Post on 11-Aug-2018
Beitrag zur rechnerischen berprfung von Betonhohlkastenbrcken
Vom Promotionsausschuss der
Technischen Universitt Hamburg-Harburg
zur Erlangung des akademischen Grades
Doktor-Ingenieur (Dr.-Ing.)
genehmigte Dissertation
von
Gregor Borkowski
aus
Hindenburg
2014
1. Gutachter: Prof. Dr. sc. techn. Viktor Sigrist
2. Gutachter: Prof. Dr.-Ing. Uwe Starossek
3. Gutachter: Prof. Dr.-Ing. Michael Baur
Tag der mndlichen Prfung: 25. April 2014
VORWORT
i
Vorwort
In neuerer Zeit haben sich im konstruktiven Ingenieurbau die Fragestellungen verndert:
Mehr und mehr geht es darum, in die Jahre gekommene Brcken aus Stahl- und Spannbeton,
die mglicherweise mangelhaft konstruiert wurden, bereits Korrosionsschden aufweisen
oder erheblich greren Nutzlasten ausgesetzt sind als ursprnglich gedacht, bezglich ihrer
Tragfhigkeit zu beurteilen. Die berprfung von Tragwerken ist so zu einer zunehmend
wichtigen Aufgabe geworden. Viele bestehende Brcken gengen den heute geltenden
Vorschriften allerdings nicht, weshalb, zumindest in all jenen Fllen, in denen Instandsetzung
und Verstrkung (Ertchtigung) vielversprechende Optionen darstellen, eingehendere
Untersuchungen durchgefhrt werden. Diese beinhalten in der Regel visuelle und manchmal
auch messtechnische Zustandserfassungen sowie rechnerische berprfungen, wobei sich
letztere sowohl auf die Beanspruchungen als auch auf die Tragwiderstnde beziehen. Seit
einigen Jahren werden deshalb in der Forschung betrchtliche Anstrengungen unternommen,
die Widerstandsmodelle zu verbessern, den Beanspruchungen bzw. den aus den
Einwirkungen resultierenden Schnittgren und Spannungen wird hingegen vergleichsweise
wenig Aufmerksamkeit geschenkt.
Diesem Ungleichgewicht versucht Herr Borkowski mit seiner Forschungsarbeit zu begegnen.
Der Fokus der Arbeit liegt auf der Querkrafttragfhigkeit, auf jener Beanspruchungsart also,
fr die hufig Mngel festgestellt werden. Da bei der rechnerischen berprfung eines
Tragwerks nicht die Mglichkeit des konstruktiven Eingreifens besteht, sind an die
Anpassungsfhigkeit und die Genauigkeit der Berechnung hchste Anforderungen zu stellen.
Glcklicherweise ist die experimentelle Basis, auf die sich Beurteilungen sttzen, deutlich
breiter als noch vor wenigen Jahren, und es stehen heute computerbasierte Rechenmodelle
und Analyseverfahren zur Verfgung, die einen besseren Einblick in das Verhalten der
Bauteile ermglichen.
Herr Borkowski beleuchtet zwei Ebenen der Fragestellung: Er geht einerseits, zunchst auf
der Grundlage linear elastischen Werkstoffverhaltens, auf die Ermittlung der
Beanspruchungen (Schnittgren) mit rumlichen Computermodellen ein; andererseits
diskutiert er die Auswirkungen nichtlinearen Werkstoffverhaltens. Es zeigt sich, dass das
Arbeiten mit solchen Modellen anspruchsvoll und aufwndig ist und beide Einflsse, die
VORWORT
ii
rumliche Tragwirkung und die Nichtlinearitt, bedeutsam sein knnen. Verallgemeinerbare
Ergebnisse lassen sich aber nur in begrenztem Umfang gewinnen, und in der Regel sind
umfangreich Voruntersuchungen erforderlich. Insofern leistet Herr Borkowski mit seiner
Dissertation einen wichtigen Beitrag.
Hamburg, 2014
Prof. Dr. Viktor Sigrist
ABSTRACT
iii
Abstract
The structural assessment of existing bridges is gaining increasing importance within civil
engineering, as many reinforced concrete bridges that were built 40 to 60 years ago show
deficiencies regarding serviceability as well as load-bearing capacity. These deficiencies are
due to poor detailing, increasing traffic loads as well as structural damage caused by vehicles,
environmental influences and material fatigue. To ensure that the bridges remain viable, it is
necessary to carry out structural assessments using state-of-the-art methods and to estimate
the structural performance under current and future traffic loads. When the structural capacity
of these bridges is assessed using widely used, simple static models, the bridges often do not
meet the requirements of the current design codes. This is due to the fact that the design
actions determined from simple models are greater than the capacities calculated according to
current design codes.
The shear capacities of concrete box girder bridges in particular are often insufficient, because
previous design codes stipulated lower design loads and allowed lower shear reinforcement
ratios in the webs. As current design codes demand larger shear resistances for webs and deck
slabs, elaborate and expensive strengthening measures and even partial or complete bridge
renewals can become necessary.
Using more detailed analyses of the design loads and the structural behaviour of the bridges,
more realistic design actions and structural resistances can be obtained. It is hence possible to
gain a more complete understanding of the flow of forces and the structural resistances of the
bridges. Therefore, this dissertation is concerned with determining the flow of forces in
single- and multi-cell concrete box girder bridges. The goal is to show that the existing
bridges meet the requirements stipulated in the current design codes, so that costly
rehabilitation measures can be avoided.
The focus of this dissertation is on determining the shear forces in the critical sections: in the
webs near the supports as well as in the areas of the deck slab close to the webs. Experience
shows that existing bridges generally have sufficient bending capacities, as they usually
contain a sufficient amount of flexural reinforcement and are highly prestressed.
ABSTRACT
iv
The shear forces are determined according to the traffic load model described in DIN Report
101 [35], using spatial finite element calculations with shell elements and linear-elastic
material laws. The comparison of these FE results with the results obtained from a two-
dimensional analysis of framed structures shows distinct differences between the two
methods. The analysis of framed structures yields non-conservative results for multi-cell
sections, as the shear force is assumed to be evenly distributed among the webs as the bridge
bends. The 3D FE calculations, however, indicate that the shear forces flow mainly through
the webs closest to the load.
Subsequently, the shear forces are determined from spatial FE models with non-linear
material laws for reinforced concrete and compared with the results from the previous, linear-
elastic analyses. Compared with the linear-elastic approach, the non-linear calculations yield
lower shear forces in the critical web sections near the central support and higher shear forces
in the critical sections near the end supports. An explanation for the different results obtained
from the non-linear calculations is that the areas of the deck slab close to the webs aid in
resisting the shear forces in the direction of the bridge axis. On the other hand, the load paths
within the bridges change significantly, causing a decrease in the inclination of the
compression fields and a hence a reduction of stress in the webs. Further investigations show
that due to the redistribution of the longitudinal shear forces from the webs to the slabs the
existing shear resistance in the slabs is not exceeded.
The effective width of the deck slab overhang for point loads is also determined in this
document. It is shown that the effective width is dependent on the slab geometry as well as on
the location of the point load on the deck slab overhangs. The calculated effective widths are
smaller for sections close to the diaphragms than elsewhere in the span. Diagrams based on
these calculations are presented; they can be used to determine the effective slab widths for
sections close to the diaphragms.
KURZFASSUNG
v
Kurzfassung
Die rechnerische berprfung von bestehenden Brcken ist ein stetig wachsendes
Aufgabengebiet der heutigen Bauingenieure, da 40 bis 60 Jahre alte Betonbrcken Defizite
bezglich der Tragfhigkeit und Gebrauchstauglichkeit aufweisen knnen. Diese vorhandenen
Defizite entstehen infolge ungengender konstruktiver Ausbildung, im Laufe der
Nutzungsdauer steigender Verkehrslasten sowie Brckenschden bedingt durch Nutzung,
Umwelteinflsse und Materialermdung. Diese Brcken sind nach dem Stand der Technik
bezglich ihrer Tragfhigkeit zu berprfen und es gilt ihre Funktionalitt fr die nchsten
Jahre zu beurteilen und sicherzustellen. Bei der rechnerischen berprfung bestehender
Brcken mit aktuell gngigen, einfachen, statischen Modellen knnen diese Brcken die
heute gltigen Anforderungen oft nicht erfllen, da die anhand einfacher Modelle bestimmten
Einwirkungen grer als die auf der Basis heute gltiger Normen rechnerisch bestimmten
Widerstnde sind.
Vor allem bestehende Betonhohlkastenbrcken weisen heute oft Defizite bezglich ihrer
Querkrafttragfhigkeit auf, da bei der Konstruktion damals einerseits geringere Lastannahmen
gltig waren und andererseits das damalige Bemessungskonzept geringere Bewehrungsgrade
der Querkraftbewehrung in den Stegen zulie. Da nach den heute gltigen Vorschriften
erforderliche Widerstnde in Stegen und/oder Fahrbahnplatten der Querkraftbeanspruchung
rechnerisch nicht widerstehen, knnen aufwendige und teure Verstrkungsmanahmen bis hin
zum teilweisen oder ganzen Brckenersatz faktisch notwendig werden.
Verfeinerte und somit genauere Bestimmung der Einwirkungen und des Tragverhaltens
liefern wirklichkeitsnahe Krfte und Widerstnde der Brcken. Dadurch knnen detaillierte
und genauere Erkenntnisse hinsichtlich des Kraftflusses und des Widerstands ermittelt
werden. Deshalb beschftigt sich die vorliegende Arbeit mit der Bestimmung des Kraftflusses
innerhalb von ein- und mehrzelligen Betonhohlkastenbrcken mit dem Ziel, die nach
aktuellen Vorschriften notwendigen Anforderungen an die bestehenden Brcken zu erfllen,
damit kostenintensive Ertchtigungsmanahmen vermieden werden knnen.
Der Fokus der Arbeit liegt auf der Bestimmung von Querkrften in den magebenden
Nachweisschnitten: in den Stegen im Bereich der Auflager sowie in Fahrbahnplatten im
KURZFASSUNG
vi
Anschnitt zu Stegen. Erfahrungsgem sind bestehende Brcken bezglich der
Biegetragfhigkeit als unkritisch zu bewerten, da sie einerseits meist ber ausreichend
Biegebewehrung verfgen und andererseits hochgradig vorgespannt sind.
Zunchst werden mithilfe von rumlichen Finite Elemente Berechnungen mit
Schalenelementen auf der Grundlage linear elastischen Werkstoffverhaltens Querkrfte
infolge des Verkehrslastmodells des DIN Fachberichtes [35] bestimmt, die den Querkrften
aus der Stabstatik gegenber gestellt werden. Dabei zeigen sich wesentliche Unterschiede
infolge der verschiedenen Berechnungsmethoden. Aus der Stabstatik ergeben sich fr
mehrzellige Querschnitte auf der unsicheren Seite liegende Ergebnisse, da die Stabstatik alle
Stege gleichmig zum Abtrag der Querkrfte infolge von Lngsbiegung ansetzt. Aus der
FE-Berechnung folgt, dass durch den rumlichen Lastabtrag hauptschlich die lastnahen
Stege am Lastabtrag beteiligt sind.
Im weiteren Verlauf der Arbeit werden Querkrfte unter Zugrundelegung eines nichtlinearen
Werkstoffverhaltens von Stahlbeton mit rumlichen FE-Modellen bestimmt. Die so
bestimmten Werte werden mit den zuvor bestimmten verglichen. Es zeigt sich, dass bei
mehrfeldrigen Brcken im Bereich der Mittelsttze mittels nichtlinearen Berechnungen
geringere Querkrfte im magebenden Nachweisschnitt der Stege bestimmt werden, als mit
linear elastischen Berechnungsanstzen. Im Bereich der Endauflager ergeben sich mit
nichtlinearen Rechenmethoden grerer Querkrfte in den Nachweisschnitten. Die beiden
Unterschiede lassen sich im nichtlinearen Tragverhalten einerseits auf die Beteiligung
stegnaher Plattenbereiche beim Lastabtrag der Querkrfte in Lngsrichtung der Brcken und
zurckfhren. Andererseits ndert sich innerhalb der Brcken der Lastabtrag derart, dass die
Neigung der Druckfelder kleiner wird und dadurch die Beanspruchung der Stege abnimmt. In
weiteren Untersuchungen zeigt sich, dass infolge einer Lastumordnung der in Lngsrichtung
verlaufenden Querkrfte aus den Stegen in die Platten, der Querkraftwiderstand in den Platten
erreicht werden kann.
Im Rahmen der Untersuchungen werden ebenfalls die mitwirkenden Plattenbreiten in
Kragplatten infolge von Einzellasten ermittelt. Es wird verdeutlicht, dass die mitwirkenden
Plattenbreiten von der Anordnung der Einzellasten auf diesen Kragplatten sowie der
Plattengeometrie abhngen. Im Bereich von Querscheiben der Hohlkastenquerschnitte werden
geringere Plattenbreiten errechnet als in den Feldbereichen der Brcken. Aus den
KURZFASSUNG
vii
Untersuchungen werden Diagramme abgeleitet, mit denen die mitwirkenden Plattenbreiten in
der Nhe der Querscheiben bestimmt werden knnen.
INHALTSVERZEICHNIS
viii
Inhaltsverzeichnis
1 EINLEITUNG...................................................................................................................... 1
1.1 Problemstellung ................................................................................................................ 1 1.2 Zielsetzung........................................................................................................................ 4 1.3 berblick .......................................................................................................................... 5 1.4 Abgrenzung....................................................................................................................... 7
2 BERECHNUNG VON BETONHOHLKASTENBRCKEN......................................................... 9
2.1 Einleitung.......................................................................................................................... 9 2.2 Berechnungsansatz nach Knittel (1965) ......................................................................... 11 2.3 Berechnungsansatz nach Steinle (1967 ) ........................................................................ 13 2.4 Berechnungsansatz nach Kupfer (1969) ......................................................................... 14 2.5 Berechnungsansatz nach Usuki (1976)........................................................................... 15 2.6 Berechnungsansatz nach Glahn (1980)........................................................................... 15 2.7 Falluntersuchungen von Rao (1981)............................................................................... 16 2.8 Falluntersuchungen von Hofbauer (1981) ...................................................................... 19 2.9 Berechnungsansatz nach Schlaich/Scheef (1982)........................................................... 23 2.10 Falluntersuchungen von Krebs/Lindlar (1988)............................................................... 24 2.11 Falluntersuchungen von Grossert (1989)........................................................................ 26 2.12 Berechnugsansatz nach Bsse (1993)............................................................................. 29 2.13 Zusammenfassung .......................................................................................................... 32
3 EIGENSCHAFTEN DER WERKSTOFFE............................................................................. 35
3.1 Einleitung........................................................................................................................ 35 3.2 Betonstahl ....................................................................................................................... 37 3.3 Spannstahl....................................................................................................................... 39 3.4 Beton im Druckbereich................................................................................................... 41 3.4.1 Einaxiale Druckbeanspruchung ...................................................................................... 41 3.4.2 Mehraxiale Beanspruchung ............................................................................................ 44 3.5 Beton im Zugbereich ...................................................................................................... 47 3.5.1 Unbewehrter Beton ......................................................................................................... 47 3.5.2 Verbund .......................................................................................................................... 51 3.5.3 Stahlbeton bei Zugbeanspruchung.................................................................................. 52 3.6 Zusammenfassung .......................................................................................................... 54
4 QUERKRAFTERMITTLUNG AUF DER GRUNDLAGE LINEAR ELASTISCHEN
WERKSTOFFVERHALTENS.............................................................................................. 55
4.1 Einleitung........................................................................................................................ 55 4.2 Untersuchungen am idealisierten System....................................................................... 56 4.3 Untersuchungen an ein- und mehrzelligen Hohlkastenquerschnitten............................. 60 4.3.1 Einleitung........................................................................................................................ 60 4.3.2 Querkrfte in den Stegen infolge Hauptspurlasten ......................................................... 62 4.3.3 Lastausbreitung in Platten bei Einzellasten .................................................................... 65 4.3.4 Querkrfte in den Stegen infolge Achslasten ................................................................. 71 4.3.5 Zusammenfassung der Ergebnisse.................................................................................. 75
INHALTSVERZEICHNIS
ix
4.4 Variationen der Querschnittsabmessungen..................................................................... 79 4.5 Zusammenfassung .......................................................................................................... 81
5 QUERKRAFTERMITTLUNG AUF DER GRUNDLAGE NICHTLINEAREN
WERKSTOFFVERHALTENS.............................................................................................. 83
5.1 Einleitung........................................................................................................................ 83 5.2 Numerisches Modell fr Stahlbeton ............................................................................... 84 5.2.1 Einleitung........................................................................................................................ 84 5.2.2 Modellierung von Rissen ................................................................................................ 84 5.2.3 Modellierung der Bewehrung und der Zugversteifung................................................... 86 5.2.4 Versuchsnachrechnungen ............................................................................................... 90 5.2.5 Zusammenfassung .......................................................................................................... 93 5.3 Nichtlineare Finite Elemente Analyse ............................................................................ 94 5.3.1 Brckenmodelle aus Finiten Elementen ......................................................................... 94 5.3.2 Schnittgren, Iterationen und Lastgeschichte............................................................... 96 5.3.3 Vorgngige Bewehrungsermittlung fr die Brckenmodelle....................................... 101 5.4 Lastausbreitung in Platten bei Einzellasten .................................................................. 103 5.5 Querkrfte in Stegen infolge Bemessungslasten .......................................................... 107 5.5.1 Einleitung...................................................................................................................... 107 5.5.2 Querkrfte infolge gleichmig verteilter Lasten......................................................... 107 5.5.3 Querkrfte infolge Hauptspurlasten.............................................................................. 113 5.5.4 Querkrfte infolge Achslasten ...................................................................................... 117 5.5.5 Zusammenfassung ........................................................................................................ 120 5.6 Querkrfte in Stegen unter Versagenslasten................................................................. 121 5.6.1 Einleitung...................................................................................................................... 121 5.6.2 Vergrerung der Nebenspurlasten .............................................................................. 122 5.6.3 Vergrerung der Hauptspurlasten............................................................................... 134 5.6.4 Vergrerung der Achslasten ....................................................................................... 145 5.6.5 Querkrfte in Stegen bei reduzierter Bgelbewehrung................................................. 153 5.6.6 Zusammenfassung ........................................................................................................ 171 5.7 Spanngliedausfall in Koppelstellen .............................................................................. 173 5.7.1 Einleitung...................................................................................................................... 173 5.7.2 Spannkraftverluste in Koppelstellen............................................................................. 176 5.7.3 Zusammenfassung ........................................................................................................ 180 5.8 Zusammenfassung ........................................................................................................ 181
6 ZUSAMMENFASSUNG UND AUSBLICK........................................................................... 183
6.1 Zusammenfassung ........................................................................................................ 183 6.2 Ausblick ........................................................................................................................ 189
BEZEICHNUNGEN
Bezeichnungen
Lateinischen Buchstaben Kleinbuchstaben a Abstand [m]
swa Bgelbewehrungsflche [cm]
s ,gesa
b
bp
gesamte Bewehrungsflche [cm/m]
halbe Hohlkastenbreite [m]
effb mitwirkende Plattenbreite fr Querkraft respektive Biegemoment [m]
wb Querschnittsbreite [m]
d statische Nutzhhe [-], Bewehrungsdurchmesser [mm], Dicke [m] f Verbundspannung fr Spannstahl [MPa]
ckf charakteristischer Hchstwert der ertragenen Betondruckspannung [MPa]
cmf mittlerer Hchstwert der ertragenen Betondruckspannung [MPa]
ctf charakteristischer Hchstwert der ertragenen Betonzugspannung [MPa]
pf Lasterhhungsfaktor [-]
pkf charakteristischer Wert der Nennfestigkeit von Spannstahl [MPa]
bpl Verbundlnge [m]
kl charakteristische Lnge [-]
El Elementlnge [m, cm, mm]
xm Biegemoment um die Lngsachse (x-Achse) [kNm/m]
n Anzahl der Bewehrungsstbe in einem Querschnitt [-], Anzahl der Stege
fp Versagenswahrscheinlichkeit [-]
wst
Bgelbewehrungsabstand [m]
Breite [m] v Hauptquerkraft [kN/m]
xvw
A
mx verursachende Querkraft [kN/m]
Rissbreite, fiktive Rissffnung, Durchbiegung [mm] Grobuchstaben
Flche [m] B Breite [m] D Systemsteifigkeit E Einwirkung
x
BEZEICHNUNGEN
EI
cmE Biegesteifigkeit [MNm] mittlerer Elastizittsmodul
FG spezifische Bruchenergie [Nm/m2]
0FG vom Grtkorn des Betonzuschlags abhngiger Grundwert der Bruchenergie [Nmm/mm]
H Hhe [m]
kL Kragplattenlnge [m]
M Biegemoment [MNm] P Kraft [MN] R Widerstand TV
rV
0a
Torsionsmoment [MNm] Querkraft [MN] Variationskoeffizient des Widerstandes [-]
Indizes
Anfangswert auen
B Biegung c Beton ct Zug d Bemessungswert E Einwirkung eff Effektiv F Feldbereich FP Fahrbahnplatte fl Biegezugversuch Ges gesamt i innen K Kragplatte k charakteristisch lin elm
nlo
linear elastisch Mittelwert, Biegemoment
n Anzahl nichtlinear
oben p Vorspannung, Profilverformung, Last PV Profilverformung R Widerstand rSt
global Steg
xi
BEZEICHNUNGEN
SsspStT
uv
Sttzbereich Bewehrungsstahl Spaltzugversuch Steg Torsion, Zug (tension)
t Zug (tension) unten Querkraft
x x-Richtung yz
Fi
qucct
1c
Ek
y-Richtung z-Richtung
Griechische Buchstaben Kleinbuchstaben
Wichtungsfaktor [-] vom Grtkorn abhngiger Parameter [-]
prozentualer Anteil eines Stegs [%]
Sicherheitsindex [-] F Koeffizient fr Korndurchmesser
t Beiwert zur Bercksichtigung des Einflusses der Belastungsdauer oder einer wiederholten Belastung auf die mittlere Stahldehnung
d Beiwert zur Bercksichtigung der Duktilitt der Bewehrung
quivalente Dehnung [-]
Betondruckdehnung [-]
Betonzugdehnung [-]
Dehnung bei Erreichen des Hchstwerts der Betondruckspannung nach Tabelle 9 oder Tabelle 10 der DIN 1045-1 [30] [-]
Elementdehnung [-]
charakteristische Dehnung [-]
2 s Stahldehnung im gerissenem Zustand im Riss
1sr Stahldehnung im ungerissenem Zustand unter Rissschnittgren bei Erreichen von fctm
1sr Stahldehnung im Riss unter Rissschnittgren
m Globaler Sicherheitsbeiwert [-]
Rd
c
Sicherheitsbeiwert fr Modellunsicherheiten [-]
Beiwert fr die Bauteilhhe [-] Betondruckspannung [MPa]
,ct fl maximale Zugfestigkeit im Spaltzugversuch [MPa]
xii
BEZEICHNUNGEN
ctm mittlere zentrische Zugfestigkeit [MPa]
,ct sp maximale Zugfestigkeit im Spaltzugversuch [MPa]
s Stahlspannung
sr Spannung in der Zugbewehrung, die auf der Grundlage eines gerissenen Querschnitts fr eine Einwirkungskombination berechnet wird, die zur Erstrissbildung fhrt
Verdrehung
P
Tb
Anteil der Profilverformung an der Verdrehung
Anteil der St. Venantschen Torsion an der Verdrehung
Spannung [MPa], Mittelwert [-] Verbundschubspannung [MPa] Krmmung
Grobuchstaben
Differenz
xiii
BEZEICHNUNGEN
xiv
EINLEITUNG
1
1 Einleitung
1.1 Problemstellung
Infolge stetig steigender Verkehrsbelastung und damit einhergehender neuer normativer
Lastanstze, sind zahlreiche bestehende Brcken auf ihre Tragfhigkeit zu berprfen, ihre
Restnutzungsdauer ist zu bestimmen und die Tragwerke sind gegebenenfalls zu verstrken.
Besonderes Augenmerk gilt dabei den Brcken aus Stahl- und Spannbeton der 1960er und
1970er Jahre. Dabei handelt es sich um Brcken, die in den Nachkriegsjahren des Zweiten
Weltkrieges hergestellt wurden. In diesem Zeitraum war der Spannbetonbau noch eine relativ
junge Bauweise, sodass es den projektierenden Ingenieuren noch an Erfahrung in der
Konstruktion und insbesondere auch in Beziehung auf das Langzeitverhalten solcher Brcken
fehlte. Eine detaillierte normative Regelung gab es fr die Bemessung und Ausfhrung
vorgespannter Brcken noch nicht. Durch die neue Bauweise waren die berbrckungen
groer Spannweiten sowie relativ kurze Bauzeiten mglich, sodass der Reiz gro war,
Spannbetonbrcken herzustellen. Zustzlich war der Bedarf nach neuen Brcken nach dem
Zweiten Weltkrieg sehr gro, sodass die neue Bauweise oft zum Einsatz kam.
Bereits nach wenigen Jahren der sich in Betrieb befindenden neuen Spannbetonbrcken traten
erste Schden vor allem an den abschnittsweise hergestellten Brcken auf. Im Bereich der
Arbeitsfugen, wo meist alle Spannglieder gekoppelt waren, traten groe Risse auf, in denen
die schlaffe Bewehrung sowie die Spanngliedkopplungen teilweise oder ganz versagten [15],
[16]. Diese Schden traten besonders bei Brcken mit einem Hohlkastenquerschnitt auf. Die
aufgetretenen Schden fhrten zu umfangreichen Untersuchungen, sodass Ende der 1970er
Jahre die erste normative Regelung [50] ber die Konstruktion von vorgespannten Bauwerken
eingefhrt wurde, wodurch die nachfolgend hergestellten Brcken geringere Schden in den
Arbeitsfugen respektive Koppelbereichen aufwiesen oder nahezu schadensfrei blieben.
Da die damaligen Brcken heute rund 50 Jahre im Betrieb sind, haben sie ihre angestrebte
Nutzungszeit von ca. 100 Jahren noch nicht erreicht, sodass es zurzeit ein wesentliches
EINLEITUNG
Aufgabengebiet des Bauingenieurwesens ist, bestehende Brcken zu berprfen und zu
beurteilen. Die heute deutlich hheren Verkehrslasten (Bild 1-1) sowie ausgeprgte
Umwelteinflsse knnen berprfungen dieser Bauwerke erforderlich machen. Im Zuge der
Nachhaltigkeit und Dauerhaftigkeit ist es oft wirtschaftlicher die Brcken zu erhalten und
gegebenenfalls zu verstrken, anstatt sie zu ersetzen.
Gew
ich
t [t
]
0
10
20
30
40
50
60
70
Jahr
1925 1932 1937 1939 1950 1951 1956 1960 1965 1987 1992 EU heute
24t Dampfwalze
40t RaupeBK 60
BK 60/30 LM 1
6,0
15,0
7,5
16,0
8,0
18,5
9,0
18,5
10,5
22,5
10,0
35,0
8,0
24,0
10,0
32,5
10,0
38,0
11,0
40,0
11,5
40,0
11,5
44,0
zulssiges Gesamtgewicht [t]
zulssige Achslast [t]
Bild 1-1: Zulssige Lasten (aus [71])
Aufgrund der oft ungengenden konstruktiven Durchbildung lterer Brcken, stehen
besonders diese Brcken im Fokus des berprfenden Ingenieurs (Bild 1-2). Bei einer
Auswertung regelmiger Brckenprfungen ergab sich, dass nahezu jede zweite der lteren
Brcken Schden aufweist. Zur Gewhrleistung der Restnutzungsdauer mssen diese Brcken
verstrkt werden. Neben der Beseitigung der Schden ist sicherzustellen, dass auch die heute
gltigen Lastannahmen von den Brcken aufgenommen werden knnen. Bei rechnerischen
berprfungen stellt sich oft heraus, dass Querkrfte infolge heutiger Verkehrslasten nicht
aufnehmbar sind, da bei der damaligen Konstruktion einerseits geringere Lasten angesetzt
wurden und andererseits das damalige Bemessungskonzept geringere Bewehrungsgrade der
Querkraftbewehrung zulie. Mit den heute gltigen normativen Vorschriften knnen die
erforderlichen Nachweise in den Stegen oder Fahrbahnplatten oft nicht erbracht werden.
2
EINLEITUNG
3
Instandsetzungsbedarf:
globale Verstrkung
lokale Verstrkung
Korrosionsschutzbzw. Koppelfugenungerissen
55 %
10 %
35 %
45 %
5 %
50 %
8 %
13 %
79 % 100 %
Baubeginn: 1958 bis 1965 1966 bis 1969 1970 bis 1976 1977 bis 1979
Anzahl Bauwerke: 20 (100 %) 40 (100 %) 52 (100 %) 6 (100 %)
( = 118)
Bild 1-2: Analyse des Instandsetzungsbedarfs, aufgeschlsselt nach Baubeginn (aus [87] nach [52])
EINLEITUNG
4
1.2 Zielsetzung
Bei rechnerischen berprfungen lterer Brcken ergeben sich oft Defizite bezglich derer
Querkrafttragfhigkeit. Die einwirkenden Qeurkraftbeanspruchungen knnen mangels zu
geringer Bgelbewehrungsgrade nicht aufgenommen werden, da im Vergleich zur heutigen
Vorgaben der Nachweis der Querkrafttragfhigkeit ber die Begrenzung der
Hauptzugspannungen im ungerissenen Zustand gefhrt wurde. Daraus folgt, dass die
Nachweise der Querkrafttragfhigkeit einerseits eine detaillierte Bestimmung des
Querschnittswiderstands und andererseits der Beanspruchung erfordern. Die vorliegende
Arbeit greift die Fragestellung nach den tatschlich vorhandenen Querkraftbeanspruchungen
lterer Betonhohlkastenbrcken auf.
Hierbei wird anhand rumlicher Finite Elemente Modelle aufgezeigt wie sich Lasten aus
Eigengewicht, Vorspannung und des Verkehrslastmodells des DIN Fachberichtes [35]
innerhalb von Brcken verteilen. Des Weiteren wird aufgezeigt, in welchen Fllen bei
bestehenden Brcken Probleme bezglich der Querkraftbeanspruchung auftreten knnen.
Hierfr werden Hohlkastenbrcken betrachtet. Fr ein- bis dreizellige und zweifeldrige
Brckenmodelle wird der innere Kraftfluss ermittelt und diskutiert. Es wird dargestellt,
welche Bereiche einer Brcke besonders hohe Querkraftbeanspruchungen erfahren.
Es werden zunchst Querkrfte anhand von Balkenmodellen der Stabstatik bestimmt, und mit
Querkrften, die mit rumlichen Finite Elemente Modellen ermittelt werden, verglichen.
Hierbei werden FE-Modelle aus Schalenelementen verwendet, denen zunchst ein linear
elastisches und folgend ein nichtlineares Werkstoffverhalten fr Stahlbeton zugrunde gelegt
wird. Aus den Vergleichen der Querkrfte ergeben sich durch detaillierte Berechnungen
signifikante Unterschiede in den Ergebnissen. Folgend wird aus den gewonnen Erkenntnissen
aufgezeigt, an welchen Stellen im Tragwerk Querkraftprobleme auftreten und wie sie
rechnerisch bestimmt werden knnen.
Das Ziel dieser Arbeit ist das Verstndnis fr den Kraftfluss innerhalb von
Betonhohlkastenbrcken zu verbessern, mit dem mgliche Schwachstellen eindeutiger
lokalisiert werden knnen, sodass mglicherweise notwendige Ertchtigungsmanahmen
gezielter eingesetzt werden knnten.
EINLEITUNG
5
1.3 berblick
Die vorliegende Arbeit gliedert sich in drei Teile. Der erste Teil (Kapitel 2) widmet sich den
bisherigen Arbeiten zur Ermittlung der Zusatzbeanspruchung infolge Profilverformung. Diese
Zusatzbeanspruchung wurde zu Beginn des Spannbetonbaus als einer der Hauptgrnde fr
Schden an Koppelstellen genannt. Es werden die Ergebnisse der wichtigsten Arbeiten zu
diesem Thema zusammengefasst. Durch die Auswertung der Literatur wird dargestellt, dass
sich die analytisch ermittelte Zusatzbeanspruchung nicht direkt auf bemessungsrelevante
Laststellungen bertragen lassen. Dadurch wird der Forschungsbedarf im Hinblick auf eine
genaue Ermittlung von Beanspruchungen innerhalb von Hohlkastenbrcken deutlich. Der
erste Teil wird durch eine kurze Diskussion des Last- Verformungsverhaltens von Stahl und
Beton sowie deren Interaktion ergnzt (Kapitel 3). Das Verstndnis ber die
Werkstoffbeziehungen ist fr die nachfolgende numerische Modellierung des Stahlbetons in
FE-Berechnungen notwendig.
Der zweite Teil der Arbeit beschftigt sich mit der Ermittlung von Beanspruchungen in den
Stegen von Hohlkastenquerschnitten infolge von Querkrften. Kapitel 4 behandelt die
Bestimmung von Querkrften auf der Grundlage linear elastischen Werkstoffverhaltens von
Stahlbeton. Zunchst wird an einem idealisierten System aufgezeigt, wie sich Querkrfte
infolge einer Einzellast innerhalb eines rumlichen Systems verteilen und ob eine
Zusatzbeanspruchung infolge Profilverformung infolge von Verkehrslasten auf die gesamte
Beanspruchung tatschlich eine bemessungsrelevante Gre darstellt. Dabei wird gezeigt,
dass keine signifikante Zusatzbeanspruchung infolge Profilverformung bei
bemessungsrelevanten Laststellungen entsteht, sondern vielmehr die Lastverteilung innerhalb
des rumlichen Systems andere Querkrfte verursacht, als die, die mit der klassischen
Stabstatik bestimmt werden.
Darauf aufbauend wird dargestellt, wie gro die Unterschiede in den Querkrften aus der
Stabstatik und rumlicher Berechung sind, wenn das Verkehrslastmodell als Einwirkung
aufgebracht wird. Dabei werden die einzelnen Anteile der Verkehrslasten horizontal ber den
Querschnitt verschoben, und die Querkrfte in den magebenden Nachweisschnitten im
Bereich der Auflager jedes Stegs ermittelt. Es zeigt sich, dass die Querkrfte aus der
Stabstatik deutlich geringer sind als die, die mithilfe eines rumlichen Modells bestimmt
werden. Aus diesen Erkenntnissen wird ein einfaches Berechnungsmodell abgeleitet, mit dem
EINLEITUNG
6
anhand eines Balkenmodells Querkrfte bestimmt werden knnen, das den rumlichen
Kraftfluss erfasst.
In Kapitel 4 wird des Weiteren auf die mitwirkenden Plattenbreiten in Kragplatten infolge
von Einzellasten eingegangen. Es wird aufgezeigt, dass Querkrfte im Nachweisschnitt am
Steg in der Kragplatte von der Laststellung in Lngsrichtung abhngen. Zur Bestimmung der
mitwirkenden Plattenbreiten im Bereich der Querscheiben werden Diagramme entwickelt, mit
denen die Abminderung der mitwirkenden Plattenbreite im Vergleich zum Feldbereich der
Brcke bestimmt werden kann.
Der dritte und eigentliche Teil der Arbeit (Kapitel 5) beschftigt sich mit der Bestimmung von
Querkrften in Hohlkastenquerschnitten, die auf der Grundlage nichtlinearen
Werkstoffverhaltens ermittelt werden. Hierfr wird zunchst dargestellt, wie das nichtlineare
Last- Verformungsverhalten von Stahlbeton in FE-Berechnungen erfasst werden kann. Die
Annahmen ber das Werkstoffverhalten werden anhand von Versuchsnachrechnungen
verifiziert. Folgend wird aufgezeigt, wie sich Lasten aus dem Eigengewicht, der Vorspannung
und dem Verkehrslastmodell im rumlichen System verteilen, wenn werkstoffbezogene
Nichtlinearitten angenommen werden. Aus der nichtlinearen Berechnung geht hervor, dass
in den Stegen im Bereich der inneren Brckenauflager Querkrfte aus der nichtlinearen
Berechnung kleiner und nahe der ueren Auflager grer sind, als anhand linear elastischer
Werkstoffbeziehungen. Abschlieend wird in Kapitel 5 auf den Einfluss geringer
Bgelbewehrungsgrade auf die Querkrfte in den Stegen sowie auf den Ausfall der
Vorspannung in Koppelstellen eingegangen.
Die Arbeit endet mit einer Zusammenfassung und einem Ausblick ber weiteren
Forschungsbedarf auf dem Gebiet der rechnerischen berprfung von Hohlkastenbrcken
(Kapitel 6).
EINLEITUNG
1.4 Abgrenzung
Der Hohlkastenquerschnitt bietet aufgrund seiner hohen Lngs- und Torsionssteifigkeit die
grten Vorteile fr weit gespannte Brcken und gehrt deshalb zu den meist verwendeten
berbauquerschnitten. Infolge nicht vollstndig erfasster Beanspruchungen und
ungengender Durchbildung bei der Herstellung ergeben sich Schden besonders bei lteren
Brcken. Dadurch ist der Instandsetzungsbedarf solcher Bauwerke besonders hoch (Bild 1-3).
Instandsetzungsbedarf:
globale Verstrkung
lokale Verstrkung
Korrosionsschutzbzw. Koppelfugenungerissen
36 %
8 %
56 %
16 %
13 %
71 %
11 %
89 %
Querschnittsform: Hohlkasten Plattenbalken Platte
Anzahl Bauwerke: 78 (100 %) 31 (100 %) 9 (100 %)
( = 118)
Bild 1-3: Analyse des Instandsetzungsbedarfs, aufgeschlsselt nach Querschnittsform (aus [87] nach [52])
Die vorliegende Arbeit beschftigt sich mit Hohlkastenbrcken und deren Last- und
Verformungsverhalten. Bestehende Brcken, besonders aus der Nachkriegszeit, sind oft fr
aktuelle Bedrfnisse bezglich des Querkraftwiderstandes rechnerisch unterdimensioniert.
Zudem weisen einige dieser Brcken infolge mangelnder konstruktiver Durchbildung der
Arbeits- und Koppelstellen besonders an diesen Stellen Schden auf. Mit dieser Arbeit wird
das Verstndnis ber den Kraftfluss infolge aktueller Verkehrslastmodelle innerhalb
bestehender Betonhohlkastenbrcken untersucht und diskutiert. Mgliche weitere
Einwirkungen wie Sttzensenkungen oder Temperaturbelastungen werden nicht betrachtet.
Fr die in dieser Arbeit durchgefhrten Berechnungen werden rumliche Finite Elemente
Modelle verwendet. Dabei werden die untersuchten Hohlkastenbrcken mit
Schalenelementen modelliert, um das tatschliche Tragverhalten mglichst detailliert erfassen
zu knnen. Bedingt durch den numerischen Funktionsansatz von Schalenelementen ist die
Rechengenauigkeit begrenzt, sie ist aber fr die durchgefhrten Untersuchungen ausreichend
7
EINLEITUNG
8
genau. Eine geringe Verbesserung der Rechengenauigkeit wrde sich durch die Verwendung
von Volumenelementen ergeben. Durch die extrem groe Anzahl von Volumenelementen in
Verbindung mit nichtlinearem Werkstoffverhalten von Stahlbeton sind FE-Berechnungen
allerdings nicht mehr handhabbar. Entsprechende Modelle eignen sich nur fr die
Betrachtungen von Brckenausschnitten. In der vorliegenden Arbeit werden Brcken jedoch
integral betrachtet.
BERECHNUNG VON BETONHOHLKASTENBRCKEN
9
2 Berechnung von Betonhohlkastenbrcken
2.1 Einleitung
Der Einsatz von Hohlkastenquerschnitten im Brckenbau gewann immer mehr an Bedeutung,
sobald groe Spannweiten mit vorgespannten Brcken berwunden werden sollten. Neben
einer hohen Biegesteifigkeit weist der Hohlkasten auch einen groen Torsionswiderstand auf.
Aufgrund dieser Vorteile kommt der Hohlkastenquerschnitt oft zum Einsatz, stellt den
Konstrukteur bei der Dimensionierung aber vor einige Schwierigkeiten. Der Kraftfluss und
die Lastaufteilung in einer Stahl- oder Spannbetonbrcke mit einem Hohlkastenquerschnitt
sind komplex, da zum einen ein mehraxialer Beanspruchungszustand innerhalb des
Brckensystems vorliegt und zum anderen die Lastaufteilung innerhalb des Querschnitts von
den Steifigkeiten einzelner Querschnittsteile abhngt. Lasten, die an der Fahrbahnplatte
angreifen, breiten sich zunchst quer zur Lngsachse der Brcke aus und werden dann in die
Stege eingeleitet. Dabei wird die Lastverteilung hauptschlich durch die Steifigkeit der
Fahrbahnplatte bestimmt. Der weitere Lastabtrag erfolgt ber Lngstragwirkung der Stege in
die Auflager. Um die zwei Mechanismen erfassen zu knnen, wird eine
Schnittgrenermittlung verwendet, bei der das Brckentragwerk auf zweierlei Arten
betrachtet wird. Einerseits werden in Querrichtung vorhandene Beanspruchungen an
Rahmensystemen bestimmt, die den Abmessungen des Hohlkastenquerschnitts entsprechen,
andererseits wird die Lngstragwirkung mittels einfacher Balkenanalogie erfasst. Eine
Interaktion aus beiden Berechnungsarten wird selten vorgenommen. Das vielschichtige
Tragverhalten des Hohlkastenquerschnitts stellt dem Konstrukteur die aufwendige Aufgabe,
die magebende Beanspruchung zu bestimmen und das Tragwerk entsprechend zu bemessen.
Bei dieser Art der Schnittgrenermittlung wird eine Formtreue des Querschnitts
angenommen und allen Stegen eine gleichmige Beteiligung infolge von Lngsbiegung aus
vertikalen Belastungen zugewiesen. Forscher haben bereits frh erkannt, dass diese
BERECHNUNG VON BETONHOHLKASTENBRCKEN
10
Idealisierung nicht ganz korrekt ist, sodass bereits seit den sechziger Jahren
Lsungsvorschlge gemacht wurden, wie alle Beanspruchungsarten des Querschnitts
bestimmt werden knnen. Der Fokus lag dabei auf der Bestimmung der Zusatzbeanspruchung
infolge der Profilverformung des Querschnitts in Querrichtung. Die profilverformende Last
wurde anhand des Lastumordnungsverfahrens ermittelt (Bild 2-1), und die daraus
resultierende Beanspruchung an einem elastisch gebetteten Balken bestimmt, dessen Bettung
von der Quersteifigkeit des Hohlkastens abhngt.
Durch die Verwendung des Lastumordnungsverfahrens und des elastisch gebetteten Balkens
ist es mglich, die Beanspruchung infolge einer Querschnittsverformung zu bestimmen. Die
Verfahren sind komplex, sodass sie keine Anwendung in der Ingenieurpraxis fanden. Das
Lastumordnungsverfahren gilt auerdem nur fr Punkt- oder Linienlasten, die direkt ber
einem der Stege angreifen. Die Ergebnisse aus der Beanspruchung eines elastisch gebetteten
Balkens gelten nur fr Lasten, die weit genug von den Auflagern entfernt sind. Bei einer
Bemessung sind entsprechend der Normung Lasten meist verteilt und in Auflagernhe
anzusetzen. Hierfr bietet das obige Verfahren keine Lsung, es zeigt jedoch Tendenzen und
Einflsse auf, die in die Bemessung konstruktiv eingehen knnen.
Das vorliegende Kapitel stellt in chronologischer Reihenfolge die wichtigsten Arbeiten zur
Bestimmung der Zusatzbeanspruchung infolge der Profilverformung vor. Es wird aufgezeigt,
welche Vereinfachungen und Anstze getroffen werden mssen, um diese
Zusatzbeanspruchung zu bestimmen, wie zum Beispiel die Annahme eines ungerissenen
Querschnitts ber die gesamte Lngsachse. Des Weiteren werden die wichtigsten Fallstudien
vorgestellt, anhand derer untersucht wurde, welche Einflsse Querschnittsabmessungen auf
die Profilverformung haben und wie sich die gewonnen Erkenntnisse auf
bemessungsrelevante Laststellungen ausweiten lassen knnten. Das Kapitel schliet mit einer
Zusammenfassung und stellt die noch zu betrachtenden Aspekte weiterer notwendiger
Untersuchungen vor.
BERECHNUNG VON BETONHOHLKASTENBRCKEN
11
2.2 Berechnungsansatz nach Knittel (1965)
Knittel beschreibt in seiner Arbeit [55] die Bestimmung des Spannungs- und
Formnderungszustandes ein- und mehrzelliger Hohlkastenquerschnitte, die direkt ber einem
der Stege exzentrisch mit einer Linienlast belastet werden. Knittel trifft dabei die
Vereinfachungen, dass der Querschnitt in Lngsrichtung eben bleibt, der Einfluss der
mitwirkenden Plattenbreite vernachlssigt und eine volle Plattenmitwirkung aus der Biegung
in Lngsrichtung angenommen wird. Des Weiteren konzentriert sich Knittel auf
Tragwerksbereiche, die sich in gengend groer Entfernung von den Auflagern und
Querscheiben befinden, sodass die Biegebeanspruchung in Querrichtung keine Spannungen in
Lngsrichtung verursacht. Auerdem werden ein konstanter und ein symmetrischer
Querschnitt in Lngsrichtung sowie ein ungerissenes System vorausgesetzt.
Knittel verwendet die Lastumordnung nach Bild 2-1, dabei zerlegt er die exzentrisch
wirkende Last in ihren symmetrischen und antimetrischen Lastanteil. Knittel fhrt als erster
den Begriff der Lastumordnung fr diese Art der Lastaufteilung in der Literatur ein. Der
antimetrische Lastanteil wiederum wird in seine torsions- sowie profilverformende Wirkung
unterteilt. Fr seine Berechnungen teilt Knittel den Querschnitt entsprechend der Symmetrien
in einzelne Teilquerschnitte auf. Bei einzelligen Querschnitten benutzt er hierfr die vertikale
Symmetrieachse des Hohlkastens, bei mehrzelligen Querschnitten richtet er sich nach den
Nullstellen der Querkraft in Querrichtung. Dabei unterstellt er, dass sich die Teilquerschnitte
beim Lastabtrag in Lngsrichtung nicht beeinflussen. Durch die Aufteilung des gesamten
Querschnitts in Teilquerschnitte, knnen die Beanspruchungen infolge von Lngsbiegung,
Querbiegung und der St. Venantschen Torsion bestimmt werden. Der Ansatz nach Knittel
lsst sich mithilfe des Kraftgrenverfahrens lsen, wird jedoch schnell unbersichtlich, wenn
der Querschnitt mehr als eine Zelle aufweist. Durch die Zerlegung des Querschnitts in
Teilquerschnitte und die gleichzeitige Unterstellung einer gegenseitigen Unabhngigkeit liegt
das Verfahren auf der sicheren Seite [55].
BERECHNUNG VON BETONHOHLKASTENBRCKEN
=
P P/2 P/2 P/2 P/2
+
P/4 P/4 P/4 P/4
+
exzentrischeLaststellung
symmetrischerLastanteil
antimetrischerLastanteil
nurTorsion
nurProfilverformung
ursprnglichesSystem
verschobenesSystem
Bild 2-1: Lastanteile einer exzentrischen Belastung
12
BERECHNUNG VON BETONHOHLKASTENBRCKEN
2.3 Berechnungsansatz nach Steinle (1967 )
Steinle beschftigt sich in seiner Arbeit [91] mit der Bestimmung der Zusatzbeanspruchung
infolge der Profilverformung innerhalb rechteckiger Kastentrger. Bei seiner Berechnung
sieht er das Tragwerk in Querrichtung als ein Faltwerk, zum einen mit biegesteifen Ecken und
zum anderen mit gelenkigen Ecken. So ist es ihm mglich, die profilverformende Laststellung
analog zu Knittel [55] zu bestimmen. Wird diese dann am steifknotigen Tragwerk angesetzt,
knnen mithilfe einer Einheitsverwlbung der Rahmenstruktur die Lngsspannungen infolge
der Profilverformung bestimmt werden. Steinle entwickelt aus seinem Ansatz eine
Differenzialgleichung, die in ihrer Form der Differenzialgleichung eines elastisch gebetteten
Balkens entspricht.
Der Ansatz von Steinle ist nur auf rechteckige, einzellige Kastentrger anwendbar, die durch
Einzellasten direkt ber einem Steg belastet werden. Ebenfalls gilt der Ansatz nur fr
Querschnittsbereiche, die weit genug von einer aussteifenden Querscheibe entfernt sind,
sodass deren Wirkung keinen Einfluss auf die profilverformende Belastung hat. Konstante
Platten- und Stegdicken sind auch eine Voraussetzung fr die Anwendbarkeit des Verfahrens.
Den Ansatz verifiziert Steinle an einigen Versuchen, dabei handelt es sich um kleine
Versuchsaufbauten mit einer Spannweite von 1,2 m. Es werden drei Querschnittsformen
untersucht, die einerseits aus Araldit (Modell 1 und 2) und andererseits aus Plexiglas (Modell
3) bestehen (Bild 2-2). Seine Ergebnisse knnen nur auf Tragsysteme bertragen werden, die
sich im ungerissenen Zustand befinden; ein Unterschied zwischen gerissenen und
ungerissenen Bereichen eines Tragwerks und daraus resultierender Einfluss auf
Querschnittssteifigkeiten wird nicht beachtet.
Modell 1
Modell 3
10
2,5
0,3
1
Modell 2
0,6
17,8
0,3
10,3
15
0,3
15
10
0,63 2,5
10,02
10
2,5
0,315
0,315
0,6
30,6
3
Bild 2-2: Von Steinle untersuchte Querschnittsformen; Mae in cm (aus [91])
13
BERECHNUNG VON BETONHOHLKASTENBRCKEN
14
2.4 Berechnungsansatz nach Kupfer (1969)
Kupfer bedient sich in seinem Ansatz [58] ebenfalls des Lastumordnungsverfahrens nach Bild
2-1, wobei er in seine Untersuchung nicht nur Punktlasten, sondern auch Linienlasten
einbezieht, die direkt ber einem Steg angreifen. Die wirkenden Spannungen innerhalb des
Hohlkastenquerschnitts bestimmt Kupfer nicht mit dem Kraftgrenverfahren, sondern
zerlegt das statische System des Kastens in zwei Untersysteme, wobei er jedem System eine
Lastabtragungsart zuordnet. Zum einen wird die Lngstragwirkung durch die Scheiben des
Kastens gewhrleistet, die mit Gelenken verbunden sind. Zum anderen wird die
Quertragwirkung anhand eines steifknotigen Rahmens, an dem die Kantenmomente bestimmt
werden, sichergestellt.
Kupfer geht davon aus, dass das Quertragsystem durch seine steifen Knoten eine Art
kontinuierliche Aussteifung darstellt, sodass die Berechnung der Beanspruchung aus
exzentrisch wirkenden Lasten der Berechnung eines elastisch gebetteten Balkens entspricht.
Weiter zeigt er auf, dass Querbiegemomente aus reiner Torsion infolge Linienlasten sowie die
durch Lngstragwirkung verursachte Abminderung der Querbiegemomente infolge einer
Diagonalbeanspruchung des Hohlkastens bei blich schlanken Kastentrgern des
Spannbetonbaus vernachlssigbar klein sind. Bei einer exzentrischen Belastung einer
Hohlkastenbrcke durch Einzellasten treten im Gegensatz zur linienfrmigen Belastung nicht
unerhebliche Querbiegemomente auf, die bei der Bemessung des Kastenquerschnitts beachtet
werden sollten [58].
Kupfer weist darauf hin, dass sein Ansatz nur auf Querschnittsteile anwendbar ist, die weit
genug von den aussteifenden Scheiben ber den Auflagern entfernt sind, da die Erhhung der
Steifigkeit in diesen Bereichen die Querbiegemomente herabsetzt. Eine Differenzierung
zwischen ungerissenen und gerissenen Querschnittsteilen wird nicht vorgenommen.
BERECHNUNG VON BETONHOHLKASTENBRCKEN
15
2.5 Berechnungsansatz nach Usuki (1976)
Usuki greift in seiner Arbeit [98] den Ansatz von Steinle [91] auf. Er erweitert die
Differenzialgleichung von Steinle auf einzellige Hohlkastenprofile mit beliebigen
Querschnittsproportionen. Ebenfalls wird die Differenzialgleichung von Steinle so angepasst,
dass Schubverformungen des Querschnitts, die Drillsteifigkeit und zustzliche
Lngsnormalspannungen auf die Zusatzbeanspruchung infolge der Profilverformung
bercksichtigt werden. Usuki zeigt auf, dass sich durch die Beachtung der
Schubverformungen die Zusatzbeanspruchung infolge der Profilverformung um ca. 20%
erhht, sodass Schubverformungen nicht unbercksichtigt bleiben sollten. Er verifiziert seine
Aussage an mehreren Beispielen von Hohlkastentrgern mit verschiedenen
Lagerungsbedingungen und zeigt die Unterschiede anhand von Schnittkraftverlufen auf.
Mit seiner Arbeit ist es mglich, alle relevanten Komponenten der Beanspruchung bei der
Ermittlung der Zusatzspannung infolge der Profilverformung zu erfassen. Die Anwendung
des Verfahrens ist nicht trivial, da fr jedes betrachtete statische System eigene
Differentialgleichungen aufgestellt und gelst werden mssen, sodass die Anwendung auf
Grund der Komplexitt keinen Einzug in die Ingenieurpraxis fand.
2.6 Berechnungsansatz nach Glahn (1980)
Glahns Ansatz [42] basiert ebenfalls auf den berlegungen von Steinle [91], jedoch bestimmt
Glahn die Zusatzbeanspruchung infolge der Profilverformung mithilfe der minimalen
potenziellen Energie. Es gelingt ihm, die Analogie zu einem elastisch gebetteten Balken
darzustellen und die profilverformende Zusatzbeanspruchung zu bestimmen. Glahn erweitert
das Verfahren von Steinle auf Kastentrger mit schrgen Stegen sowie in Lngs- und
Querrichtung vernderliche Querschnittsabmessungen. Er weist gleichzeitig darauf hin, dass
bei der Beachtung der Querschnittsvernderung die Rechenwege nicht mehr handhabbar sind,
sodass die Verwendung von Computern unumgnglich ist. Es ist ihm ebenfalls mglich, in
Lngsrichtung gevoutete Querschnitte, wie im Freivorbau blich, zu betrachten. Glahn weist
nach, dass die Art der Lagerung kaum einen Einfluss auf die Ergebnisse hat, wenn die
Auflager weit genug von der Belastung entfernt sind.
BERECHNUNG VON BETONHOHLKASTENBRCKEN
2.7 Falluntersuchungen von Rao (1981)
Rao beschreibt in seiner Arbeit [76], dass aufgrund immer schlanker werdender
Hohlkastenbrcken die zustzlichen Beanspruchungen eines Hohlkastens infolge der
Profilverformung bei der Bemessung und rechnerischen berprfung nicht mehr
vernachlssigt werden sollten. Die ersten Hohlkastenbrcken wurden mit groen
Scheibendicken ausgefhrt, sodass die Wlbkrfte klein blieben. Dies ist bei zunehmenden
Schlankheiten in der Baupraxis nicht mehr gewhrleistet [76]. Aus diesem Grund erstellt er
eine Fallstudie, bei der er am Beispiel eines einzelligen Hohlkastenquerschnitts (Bild 2-3) die
Dicken sowie Voutungen einzelner Querschnittsbereiche variiert. Fr seine Berechnungen
verwendet er den Ansatz eines elastisch gebetteten Balkens nach Steinle [91]. In seiner Arbeit
setzt Rao eine Linienlast direkt ber einem Steg an und weist darauf hin, dass sich seine
Erkenntnisse nur bedingt fr die Bemessung eignen, da die tatschliche Belastung verteilt ist
und dadurch gnstiger wirkt. Trotzdem zeigt seine Arbeit eine Tendenz auf, welche
Auswirkungen Querschnittsabmessungen auf die Zusatzbeanspruchung infolge der
Profilverformung haben.
b = 14,85 m
bk bkbo
d1S
0,35
bu
0,125bu
0,25bo
0,4
5
0,2
4
0,3
0,1
5
0,3
vereinfachter Querschnitt b bo k= 6,60 m, wenn = const.;
d1S = 0,65 m, wenn Stegdicke = const.
Bild 2-3: Querschnitt des Kastentrgers fr Falluntersuchungen von Rao (aus [76])
Im Einzelnen variiert Rao die Voutung der Stege in vertikaler Richtung, deren Neigung und
Dicke, die gesamte Querschnittshhe sowie die Kragplattenlnge. Das statische System
entspricht in seinen Untersuchungen einem einfeldrigen System und er setzt voraus, dass der
Querschnitt ber den Auflagern mit Querscheiben ausgesteift ist. Es werden drei Spannweiten
von 20 m, 40 m sowie 80 m untersucht. Die Ergebnisse zu einer Spannweite von 40 m sind
hier beispielhaft vorgestellt. Die Bezugsgren, anhand derer er die Ergebnisse bewertet, sind
16
BERECHNUNG VON BETONHOHLKASTENBRCKEN
die Verhltnisszahlen und ; Gleichung (2-1) und (2-2). Hierbei ist die ausgewertete Stelle
der obere Querschnittsrand ber dem belasteten Steg.
grtes Querbiegemoment infolge der Profilverformunggrtes Querbiegemoment am biegesteifen Rahmen
= (2-1)
grte Lngsspannung infolge der Profilverformunggrte Lngsbiegespannung infolge mittiger Last am Einfeldtrger
= (2-2)
Bild 2-4 und Bild 2-5 zeigen den Einfluss der Vouten des Stegs sowie der Stegneigung auf
das Verhltnis der Biegemomente sowie der Lngsspannungen. Daraus geht hervor, dass
unterschiedliche Querschnittsdicken der Stege am oberen und unteren Querschnittsrand der
Stege nahezu keinen Einfluss auf die Biegemomente und Lngsspannungen im Vergleich zu
der Annahme konstanter Stegdicken haben. Anders ist es beim Vergleich der Stegneigungen
fr verschiedene Schlankheiten. Eine zunehmende Stegneigung weist eine bessere Verteilung
der Querbiegemomente auf. Somit nimmt die Zusatzbeanspruchung infolge der
Profilverformung ab und die Querbiegemomente am unteren Rand des Stegs werden erhht,
gleichzeitig nehmen die Lngsspannungen mit zunehmender Stegneigung ab [76].
[-
]
wlbbehindert
0,4
0,6
0,8
090 100 110 120
[]
a)
0,2
nicht wlbbehindert mit Vouten konstante Dickenl l h= 40 m; / =15
[-
]
0,2
0,3
0,4
090 100
[]
0,1
110 120
b)
Bild 2-4: Einfluss der Stegabmessungen in Abhngigkeit von der Stegneigung auf: a) Querbiegemomente und
b) Lngsspannungen (aus [76])
17
BERECHNUNG VON BETONHOHLKASTENBRCKEN
[-
]
wlbbehindert
0,4
0,6
0,8
090 100 110 120
[]
a)
0,2
nicht wlbbehindert l l h= 40 m; / =15
[-
]
0,2
0,3
0,4
090 100
[]
0,1
110 120
b)
l l h= 40 m; / =20 l l h= 40 m; / =25
Bild 2-5: Einfluss der Stegneigung auf: a) Querbiegemomente und b) Lngsspannungen (aus [76])
Wird die Lnge der Kragplatte im Verhltnis zur gesamte berbaubreite variiert, lsst sich
feststellen, dass das Verhltnis der Biegemomente bei steigender Kragplattenlnge zunimmt
(Bild 2-6). Der Einfluss der Kragplatte wird bei steigenden Spannweiten und Stegneigungen
geringer und teilweise gegenlufig [76]. Des Weiteren wird vorgestellt, dass die Stegdicke
einen sehr geringen Einfluss auf die Querbiegemomente hat. Dies gilt nur fr Stege ab einer
Dicke von ca. 50 cm. Wie in Abschnitt 0 dieser Arbeit gezeigt wird, spielen geringe
Stegdicken eine nicht zu vernachlssigende Rolle bei der Verteilung der Querbiegemomente
(Bild 4-23).
[-
]
wlbbehindert
0,4
0,6
0,8
00,24 0,26 0,28 0,3
b b/ [-]
a)
0,2
nicht wlbbehindertl l h= 40 m; / =15
[-
]
0,2
0,3
0,4
00,24 0,26
0,1
0,28 0,3
b)
= 90 = 100 = 100
k b b/ [-]k
Bild 2-6: Einfluss der Kragarmlnge auf: a) Querbiegemomente und b) Lngsspannungen (aus [76])
18
BERECHNUNG VON BETONHOHLKASTENBRCKEN
2.8 Falluntersuchungen von Hofbauer (1981)
Hofbauer untersucht in seiner Arbeit [47] vier Hohlkastenquerschnitte (Bild 2-7), an denen er
die Beanspruchung infolge der Profilverformung ermittelt. Anhand dieser Querschnitte macht
er eine Parameterstudie fr eine in Lngsrichtung wandernde Punktlast sowie eine ber die
gesamte Spannweite verteilte Linienlast; beide Lastarten greifen direkt ber einem Steg an.
Dabei werden Ein- und Dreifeldsysteme mit Spannweiten von 30 m, 50 m, 70 m sowie 100 m
betrachtet. Hofbauer bedient sich der Lastumordnung nach Bild 2-1 und des Ansatzes von
Kupfer [58] und Tung [96], um die Zusatzbeanspruchung infolge der Profilverformung zu
bestimmen. Auch hier wird davon ausgegangen, dass die Hohlkastenquerschnitte ber den
Auflagern mit Querscheiben ausgesteift sind.
0,3 m 0,3 m
12 m
10 m
1,5
m
20 m
0,3 m
0,5 m0,5 m
2,5
m
10 m
20 m
0,2 m
0,3 m0,5 m
2,5
m
14 m
20 m
0,2 m
0,3 m 0,7 m
3,5
m
Querschnitt A Querschnitt B1
Querschnitt B2
Querschnitt C
ppr
m Aq
Bild 2-7: Kastenquerschnitte fr die Untersuchungen von Hofbauer (aus [47])
Die Parameterstudie ergibt, dass die Zusatzbeanspruchung infolge der Profilverformung bei
steigender Spannweite gegen einen Grenzwert strebt. Betrachtet man zunchst die
Lngsnormalspannungen in der unteren Faser des belasteten Stegs infolge der
Zusatzbeanspruchung , die aus einer Punktlast von 1000 kN direkt ber dem Steg und in
der Mitte eines Feldes resultiert, entspricht der Grenzwert direkt unter der Einzellast ca.
prp
19
BERECHNUNG VON BETONHOHLKASTENBRCKEN
400 kN/m2 (Bild 2-8 a)) fr den Querschnitt B1 aus Bild 2-7. Dieser Grenzwert wird lediglich
bei geringeren Spannweiten L = 30 m berschritten. Die Querbiegemomente im Steg am
Anschnitt im bergang zur Fahrbahnplatte streben in Feldmitte bei gleicher Laststellung
gegen 30 kNm/m (
qAm
Bild 2-8 b)). Der Grenzwert der Querbiegemomente wird im Vergleich
zum Grenzwert der Lngsnormalspannungen bereits bei geringeren Spannweiten (L = 30 m)
erreicht, da der Einfluss der aussteifenden Querscheiben auf die Querbiegemomente geringer
ist als auf die Lngsnormalspannungen [47].
600
= / [-]x L
L = 30 m
L = 50 m
L = 70 m L = 100 m
400
200
0
-200
pp
r [k
N/m
]
2
0 1/6 1/3 1/2
20
30
= / [-]x L
L = 30 m
L = 50 m
20
10
0
mAq
[kN
m/m
]
0 1/6 1/21/3
L = 70 m
L = 100 m
-10
a) b)
Bild 2-8: Infolge einer Einzellast von 1000 kN bei = 0,5 ber einem Steg von Querschnitt B1 ermittelte
a) Lngsnormalspannungen infolge der Zusatzbeanspruchung infolge der Profilverformung an der
Unterseite des Stegs und b) Querbiegemomente im Steg am Anschnitt im bergang zur
Fahrbahnplatte (aus [47])
Wird im Vergleich zu einer punktuellen Belastung eine ber die gesamte Spannweite verteilte
Linienlast von 100 kN/m direkt ber einem Steg aufgebracht, knnen bezglich der
Ergebnisse qualitativ die gleichen Aussagen gemacht werden. Auch hier streben die
Lngsnormalspannungen sowie die Querbiegemomente gegen einen Grenzwert. Bei
steigender Spannweite gehen die Lngsnormalspannungen infolge der Profilverformung bei
grer werdendem Abstand zum Endauflager gegen Null und die Querbiegemomente gegen
ca. 70 kNm/m [47] (Bild 2-9).
BERECHNUNG VON BETONHOHLKASTENBRCKEN
600
= / [-]x L
L = 30 m
L = 50 m
L = 70 m
L = 100 m
400
200
0
-200
ppr [
kN
/m
]2
0 1/6 1/3 1/2
a)
L = 40 m
80
= / [-]x L
L = 30 m
L = 50 m
60
40
20
mAq
[kN
m/m
]
0 1/6 1/3 1/2
L = 70 mL = 100 m
0
b)
Bild 2-9: Infolge einer Linienlast von 100 kN/m ber einem Steg von Querschnitt B1 ermittelte
a) Lngsnormalspannungen infolge der Zusatzbeanspruchung infolge der Profilverformung an der
Unterseite des Stegs und b) Querbiegemomente im Steg am Anschnitt im bergang zur
Fahrbahnplatte (aus [47])
Hofbauer ermittelt weiter, dass, wenn die Lngssteifigkeit eines Hohlkastens erhht wird, die
Zusatzbeanspruchung infolge der Profilverformung kleiner wird und somit an Wichtigkeit im
Vergleich zu Beanspruchungen aus den symmetrischen Lastanteilen nach Bild 2-1 verliert.
Des Weiteren stellt er fest, dass, wenn die Punktlast von 1000 kN auf drei Einzellasten in
einem Abstand von 1,5 m aufgeteilt wird, was der Lastanordnung des damaligen
Achslastmodels entspricht, die Lngsnormalspannungen infolge der Zusatzbeanspruchung um
ca. 17% reduziert werden. Die Querbiegemomente bleiben von der Reduktion der
Beanspruchung nahezu unberhrt. Mithilfe einer in Lngsrichtung wandernden Einzellast ist
es Hofbauer mglich zu bestimmen, dass bereits bei einem Standort der Last im Verhltnis
zur Spannweite von = 0,1 die Lngsnormalspannungen den Wert bei = 0,5 erreichen
knnen, sodass es gerechtfertigt ist, die Ergebnisse aus einer Laststellung bei = 0,5
vereinfachend fr alle anderen Verhltnisszahlen von anzunehmen; das gleiche gilt auch fr
die Querbiegemomente (Bild 2-10).
21
BERECHNUNG VON BETONHOHLKASTENBRCKEN
1500
= / [-]x L
1000
500
0
-500
ppr [
kN
/m
]2
0 1/3 2/3 1
a)
30
= / [-]x L
20
10
0
mAq
[kN
m/m
]
0 1/3 2/3 1
-10
b)
Bild 2-10: Infolge einer in Lngsrichtung wandernden Einzellast von 1000 kN ber einem Steg von Querschnitt
A (L = 30 m) ermittelte a) Lngsnormalspannungen infolge der Zusatzbeanspruchung aus der
Profilverformung an der Unterseite des Stegs und b) Querbiegemomente im Steg am Anschnitt im
bergang zur Fahrbahnplatte (aus [47])
22
BERECHNUNG VON BETONHOHLKASTENBRCKEN
2.9 Berechnungsansatz nach Schlaich/Scheef (1982)
Schlaich und Scheef [86] bedienen sich ebenfalls des Lastumordnungsverfahrens nach Bild
2-1 zur Ermittlung der Zusatzbeanspruchung infolge der Profilverformung. Auch hier wird
die exzentrische Belastung in ihren symmetrischen und antimetrischen Lastanteil zerlegt.
Weiter wird ein Element der Lnge 1 in Lngsrichtung des Kastenquerschnitts betrachtet,
dessen Kanten durch eine diagonale Stabkraft S gegen Verschieblichkeit gehalten werden
(Bild 2-11). Nachdem die Stabkraft S bestimmt ist, kann mithilfe der Faltwerktheorie die
Zusatzbeanspruchung infolge der Profilverformung bestimmt werden [86]. Dies geschieht
durch Lsen der Kantenarritierung und Bestimmung der Schnittgren infolge der Stabkraft S
an einem elastisch gebetteten Balken. Durch berlagerung dieser Schnittgren mit denen
infolge des symmetrischen Lastanteils und der Torsion knnen Schnittgren ermittelt
werden, die die Zusatzbeanspruchung infolge der Profilverformung beinhalten.
Mit dieser Methode ist es mglich, vernderliche Querschnittsgeometrien sowie verschiedene
Laststellungen zu erfassen. Das Prinzip ist nur auf einzellige Querschnitte anwendbar, da bei
mehrzelligen Querschnitten die Ermittlung der Stabkraft S nicht mehr ohne Weiteres mglich
ist [86].
P/4 P/4
nur Profilverformung
P/4 P/4
SS
FaltwerkwirkungAusgesteifterRahmen
ursprnglichesSystem
verschobenesSystem
+
Bild 2-11: Bestimmung der Zusatzbeanspruchung infolge Profilverformung mithilfe eines ausgesteiften
Rahmens und der Faltwerkwirkung nach [86]
23
BERECHNUNG VON BETONHOHLKASTENBRCKEN
24
2.10 Falluntersuchungen von Krebs/Lindlar (1988)
Krebs und Lindlar beschftigen sich in ihrer Arbeit mit der Ermittlung der
Zusatzbeanspruchung infolge der Profilverformung anhand von Einflusslinien [57]; die
Grundlage hierfr liefert Lindlar mit seiner Dissertation [63]. Krebs und Lindlar bedienen
sich des Lastumordnungsverfahrens nach Bild 2-1 zur Bestimmung der profilverformenden
Einzellast. Bei der Ermittlung der Einflusslinien wird in [57] eine in Lngsrichtung direkt
ber einem Steg wandernde Einzellast betrachtet und die Einflusslinien fr einen Hohlkasten
bestimmt, der einerseits ber den Auflagern mit Querscheiben ausgesteift ist und andererseits
keine Querscheiben aufweist. Daraus geht hervor, dass beispielsweise bei einem nicht
ausgesteiften Querschnitt die Lngsnormalspannungen in Feldmitte an der unteren Faser des
Querschnitts ca. 10% grer sind als mit einer Aussteifung durch Querscheiben.
Des Weiteren wird in [57] dargelegt, dass bei Mehrfeldsystemen in Bereichen von
Momentennullpunkten infolge gleichmig verteilter Lasten die Beachtung der
Zusatzbeanspruchung infolge der Profilverformung aus Einzellasten die
Lngsnormalspannungen am oberen Rand des belasteten Stegs um bis zu 42% vergrern
kann (Bild 2-12). Da im Brckenbau Koppelstellen in Bereichen von Momentennullpunkten
angebracht werden, kann die bei der Bemessung der Hohlkastenquerschnitte vernachlssigte
Zusatzbeanspruchung infolge der Profilverformung ein Teil der Ursache fr beobachtete
Schden an Koppelstellen von abschnittsweise hergestellten Durchlauftrgern sein [57].
Im zweiten Teil der Arbeit von Krebs und Lindlar wird darauf eingegangen, wie hoch der
Anteil der Zusatzbeanspruchung infolge der Profilverformung an der gesamten
Beanspruchung aus einer Zwangsverdrehung (Torsion) des gesamten Querschnitts ist,
wenn ber den Auflagern keine Querscheiben angeordnet werden, und inwieweit der Anteil
der Zusatzbeanspruchung von den Spannweiten abhngt. Bei einer Bemessung wird
unterstellt, dass allein die St. Venantsche Torsion die Tragwerksverdrehung aufnimmt. In
Wirklichkeit wird die Verdrehung jedoch von dem Anteil der St. Venantschen Torsion T
und der Profilverformung P aufgenommen: = T + P [57]. Aus der Untersuchung
geht hervor, dass der Beitrag der Profilverformung an der gesamten Beanspruchung mit
steigender Spannweite abnimmt (Bild 2-13). Abschlieend wird festgestellt, dass bei einer
Verringerung des St. Venantschen Torsionsanteils der profilverformende Anteil steigt, was
eine Erhhung der Querbiegemomente und der Lngsspannungen zur Folge hat. Diese knnen
BERECHNUNG VON BETONHOHLKASTENBRCKEN
der Konstruktion wesentlich leichter zugewiesen werden, als die Spannungen infolge der
Torsion, dementsprechend sollten sie bei der Bemessung nicht vernachlssigt werden. Des
Weiteren wird darauf hingewiesen, dass der Falluntersuchung ein ungerissener Querschnitt zu
Grunde gelegt wird, sodass sich die profilverformenden Anteile bei der Annahme gerissener
Querschnitte nochmals vergrern [57].
200
x [m]
100
0
-100
-200
Ver
hl
tnis
[%
]
0 20 60 80
a)
40
A B C
P
8 m32 m 40 m
b)
Einflusslinie nur fr den symmetrischen Anteileiner Einzellast bei = 32 m ohnexBercksichtigung der Profilverformung
Einflusslinie mit Bercksichtigung derProfilverformung
x
Bild 2-12: a) Einflusslinien infolge einer exzentrische Einzellast bei x = 32 m fr die Lngsnormalspannungen
am oberen Rand der belasteten Stegs; b) statisches System fr die Untersuchung (aus [57])
0
L [m]
25
50
75
100
Pro
fiver
form
ender
Ante
il[%
]
0 25 75 10050
P
P+ T=
= Zwangsverdrehung um die Lngsachse
P = Profilverformender Anteil an
T = St. Venantscher Torsionsanteil an
Bild 2-13: Abhngigkeit der Profilverformung von der Spannweite eines durchlaufenden Kastentrgers ohne
Querscheiben (aus [57])
25
BERECHNUNG VON BETONHOHLKASTENBRCKEN
26
2.11 Falluntersuchungen von Grossert (1989)
Grossert untersucht in seiner Forschungsarbeit [44] als einer der ersten systematisch die
Tragfhigkeit zweizelliger Hohlkastenquerschnitte aus Beton mithilfe der Finiten Elemente
Methode. Er ermittelt anhand einer Parameterstudie die Beanspruchung der Stege infolge von
Verkehrslasten innerhalb eines Randfeldes zweifeldriger Systeme, indem er die Spannweiten
beider Felder zwischen 30 m und 60 m variiert. Seine Laststellungen spiegeln annhernd die
damals gltigen normativen Laststellungen fr Brckentragwerke wieder, jedoch mussten bei
seinen Untersuchungen die Laststellungen an das Netz der Finiten Elemente angepasst
werden, da das verwendete FE-Programm nur Knotenlasten zulie. Die Flchenlast der
Fahrspur wird als eine Linienlast direkt ber einem Steg angenommen, die sechs Achslasten
werden als drei Punktlasten abgebildet, deren geometrischer Mittelpunkt direkt ber einem
Steg angeordnet wird. In den Berechnungen wird eine linear elastische Werkstoffbeziehung
fr Beton verwendet. Aus dieser Parameterstudie entwickelt er Berechnungsdiagramme, mit
denen sich das Quertragverhalten von zweizelligen Hohlkastenquerschnitte nherungsweise
beschreiben lsst.
Der Ansatz seiner Untersuchung basiert auf den Aussagen vorangegangener
Verffentlichungen, dass die Zusatzbeanspruchung infolge der Profilverformung einen nicht
zu vernachlssigenden Beitrag zur Beanspruchung des Tragwerks liefert. Daher ist eine
korrekte Erfassung aller Beanspruchungen aus vernderlichen Lasten notwendig. Dies
begrndet er damit, dass der Anteil der Biegemomente aus vernderlichen Lasten an den
gesamten maximalen positiven und negativen Biegemomenten in Lngsrichtung bei den
betrachteten Spannweiten ca. 25 bis 30% betrgt (Bild 2-14). An Stellen von
Momentennullpunkten infolge von gleichmig verteilten Lasten wie Eigengewicht fallen die
Beanspruchungen aus diesen vernderlichen Lasten noch strker ins Gewicht [44].
BERECHNUNG VON BETONHOHLKASTENBRCKEN
L [m]
100
Las
tante
ile
fr
Mom
ente
[%
]
30
65,1
15,2
19,7
60,0
12,8
27,2
72,3
15,5
12,2
68,4
13,8
17,8
76,4
15,1
8,5
73,3
13,8
12,9
45 60
MS MF MS MF MS MF
SLW-Lasten
Verkehrsflchenlasten
Eigengewicht
MF max. Feldmoment
max. SttzmomentMS
Bild 2-14: Lastanteile der Feld- und Sttzmomente in Prozenten aus vertikalen Belastungen fr die untersuchten
Spannweiten (aus [44])
Bei der Ermittlung der Lastaufteilung verwendet Grossert eine Beziehung zwischen den
Durchbiegungen einzelner Stege nach Gleichung (2-3). Dabei wird die Summe der
Durchbiegungen aller Stege in einem Brckenquerschnitt zu 100% gesetzt und anschlieend
ber die Einzellverformung des jeweiligen Stegs der prozentuale Anteil pro Steg bestimmt.
Die wesentlichen Erkenntnisse seiner Arbeit sind fr eine Spannweite von 45 m und eine
Querschnittshhe von 4 m in Bild 2-15 und Bild 2-16 dargestellt. Das Verhltnis a/L
beschreibt die Lage des betrachteten Querschnitts zur Spannweite. Bei der Ermittlung der
Lastaufteilung infolge der sechs Einzellasten, werden die Lasten in Lngsrichtung
verschoben, der zu jeder Laststellung gehrenden Lastanteil ermittelt, und abschlieend ein
umhllender Verlauf der Lastaufteilung ber die Brckenlngsachse bestimmt.
3
1
100 iii
i
w
w=
=
[%] (2-3)
Mit:
i prozentualer Lastanteil eines Stegs
iw Durchbiegung eines Stegs
Mithilfe der Parameterstudie ermittelt Grossert, dass sich die Lastanteile aus dem
Eigengewicht gleichmig auf alle Stege verteilen. Die Lastverteilung auf die Stege aus der
Verkehrslastflche und den Einzellasten wirken wesentlich ungnstiger als bei gleicher
Mitwirkung aller Stege aus der Lngsbiegung angenommen, wenn die Beanspruchungen
mithilfe der Balkenanalogie bestimmt werden. Die grten Unterschiede sind in Bereichen
bei 0 0,3 L sowie 0,7 1 L zu erwarten (Bild 2-15 und Bild 2-16); bei steigender
27
BERECHNUNG VON BETONHOHLKASTENBRCKEN
Tragwerksschlankheit nimmt die Querverteilungsfhigkeit ab [44]. Grossert bestimmt weiter,
dass die Lastausbreitung in Querrichtung bei steigender Steghhe abnimmt, und dass sich
grundstzlich nur zwei Stege am Lastabtrag beteiligen. Der lastferne dritte Steg nimmt
maximal rund 20% der gesamten Beanspruchung auf.
-20
a L/ [-]
0
40
80
100
i[%
]
0 0,25 0,5 10,75
a)
a L/ [-]
0 0,25 0,5 10,75
b)
1 2 3
1
2
3
1
2
3
20
60
Bild 2-15: Lastanteile pro Steg infolge einer Linienlast ber einem Steg fr L = 45 m und h = 4 m:
a) Last ber dem Randsteg; b) Last ber dem mittlerem Steg (aus [44])
a L/ [-]
i[%
]
0 0,25 0,5 10,75
a)
a L/ [-]
0 0,25 0,5 10,75
b)
1 2 3
1
2
3
1
2
3
-20
0
40
80
100
20
60
Bild 2-16: Lastanteile pro Steg infolge sechs Punktlasten ber einem Steg fr L = 45 m und h = 4 m:
a) Last ber dem Randsteg; b) Last ber dem mittlerem Steg (aus [44])
28
BERECHNUNG VON BETONHOHLKASTENBRCKEN
2.12 Berechnugsansatz nach Bsse (1993)
Bsse beschftigt sich in seiner Arbeit [17] mit der Bestimmung der Zusatzbeanspruchung
infolge der Profilverformung unter Beachtung aus der Lngsbiegebeanspruchung gerissener
Querschnitte, mit dem Ziel, ein einfaches Berechnungsmodell zu erstellen. Seinen
Untersuchungen legt er das Modell von Lindlar [63] zugrunde, das er auf gerissene
Querschnitte erweitert. Der gerissene Zustand eines Hohlkastens wird dadurch abgebildet,
dass aus der Lngstragwirkung unter Zugbeanspruchung stehende
Querschnittsscheibenbereiche mit abgeminderten Scheibendicken angenommen werden (Bild
2-17). Dabei wird davon ausgegangen, dass die Steifigkeit aller Einzelscheiben mit ideellen
Wanddicken ti den tatschlichen Steifigkeiten der Einzelscheiben im gerissenen Zustand
gleicht, und die Biegesteifigkeit des ideellen Gesamtquerschnitts mit der Biegesteifigkeit des
gesamten Querschnitts im gerissenen Zustand bereinstimmt [17]; die Mitwirkung des Betons
auf Zug zwischen den Rissen wird vernachlssigt. Mit der Annahme des ideellen Querschnitts
wird die Zusatzbeanspruchung infolge der Profilverformung an einem elastisch gebetteten
Balken nach [63] und [58] bestimmt. Die Steifigkeitsverhltnisse des elastisch gebetteten
Balkens werden anhand des Querschnitts mit reduzierten Querschnittsdicken ermittelt.
x
ti,s ti,sti,u
Bild 2-17: Ersatzquerschnitt zur Bercksichtigung der Rissbildung aus der Lngstragwirkung (aus [17])
Ein ingenieurpraktisches Modell zur Ermittlung der Zusatzbeanspruchung infolge der
Profilverformung zeigt Bsse am Beispiel eines einfeldrigen Balkens mit einem quadratischen
Hohlkastenquerschnitt aus dnnen Scheiben, an dem eine Einzellast in Feldmitte direkt ber
einem Steg angreift. Die Dehnungsverteilung des Querschnitts in Feldmitte wird bei
sukzessiver Laststeigerung ermittelt: in sechs Schritten von 0 kN bis 300 kN. Der ideelle
Querschnitt und somit die ideelle Steifigkeit wird bei jedem Lastschritt entsprechend der
Dehnungsverteilung angepasst, sodass nicht nur im gerissenen Bereich eine volle
Abminderung der Steifigkeit vorliegt, sondern auch ein bergang zwischen gerissenem und
ungerissenem Bereich erfasst werden kann (Bild 2-18).
29
BERECHNUNG VON BETONHOHLKASTENBRCKEN
A B
P
IersI
IersII
IersI
Bild 2-18: Statisches System mit Verlauf der Ersatzsteifigkeit (aus [17])
Daraus geht hervor, dass sich die Dehnungen infolge Biegung sowie Profilverformung nicht
proportional zur Belastung erhhen und der Einfluss der Profilverformung im gerissenen
Zustand, gemessen an den dadurch verursachten Zusatzdehnungen, deutlich zurckgeht (Bild
2-19 und Gleichung (2-4)). Somit nimmt der Anteil der Lngsdehnung aus der
Profilverformung an den Gesamtdehnungen im gerissenen Zustand ab [17].
b) B
a) PV
1 2 3 4 5 6 1 2 3 4 5 6
Bild 2-19: Verteilung der Dehnungen ber die Hhe des belasteten Stegs fr 6 Lastschritte:
a) infolge Profilverformung und b) infolge Biegung (aus [17])
II II
I
PV BI
PV B
< (2-4)
Mit der Vereinfachung, dass sich die Nulllinie der Dehnungen infolge Biegung und
Profilverformung am gleichen Ort befindet, schlgt Bsse einen Zusammenhang vor, bei dem
die Zusatzdehnungen infolge der Profilverformung in einem Querschnitt in Abhngigkeit der
Dehnungen aus der Biegung bestimmt werden knnen (Bild 2-20 und Gleichung (2-5)). Diese
Annahme ist nach [17] ausreichend genau, da die Zusatzdehnungen infolge der
Profilverformung gering sind im Vergleich zu denen aus der Biegung. Bsse schlgt ein
einfaches Verfahren zur Bestimmung der zustzlichen Dehnungen infolge der
Profilverformung vor, welches er anhand von Versuchen und Finite Elemente Berechnungen
verifiziert.
30
BERECHNUNG VON BETONHOHLKASTENBRCKEN
PVI
BI
PVI
BI
PVII
BII
Bild 2-20: Dehnungserhhung im gerissenen Zustand (aus [17])
II II
I
PV BI
PV B
= (2-5)
31
BERECHNUNG VON BETONHOHLKASTENBRCKEN
32
2.13 Zusammenfassung
Seitdem Hohlkastenquerschnitte im Grobrckenbau eingesetzt werden, wurde die Ermittlung
der Zusatzbeanspruchung infolge Profilverformung von verschiedenen Autoren behandelt.
Das vorliegende Kapitel fasst die wichtigsten Arbeiten zur Bestimmung der
Zusatzbeanspruchung in chronologischer Reihenfolge zusammen. Aufgrund der Komplexitt
der Ermittlung der Zusatzbeanspruchung, fanden die Erkenntnisse keinen Einzug in die
Ingenieurpraxis. Vielmehr wurde anhand von Parameterstudien versucht, den Konstrukteuren
die Auswirkungen der Wahl der Hohlkastenquerschnitte auf die Zusatzbeanspruchung
nherungsweise zu vermitteln, beziehungsweise deren Gre ansatzweise zu erfassen. Neben
den vorgestellten Arbeiten, die sich mit allgemeinen Aussagen ber die Zusatzbeanspruchung
infolge der Profilverformung beschftigen, wurden weitere Arbeiten verffentlicht, die exakte
Lsungen fr gngige Querschnittsabmessungen vorstellen, wie zum Beispiel fr einzellige
Hohlksten von Resinger [78] oder Dabrowski [23] und fr zweizellige Hohlksten von
Esslinger [38].
Mit dem Einzug von Computerverfahren im Bauingenieurwesen wurden analytische Anstze
bei der Berechnung immer weniger angewendet. Mithilfe rumlicher FE-Ersatzmodelle ist es
zwar mglich, die gesamten Beanspruchungen zu bestimmen, jedoch ist der Aufwand sehr
gro, sodass weiterhin mit der Stabstatik Schnittgren ermittelt werden. Dies obwohl die
vorgestellten Forschungsarbeiten zeigten, dass die Zusatzbeanspruchung infolge der
Profilverformung bei der Bemessung in vielen Fllen beachtet werden sollte.
Die vorgestellten Arbeiten, ob analytisch oder numerisch, legen den Berechnungen ein linear
elastisches Werkstoffverhalten zugrunde. Dieser Ansatz ist fr die damaligen
Brckenkonstruktionen gerechtfertigt, da diese meist mit einer vollen Vorspannung
hergestellt wurden. Fr heutige Brckenbauwerke trifft dies nicht immer zu. Bei
rechnerischen berprfungen bestehender Brcken kann, aufgrund mglicherweise
ausgefallener Spannglieder, ebenfalls nicht immer von einer vollen Vorspannung
ausgegangen werden. In den beschriebenen Verfahren wird die Rissbildung nicht oder nur
vereinfacht angesetzt. Wenn die Rissbildung beachtet wird, dann nur infolge der
Lngstragwirkung; eine Rissbildung aus der Quertragwirkung wird grundstzlich
vernachlssigt. Des Weiteren wird die Zusatzbeanspruchung infolge von Belastungen
ermittelt, die weit von den Auflagern entfernt aufgebracht sind. Bei Bemessungen fr
BERECHNUNG VON BETONHOHLKASTENBRCKEN
33
maximale Biegebeanspruchungen ist dieser Ansatz gerechtfertigt. Bei der Betrachtung der
maximalen Querkraftbeanspruchungen sind Lasten in Auflagernhe anzuordnen, sodass die
ermittelte Zusatzbeanspruchung im Bereich maximaler Biegemomente nur noch geringe
Auswirkungen auf die Auflagernhe hat. Wie gro die Beanspruchungen in Auflagernhe
sind und welche Tragfhigkeiten von Hohlkastenbrcken unter Beachtung nichtlinearen
Werkstoffverhaltens berechnet werden knnen, wenn beispielsweise ein Spanngliedausfall
angenommen wird und welche Auswirkungen dadurch an Koppelstellen entstehen knnen,
wird im weiteren Verlauf dieser Arbeit behandelt.
BERECHNUNG VON BETONHOHLKASTENBRCKEN
34
EIGENSCHAFTEN DER WERKSTOFFE
35
3 Eigenschaften der Werkstoffe
3.1 Einleitung
Stahlbeton weist im Vergleich zu vielen anderen im Bauwesen verwendeten Werkstoffen ein
nichtlineares Last- und Verformungsverhalten auf. Whrend Werkstoffe wie Kunststoffe oder
Stahl sich bis zum Fliebeginn linear elastisch verhalten, treten beim Stahlbeton bereits bei
geringen Beanspruchungen Risse auf, die ein nichtlineares Werkstoffverhalten verursachen.
Zudem ist der Rissbildungsprozess unter anderem von der Menge der eingelegten Bewehrung
abhngig, sodass sich keine pauschale Aussage ber das Verhalten einer Stahlbetonstruktur
machen lsst. Der Schnittgrenermittlung von Tragwerken aus Stahl- bzw. Spannbeton
werden linear elastische Werkstoffbeziehungen zugrunde gelegt. Diese Vorgehensweise fhrt
zu einem Gleichgewichtszustand, der im Sinne der Plastizittsthe