eigentlich Kommunikation mit Echtzeiteigenschaft

erforderlich, häufig auch Ethernet mit 100 Mbit/s

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Kommunikation

• ISO/OSI Schichtenmodell (Details in der nächsten Vorlesung)

Schicht 1: Kupfer-Koax, Lichtleiter

Schicht 2: Token Bus (IEEE 802.4), Ethernet (IEEE 802.3)

Schicht 3-4: häufig PLS intern weggelassen, nach außen meist TCP/IP

Schicht 5-6: nicht ausgeprägt

Schicht 7: PLS intern herstellerspezifisch, nach außen OPC, http

• Übertragungsraten

Bis 100 Mbit/s

Unterschiedliche Overheads

Anzeige- und Bedienkomponente (ABK)

• Nahtstelle zwischen PLS und Anlagenfahrer

Operator Station (OS),

Human Machine Interface (HMI)

• Funktionen

Standardbedienbilder

Freie Grafik

Rezepterstellung, Verwaltung und Beobachtung

Alarmbehandlung

Datenauswertung

Systemdiagnose

• Strukturen

Client-Server

Gleichberechtigte ABKs

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Engineering-Komponente (EK)

• Konfigurieren der Systemfunktionalität (engl. engineering station ES)

• Definition der Funktion von PNK und ABK durch Verknüpfen und Parametrieren von Softwarebausteinen

• Heute meist grafische Konfiguration mit domänenspezifischen Sprachen

Funktionsbausteine (FBS), engl.: Continous Function Chart (CFC)

Ablaufsteuerung (AS), engl.: Sequential Function Chart (SFC)

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Funktionsintegration

• Integration höherer IV-Funktionen der Prozessführung

Advanced Control (APC), Messwertvalidierung (DR), Qualitätsmanagement (QM), Labor (LMS), Logistik (SD), Asset Management (AM), ...

Verlagerung in die Prozessleittechnik

Vernetzung mit der Prozessleitebene

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PLT

ERP (SAP)

ERP Betrieb

Produktion Prozess

Feld

QM LMS SD

APC DR AM

Hochverteilte Systeme

• Neue Bussysteme und Fortschritte in der Rechnertechnik

Industrial Ethernet

„Intelligente“ Geräte

• Engineering Methoden für verteilte Systeme

Entwurf und Verifikation verteilter Hard- und Softwaresysteme

IEC 61804 Function blocks (FB) for process control

IEC 61499 Distributed Function Blocks

Dienstetechnologien aus dem Internetumfeld (SOA, peer-to-peer, Agentenframeworks, ...)

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PLS vs. SPS

PLS vs. SPS

• Bis 90‘er Arbeitsteilung

SPS –Steuerung niedriger Komplexität, überwiegend binäre Signale, sicherheitsgerichtete Logik, Systemhalt bei Rekonfiguration möglich

PLS – Regelung hoher Komplexität, enge Verknüpfung der Teilprozesse, analoge Signale, online-rekonfiguration notwendig

• Heute: SPS-basierte Prozessleitsysteme

Siemens PCS7

ABB 800xF

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Konzepte bewegen sich aufeinander zu (Felleisen 2001)

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PLS

SPS

Anzahl Regelkreise

>300

50-300

<50

Steuern und Regeln

Komplexität

hoch

niedrig

Verbesserte Regelungskomp.

Kleine stand- alone Systeme

Verbesserte Logikkomp.

Hierarchische SPS-Systeme

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Komponentenarchitekturen

Generische Strukturen (Karnouskos et al. 2010)

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Honeywell TDC3000

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Foxboro I/A Series

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Siemens PCS7

Literatur

• DIN EN 61131 Speicherprogrammierbare Steuerungen, Programmiersprachen

• DIN 19227 Graphische Symbole und Kennbuchstaben für die Prozessleittechnik

• DIN 19222V Leittechnik – Begriffe

• Favre-Bulle, B.: Automatisierung komplexer Industrieprozesse. Wien : Springer-Verlag, 2004

• Früh, K.F., Maier, U. (Hrsg.): Handbuch der Prozessautomatisierung. München : Oldenbourg Industrieverlag, 2004

• Felleisen, M.: Prozessleittechnik für die Verfahrensindustrie. Oldenbourg Industrie Verlag 2001.

• Karnouskos, St., Colomboy, A.W., Jammesz, F., Delsing, J., and Bangemann, Th.: Towards an Architecture for Service-Oriented Process Monitoring and Control. In: Proceedings IECON 2010, S. 1385–1391, 2010. doi:10.1109/IECON.2010.5675482

• Kopec, H. and Maier, U.: Critical annotations on present distributed control systems. atp - Automatisierungstechnische Praxis, 47(3), 24–28, 2005.

• Polke, M.: Prozessleittechnik. Oldenbourg Industrie Verlag, 1992

• Urbas, L.: Process Control Systems Engineering. Oldenbourg Industrieverlag, 2012

• VDI/VDE 3699 Prozessführung mit Bildschirmen

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