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SCHATTENÜBERGREIFENFURTFünfte Kampagne des Aventurischen Karmakorthäons
Johannes Hild, Dezember 2017 ‐ April 2018
Ende TSA 1012 BF: Seit fast zwei Jahren saß nun schon kein rechtmäßiger Kaiser mehr auf dem Greifenthron des Mittelreichs. Seit fast zwei Jahren hatte sich ein immer größer werdender Schatten über die Provinzen des Mittelreichs ausgebreitet und stürzte das Kaiserhaus von Gareth in seine bisher schwerste Krise. Die Ereignisse nahmen ihren Anfang, als seine allerdurchlauchtigste Magnifizenz, Kaiser Hal von Gareth, im Phexmond 1010 BF einen Jagdausflug unternahm und von diesem nicht zurückgekehrt war. Das Kaiserhaus proklamierte, dass der Kaiser nur verschollen war und jederzeit zurückkehren könnte, so dass der Thronfolger, seine kaiserliche Majestät Prinz Brin von Gareth, die Regierungsgeschäfte lediglich mit dem Titel eines Reichsbehüters wahrnahm. Die Amtszeit des neuen Reichsbehüters stand jedoch unter keinem guten Stern: Die garstigen Schwarzpelze, die vor gut zwei Sommern aus dem Orkland gekrochen kamen und ihrem obersten Anführer, dem Aikar Brazoragh, in den Krieg folgten, hatten zunächst Andergast überfallen, die Gestüte von Teshkal geplündert und zuletzt in einem langwierigen Feldzug das Svelltland unterjocht. Als die Horden der Schwarzpelze in die Grenzprovinz Weiden einzufallen drohten, führte Reichsbehüter Brin persönlich die jüngst ausgehobene Orkzwingerlegion zum Nebelmoor, um zusammen mit den Rondrianern vom Orden der Wahrung zu Rhodenstein den Vormarsch der Schwarzpelze zu stoppen. Während der Abwesenheit von Reichsbehüter Brin erklärte sich der älteste Cousin von Kaiser Hal, der schon seit Jahren in Ungnade gefallene Answin von Rabenmund, zum rechtmäßigen Kaiser und besetzte den Greifenthron. Die Usurpation spaltete die Vasallen des Mittelreiches in Befürworter und Gegner der Machtergreifung Answins und lähmte das Reich. Die Provinz Horasien nutzte die Unruhen sogar, um sich vom Mittelreich loszusagen und das unabhängige Horasreich auszurufen. Die Usurpation währte ein knappes Jahr und endete mit der Verhaftung des Thronräubers durch den Reichsgroßgeheimrat Dexter Nemrod und der ihm unterstellten Kaiserlich‐Garethischen Informations‐Agentur. Während der Usurpator in den Kerkern Gareths auf sein Urteil wartete, führte Reichsbehüter Brin sein Heer bis zur Feste Nebelstein bei Greifenfurt, um dort zusammen mit den Resten der Thuranischen Legion einen Feldzug der Orks im südlichen Finsterkamm aufzuhalten. Die Orks führten im Sommer des Jahres 1012 BF jedoch drei Heerzüge unter dem Kommando des Blutmarschalls Sadrak Whassoi zu einer großen Legion zusammen, die nicht nur die Thuranische Legion aufrieb, sondern auch der Orkzwingerlegion schwere Verluste einbrachte. Die Überlebenden des kaiserlichen Heeres mussten sich nach Orkenwall zurückziehen und der Reichsbehüter verlor in diesem Zuge auch die Kontrolle über die Stadt Greifenfurt, die sich nach kurzer Belagerung den orkischen Streitkräften unterwarf. Insbesondere die Untoten in den Reihen der Orks, die angeblich von den blutrünstigen Tairachpriestern gerufen wurden, verbreiten Entsetzen und sorgten für ein schnelles Ende des Widerstands. In Orkenwall begann Reichsbehüter Brin, seine Truppen für eine Entscheidungsschlacht zu sammeln. Doch als es im Rondramond zur Schlacht bei Orkenwall kam, konnten die Kaiserlichen der dreifachen
Übermacht nur 2.000 Mann entgegenstellen und erlitten eine verheerende Niederlage. Die Mark Greifenfurt geriet unter die Kontrolle der Orks und wurde dem Kriegsfürsten Sharraz Garthai unterstellt. Während Reichsbehüter Brin über den Winter hinweg neue Truppen in Wehrheim sammelte und dort einen Gegenschlag vorbereitete, führte der Blutmarschall Sadrak Whassoi in den letzten Tagen des Winters 20.000 Schwarzpelze an den Ufern der Breite bis zum Angbarer See und marschierte von dort aus in das ungeschützte, südliche Garethien ein. Reichsbehüter Brin erkannte, dass es die Orks direkt die Kaiserstadt Gareth angreifen wollten und schickte seine Botenreiter aus, um die verbliebenen Kaiserlichen Truppen rechtzeitig in Gareth zu sammeln. Ende TSA1012 BF: In endlosen Kolonnen marschierte die Kaiserliche Armee in Gareth ein. Die Banner und Fahnen der Regimenter wehten lustig im frischen Frühlingswind, doch in den Gesichtern der Soldaten war nur strenge, disziplinierte Ausdruckslosigkeit zu erkennen. In einem Eilmarsch waren tausende Soldaten der leichten und schweren Fußtruppen aus Wehrheim angereist, um die Kaisermetropole gegen den drohenden Orkensturm zu sichern. Späher berichteten, dass die Vorhut der Orks bereits bei der Stadt Ferdok angekommen waren, diese aber bisher nicht angegriffen hatten. Welche Strecke die Orks als nächstes einschlagen würden, war nicht bekannt, doch der Reichserzmarschall Helme Haffax, Graf von Wehrheim, rechnete fest damit, dass die Schwarzpelze einen Angriff auf die Kaiserstadt Gareth planten. Während Helme Haffax das Fußvolk und den Tross in die Kasernen führte, zog Reichsbehüter Brin mit den berittenen Edlen und den Ritterzügen seiner Lehensleute in die Alte Residenz in Alt‐Gareth ein, um dort bis zum nächsten Einsatz zu ruhen. Die Heeresleitung war einhellig der Meinung, Gareths traditionelle Bürgerwehr als Plänkler gegen die Heerhaufen der Schwarzpelze einzusetzen. Und somit wurden auf Befehl von Reichsbehüter Brin drei Obristen ausgesandt, um das I., II. und III. Garether Freiwilligenregiment einzuberufen. Graf Griesbert von Bruck, ein altgedienter Rittersmann alter Schule und neu bestellter Oberst des II. Freiwilligenregiments, war wenig davon begeistert, niedere Plänkler in die Schlacht zu führen und delegierte diese Aufgabe an die ihm zugeteilten Hauptleute. Insbesondere Baronin Ira von Seewiesen und Junker Wolfmir von Kaltensporn eilten daraufhin zum Ostmarkt Gareths, um dort junge Händler, Handwerker und Abenteurer für den Dienst in der Armee zu gewinnen. Nicht wenige neue Rekruten ließen sich mit dem Versprechen von Ruhm und Ehre und einem Handgeld von 10 frisch gepressten Silbertalern an Ort und Stelle verpflichten. Und somit ertönte regelmäßig der Eidesspruch der Neuberufenen, die ihr Kreuz in den Heuerlisten der Offiziere gemacht hatten: "Ich schwöre auf den Herrn Praios und auf die Herrin Rondra, dass ich der Kaiserlichen Armee ab heute für ein Jahr und einen Tag dienen werde sowie dem Reichsbehüter Brin ein treuer Soldat und meiner Heimat ein tapferer Recke sein werde!" Die frisch vereidigten Jungsoldaten wurden daraufhin zum alten Hippodrom eskortiert, um dort kaserniert und in den Grundzügen des Soldatentums ausgebildet zu werden. Während Baronin Ira von Seewiesen das 1. Banner des II. Freiwilligenregiments kommandierte, wurde Junker Wolfmir zum Anführer des 2. Banners ernannt. Unter seinen Soldaten, die in den kommenden Tagen im Marschieren, im Säbelkampf und im Bogenschießen ausgebildet werden sollten, befanden sich einige Räuber und Mordgesellen aus den Schuldtürmen Gareths, denen durch den Dienst in der Armee eine Begnadigung für vergangene Verbrechen zugesagt wurde. Doch nicht alle Plänkler in Junker Wolfmirs Banner waren ehrlose Verbrecher. Und insbesondere für seinen eigenen Haufen hatte der Junker den schüchternen Zuckerbäckerlehrling Alwin, die grobschlächtige Hufschmiedin Mechthild, den elfischen Bogenschützen Arthilas, den zwergischen Krieger Ortax und den Rondrageweihten Rondrian von Gareth vorgesehen. Junker Wolfmir war dabei besonders froh, Rondrian als Feldkaplan gewonnen zu haben, da dieser ebenso wie Wolfmir selbst aus der nahen Baronie Kaiserlich Ochsenblut stammte und noch dazu bereits
in den drei großen Gefechten am Nebelmoor, am Nebelstein und bei Orkenwall tapfer gegen die Orks gekämpft hatte. In den kommenden Tagen wurden die Rekruten des II. Freiwilligenregiments von früh bis spät gedrillt, da eine Kampfbegegnung mit den Orks noch vor Ende des Tsamondes erwartet wurde. Da in der Kaiserstadt allerdings große Unsicherheit herrschte, ließ Reichsbehüter Brin eine Heerschau ausrichten, um die Truppenstärke des Kaiserreichs zu demonstrieren. Über 10.000 tapfere Männer und Frauen zogen in voller Kampfmontur einen Tag lang durch die Straßen von Gareth und präsentierten sich gegenüber den Bürgern mit blankgeputzten Klingen und gebürsteten Kleidern. Neben den berühmten Eliteregimentern der Adlergarde, Greifengarde und Drachengarde marschierten auch die Albernischen Axtschwinger und Langbogenschützen von Fürst Cuanu ui Bennain im Heerzug mit. Man hörte sogar, dass der Schwertkönig Raidri Conchobair sowie der oberste Weißmagier und Großmeister der Pfeile des Lichts, Saldor Foslarin, mit einer Delegation Kampfmagier an dem Heerzug teilnahm. Auf einer Tribüne in der Alten Residenz winkten die Würdenträger der Stadt den stundenlang aufmarschierenden Soldaten zu. Junker Wolfmir erkannte dort das greise Schwert der Schwerter Viburn von Hengisfort, den Boten des Lichts Jariel Praiotin, den Reichsbehüter Brin und dessen Frau Emer ni Bennain sowie die kindlichen Prinzessinnen Rohaja, Yppolita und den nur wenige Monate alten Kronprinzen Selindian Hal. Zwischen der Kaiserlichen Familie und dem Boten des Lichts stand mit strengem Gesichtsausdruck der Reichsgroßgeheimrat und Großinquisitor Dexter Nemrod, der die aufmarschierenden Heerscharen ausgiebig und nachdenklich musterte. Bereits wenige Tage nach der Heerschau trafen neue Lageberichte in Gareth ein, die alsbald in den Kasernen und Tavernen Verbreitung fanden: "Die Orks marschieren nach Grambusch, die wollen sich vom Süden anschleichen!" Helme Haffax reagierte auf diese Nachricht mit der Mobilmachung von mehreren Regimentern der leichten Reiterei, des leichten Fußvolks und der Plänkler. Diese Vorhut sollte in Grambusch Stellung beziehen und den vorrückenden Orks den Weg in die Kaisermetropole abschneiden. Das II. Freiwilligenregiment gehörte ebenfalls zu dieser Abordnung und musste unverzüglich ausrücken. Die Reise auf der Reichsstraße nach Süden zog sich über fast zwei Tage, doch kurz vor dem Dörfchen Silkwiesen kam die Vorhut ins Stocken. Die Berichte der Späher verkündeten, dass die Orks bereits bis Silkwiesen vorgedrungen waren und sich dort verschanzt hatten. Die leichte Reiterei wurde entsandt, um die Orks am Ausbau ihrer Stellung zu behindern, die Plänkler allerdings sollten ebenfalls Befestigungen errichten, um die Ankunft des nachrückenden Hauptheeres vorzubereiten und dem Vormarsch der Orks ein Ende zu setzen. Tatsächlich dauerte es fast eine Woche, bis weitere Einheiten aus Gareth und den umliegenden Regionen im Heerlager versammelt waren, welches sich entlang der Reichsstraße zwischen dem Silkbach und der Dämonenbrache erstreckte. Die Kaiserlichen konnten allerdings bestens von Gareth aus versorgt werden, so dass diese langatmige Vorbereitung vor allem dazu diente, die Orks mürbe zu machen. Am Morgen des ersten Tag des Phexmonds, dem Tag des Glücks, war es dann soweit: Auf Anraten des Reichserzmarschalls gab Reichsbehüter Brin den Befehl zum Angriff. Das II. Freiwilligenregiment rückte als erstes aus. Ihr Auftrag lautete, die vorderste Front der Orkstellung zu finden, die dortigen Gegner zu binden und den Vormarsch der schweren Pikeniere zu sichern. Kurz nach dem Auszug der Plänkler zog ein Frühlingsgewitter auf und verdunkelte den Himmel. Das Gewitter wurde aber nicht nur als wohlwollendes Zeichen der Sturmgöttin Rondra verstanden, sondern sorgte mit den kalten Regenschauern auch dafür, dass der Vormarsch der Plänkler besser vor feindlichem Beschuss geschützt war. Oberst Griesbert führte seine Plänkler auf seinem Streitross bis kurz vor die Frontlinie der Orks. Dort hielten sich die Schwarzpelze hinter wuchtigen Kriegswagen verborgen, auf denen hölzerne Palisaden
montiert waren. Die Palisadenwagen boten zwar Deckung vor feindlichen Blicken und Geschossen, doch der vom Regen schlammige Boden raubte den Belagerungsgeräten jede Mobilität, so dass diese nicht zurückweichen konnten. Als die Plänkler nur noch 20 Schritt von den feindlichen Orks entfernt waren, hielten beide Seiten die Stellung, bis die schweren Pikeniere eintrafen. Während Kampflärm vom gegenüberliegenden Silkbachufer darauf hindeutete, dass die Kaiserlichen in die Flanke der Orks eingedrungen waren, ertönte das Rückzugssignal an die Plänkler. Oberst Griesbert sah jedoch anscheinend keine Ehre darin, das schwere Fußvolk alleine gegen die Orks kämpfen zu lassen und rief seinen Hauptleuten im II. Freiwilligenregiment festentschlossen zu: "Der Rückzugsbefehl wird ignoriert! Folgt mir in die Schlacht, Soldaten, wir werden die Orks hier und jetzt bezwingen!" Hauptfrau Ira von Seewiesen, die immerhin die Stellvertreterin von Oberst Griesbert war, war über den Befehl ihres Kommandanten entsetzt. Sie wagte es aber nicht, den Befehl zu verweigern und führte ihre Truppen mit einem Kampfschrei an die vorderste Front bei den orkischen Kriegswagen. Junker Wolfmir und die übrigen Hauptleute taten es ihr gleich und lieferten sich ein kurzes Scharmützel mit den Plänklern der Schwarzpelze, welches auf beiden Seiten schnell zu schweren Verlusten führte. Oberst Griesbert selbst wurde von einem orkischen Spießträger vom Pferd gehebelt und von einem blutrünstigen Zholochai‐Krieger erschlagen. Doch zum Glück konnten die schweren Pikeniere mittlerweile die Stellung der Orks erreichen und bildeten eine schwer zu durchdringende Kampffront, so dass Ira von Seewiesen das II. Freiwilligenregiment aus dem Gefecht ziehen konnte. Während die Pikeniere die Stellung der Orks einnahmen, ließ die neue Obristin ihre Plänkler ins Hauptlager führen, damit dort deren Wunden versorgt werden konnten. Vom Mittag bis zum Abend wurden auf den Silkwiesen weitere kleine Stellungskämpfe gefochten, die aus Sicht der Kaiserlichen zwar allesamt erfolgreich verliefen, aber noch nicht zu einer Entscheidungsschlacht führten. Am Abend mussten sich die Truppen allerdings ins Hauptlager zurückziehen oder gut gesicherte, strategische Stellungen einnehmen. Die Orks konnten bekanntermaßen in der Dunkelheit der Nacht deutlich besser sehen als Menschen, so dass mit einem schweren Gegenschlag in den Nachtstunden zu rechnen war. Als die Sonne hinter den unheimlichen Wipfeln der Dämonenbrache verschwand, erreichte ein Botenreiter aus Gareth das Lager des Reichsbehüters: "Die Orks! Sie sind im Schutz der Dämonenbrache bis nach Gareth marschiert und greifen die Stadt an!" Anfang PHE 1012 BF: Zu Beginn der Abendstunden ließ die Obristin Ira von Seewiesen die Plänkler des II. Freiwilligenregiments antreten und sprach: "Tapfere Männer und Frauen, der Dienst der Plänkler wird in dieser kriegerischen Nacht erneut benötigt. Es liegt an uns, die Nacht hindurch den Waldrand zur Dämonenbrache abzulaufen und nach feindlichen Truppenbewegungen Ausschau zu halten. Im Abstand von einer Stunde soll ein jedes unserer verbliebenen sieben Banner von hier aus an der Brache entlang nach Süden marschieren. Kurz vor Silkwiesen soll dann das Schlachtfeld überquert werden. Anschließend sollen wir am Ufer des Silkbaches entlang ins Lager zurückkehren. Kleinere Einheiten des Feindes sind in Kämpfe zu verwickeln. Sobald größere Auffälligkeiten bemerkt werden, sind diese durch das Entsenden von Boten unverzüglich der Heeresleitung zu melden!" Die Hauptleute des II. Freiwilligenregiments bestätigten den Befehl salutierend und führten ihre Banner zunächst zurück zu den Lagerfeuern. Anschließend schwärmten die Plänkler aus, um entlang der düsteren Dämonenbrache zu patrouillieren. Als die Plänkler aber das Schlachtfeld im Süden erreichten, bemerkten sie mehrere feindliche Einheiten, die sich im Schutz der Dunkelheit zu einem großen Kampfverbund sammelten. Der weise Arthilas konnte mit seinen scharfen Elfenaugen besser in der Dunkelheit sehen und erkannte, dass es sich bei den feindlichen Truppen um frisch erhobene Untote handelte: Sowohl die Kadaver von Orks als auch jene der kürzlich gefallenen Menschen humpelten durch die Dunkelheit und bildeten einen mehrere Banner starken Heerwurm.
Eilig nahmen die Plänkler ihre Beine in die Hand und rannten zurück zum Hauptlager der Kaiserlichen Armee, um der Heeresleitung von den aufmarschierenden Untoten zu berichten. Reichserzmarschall Helme Haffax kannte diese Taktik aus der verlorenen Schlacht um Orkenwall. Dieses Mal war er aber besser auf den Einsatz von Untoten vorbereitet: Er befahl den Rückzug aller Truppen in der Umgebung hinter die gut befestigten und ausgeleuchteten Palisaden. Schützen wurden mit Brandpfeilen ausgestattet und kleine Signalfeuer wurden außerhalb der Palisaden entzündet, um den Feind besser sehen zu können. Die Untoten stürmten in Scharen auf die hölzernen Tore des Kaiserlichen Heerlagers zu und wurden mit den präparierten Pfeilen in Brand gesteckt. Der Ansturm der niederhöllischen Kreaturen verlor überraschend schnell an Kraft und die Untoten waren nicht in der Lage, die Befestigungen der Kaiserlichen zu durchbrechen. Überraschend wandten sich die Untoten wie auf ein geheimes Zeichen hin von den Kaiserlichen Truppen ab und schlurften zurück in die Dunkelheit im Süden. Reichsbehüter Brin mochte die feindlichen Truppen aber nicht entkommen lassen und sammelte acht Schwadronen leichter und schwerer Reiterei zusammen, die mit Fackeln und Reitersäbeln ausritten, um das Untoten‐Regiment niederzustrecken. Die verbliebenen Fußsoldaten wurden erneut entsandt, um die Umgebung abzusichern. Die Plänkler hingegen sollten die gefallenen Untoten vor den Palisadenwällen enthaupten und auf Scheiterhaufen verbrennen. Dem Elfen Arthilas fiel dabei auf, dass jeder der gefallenen Untoten jeweils einen großen, fremdartigen Knochensplitter im Schädel trug. Grobschlächtige Zauberrunen waren in diese Knochensplitter eingraviert. Arthilas brachte einige der Knochensplitter zum obersten Weißmagier Saldor Foslarin, der diese im Zelt der Heeresleitung präsentierte und als Zauberwerk der orkischen Schamanen identifizierte: "Vermutlich sind in diese Knochensplitter Dämonen gebunden, die die Untoten mit Leben erfüllen..." mutmaßte der Weißmagier. Dann jedoch hielt er plötzlich mitten im Satz inne und sprach erschrocken: "Der Reichsbehüter... sie sind von Feinden umringt... schnell nach Süden!" Saldor Foslarin berichtete Helme Haffax panisch, dass der Reichsbehüter Brin mit seiner Reiterei in eine Falle der Orks gelaufen war: "Mein Adjutant hat mir eine magische Botschaft gesandt. Die Untoten haben die Kaiserlichen Reiter in einen befestigten Spießwall gelockt. Orkische Speerträger haben die Kavallerie in die Zange genommen! Die Zeit drängt!" Helme Haffax schickte seine Boten zu den Stallungen, damit jedes noch verfügbare Pferd gesattelt und zur Südpforte des Lagers gebracht wird. Der Reichserzmarschall selbst hetzte zu den Lagerfeuern der Plänkler und rief: "Prinz Brin ist in Gefahr! Ein jeder, der reiten kann, soll jetzt sofort ein Streitross nehmen und mir folgen!" Viele tapfere Heldinnen und Helden unter den Plänklern folgten dem Aufruf und ritten mit Helme Haffax in die Schlacht. Die spontan ausgehobene Reiterei war bei weitem nicht so gut eingespielt wie eine reguläre Kavallerie‐Einheit, doch in der Stunde der Not musste ein jeder seinen Beitrag leisten. Die berittenen Plänkler trafen kurz hinter dem Lager der Kaiserlichen auf zwei Banner orkischer Speerträger und durchbrachen mit Mühe, Blut und Schweiß deren Reihen. Anschließend sahen sie in etwa einer Meile Entfernung ein großflächiges und geisterhaftes Leuchten. Als die Reiter näher kamen, erkannten diese, dass das Leuchten von unzähligen Irrlichtern erzeugt wurde, die Reichsbehüter Brins Kavallerie wie ein übernatürlicher Mückenschwarm umkreisten. Brins acht Schwadronen waren bereits stark dezimiert worden, orkische Speerträger, Plänkler, Bogenschützen und auch einige Streitoger hatten die Kaiserlichen in die Zange genommen und in schwere Gefechte verwickelt, aus denen es keine Rückzugsmöglichkeiten gab. Unter der Führung von Helme Haffax brachen die berittenen Plänkler wie ein Donnerkeil in die feindlichen Reihen ein. Das anschließende Gefecht war blutig und verlustreich und zu den bereits am Boden liegenden Leichnamen der bisher gefallenen Kavalleristen gesellten sich die Leiber unzähliger
Pferde und Plänkler. Doch die Einmischung der Plänkler brachte die Stellung der gegnerischen Truppen gehörig durcheinander und trug dazu bei, dass der Reichsbehüter mit seinen verbliebenen Getreuen aus der Zangenlage entkommen konnte. Die berittenen Plänkler und die verbliebenen Kavalleristen konnten nach Norden zum schweren Fußvolk der Kaiserlichen Garderegimenter sowie zu drei Schwadronen der berüchtigten Darpatischen Ritter aufschließen. Die Kaiserlichen Truppen formierten sich erneut und holten zum Gegenschlag aus, der bis zum Morgengrauen andauerte. Am Vormittag des kommenden Tages wurde die Schlacht auf den Silkwiesen entschieden: Frisch angekommene Almadanische Landsknechte konnten vom Süden her den orkischen Tross angreifen und nahmen dadurch den Schwarzpelzen jede Rückzugsmöglichkeit. Die Kaiserlichen Truppen im Norden rückten weiter vor und befreiten letztlich das Dorf Silkwiesen aus den Klauen der Orks. Die verbliebenen Truppen der Schwarzpelze lösten sich auf und flohen nach Osten in Richtung Raschtulswall. Am Abend des 2. PHE 1012 BF wurde der Sieg über die Orks auf den Silkwiesen verkündet. Die Truppen beobachteten noch einige Tage die Region und zogen anschließend zurück nach Gareth, um sich dort von den Gefechten zu erholen und sich für den nächsten Militärschlag vorzubereiten. Die Heldinnen und Helden der Schlacht wurden wenige Tage später in Gareth von Reichsbehüter Brin mit der Kaiser‐Raul‐Schwertspange für ihre herausragende Tapferkeit zu Felde ausgezeichnet. Zu den geehrten Recken gehörten auch der tapfere Rondrian von Gareth, der sich einem Streitoger gestellt hatte, sowie die heldenhafte Hufschmiedin Mechthild Klotzenplotz, die unter Einsatz ihres Lebens ihren zwergischen, schwerverletzten Kameraden Ortax aus den Reihen der Feinde gezogen und eigenhändig ins Lazarett geschleppt hatte. Ebenso wurden an diesem Tag die Namen der ca. 3.000 gefallenen Soldatinnen und Soldaten verlesen. Ritter Wolfmir seufzte anerkennend, als der Name von Alwin Zuckerbeck verlesen wurde. Mitte PHE 1012 BF: Die Schlacht auf den Silkwiesen lag nun schon fast zwei Wochen zurück, die meisten Truppenverbände der Schwarzpelze im zentralen Mittelreich waren mittlerweile aufgespürt und vernichtet worden. Es gab jedoch mehrere Gerüchte, dass demnächst in einer großen Frühjahrsoffensive die besetzten Ländereien in der Mark Greifenfurt und im Herzogtum Weiden befreit werden sollten. Und so trainierten auch die Plänkler des II. Freiwilligenregiments weiter im Hippodrom zu Gareth, um ihr Kampfgeschick für die kommenden Schlachten zu verbessern. Ritter Wolfmir von Kaltensporn erhielt in dieser Zeit überraschend Besuch vom Inquisitionsrat Answulf Praiordan Nethelheimer. Der Inquisitionsrat nahm den Ritter beiseite und sprach: "Hört mich an, Ritter Wolfmir. Ich wurde vom Großinquisitor Dexter Nemrod persönlich ausgeschickt, um aus den Reihen der Plänkler ein Kommando aus besonders tapferen, aber auch fähigen Helden zusammenzustellen, die auf eine wichtige, kriegsentscheidende Mission in die Mark Greifenfurt entsandt werden sollen. Nicht mehr als sechs sollen es sein." Ritter Wolfmir war geehrt, dass der Großinquisitor eine Spezialeinheit aus seinen Reihen anforderte, und ließ seine Truppen antreten. Er selbst wollte Teil des Kommandos sein und wählte aus den anwesenden Plänklern den Feldkaplan Rondrian, den Zwergenkrieger Ortax, den Elfenheiler Arthilas sowie die tapfere Mechthild aus. Als letztes Mitglied der Mission wurde ein unscheinbarer Plänkler namens Kapo ausgewählt, da dieser wohl aus Greifenfurt stammte und sich in der Mark auskannte. Inquisitionsrat Answulf führte die Auserwählten zum Inquisitionsturm in der nahegelegenen Stadt des Lichts, damit der Großinquisitor Dexter Nemrod das Kommando persönlich in Augenschein nehmen konnte. Im Inquisitionsturm trafen Wolfmirs Männer auf den Weißmagier Darian von Rabenmund, der wohl ebenfalls für die Mission angefordert worden war und diese magisch unterstützen sollte. Die Anwesenden stellten sich gegenseitig kurz vor und spekulierten, welche wichtige Mission ihnen wohl aufgetragen werden würde.
Dexter Nemrod traf nach etwa einer Stunde ein. Er musterte die Missionsanwärter ausgiebig, fragte diese nach ihren Namen und ihren Fähigkeiten und befahl anschließend in majestätischem Tonfall: "Meine Entscheidung ist gefallen. Sie sollen es sein, die für die Operation Greifenschlag in die Mark geschickt werden. Sie sollen sich in der Rüstkammer der KGIA für die Operation vorbereiten und dann nach Wehrheim reisen, um dort geheimes Kriegsmaterial von Inquisitionsrat Delian von Wiedbrück in Empfang zu nehmen. Das Kriegsmaterial muss anschließend durch die Reihen der Feinde nach Greifenfurt geschmuggelt werden. Es wird benötigt, um die Befreiung der Stadt Greifenfurt vorzubereiten. Inquisitionsrat Answulf soll die Operation leiten, Ritter Wolfmir soll die Befugnisse eines Agenten der KGIA erhalten und die Operation adjustieren." Der Großinquisitor händigte Answulf ein kurzes Anweisungsschreiben aus und schickte diesen dann mit Darian und Ritter Wolfmirs Plänklern zur Rüstkammer der Kaiserlich Garethischen Informations‐Agentur. Die Gefährten wurden dort von der Rüstmeisterin Gelda von Stippwitz ausgiebig gemustert. Sie las sich das Anweisungsschreiben des Großinquisitors durch und sprach: "Hier steht, dass ich Euch die Ausrüstung gewöhnlicher Söldner übergeben soll. Eine mögliche Durchsuchung und Beschlagnahme durch den Feind wird erwartet und muss im Sinne der Operation erduldet werden." Gemäß den Anweisungen des Großinquisitors ließen die Recken ihre guten, standesgemäßen Kleider, Rüstungen und Waffen in der Rüstkammer einlagern und erhielten stattdessen stinkende Lederrüstungen, gebrauchte Knüppel und rostige Säbel. Gelda von Stippwitz stellte den Plänklern außerdem einige Pferde bereit. Sie übergab Wolfmir einen Türkisring, damit er sich gegenüber Reichstreuen als Mitglied der KGIA ausweisen konnte. Answulf hingegen erhielt einen Stapel Briefe, den er in Wehrheim an Delian von Wiedbrück überreichen sollte. Die Gruppe brach am nächsten Morgen mit den Pferden nach Norden auf und erreichte nach zwei Nächten die Reichsstadt Wehrheim. Die Stadt war vor allem für die vielen stationierten Truppen, die Kadettenakademie und der Kanzlei für Kriegswesen bekannt, in der der Reichserzmarschall residierte. Answulf kannte sich in Wehrheim aus und führte die Gefährten direkt zu Delian von Wiedbrück, der den Reisenden ein Abendmahl sowie ein Schlafgemach im Inquisitionsturm anbot. Während die Recken mit den Wächtern des Inquisitionsturms speisten und anschließend Wein und Bier genossen, las Delian von Wiedbrück die an ihn übergebenen Briefe aus Gareth durch. In den Abendstunden rief er Answulf zu sich, führte ihn in das oberste Stockwerk des Inquisitionsturms und sprach. "Hier ist das geheime Kriegsmaterial gelagert, welches Ihr nach Greifenfurt bringen sollt." Als Delian die Tür des Stockwerks öffnete, erklang das Flattern und Gurren von über einhundert Tauben. Delian ergänzte ernst: "Drei Dutzend Wehrheimer Brieftauben müsst Ihr an den Orks vorbei nach Greifenfurt schmuggeln!" Answulf hatte sich eine andere Art von Kriegsmaterial vorgestellt und musterte nachdenklich die Weidenkäfige, in denen die Brieftauben üblicherweise transportiert wurden. Die beiden Inquisitionsräte gingen wieder nach unten in die gesellige Stube und schmiedeten Pläne bei Wein und Bier. Delian berichtete zunächst, was er über die Strecke nach Greifenfurt wusste: "Bis zum Dergelufer ist alles fest in der Hand der Kaiserlichen. Auf der anderen Seite liegt die Stadt Eslamsroden, die im vergangenen Sommer von den Orks eingenommen und geplündert wurde. Die geschleifte Stadt wird aktuell von Handwerkern wieder aufgebaut und von den verbliebenen Soldaten des Greifenfurter Regiments bewacht. Obristin Trullane von Wertlingen hält die Stadt, bei ihr solltet Ihr euch melden. Hinter Eslamsroden liegen dann die Ruinen von Orkenwall und dahinter befindet sich schon Greifenfurt, welches noch immer in der Hand der Orks ist. Der Anführer der Orks in dieser Region heißt Sharraz Garthai. Der Großinquisitor erwähnt in seinem Schreiben, dass Ihr im Rahmen der Operation Greifenschlag die Tauben zum Inquisitionsrat Marcian in Greifenfurt bringen sollt. Marcian leitet eine im geheimen operierende Untergrundorganisation, die einen Aufstand zur Befreiung der Stadt vorbereiten
soll. Um mit ihm in Kontakt zu treten, sollt Ihr das Bordell Fuchshöhle in Greifenfurt aufsuchen. Fragt den Besitzer nach einem Mann, der gut zu Euren Vögeln ist. Das sind die Kontaktworte für die Übergabe der Brieftauben. Marcian wird Euch dann weitere Anweisungen geben. Zu Beginn eines jeden Götternamens soll Marcian einen Lagebericht mit einer Taube nach Wehrheim schicken." Delian überlegte kurz und sprach dann: "Eine Sache muss ich noch mit Euch besprechen. Ich kenne Marcian nicht so gut, ich habe aber von mehreren Quellen gehört, dass er die Prinzipien des Herrn Praios regelmäßig überstrapaziert und dann seine Taten vertuscht. Solltet Ihr Beweise dafür finden oder Zeuge dafür sein, dass Inquisitionsrat Marcian die Grenze zum Frevel an der göttlichen Ordnung überschreitet, müsst Ihr Eure Aufgabe als Inquisitor wahrnehmen: Marcian muss dann aus seinen Dienstpflichten entbunden und bis zu einem ordentlichen Prozess festgehalten werden. Der Prozess kann natürlich warten, bis der Krieg gegen die Orks geschlagen ist. Im Zweifel müsst Ihr das Kommando übernehmen." Am nächsten Morgen fassten die Plänkler den Plan, sich als Händler aus dem Norden mit entsprechender Bedeckung auszugeben, um mit dieser Tarnung die wertvolle Ware an den Orks vorbei zu schmuggeln: Mit Hilfe der Kaiserlichen Kriegswerkstätten zu Wehrheim wurde ein Munitionswagen zu einem Handelswagen mit einem geheimen Unterbodenfach umgebaut. In dem Unterbodenfach wurden die Taubenkäfige eingelagert. Der Handelswagen an sich wurde mit Bierfässern, Schnapskrügen und gackernden Hühnern bestückt. Answulf war klar, dass diese Tarnung sehr riskant war. Zwar war weithin bekannt, dass die Schwarzpelze Händlern gegenüber wohlgesonnen waren, sofern diese interessante Waren in die besetzten Gebiete lieferten. Doch wer konnte schon ahnen, was im Kopf eines Orks vor sich ging? Ende PHE 1012 BF: In den frühen Morgenstunden verließen die Gefährten mit dem umgebauten Munitionswagen die Stadt Wehrheim und fuhren auf der Reichsstraße nach Westen. Ortax und Ritter Wolfmir verkleideten sich als fahrende Händler und lenkten den Wagen, der mit Bier, Schnaps und Geflügel beladen war. Answulf, Rondrian, Arthilas, Mechthild, Darian und der alte Kapo hingegen gaben sich als einfache Söldner aus und nutzten die Reisezeit nach Eslamsroden, um sich auf ihre Tarnidentitäten vorzubereiten. Die Gefährten lernten sich in dieser Zeit auch untereinander näher kennen und freundeten sich trotz der Standesunterschiede miteinander an. Zwei Tage später reichten die Reisenden die Kleinstadt Eslamsroden. Der Ort war im vergangenen Herbst von den Orks eingenommen, geschliffen und geplündert worden, mittlerweile befand sich die Stadt aber wieder in der Hand der Greifenfurter Grenzreiter, die unter dem Kommando der stiernackigen Obristin Trullane von Wertlingen standen. Die Gefährten hielten ihre Tarnung als reisende Händler zunächst aufrecht, doch die märkischen Soldaten hatten kaum Verständnis dafür, dass der Handelszug weiter nach Westen in das besetzte Greifenfurt ziehen wollte, da die Truppen vor Ort ein großes Interesse an den aufgeladenen Waren hatten. Bevor die Soldaten sich die Handelswaren mit Gewalt nehmen konnten, offenbarten sich Wolfmir und Answulf gegenüber der Obristin Trullane als Abgesandte des Mittelreichs in geheimer Mission und baten die Kommandantin um Unterstützung. Die Obristin glaubte den beiden und berichtete von der Lage in Eslamsroden: "Der Aufbau der Wehranlagen geht schleppend voran, da noch immer regelmäßig Schnee fällt. Von orkischen Aktivitäten gibt es in letzter Zeit kaum zu berichten, das Land weiter im Westen wird allerdings von orkischen Grenzpatrouillen bewacht. Wir sind stark genug besetzt, um die Stadt gegen kleinere Truppenverbände zu sichern, einem großen Orkensturm können wir aber nicht standhalten. Seit Wochen warten wir auf Verstärkung aus Wehrheim oder Gareth. Wisst Ihr denn etwa, wann das Reichsheer endlich zu uns kommt, damit wir die Mark von den stinkenden Orks befreien können?"
Die Gefährten konnten zwar von der glorreichen Schlacht auf den Silkwiesen und einer geplanten Frühjahrsoffensive berichten, zu genaueren Details der Truppenbewegungen konnte aber niemand etwas sagen. Nach einer erholsamen Nacht in Eslamsroden reisten die Freunde weiter nach Westen in die orkisch besetzte Mark. Die Orks nannten dieses Gebiet Winsh Thamak, welches von den Einheimischen zu Finstermark verballhornt wurde, die Hauptstadt Greifenfurt selbst wurde von den Schwarzpelzen Saljeth genannt. Etwa zur Mittagszeit bemerkten die Reisenden eine Schwadron orkischer Grenzreiter, die rasch zu den Gefährten aufschloss und diese umkreisten. Rondrian begrüßte den Anführer der Reiter mit gebrochenem Orkisch und reichte ihm einen Krug Schnaps als Tribut und Geste der Unterwerfung. Der Anführer, der sich Unterhäuptling Oxbrull von den Zholochai nannte, war angetan davon, dass die Glatthäute seine Sprache sprachen und fragte die Reisegruppe, woher sie kamen und wohin sie ziehen wollten, während gleichzeitig einige Untergebene den Wagen der Gefährten inspizierten und dreist ein Fass Bier öffneten. Rondrian erzählte dem Orkanführer seine Geschichte im gebrochenen Orkisch: "Wir kommen von Hartweide von Tobrien. Wir sind Händler, äh, Oloch. Wir handeln mit Greif..., äh, Saljeth. Wir bringen Körnerbier und Feuerwasser und Hühner." "Ihr Ergoch, wer euer Maruk?", fragte der Unterhäuptling nach und wollte somit wissen, welchem orkischen Anführer die Recken unterstellt waren. "Ai Maruk?!", antwortete Rondrian vorsichtig und gab damit zu, dass sie keinen orkischen Meister über sich hatten. Oxbrull musterte die Menschlinge, die nervös vor ihm versammelt waren, dann schlug er sich lachend auf die Brust und verkündete lautstark: "Ihr jetzt meine Ergoch. Ich euer Maruk. Ihr bringen Körnerbier und Feuerwasser und Geflügel nach Saljeth zu mein Ergoch: Ugdalf in Haus von Roter Stier. Er euch geben Geld. Wenn andere Okwach fragen nach euer Tribut, ihr sagen gehört Okwach Oxbrull. Wenn andere Okwach wollen euer Tribut, ihr sagen: Ai Tribut, sonst kriegen Okwach auf die Fresse von Oxbrull!" Rondrian nickte und bestätigte, dass er die Waren für Oxbrull zu Ugdalf bringen würde. Die Orks ritten nach Osten davon, die Recken hingegen zogen weiter nach Westen und erreichten gegen Abend die Ruinen von Orkenwall. Hier waren noch immer die Spuren der vergangenen Schlacht zu erkennen und eine Atmosphäre des Todes und der Vernichtung war allgegenwärtig an diesem verlassenen Ort zu spüren. Am kommenden Tag führte die Reichsstraße durch ein kleines Wäldchen, welches in früheren Zeiten von den örtlichen Adeligen als Jagdgebiet genutzt wurde. Die Gefährten entdeckten hier die Reste einer orkischen Handelskarawane: Auf einem noch immer brennenden Handelskarren schmorten die Kadaver von vier Orks, die anscheinend noch gelebt hatten, als das Feuer entzündet worden war. Eine zweite Handelskarre wurde genutzt, um zwei armseligen Orks im Rahmen einer brutalen Folter die Eingeweide aus dem Leib zu ziehen. Von den geladenen Handelswaren und den Zugtieren war nichts zu sehen, stattdessen konnte man aber Spuren erkennen, die in das Unterholz des Waldes führten. "Wer auch immer das getan hat, wollte wohl eine grausame Botschaft verkünden..." kommentierte Darian das Massaker und schlug vor, eilig den Schauplatz des Geschehens zu verlassen. Am frühen Nachmittag erreichten die Gefährten die Stadt Greifenfurt, die direkt an Westufer der breiten, aber wasserarmen Breite lag. Die acht Schritt hohen Stadtmauern waren offensichtlich nach wie vor im besten Zustand, die Orkkrieger auf den Wehrgängen deuteten aber darauf hin, dass die Stadt noch immer in der Hand der Schwarzpelze war. Ortax lenkte den Handelskarren mit leichter Nervosität direkt auf das östliche Schanzentor zu, wo bereits mehrere Orkwächter auf die Reisenden warteten. Die Orkwächter erkundigten sich bei den Glatthäuten im rauen Tonfall , was sie in die Stadt führte, und durchsuchten dabei gründlich den Handelskarren und auch die Gefährten selbst nach Schmuggelware.
Rondrian erklärte den Orks, dass sie unter dem Schutz von Unterhäuptling Oxbrull standen und dass die Lebensmittel zu Ugdalf ins Haus des Roten Stiers gebracht werden mussten. Die Orkwachen grunzten spöttisch und wollten die Waren zunächst beschlagnahmen, um sie als Tribut zu Oberhäuptling Sharraz Garthai in die Flussgarnison zu bringen. Rondrian konnte dies jedoch nicht zulassen und drohte, dass Oxbrull ihnen "auf die Fresse" geben würde, wenn die Lebensmittel nicht zu Ugdalf kommen. Der Tonfall der Orks wurde plötzlich deutlich freundlicher und diese machten sich sofort daran, den Handelswagen bis zur Schankstube "Roter Stier" zu eskortieren. Der Inhaber der Schankstube hieß tatsächlich Ugdalf und war ein einheimischer Schankwirt, der sich wohl mit den Besatzern arrangiert hatte und diesen regelmäßig Bier, Schnaps und Wein ausschenkte. Ugdalf freute sich über die menschlichen Händler und zahlte Ortax eine angemessene Summe an Münzen für die Getränke und das Geflügel. Er bot den Gefährten sogar eine Übernachtungsmöglichkeit in seinem Obergeschoss an und ergänzte: "Die Okwach sind beim Saufen zwar nicht die leisesten Kunden, aber zumindest werden unsere Freunde von dem Alkohol eher friedlich als gewalttätig." Wolfmir nahm das Angebot von Ugdalf an, damit die Orks keinen Grund hatten, die Gruppe wieder aus der Stadt zu eskortieren. Er erkundigte sich bei Ugdalf nach der allgemeinen Stimmung in der Stadt und fragte dann auch beiläufig nach dem Bordell Fuchshöhle, da die Gefährten dort heimlich Kontakt zum Inquisitor Marcian aufnehmen wollten. Ugdalf führte die Gefährten auf die Straße und erklärte verständnisvoll: "Die warmen Schenkel der Freudenmädchen sind auch meiner Meinung nach bestens geeignet, um die Strapazen einer so langen Reise zu verwinden. Seht ihr dort vorne den Turm am Kanal? Der gehörte einst zur historischen Stadtmauer und ist jetzt das Wohnquartier unseres neuen Henkers. Einen ähnlichen Turm gibt es auf der anderen Seite des Sonnenhügels. Ihr umrundet den Sonnenhügel am besten gleich da vorne und dann dürftet ihr den anderen Turm sehen. Da drinnen ist dann auch die Fuchshöhle. Beeilt euch aber. Sobald es dunkel ist, dürfen wir Glatthäute nicht mehr auf der Straße sein." Da Answulf einen spöttischen Tonfall in Ugdalfs Stimme bei der Erwähnung des Henkers bemerkte, fragte er nach, was es mit dem neuen Henker auf sich hatte. Ugdalf antwortete: "Zerwas heißt der Bursche. Er ist wohl ein Landadeliger aus Almada oder Al'Anfa oder so. Er ist mitten im Winter in die Stadt eingereist, als die Orks hier bereits das sagen hatten. Hat den alten, verlassenen Turm gekauft und wohnt jetzt in der Bruchbude. Angeblich hat er sehr viel Geld mitgebracht und ist ein Ergoch von Oberhäuptling Sharraz Garthai." Answulf dankte Ugdalf für die Wegbeschreibung. Während Kapo und Mechthild beim Ausladen des Handelskarrens halfen und den Schlafsaal im Obergeschoss bezogen, wanderten Rondrian, Wolfmir, Answulf, Darian, Ortax und Arthilas durch die Stadt zum Bordell Fuchshöhle. Dort angekommen, mussten die Gefährten erst einige Zeit warten, bevor der Inhaber des Bordells, ein windiger Zuhälter namens Lancorian, die Gäste empfing. Lancorian bediente in letzter Zeit wohl vor allem die Kundenwünsche der Schwarzpelze und war überrascht, eine komplette Reisegruppe in seinem Bordell empfangen zu können. Als der sichtlich überarbeitete Lancorian die Gefährten fragte, welche Begehrlichkeiten es zu erfüllen gab, zeigte ihm Answulf seinen Bernsteinring und erwiderte anzüglich: "Wir suchen nach einem Mann, der gut zu unseren Vögeln ist." Lancorians Gesichtszüge erstarrten. Er führte die Gefährten diskret in seine Privatgemächer im Obergeschoss des Turms, vergewisserte sich, dass niemand lauschte und erwiderte dann: "Ich kenne den Mann, den Ihr sucht. Er hat als einer der wenigen den letzten Aufstand gegen die Orkbesatzer überlebt,
wird aber jetzt von den Schwarzpelzen in der ganzen Stadt gesucht. Ich kann Euch nicht zu ihm bringen, ich kann ihm aber eine Nachricht von Euch ausrichten lassen." Answulf nickte und sprach: "Wir sind im Roten Stier bei Ugdalf untergebracht, unser gemeinsamer Freund kann uns dort aufsuchen." Lancorian schüttelte den Kopf und erwiderte entsetzt: "Der Ugdalf ist ein Ergoch der Orks, geht bloß weg von dort! Wenn Ihr eine sichere Unterkunft braucht, kann ich Euch den Gasthof Brohm empfehlen. Der befindet sich zwischen der ehemaligen Rondraburg im Süden und dem Sonnenhügel im Stadtkern. Dort übernachten die Fernhändler, die mit der Familie Brohm Handelsbeziehungen unterhalten. Orks sollten dort keine sein." Answulf dankte Lancorian für die Informationen und bestätigte, dass die Gefährten beim Gasthof Brohm auf den gemeinsamen Freund warten würden. Dieser nickte ebenfalls und gab den Recken noch eine Warnung mit auf den Weg: "Seid vorsichtig, wem Ihr Euch offenbart. Nicht jeder hier leidet unter der Herrschaft der Schwarzpelze und die Orks verstehen es, Kollaborateure und Verräter reich zu belohnen!" Die Gefährten bedankten sich bei Lancorian noch einmal für die Unterstützung und eilten dann in Richtung Südtor, um den Gasthof Brohm zu finden. Die Tore des Gasthofs waren zunächst verschlossen, doch nach mehrmaligem Klopfen öffnete eine Frau mittleren Alters, die sich als Rosina Brohm vorstellte. Wolfmir gab sich auch ihr gegenüber als reisender Händler aus und konnte Rosina dazu überreden, das Gasthaus, welches eigentlich mangels Kundschaft geschlossen war, für Wolfmirs Gefolgsleute zu öffnen. Rondrian eilte daraufhin mit Arthilas zum Roten Stier, um dort Mechthild, Kapo und den Handelskarren abzuholen, in dem noch immer die Brieftauben aus Wehrheim versteckt waren. Dem verwunderten Ugdalf erzählte Rondrian, dass die Händler ihre Geschäfte in der Stadt bereits erledigen konnten und noch am selben Tag abreisen wollten. Zurück im Gasthof Brohm bereitete Rosina derweil eine magere Zwiebelsuppe als Abendmahl vor. Ihr deutlich jüngerer Ehegatte war mittlerweile ebenfalls dazu gekommen und stellte sich vor: "Ich bin Gernot, der Inhaber dieses Gasthofes, meine Frau Rosi habt ihr ja schon kennengelernt. Ich habe gehört, dass Ihr zum Handeln in der Stadt seid? Mein Vater Glombo Brohm ist ein berühmter Handelsmagnat, von dem Ihr bestimmt schon gehört habt. Er hat viel Einfluss in der Stadt und war zu besseren Zeiten Mitglied des Magistrats. Wegen der Orkkrise hat er momentan aber viel Zeit und wäre bestimmt nicht abgeneigt, mit Euch über zukünftige Geschäfte zu sprechen." Answulf stimmte zu, dass ein Gespräch mit dem ehemaligen Magistrat gewinnbringend wäre. Gernot nickte freudig und ergänzte: "Wegen der Ausgangssperre können wir aber erst am nächsten Morgen aufbrechen, Ihr könnt aber im Schlafsaal nächtigen." Die Gefährten ließen den Tag in der Schankstube ausklingen und konnten unter anderem erfahren, dass Gernots älterer Bruder vor dem Orkkrieg mit Rosina verheiratet war, die Schlacht um Orkenwall aber nicht überlebt hatte. Gernot ergänzte mit einem Seufzen: "Ich war zu dieser Zeit in der Bürgerwehr von Greifenfurt. Unser Kommandant, der alte Leumann, hat die Stadt aber kampflos den Orks überlassen. Die Orks haben es ihm gedankt, indem sie ihn an die Tore des Praiostempels genagelt haben. Die meisten Angehörigen der Bürgerwehr sind aber versklavt worden und müssen Hilfsdienste für die neuen Herren der Stadt ableisten. Ich wurde noch vor dem Winter frei gelassen, dafür hat anscheinend mein Vater gesorgt. Meine ehemaligen Kameraden hatten weniger Glück: Sie mussten zunächst den Praiostempel einreißen und Stück für Stück abtragen. Und auch heute noch müssen sie die große Grube auf dem Sonnenhügel ausheben, wo einst der Tempel stand. Den Gerüchten zu Folge ist den Schwarzpelzen ihr blutiger Totengott Tairach erschienen und hat ihnen befohlen, unter dem Praiostempel von Greifenfurt nach einem Schatz zu graben." Am nächsten Morgen wollten Ortax, Arthilas, Wolfmir und Rondrian nach einem kargen Frühstück zusammen mit Gernot zum alten Brohm aufbrechen. Doch als sie gerade den Gastsaal verlassen wollten,
wurde Ortax von einem der Knechte angesprochen: "Die Tauben in Euren Karren habe ich an die frische Luft gebracht, habt Ihr auch Futter für die mageren Viecher?". Rondrian war völlig aufgebracht, dass die Brieftauben entdeckt worden waren und bat alle Anwesenden darum, nichts von den Tauben zu erzählen, da die Orks sie sonst verspeisen würden. Rosina bot daraufhin an, die Tauben auf dem Dachboden des Gasthofs unterzubringen. Gernot machte sich wohl seine eigenen Gedanken beim Anblick der Tauben, schlug dann aber weiterhin vor, den alten Glombo aufzusuchen. Die Gefährten folgten Gernot zu seinem Vater, der auf dem Sonnenhügel am anderen Ende der Straße residierte. Hier konnte man auch die große Grube auf dem Greifenplatz sehen, welche von den versklavten Bürgern ausgehoben wurde. Glombos Stadtvilla lag ebenfalls am Greifenplatz und war nach wie vor mit prächtigen Möbeln und Kunstgegenständen ausgestattet. Die Gefährten warteten zunächst auf den Herren des Hauses, der sich wohl im Vorfeld mit seinem Sohn beraten wollte, und wurden dann nüchtern vom alten Glombo empfangen. Der wohlbeleibte Magnat klagte zunächst über die fürchterlichen Zustände in der Stadt, erkundigte sich dann bei Ortax nach dessen üblichen Handelswegen und schlug anschließend folgendes Geschäft vor: "Die meisten Handelswaren aus Greifenfurt, Waffen, Werkzeuge und Lebensmittel, dürfen nicht aus der Stadt gebracht werden. Die Orks würde solche Waren sofort beschlagnahmen. An unserem guten Greifenfurter Filz sind die pelzigen Orks aber nicht interessiert, da sie dessen Wert verkennen. Der Filz lässt sich aber gut in Angbar verkaufen, welches Ihr in etwa einer Woche erreichen könnt, wenn Ihr am Ufer der Breite nach Süden reist." Ortax begutachtete den Filz und kaufte vier Kisten des Stoffes, die von den Tagelöhnern des Magnaten später am Tag direkt zum Gasthof geliefert werden sollten. Nachdem das Geschäft besiegelt war, gingen die Gefährten zusammen mit Gernot zurück zum Gasthof und wurden dort von einem unglaublich schmutzigen Bettler angesprochen, der um eine milde Gabe bat. Gernot erkannte den Bettler wohl, führte ihn schnell in die Gaststube und schloss die Tür. Dann sprach er empört in die Runde: "Geschmuggelte Brieftauben, Adelige, die so tun als wären sie niedere Söldner, und dann auch noch ein falscher Bettler, der ein gesuchter Inquisitor ist. Ich weiß noch nicht genau, was hier vor sich geht, aber ich bin nicht erfreut, dass Ihr Eure Verschwörung in meiner Gaststube abhaltet, meine Herren!" Answulfs Gefährten und der vermeintliche Bettler musterten sich gegenseitig in aller Ruhe, dann ergriff der Bettler das Wort: "Ich bin der Mann, der gut zu Euren Vögeln ist." Answulf nickte und übergab dem Bettler ein Bündel Briefe, wie es ihm vom Großinquisitor aufgetragen worden war. Der Bettler nickte dankend und bat Gernot dann, der Runde einen Krug Most zu spendieren. Der angebliche Bettler setzte sich an ein Fenster und studierte die Briefe ausgiebig, dann wandte er sich an Answulf: "Mein Name ist Avesius Marcian, ich bin der Kommandant des Widerstands des besetzten Greifenfurts. Laut diesen Briefen soll ich von Euch Brieftauben aus Wehrheim in Empfang nehmen und Euch wiederum Brieftauben aus Greifenfurt überlassen." Answulf stellte sich und seine Gefährten ebenfalls vor und deutete an, dass sich die Wehrheimer Brieftauben im Dachspeicher des Gasthauses befanden. Marcian nickte anerkennend und sprach: "Ich denke, die Tauben sollten dort oben in Sicherheit sein. Ich selbst kann Euch keine Brieftauben aus Greifenfurt überlassen, die wurden von den Orks im vergangenen Winter allesamt verschlungen. Gemäß diesen Briefen soll ich die baldige Befreiung der Stadt durch die Kaiserlichen vorbereiten, die wohl in wenigen Wochen hier eintreffen werden." Answulf, Rondrian und Wolfmir erkundigten sich, in wie weit die Befreiung der Stadt vorbereitet werden konnte und wie aussichtsreich eine Revolte wohl sein würde, und Marcian antwortete: "Eigentlich sollten
genügend waffenfähige Bürger in Greifenfurt da sein, um die Orks in einem gut koordinierten Aufstand aus der Stadt zu werfen. Aktuell sind auch gar nicht so viele Orks in der Stadt. Das würde sich aber ändern, wenn das Reichsheer auf die Mark zu marschiert. Dann wimmelt es hier bestimmt von Schwarzpelzen. Die Verteidigungsanlagen der Stadt sind bestens im Schuss, so dass das Reichsheer wohl nur nach längerer Belagerung in die Stadt eindringen könnte. Besser scheint mir, die Kontrolle über Greifenfurt zu erringen, bevor das Reichsheer eintrifft. Das schaffe ich aber nur, wenn mir vertrauenswürdige und mutige Recken zur Seite stehen, die keine Angst vor den Schwarzpelzen haben." Answulf, Darian und die Plänkler von Wolfmir zögerten nicht lange und boten ihre Unterstützung an. Auch Gernot und seine Frau Rosina stimmten zu: "Dieses Gasthaus soll unser Hauptquartier sein, lasst uns diese Stadt zurückerobern!" Marcian dämpfte die aufsteigende Euphorie mit harten Worten: "Glaubt ja nicht, dass das ein Kinderspiel ist. Ich habe im Hesindemond schon einmal einen Aufstand organisieren wollen, aber ein Verräter aus den eigenen Reihen hat die Schwarzpelze alarmiert. Die haben uns dann bei unserem geheimen Treffen überrascht und viele meiner Waffenbrüder erschlagen. Ich selbst kann mich auch nicht jedem offenbaren, auf meinen Kopf ist ein saftiges Kopfgeld ausgesetzt. Wir brauchen wirklich einen guten Plan, um hier erfolgreich zu sein." Marcian nahm sich nun selbst einen Becher Apfelmost und erklärte: "Ich habe eine Verbündete in der Flussgarnison. Sie kommt sehr nahe an Sharraz Garthai heran und kann uns mitteilen, welche Truppenbewegungen die Schwarzpelze in der Finstermark planen. Um die Kontrolle über die Stadt zu übernehmen, müssen auf jeden Fall die Rondraburg, die Norrnfeste und die Schanze eingenommen werden. Die Orks in der Flussgarnison können wir dann in eine Belagerung zwingen. Dafür brauchen wir aber ausreichend Kämpfer, die dann auch koordiniert zuschlagen können. Die ehemaligen Soldaten der Bürgerwehr in den Barracken am Sonnenhügel scheinen mir dafür geeignet zu sein. Ebenso soll es in den Wäldern außerhalb der Stadt eine Gruppe von Freischärlerinnen geben, die von der Amazone Lysandra angeführt werden. Angeblich hat der Abt des Norrnklosters im Norden Kontakt zu Lysandra. Wir brauchen unbedingt auch Waffen. Der Schmied Darrag stellt angeblich Klingen für die Orks her, vielleicht kann man ihm einige dieser Waffen abnehmen? Weitere Verbündete könnten der Henker Zerwas Wilmaan, der Alchemist Promos von Hylailos, der Hundezüchter Derlo und Bruder Gordonius vom Therbûniten‐Hospital sein. Wir müssten aber erst einmal herausfinden, ob diese Leute vertrauenswürdig sind. Mein Freund Lancorian von der Fuchshöhle wird uns bestimmt helfen, ich kenne ihn schon sehr lange und vertraue ihm. Habe ich schon erwähnt, dass er ein abtrünniger Illusionsmagier ist?" Anfang PER 1012 BF: Marcian nahm das Angebot von Gernot und Rosina an, den Gasthof Brohm als Hauptquartier des Widerstands zu nutzen, und verließ das Gebäude, um seine Habe aus seinem bisherigen Versteck zu holen. Während Mechthild, Darian und Wolfmir das Gasthaus bewachten, erkundigte sich Kapo in der Stadt nach Neuigkeiten. Answulf, Rondrian, Ortax und Arthilas hingegen besuchten den Schmiedemeister Darrag, der angeblich für die Schwarzpelze Waffen herstellte und eine Schmiede am Ostrand des Stadthains betrieb. Als die Gefährten sich der Schmiede näherten, bemerkten sie drei Orks, die den Schmiedemeister offensichtlich drangsalierten. Schnell stellte sich heraus, dass die aggressiven Schwarzpelze mit der herausragend miesen Qualität der Waffen unzufrieden waren, die anscheinend aus Darrags Schmiede stammten, und kurz davor waren, den Familienvater zu verprügeln. Rondrian und seine Freunde mischten sich ein und behaupteten: "Oxbrull uns schicken, wir sollen den Schmied mit Faust bezahlen für krumme Schwerter!"
Die Orks glaubten Rondrian und als dieser den winselnden Schmied in das Haus zerrte, um ihn dort zu verprügeln, folgten ihm die drei Schwarzpelze johlend in die gute Stube. Rondrian schubste Darrag in eine Ecke und holte dann zum Schlag aus. Doch statt dem Schmiedemeister die Nase zu brechen, drehte er sich einem der überraschten Orks zu und trat diesem mit voller Wucht ins Gesicht. Ortax und Answulf stürmten daraufhin ebenfalls mit ihren Knüppeln in die Stube und halfen Rondrian dabei, die drei Schwarzpelze zu erschlagen. Die unvorbereiteten Orks konnten gegen die drei erfahrenen Krieger nicht lange bestehen und starben in ihrem eigenen Blut. Der Schmiedemeister und dessen Frau und Kinder schrien vor Angst, doch als sich die Lage allmählich beruhigte, stammelte Darrag weinend: "Was habt ihr getan? Die Orks werden bestimmt bald kommen und meine Familie umbringen, um dieses Blutbad zu rächen!" Rondrian entgegnete: "Wir sind hier, um die Stadt von den Orks zu befreien. Helft uns bei unserem Aufstand und die Orks werden euch nie mehr behelligen." Darrag ließ sich von Rondrians flammender Rede überzeugen und die beiden besprachen zusammen mit Answulf, in wie weit Darrag den Aufstand unterstützen konnte. Darrag erklärte: "Ich kann etwa 20 Handwerksmeister und deren Gesellen in unserem Viertel organisieren. Ihr müsst mir nur rechtzeitig ein Signal geben und dann werden wir mit in die Schlacht ziehen. Ich weiß außerdem, wo in der Stadt noch Waffen versteckt sind. Das Versteck ist gut gesichert, es lässt sich aber vermutlich nicht öffnen, ohne die Orks zu alarmieren. Wir müssen in diesem Fall also sehr schnell und koordiniert vorgehen." Während die Pläne zum Aufstand weiter reiften, zerkleinerten Ortax und Arthilas die drei Orkleichen und packten die Leichenteile in zwei große Gurkenfässer. Anschließend putzen sie zusammen mit Darrags Frau den Boden, damit von dem Blutbad keine Spuren mehr zu sehen waren. Darrag schlug vor, die Leichenteile zu seinem Freund Derlo zu bringen, der diese an seine Jagdhunde verfüttern könnte. Rondrian und die anderen stimmten dem zu und begleiteten den Schmiedemeister. Der wortkarge Derlo, der auf der anderen Seite des Stadthains wohnte, ließ sich von Darrag die Situation erklären und war bereit, die Orkkadaver diskret zu entsorgen. Da bis zum Einbruch der Nacht noch Zeit war, eilten Rondrian und seine Gefährten weiter zum Laden des Alchemisten Promos von Hylailos. Die Gefährten klopften an die Tür, doch die überaus hässliche Tochter des Alchemisten wollte die Recken offensichtlich nicht hinein lassen und verkündete barsch: "Wir haben geschlossen!" Answulf bemerkte aber, dass die junge Frau etwas zu verbergen hatte. Er ließ sich deshalb auch nicht abwimmeln, sondern verschaffte sich stattdessen gewaltsam Zugang zum Laden. Die junge Frau schrie daraufhin um Hilfe und wenig später kam ihr überraschend alter Vater aus einer Nebenkammer in den Ladenraum geeilt, um nach dem Rechten zu sehen. Der Alchemist versuchte die Eindringlinge zu beruhigen und schien Answulf und dessen Gefährten für einen Schlägertrupp zu halten, der von den Elfenbergs geschickt wurde. Rondrian bekräftigte diesen Eindruck und konnte dem Alchemisten entlocken, dass dieser sich eigentlich auf die Herstellung von Dünger spezialisiert hatte und regelmäßig für die Elfenbergs arbeitete. Seit dem Hesindemond wollten die Elfenbergs aber, dass er eine Seuche gegen die Orks züchtete. Fast schon besessen ergänzte er: "Ich brauchte nur noch einen lebenden Ork, um die Wirkung der Krankheit auszutesten. Könnt Ihr mir einen solchen besorgen?" In Answulfs Ohren klang dieser Plan nach einem schweren Frevel gegen die Gebote der Herrin Peraine und er beschwor den Alchemisten, von diesen dunklen Plänen abzulassen. Promos ließ sich von Answulf tatsächlich ein schlechtes Gewissen einreden, doch er verweigerte dennoch jede Kooperation. Answulf ergriff deshalb erneut die Initiative und brach in das Kellerlabor des Alchemisten ein, um dort alle Aufzeichnungen über die Seuche sowie ein schweres Buch mit dem Titel "Von den Siechen der Geschichte" zu konfiszieren. Er fand im Kellerlabor auch mehrere Käfige voller Kaninchen, die meisten der Tiere waren allerdings tot. Answulf packte die toten Kaninchen in einen Sack und kehrte zu seinen Freunden zurück, die im Laden auf den Alchemisten und dessen Tochter aufgepasst hatten.
Da die Dunkelheit bald einbrach, schlug Answulf vor, die toten Kaninchen zum nahegelegenen Hospital der Therbûniten zu bringen, damit die Ordensschwestern einen perainegefälligen Segen über die toten Kaninchen sprechen und diese somit von allen Krankheitsdämonen reinigen konnten. Die wachhabende Ordensschwester nahmen die Kaninchen entgegen, kam mit den Gefährten ins Gespräch und erzählte mit entspanntem Tonfall: "Der Herrin Peraine sei Dank. Im Moment gibt es weder besonders schwere Krankheiten noch besonders viele Verwundete zu versorgen. Wir haben hier nur die Beschwerden einiger schwangerer Frauen, die über ziehende Schmerzen im Unterleib und einem großen Heißhunger auf blutiges, rohes Fleisch klagen. Das lässt sich aber mit einem entspannenden Zwölfblatttee leicht beheben." Answulf fragte weiter nach und konnte dabei herausfinden, dass das Hospital über genügend Personal und Vorräte verfügte, um die Verletzten einer größeren Schlacht zu versorgen. Die Ordensfrau betonte allerdings, dass die Herrin Peraine alle Lebewesen gleichermaßen liebt und deshalb auch den Orks eine medizinische Behandlung nicht verweigert werden würde. "Dies ist wohl auch der Grund, warum die Schwarzpelze uns und unsere Brüder und Schwestern in den Peraineklostern bisher verschont hatten. Wir sind die einzige Glaubensgemeinschaft, die von den Schwarzpelzen nicht aktiv bekämpft wird." Kurz vor Einbruch der Dunkelheit trafen sich alle Verschwörer wieder im Gasthaus der Brohms. Marcian konnte berichten, dass ein Großteil der Orks in etwa einer Woche für einen Tag ausreiten würde, um die Tribute der Dörfer und Klöster im Umland einzutreiben. Bis dahin wollte Marcian mehrere Rädelsführer mobilisieren, die auf entsprechende Signale hin strategisch wichtige Stellung in Greifenfurt angreifen würden. Rondrian meldete sich daraufhin sofort als Rädelsführer für den Angriff auf die südlich gelegene Rondraburg. Marcian nickte anerkennend, hatte aber noch große Schwierigkeiten mit der Koordination: "Wir müssen, wenn es so weit ist, die Rädelsführer koordiniert informieren, damit der Aufstand erfolgreich sein kann. Ich dachte dabei an eines großes Illusionssignal meines Freundes Lancorian, welches er an den Himmel zaubern könnte, doch das würde die Orks ebenfalls alarmieren." Arthilas mischte sich daraufhin ein: "Mit meiner Elfenmagie kann ich einem jeden Rädelsführer in der Stadt eine Gedankenbotschaft senden. Ich muss die Rädelsführer dazu aber vorher treffen und ihre Aura in mich aufnehmen." Marcian glaubte dem Elfen zunächst nicht, doch als dieser ihm ein Gedankenbild als Beweis sandte, keimte in Marcian eine niederhöllische Freude auf: "Das ist ja wunderbar! Die Orks werden nicht ahnen, was sie erwartet!". Und etwas ernster ergänzte er: "Ich werde morgen weitere Rädelsführer aufsuchen und mich darum kümmern, dass wir uns alle an einem geheimen Ort treffen können, um den Aufstand gemeinsam durchzusprechen. Ihr solltet morgen zum Norrnkloster im Norden gehen und versuchen, mit den Freischärlerinnen der Amazone Kontakt aufzunehmen und um Unterstützung zu bitten." Answulf, Rondrian, Mechthild, Ortax und Arthilas packten am nächsten Tag die Filzwaren auf den Handelskarren und fuhren mit diesem zum Norrntor. Gegenüber den Orks an der Wache gab sich Rondrian als Händler aus, der im Auftrag von Oxbrull die nutzlosen Filzballen im nördlich gelegenen Hundsgrab gegen Alkohol tauschen sollte. Der Wagen der Gefährten wurde zwar kurz durchsucht, doch diese wurden nicht weiter aufgehalten und konnten die Stadt verlassen. Die Recken reisten etwa zwei Stunden auf der Straße nach Norden und konnten dann das Norrnkloster erkennen, welches über einen holprigen Weg erreicht werden konnte. Das Wehrkloster war offensichtlich nicht von den Orks geplündert worden und die perainegefälligen Klosterbewohner kümmerten sich fleißig um die Bestellung der Felder. Ortax lenkte den Wagen in den Innenhof des Klosters, wo der Abt, der sich als Bruder Perainhard vorstellte, die fremden Händler begrüßte. Die Gefährten fragten recht unverhohlen, ob die Klosterbrüder die Freischärlerinnen von Lysandra kannten oder gar wussten, wo sich ihr Lager befand, doch der Abt schüttelte nur verwundert den Kopf und sprach: "Von einer Amazone namens Lysandra ist mir nichts bekannt und es käme mir auch nicht in den Sinn, die kriegerischen Machenschaften von
Freischärlerinnen zu unterstützen. Wir sind ein friedfertiger Orden der alle Geschöpfe der Herrin Peraine achtet und sich aus weltlichem Schlachtgetümmel heraushält. Aber wir wären bereit, euch euren wunderbaren Filz abzukaufen. Im Gegenzug können wir euch einige Kisten von unserem köstlichen Knoblauchschnaps anbieten. Die Schwarzpelze mögen weder Zwiebeln noch Knoblauch und auch dieser Schnaps scheint ihnen nicht zu munden. Sie wollen ihn jedenfalls nicht als Tribut annehmen." Ortax war sehr dafür, den Filz gegen den Schnaps einzutauschen und handelte mit dem Abt ein Tauschgeschäft aus. Nachdem die Waren umgeladen waren, überlegten die Gefährten, was sie nun tun konnten. "Wir sollten den jenen Ort auf der Reichsstraße im Osten aufsuchen, wo der Handelszug der Orks überfallen worden war. Vielleicht finden wir dort Hinweise auf die Freischärlerinnen?", schlug Rondrian vor. Ortax nickte und lenkte den Wagen zunächst wieder in Richtung Greifenfurt und bog dann auf einen Trampelpfad ab, der zur Reichsstraße und dem dortigen Waldgebiet führte. Am Nachmittag erreichten die Gefährten den Schauplatz des Überfalls. Die Orkleichen waren beseitigt worden, die beiden kaputten Handelskarren lagen am Straßenrand. Ortax und Arthilas suchten die nahe Umgebung nach Spuren ab und konnten mehrere Hufabdrücke finden, aus denen sich aber keine eindeutige Fährte ablesen ließ. Answulf hörte plötzlich das Donnern von Hufen und wies die Gruppe hastig an, sich beim Wagen zu sammeln. Von Osten her näherte sich eine Schwadron Orkreiter, deren Anführer den Gefährten wohlbekannt war: Unterhäuptling Oxbrull. Der mächtige Orkführer erkannte auch die Blankhäute wieder, die er zu seinen Ergoch gemacht hatte, und fragte: "Ihr gebracht Feuerwasser zu Ugdalf, gut gut. Was ihr jetzt haben in Karren?" Rondrian erzählte wahrheitsgemäß, dass seine Gefährten mehrere Krüge voller Knoblauchschnaps erstanden hatten. Diese Nachricht schien Oxbrull aber nicht zu erfreuen. Er nahm sich trotzdem einen Krug, um das Gesöff zu probieren, spuckte den Knoblauchschnaps sofort wieder aus, warf den Krug zu Boden und schrie wütend: "Schmecken immer noch wie Orksch! Ist nur gut für schwache Glatthäute. Du gehen weg von hier und handeln Ekelwasser gegen richtig Feuerwasser!" Rondrian nickte zustimmend und bestätigte: "Ja, Meister, wir bringen Ekelschnaps nach Tobrien." Die Orks zogen zum Glück weiter in Richtung Greifenfurt und behelligten die Gefährten nicht weiter. Die Freunde überlegten, was sie nun tun konnten, und beschlossen, den Wald systematisch nach den Freischärlern abzusuchen. Sie brachten den Wagen ins Unterholz und tarnten diesen mit frischem Laub. Die Pferde wurden abgespannt und an der Hand mitgeführt. Ortax gab die Richtung vor und geleitete die Gefährten entlang von Wildwechseln durch das Unterholz des Forstes. Die Freunde hielten immer wieder Ausschau nach Spuren von menschlichen Waldbewohnern, konnten aber nichts entdecken. Einzig Arthilas war zufrieden, da er regelmäßig Felder voller Zwölfblattfarn entdeckte und die wertvolle Heilpflanze aberntete. Am Abend schlugen die Gefährten an einem Bachlauf ein Nachtlager auf und wurden in der kommenden Nacht von einem hungrigen Rudel Wölfe überfallen. Die Wölfe konnten Mechthild und eines der beiden Pferde schwer verletzen, konnten aber anschließend schnell erschlagen werden. Die Freunde ließen sich von diesem Angriff nicht entmutigen und suchten auch am kommenden Tag weiter den Wald ab. Als sie gegen Mittag den Nordrand des Waldes absuchten, trafen sie unerwartet auf eine Jägerin, die misstrauisch Abstand von den Gefährten hielt und ihren Bogen gespannt hatte. Die Jägerin gehörte offensichtlich zu den Freischärlerinnen und nannte sich Robine. Rondrian und Answulf kamen mit der Jägerin vorsichtig ins Gespräch und forderten Robine auf, von ihr zu Lysandra begleitet zu werden. Die Jägerin spuckte allerdings nur vor Abscheu auf den Boden und rief: "Einen Dämon werd' ich tun, stinkendes Männerpack." Rondrian fühlte sich in seiner Ehre beleidigt und predigte, dass die Orks aus Greifenfurt nur mit gegenseitiger Unterstützung aus diesem Land vertrieben werden konnten. Er ergänzte selbstgerecht: "Ich gehe davon aus, dass Eure Lysandra noch weiterhin den Gesetzen der Herrin Rondra folgt. Falls Lysandra daran Zweifel hat, dem Ruf der Göttin zu folgen und mit mir gemeinsam in die Schlacht zu ziehen, so will ich ihr den rechten Weg weisen. Viel mehr noch fordere ich sie zu einem heiligen Duell:
Sollte ich obsiegen, so soll mir Lysandra in die Schlacht folgen. Sollte sie obsiegen, so unterwerfe ich mich ihrer Weisung." Robine, die wohl wenig von rondrianischen Duellen verstand, glotzte Rondrian ungläubig an und rief: "Dir hat doch ein Ork ins Gehirn geschissen!". Ohne eine Reaktion abzuwarten, wandte sie sich von den Gefährten ab und eilte im Schutz des Unterholzes davon. Die Gefährten überlegten kurz, ob sie Robine verfolgen wollten, hielten dies aber für nicht zielführend. Stattdessen durchsuchten die Freunde weiter den Wald nach den Freischärlerinnen. Gegen Abend mussten die Freunde erneut ein Lager aufschlagen und zogen am Folgetag wieder in Richtung Straße. Nach vielen weiteren Stunden erfolgloser Suche schlussfolgerte Ortax griesgrämig: "In diesem Teil des Waldes sind sie wohl nicht." Die Gefährten erreichten die Reichsstraße am Nachmittag und suchten wieder die Stelle auf, an der sie vor zwei vollen Tagen ihren Wagen versteckt hatten. Leider war das tarnende Laub mittlerweile eingetrocknet und der Wagen mitsamt seiner Ladung gestohlen worden. Aus den Spuren konnte man lesen, dass der Wagen bis zur Straße gebracht wurde, dort verlor sich aber die Fährte der Diebe. Ortax verfluchte die Diebe, die seinen Alkohol gestohlen hatten, und Answulf murmelte entsetzt: "Bei Praios, ich hatte die Seuchenschriftstücke des Alchimisten im Geheimfach des Karrens versteckt. Hoffentlich gelangen diese nicht in die falschen Hände!" Anfang PER 1012 BF: Ortax untersuchte die Spuren in der Nähe des gestohlenen Handelskarrens und schlussfolgerte auf Grund der Radabdrücke, dass dieser wohl am Vortag in Richtung Greifenfurt gebracht worden war. Arthilas schickte daraufhin ein telepathisches Gedankenbild an Wolfmir und Marcian und berichtete, dass die Freischärlerinnen noch nicht entdeckt worden waren. Er bat außerdem Wolfmir darum, nach dem Handelskarren und den dort versteckten Dokumenten zur Orkseuche Ausschau zu halten. Ortax war sich außerdem mittlerweile ziemlich sicher, dass die Freischärlerinnen nicht im östlichen Wald zu finden waren und schlug vor, noch einmal zum Norrnkloster zu gehen, um das Waldgebiet im Norden zu durchsuchen. Die Reisenden erreichten das Kloster am frühen Nachmittag und folgten einem der von Holzfällern und Pilzsuchern angelegten Waldpfade ins Unterholz. Nach etwa einer Stunde hörte Arthilas Kampflärm und kurz darauf stolperte den Gefährten ein ängstlicher Holzfäller entgegen, der sich anschließend mit einem panischen Schrei in die nahen Büsche warf. Answulf folgte dem jungen Mann, packte ihn am Kragen und fragte nach, was vor sich ging. "Wir werden von Mörderfrauen überfallen. Sie schlachten unsere Orkmeister ab!", stammelte der Holzfäller und Answulf befahl: "Bring uns da sofort hin!". Der Holzfäller folgte dem Befehl und führte die Freunde zu einer Lichtung in der Nähe des Waldpfades, auf der sich etwa ein Dutzend Orks mit etwa gleich vielen menschlichen Kämpferinnen ein Gefecht auf Leben und Tod lieferten. Einige weitere Holzfäller kämpften dabei Seite an Seite mit den Freischärlerinnen, wurden aber von den Schwarzpelzen schwer bedrängt. Rondrian befahl seinen Waffenbrüdern, ebenfalls gegen die Orks anzukämpfen, und gemeinsam gelang es den Recken, Holzfällern und Freischärlerinnen, die Schwarzpelze bis auf den letzten Ork zu erschlagen. Von den menschlichen Streitern waren zwar viele verletzt und mussten medizinisch versorgt werden, doch Todesfälle waren nicht zu beklagen. Die Anführerin der Freischärlerinnen stellte sich den Gefährten als Lysandra von Yeshinna vor. Sie trug die Rüstung einer Amazone, schien aber keinen Respekt für die Gebote der Herrin Rondra zu haben, und zeigte ihren tiefen Hass auf die Schwarzpelze bei jeder Gelegenheit. Rondrian missfiel insbesondere, dass die gefallene Amazone jenem Ork in den Rücken gefallen war, mit dem sich der Feldkaplan im vergangenen Gefecht ehrenvoll duelliert hatte. Lysandra wiederum bedankte sich auch nicht für die Unterstützung und machte klar, dass sie und ihre Freischärlerinnen nicht auf die Hilfe dahergelaufener Männer angewiesen waren. Answulf versuchte die kaltherzige Lysandra davon zu überzeugen, die Bürger der Stadt Greifenfurt bei der geplanten Befreiung zu unterstützen, doch diese lehnte ab: "Die Stadt zu befreien ist schwer genug, diese dann aber zu halten, bis das kaiserliche Heer sich hierher geschleppt hat, ist unmöglich. Lieber
schlachten wir die Orks in Wald und Wiesen, als uns in diese Todesfalle innerhalb der Stadtmauern zu begeben." Glücklicherweise mischte sich Lysandras jugendliche Geliebte, eine Rondra‐Novizin namens Leogard, in die Verhandlungen ein und konnte zusammen mit Answulf die Amazone davon überzeugen, die Befreiung mit einem Scheinangriff auf das Norrntor zu unterstützen. "Unser elfischer Freund Arthilas wird Euch eine telepathische Botschaft senden, sobald wir Eure Angriffskraft brauchen", erläuterte Answulf. Die Amazone entgegnete: "Nun gut, wenn ihr in den Tod laufen wollt, will ich euch nicht hindern. Wir werden zwei Tage benötigen, um unsere Banner zu sammeln, und uns anschließend hier in der Nähe des Klosterwalds positionieren. Wir werden Euer Signal erwarten und zum Norrntor marschieren und dort Präsenz zeigen. Sobald aber die kommende Vollmondnacht ohne eine Nachricht von Euch verstrichen ist, werden wir wieder gehen." Die Freischärlerinnen wollten sich mit ihren verletzten Waffenschwestern in das dichte Unterholz der Wälder zurückziehen. Einige Holzfällerinnen durften sich ihnen anschließen, die männlichen Holzfäller waren aber nicht erwünscht. Rondrian war noch immer schlecht auf die Amazone zu sprechen und hielt die Gruppe an, zusammen mit den Holzfällern zurück nach Greifenfurt zu gehen. Etwa eine Stunde vor Sonnenuntergang erreichten sie die Stadt und konnten das halbe Dutzend Holzfäller mit einem grunzenden "das da Sklaven für Oxbrull" an den orkischen Stadtwachen vorbei schleusen und zum Gasthof der Brohms führen. Sie trafen in der Gaststube auf Marcian, Gernot und Rosina sowie auf Wolfmir, Darian und Kapo, die sich allesamt über die Rückkehr der Gefährten freuten. Bei Marcian saßen außerdem zwei recht abgemagerte Männer, die eifrig eine Schüssel Zwiebelsuppe leerten. Marcian erklärte, dass es sich bei den beiden um ehemalige Offiziere der Stadtwache handelte, die heimlich aus dem Sklavenlager bei der Grube befreit werden konnten und die Mobilisierung der Grubenarbeiter unterstützen würden. Während Answulf von der Vereinbarung mit Lysandra berichtete, brachte Rosina die frisch rekrutierten Holzfäller in einem der Schlafsäle des Gasthauses unter. Bei einem Becher Wein in den Abendstunden erklärte Wolfmir seinen Freunden, welche Pläne er zusammen mit Marcian, Kapo und Darian in den vergangenen Tagen geschmiedet hatte: "Wir werden uns in den kommenden Morgenstunden mit einigen Rädelsführern in einem Lagerhaus treffen, um die Befreiungspläne durchzusprechen. Der erste Angriff soll zur Mittagszeit in knapp drei Tagen geschlagen werden. Das erste Ziel ist dabei das Haus der Kapitäne, in dem angeblich noch einige Waffen versteckt sind. Dieses Haus der Kapitäne ist in der Nähe der Grube und des Sklavenlagers. Wir können also parallel die Grubensklaven befreien und mit Waffen ausstatten. Zusammen mit den Rädelsführern sollte es uns dann gelingen, die strategisch wichtigen Standorte der Stadt zu besetzen und die Orks zu vertreiben. Wir haben bereits das Lagerhaus gesichert, das Haus der Kapitäne und die Sklavenbarracken ausgekundschaftet und die günstigsten Laufwege zu den einzelnen Festungen ausgemacht. Die beiden Grubenarbeiter dort hinten sind Reo und Emeran, sie werden morgen auch bei dem Treffen mit dabei sein und später die befreiten Sklaven anführen. Wir konnten sie heimlich hierher holen, indem wir zunächst Gernots Vetter Alrik in die Sklavenbarracken eingeschleust haben. Der kennt die Sklaven persönlich und hat diese vermutlich bereits in die kommenden Pläne eingeweiht. Darian hat die Orks mit einem Zaubertrick abgelenkt und Kapo und ich haben Reo und Emeran heimlich in die Freiheit geführt. Feiner Kerl, dieser Alrik. Er tut mir aber auch ein bisschen leid: Er wird jetzt wohl gerade in der Grube sitzen und Steine schlagen." Wolfmir wandte sich außerdem an Arthilas: "Deine Gedankenbotschaft hat mich heute Morgen erreicht, mein elfischer Freund. Kapo konnte den gestohlenen Wagen tatsächlich vor wenigen Stunden beim Schankwirt Ugdalf ausfindig machen. Anscheinend hat Oxbrull den Wagen entdeckt und in die Stadt bringen lassen. Wir wollten den Wagen wieder einfordern, aber das hat nicht geklappt: Oxbrull selbst war im Roten Stier und hat klar gemacht, dass der Wagen jetzt Ugdalf gehört." Kapo ergänzte hustend und schniefend: "Hab mir das vorhin noch mal näher angeschaut. Irgendwelche Papiere und ein Buch in
'nem Leinenbeutel waren da aber nicht mehr in dem Wagen drin. Die hat wohl jetzt jemand anderes." Die Gefährten gingen früh zu Bett und schlichen sich am kommenden Tag nach und nach zum Lagerhaus ins Fischerviertel, um das Treffen der Rädelsführer abzusichern. Die Rädelsführer kamen auch nacheinander zum Lagerhaus und als alle versammelt waren, begrüßte Marcian jeden von ihnen persönlich. Überraschend für Wolfmir und Darian war, dass der Henker Zerwas ebenfalls bei dem Treffen anwesend war, obwohl er nicht als Rädelsführer eingeplant war. Beide waren dem südländischen Henker in den vergangenen Tagen mehrmals begegnet, da dieser ebenfalls erstaunlich oft in der Nähe des Hauses der Kapitäne herum spazierte. Darian sprach Zerwas an und fragte, wer ihn zu diesem Treffen geladen hatte. Der Südländer mit dem gepflegten Schnurbart und den geölten Haaren antwortete mit blumigen Worten: "Der alte Glombo Brohm hat mir gezwitschert, dass der Widerstand der Stadt hier zusammen kommen wird. Ich selbst bin noch nicht lange in dieser erstaunlich abgeschiedenen Region und mag auch kaum jemanden kennen. Ich bin aber ein erfahrener Schwertkämpfer und möchte dabei helfen, die Orks zu Boron zu schicken." Darian hatte das Gefühl, dass Zerwas mehr war, als er vorzugeben schien und fragte ganz offen, ob man sich nach dem Treffen zu einer Tasse Tee zusammensetzen könnte, um über weitere Details zu sprechen. Zerwas stimmte dem zu: "Ihr könnt auch gerne eure Freunde mitbringen, ich habe einen hervorragenden Ongalo‐Hochland‐Tee anzubieten. Ich habe gehört, dass ihr Handelsbeziehungen nach Tobrien pflegt. Ich bin immer an neuen Handelsbeziehungen interessiert." Mittlerweile hatte Marcian das Wort an alle Anwesenden gerichtet und verkündete den großen Plan zur Befreiung der Stadt: "Werte Freunde, tapfere Streiter. Unsere Informantin in der Flussgarnison konnte berichten, dass die Orks am Tag vor dem Vollmond, also in zwei Tagen, in die umliegenden Dörfer ausreiten werden, um die Tribute einzufordern. Sie werden zwar bis zum Abend zurückkehren, doch die Stadt wird deutlich weniger Feinde an diesem Tag beherbergen. Es ist an uns, diesen Tag zu nutzen, um Greifenfurt im Namen des Herrn Praios zurückzuerobern. Wir werden zu Mittag mit dem Aufstand starten: Die Filzarbeiter werden sich in der Nähe des Norrntors sammeln und sich bereit machen, die Norrnfeste anzugreifen. Wir rechnen außerdem damit, dass die Freischärlerinnen von Lysandra einen Angriff auf das Norrntor unternehmen werden, um die Orks unter Druck zu setzen. Darrag und die Handwerker der Neustadt sollen derweil die Schanze belagern und bei Gelegenheit sogar erobern. Ähnliches gilt für die Bauerngarde von Timon Elfenberg, die die Rondraburg im Süden angreifen soll. Die Fischer und Holzfäller sollen sich am Hafen positionieren und dafür sorgen, dass die Orks, die sich in der Flussgarnison befinden, nicht in die Stadt ausrücken können. Die Flussgarnison selbst ist zu gut gesichert für einen Angriff, wir kümmern uns später um diese. Meine Kämpfer und die Händler in der Innenstadt werden mit mir am Sonnenhügel positioniert sein und die Grubenarbeiter befreien. Das Haus der Kapitäne wird außerdem unser Hauptquartier während dieses Tages sein. Alle Meldungen sollen dorthin übermittelt werden. Mit den Grubenarbeitern werden wir von dort aus einen Haupttross bilden, der die Befestigungen der Stadt aufsuchen wird und die verbliebenen Orks erschlagen wird. Bei der Koordination wird uns der Elf Arthilas mit seinen telepathischen Kräften behilflich sein. Er wird euch Rädelsführern gedanklich die Signale zum Angriff übermitteln. Sobald die Stadt in unserer Hand ist, müssen wir nur noch wenige Tage ausharren, bis das Kaiserliche Heer einmarschiert. Ich habe bereits eine Brieftaube nach Wehrheim entsandt, um die kaiserlichen Truppen zu mobilisieren." Die Rädelsführer hatten noch einige Fragen zu den Details des Plans, insgesamt schienen aber alle überzeugt und willig zu sein, die Befreiung der Stadt zu riskieren. Nach dem Treffen begleiteten Wolfmir, Answulf und Darian den Henker Zerwas zu dessen Wohnturm, um dort mit ihm bei einer Tasse Tee über die Lage der Stadt und neue Handelskontakte zu sprechen. Eigentlich wollten die drei ihn aber ausspionieren, da der Südländer erst seit wenigen Wochen in Greifenfurt wohnte und trotz orkischer Besatzung munter seinen undurchsichtigen Geschäften nachging. Zerwas servierte seinen Gästen zunächst eine Flasche Knoblauchschnaps, den er wohl von Ugdalf erstanden hatte, und reichte
anschließend den Tee. Sein Wohnturm war frisch renoviert und mit geschmackvollen Möbeln bestückt worden, die offenbar aus der Manufaktur der Brohms stammten. Zerwas war sehr redselig und erzählte, dass er aus dem Grandenhaus Wilmaan aus Al'Anfa stammte, wegen einiger Differenzen mit dem Patriarchen aber nach Greifenfurt in den alten Henkersturm gezogen war. Der Turm gehörte wohl einst seinem Urgroßonkel. Mit einem Lächeln erläuterte er: "Die Orks haben diese Stadt nicht mehr lange in ihren Klauen, doch bis dahin kann man gute Geschäfte mit Ländereien und Immobilien machen, und beides finde ich verlockend. Sobald wir die Schwarzpelze vertrieben haben, plane ich eine Pelzzucht zu etablieren. Ich werde hier wohl auch als Henker meinen Dienst tun, wie es meine Vorfahren taten. Ich bin ein Virtuose mit dem Richtschwert und sehr geschickt darin, Männer und Frauen zu unserem Herrn Boron zu schicken." Answulf bemerkte einen silbernen Ring mit einem speziellen Rabensymbol am Ringfinger des neuen Henkers und hatte das Gefühl, dieses Symbol schon einmal gesehen zu haben. Konnte es sein, dass Zerwas ein Mitglied der Hand Borons war, die als die gefährlichste Meuchlergilde des ganzen Kontinents verrufen war? Anfang PER 1012 BF: Nach dem Gespräch mit dem Henker Zerwas bereiteten sich die Recken auf die bevorstehende Schlacht vor. Der Angriff auf die Orks sollte ursprünglich am 9. Tag des Perainemonds stattfinden, da die Orks an diesem Tag ausreiten wollten, um im Umland Greifenfurts Tribute einzufordern. Doch die Orks entschieden sich wohl auf Grund des schlechter werdenden Wetters dafür, bereits einen Tag früher auszureiten. Kapo bemerkte glücklicherweise die abziehenden Orks bei seinem morgendlichen Stadtrundgang und eilte sofort zum Gasthof Brohm, um seine Mitverschwörer zu alarmieren. Marcian, der den Vormittag wohl bei seinem Freund Lancorian in der Fuchshöhle verbracht hatte, stieß nach kurzer Zeit ebenfalls zu den Gefährten und sprach: "Die Orks sind einen Tag zu früh dran. Das könnte unsere Befreiungspläne zwar gefährden, ich sehe aber keine Alternative. als den sofortigen Angriff. Mein Freund Arthilas, bitte hilf mir mit deinen Zauberkräften, die Rädelsführer zu alarmieren. Wir werden zuschlagen, wenn die Mittagssonne im Zenit steht. Unser erstes Ziel wird das Haus der Kapitäne sein. Der Besitzer des Hauses, Goswin Klöppelbeck, hat im Keller wohl einige Waffen versteckt, die wir für die Rückeroberung der Stadt brauchen werden. Anschließend befreien wir die Grubensklaven und bewaffnen diese." Die Recken eilten daraufhin zum Haus der Kapitäne und spionierten die Umgebung aus: Tatsächlich befanden sich deutlich weniger Orks in der Stadt. Im Haus der Kapitäne befanden sich sogar nur zwei Schwarzpelze, die Barracken der Grubensklaven und die Grube selbst aber waren von jeweils einem guten Dutzend Orks bewacht. Neben den Korogai‐Orks, die in etwa die Kampferfahrung und Ausrüstung von Straßenräubern hatten, befanden sich in den beiden Lagern aber auch mehrere Zholochai, die nicht nur für ihre Kampferfahrung und Brutalität bekannt waren, sondern auch schwere Rüstungen trugen und Kampfhunde mit sich führten. Die Recken teilten sich in zwei Gruppen auf: Eine Gruppe stand Schmiere am Haupteingang des Hauses der Kapitäne, die andere Gruppe schlich sich in den Hinterhof, um über ein Fenster heimlich in das Gasthaus einzudringen. Während Arthilas leise einen Fensterladen öffnete, um den Einstieg durch das Fenster des Schlafsaals zu ermöglichen, erschien wie aus dem Nichts der Henker Zerwas und grüßte die Gefährten in seinem fröhlichen, südländischen Dialekt: "Boron mit Euch, meine Freunde. Die Orks sind bereits ausgeritten an diesem regnerischen Tag. Ich hatte mir schon gedacht, dass wir ebenfalls bereits heute unseren Befreiungsplänen nachgehen und habe auch das passende Werkzeug dabei." Der seltsam wirkende Südländer öffnete seinen Mantel und offenbarte mit einem breiten Grinsen ein langes, leicht gekrümmtes Richtschwert mit einer schmalen Klinge aus schwarzem Stahl. Wolfmir hatte eine solche Klinge bereits einmal gesehen: Sie stammte wohl aus Al'Anfa und wurde dort auch Boronsichel genannt. Zusammen mit Zerwas drangen die Gefährten ins Haus der Kapitäne ein und erschlugen die überraschten Orks in völliger Lautlosigkeit. Während Kapo das Obergeschoss sicherte, sprach Wolfmir den Wirt Goswin
an: "Marcian schickt uns, wir sollen die Waffen bereithalten. Wir befreien heute die Stadt von den Orks!" Goswin nickte und zeigte den Recken eine Bodenklappe, die unter einigen zerbrochenen Stühlen verborgen war. Die Stühle wurden beiseite geräumt und die Klappe frei gelegt, so dass die Gefährten in den Keller vordringen konnten. Interessanterweise war der gemauerte Keller von kreisrunder Form und schien deutlich älter zu sein als das Haus der Kapitäne. Man konnte wegen der nicht zusammenpassenden Grundrisse sogar den Eindruck gewinnen, dass ursprünglich ein völlig anderes Gebäude über dem Keller gestanden haben musste. Im Keller fanden die Gefährten mehrere Kisten voller Waffen, Rüstungen und Lampen, die wohl einst der Stadtgarnison gehörten. Dazu gab es auch Verbandmaterial, Wasserfässer und einige eingelagerte Lebensmittel. Darian bemerkte aber auch ein kleines Holztor an der Ostwand des Kellergewölbes, welches schon sehr alt war. An das Tor waren vor langer Zeit Holzlatten genagelt worden und sicherten dieses somit gegen Eindringlinge. Darian erkundigte sich bei dem Wirt nach dem Tor, doch dieser meinte nur, dass das Tor bereits seit Jahrhunderten versiegelt war und wohl zu einem eingestürzten Gewölbe führte, in dem es spuken sollte. Die Recken brachten die Waffen eilig in die Schankstube, nahmen sich selbst einige Schwerter und legten die restliche Ausrüstung auf den Tischen. Arthilas und Darian platzierten sich anschließend an den Westfenstern des Hauses, von denen aus das Sklavenlager der Grubenarbeiter eingesehen werden konnte. Etwa ein Dutzend Schwarzpelze bewachte die dortigen Grubensklaven. Unter den Sklaven befand sich auch Alrik Brohm, der die Befreiung seiner Kameraden sehnlichst erwartete. Rondrian, Kapo, Ortax, Answulf und die beiden bereits befreiten ehemaligen Stadtwachen Reo und Emeran positionierten sich auf der Straße zwischen dem Sklavenlager und dem Haus der Kapitäne. Zerwas, Marcian, Mechthild und Wolfmir schlichen sich derweil zum Nordwestende des Sklavenlagers, um den Orks in den Rücken zu fallen. Die Orks wurden allerdings misstrauisch und sprachen die Recken an: "Was du suchen hier?" Darian nahm dies zum Anlass, eine magische Explosion in die Reihen der Feinde zu schleudern. Rondrian stürmte mit gezücktem Schwert voran und stellte sich den Orks wagemutig entgegen. Diese hetzten aber zeitgleich ihre Kampfhunde auf den mutigen Feldkaplan. Die Kampfhunde überwältigen Rondrian, warfen diesen zu Boden und schlugen ihre geifernden Zähne in dessen Gliedmaßen. Rondrian war zum Glück gut gerüstet und konnte die Hunde von seiner Kehle fernhalten, bis Arthilas die tollwütigen Tiere mit seinem Bogen erlegen konnte. Kapo warf derweil einigen Sklaven ein Bündel Waffen zu und hielt die anderen Sklaven an, zu Darian ins Haus der Kapitäne zu eilen. Die Grubensklaven nutzten die Ablenkung der Orks und flohen aus dem Lager. Wolfmir, Mechthild und Marcian konnten die Orks im hinteren Bereichs des Lagers erschlagen und insbesondere Zerwas erwies sich als herausragender Kämpfer, der mit seiner Boronsichel durch die Reihen der Feinde tanzte und auch den kampfstarken Zholochai mit scheinbarer Leichtigkeit die hässlichen Köpfe von den Schultern schlagen konnte. Um Rondrian herum sah die Lage aber nicht so rosig aus: Alrik Brohm stellte sich einem Zholochai entgegen und wurde von diesem getötet, ein weiterer Zholochai setzte Ortax schwer zu und wenige Augenblicke später kamen drei weitere Zholochai vom Sonnenhügel herunter geeilt, um die Glatthäute zu bekämpfen. Die Zholochai schlugen grausam und taktisch geschickt zu. Erst konnten sie Ortax niederschlagen, dann Wolfmir und schließlich auch Marcian. Der tapfere Henker Zerwas kämpfte sich derweil mit beeindruckender Kampfeskraft weiter durch die Reihen der Feinde und konnte zusammen mit Mechthild und dem schwer angeschlagenen Rondrian die letzten Zholochai niederstrecken. Als die Orks besiegt waren, wurden die schwerverletzten Krieger ins Haus der Kapitäne gebracht und von Arthilas medizinisch versorgt. Für Alrik Brohm kam aber jede Hilfe zu spät. Kapo und Mechthild eilten derweil weiter nach Norden, um die Lage in der Stadt auszukundschaften. Reo und Emeran rüsteten derweil die befreiten Grubensklaven mit den Rüstungen und Waffen im Haus der Kapitäne aus und
führten diese anschließend ebenfalls nach Norden. Die Recken bemerkten erleichtert, dass die Norrnfeste im Norden durch die gemeinsamen Bemühungen von Lysandras Freischärlerinnen und den Filzarbeitern bereits erobert worden war. Darrag und die Handwerker der Neustadt konnten auch erfolgreich die Schanze im Osten einnehmen, da die dort stationierten Orks wohl alle über die Wehrmauer zur südlichen Rondraburg geeilt waren. Kapo konnte von einem schwer verletzten Obstbauern erfahren, dass der Angriff von Timon Elfenberg auf die Rondraburg nicht erfolgreich war: "Wir haben versucht, mit unseren Obstbaumleitern auf das Dach des Rondratempels zu kommen und haben gleichzeitig einen Ausfall über die Mauerstiege gewagt. Aber die Schwarzpelze waren stärker. Nur wenige von uns sind da wieder lebend rausgekommen. Und unser Herr Elfenberg ist ebenfalls gefallen." Die Recken sammelten alle verbliebenen Truppen und berieten dann mit Marcian, Lysandra, Reo und Emeran, wie man die Rondraburg einnehmen konnte. Nach kurzen Diskussionen wurde ein Kriegsplan zusammengestellt, der einen Zangenangriff auf die Rondraburg vorsah. Zerwas erklärte sich insbesondere bereit, sich während der ersten Angriffe heimlich auf das Torhaus der Burg zu schleichen und dieses zu öffnen. Die Schlacht um die Rondraburg dauerte bis zum Abend und wurde mit schwerem Blutzoll auf beiden Seiten bezahlt. Letztlich gelang es Zerwas aber tatsächlich, das Torhaus zu öffnen, so dass die Burg nicht länger gehalten und die Schwarzpelze erschlagen werden konnten. Am Abend sammelten sich die wichtigsten Rädelsführer und Truppenbefehlshaber im Haus der Kapitäne, und wurden vom selbsterklärten Stadtkommandanten Marcian in den Kriegsrat der Stadt aufgenommen. Marcian trug mittlerweile stolz die Rüstung und den blutroten Mantel, der einst dem Kommandanten der Stadtwache gehört hatte, und berichtete, was ihm seine Späher zugetragen hatten: "Die Norrnfeste, die Schanze und mittlerweile auch die Rondraburg sind wieder in unserer Hand. In der Stadt selbst gibt es noch vereinzelte Orkgruppen, die wir ausräuchern müssen. Die meisten Orks sitzen aber in der Flussfeste fest. Wir haben Meldung bekommen, dass bereits einige Schwarzpelze von den Tributzügen im Umland zurückgekehrt sind, aber von unseren Bogenschützen auf den Mauern vertrieben worden sind. Wir gehen davon aus, dass diese bald einen Gegenangriff schlagen werden, um die Stadt zurückzuerobern. Wir müssen heute Nacht also alle auf den Mauern bereit stehen. Die Flussgarnison ist hierbei ein großes Problem: Es haben sich wohl über 300 Schwarzpelze dort eingenistet und diese haben Zugang zu den dort eingelagerten Waffen und Nahrungsmitteln. Außerdem müssen wir eine Vielzahl unserer Truppen dafür aufwenden, die Flussgarnison zu belagern. Dieses Problem können wir aber erst morgen angehen. Mögen die Götter uns in dieser Nacht gewogen sein." Tatsächlich wurden in der kommenden, regnerischen Nacht über mehrere Stunden hinweg sowohl die Nordmauer als auch die Schanze angegriffen. Mit Hilfe der mit Bögen bewaffneten Freischärlerinnen und dem großen Rotzenkatapult auf der Schanze konnten die Angreifer aber erfolgreich zurückgeschlagen werden. Als der Morgen anbrach, schleppte sich der immer noch schwer verletzte Rondrian in den frisch befreiten Rondratempel, um dort die Nähe der Göttin zu erfahren. Der Tempel war nicht im besten Zustand und wurde von den Orks in den vergangenen Monaten offenbar als Abtritt verwendet. Doch Rondrian ließ sich nicht beirren und betete innig zur Kriegsgöttin Rondra. Nachdem er seine Gebete beendet hatte, wurde er von der Freischärlerin Leogard angesprochen, die wohl ebenfalls die Nähe der Göttin suche und mit einer großen Bürste und einem Eimer Wasser den Altar des Tempels reinigen wollte. Rondrian erfuhr, dass Leogard vor dem Überfall des Orks als Novizin im Tempel gedient hatte und seit dem Untergang der Stadt im letzten Sommer mit Lysandra durch die Wälder gezogen war. Rondrian versprach, die geschändeten Tempelhallen bald neu einzusegnen, erkundigte sich aber auch nach Lysandras Geschichte. Der Feldkaplan erfuhr, dass die Amazone Lysandra wohl einst sehr wohl den Gesetzen der Herrin Rondra gefolgt war. In der Schlacht um Orkenwall war sie unter ihren Ordensschwestern aber wohl die einzige, die die Angriffswelle der Untoten überlebt hatte. Seitdem hatte
sie den Glauben an die Ehrenhaftigkeit der Kriegsgöttin verloren. Beiläufig berichtete Leogard auch, dass Lysandra wohl vor hatte, die Stadt mit den Freischärlerinnen bald zu verlassen. Rondrian war bestürzt darüber, dass Lysandra die dringend für die Verteidigung benötigten Freischärlerinnen aus Greifenfurt abziehen wollte. Er eilte durch die morgendlichen Regenschauer dieses regnerischen Tages und konnte Lysandra nach kurzer Suche bei der großen Grube auf dem Sonnenhügel finden. Die Amazone beobachtete nachdenklich, wie sich die von den Orksklaven gegrabene Grube allmählich mit Wasser füllte, als sich Rondrian an sie annäherte und sprach: "Ich habe gehört, dass Ihr die Stadt verlassen wollt. Diese Menschen brauchen aber Euren Schutz. Wollt Ihr diese ihrem Schicksal überlassen und dadurch zulassen, dass die Orks erneut über diese Region herrschen? Wo soll dies alles enden? Wollt Ihr denn wirklich den Rest Eurer Tage unvorsichtige Orks im Umland erschlagen, um Euch an der Herrin Rondra zu rächen? Oder wollt Ihr endlich erkennen, dass es auch in der dunkelsten Nacht den Mut einer Heldin braucht, um der Herrin gerecht zu werden?" Lysandra wollte dem Feldkaplan scharf antworten, doch plötzlich schlug ein Blitz mit donnerndem Krachen in die nur wenige Meter entfernte Grube. Die erschrockenen Gläubigen traten einige Schritt zurück und huldigten der Sturmgöttin. Rondrian glaubte Tränen auf Lysandras Gesicht zu erkennen, es konnten aber auch Regentropfen sein. Nach kurzem Schweigen antwortete sie ihm entschlossen: "Wir werden bleiben. Die Rondraburg soll unsere Festung sein." Gegen Mittag sammelte sich der Kriegsrat erneut im Haus der Kapitäne und Marcian berichtete erleichtert: "Wir konnten heute Nacht die Mauern der Stadt halten. Die Orks haben deutlich mehr Kämpfer verloren als wir. Außerdem konnten viele neue Rekruten gewonnen werden, so dass wir mit etwa 500 Kämpfern für die Verteidigung der Stadt rechnen können. Die Flussgarnison ist noch immer ein wichtiges strategisches Ziel, doch wir müssen diese wohl belagern, bis das Kaiserliche Heer eintrifft. Wir rechnen damit, dass die Vorhut aus Wehrheim in etwa einer Woche bei uns eintrifft. Bis dahin sollen weitere Bürger für die Bürgerwehr rekrutiert werden. Außerdem sollen die Lebensmittel in den Kontoren der Händler und den Lagern der Wirtshäuser für die Truppen beschlagnahmt werden." Überraschend mischte sich Kapo in die Besprechung ein und rief: "Wieso machen wir es nicht wie die Thorwaler? Diese haben vor wenigen Jahren die Orks aus dem Bodirtal vertrieben, indem sie den Oberork in einem heiligen Duell erschlagen hatten. Die Orks glauben wohl an solche Götterentscheidungen." Rondrian befürwortete diese überaus rondragefällige Idee, doch als er gerade erklären wollte, als Champion der Greifenfurter gegen den Anführer der Orks anzutreten, kam ihm Zerwas zuvor: "Ein solches Duell verlangt nach einem erfahrenen Henker. Ich werde den Champion der Orks mit Freude zu Boron schicken!" Der südländische Henker, der in den vergangenen Schlachten bereits mehrfach durch seinen Heldenmut und sein Kampfgeschick auf sich aufmerksam gemacht hatte, wurde von den versammelten Rädelsführern mit Beifallsrufen zum Champion der Greifenfurter erklärt. Zusammen mit Reos Stadtwache, Wolfmirs Plänklern, Lysandras Freischärlerinnen und Marcians Bürgerwehr zog Zerwas zur Flussgarnison und forderte die dort stationierten Orks lautstark heraus: "Hört mich an, Ihr kampfwütigen Zholochai. Weder wir noch Ihr wollen die nächsten Wochen damit verbringen, uns gegenseitig zu belagern und einen guten Kampf aufzuschieben. Ich fordere Euch deshalb auf, den Kampf um diese Stadt hier und jetzt zu entscheiden! Ich fordere Euren stärksten Krieger zum heiligen Duell vor den Augen Eurer und unserer Götter. Wer auch immer dieses Duell für sich entscheiden mag, soll die Herrschaft über Saljeth erlangen. Die unterlegenen Krieger hingegen sollen die Stadt verlassen." Die Schwarzpelze verlachten zunächst ausgiebig den aufmüpfigen Henker, doch dann zeigte sich ein besonders großer und blutrünstiger Zholochai auf der Mauer und rief: "Ich Unterhäuptling Oxbrull. Ich bester Krieger hier. Ich kämpfe für Brüder zu Ehre von Tairach und Brazoragh. Ich dich machen kopflos, dann ich dein Glatthautbrüder vertreiben wie Ungeziefer aus Saljeth!" Die Orks fuhren die Zugbrücke der Flussgarnison herunter und Oxbrull stellte sich dem bereits wartenden Zerwas
entgegen. Die Orks auf den Mauern der Flussgarnison jubelten Oxbrull entgegen und ebenso erschallten die Jubelrufe zu Ehren des Henkers aus den Reihen der Greifenfurter. Nachdem der erste Jubel verklungen war, zog Oxbrull seine schwere Kriegsaxt und Zerwas schwang seine Boronsichel. Der Henker tänzelte an den großen Ork heran, schlug eine Finte und tanzte wie ein Blatt im Wind ein paar Schritte zurück. Oxbrull stürmte dem Henker hinterher, um diesen zu erschlagen, doch zur Überraschung der Zuschauer konnte Zerwas dem Angriff elegant entgehen und durchtrennte mit einem blitzschnell geführten Hieb die Kehle des Orks. Röchelnd brach der schwere Oxbrull zusammen und fiel plump zu Boden. Während die Orks mit Entsetzen das Scheitern ihres Champions erkannten und die Greifenfurter in hellen Jubel ausbrachen, riss Zerwas die Rüstung seines Gegners auf und schnitt mit einem Dolch dessen Herz heraus. Er hob das noch immer schlagende Herz deutlich sichtbar in die Höhe und biss dann provokativ ein großes Stück davon ab. Der Jubel der Greifenfurter wurde zu einem überraschten Aufschrei in die sich die panischen Schreie der eingeschüchterten Orks mischten. "Bote von Tairach!", riefen die Orks in ihrer eigenen Sprache und waren offenbar so sehr verängstigt, dass viele von ihnen sich eilig von den Mauern der Flussgarnison abseilten und zum sicheren Westufer der Breite schwammen. Die Greifenfurter Truppen verloren keine Zeit und drangen durch das offene Torhaus in die Flussgarnison ein. Einige Orks verschanzten sich in den Häusern und Türmen der Garnison, doch die Greifenfurter waren in der Überzahl und konnten die verbliebenen Schwarzpelze in den kommenden Stunden aus der Flussgarnison vertreiben. Und als am Abend der Vollmond am mittlerweile wieder klaren Himmel aufleuchtete, befanden sich die Flussgarnison sowie die dortigen Waffen, Pferde und Lebensmittel ebenso wie alle anderen Wehranlagen der Stadt fest in der Hand der neuen Herren von Greifenfurt. Mitte PER 1012 BF: Am ersten Tag nach der Befreiung der Stadt Greifenfurt setzte der Stadtkommandant Marcian seinen neuen Kriegsrat ein. Zu den Mitgliedern des Kriegsrats gehörten Wolfmir, Rondrian, Answulf, Gernot, Darrag, Lysandra, Gordonius, Reo und Zerwas, wobei Marcians Assistentin Sartassa die Schriften führte. Die Sitzung des Kriegsrats fand im Markgrafenpalast in der Flussgarnison statt und Marcian nutzte die Gelegenheit, um über die Lage der Stadt zu berichten: "In der vergangenen Nacht konnten wir Greifenfurt erneut gegen die Angriffe der Schwarzpelze verteidigen. Ebenso konnten wir die letzten Verstecke der Orks in diesen Hallen ausräuchern und auch die streunenden Kriegshunde sind keine Bedrohung mehr. Mittlerweile ist es uns sogar gelungen, die Uferbastion auf der westlichen Flussseite zu befreien, so dass der Fährbetrieb über den Fluss wieder unter unserer Kontrolle steht. Wenn die Götter mit uns sind, sollten wir die Stadt ohne große Verluste halten können bis das Kaiserliche Heer zu uns aufschließt." Der Kriegsrat klopfte zustimmend auf Holz, anschließend wurden weitere organisatorische Details besprochen: Marcian legte fest, dass die Norrngarnison der Stadtwache übergeben und unter das Kommando von Hauptmann Reo gestellt werden soll. Hauptmann Emeran bekam die Ostschanze zugesprochen, Hauptfrau Lysandra sollte die Rondraburg führen und die Fischerstecher von Meister Efferdan sollten die Uferbastion besetzen. Die Bewachung der Flussgarnison und der benachbarten Mauerabschnitte wurde Gernot Brohm unterstellt. Die Brieftauben und der überschüssige Proviant sowie alle Pferde, Transportmittel, und Waffen, die nicht direkt im Einsatz waren, sollten in den Kammern der Flussgarnison eingelagert werden. Ebenso wurde festgelegt, dass die Tempel der Herrin Rondra und des Herrn Ingerimm wieder errichtet werden sollten. Der Praiostempel, der im Rahmen der Grabungsarbeiten der Orks komplett abgetragen wurde, sollte erst nach der Orkkrise neu erbaut werden. Bis dahin sollte aber ein großer, goldener Gong neben dem Praiosschrein auf dem Sonnenhügel aufgestellt werden. Ebenso einigte man sich darauf, dass die Verstorbenen der vergangenen Schlachten im Stadtpark in der Nähe der Stadtmauer bestattet werden. Anschließend beantragte Gernot Brohm,
den Magistrat der Stadt wieder einzusetzen, damit dieser die zivilen Geschicke Greifenfurts regeln konnte. Marcian war entschieden gegen diesen Plan und verwies auf das Raulsche Kriegsrecht, welches dem rangobersten, anwesenden Soldaten des Kaiserlichen Heeres die uneingeschränkte Befehlsgewalt über das Kriegsgebiet zugestand. Nach einer heftigen Diskussion über die Befugnisse des Magistrats wurde eine Abstimmung durch den Kriegsrat beantragt. Marcian unterbrach daraufhin die Sitzung und sprach im Vertrauen mit Answulf, Rondrian und Wolfmir: "Werte Freunde, mir scheint, Ihr habt Euch noch nicht gänzlich entschieden, wie Ihr zur Wiedereinsetzung des Magistrats stehen sollt. Ich kann Euch sagen, dass der Magistrat vor allem von den Patrizierfamilien Brohm und Elfenberg dominiert wird und diese vor einem halben Jahr beschlossen haben, die Stadt an die Orks auszuliefern, nur um ihren eigenen Wohlstand zu sichern. Die Stadt Greifenfurt muss aber nicht nur ihr eigenes Wohl im Auge behalten, das Kaiserreich selbst muss in diesem Fall vor weiterem Schaden geschützt werden. Ein Magistrat, mit welchen Befugnissen auch immer, wird dem Kriegsrat nur im Wege stehen und im Zweifel die Mission gefährden!" Answulf, Rondrian und Wolfmir ließen sich von Marcian überzeugen und stimmten anschließend im Kriegsrat gegen die Wiedereinsetzung des Magistrats. Die Stimmung im Kriegsrat war daraufhin stark angesäuert, dennoch gab es weitere Entscheidungen zu treffen: Späher sollten in alle vier Himmelsrichtungen ausgeschickt werden, um die Stellungen der Schwarzpelze auszukundschaften. Ebenso sollten vereinzelte Botenreiter nach Wehrheim und Oberangbar geschickt werden, um Lageberichte aus dem Kaiserreich einzuholen. Wolfmir erklärte sich bereit, mit einigen seiner Vertrauten nach Westen auszureiten. Die Plänkler nutzten die Fähre, um an das andere Ufer der Breite zu kommen und ritten dann auf der Reichsstraße nach Westen in Richtung Thuranien. Nach etwa einer Stunde bemerkten die Plänkler die Spuren eines großen Versorgungszugs der Orks, der vor wenigen Tagen kurz vor Greifenfurt die Straße verlassen hatte und nach Norden gezogen war. Wolfmir und seine Gefährten verfolgten die Spuren bis zu einer Furt in der Nähe des Norrnklosters und erkannten, dass das Perainekloster von den Orks eingenommen worden war. Zelte vor den Klostermauern deuteten darauf hin, dass ein ganzes feindliches Regiment dort ein Lager aufgeschlagen hatte und die Straße nach Norden kontrollierte. Wolfmirs Späher ritten zurück zur Reichsstraße und folgten dieser weiter nach Westen. Am frühen Nachmittag erreichten sie den Weiler Breitenbruck, der von einem kleinen Trupp Orks besetzt war. Die wenigen Orkbesatzer konnten den Weiler wohl nur deshalb unter Kontrolle halten, weil dieser vor allem von Alten und Kindern bewohnt war, die die Felder bestellen und das Vieh hüten sollten. Wolfmirs Plänkler nutzten die Gunst der Stunde und griffen die Besatzer direkt an. Die Orks konnten den deutlich besser gerüsteten Reitern kaum standhalten und wurden vernichtend geschlagen. Wolfmir wandte sich an die erstaunten Breitenbrucker: "Greifenfurt ist wieder in der Hand der Kaiserlichen! Packt eure Habe, euer Korn und euer Vieh und eilt zur Stadt, damit ihr dort Zuflucht finden könnt." Die Dorfbewohner jammerten zwar, dass sie ihre Gehöfte nicht den Orks überlassen wollten, aber keiner wagte es, sich den Befehlen Wolfmirs zu widersetzen. Wolfmir ritt mit seinen Gefährten weiter nach Westen. Und als die Sonne allmählich hinter dem Finsterkamm verschwand, bemerkte Ortax ein Banner von Thuranischen Plänklern, welches sich mühsam die Straße entlang schleppte. Die Thuranischen Plänkler waren allesamt ausgehungert und erschöpft, kaum einer der Soldaten war älter als 16 Sommer, einige waren sogar nur halb so alt. Der Anführer des Banners stellte sich als Wenzel vor und sprach mit brüchiger Stimme: "Wir kommen aus Hesindelburg. Haben die Stadt Anfang Phex zurückerobert. Dann kamen die Orks. Unzählige Orks, mit Ogern und Kriegsgeräten. Die haben die Stadt in Schutt und Asche gelegt. Wir sind von Thuranien abgeschnitten!" Wolfmir konnten den jungen Hauptmann beruhigen und erklärte, dass Greifenfurt kürzlich von den Orks befreit worden war und die Thuranier aufnehmen würde. Hauptmann Wenzel sprach seinen Dank aus
und schlug mit seinen Kameraden ein Nachtlager auf, um sich vom anstrengenden Marsch zu erholen. Wolfmir wollte allerdings noch ein wenig weiterreiten und entdeckte in nur etwa fünf Meilen Entfernung zwei Schwadronen leichte Kavallerie der Schwarzpelze. Diese Vorhut der Orks schlug glücklicherweise ebenfalls ein Nachtlager auf, so dass Wolfmir eilig zurück zu den Thuranischen Plänklern reiten konnte und diese in einem langen und beschwerlichen Nachtmarsch bis nach Greifenfurt führte. Zusammen mit den Breitenbrucker Bauern erreichten die Gefährten und die Thuranischen Burschen die Stadtmauern von Greifenfurt. Wolfmir und seine Kameraden erstatteten Bericht und ruhten sich anschließend den Rest des Tages aus. Weitere Späher meldeten derweil, dass die Orks zwar auch eine größere Stellung bei Orkenwall aufgebaut hatten, die südliche Uferstraße nach Oberangbar war allerdings noch nicht blockiert. Am kommenden Morgen richtete Answulf einen Morgengottesdienst zu Ehren des Herrn Praios auf dem Greifenplatz aus. Er predigte vom Licht des Herrn Praios und nicht wenige Bürger der Stadt waren gekommen, um dem Götterfürsten zu huldigen. Überraschenderweise wurde die Zeremonie aber von einem geistig umnachteten Obdachlosen gestört, der aufgeregt auf Marcians roten Mantel zeigte und immer wieder "Der Tod trägt rot!" brabbelte. Eine ältere Frau entschuldigte sich für den "einfältigen Uriens" und brachte den verwirrten Mann beiseite, damit dieser Ruhe gab. Answulf wollte den Vorfall genauer untersuchen und sprach die alte Frau nach dem Praiosdienst an. Diese erklärte ihm mit bedächtiger Stimme: "Der verrückte Uriens war einst unser Praios‐Kaplan hier am Greifenplatz. Als die Orks die Stadt einnahmen, hat er den Tempel verteidigt. Als der Tempelvorsteher exekutiert wurde, musste er zusehen und dessen Gedärme essen. Und als der Tempel niedergerissen wurde, hat er wohl völlig den Verstand verloren. Seitdem lebt er auf der Straße und spricht immer wieder die gleichen rätselhaften Phrasen wie 'Der Tod trägt rot!' und 'Bringt die Brüder heim!' und was sonst noch alles. Armer Bursche..." Answulf wollte selbst den verrückten Uriens aufsuchen und fand diesen in seiner Wohngasse, wo er in fast kindlicher Manier mit ein paar Steinplatten spielte, als wollte er ein Mosaik legen. Answulf sprach den ehemaligen Kaplan an, doch dieser murmelte nur seine sinnlosen Phrasen. Dann jedoch packte er Answulf am Ärmel und zog ihn zur nahe gelegenen Villa Elfenberg. Vom verschlossenen Gusseisentor aus konnte Answulf den nach wie vor prächtig gepflegten Garten der Elfenbergs sehen und dazu auch ein uraltes, monumentales Relief, welches die hintere Hauswand der Stadtvilla fast vollständig bedeckte. Das Relief war allerdings vom Zahn der Zeit schwer beschädigt worden. Mit Mühe konnte man einen von unzähligen Pflanzen, Büschen und Bäumen bewachsenen Hügel sehen, zu dessen Füßen ein breiter Fluss floss. Auf dem Hügel sah man einen Zwerg und einen Elfen, die beide siegreich ihre Waffen zum Himmel streckten. Unter ihnen waren erschlagene Schwarzpelze zu erkennen. Answulf erkannte aus der Ferne auch eine Inschrift, war aber zu weit weg, um die Buschstaben genau entziffern zu können. Plötzlich hörte er ein Räuspern neben sich und erblickte eine in Trauer gekleidete, ältere Dame. Es war Clarissa Elfenberg, die Herrin des Hauses, die kürzlich ihren Sohn Timon an die Orks verloren hatte. Sie zeigte auf den weinerlichen Uriens und sprach: "Hat der nervige Bursche schon wieder versucht, in unseren Garten einzudringen?" Answulf verneinte dies und stellte sich der Dame vor. Dann fragte er die Patrizierin nach dem Relief und erfuhr, dass sich dieses wohl schon seit über 1.000 Jahren an diesem Platz befand. Clarissa ergänzte fast schon stolz: "Wir haben das Relief schon von vielen Gelehrten untersuchen lassen, die dessen Ursprung in den dunklen Zeiten vermuten. Die Inschriften, die sowohl im alten Elfischen als auch im alten Zwergischen angebracht sind, sprechen von einem Ehrendenkmal, welches ein Bündnis aus alter Zeit bezeugen soll. Mir scheint, dass Elfen und Zwerge wohl schon einmal hier gegen die Schwarzpelze gekämpft haben. Interessant ist wohl dieser dunkle Bereich am unteren Rand des bewachsenen Hügels, dort wo große Teile des Reliefs fehlen. Es sieht aus, als wäre etwas unter dem Hügel verborgen." Answulf blickte zunächst auf das Relief und dann zu der fünf Schritt tiefen Grube auf dem Greifenplatz, die von den Orks ausgehoben worden war. Plötzlich erinnerte er sich an den
mysteriösen Kellerzugang im Keller des Hauses der Kapitäne. "Was da wohl vor den Augen Praios verborgen sein mag?", fragte sich der Inquisitor und beschloss, zusammen mit Ortax, Kapo, Darian und den anderen Gefährten diesen Keller zu durchsuchen. Mit Brechstangen, Schaufeln und ihren Waffen wanderten die Freunde den Sonnenhügel hinunter und besuchten den Wirt Goswin und dessen Frau. Sie machten dem verwirrten Wirt klar, dass sie im Keller nach Orks Ausschau halten mussten, stiegen zusammen die Stiege in den Keller hinab und durchbrachen anschließend mit ihrem Werkzeug die Holzlatten, die einen mysteriösen Gang versperrten. Der Gang war höher als ein Mann und auch unerwartet breit, so dass man eine Handkarre bequem hindurchführen konnte. Das Mauerwerk bestand aus grob gehauenen Felsstücken, die ineinander verkeilt waren. "Unebener Boden, krumme Wände, primitive Deckenabstützung. Ein Wunder, dass das noch nicht eingestürzt ist. Das ist definitiv keine Zwergenarbeit...", murmelte Ortax und entzündete eine weitere Fackel. Die Gefährten folgten dem Gang und stellten fest, dass dieser in ein größeres Gewölbesystem mündete, welches größtenteils bereits eingestürzt war. Die Gewölbe waren allesamt in einem miserablen Zustand und nicht selten fanden die Gefährten Stoffreste, Holzstücke, Knochen und Tonscherben in den Trümmern. Die Gefährten zeichneten einen Plan der Anlage und stellten fest, dass diese wie ein Boronrad aufgebaut war: Ein großer Rundgang spannte sich wie ein Rad unter dem Sonnenhügel, einige wenige Gänge zeigten von diesem Rad nach außen ab und führten in kreisrunde Keller, die allerdings nicht mit den darüber liegenden Gebäuden verbunden waren. Weitere Kammern und Gänge befanden sich innerhalb des Boronrades. Vorsichtig erkundeten die Gefährten einen Raum nach dem anderen und fanden im Südwesten der Anlage eine vergessene Schatzkammer, in der vor allem Kunsthandwerk, Urnen, verblichene Ölgemälde und Geschmeide gelagert waren. Die Schatzkammer war in keinster Weise gegen Diebstahl gesichert und wurde wohl vor langer Zeit nicht mehr betreten. Kapo vermutete, dass es sich wohl um Hehlerware handelte, die vor langer Zeit hier vergessen wurde. In einer weiteren Kammer im Norden fanden die Gefährten eine alte Gruft, in der mehrere Dutzend Leichname sowohl in Wandnischen als auch in schmucklosen Särgen deponiert worden waren. Ein großer, zentraler Sarkophag trug dabei das Wappen des Greifen und war sogar mit einer gut lesbaren Grabplatte ausgestattet. "In praiosgefälligem Gedenken an Aldec Praiofold II von Wertlingen, geboren im Jahr 272, gestorben im Jahr 348..." las Answulf vor und ergänzte "... war das nicht der erste Priesterkaiser?" Die Gefährten wollten die Grabruhe des Praiosheiligen nicht länger stören und folgten einem vor langer Zeit freigelegten Gang, der mit Brettern und Steinen gegen weiteren Einsturz gesichert worden war. Der Gang führte zu einem ehemaligen Fensterloch, welches von der anderen Seite durch ein Holzbrett verdeckt war. Ortax trat das Holzfenster ein und bemerkte, dass es sich in Wirklichkeit um die Rückwand eines Schranks handelte, der durch den Tritt nach vorne fiel und krachend zu Boden stürzte. Die Kammer, in der sich der Schrank befand, war einerseits sehr sauber und gut gepflegt. Andererseits befanden sich mehrere Kisten mit konservierten Lebensmitteln, Tiegel mit eingelegtem Gemüse und bauchige Weinflaschen. Die Gefährten hörten aufgeregte Rufe und kurz darauf wurde eine abgesperrte Holztür am anderen Ende der Kammer entriegelt. Der Öffner der Tür und mutmaßliche Eigentümer dieser Vorratskammer war Lancorian, der die Gefährten überrascht anschaute und empört fragte: "Was habt Ihr hier in meinen Kellern zu suchen?" Answulf ließ sich nicht von dem aufgeblasenen Illusionisten beeindrucken und fauchte zurück: "Gemäß Beschluss des Kriegsrats zu Greifenfurt sind größere Lager von Lebensmitteln für die Kriegsbemühungen in die Flussgarnison einzulagern. Ihr habt diesen Befehl offensichtlich ignoriert. Wir werden diese Lebensmittel beschlagnahmen und Kommandant Marcian Euer Fehlverhalten melden." Lancorian war empört über diese Vorgehensweise und forderte Answulf zu einem Duell, um die Auseinandersetzung zu entscheiden. Rondrian nahm die Aufforderung zum Duell an, allerdings war dem Feldkaplan aber klar, dass Lancorian kein geübter Kämpfer und erst recht kein würdiger Gegner war. Der Grangorer Illusionist ließ sich aber nicht entmutigen. Stattdessen ließ er sich
seinen Duellmantel und seinen Degen bringen, machte sich in einem Schminkspiegel die Haare zurecht und lästerte dabei ausgiebig über Marcian, den er wohl von früher kannte. Als Lancorian endlich zum Duell bereit war, ließ ihn Rondrian zunächst einige schwächliche Hiebe austeilen, dann schlug er den Freudenhausbesitzer kurzerhand mit einem gezielten Faustschlag nieder. Lancorian gab sich geschlagen, richtete aber noch eine verschnupfte Warnung an Rondrian und Answulf: "Glaubt ja nicht, dass Marcian weiß was er tut. Die letzten Lakaien, die blind seinen kurzsichtigen Befehlen gefolgt sind, sind auf dem Scheiterhaufen verbrannt worden. Euch wird es bestimmt nicht besser ergehen." Wolfmir holte daraufhin einige Männer von der nahe gelegenen Norrngarnison und ließ die Lebensmittel und die mutmaßliche Hehlerware in die Flussgarnison bringen. Der Kriegsrat wurde ebenfalls über die Entdeckungen unter dem Sonnenhügel informiert. Ortax und Kapo wollten derweil herausfinden, ob es weitere Verbindungsgänge von den rahjagefällig eingerichteten Freudenkellern der Fuchshöhle zu dem alten Gewölbe gab. Tatsächlich fand Ortax in der Waschkammer der Kurtisanen hinter einer hölzernen Wand einen weiteren Zugang, der wieder zu einem Teil des Rundgangs führte. Allerdings bargen die von dort abgehenden und größtenteils unter Erde begrabenen Ruinen keine weiteren Geheimnisse. Ortax prüfte nochmals seine Skizzen zu der Anlage und bemerkte eine Lücke in der Anordnung der Räume, die sich zwischen der Praiosgruft und den Kellern der Fuchshöhle befand. Er untersuchte diese Stelle genauer und entdeckte einen zugemauerten Raum. Mit Kraft und Werkzeug gelang es dem Zwerg nach mehreren Stunden, das Mauerwerk einzureißen und den verborgenen Raum freizulegen. Erschrocken stellten die Gefährten fest, dass es sich um einen alten Tairachschrein handelte, der mit Opferschädeln und einem Opferaltar ausgestattet war. Auf dem Opferaltar fand Darian eine orkische Opferklinge aus magisch gehärtetem Kupfer. Er untersuchte die Klinge und sprach: "Diese Klinge scheint mir extrem alt zu sein. Außerdem ist sie verzaubert mit urtümlicher Magie. Die Art der Verzauberungen kann ich aber nicht ausmachen." Von dem Tairachschrein aus gab es keine weiteren Geheimgänge. Dennoch fragte sich Ortax, ob es wohl in der Mitte der Anlage weitere Räumlichkeiten gab. Er suchte deshalb eine geeignete Stelle und grub über mehrere Tage hinweg einen Tunnel durch die weiche Erde, die anfangs von der Zusammensetzung an Waldboden erinnerte, dann aber mehr und mehr mit Steinen, Trümmern und Wandstücken durchsetzt war. Die Grabungsarbeiten wurden zunehmend mühevoller als sich die Erde allmählich in Gestein verwandelte und nach etwa einer Woche stieß der Zwerg auf eine Granitschicht, die wohl natürlichen Ursprungs war und vermutlich den Kern des Sonnenhügels bildete. Missmutig warf Ortax seine Spitzhacke beiseite, wusch sich die Erde vom Gesicht und brummelte: "Eine Woche Buddelarbeit umsonst. Wir können froh sein, dass uns da kein Gang auf den Kopf gestürzt ist. Was auch immer die Orks da suchen, hat Väterchen Angrosch wohl gut versteckt." Ende PER 1012 BF: In den kommenden Tagen wurde die Lage in Greifenfurt nicht wesentlich besser. Ein Botenreiter aus Oberangbar brachte zwar Nachricht, dass das Kaiserliche Heer bald eintreffen würde, aber die Greifenfurter mussten sich dennoch auf eine wochenlange Belagerung einstellen. Einige Bürger, vor allem die alten und gebrechlichen, verließen daraufhin die Stadt in Richtung Süden. Stadtkommandant Marcian ließ außerdem im großen Stil Lebensmittel, Tierfutter und Lampenöl beschlagnahmen, um die Versorgung der Stadtbewachung sicherzustellen. Insbesondere die alteingesessenen Patrizierfamilien hatten aber kein Verständnis für diese Maßnahmen und protestierten regelmäßig vor der Flussgarnison. Späher berichteten, dass mittlerweile über 1.000 Orks im Umland Stellungen errichtet hatten. Besonders besorgniserregend war dabei, dass sich eine ganze Herde von Streitogern bei Orkenwall niedergelassen hatte. Die als Menschenfresser bekannten Oger nutzten ihre gewaltige Stärke, um mehrere schwere Katapulte durch die Lande zu ziehen. Die monströsen Unholde waren aber wohl auch bestens geeignet, diese so genannten Ogerlöffel mit Munition zu beladen. Marcian führte den Kriegsrat mit strenger Hand, doch da er einen Aufstand der Alteingesessenen gegen
seine Herrschaft befürchtete, entsandte er den verschlagenen Kapo und die unscheinbare Sartassa, um die Stadtvilla von Glombo Brohm zu observieren. Tatsächlich konnten beide Spione berichten, dass sich neben den Familienangehörigen und Manufakturarbeitern auch andere wichtige Bürger der Stadt regelmäßig beim alten Brohm trafen. Unter den Gästen befanden sich der Stadtschreiber Zaberwitz, der Handwerksmeister Darrag, der Henker Zerwas, sowie Reo und Emeran, die beide Hauptmänner der Stadtwache waren. Kapo bemerkte insbesondere, dass der Stadtschreiber regelmäßig Dokumente und Schreibutensilien aus dem nahegelegenen Rathaus zu Glombo Brohm brachte, dann kurz in sein eigenes Häuschen am Greifenplatz einkehrte und anschließend wieder ins Rathaus schlenderte. Dem alten Kapo kam dies verdächtig vor und er nutzte einen günstigen Moment, um sich das Häuschen des Stadtschreibers genauer anzusehen. Er fand dabei auf dem Dachboden eine ganze Kiste voller Dokumente, die belegten, dass der Magistrat sich regelmäßig heimlich traf und Beschlüsse fasste. Kapo überflog die Aufzeichnungen und stellte fest, dass der Magistrat wohl Mittel suchte, die Befugnisse des Kriegsrats einzuschränken oder diesen gar aufzulösen. Ebenso fanden sich Hinweise, dass die Alteingesessenen nach Möglichkeiten suchten, die eigene Habe vor Beschlagnahme zu schützen. Kapo fiel allerdings auch eine Erweiterung des städtischen Grundbuchs auf: Zerwas hatte wohl in den letzten Wochen vier Häuser auf dem Sonnenhügel erstanden, deren Vorbesitzer vor den Orks geflohen waren. Im Laufe der kommenden Wochen stellte sich eine seltsame Routine in Greifenfurt ein. Die Wachschichten forderten ihren Tribut, die Rationierung der Lebensmittel drückte auf die Stimmung und die scheinbar endlosen Truppenaufmärsche der Schwarzpelze zehrten an den Nerven der Greifenfurter. Kapo nutzte die Tage im Ingerimmmond, um sich Zerwas' neu erworbene Immobilien genauer anzusehen, er konnte aber nichts Auffälliges entdecken. Arthilas wurde nach wie vor im Hospital des Heilers Gordonius gebraucht und Rondrian verbrachte seine Zeit damit, zusammen mit der Rondra‐ Novizin Leogard den neu eingeweihten Rondra‐Tempel zu leiten, die Stadtmauern mit zu bewachen und Waffenübungen für die Bürgerwehr zu organisieren. Insbesondere hörte Rondrian Gerüchte von einem verfluchten Mauerabschnitt an der Uferseite südlich der Flussgarnison. Der Fischermeister Efferdan konnte dazu genauere Details berichten: "In der letzten Woche des Ingerimm‐Mondes sind dort vier unserer Wachleute in die Tiefe gestürzt. Niemand von den benachbarten Türmen hat Details gesehen, aber es scheint so zu sein, dass die vermissten Wachleute von der Mauer gestoßen oder geschossen worden sind. Man hat von den Verschollenen nur die panischen Schreie gehört, aber keine Spuren gefunden. Nicht einmal ein Leichnam konnte geborgen werden." Rondrian und Leogard konnten nicht zulassen, dass dieser Mauerabschnitt unbewacht blieb und beide meldeten sich freiwillig, um dort die Nachtwache zu übernehmen. Leogard und Rondrian kamen sich in dieser Zeit deutlich näher und die anfänglichen, rondragefälligen Schwertübungen in den Morgenstunden wurden alsbald um rahjagefälliges Ringen erweitert. Ortax wollte unterdessen herausfinden, was es mit den verschütteten Ruinen unter dem Sonnenhügel auf sich hatte. Er führte weitere Grabungen in der Nähe des verborgenen Tairachscheins durch, konnte aber außer Erde und Dreck keine neuen Erkenntnisse bergen. Darian hingegen hatte mittlerweile den orkischen Opferdolch ausgiebig untersucht und kam zu dem Schluss, dass es sich um eine Ritualwaffe handelte, die ihre Kraft aus dem Blut ihrer Opfer zog und wohl in der Lage war, dämonische oder vielleicht sogar alveranische Wesenheiten zu töten. Zusammen mit Answulf und Wolfmir suchte er das Stadtarchiv im Rathaus auf, um in den dort gelagerten Unterlagen die Vergangenheit Greifenfurts zu recherchieren. Das Stadtarchiv befand sich unter der Führung des Stadtschreibers Zaberwitz, der sich aber als nicht besonders hilfsbereit erwies. Dies war auch nicht verwunderlich, da der Stadtschreiber dem alten Glombo Brohm wohl treu ergeben war und vermuten musste, dass Answulfs Recherchen im Auftrag Marcians ausgeführt wurden und gegen den Magistrat gerichtet waren. Der eingebildete
Stadtschreiber wagte es allerdings nicht, den Gefährten den Zugang zum Stadtarchiv zu verweigern, bat diese aber, nichts durcheinander zu bringen. Als Answulf die Tore zum Archiv öffnete, traf ihn allerdings fast der Schlag: Kisten, Pergamente, und Schriften lagen in großen Stapeln aufeinander, die teilweise miteinander verwachsen waren. In den Regalen lagen verstaubte Weidenkörbe mit ungeordnetem Papier und es gab weder einen Index noch eine irgendwie erkennbare Ordnung, nach der die Schriften sortiert waren. "Wir werden Wochen brauchen, um hier erst einmal aufzuräumen!", ächzte Wolfmir, doch Darian ließ sich nicht entmutigen und nahm sich einen Korb voller Dokumente, um diese zu durchforsten. Erst nach mehreren Wochen intensiver Recherche konnte Darian berichten, was die Gefährten über die Geschichte der Stadt Greifenfurt herausgefunden hatten: "Die Stadt wurde wohl vor über 1.500 Jahren zur Zeit der Horasischen Kaiser gegründet und hieß damals noch Saljeth. Angeblich war ein heiliger Greif aus dem Gefolge des Herrn Praios hier erschienen. Allerdings haben die Schwarzpelze die Stadt im ersten Orkensturm vor gut 1.100 Jahren erobert und zu einer Kultstätte für ihren Blutgott Tairach umgebaut. Die Stadt konnte erst 100 Jahre später von Brigon‐Horas befreit werden, vermutlich mit der Unterstützung von Elfen und Zwergen. Außerdem soll bei dieser Schlacht erneut ein Greif erschienen sein. Nach dieser Schlacht wurde die Stadt unter dem Namen Greifenfurt wiedergegründet. Zur Zeit der Priesterkaiser wurde Greifenfurt mit der Reichsstraße an Wehrheim angeknüpft und entwickelte sich zu einem Handelszentrum und berühmten Pilgerort zur Anbetung der praiosgefälligen Greifen. Die Markgrafen von Wertlingen residierten seit dieser Zeit in der Stadt. Nach den Magierkriegen wurde Greifenfurt erneut von den Orks angegriffen und geschliffen, der Praiostempel wurde zerstört. Die Stadt konnte wenige Jahre später zurückerobert werden. Die Oststadt wurde zu dieser Zeit ebenfalls ausgebaut, ein neuer Praiostempel wurde errichtet und die Stadtmauern wurden erweitert. Die Familie Brohm stellt seit mindestens dieser Zeit die Bürgermeister der Stadt. Zu erwähnen ist wohl noch, dass es vor etwa 200 Jahren einen großen Brand auf dem Sonnenhügel gab, bei dem auch Teile des Stadtarchivs verloren gingen." Ende RAH 1012 BF: Die Kaiserliche Armee war immer noch nicht in Greifenfurt eingetroffen und die verfluchten Namenlosen Tage würden bald anbrechen. Die Stimmung hellte sich aber kurzfristig auf, als am 22. Rahja knapp drei Schwadronen leichter Reiterei unter dem Kommando von Oberst Alrik von Blautann die Stadtmauern erreichten. Die Kavallerie ritt in die Stadt ein und wurde von Kommandant Marcian in der Flussgarnison begrüßt und dort auch einquartiert. Oberst Alrik von Blautann berichtete, dass die Schwarzpelze Eslamsroden eingenommen hatten und mit den Kaiserlichen um die Kontrolle der Dergelbrücke kämpften. Der Oberst selbst hatte die Befehle, bis nach Greifenfurt durchzudringen und von dort aus die Stellungen der Orks auszukundschaften und deren Nachschublinien zu stören. Marcian wollte die Kavallerie aber bevorzugt in der Stadt einsetzen, um die Anzahl der Verteidiger zu erhöhen. Alrik von Blautann führte seine Kavallerie in den kommenden Tagen dennoch regelmäßig ins Umland, um ungeschützte Stellungen der Orks anzugreifen. Am 29. Rahja bemerkten die Mitglieder des Kriegsrats, dass Marcians Assistentin Sartassa verschwunden war. Marcian beauftragte den Inquisitor Answulf nach der verschwundenen KGIA‐Agentin zu suchen und erklärte: "Sartassa ist zwar oft stundenlang auf Spähposten, meldet sich aber regelmäßig zurück. Zuletzt habe ich sie gestern Mittag hier in ihrem Quartier gesehen. In den letzten Wochen hatte sie den Auftrag, die Stadtvilla von Glombo Brohm zu observieren. Ich fürchte, dass sie etwas Belastendes herausgefunden hat und möglicherweise in Schwierigkeiten geraten ist." Answulf nickte und suchte zusammen mit Arthilas und Kapo den Greifenplatz auf. Arthilas nutzte seine elfischen Zauberkräfte, um Sartassas Lebensaura aufzuspüren, doch diese war weder auf dem Greifenplatz noch an weiteren prominenten Orten in Greifenfurt zu erspüren.
Answulf suchte daraufhin die Stadtwache auf, um dort nach Hinweisen auf eine verschwundene Halbelfe zu fragen. Hauptmann Reo von der Stadtwache konnte zwar nicht wirklich weiterhelfen, allerdings fiel ihm in diesem Zusammenhang eine andere Angelegenheit ein: "Ihr müsst verstehen, dass wir uns zur Zeit voll und ganz auf die Verteidigung der Stadt konzentrieren. Viele Leute werden als vermisst gemeldet, obwohl diese einfach nur die Stadt verlassen haben, um an einem anderen Ort ihr Glück zu versuchen. Allerdings war erst vor einigen Tagen der Alchemist Promos bei uns und hat uns aufgefordert, seine Tochter zu bewachen. Er meinte, dass in der Stadt ein Unhold umgeht, der Frauen verschleppt. Wir haben den Kerl nicht ernst genommen, immerhin ist seine Tochter hässlich wie die Nacht. Aber Ihr könnt Euch natürlich der Sache annehmen." Answulf nahm diesen Hinweis auf und eilte zum Alchemisten Promos, der gerade dabei war, seine Fenster mit Brettern zu vernageln. Answulf kam ins Gespräch mit dem leicht verwirrten, alten Mann und erfuhr, was dieser zu sagen hatte: "Ich flehe Euch an, Euer Gnaden, etwas Fürchterliches geht in dieser Stadt um. Vor einer Woche ist eines der Freudenmädchen aus der Fuchshöhle spurlos verschwunden. Und wenige Tage später ist dann auch die Bäckerstochter Aurelia Butterweck entführt worden. Wer auch immer hinter diesen Entführungen steckt, ist bestimmt auch hinter meiner geliebten Marina her!" Answulf fand schnell heraus, dass der Alchemist keine handfesten Hinweise zu diesen Entführungen anbieten konnte und suchte stattdessen die Fuchshöhle auf. Eine der älteren Kurtisanen bestätigte, dass eine junge Kollegin mit dem exotischen Namen Rosavajinia tatsächlich seit einer knappen Woche vermisst wurde: "Soweit ich mich erinnern kann, hat sie sich mit einem Freier getroffen, bevor sie verschwand. Das war der Oberst der Kavallerie, Blauwald oder so. Am besten fragt Ihr Rosavajinias beste Freundin, die liebestolle Lucilla. Sie ist heute mit Kunden beschäftigt, ich kann Euch aber gerne morgen Vormittag eine Verabredung mit ihr besorgen." Answulf nickte und sprach: "Ich werde diese Lucilla morgen ausgiebig befragen." Anschließend besuchte der Inquisitor die Bäckersfamilie Butterweck und befragte die sichtlich betrübte Alma nach dem Verschwinden ihrer Tochter Aurelia. Weinend erzählte die Frau, was sich zugetragen hatte: "Ich habe sie vor fünf Tagen in den Abendstunden das letzte Mal gesehen. Sie ist nach der Arbeit zum Therbûniten‐Hospital, um sich dort von Meister Gordonius untersuchen zu lassen. Sie hatte wohl Unterleibsschmerzen. Sie ist aber nicht von dort zurückgekehrt. Meister Gordonius selbst hatte sie damals behandelt und mir berichtet, dass er sie nach der Untersuchung noch bis zur Tür des Hospitals begleitet hatte. Ich fürchte, ihr ist etwas Schreckliches zugestoßen!" Answulf fragte genauer nach und presste aus der verzweifelten Alma heraus, dass Aurelia möglicherweise ein Kind erwartete. Die Mutter gestand unter Tränen: "Unsere Aurelia wurde im letzten Herbst von den Orks geschändet. Seitdem blutete sie nicht mehr, hatte aber seltsame Gelüste nach rohem Fleisch und frischem Blut. Ein jeder weiß, dass dies die Anzeichen eines Orkenbastards sind, der in ihr heranwächst. Mein Ehegatte darf aber nichts davon wissen, diese Blutschande würde ihm das Herz brechen!" Answulf suchte als nächstes das Therbûniten‐Hospital auf. Er hatte mittlerweile die Vermutung, dass alle drei entführten Frauen einen Orkenbastard in sich tragen könnten und deswegen entführt wurden. Answulf besprach diese Theorie mit Meister Gordonius, der ebenfalls die Entführungsgerüchte kannte und diese Entwicklung mit Sorge verfolgte. Doch Meister Gordonius war anderer Meinung: "Es gibt bestimmt genügend Leute, die die eigene Tochter lieber tot sähen, als dass ihnen ein Orkenbastard in die Familie geboren wird. Allerdings sind Blutgelüste keineswegs ein sicheres Anzeichen für ein Orkenkind. Eine solche Überraschung offenbart sich üblicherweise erst im Kindsbett. Tatsächlich erwartet Aurelia ein Kindlein, auch wenn sie nicht verheiratet ist. Vielleicht ist sie mit dem Kindsvater aus der Stadt geflohen? Zu Rosavajinia kann ich nur Folgendes berichten: Sie lässt sich ebenso wie die anderen Frauen aus der Fuchshöhle einmal im Monat von mir untersuchen und ich kann mit Gewissheit sagen, dass sie kein Kindlein unter dem Herzen trägt." Answulf bat Gordonius, ihm eine Liste mit allen schwangeren Frauen zu erstellen, die sich
momentan im Therbûniten‐Hospital in Behandlung befanden und ging dann zurück zur Flussgarnison, um dort beim Abendessen mit seinen Freunden über die neu gewonnenen Erkenntnisse zu sprechen. Am nächsten Morgen hielt Inquisitor Answulf wie üblich eine Andacht auf dem Sonnenhügel, als Meister Gordonius ihn aufgeregt ansprach: "Es gab gestern Nacht einen Doppelmord im Stadthain, das solltet Ihr Euch ansehen!" Aufgeregt folgte Answulf dem Heiler zum Tatort und traf dort auf mehrere Mitglieder der Stadtwache, sowie weitere Helfer aus dem nahe gelegenen Hospital, die zwei Leichname genauer in Augenschein nahmen. Bei den beiden Toten, die ausgeblutet auf dem Boden lagen, handelte es sich um einen Mann und eine Frau. Beiden fehlte zunächst der Kopf, doch der Schädel des Mannes konnte schnell von Arthilas gefunden werden: Er steckte in einem abgebrochenen Ast in den Wipfeln der nahen Bäume. Jemand musste den Mann wohl mit dem Kopf voran auf diesem Ast aufgespießt und anschließend den Körper vom Kopf gerissen haben. Krallenspuren am Körper des Mannes deuteten darauf hin, dass es sich mindestens um einen Bären handeln musste. Der Kopf der Frau wurde kurze Zeit später ebenfalls gefunden: Er befand sich auf dem Boronrad bei den Massengräbern in der Nähe der Stadtmauer. Jemand hatte zuerst das Blut aus dem Kopf gelassen und diesen dann auf dem Boronrad fast schon künstlerisch drapiert. Die ermordeten Bürger konnten nun ebenfalls identifiziert werden: Die Frau war Aldine Probst aus der nahe gelegenen Apfelweinstube, bei dem Mann handelte es sich um den Schustersohn Ronnes Tannerfeist. Schnell konnte bestätigt werden, dass die beiden ein Liebespaar waren und in warmen Sommernächten gerne im Stadthain der Göttin Rahja opferten. Die anwesenden Bürger waren schockiert über den Doppelmord und nicht wenige malten sich schreckliche Theorien über den Tathergang aus. Manche sprachen von einem geisteskranken, vielleicht sogar eifersüchtigen Mörder, andere dachten an einen Tairach‐Dämon, an einen Vampir oder an einen magisch mutierten Zholochai. Einige Bürger berichteten sogar, dass in den vergangenen Vollmondnächten ein riesiger Rabenvogel am Nachthimmel gesichtet worden war, der über der Stadt kreiste. Andere glaubten an einen Werwolfsfluch, da es ähnliche Vorfälle vor einigen Jahren in der Stadt Winhall gegeben hatte. Die Leichen wurden ins Hospital gebracht, damit diese dort genauer untersucht werden konnten. Answulf und seine Gefährten gingen derweil zurück zur Flussgarnison, um Marcian Bericht zu erstatten. Der Stadtkommandant machte sich angesichts dieser Entwicklungen noch mehr Sorgen um Sartassa, ihm fiel aber ebenso wie Answulf auf, dass diese Vorfälle möglicherweise mit der Ankunft der Kavallerie zusammenhingen. Answulf hatte vor, Oberst Alrik von Blautann zum Verschwinden von Rosavajinia zu befragen, doch er wollte erst noch mit der Kurtisane Lucilla in der Fuchshöhle sprechen. Die Kurtisane empfing den Inquisitor in einer der Lustkammern des Bordells und erzählte, was sie über ihre beste Freundin wusste: "Sie hat mir ganz aufgeregt erzählt, dass sie sich mit Alrik von Blautann verabredet hatte. Dieser Alrik von Blautann ist ein durchaus stattlicher und charmanter Bursche und man sagt, dass seine rahjanischen Künste noch besser sind als seine rondrianischen Talente. Ich kann mir aber nicht vorstellen, dass er ihr etwas angetan hat. Ich glaube eher, dass Rosavajinia ein großzügiges Trinkgeld von ihm bekommen hat und dann damit abgehauen ist, um den Anteil von Lancorian nicht abdrücken zu müssen." Answulf suchte anschließend wieder die Flussgarnison auf und befragte dort die Wachleute, um weitere Informationen über Alrik von Blautanns Tagesablauf zu gewinnen. Doch der Kavallerie‐Oberst hatte anscheinend schon mitbekommen, dass Marcians Leute sich nach ihm erkundigten und konfrontierte Answulf beim Mittagessen. Der adrette Oberst gab auf Nachfrage zu, dass er vor einigen Tagen mit Rosavajinia in der Apfelweinstube am Rand des Stadthains war und dort ihre Gesellschaft genoss. Es stellte sich dabei heraus, dass die Weinstube der Familie Probst gehörte, deren Tochter Aldine in der vergangenen Nacht ermordet worden war. Alrik von Blautann stritt jedoch ab, irgendetwas mit
Rosavajinias Verschwinden oder Aldines Ermordung zu tun zu haben: "Ich habe diese Kurtisane nur einmal getroffen, diese Aldine habe ich nur einmal kurz gesehen. Und seitdem habe ich bereits ein halbes Dutzend andere holde Schönheiten in diesen Stadtmauern mit meinen Talenten beglückt und keine dieser Damen ist verschwunden." Alrik von Blautann behauptete durchaus glaubhaft, dass er nur zufällig mit den Opfern bekannt war. Als er aber gefragt wurde, ob er bereit wäre, sich von Darian magisch untersuchen zu lassen, lehnte er dies vehement ab und beendete beleidigt das Gespräch. Der Inquisitor Answulf suchte als nächstes die Apfelweinstube der Familie Probst auf. Die Familie trauerte natürlich um die verstorbene Familie, allerdings gab es in der Weinstube keine Hinweise auf ein Gewaltverbrechen, stattdessen war alles sauber und ordentlich. Aldines Onkel konnte aber bestätigen, dass Rosavajinia die Weinstube oft genutzt hatte, um besondere Kunden zu verehren. Ebenso wusste er, dass Aldine und Rosavajinia gute Freundinnen waren. Während Answulf weitere Befragungen durchführte, verbreitete sich in Greifenfurt die Nachricht, dass eine schwer verletzte Obristin des Kaiserlichen Heeres aus der Gefangenschaft der Orks entkommen war und im Hospital behandelt wurde. Marcian und Wolfmir suchten die Obristin auf und beide erkannten die tapfere Kriegerin: Es war Trullane von Wertlingen, die zusammen mit den Greifenfurter Grenzreitern vor einigen Wochen noch die Stadt Eslamsroden gesichert hatte. Die Obristin berichtete vom Krankenbett aus mit panischer Stimme, was sich zugetragen hatte: "Die Schwarzpelze haben Eslamsroden eingenommen. Ich habe die Schlacht überlebt, wurde aber von den Orks gefangen genommen. Ich habe mit ansehen müssen, wie sie meine Mitgefangenen rituell geopfert haben, um ihren Götzen zu huldigen." Sie schluchzte kurz und sprach: "Ich habe auch den Prinzen Brin bei den Gefangenen gesehen. Doch die Orks haben mich nicht gut genug gefesselt, so dass ich mich befreien konnte. Ich habe den Prinzen dann ebenfalls befreien können und bin mit ihm geflohen. Aber die Orks hatten unser Verschwinden wohl schnell bemerkt und haben uns verfolgt. Prinz Brin konnte nicht so schnell rennen und wurde von den Schwarzpelzen wieder eingefangen. Mit seinen letzten Befehlen schickte er mich weiter, damit ich Hilfe holen kann. Ich bin Tag und Nacht gerannt und konnte mich bis hierher durchschlagen. Bitte, ihr müsst unseren Reichsbehüter befreien! Wenn Prinz Brin den Tod findet, oder schlimmer noch, den Orkgötzen geopfert wird, ist alles verloren!" Ende RAH 1012 BF: Der Kriegsrat fand sich in den Abendstunden des letzten göttergefälligen Tages zusammen, um die neue Lage zu besprechen. Mittelpunkt der Gespräche war die noch immer schwer verletzte und hochgradig erschöpfte Trullane von Wertlingen, die auch nervlich kurz vor dem Zusammenbruch stand. Sie erzählte noch einmal von ihrer Gefangennahme und ihrem Versuch, den Reichsregenten Brin aus der Gefangenschaft der Orks zu befreien: "Wir sind in ein Gefangenenlager im besetzten Eslamsroden gebracht worden. Wir wurden dort wie Schweine in einem Pferch gehalten. Viele meiner Mitgefangenen gehörten zu den Verteidigern der gefallenen Stadt. Doch als sie Prinz Brin zu uns geworfen hatten, hatte ich nicht das Gefühl, dass ihnen bekannt war, welche wichtige Persönlichkeit sich in ihrer Gewalt befand. Der Prinz selbst machte einen gebrochenen Eindruck und konnte mir nur mitteilen, dass die Schlacht am Dergelufer verloren war. Einige meiner treuesten Untertanen haben die Orks in den kommenden Stunden abgelenkt und wurden wohl erschlagen, so dass ich mit dem Prinzen entkommen konnte. Unser Vorsprung wurde aber schnell zunichte gemacht, da der Prinz wohl schwere Verletzungen an den Beinen hatte. Ich hätte ihn allerdings niemals zurücklassen dürfen. Ach, wäre ich doch nur erschlagen worden, statt diese schwere Bürde in dieser dunkelsten Stunde tragen zu müssen!" Oberst Alrik von Blautann und auch Marcian hatten weitere Fragen zur Stellung der Orks in Eslamsroden und erfuhren, dass dort wohl mehrere hundert Schwarzpelze stationiert waren, die auch schwere Belagerungsgeräte, Kampfhunde, Kriegsoger und einen kompletten Zirkel an Tairach‐Schamanen
beherbergten. Wolfmir und Answulf hatten jedoch Zweifel an der Geschichte, da es schwer zu glauben war, dass die Obristin den Orks so einfach entkommen konnte. Andererseits war es auch kaum vorstellbar, dass die tumben Schwarzpelze verschlagen genug waren, um im Sinne einer moralischen Kriegsführung gezielt Augenzeugen mit Falschinformationen auszustatten und entkommen zu lassen. Arthilas und Darian untersuchten die verzweifelte Trullane ausgiebig, konnten aber keine magische Manipulation feststellen. Sie selbst schien ebenfalls keine Zweifel an ihren Erlebnissen zu haben. Oberst Alrik von Blautann war zweifellos von Trullanes Geschichte überzeugt und schlug heldenmutig vor, mit seinen besten Rittern umgehend nach Eslamsroden aufzubrechen, um den Reichsregenten in einem Alveranfahrts‐Kommando aus den Klauen der Orks zu befreien. Marcian und auch Wolfmir war klar, dass eine solche Mission aussichtslos war und noch dazu die Verteidigung der Stadt schwächen würde, doch der heißblütige Obrist ließ sich nicht von seinem Vorhaben abbringen. Während der Kriegsrat bis tief in die Nacht hinein mit Trullane sprach, patrouillierten Kapo und Ortax mit ihren Nachtlaternen durch die Straßen Greifenfurts. In der Nähe des Hafens bemerkten die beiden, wie drei Hilfsgardisten anscheinend auf einen Hilferuf aufmerksam wurden und eilig in das Lagerhaus der Familie Brohm stürmten. Ortax und Kapo wollten sich dies genauer ansehen, kamen näher und hörten plötzlich Kampfschreie und Alarmrufe, die aus dem Inneren des Gebäudes erschallten. Mit gezückten Waffen eilten die beiden Freunde zum Eingangstor des Lagerhauses und lugten in dessen Innenraum: Sie konnten dabei sehen, wie die Hilfsgardisten sich aufgeregt gegen eine Gruppe unbekannte Gegner zu wehren versuchten. Erst als Ortax und Kapo näher heran traten, erkannten sie, dass es sich bei den Angreifern um drei junge Frauen handelte. Eine davon war Sartassa, die andere konnte Ortax als Rosavajinia identifizieren und die dritte war vermutlich die verschwundene Aurelia Butterweck. Alle drei Frauen hatten ungesund blasse Haut, seltsam verformte Krallenhände und tierähnliche Fangzähne. Sie trugen blutverschmierte Kleidung und schlugen kreischend mit ihren Klauen wie wild gewordene Harpyien auf die Hilfsgardisten ein. Ortax und Kapo stellten sich den drei Wahnsinnigen entgegen, um den Rückzug der Hilfsgardisten zu decken, und teilten ihrerseits kräftig Hiebe gegen die irre kichernden Gegnerinnen aus. Die drei Frauen erkannten allerdings ihre Unterlegenheit, zogen sich flinken Fußes aus dem Gefecht zurück und verschwanden in der Dunkelheit der Nacht. Kapo blickte ihnen noch hinterher und eilte dann zur nahegelegenen Flussgarnison, um dort Hilfe zu holen. Ortax wiederum kümmerte sich um einen der schwer verletzten Hilfsgardisten, dessen Halsschlagader von den Mörderfrauen aufgerissen worden war. Anscheinend hatten die Frauen sein Blut getrunken. Zum Glück trafen kurz darauf weitere Gardisten ein, die Ortax dabei halfen, den schwer verletzten Kameraden in das Therbûniten‐Hospital zu bringen. In der Flussgarnison suchte Kapo derweil seine Freunde Wolfmir, Darian und Answulf auf und erzählte von den Vorfällen im Lagerhaus. Die vier wollten auch Marcian über die Lage in Kenntnis setzen, doch dieser hatte wohl dem Wein zu sehr zugesprochen und wollte sich lieber mit dem Freudenmädchen Lucilla vergnügen, als sich näher mit der Angelegenheit zu befassen. Stattdessen beauftragte er Answulf, sich der Sache anzunehmen. Im Hospital sahen sich Bruder Gordonius und der Elfenheiler Arthilas den verletzten Hilfsgardisten genauer an und ließen sich von Ortax genau beschreiben, wie die drei Angreiferinnen ausgesehen hatten. Es war natürlich auffällig, dass es sich bei Rosavajinia, Aurelia und Sartassa um genau jene Frauen handelte, die in den vergangenen Tagen als vermisst gemeldet worden waren. Gordonius, Arthilas und auch Darian berieten sich, was die Frauen in diese bluttrinkenden Bestien verwandelt haben könnte. Die Theorien reichten dabei von Tollwut und anderen Wahnkrankheiten bis zur gefürchteten Werseuche, die ihre Träger in den Vollmondnächten in rasende Bestien verwandelte. Alle drei Gelehrten waren sich aber einig, dass die Frauen nach Möglichkeit lebendig gefangen werden sollten, damit das Übel identifiziert und ein Heilmittel gefunden werden konnte. Ebenso wurde festgelegt, dass alle, die von den Frauen gebissen worden waren, im Hospital unter Beobachtung gestellt werden mussten.
Weit nach Mitternacht trafen auch Rondrian und Leogard im Hospital ein, allerdings aus völlig anderen Gründen: Leogard fühlte sich offensichtlich nicht gut und war leicht verwirrt, Rondrian wiederum erklärte ihren Zustand: "Vor knapp einer Stunde hatte sie einen prophetischen Anfall. Sie sprach immer wieder von einem Fürsten der Nacht, der ins Licht gebracht wird. Ich konnte sie aus der Trance befreien, doch meine geliebte Leogard kann sich nicht erinnern, wie es zu dieser Trance kam." Leogard bestätigte dies und erklärte erschöpft: "Ich fühle mich wie nach einer durchzechten Nacht, inklusive einer Kneipenschlägerei. Habt Ihr vielleicht ein Kräutlein gegen meine brummenden Kopfschmerzen?" Während die meisten Gefährten zur Flussgarnison zurückkehrten, um dort noch etwas Schlaf zu finden, blieb Arthilas weiterhin im Hospital, um den gebissenen Hilfsgardisten im Auge zu behalten. Ortax und Kapo hingegen nahmen sich nochmals ihre Nachtlaternen und zogen mit wachsamen Augen durch die finsteren Straßenzüge der Stadt. Kapo hatte sich dabei von Ortax getrennt, schlich sich mit seiner Laterne durch die verregneten Gassen des südlichen Hafenviertels und inspizierte die Häuser. Plötzlich hörte er jedoch ein helles Kichern in der Dunkelheit der Nacht, welches nicht sehr beunruhigend klang. Sofort deckte er seine Laterne ab und versteckte sich hinter einem Mäuerchen, um nicht entdeckt zu werden, doch die Sinne dieser Nachtwanderer waren wohl außerordentlich scharf, denn nicht wenig später hörte er die süffisanten Rufe der drei tollwütigen Frauen: "Hast du kein zu Hause, alter Mann? Willst du mit uns spielen? Willst du einen Kuss haben?" Kapo leuchtete mit seiner Laterne in die tierhaften Gesichter der drei wahnsinnigen Frauen und erkannte die Gefahr, die ihm drohte. Lautstark schrie er Alarm, um die Nachbarn auf seine Situation aufmerksam zu machen, und wich dabei den Krallenhänden aus, die sich gierig nach ihm streckten. Mit unerwartet eleganter Beweglichkeit sprang er über das Mäuerchen und eilte direkt zurück zur Flussgarnison. Erst mit Beginn der Morgendämmerung des ersten Tages des Namenlosen sprach er Answulf und seine Freunde auf die Vorfälle in der Nacht an und führte die Gefährten zu der Stelle, an der ihm die drei Mörderfrauen aufgelauert hatten. Answulf bemerkte dabei mehrere Anwohner, die an der Eingangstür eines Fachwerkhauses standen und dort mit besorgten Gesichtern ihren morgendlichen Tee tranken. Die Anwohner berichteten aufgeregt, was sie beunruhigte: "Heute Nacht hat jemand laut Alarm geschrien. Wir dachten, dass die Orks kommen, und sind deshalb in unseren Häusern geblieben. Aber jetzt machen wir uns Sorgen um die Hagenbutts. Die wohnen hier in dem Fachwerkhaus und hören nicht auf unsere Rufe. Und die Tür ist wohl auch verrammelt." Answulf versprach den Anwohnern, sich der Sache anzunehmen und ließ Ortax und Rondrian die Tür aufbrechen. In dem Haus selbst fanden die Gefährten die beiden Leichname der Familie Hagenbutt sowie den Kadaver ihres kleinen Kindleins. Alle drei hatten schwere Halswunden und waren seltsam blutleer, so als wäre ihr Blut ausgesaugt worden. "Das waren Vampire..." sprach Answulf mit zitternder Stimme. Er ließ die Leichen verbrennen und schickte dann Wolfmir und Darian ins Stadtarchiv: "Bitte sucht dort nach geeigneten Geschichten und Erzählungen über Vampire. In vielen Standardwerken der Praioskirche gibt es Berichte über diese Blutsauger. Vielleicht gibt es dort auch Hinweise, was man am besten gegen diese tun kann. Ich glaube mich daran zu erinnern, dass sie vor allem nachts aktiv sind, sich bei Tage in ihre Verstecke zurückziehen und die Reliquien des Herrn Praios fürchten." Answulf selbst wagte sich gegen Mittag mit Ortax in die alten Keller unter dem Sonnenhügel, um dort nochmals alle dunklen Schlupfwinkel abzusuchen. Zuletzt inspizierten die beiden noch einmal die Gruft des heiligen Aldec Praiofold von Greifenfurt, dessen Sarkophag noch immer in der dunklen Grabkammer stand. Answulf hatte plötzlich einen schrecklichen Verdacht und wies Ortax an, die Grabplatte zu öffnen. Glücklicherweise war das Grab aber bisher nicht geschändet worden: Der Leichnam des verstorbenen Priesterkaisers lag friedlich in dem steinernen Sarg und selbst die praiosgefälligen Grabbeigaben waren
unangetastet. Answulf fiel dabei insbesondere ein schweres Buch mit goldbeschlagenem, ledernem Einband auf, welches neben den Beinen des Toten lag. "Erinnerung zum Ruhme des Sonnenfürsten...", übersetzte Answulf den Titel des Buches und beschloss, dieses an sich zu nehmen. "Zwar fühle ich mich nicht wohl dabei, dieses Werk aus dem Grabe eines Heiligen zu entwenden, doch ich glaube, es könnte uns hilfreich in unserem Kampf gegen die Finsternis sein." Am Abend trafen sich die Gefährten bei einer halben Schüssel Sauerkraut im Speisesaal der Flussgarnison, um ihre Erlebnisse auszutauschen. Answulf hatte sich zwar bereits in die Erinnerungen von Aldec Praiofold eingelesen, doch die Gedanken des ersten Priesterkaisers waren teilweise schwer zu verfolgen, so dass der Inquisitor wohl noch Tage brauchen würde, um das Schriftstück vollständig auszuwerten. Wolfmir und Darian hatten dafür einige Standardwerke zu Vampiren im Stadtarchiv sichten können und fassten zusammen, was dort geschrieben stand: „Viele Weise Mittelaventuriens behaupten, dass Werwölfe und Berserker nach ihrem Tod Vampire werden. Im Bornland heißt es, dass Selbstmörder zu Vampiren werden. Bei Nivesen gilt Inzest als Entstehungsursache. In der Greifenfurter Mark genügt es angeblich, Henker oder Müller gewesen zu sein. Blutsauger kann man in ihrem Grab daran erkennen, dass die Haare und Zähne der Leiche weiterwachsen. Im Bornland glaubt man, die Nachtzehrer am Schmatzen in den Gräbern erkennen und sie durch Silbermünzen zwischen den Zähnen tot halten zu können. In Weiden und im Svelltland kursiert der Aberglaube, dass schon der Blick eines Vampirs die Seele raubt ‐ ein Aberglaube, der sonst gegen Elfen verwendet wird. Albernische Märchen erzählen, dass Vampire den Namen ihres nächsten Opfers rufen. In Garethien heißt es: Vampire müssen Praiosblumenkerne, die sie auf ihrem Grab finden, erst zählen, bevor sie sich zur Ruhe legen können. Üblicherweise werden sie dabei von der Sonne überrascht und von dieser verbrannt. Die bekannteste Methode, einen Vampir zu vernichten, soll sein, den Kopf abzuschlagen und an einer Wegkreuzung zu vergraben und den Körper zu verbrennen und die Asche in alle Winde zu verstreuen. Die Zwerge, die durchaus unter Vampiren leiden, behaupten, dass silberne Waffen ihnen den Tod bringen. In Al'Anfa verwendet man die Boronische Methode: Die Boroni fangen den Vampir mit silbern durchwirkten Schlingen und begraben ihn ‐ auch wenn er sich noch wehrt. Der Vampir hat die Fähigkeit, von den Lebewesen den Hauch des Lebens, von Rohal als Sikaryan bezeichnet, zu rauben. Dies gelingt ihm durch den Biss und das Saugen des Blutes ihrer Opfer, die dadurch meist Leben und Seele verlieren. Kann ein Vampir nicht genug Blut erhalten, so muss er sich zum Schlafe begeben. Gelingt es ihn auch danach nicht, Blut zu saugen, so verliert er seine dämonische Kraft und wird zu einem einfältigen Wesen, das zum Schutz vor dem Praiosmal oftmals in Gruften haust und wahnsinnig ist. Die Blutsauger haben spitze Zähne, tragen schwarze Kleidung und beißen ihre Opfer von der Seite in den Hals. Sie können sich in Fledermaus, Ratte und Wolf verwandeln sowie dergleichen Getier befehligen. Sie vergehen im Sonnenlicht, sie hassen Knoblauch und Alraunenpulver, die heiligen Symbole des Praios und durch Efferdpriester geweihtes Wasser. Werden sie bezwungen, fliehen sie in ihren Sarg. Getötet werden sie mit einem Holzpflock aus dem frischen Holz von Weißdorn oder Eiche." In den späten Abendstunden setzte sich Marcian ebenfalls zu den Gefährten und erkundigte sich nach dem Stand der Ermittlungen. Answulf setzte den Stadtkommandanten in Kenntnis, dass Sartassa und die beiden anderen verschwundenen Mädchen möglicherweise unter einem Vampirfluch litten. Marcian war zutiefst erschüttert, dass seine Gefährtin nachts mordend durch die Straßen von Greifenfurt irren sollte, und konnte sich nur schwer wieder beruhigen. Nach einem kurzen Tobsuchtsanfall verkündete er aber, dass bei der Stadtwache weitere Vermisste gemeldet wurden: "Eine Hand voll Hilfsgardisten ist verschwunden. Sie sollten zum Einbruch der Nacht durch die Straßenzüge des Sonnenhangs patrouillieren, doch sie sind nicht von ihrem Rundgang zurückgekehrt." Answulf sprang sofort auf und
wies seine Gefährten an: "Holt eure Waffen und Rüstungen und vergesst eure Laternen nicht, wir treffen uns an der Zugbrücke und dann jagen wir diese Biester." Zusammen mit Wolfmir, Mechthild, Ortax und Darian durchsuchte Answulf in der verregneten Nacht die Straßenzüge des Sonnenhügels nach Hinweisen auf die vermissten Hilfsgardisten. An der südlichen Hauptstraße wurden die Gefährten fündig: Eine abgebrannte Fackel lag auf einem steinernen Begrenzungspfosten in der Nähe von zwei verlassenen Häusern. Bei der Inspektion eines der Häuser bemerkten die Vampirjäger, dass die Eingangstür nicht verriegelt war. Die Gefährten öffneten die Tür und lösten eine primitive Alarmfalle aus. Gleichzeitig fanden sich aber auch frische Schlammspuren im Eingangsbereich. Die Kameraden durchsuchten vorsichtig das verlassene Haus, scheuchten eine Katze auf und fanden eine zweite Alarmfalle am Hintereingang, die noch nicht ausgelöst worden war. In einem Nebenraum entdeckte Ortax eine Bodenklappe, die anscheinend in einen Keller führte. Der Zwerg öffnete die Klappe und leuchtete die Räume im Untergeschoss aus: Es handelte sich um ein altes Kellergewölbe, welches in der Bauart den anderen Gewölben unter dem Sonnenhügel glich. Mechthild baute eine improvisierte Leiter, mit der man die wenigen Meter in die Tiefe steigen konnte. Im ersten Raum hatte sich ein wenig Wasser gesammelt, die Räume dahinter waren aber trocken. Die einzelnen Kellerräume waren nicht besonders groß, bildeten aber einen uneinsichtigen Komplex, in dem es viele verborgene Winkel und dunkle Verstecke gab. Die Gefährten hörten ein verstohlenes Kichern aus einem Nebenraum und fanden in einer weiteren Kammer vier blutleere Leichname, deren Hälse aufgerissen worden waren: Es handelte sich um die vermissten Gardisten, die wohl den Vampiren zum Opfer gefallen waren. Mit gezückten Waffen inspizierten die Gefährten vorsichtig einen Raum nach dem anderen. In der hintersten Kammer öffnete Wolfmir vorsichtig einen alten Schrank und erschrak zu tiefst, als sich eine der Vampirfrauen aus den Schatten in der Nähe löste und sich von hinten auf den Ritter stürzte. Aggressiv schlug sie die Fänge in den Hals des Hauptmanns und verletzte dessen Kehle. Warmes, rotes Blut floss an Wolfmir herunter und dieser versuchte, den Blutsauger panisch abzuschütteln. Answulf und Ortax eilten herbei und schlugen nach der Vampirfrau, die sie als Rosavajinia erkannten. Doch erst als Darian seine arkanen Kräfte kanalisierte und magische Flammen auf das ehemalige Freudenmädchen schleuderte, ließ diese von Wolfmir ab. Die blauen Zauberflammen breiteten sich großflächig auf der schreienden Frau aus und brannten auf ihrer Haut wie auf einem Öltuch. Rosavajinia sackte leblos zusammen, doch bevor ihr Ortax den Rest geben konnte, wurde der tapfere Zwerg von der blutlüsternen Aurelia angegriffen, die sich zuvor hinter mehreren Fässern versteckt hatte. Sie sprang den überraschten Zwerg von hinten an und biss sich durch seinen Bart in dessen Hals, der ebenfalls heftig zu bluten anfing. Answulf schlug mit seinem geweihten Sonnenzepter nach der hinterhältigen Vampirfrau, doch diese wich ihm aus und zog sich eilig in den Nebenraum zurück. Darian reagierte sofort und erleuchtete den Raum mit einer magischen Lichtillusion und die verfluchte Aurelia fürchtete das Licht so sehr, dass sie sich keifend in die dunkleren Ecken des Gewölbes zurückzog. Ortax nutzte die Gelegenheit, um der am Boden liegenden und noch immer schmauchenden Rosavajinia den Kopf abzuschlagen und tatsächlich zerfiel deren Leib kurz darauf zu stinkendem Staub. Mechthild, die im Vorraum gewartet hatte, um der Gruppe den Rücken zu decken, verließ ihren Posten und schloss zu ihren Gefährten auf. Allerdings hatte wohl die dritte Vampirfrau Sartassa nur auf diese Unvorsichtigkeit gewartet, überfiel die überraschte Soldatin aus dem Hinterhalt und durchbohrte mit ihren Fängen Mechthilds Halsschlagader. Mechthild konnte den Blutsauger zwar abschütteln, doch die Verletzung war so schwer, dass das Blut schubweise aus ihrem Hals spritzte. Glücklicherweise waren Ortax, Wolfmir und Answulf gleich zur Stelle, um Sartassa von Mechthild abzuschirmen und strategisch einzukreisen. Answulf hob sein Sonnenzepter und
schmetterte dieses mit einem praiosgefälligen Schutzsegen auf den Lippen wuchtvoll in Sartassas Schädel. Die vampirische Halbelfe schrie auf, fing plötzlich an zu brennen und zerfiel ebenfalls zu stinkender Asche. Aus den Augenwinkeln konnte Answulf beobachten, wie die noch immer nicht besiegte Aurelia über einen halbdunklen Gang zur Kellerklappe eilte, und dann durch diese nach oben entkam. Ein lauter Knall und ein anschließendes, schabendes Geräusch machten klar, dass Aurelia die Kellerklappe geschlossen und wohl auch mit einem schweren Möbelstück blockiert hatte. Die Gefährten waren im Keller eingesperrt. Ortax, Wolfmir und vor allem Mechthild versuchten zur Ruhe zu kommen und legten sich auf den Boden. Die Verletzungen an ihren Hälsen reichten bis zu ihren Blutgefäßen und bluteten heftig. Ortax gelang es zwar, seine eigene Blutung mit Hilfe einer zwergischen Bartkompresse zu stillen, doch keiner der Gefährten hatte genug Kenntnisse in den Methoden der Heilkunde, um die Verletzungen von Mechthild und Wolfmir zu stoppen. Während Answulf zur Sicherheit den Leichnamen der ausgesaugten Gardisten mit Mechthilds Kurzschwert die Köpfe abschlug, nahm Darian die mittlerweile bewusstlose Gefährtin an die Hand und sprach: "Ich werde versuchen, eine mächtige Zauberformel anzuwenden, um Mechthild und mich zu Arthilas zu teleportieren. Diese Magie ist schwierig zu wirken, doch ich fürchte, dass Arthilas der einzige ist, der Mechthild nun noch zu retten vermag." Darian konzentrierte sich und sprach die magischen Worte laut und klar, doch die Zaubermatrizen entglitten ihm und erschöpften seine Zauberkraft. Mit traurigem Blick legte er Mechthild sanft zu Boden und schloss ihre Augen. Selbst der starke Ortax spürte einen Kloß in der Kehle, als die tapfere Gefährtin endgültig ihr Leben ließ und zu Boron ging. Nach einem kurzen Moment der Stille sprach Answulf mit leiser, zitternder Stimme: "Wir müssen ihr den Kopf abschlagen, sonst wird sie auch zu so einem Monster!" Dann nahm er das Kurzschwert und tat, was getan werden musste. Trauer und Verzweiflung flutete die Herzen der Gefährten, als es auch Wolfmir immer schlechter ging. Die Blutung an seiner Kehle schien nicht aufzuhören, obwohl Ortax mehrfach versuchte, einen Druckverband an dessen Hals anzulegen. Wolfmirs Haut wurde immer blasser und seine Stimme immer schwächer. Er nickte seinen Freunden ein letztes Mal zu und sackte dann leblos in sich zusammen. Voller Verbitterung legte Answulf das Kurzschwert an, um Wolfmirs Kopf abzutrennen. Doch gerade als er ausholen wollte, um das Werk zu vollenden, schlug Wolfmir die Augen auf, hob den Oberkörper, holte tief Luft, musterte seine Freunde mit erschrockenen Augen und sprach ehrfürchtig: "Ich habe das Angesicht Borons gesehen..." 2. Tag des Namenlosen 1012 BF: Die im Keller eingeschlossenen Freunde nahmen still Abschied von ihrer gefallenen Gefährtin Mechthild. Answulf sprach einige wenige andächtige Worte und bat den Herrn Boron darum, ihre Seele in die zwölfgöttlichen Paradiese zu geleiten. Anschließend untersuchte er ausgiebig seinen Kameraden Wolfmir, da dieser nun möglicherweise ebenfalls von dem Vampirfluch befallen worden war. Ortax und Darian bauten derweil aus Tischen und Kisten eine Treppe, um besser an die Kellerluke zu gelangen, die Ortax mit einigen kräftigen Axthieben in Trümmer schlug. Nachdem die Kellerluke aufgebrochen war und auch in dem verlassenen Haus kein Anzeichen von Gefahr mehr bestand, eilten die Gefährten mit dem schwer verwundeten Wolfmir auf die Straße und brachten diesen umgehend ins Therbûniten‐Hospital, damit Arthilas den Freund medizinisch versorgen konnte. Anschließend gingen Darian, Ortax und Answulf zur Stadtwache, um dort über die Geschehnisse in dem verlassenen Haus zu berichten. Hauptmann Reo führte persönlich einen Trupp Stadtgardisten zum Tatort und ließ die Leichen bergen, die dann am kommenden Morgen rituell verbrannt wurden. Gegen Mittag trafen sich die Gefährten in der Truppenküche der Flussgarnison bei einem kargen Mittagsmahl und
tauschten ihre Erlebnisse aus. Arthilas konnte berichten, dass es Wolfmir mittlerweile besser ging und er zum Glück keine Symptome des Vampirfluchs zeigte. Answulf war allerdings gar nicht zufrieden damit, dass Aurelia Butterweck noch immer auf freiem Fuß war und wohl auch in der kommenden Nacht wieder ihren blutrünstigen Gelüsten nachgehen würde. Noch dazu war Kapo schon seit mehreren Stunden spurlos verschwunden. Als die Gefährten ihr Mittagsmahl beendet hatten und eine Runde Knoblauchschnaps tranken, wurden sie von einem der Torwächter der Flussgarnison angesprochen: "Inquisitor Answulf, hier sind zwei Hilfsgardisten von der Stadtwache, die Euch gerne sprechen möchten." Answulf nickte zustimmend und wandte sich den beiden Stadtwachen zu. Der eine war offensichtlich tulamidischer Abstammung und stellte sich als Altair Leporem aus Lowangen vor, der andere schien ein örtlicher Jägersmann zu sein und hieß Andrak. Während Andrak recht schweigsam war, erzählte Altair gleichwohl aufgeregt und gestenreich, was ihn bewegte: "Werter Herr, wir wollen uns Eurem Kampf gegen die furchtbaren Vampirfrauen anschließen. Wir haben mitbekommen, was den armen Hagenbutts passiert ist und was die Biester mit unseren Kameraden auf dem Sonnenhügel angerichtet haben. Mein Freund Andrak kann gut mit dem Bogen umgehen und ich bin auch geübt im Kampf gegen die Orks. Außerdem habe ich ein Buch in meinem Besitz, in dem wertvolles Wissen über Vampire steht!" Altair legte einen schweren Foliant auf den Tisch, der den Titel "Almanach des Volksglaubens" trug und las vor: "Der Vampir oder Blutsauger erscheint oftmals als bleicher Mensch ohne Herzschlag und Körperwärme, trotz seiner Schmächtigkeit weist er große Kraft und Behändigkeit auf. Zum Leben braucht ein Blutsauger nichts denn das Blut von Lebewesen, vor allem von Menschen, unter diesen besonders Jungfrauen. Zum Blutsaugen besitzen sie spitze Eckzähne, an denen sie auch leicht zu erkennen sind. Tötet ein Blutsauger einen Menschen durch den Entzug des Blutes, so wird dieser nach einem Tag wieder lebendig und selbst zum Ungeheuer. Blutsauger gelten als auf normalem Wege unverwundbar, erleiden aber unter besonderen Bedingungen großen Schaden. Sie erleiden schwere Verbrennungen durch Sonnenlicht und reagieren allergisch auf Silber und dem Wasser aus den Efferdtempeln. Ein Pflock aus frischem Holz ins Herz oder das Abtrennen des Kopfes tötet sie endgültig, während Alraune, Knoblauch und andere Peraine‐Kräuter Ihnen unangenehm sind. Eine gesegnete Praioskrause schützt vor ihrem Biss. Diversen Berichten zufolge sollen manche Vampire nicht von Wasser getragen werden, haben weder Spiegelbild noch Schatten und hinterlassen keine Spuren im Schnee. Ebenso wird berichtet, dass Vampire ohne Einladung kein Heim betreten können und von rahjagefälligem Wein geschwächt werden." Answulf beriet sich kurz mit seinen Freunden und beschloss dann, die beiden Hilfsgardisten unter sein Kommando zu stellen. Dann erteilte er neue Befehle für den Rest des Tages: Arthilas sollte noch einmal nach Wolfmir sehen und sich gleichzeitig im Hospital erkundigen, ob dort Alraunenwurzeln vorrätig waren. Darian sollte sich weiter ausruhen, der Rest der Gruppe sollte aber zu den einzelnen Wachstationen und Garnisonen in den Stadtvierteln Greifenfurts gehen, um sich dort nach weiteren Entführungsfällen oder Mordanschlägen zu erkundigen. Ebenso sollten alle verdächtigten, leer stehenden Häuser genauer inspiziert werden. Speziell sollte auch nach Kapo gefragt werden. Die Fahndungsversuche von Answulfs Gefährten waren zunächst erfolglos, doch gegen Abend bemerkten Andrak und Altair ein verlassenes Haus am Ostmarkt, welches einst dem Pachtmeister der Marktstände gehörte. Auffällig war, dass die Fensterläden im Obergeschoss alle offen standen, im Untergeschoss aber fest verschlossen waren. Bei näherer Untersuchung stellten die beiden fest, dass die Hintertür auf den ersten Blick scheinbar mit Brettern vernagelt war, allerdings leicht geöffnet werden konnte. Ebenso befand sich die Glut eines kürzlich niedergebrannten Feuers im Kamin. Altair eilte schnell zur Flussgarnison, um dort Verstärkung zu holen, während Andrak vor dem Haus Wache stand.
Altair konnte Answulf, Arthilas, Ortax und Rondrian bei der Flusswache antreffen und eilte mit den Gefährten zurück zu Andrak. Die Kameraden hatten sich mit Knoblauchschnaps und einem Fischernetz bewaffnet und drangen vorsichtig in das verdächtige Gebäude ein. Die Freunde hörten merkwürdige Klopfgeräusche im Obergeschoss und fanden dort ein Schlafzimmer vor, in dem ein großer Schrank zentral auf dem Boden lag. Die Schranktüren waren mit einem Holzstück verriegelt, allerdings schien sich etwas in dem Schrank zu befinden, was beständig gegen dessen Innenseite klopfte. Die Gefährten konnten wenig später die Hilferufe einer Frau aus dem Schrank hören, die wohl in dem Möbelstück eingesperrt war. Altair zog vorsichtig den Riegel aus dem Türgriff des Schranks und öffnete diesen. Im Inneren befand sich die Vampirfrau Aurelia Butterweck, die wie eine Katze aus dem Schrank zu springen versuchte. Rondrians Faust war allerdings schneller und streckte die Vampirfrau gleich wieder nieder. Ortax sprühte derweil etwas Knoblauchschnaps auf die Bäckerstochter und Andrak nutzte das Fischernetz, um Aurelia spinnengleich einzuwickeln. Nachdem die zappelnde Aurelia ausreichend gefesselt und in Decken eingewickelt war, eilten die Gefährten wieder in das Untergeschoss des Hauses und bemerkten erstaunt, dass jemand wohl erst vor wenigen Augenblick einen Krug voller dünnflüssigem Pech auf die Eckbank geschüttet und anschließend entzündet haben musste. Von dem Brandstifter war nichts zu erkennen, doch da der Brandherd schwer zu löschen war, eilten die Gefährten mit ihrer Beute eilig aus dem brennenden Haus. Während Altair, Andrak und Ortax die Nachbarn mobilisierten, um den Brand zu löschen, eilten die übrigen Gefährten zurück zur Flussgarnison, um Aurelia in den Kerker einzusperren. Arthilas untersuchte die nach wie vor gefesselte Vampirfrau, die noch immer fürchterliche Krallenhände und scharfe Fangzähne besaß, und stellte verwirrt fest, dass sie weder richtig lebte, noch wirklich tot war. Blutproben, Haarproben und sogar ein ausgerissener Fangzahn verwandelten sich nach kurzer Zeit zu muffig riechender Asche, gleichzeitig schlossen sich ihre Wunden aber nach wenigen Augenblicken auch wieder. Auf Silber und Alraunenpulver reagierte sie, als hätte man ihr eine Fackel auf die Haut gedrückt. Insbesondere schienen sich diese Wunden nicht mehr so schnell zu erholen. Darian wagte eine magische Analyse und stellte dann fasziniert fest: "Ich kann eine okkulte Verwandlungsmagie feststellen, die in ihrer Aura an eine dämonisch induzierte Erkrankung oder Besessenheit erinnert und sie in einem Zustand zwischen Leben und Unleben hält. Ich glaube nicht, dass man diesen Zustand beenden kann, ohne das Subjekt dadurch zu töten." Aurelia selbst schien wahnsinnig und verwirrt zu sein. Sie sprach immer wieder von ihrem großen Hunger und bat um einen Schluck Blut. Answulf versuchte sie zu verhören, während Arthilas gleichzeitig in ihren Geist eindrang, um ihre Gedanken zu lesen. Aus den Erinnerungsfetzen und Gedankenbildern puzzelten Answulf und Arthilas die Umstände ihrer Verwandlung zusammen und berichteten, was ihr wohl widerfahren war: "Aurelia spricht von einem dämonischen Meister, der ihr vor wenigen Tagen im nächtlichen Stadtpark aufgelauert war und sie zu dem gemacht hat, was sie jetzt ist. Dieser Meister scheint eine monströse Kreatur mit blutroter Haut zu sein, der wie eine Mischung aus haarlosem Ork und Fledermaus aussehen muss. Die Kreatur ist gleichsam stark wie hinterhältig und hat Aurelia ins Haus am Ostmarkt verschleppt und dort ihr Blut getrunken. Die Kreatur hat Aurelia anschließend zur bereits verwandelten Rosavajinia in den Schrank gesperrt und ihr befohlen, dort zu schlafen. Einige Zeit später ist wohl auch Sartassa als dritte Vampirfrau in den Schrank gesperrt worden. Allerdings gehorchte Sartassa wohl nicht ihrem Vampirmeister und hat den Schrank geöffnet. Die drei Vampirfrauen sind vermutlich in den vergangenen Nächten gegen den Willen ihres Meisters durch die Stadt geirrt, um ihren Blutdurst zu stillen." Woher dieser Vampirmeister kam, wo er sich versteckt hielt und ob es noch weitere Vampirfrauen in anderen Verstecken gab, konnte Aurelia nicht beantworten.
Am kommenden Morgen des 3. Tags des Namenlosen tagte der Kriegsrat und natürlich war dem Stadtkommandanten Marcian nicht verborgen geblieben, welche Kreatur in seiner Feste untergebracht worden war. Insbesondere Zerwas war der Meinung, dass ein solch gefährliches Wesen sofort vernichtet werden musste: "Was ist, wenn sich mit Hilfe ihrer übernatürlichen Kräfte befreien kann und ein Massaker in der Flussgarnison anrichtet? Bestimmt haben uns die Tairachschamanen der Orks diesen Fledermausdämon geschickt, um uns von innen heraus zu vernichten. Ich stelle meine Klinge und Henkerserfahrung gerne zur Verfügung, um diesem Ungeheuer den Kopf abzuschlagen. " Answulf widersprach und argumentierte, dass Aurelias Seele in den Namenlosen Tagen nur schwer den Weg in Borons Hallen finden konnte: "Wie es uns die Zeugnisse der Heiligen des Herrn Praios lehren, soll die verfluchte Bäckerstochter am Tag des Praios den Feuertod finden, damit ihre unsterbliche Seele vom dämonischen Makel gereinigt werden kann!" Den Vormittag verbrachten die Gefährten mit weiteren Vorbereitungen: Ortax schmiedete Silberbeschläge an seinen Rundschild und Darian kochte ein einfaches Waffenöl aus Alraunensud und ranziger Knoblauchbutter. Nach dem Mittagessen wurde Answulf erneut von Altair und Andrak aufgesucht: Beide hatten noch einmal in dem anbrannten Vampirhaus nach Hinweisen gesucht und konnten ein dunkles, gelocktes Haar sicherstellen, welches sich im Türrahmen der Hintertür verfangen hatte. Answulf fiel auf Anhieb keine Person ein, von der das Haar stammen konnte. Arthilas war aber der Meinung, dass er mit seiner Elfenmagie möglicherweise in der Lage war, den Eigentümer des Haars aufzuspüren. Der Elf zog zusammen mit dem halbwegs genesenen Wolfmir durch die Straßen der Stadt, um den unbekannten Lockenkopf zu telepathisch zu orten. Am Nachmittag erklangen plötzlich Alarmrufe und Warnhörner von der Ostschanze. Ein berittener Bote erreichte die Flussgarnison und schrie: "Die Orks! Sie haben berittene Krieger zur Schanze geschickt! Holt den Stadtkommandanten, sie wollen wohl verhandeln!" Marcian schwang sich sofort auf sein Pferd und auch Rondrian und Darian folgten dem Stadtkommandanten zum Stadttor an der Ostschanze. Von dort aus konnten die Greifenfurter etwa vier Schwadronen berittener Orkkrieger erspähen. Der Großteil der Schwarzpelze befand sich außerhalb der Reichweite der Bogenschützen, eine kleine Delegation hatte sich aber aus dem Truppenverband gelöst und kam vorsichtig näher an die Stadtmauern heran. Die näher kommenden Reiter trugen ein weißes Banner und immer wieder erschallte der Ruf eines kahlköpfigen Andergasters mit schwarzem Rauschebart, der an der Seite der Orks ritt: "Der große Sharraz Garthai fordert ein, euren Anführer zu sprechen! Bringt uns euren Anführer!" Neben dem Kahlkopf befand sich noch ein anderer Mensch bei den Orkreitern: Dieser saß gefesselt auf dem Pferd eines Orkkriegers und war mit einem Leinensack verhüllt. Marcian ließ sich auf die Aufforderung ein und ritt mit einer kleinen Delegation, zu der auch Rondrian, Darian und Trullane von Wertlingen gehörten, näher an die feindliche Gruppe heran. Als sich beide Delegationen in Hörweite zueinander befanden, bellte der Anführer der Orks harsche Worte in seiner Muttersprache und der Andergaster übersetzte diese: "Ihr närrischen Glatthäute, die ihr noch immer in diesen Mauern verharrt. Eure Schlacht ist vorbei, eure Armee ist gefallen, euer Prinz ist in unseren Händen!" Einer der Orkreiter zog dem gefangenen Menschen den Leinensack vom Kopf. Er war geknebelt und starrte mit leeren Augen auf den Boden zu seinen Füßen. „Das ist er, das ist Prinz Brin!“, schrie Trullane von Wertlingen mit überschlagender Stimme. Erneut bellte der Orkhäuptling und der Andergaster übersetzte: "Räumt diese Stadt, sie gehört uns, ihr habt sie uns gestohlen! Bis zum Abend sollt ihr Zeit haben, euch nach Süden zurückzuziehen. Alle Bewaffneten, die nicht bis zum nächsten Morgengrauen die Mauern Saljeths verlassen haben, haben ihr Leben verwirkt. Sie werden an den Stelen zu Ehren Tairachs sterben. Die Haut wird ihnen vom Leib
abgezogen, bis der Blutgeruch die Wölfe anlockt. Ihre Augenlider werden abgeschnitten, damit Raben ihnen die Augäpfel herauspicken. Nach drei Tagen werden den noch Lebenden die Zähne herausgebrochen und mit eisernen Haken das Herz herausgezogen und zu ihren Füßen vergraben, denn sie waren stark genug, im Totenreich Tairachs als Sklaven leben zu dürfen." Der Orkkrieger zog den Sack wieder über den Kopf des Gefangenen und die Delegation der Schwarzpelze zog sich zurück. Doch als die Orkreiter wieder bei den verbliebenen Truppen angekommen waren, wandten sie sich noch einmal den Greifenfurtern zu. Mit einer fließenden Bewegung zückte der vorderste Reiter einen großen Dolch und schnitt dem Gefangenen die Kehle durch. Dieser zuckte kurz unter seinem Leinensack auf und erschlaffte, während sich der Leinensack mehr und mehr mit Blut vollsog. Trullane schrie vor Entsetzen, doch sowohl Marcian als auch die meisten anderen Mitglieder der Delegation blieben ruhig oder ließen sich ihren Schrecken zumindest nicht anmerken. Als die Orks außer Hörweite waren, ergriff Darian das Wort: "Der Gefangene war verzaubert oder vielleicht sogar verwandelt. Es kann durchaus sein, dass dies nur ein Trick war, um unsere Moral zu brechen. Ich glaube außerdem, dass der Andergaster ein mächtiger Druide ist. Warum er sein eigenes Volk an die Orks verrät, kann ich mir aber nicht erklären." Auch Rondrian hatte starke Zweifel: "Der Prinz hätte niemals gebrochen zu Boden geblickt, er hätte stolz nach vorne geschaut und sich nicht wie ein Schlachtlamm verhalten." Marcian schloss sich dieser Meinung an und konnte auch Trullane von Wertlingen davon überzeugen, dass die Orks wohl mittlerweile so tief gesunken waren, dass sie ihre Schwäche mit schändlichem Blendwerk zu vertuschen versuchten. Unter den Verteidigern der Stadt verbreiteten sich natürlich schnell Gerüchte darüber, was tatsächlich passiert war. Doch Marcian konnte mit Hilfe seiner Erfahrungen in moralischer Kriegsführung und Propagandawesen kommunizieren, dass es sich bei der Angelegenheit um einen plumpen Einschüchterungsversuch der Orks handelte, bei der ein schlecht getarnter Doppelgänger des Prinzen sein Leben lassen musste. Die Aufforderung der Orks an die Verteidiger, die Stadt vor Sonnenaufgang zu verlassen, wurde ebenfalls als hinterhältige Intrige eingestuft. Am späten Nachmittag fanden Ortax und Altair heraus, dass Kapo wohl mittlerweile selbst die Stadt Greifenfurt verlassen hatte: Die Stadtwachen am Rondrator konnten berichten, dass er mit einem Pferd in den Morgenstunden nach Süden davon geritten war. Etwa zeitgleich konnte Arthilas mit seinen Elfensinnen die Aura des gesuchten Lockenkopfs am Sonnenhügel spüren: Es war niemand anderes als der verrückte Uriens. Arthilas und Wolfmir befragten den verwirrten Obdachlosen, doch dieser rief weiterhin nur die immer gleichen Worte: "Der Tod trägt rot!" Arthilas nutzte seine Elfenmagie, um die Gedanken des Schwachkopfs zu lesen, doch diese waren äußerst verwirrend und schwer in die richtige Reihenfolge zu bringen. Arthilas glaubte aber, dass Uriens wohl mittels Telepathie dazu gebracht worden war, das Haus der Vampire anzuzünden. Außerdem konnte Arthilas einen angsterfüllten Gedanken im wirren Geist von Uriens isolieren: "Er ist dem roten Fledermausdämon begegnet...in einer kalten Vollmondnacht im Schnee...bei der Blutulme im Garten der Elfenbergs...der Dämon hat ihn bemerkt, aber verschont!" Beim Abendessen trafen sich die Gefährten wieder in der Flussgarnison. Answulf wollte weiterhin die gefangene Aurelia bewachen und das Buch des Heiligen Aldec Praiofold lesen. Darian hatte allerdings andere Pläne: "Wir sollten uns heute Nacht im Garten der Elfenbergs auf die Lauer legen und den Nachthimmel beobachten. Heute ist Vollmond und ich habe da Gefühl, dass sich der Fledermausdämon wieder zeigen wird." Rondrian stimmte dem zu und auch Ortax, Wolfmir, Arthilas, Altair und Andrak wollten sich der Vampirjagd anschließen. Die Gefährten rüsteten sich entsprechend mit Netzen und Silberwaffen aus und vergifteten ihre Pfeile mit dem Alraunengift. Die Gruppe marschierte zum Sonnenhang und Darian wurde bei Clarissa Elfenberg vorstellig. Die Patrizierin war anfangs nicht
begeistert davon, dass selbsternannte Vampirjäger in ihrem Garten kampieren wollten, bot den Gefährten nach längerer Überzeugungsarbeit allerdings an, den kleinen Wachturm an der Gartenmauer zu öffnen, damit sich die Gefährten dort auf die Lauer legen konnten. Der kleine Wachturm lag zentral und war hoch genug, so dass man die ganze Stadt im Mondlicht der sternenklaren Nacht betrachten konnte. Die Fackeln und Lampen auf den Stadtmauern waren ebenso zu erkennen wie die Lagerfeuer der Orkspäher in der Ferne. Gegen Mitternacht entdeckte Arthilas ein Flugwesen am Himmel, welches von der Ostschanze kam und zielgerichtet nach Westen flog. Arthilas, Andrak und Altair eröffneten das Feuer und trafen das überraschend große Wesen sogar mit ihren vergifteten Pfeilen. Die Kreatur sah tatsächlich wie eine haarlose Riesenfledermaus aus und kreischte auf, als die Pfeile in ihren Leib einschlugen. Der Dämon ließ sich aber nicht von seinem Pfad abbringen und flog weiter nach Westen in Richtung Flussgarnison. "Es will zu Aurelia!", schrie Ortax. Die Gefährten nahmen die Beine in die Hand und eilten zur Flussgarnison, aus deren Richtung bereits Alarmrufe erklangen. Zunächst herrschte große Verwirrung, weil die Verteidiger der Garnison von einem Angriff der Orks ausgingen. Schnell stellte sich aber heraus, dass die Nachtwächter auf dem Nordturm der Flussgarnison tatsächlich vom Fledermausdämon kaltblütig gemetzelt wurden. Es sollte wohl kein Zufall sein, dass sich im Nordturm der einzige Zugang zu den Kerkern und Kellern der Festung befand. Arthilas, Andrak und Altair näherten sich dem Dämon vom Nordwestturm aus an und schossen weiterhin ihre vergifteten Pfeile auf die niederhöllische Kreatur, die bereits ein gutes Dutzend an Verteidigern mit ihren überaus starken Klauen zerrissen hatte. Das Gift der Alraune schien aber seine Wirkung nicht zu verfehlen: Die Riesenfledermaus heulte bei jedem Treffer fürchterlich auf und ließ dann ab von ihrem Blutrausch. Taumelnd stürzte sie sich von der Mauer und segelte nach Osten davon. 4. Tag des Namenlosen 1012 BF: Der Fledermausdämon konnte in den Stunden vor Sonnenaufgang vertrieben werden, doch seinen kraftvollen Angriffen waren ein Dutzend Verteidiger der Flussgarnison zum Opfer gefallen. Arthilas und Meister Gordonius versorgten die verletzten Überlebenden, die Leichname der Gefallenen wurden allerdings in ein Lagerhaus am Flusshafen gebracht, damit diese zu späterer Zeit verbrannt werden konnten. Pünktlich zum Sonnenaufgang pries Inquisitor Answulf den Herrn Praios in einem Morgengottesdienst und predigte von dem Bösen, welches in den Namenlosen Tagen den Glauben eines jeden Rechtschaffenen auf die Probe stellte. Nach dem Gottesdienst tagte Marcians Kriegsrat, der allerdings recht schwach besucht war, da Alrik von Blautann noch immer auf Rettungsmission war und sich Meister Gordonius um die verletzten Kameraden kümmern musste. Insbesondere fehlte aber auch Zerwas, so dass Rondrian und Answulf beschlossen, gemeinsam mit Ortax, Wolfmir und den Gefährten von der Stadtwache den Henker von Greifenfurt in seiner Heimstatt zu besuchen. Die Gefährten klopften wenig später an die Vordertür des Wohnturms, doch Zerwas war wohl nicht zu Hause. Wolfmir und Ortax hatten schon lange den Verdacht, dass Zerwas etwas zu verbergen hatte, und konnten die übrigen Gefährten überreden, in den Wohnturm einzubrechen, um nach Hinweisen zu suchen. Rondrian gelang es allerdings nicht, die Vordertür aufzubrechen, da diese mit Eisenstreben und einem modernen Schloss bestens gegen Einbrüche geschützt war. Ortax beschloss deshalb, auf den Balkon des Wohnturms zu klettern und die Balkontür einzutreten. Die übrigen Gefährten drangen ebenfalls über den Balkon in den Turm ein und durchsuchten die Wohnräume des Henkers. Es stellte sich schnell heraus, dass Zerwas wohl recht gut betucht war und über edle Kleider und wertvollen Silberschmuck verfügte. Er war offensichtlich belesen, beschäftigte sich mit der Kunst Poesie und hatte wohl auch regelmäßig Damenbesuch. In einem Geheimfach konnten die Gefährten einen Beutel mit geschliffenen Edelsteinen finden, die vor allem im Süden ein beliebtes Zahlungsmittel waren. Der Edelsteinvorrat war wertvoll genug, um ein Dutzend weiterer Häuser in Greifenfurt zu erwerben, die Gefährten wagten es aber nicht, den Henker zu bestehlen. Arthilas bemerkte außerdem ein
interessantes Detail: Die Wohnräume von Zerwas waren zwar gepflegt, aber nicht unbedingt peinlich sauber. Trotz dieser Tatsache konnte der Elfenheiler aber nicht ein einziges Haar von Zerwas finden. Da die Gefährten im Wohnturm keinen Hinweis auf den Verbleib des Henkers finden konnten, erkundigten sie sich bei den Wachhabenden der Stadttore, doch niemand hatte den vermissten Südländer an diesem Tag oder in der vergangenen Nacht gesehen. Gegen Mittag erklangen die Kriegstrommeln der Orks und mehrere Späher berichteten, dass die Schwarzpelze wohl einen Angriff auf die Stadt vorbereiteten. Rondrian führte seine Gefährten daraufhin zur Rondraburg, um sich dort den Verteidigern anzuschließen. Er stellte auch Andrak und Altair unter sein Kommando, da er diese für fähige Kämpfer hielt. Die Trommelsignale der Orks waren den ganzen Tag über zu hören, doch erst als die Nacht hereingebrochen war, erklangen Hornsignale und Alarmrufe von der Norrnfeste. Rondrian hielt mit seinem Trupp die Stellung am Südtor und erfuhr über die regelmäßig eintreffenden Botenreiter, dass die Schwarzpelze mit Hilfe von Sturmleitern und Setzwällen versuchten, die Nordmauer einzunehmen. Während Rondrian abwog, ob er seine Untergebenen zur Norrnfeste führen sollte, entdeckte Ortax eine seltsame Nebelwolke, die die südöstlichen Ufertürme am verfluchten Mauerabschnitt in dichten Dunst hüllte. Der Zwerg wurde mit einem Pony ausgeschickt, um sich die Nebelwolke genauer anzuschauen. Dieser bemerkte schnell, dass eine kleine Gruppe von kampfstarken Zholochai im Schutz des Nebels von der Flussseite aus in die Stadt eingedrungen war und die Südwestmauer einnehmen wollte. Ortax kehrte augenblicklich um und informierte Rondrian über die Eindringlinge. Der Feldkaplan wiederum sammelte seine besten Waffengefährten, um die Flussseite zu verteidigen. Gemeinsam ritten die Waffenbrüder zum Hafen und bemerkten, dass etwa zwei Dutzend Zholochai bereits den Hafenturm an der Kaimauer erstürmt hatten und über die Wehrgänge den benachbarten Eckturm einnehmen wollten. Arthilas, Andrak und Altair lenkten ihre Pferde näher an die Mauer heran und nahmen die schlecht geschützten Orks mit ihren Bögen unter Beschuss. Rondrian führte derweil Ortax, Wolfmir, Darian und Answulf zum Eingangstor des Hafenturms, da von dort aus eine Treppe auf den umkämpften Mauerabschnitt führte. Der Innenraum des Hafenturms war allerdings in Dunkelheit verborgen, doch gebrüllte Befehle in der Sprache der Schwarzpelze machten klar, dass sich noch immer einige Angreifer in der Düsternis befanden. Rondrian drang dennoch vorsichtig in den Hafenturm ein und wurde sofort von mehreren Zholochai angegriffen, die sich in der Dunkelheit verborgen hielten. Rondrian wehrte die Speerstöße mit seinem Schild ab und verschanzte sich in einer dunklen Ecke. Ortax, der ebenso wie die Orks in der Nacht besser sehen konnte, als es Menschen möglich war, folgte seinem Anführer und versuchte die benachbarte Ecke zu verteidigen. Die kampferprobten Zholochai nahmen Rondrian und Ortax in die Zange, während eine seltsame Kreatur aus der Dunkelheit gekrochen kam und sich auf Rondrian zubewegte. Die offensichtlich magische Kreatur wirkte auf den ersten Blick wie ein zwei Schritt großer Wels, der in seinem Inneren aus dunklem Wasser zu bestehen schien. Das Wesen watschelte nach vorne und versuchte, Rondrian mit seinen wässrigen Tentakeln zu erwürgen. Glücklicherweise gelang es Answulf aber, die Kreatur von Rondrian abzulenken und aus dem Gebäude zu locken. Darian erkannte die Kreatur als ein Elementarwesen, lud seine Fackel mit geballter Astralkraft auf und erschlug das Untier mit einem einzigen, mächtigen Hieb. Die Zholochai im Innenraum waren allerdings nach wie vor ernstzunehmende Gegner und lieferten den Gefährten ein Gefecht auf Leben und Tod. Erst nach mehreren Anläufen und mit der Hilfe von Andrak, Altair und Arthilas gelang es Rondrians Stoßtrupp, die Zholochai zu überwältigen und den Hafenturm wieder unter Kontrolle zu bringen.
Die Gefährten eilten anschließend auf den Wehrgang des umkämpften Mauerabschnitts und konnten erkennen, dass die verbliebenen Zholochai wohl bereits in den benachbarten Eckturm eingedrungen waren. Gleichzeitig ertönten neue Alarmrufe und Warnsignale von der nahe gelegenen Südmauer. Rondrian und seine Kameraden folgten der Spur aus orkischen und menschlichen Leichnamen, unter denen sich auch Gernot Brohm befand, und folgten den Angreifern in den umkämpften Eckturm. Kampflärm deutete darauf hin, dass die marodierenden Zholochai wohl gerade auf der Wehrplatte im obersten Turmgeschoss waren, um die dort stationierten Bogenschützen abzuschlachten. Zusammen mit weiteren Verteidigern von der benachbarten Mauer eilten die Gefährten auf der Wendeltreppe nach oben und entdeckten auf der Wehrplatte zu ihrer Überraschung den Henker Zerwas, der wohl mit seiner schwarzen Boronsichel die feindlichen Zholochai abgewehrt hatte. Mit einem süffisanten "Boron mit Euch! Ihr seid spät dran, ich bin schon fast fertig mit der Arbeit!" begrüßte er die Verteidiger und schlug anschließend dem letzten lebenden Zholochai mit einem eleganten Schwerthieb den Kopf vom Hals. Die Gefährten hatten keine Zeit um zu hinterfragen, warum der Henker ganz alleine auf der Wehrplatte war, um sich einer Überzahl von Orks zu stellen, da der Ansturm der Schwarzpelze noch lange kein Ende gefunden hatte: Vom Eckturm aus konnten die Verteidiger sehen, wie unzählige Orks mit Sturmleitern zur nahegelegenen Südmauer vordrangen, um diese zu besetzen. Ebenso konnte Arthilas ein kleines, vogelähnliches Sturmelementar erkennen, welches für kurze Zeit versuchte, die Mauerwächter mit magischen Windböen von den Zinnen zu wehen, sich dann aber in die Dunkelheit der Nacht zurückzog. Rondrian führte die Verteidiger zur Südmauer und mit vereinten Kräften gelang es den Plänklern, den Sturm auf die Mauer abzuwehren. Unzählige Schwarzpelze fanden in der Schlacht ihren Tod, doch auch der eine oder andere Verteidiger musste dafür mit seinem Leben bezahlen. Als sich mehr und mehr zeigte, dass die Schwarzpelze nicht in der Lage waren, mit ihren Sturmleitern die Südmauer einzunehmen, machten eine feurige Explosion sowie entsetzte Aufschreie am nicht weit entfernten Südtor klar, dass dort mit weiteren Angreifern zu rechnen war. Mit den letzten verbliebenen Kräften eilten Rondrian und seine Freunde auf dem Wehrgang weiter zum Südtor und erblickten dort drei Dutzend Korogai und einige wenige Zholochai, die wohl durch das Südtor gebrochen waren und sich innerhalb der Stadtmauern ein Gefecht mit Lysandras Freischärlerinnen lieferten. Ganz vorne in der Schlachtreihe tobte ein befremdlicher Stier, der wie eine grob gehauene Statue wirkte und wohl magisch zum Leben erweckt worden war. Der Felsenstier zermalmte die Verteidiger wie ein lebendig gewordener Rammbock und hatte den Orks wohl im Vorfeld dabei geholfen, das Südtor zu durchbrechen. Rondrian führte seine Gefährten durch einen der Tortürme nach unten und stellte sich dem steinernen Ungeheuer entgegen, doch weder Rondrians Schwert noch die Klingen seiner Freunde waren in der Lage, den Felsenpanzer des Stiers zu durchbrechen. Als der Felsenstier dabei war, Rondrian auf die steinernen Hörner zu nehmen, zückte er den magischen Ritualdolch, den die Freunde vor einigen Wochen im Tairach‐Schrein unter dem Sonnenhügel gefunden hatten, und rammte die kupferne Klinge in die steinerne Augenhöhle des Ungetüms. Die Kreatur trat mit ihren Hufen wütend nach dem Feldkaplan und warf diesen um, doch Answulf und Wolfmir nutzen die Gelegenheit, um den Stier aus dem Gleichgewicht zu schleudern und ebenfalls zu Fall zu bringen. Die Erde vibrierte leicht, als der steinerne Stier auf dem Boden aufschlug. Zerwas nutzte die Gelegenheit, um sein schwarzes Schwert in den Kopf der Kreatur zu rammen, und tatsächlich gelang es ihm, mit der Klinge den Fels zu durchbrechen. Der steinerne Stier erschlaffte daraufhin und zerfiel zu losen Felstrümmern. Wenige Minuten später gelang es den Verteidigern, die angreifenden Orks zurückzudrängen und zu besiegen. Die überlebenden Schwarzpelze zogen sich vom Schlachtfeld zurück und die Verteidiger nutzten die Zeit, um die offene Bresche im Südtor mit Felstrümmern und Brettern zu verschließen.
Zum Morgengrauen des letzten Tages des Namenlosen war die Schlacht um Greifenfurt geschlagen. Die Stadt konnte gehalten werden und den Orks war es nicht gelungen, die Verteidigung der Metropole nachhaltig zu beschädigen. Im Laufe des Tages wurden vor allem die Verwundeten versorgt. Die Leichname der Gefallenen wurden ebenfalls am Hafen gesammelt, damit diese am kommenden Tag auf der anderen Uferseite bestattet werden konnten. Insgesamt waren etwa 150 Verteidiger von Greifenfurt in dieser Schlacht gefallen, die Orks hatten allerdings knapp 500 Angreifer verloren. 1. PRA 1013 BF: Zu Beginn des neuen Jahres war trotz der vergangenen, aufreibenden Schlacht große Freude und Erleichterung in Greifenfurt zu verspüren. Answulf organisierte einen großen Morgengottesdienst zum Tag des Lichts, in dessen Rahmen nicht nur die gefallenen Verteidiger feierlich verbrannt wurden, sondern auch die Vampirfrau Aurelia den reinigenden Flammen übergeben worden war: "Mögen die heiligen Flammen ihre Seele von allen Verfehlungen und aller Sünde reinigen und geleitet von der Asche den Weg in die himmlischen Gefilde finden!", sprach der Inquisitor die überlieferten Worte und forderte die Gläubigen zum Gebet auf, während die ehemalige Bäckerin schreiend in den Flammen verging. Am Nachmittag verbreitete sich eine weitere Nachricht wie ein Lauffeuer in den Straßen von Greifenfurt: Alrik von Blautann war mit seinen Reitern zurückgekehrt und wurde zudem auch noch von zwei Bannern Angbarer Sappeure und einer Hand Bethanaer Kampfmagier begleitet. Im Kriegsrat berichtete Alrik von Blautann, was er und seine Truppen erlebt hatten: "Wir sind am Rand des Reichsforsts von Süden her nach Eslamsroden vorgestoßen, doch bevor wir in Reichweite der Stadtmauern waren, stießen wir auf Kundschafter des Kaiserlichen Heeres. Uns wurde berichtet, dass der Reichsbehüter wohlauf war und sich im Hauptlager am Dergelufer befand. Die Kundschafter haben uns zum Hauptlager geführt, so dass wir persönlich mit Prinz Brin und Helme Haffax sprechen konnten. Die Schwarzpelze wollten uns also tatsächlich mit einem Doppelgänger des Prinzen täuschen. Der Reichserzmarschall hat uns anschließend befohlen, die Angbarer Sappeure und die Kampfmagier nach Greifenfurt zu eskortieren, damit die Stadt weiter gehalten werden kann. Die Kaiserlichen selbst müssen zunächst Eslamsroden befreien, so dass wir vermutlich noch einige Wochen durchhalten müssen, bis das Greifenfurter Land vollständig befreit werden kann." Marcian nickte zustimmend und gab entsprechende Anweisungen für die weitere Verteidigung der Stadt. Ebenso wurden den Sappeuren und den Kampfmagiern eigene Quartiere und Wachbereiche zugewiesen. In den kommenden Tagen gab es keine weiteren Angriffe von Seiten der Orks, allerdings drückte der Hunger wieder deutlich auf die Stimmung der Bürger. Answulf nutzte diese Zeit, um die Memoiren des heiligen Aldec Praiofold II. zu Ende zu lesen. Nach anfänglichen Schwierigkeiten mit der unsauberen Schrift verschlang er das Buch aber regelrecht und berichtete wenig später aufgeregt, was er über die Erlebnisse des ersten Priesterkaisern gelernt hatte: "Im Jahr 290 BF ist Aldec Novize im Praiostempel zu Greifenfurt. Er berichtet von den Umtrieben des ketzerischen Barons Walmir von Riebeshoff, der in der Acheburg seinen Heimatsitz hat. Der Baron wurde der Namenlosen‐Anbeterei und der Menschenopferung für schuldig erklärt, hatte sich seiner Verhaftung aber blutig widersetzt. Der Baron wurde vom Henker von Greifenfurt in der Mittagssonne hingerichtet. Bemerkenswert war, dass der Körper des Barons nach der Enthauptung zu stinkender Asche verbrannt war. Im Jahr 303 BF ist Aldec Tempelvorsteher des Praiostempels zu Greifenfurt. In dieser Zeit geschah es, dass der Henker von Greifenfurt eines grausamen Verbrechens angeklagt worden war: Er soll zwei Ordensschwestern des Norrnklosters entführt und verzaubert haben, so dass diese von blutrünstigen Dämonen besessen waren. Der Wohnturm des Henkers, in dem sich alle drei befanden, wurde daraufhin
angezündet und die Brut des Namenlosen damit verbrannt. In der Glut fand man den schwarzen Zweihänder, den einst Walmir von Riebeshoff besessen hatte. Im Jahr 307 BF ist Aldec ist Illuminierter von Greifenfurt. Er stellt eine Theorie auf, dass die Katakomben unter dem Sonnenhügel einst von den Schwarzpelzen bewohnt waren, die dort ihrem Blutgötzen eine große Tempelhalle errichtet hatten. Ein halbgöttlicher, stierköpfiger Sohn des blutigen Orkgötzen Tairach soll die Kulthallen bewohnt haben und sich von den Orks verehrt haben lassen. Die wahren Götter konnten diesen Schandfleck aber wohl nicht ertragen und haben die komplette Anlage unter Erde begraben. Aldec stellt außerdem eine Beziehung zwischen dem stierköpfigen Halbgott und der von ihm offensichtlich verachteten Kriegsgöttin Rondra her, die er als Mutter des Stiergotts identifiziert. Im Jahr 317 BF ist Aldec seit 10 Jahren Illuminierter von Greifenfurt. Er berichtet von einem Massaker an den Praiospriestern der Stadt, die in einer Vollmondnacht in den Namenlosen Tagen allesamt scheinbar von einer wilden Bestie ermordet worden waren. Ausgiebige Untersuchungen lassen erkennen, dass der Mörder niemand anderes als der Henker von Greifenfurt war, der nach seiner Verbrennung offensichtlich von den Toten zurückgekehrt war. Der ehemalige Henker wurde vom neuen Henker der Stadt enthauptet und erneut zerfiel sein Leib zu Asche. Die Asche wurde allerdings in einer geweihten Urne versiegelt und an einem sicheren Ort versteckt, der nur die Wegkreuzung genannt wird, dessen genaue Lage aber verschwiegen wird. Im Jahr 324 BF ist Aldec Bote des Lichts zu Gareth. Zu einer seiner ersten Amtshandlungen zählte die Gründung des Ordens vom Bannstrahl Praios‘, dessen Aufgabe es sein sollte, die Kreaturen des Namenlosen zu jagen. Im Jahr 330 BF erfährt Aldec Praiofold II von einer erneuten Vampirplage in Greifenfurt. Er sendet seine Bannstrahler aus, um den Erzvampir hinter diesem Verbrechen zu finden. Die von Aldec ausgesandten Bannstrahler konnten nach monatelangen Untersuchungen und unzähligen Verlusten eine alte Burgruine in den Wäldern südöstlich von Greifenfurt ausmachen, in der sich der Erzvampir eingenistet hatte. Aldec bezeichnet diesen Erzvampir als Walmir den Ketzer. Aldec berichtet, dass sich laut Aussagen der Bannstrahler der Erzvampir im Kampf gegen die Bannstrahler in eine blutrote, fledermausartige Kreatur verwandelt hatte, aber mit Hilfe von efferdgefälligen Netzen eingefangen und einer geweihten Praioskrause und vergoldeten Ketten gebunden werden konnte. Da Aldec damals befürchtet hatte, dass der Erzvampir nach seiner körperlichen Vernichtung erneut zurückkehren würde, ließ er anweisen, den noch lebenden, aber gefesselten Walmir in einem praiosgefälligen Sarg lebendig zu vergraben. Die Grabstätte wurde unter der Krypta des Praiostempels zu Greifenfurt angelegt. Aldec Praiofold ließ außerdem anweisen, dass ein jeder Diener des Praios von den Schandtaten des Ketzers unter der Krypta erfahren sollte, damit sein Grab nie mehr geöffnet werden würde. Aldec schreibt abschließend, dass es nach dieser Handlung keine Vampirplage mehr in Greifenfurt gab. Nach dem Tod von Kaiser Rude und der Ermordung von Rudes Sohn wird Aldec Praiofold II im Jahr 335 BF zunächst zum Reichsbewahrer und dann zum ersten Priesterkaiser. Er berichtet vor allem von den gewaltsamen Bemühungen der Rondrianer, die praiosgefällige Ordnung zu stürzen. In dieser Zeit ordnete er an, die Rondratempel zu schließen und die Geweihten der ketzerischen Kirche zu verhaftet, peinlich zu befragen und notfalls hinzurichten. Aldec begründet diese drastischen Schritte mit einer von ihm entdeckten spirituellen Verbundenheit zwischen den Opferkulten der Rondra und den Blutgötzen der Orks. " Anfang PRA 1013 BF: Nachdem der Angriff der Orks in den Namenlosen Tagen erfolgreich abgewehrt worden war, kehrte allmählich wieder Ruhe und Alltag in die Stadt Greifenfurt ein. In Marcians Kriegsrat
wurde vor allem diskutiert, wie mit der drohenden Lebensmittelknappheit und einem möglichen weiteren Angriff der Orks umgegangen werden sollte. Erste Berichte des Proviantmeisters machten aber klar, dass die Stadt bei strenger Rationierung bis zum Boronmond versorgt sein würde. Inquisitor Answulf und Magister Darian beschäftigten sich in diesen Tagen nach wie vor mit dem blutroten Fledermausdämon, der wohl der Meister der Vampirfrauen war. Diese Kreatur des Namenlosen war gemäß der Aufzeichnungen bereits zu Zeiten von Priesterkaiser Aldec Praiofold unter dem Namen Walmir von Riebeshoff bekannt gewesen und hatte damals ebenfalls in der Mark Greifenfurt Angst und Schrecken verbreitet. Answulf interessierte sich insbesondere für den praiosgefälligen Sarg, in dem der verfluchte Erzvampir laut den Memoiren des Priesterkaisers vor vielen Jahrhunderten unter dem Praiostempel lebendig begraben worden war. Außerdem hatte er das Gefühl, dass das schwarze Schwert von Zerwas mit dem Vampirfluch zusammenhing und möglicherweise ebenfalls von den Grubenarbeitern ausgebuddelt worden war. Der Inquisitor erkundigte sich deshalb bei den ehemaligen Grubensklaven nach außergewöhnlichen Fundstücken. Diese konnten ihm zwar bestätigen, dass sie von den orkischen Besatzern gezwungen worden waren, den Praiostempel abzutragen, dessen Krypta auszuheben und sämtliche Särge zu zerstören, die sich dort befunden hatten, doch ungewöhnliche Funde waren nicht bekannt. Weibel Sigiswald konnte sich an genauere Details erinnern und erzählte dem Inquisitor, an was er sich erinnerte: "Die Orks haben uns befohlen, die Gräber zu öffnen. Die Knochen und Leichenteile wurden an einen Orkschamanen übergeben, die Grabbeigaben aus Gold und aus anderen Metallen sowie die Waffen wurden in einer speziellen Kiste gesammelt. Ein schwarzer Zweihänder war da nicht dabei. Für Gemälde, Steinskulpturen und Möbel haben sich die Orks nicht interessiert. Das Holz wurde im Winter als Brennholz genutzt, die Steinrelikte wurden in handliche Stücke zerkleinert und auf Schutthaufen geworfen. Von einem praiosgefälligen Sarg ist mir nichts bekannt, die waren alle mehr oder weniger gleich. Allerdings haben wir tatsächlich noch einen seltsamen Fund entdeckt: Ein alter Leichnam war wohl mit einem Dutzend goldener Zimmermannsnägel an einen großen Balken genagelt und in einer Grube unterhalb der Krypta verbuddelt worden. Diesen Bereich haben wir aber schon lange abgetragen. Weiter unten ist dann ja nur noch Granit." Answulf hatte gehofft, dass die Grubenarbeiter seine Theorien zum Vampirfluch bestätigen konnten, doch die bisherigen Erkenntnisse passten irgendwie nicht mit seinen Vermutungen zusammen. Die Gefährten verfolgten deshalb eine andere Spur: In den Memoiren des Priesterkaisers war auch beschrieben, dass sich Walmir von Riebeshoff zur Zeit der Priesterkaiser in einer alten Burgruine in den südöstlichen Wäldern verschanzt hatte. Da der Fledermausdämon auch oft dabei beobachtet wurde, wie er in diese Richtung davon flog oder von dort angeflogen kam, sprach einiges dafür, dass dieser Unterschlupf noch immer von der Kreatur genutzt wurde. Rondrian erkundigte sich bei Lysandra, die das Umland gut kannte, ob ihr eine solche Burgruine bekannt war und tatsächlich konnte ihm die Anführerin der Freischärlerinnen weiterhelfen: "Etwa einen Tagesmarsch im Süden gibt es einen Trampelpfad, der von der Ortschaft Niemith an der Breite bis zur Burg Ulmenhain im Reichsforst führt. Auf halber Strecke gibt es einen dicht bewaldeten Hügel mit uralten Bäumen, auf dem sich eine verlassene Burgruine befindet. Die Ruine ist unter dem Namen Kastell Kompitz bekannt und in vielen regionalen Märchen sollen dort wahlweise Feen, Elfen oder Nachtalben hausen. Wir hatten im letzten Herbst dort ein Winterquartier eingerichtet, doch das Quartier wurde von den Orks überfallen und ausgelöscht. Vermutlich haben sich die Orks dort selbst eingenistet und das Gebiet unter ihre Kontrolle gebracht." Rondrian berichtete beim Mittagessen von seinen Erkenntnissen und Andrak erklärte: „Ich kenne den Weg zu dieser Burgruine. Soll ein verfluchter Ort sein, hab‘ ich gehört. Da sind schon vor dem Orkensturm regelmäßig Menschen verschwunden.“
Darian, Wolfmir und Altair suchten am Nachmittag nochmals das Stadtarchiv auf, um Recherchen zum Kastell Kompitz einzuholen. Beim Abendessen konnten die drei berichten, dass das Kastell zur Zeit der Priesterkaiser "Burg am Wegkreuz" genannt wurde und auch einen elfischen Namen trug, der sich grob mit "Pforte von Ornaval" übersetzen ließ. Die Gefährten beschlossen, sich diese Burgruine genauer anzuschauen, da diese möglicherweise tatsächlich das Versteck des Fledermausdämons war. Sie sprachen auch mit Marcian darüber, doch dieser wollte die Angelegenheit lieber diskret halten: "Dass Ihr Vampirmonster jagt, kann ich den Bürgern der Stadt nur schwer vermitteln. Wenn Euch jemand fragt, werdet Ihr nach Süden reisen, um die Stellungen der Orks auszuspähen und Jagdgebiete ausfindig zu machen. Und kommt bald wieder, ich kann jede helfende Hand hier gebrauchen. Haben wir uns verstanden?" Die Gefährten packten ihre Ausrüstung zusammen und breiteten sich auf die Abreise vor. Zum Sonnenaufgang des kommenden Tages hielt Inquisitor Answulf seinen vorerst letzten Praiosgottesdienst am Schrein des Sonnenhügels, erklärte der Gemeinde dann, dass er für einige Tage abwesend sein werde und übergab die priesterlichen Geschäfte feierlich an die neue Diakonin Alrike Funkelstein. Als sich die Gemeindemitglieder von Answulf verabschiedeten, ergab sich jedoch noch seltsamer Vorfall: Der Stadtschreiber Zaberwitz wollte Answulf diskret einen Zettel zustecken, auf dem folgende Worte standen: "Trefft mit zur Mittagszeit im ehemaligen Rahjatempel ‐ gez. Z.“. Answulf wollte den Stadtschreiber darauf ansprechen, doch dieser fühlte sich offenbar beobachtet und flüsterte nur ängstlich die Worte: "Nicht hier, der Henker beobachtet mich!". Answulf hatte den Verdacht, dass Zerwas, der ebenfalls bei den Gemeindemitgliedern stand, etwas mit dieser Nachricht zu tun hatte. Allerdings war dem Inquisitor nicht klar, ob es sich um eine Ablenkung, um eine Falle oder um ein ernst gemeintes Treffen handelte. Er beschloss allerdings, seine Reisepläne nicht weiter zu verzögern, und verließ kurz darauf zusammen mit seinen Freunden die Stadt. Andrak führte die Gruppe querfeldein nach Südwesten und nutzte vor allem verborgene und schwer einsehbare Pfade, um eine Entdeckung durch die Schwarzpelze zu vermeiden. Tatsächlich fanden die Gefährten reichlich Spuren von patrouillierenden Orks. Gegen Nachmittag fanden die Reisenden einen großen Teich in den Wäldern, in dem einige Frösche munter quakten. Da die Freunde auf Grund der Lebensmittelrationierung reichlich ausgehungert waren, nutzten sie die Gunst der Stunde und fischten den Teich leer. Die Frösche und Kröten reichten allerdings gerade einmal aus, um den eigenen Hunger zu stillen. Einige Stunden später bemühte sich Andrak, einen geeigneten und möglichst abgelegenen Platz für das Nachtlager zu finden, doch eine Gruppe von Orks hatte wohl die Spuren der Gefährten entdeckt und diese verfolgt. Die Schwarzpelze, die in der Dunkelheit der warmen Sommernacht deutlich besser sehen konnten, als ihre menschlichen Gegner, schlichen sich an die ruhenden Gefährten an und bereiteten einen Überraschungsangriff vor. Einige der Gefährten hielten zwar Wache, doch wegen der Dunkelheit des Waldes konnten sie die Angreifer erst bemerken, als es schon zu spät war: Einer der Orks, der ein mächtiger Schamane des orkischen Feuergottes Gravesh war, rief magische Feuerkräfte herbei und schleuderte diese in die Reihen seiner glatthäutigen Feinde. Die überaus heißen Flammen hüllten das Nachtlager der Gefährten in ein brennendes Inferno und versengten die Haut der schreienden Gefährten. Arthilas und Altair brachen brennend zusammen, wurden aber von Andrak mit einer Decke gelöscht und in Sicherheit gezogen. Darian konnte sich hinter einem Baum vor den Flammen retten und konzentrierte sich auf einen magischen Gegenangriff. Ortax, Rondrian, Wolfmir und Answulf hatten ebenfalls starke Verbrennungen erlitten, doch da bereits einige Orks den Gefährten entgegen kamen, um
diese endgültig zu Boron zu schicken, mussten sie die Zähne zusammenbeißen und sich den Feinden mit letzter Kraft entgegen Stellen. Es gelang Rondrian und Wolfmir, jeweils einen Ork zu erschlagen. Als jedoch der Feuerschamane ein weiteres Inferno beschwören wollte, schleuderte Darian einen magischen Blitz auf diesen, so dass die Feuerbeschwörung misslang. Glücklicherweise zogen sich die Angreifer daraufhin in die Dunkelheit des Waldes zurück. Andrak war sich allerdings sicher, dass diese bald mit weiteren Kriegern zurückkehren würden. Er wies Wolfmir und Answulf an, jeweils eine improvisierte Trage für Arthilas und Altair zu bauen und führte die stark angeschlagene Reisegruppe noch in derselben Nacht wieder zurück nach Greifenfurt. Die Gefährten erreichten die Stadt im Morgengrauen und suchten dann das Therbûniten‐Hospital auf, um die Brandwunden versorgen zu lassen. Mitte PRA 1013 BF: Die Gefährten erholten sich einige Tage in der Obhut von Bruder Gordonius, doch dieser Rückschlag brachte sie nicht davon ab, eine erneute Expedition zu der verfluchten Burgruine zu wagen. Andrak wählte diesmal einen sumpfigen Pfad auf der westlichen Uferseite der Breite aus, um zunächst bis nach Niemith zu kommen. Der Ort selbst war von den Orks schon vor Monaten geplündert und niedergebrannt worden und die Freunde fanden auch keine Überlebenden in den Ruinen des Dörfchens. Allerdings gab es in der Nähe einige Sonnenblumenfelder. Die Gefährten nahmen sich einige Sonnenblumen mit, deren Kerne schon halbwegs ausgereift waren und labten sich an den Samen. Mit einem grob zusammengezimmerten Floß überquerten die Freunde die Breite und folgten anschließend dem Trampelpfad nach Burg Ulmenhain. Andrak konnte auf dieser Seite des Flusses weitere Spuren von patrouillierenden Schwarzpelzen erkennen, doch er konnte die Reisegruppe zunächst entlang eines Bachs führen und dann ein schwer einsehbares Nachtlager zwischen mehreren Hecken ausfindig machen. Nach einer ungestörten Nacht konnten die Freunde ihre Expedition fortführen und erreichten gegen Mittag den bewaldeten Hügel, auf dessen Rücken die Ruinen von Kastell Kompitz vermutet wurden. Ein Wildwechsel führte in Serpentinen nach oben, der Wald war aber ungewöhnlich still und düster. Auf halber Höhe entdeckten die Gefährten einen Lagerplatz, auf dem die Leichname von mehreren Orks zu finden waren. Die Kadaver der Schwarzpelze waren schon eine gute Woche alt. Krallenwunden deuteten darauf hin, dass diese von wilden Tieren überfallen worden waren. Arthilas stellte allerdings keine Fraßspuren von Raubtieren oder größeren Aasfressern fest, stattdessen deuteten typische Verwesungsspuren darauf hin, dass die Körper der Schwarzpelze regelrecht geschächtet worden waren. Mit gezückten Waffen folgten die Gefährten weiter dem Wildwechsel, der sich kurz vor der steinigen Hügelkuppe in zwei Trampelpfade gabelte. Ein Trampelpfad führte weiter nach oben zu den Ruinen, die von dieser Position aus schon zu erkennen waren. Der andere Trampelpfad führte allerdings zu einer nahegelegenen Höhle, aus deren Eingang ein Bachlauf hervortrat. "Die fröhlichen Gesänge scheinen aus dieser Kaverne zu kommen!", sprach Arthilas und zeigte zum Höhleneingang. Die Gefährten des Elfen blickten ihn verwirrt an und Ortax sprach aus, was alle anderen dachten: "Mag sein, dass meine Ohren mich völlig im Stich lassen, aber dieser Wald ist so still wie Pilzbrösel in Biersuppe!" Arthilas war nun ebenfalls verwirrt und erklärte: "So schlecht können eure Ohren doch nicht sein, man kann die Gesänge schon von Weitem hören. Sie singen ein elfisches Dschissandra, sie singen über die Wunder des Morgenwalds?!". Rondrian vertraute dem Elfenfreund und führte die Gruppe zu dem mysteriösen Höhleneingang. Die Höhlen schienen sich direkt unter den Ruinen des Kastells zu erstrecken und waren natürlichen Ursprungs. Die Gefährten folgten dem Bachlauf in die Höhle hinein und bemerkten, dass dieser aus dem Überlauf eines natürlichen Badebeckens entsprang. Das Wasser, welches das Badebecken füllte, schien
dabei aus der nördlichen Höhlenwand zu treten und bildete dort einen regelrechten Schleier aus Wasser. Die Gefährten konnten in den hinteren Höhlen eine Lagerstätte der Freischärlerinnen entdecken, die schon seit Monaten verlassen war. Verweste Leichname und Kampfspuren deuteten darauf hin, dass die ehemaligen Bewohner der Höhle angegriffen und erschlagen worden waren. Arthilas bemerkte, dass das Wasser in dem Badebecken angenehm warm war. Das elfische Dschissandra schien ebenso wie das Wasser aus dem Felsen zu kommen. Darian untersuchte das Wasser mit seinen magischen Fähigkeiten und erklärte erstaunt: "Hier ist ein Sphärentor in die Anderswelt, in der die Feen leben und aus der angeblich die Elfen stammen. Das Tor ist allerdings verschlossen." Arthilas lauschte weiter dem Dschissandra und fing plötzlich an, ebenfalls zu singen und die Melodie mit seinen eigenen Liedern zu ergänzen. Darian bemerkte, dass die Gesänge des Elfenfreunds tatsächlich Einfluss auf das Feentor hatten und dieses entriegelten: Der Wasserschleier öffnete sich wie ein Vorhang und bildete einen Höhlenausgang in einen überaus lichten, wohlriechenden Zauberwald, in dem bunte Schmetterlinge tanzten. Arthilas deutete an, dass sein Gesang das Feentor offen hielt und Darian trat hindurch auf die andere Seite. Die Anderswelt war unbeschreiblich schön: Die Luft war frisch und klar, das helle Licht, welches aus den Baumkronen der Bäume hervor quoll, war angenehm warm und am Horizont erstrahlte aus allen Richtungen eine wundersame Morgenröte. Die übrigen Gefährten und letztlich auch Arthilas folgten Darian in die Anderswelt und erkannten, dass das Feentor von dieser Seite aus in einem breiten, alleinstehenden Felsen eingearbeitet war. Elfische Schriftzeichen bildeten einen Bogen um das Portal und Arthilas erkannte, dass das Dschissandra von dort aus erklang. Der Elf übersetzte die Zeichen: "Dort steht, dass dies die Pforte am Abendrand der Tagstern‐Wälder ist... Der Erschaffer der Elfenzeichen heißt Ornaval... Er wünscht uns eine gute Reise?!". "Heda, Fremdlinge, wo kommt Ihr denn her?", erklang plötzlich eine piepsige Stimme. Die Gefährten sahen sich um und erkannten ein kleines Feenwesen, welches auf einem Eichhörnchen saß, als wäre es ein prächtiges Pferd: Der Feenritter sah von der Statur her aus wie ein handgroßer Elf, allerdings trug er eine fein ziselierte, goldene Ritterrüstung und hatte einen Helm mit einem zierlichen Federbusch auf dem Kopf. Sein Reithörnchen trug ebenfalls einen fein geschmiedeten, goldenen Pferdekürass. Der Feenritter nannte seinen unglaublich langen und komplizierten Namen und ergänzte: "Ihr könnt mich aber auch Ka'yl nennen!". Arthilas grüßte den Feenritter nun ebenfalls und stellte sich und seine Freunde vor. Der Elf und der Feenritter unterhielten sich und schnell stellte sich heraus, dass die Gefährten im lieblichen Morgenwald der Holden Leriella waren. Die anderen Gefährten sprachen ebenfalls mit dem kleinen Feenkrieger. Ortax konnte herausfinden, dass Ka'yls goldenes Rüstzeug von einem legendären zwergischen Riesenschmied ‐ oder riesigen Zwergenschmied? ‐ namens Linosch Goldbart in den Winterbergen geschmiedet worden war. Answulf bemerkte mit Sorge, dass in dieser Welt zwar Sonnenlicht zu sehen war, aber kein Praiosmal am Himmel stand. Er fragte Ka'yl nach der Sonne, doch dieser war sehr verwundert über die Frage. Der Feenritter hatte unter anderem auch Probleme mit den Konzepten von Zeit, Distanz und Richtung. Darian erkundigte sich bei dem Feenritter, ob ihm ein blutroter Fledermausdämon bekannt war, doch dieser verneinte die Frage. Andrak wiederum sorgte sich mehr um seinen leeren Magen und fragte Ka'yl, ob es im Morgenwald etwas zu essen gab. Der Feenritter nickte und schlug vor, die Gefährten zum Riesennussbaum zu führen, dessen schmackhafte Nüsse wohl in der Lage waren, auch den größten Hunger zu stillen. Der Feenritter führte die Gefährten vom Feentor weg und mitten durch den lichten Morgenwald, in dem einige wundersame Wesenheiten zu bestaunen waren: Die Freunde passierten den Pfad der lachenden
Steine, die Wiesen der Quasselschmetterlinge und beobachteten sogar einige Hirschbiestinger bei ihren seltsamen Jagdspielen. Während der Reise holte Andrak eine seiner Sonnenblumen hervor, um die letzten Kerne heraus zu knabbern. Ka'yl bemerkte dies und sprach aufgeregt: "Ihr habt eine Lichtblume bei Euch? Wurdet Ihr etwa von unserer Holden gerufen, um die Lichtblume an ihren Hof zu bringen, damit die Heilkraft der Blume die Schattenseele vertreiben kann?" Andrak schüttelte verwirrt den Kopf, doch Rondrian wollte sich genauer erkundigen, was es mit der Schattenseele auf sich hatte. Ka'yl erklärte: "Bevor Ihr in diese Welt gekommen seid, hat eine Fremdlingsfrau den Morgenwald durch Ornavals Pforte betreten. Doch die Fremdlingsfrau leidet unter einer schweren Krankheit, sie hat eine bösartige Schattenseele auf ihren Schultern, die ihr einige fiese Sachen einflüstert. Die Geweihten des Morgenwaldes haben sie deshalb zur Holden Leriella gebracht, damit diese die bösartige Schattenseele vertreiben kann. Doch die Holde meint, dass die Schattenseele nicht von dieser Welt ist und nur die Macht der Lichtblume den finsteren Schatten bezwingen kann. Also hat sie die Fremdlingsfrau in einen goldenen Käfig gesperrt und ihre Ritter ausgesandt, um die Lichtblume zu finden. Ich kann Euch gerne zur Holden bringen, damit Ihr unserer Holden die Lichtblume zum Geschenk machen könnt!" Als der Feenritter seine Geschichte beendet hatte, bemerkten die Gefährten den Schatten eines riesigen Baumes, der auf einem lichten Grashügel stand. Der Stamm des Baumes war so dick wie ein kleines Schiff lang war und ragte so weit nach oben, dass man die weitreichende Krone nur erahnen konnte. Arthilas berührte den wundersamen Baum und bat ihn höflich um eine Nuss. Der Baum reagierte auf die Bitte des Elfen, schüttelte sich mit einem Seufzen und ließ mehrere Walnüsse vom Himmel fallen, die wie kleine Meteoriten mit großer Wucht auf den Boden aufschlugen. Die Nüsse waren so groß, dass sich ein Mensch in der Schale hätte verstecken können. Es dauerte einige Zeit, bis die Gefährten die grüne Hülle und die harte Schale aufbrechen und den Nusskern freilegen konnten. Die Freunde brachen sich handgroße Stücke von dem Kern ab und verzehrten diese. Die Nussstücke schmeckten überraschend süß, wie in Honig getauchter Lebkuchen, und füllten die leeren Mägen mit einem wohligen Gefühl der Sättigung. Die Freunde füllten ihre Netze mit den schmackhaften Nussbrocken und ließen sich dann von Ka'yl weiter durch den Morgenwald führen. Der Wald wurde für kurze Zeit deutlich dichter und düsterer, wurde dann aber wieder lichter und öffnete sich zu einem wenige Meilen durchmessenden Tal, in dessen Zentrum ein funkelnder See glitzerte, in dem wiederum ein prächtiges, weißes Prunkschloss stand, auf dessen unzähligen, zierlichen Türmchen bunte Banner im Wind wehten. Mitte PRA 1013 BF: Neugierig und verwundert folgten Arthilas und seine Gefährten dem Feenritter Ka'yl durch den Morgenwald bis zum Schloss der Holden Leriella, welches inmitten eines magischen Sees lag. Schafsartige Biestinger in Wappenröcken warteten am Ufer auf die fremden Gäste und brachten diese mit einer verzauberten Fähre zum Hauptportal des Feenschlosses. Einige Hasenbiestinger geleiteten die Gefährten bis in den Thronsaal von Leriellas Anwesen, in dem ein großes Fest gefeiert wurde: Biestinger, Blütenfeen und Wurzelbolde schmausten an langen Tafeln die dargereichten deftigen und süßen Speisen, Musikanten spielten auf verzauberten Musikinstrumenten lebhafte Tanzmusik und unzählige kleinere Feenwesen brachten schmutziges Geschirr beiseite und deckten neue Gedecke auf. Im hinteren Bereich des Festsaals saß die Holde Leriella, die hochgeborene Herrin dieses Teils der Feenwelt. Sie saß auf einem prächtigen Thron mit goldenen Beschlägen, ihre Kleider und erst recht ihre Frisur waren in grotesker Weise ausladend und erweckten den Eindruck, als würde ein elfisches Gesicht und zwei zarte Arme aus einer großen Hecke aus buntem Bausch und goldenen Locken herausragen. Hinter der Feenkönigin erstreckte sich ein großes Panoramafenster aus Butzenglas, durch das das Licht des hellen Tages fiel. Neben dem Thron hing ein goldener, großer Käfig von der Decke, in dem eine traurige Halbelfe in aventurischer Waldmannskleidung saß. Um ihre Schultern herum schlang sich ein schattenartiger Mantel, der aus schwarzem Rauch zu bestehen schien. Der Schattenmantel sollte ich
allerdings als Dämon herausstellen, der von vampirischer Natur war und von der armen Halbelfe besitzt ergriffen hatte. Die Holde Leriella bat die Gefährten an ihren Tisch und ließ ihnen überaus süße Speisen und Getränke bringen. Sie erkundigte sich immer wieder nach den Abenteuern der Gefährten und fragte löchernde Fragen, war aber selbst nur wenig gesprächig und beantwortete Fragen mit Gegenfragen oder nichtssagenden Worten. Gleichzeitig war sie aber sehr dankbar, als die Fremden ihr einige der Sonnenblumen als Gastgeschenke überreichten, die sie aus Aventurien mitgebracht hatten. Mit Mühe konnten die Gefährten herausfinden, dass die Halbelfe den Namen Rosandra trug und in dem Käfig gefangen gehalten wurde, weil sie einen Hasenbiestinger gebissen hatte. Die Holde erläuterte: "Sie hat die Friedensgesetze dieses Reichs gebrochen. Über ihre Schuld soll der Magierfürst des Nachtschlosses richten. Faramud ist sein Name. Er war einst wie Ihr und ist sehr weise, doch er wird wohl erst in den Abendstunden eintreffen. So lange sollt Ihr mir weiter von der Wunderwelt berichten, die Ihr Mittelreich nennt." Darian ließ sich nicht auf weitere Erzählungen ein, sondern untersuchte stattdessen die gefangene Halbelfe, die wiederum die Gefährten erfolglos zu überreden versuchte, aus dem Käfig befreit zu werden. Der Magier stellte schnell fest, dass Rosandra ähnlich wie Aurelia von einem vampirisch‐dämonischen Astralwesen besessen war. Im Gegensatz zu Aurelia äußerte sich dies aber nicht in Klauenhänden und Fangzähnen. Die böse Aura schien sich vielmehr in dem dämonischen Schatten zu manifestieren, der mit Rosandras Lebensaura verschmolzen war. Darian konnte sich diese Besonderheit nur mit den absurden Anomalien der Feenwelten erklären, er war sich aber ebenso wie Wolfmir sicher, dass aus Rosandras Mund nur die Falschheit des Dämons sprach. Es dauerte eine gefühlte Ewigkeit, bis der Abend anbrach und der Magierfürst Faramud zum Fest der Holden erschien. Der Magierfürst hatte die Gestalt einer menschenähnlichen Stinkmorchel, die tulamidische Gewänder trug und den Geruch von faulen Eiern verströmte. In seinem Gefolge befanden sich mehrere, befremdlich aussehende Pilzlinge, die dem Magierfürsten unterwürfig zu Diensten waren. Faramud begrüßte die Holde wie auch ihre fremden Gäste und war im Gegensatz zu den anderen Feenwesen deutlich empathischer gegenüber den Fremdlingen. Der Magierfürst ließ sich von den anwesenden Biestingern erklären, welche Verbrechen der Halbelfe Rosandra vorgeworfen wurden und kam schnell zu einem Urteil: "Auf Grund der zahlreichen Bezeugungen des Angriffs, der Bisswunden und fehlender widersprechender Indizien erkläre ich die Fremde Rosandra des Friedensbruchs für schuldig." Die Holde nickte zustimmend und ergänzte: "Sie soll für diesen Frevel mit vollständiger Reinigung bestraft werden!" Anschließend forderte die Holde den Inquisitor Answulf auf, die Halbelfe mit den Samen der Sonnenblume zu bewerfen. Der Inquisitor war zunächst wenig überzeugt, dass dies eine geeignete Bestrafung war, doch er verweigerte den Wunsch der Feenkönigin nicht und warf die Körner auf die Schuldige, während er praiosgefällige Fürbitten formulierte. Die besessene Halbelfe war zunächst ebenso wenig von der Wirksamkeit der Kerne überzeugt, dann jedoch schrie sie überrascht auf, als sich ihr Körper in einen Schwarm bunter Schmetterlinge verwandelte, der sich im Feenschloss verteilte. Der schwarze Schatten auf ihren Schultern hatte sich ebenfalls in purpurfarbene Schmetterlinge verwandelt, die eilig davon stoben und sich in den ausladenden Haaren der Holden Leriella versteckten. Die Gefährten fühlten sich immer unwohler auf dem Fest der Feen und fragten Leriella, wie sie wieder in die Welt der Sterblichen zurückkehren konnten. Die Holde hatte zunächst nicht die Absicht, die Gefährten aus ihrem Schloss zu entlassen, doch der Magierfürst Faramud mischte sich ein und forderte als Entlohnung für seine Dienste die Fremdlinge als Geleitschutz an, damit er wieder sicher ins Nachtschloss zurückreisen konnte. Die Holde stimmte dem zu und verabschiedete die Recken mit einer
flüchtigen Handbewegung, bevor sie sich wieder anderen Ablenkungen widmete. Die Freunde eilten schnell mit Faramud aus dem Feenschloss und setzten ans andere Ufer des Sees über. Der Magierfürst machte anschließend klar, dass er eigentlich keinen Geleitschutz brauchte, aber sich verpflichtet sah, die Fremden aus dem Griff der launischen Holden zu befreien. Nachdenklich erläuterte er: "Ich erinnere mich, dass ich einst ebenfalls ein Mensch war. Ich habe mich aber vor langer Zeit in dieser Welt verloren und nun bin ich selbst ein Teil davon. Ihr aber sollt dieses Schicksal nicht erleiden. Ich bringe Euch zum Legendensänger Ornaval, der dieses Feenreich wie kein anderer versteht. Er kennt bestimmt einen Ausgang aus dieser Welt." Die Gefährten dankten dem stinkenden Pilzwesen und ließen sich von diesem über wogendem Hügelland bis zu einem dunklen Wald führen. Dort trennten sich ihre Wege: Der Magierfürst folgte einem steinigen Pfad, der von dornigen Rosenhecken flankiert war. Die Gefährten hingegen sollten einem bunt glitzernden Bachlauf folgen. Die Nacht war mittlerweile hereingebrochen, doch der Wald um die Gefährten herum war von Glühwürmchen, Leuchtblumen und Laternenpilzen erhellt. Die Wanderer vernahmen ein elfisches Lied, wie es Arthilas schon beim Kastell Kompitz vernommen hatte und spürten das Gefühl, von dem Lied an einen bestimmten Ort gezogen zu werden. Kurz darauf trafen sie auf ein gemütliches Lagerfeuer, welches unter einem Baldachin aus leuchtenden Ästen brannte. Gefällte Baumstämme waren um das Lagerfeuer platziert und luden zum Verweilen ein. Am Lagerfeuer selbst saß ein uralter Elf im traditionell elfischen Jagdwams und spielte sanft auf einer prächtigen Harfe eine zauberhafte Melodie. "Ich bin Ornaval, der letzte Legendensänger von Simyala und Hüter des Spiegelbanns. Nehmt doch Platz an meinem Feuer und erzählt mir von euren Reisen!". Die Gefährten nahmen die Einladung an und Arthilas berichtete, wie sie in die Feenwelt gekommen waren. Ornaval nickte verständnisvoll und erkundigte sich nach den Menschenreichen, die er wohl vor langer Zeit einmal besucht hatte. Rondrian fragte wiederum nach einem Ausgang aus der Feenwelt und Ornaval antwortete: "Viele Übergänge gibt es aus dieser Welt. Der nächstgelegene führt allerdings in den Mittwald, in die Nähe der untergegangenen Elfenstadt Simyala. Dieser Ort ist sehr gefährlich, so dass ich Euch diesen Weg versagen muss." Der Legendensänger zupfte plötzlich eine komplizierte Melodie auf seiner Zauberharfe und sang ein altes, elfisches Lied. Die Gefährten konnten zunächst den Text nicht verstehen, dann jedoch hatten sie das Gefühl, in ihren Erinnerungen zu sehen, was das Lied zu erzählen hatte: Ornaval sang von der prächtigen Elfenstadt Simyala im Herzen des Mittwaldes, bewohnt von Hunderten von Elfen, die prächtige Kleider aus Seidentuch, Bast und Bausch trugen. Die Gebäude der Elfenstadt schienen aus lebendigem Holz zu bestehen und waren mit gewaltigen Baumstämmen verwachsen, deren Wipfel einen dämmrigen Baldachin bildeten. Unzählige Hängebrücken und Wasserführungen verbanden die Wohnräume mit Lustgärten, Brunnen und Gemeinschaftsplätzen, die sich auf langen, dicken Ästen erstreckten und von Blumenwerk, Laub und Lianen flankiert waren. Die Bewohner dieser Stadt widmeten sich der gemeinschaftlichen Musik sowie anderen Künsten und Genossen ein unsterbliches Leben in Wohlstand und Harmonie. Dann jedoch sang Ornaval eine neue Strophe an, die deutlich düsterer und disharmonischer war: Die alles vergiftende Pyrdona erreichte die mystische Elfenstadt, um ihr den Untergang zu bringen. Sie öffnete das Weltentor in Simias Wipfeltempel und marschierte von dort mit einem Heer aus dämonisch verblendeten Dunkelelfen mitten im Herzen der Stadt ein. In ihrem Gefolge befand sich die grausigste Kreatur, die sich ein Elf vorzustellen vermag: Der König der Basilisken, dessen Pestodem selbst die stärksten und ältesten Bäume des Waldes niederstreckte. Ganze Stadtviertel verfaulten unter seinem
Odem, stürzten in sich zusammen und brachten Chaos und Zerstörung über Simyala. Die Elfenkrieger von Simyala stellten sich der Invasion, doch der Todeshauch des Basiliskenkönigs war so intensiv, dass die Krieger sich der Kreatur nur in Katzengestalt nähern konnten. Die meisten Bewohner der Stadt fanden in den ersten Stunden des Angriffs den Tod, andere wurden vom Pesthauch des Basiliskenkönigs gestreift und starben wenige Wochen später an seinem Gift. Nur wenige konnten dem Massaker entkommen. Einer der Flüchtlinge war wohl der oberste Legendensänger Ornaval selbst. Mit seiner Sippe und mit Hilfe seiner verzauberten Harfe schuf er aus magischen Winden, dem Licht des Madamals und dem Staub der Sterne einen Spiegelbann, der die vernichtete Stadt umschloss und sowohl Pyrdona als auch den Basiliskenkönig im Inneren versiegelte. Zuletzt sang Ornaval, dass er noch heute über den Spiegelbann wacht, damit die namenlose Brut die gefallene Elfenstadt niemals mehr verlassen kann. Das Lied klang noch eine Weile in den Köpfen der Gefährten nach und erst nach einiger Zeit wagte Rondrian erneut, nach einem Ausgang zu fragen: "Wir müssen so schnell wie möglich zurück nach Greifenfurt, ein großer Krieg herrscht dort zwischen den Menschen und den Schwarzpelzen." Überraschend entgegnete Ornaval: "Ihr sprecht von der alten Stadt Saljeth am abendlichen Mittwald, oder? Sind die Schwarzbepelzten erneut gekommen, um die unheiligen Pforten in Tairachs Totenreich zu öffnen?" Verwirrt erkundigten sich die Gefährten, woher Ornaval diese Informationen hatte und dieser antwortete, dass er einen Angroschim namens Linosch Goldbart kannte, der ebenfalls in der Feenwelt lebte und dessen Urahn wohl bei der Schlacht von Saljeth gegen die Orks gekämpft hatte. Ornaval konnte sich sogar noch an einige Details dieser Geschichte erinnern und berichtete in einem melodischen Sprachgesang, was ihm Linosch wohl einst erzählt hatte: "Es begab sich wohl vor 250 Jahren, bevor das lästerliche Bosparan in Trümmern versank, als der Blutmarschall Nargazz Blutfaust die Menschlinge im Norden unterjochte. Die Herrschaft der Schwarzpelze dauerte wohl 100 Jahre lang und in einem Granithügel unter der Siedlung Saljeth stellten sie ein altes Heiligtum ihrer Blutgötter wieder her, das tief in den Fels reichte. Ganze Heerscharen von Menschen wurden nach Saljeth verschleppt und nie wieder gesehen. Die Armeen der Menschlinge waren aber schwach und wurden von den Bepelzten geschlagen, so dass diese immer weiter nach Süden vorrücken konnten. Da die jungen Völker der Plage nicht Herr werden konnten, beschloss der Bergkönig Ramoxosch III. von Xorlosch, diesem Treiben ein Ende zu bereiten. Boten wurden ausgesandt, um die besten Krieger der Angroschim zu versammeln. Es dauerte nur fünf Jahre, bis die besten Krieger mit den besten Waffen in Xorlosch versammelt waren. Am Ende waren es mehr als 500 Äxte, die dem Ruf des Bergkönigs gefolgt waren. Da der Bergkönig ein kluger Mann war, beschloss er, zuerst die Herzlande der Schwarzpelze zu verwüsten. Doch dann wurde sein Heer vom Nachschub abgeschnitten und er musste zurückkehren. Über die Thaschberge und den Finsterkamm marschierte er auf das besetzte Saljeth zu, weil er glaubte, dort auf das Hauptheer der Schwarzpelze zu treffen. Einige Meilen vor Saljeth griffen die Orks an. Vier Tage währte die Schlacht, bis die Schwarzpelze sich zurückzogen. Es war ihre erste Niederlage, seit sie unter Nargazz Blutfaust in das Reich der Menschlinge eingefallen waren. Danach zogen die Angroschim weiter gegen Saljeth, das damals nur durch Erdwälle geschützt war. Im Zentrum befand sich der Hügel, auf dem die erbeuteten Banner zahlreicher Schlachten standen. Im Morgengrauen überquerte Ramoxosch mit seinen Kriegern die Furt, um Saljeth von Nordwesten anzugreifen. Zu dieser Zeit griffen auch von Südosten her einige Elfen die Orks an, die dem Elfenkönig Tasilla Abendglanz folgten. Ebenso kamen einige tapfere Menschlinge auf flachen Ruderbooten mit hölzernen Drachenköpfen vom südlichen Fluss heran, um den Orks entgegenzutreten. Doch die Schwarzpelze überschütteten die drei Heere mit Pfeilen, Oger warfen Steine und es gelang kaum, recht
Fuß zu fassen beim Kampf um den Hügel. Dann jedoch stieg vom Himmel ein Greif herab, mit golden glänzenden Schwingen, so groß wie Drachenflügel. Er fuhr unter die Orks und tötete ihre Anführer und Blutschamanen. Daraufhin zogen die Orks sich in die Tempelfestung auf der Spitze des Hügels zurück, wo sich auch der Zugang zu ihrem Bluttempel befand. Zwerge, Elfen und die Menschlinge griffen gemeinsam die Feste an und konnten diese überrennen. Im Innenhof der Feste fand sich unter einer steinernen Mondsichel ein großes Loch im Granitboden, von dem aus ein breiter Wendelgang in die Tiefe führte. Grausige Anbetungen und drachenartiges Gebrüll waren von dort unten zu hören. Eine Expedition wagte sich in das Loch, doch schon bald erklangen grausige Schreie und kein Sterblicher kehrte von dort unten zurück. Dafür quollen zum Einbruch der Nacht unzählige orkische Wiedergänger aus dem Loch hervor und schafften es gar, die Angroschim und die niederen Völker aus der Hügelfeste zu vertreiben. Am Morgen erschien erneut der Greif und die Wiedergänger flohen zurück in das Loch, aus dem sie gekommen waren. Der Greif nannte sich Scraan und bat den Bergkönig Ramoxosch, den Elfenkönig Tasilla und den Anführer der Menschlinge, der Hetmann Thurgalf genannt wurde, zum Gespräch. Der Greif sprach: ‚Unter diesem Hügel haben die Diener der dunklen Götter erneut die Pforte ins Reich der Toten aufgestoßen, die nicht geöffnet werden darf. Wir werden hinab steigen in die Finsternis und die Pforte mit Unserem heiligen Licht versiegeln. Wir befehlen Euch, das Loch hinter Uns zu verschließen und zu verwahren, damit kein Böses mehr in diese Welt dringen kann. Ein jeder von Euch dreien soll eine Feder von Uns erhalten, als Zeichen Unserer Anerkennung Eurer Tapferkeit. Sie soll Euren Völkern Wohlstand und Gedeihen bringen. Doch einst werden die Schwarzbepelzten erneut erstarken und werden erneut versuchen, die Todespforten öffnen wollen. Wir werden Euch und Eure Nachfahren mit den Federn rufen, so dass sie den Frieden dieser Länder wahren können!‘ Die drei Herrscher nahmen die Federn dankbar an und versiegelten tatsächlich das Loch, nachdem der Greif in die Finsternis hinabgestiegen war. Die Angroschim, Elfen und Menschlinge schlossen einen Pakt, den Frieden zu wahren und sich beizustehen, wenn die Schwarzpelze erneut die Mittellande bedrohen sollten. Dieser Pakt sollte als Pakt von Saljeth in die Geschichte eingehen. Nachdem die Worte und die Melodie dieses Liedes verklungen waren, sprach Ornaval: "Ich kann Euch zu Linosch bringen, er wohnt in den Winterbergen nicht weit von hier. In der Nähe seiner Heimstatt gibt es ebenfalls einen Übergang in Eure Heimatwelt." Die Gefährten nickten eifrig, doch entgegen ihrer Erwartungen führte Ornaval die Freunde nicht vom Lagerfeuer weg, sondern zupfte erneut an den Saiten seiner Zauberharfe. Die magische Melodie rief kräftige Windböen hervor, die so stark waren, dass sie die erstaunten Fremdlinge wie trockenes Herbstlaub in die Höhe hoben und durch die Nacht wehten. Im Strom der magischen Stürme flogen die hilflosen Gefährten über die Feenlande und erreichten in Windeseile die schneebedeckten Winterberge, in deren Kuppen golden glänzende Bergseen glitzerten. Die Winde setzten die Reisenden sanft am Eingang einer zwergischen Binge ab, die in die Felsen unter den Schneegipfeln führte. Von dort aus war der Geruch von Schmorbraten und verbrannter Kohle zu vernehmen, ebenso erklang das hallende Klopfen eines Schmiedehammers. Ortax führte die Gruppe durch die vorderen Hallen der Binge, in denen unzählige Kleinodien, Schmuckstücke, Miniaturen und mechanische Instrumente ausgestellt waren. Alle diese Kunstwerke waren von feinster Qualität und bestanden aus dem Gold der Feenwelt. Die einzige Ausnahme bildete dabei der auf einem Goldteller drapierte, ausgestopfte Drachenkopf eines buntgeschuppten Höhlendrachens, den der Besitzer dieser Binge als Jagdtrophäe in seinem Schlafgemach aufbewahrte. In einer Schmiedehalle im hinteren Bereich der Binge trafen die Gefährten auf den Angroscho Linosch Sohn des Logosch, der zwar sehr in seine Schmiedearbeiten vertieft war, aber nur leicht erschreckte, als Ortax ihn in der Sprache der Angroschim begrüßte. Linosch freute sich sehr darüber, von seinem
Volksgenossen Ortax besucht zu werden. Für die Menschlinge interessierte er sich weniger, bot ihnen allerdings immerhin etwas zu Essen an. Ortax und Linosch unterhielten sich ausgiebig und schnell stellte sich heraus, dass Linosch vor vielen Jahrhunderten in diese Feenwelt gekommen war, um einen Feendrachen zu verfolgen. Mittlerweile fühlte er sich in der Feenwelt aber so heimisch, dass er sein eigenes kleines Bergkönigreich gegründet hatte. Linosch war ebenso wie Ortax ein Mitglied des Xorloscher Drachentöter‐Ordens und da Linosch schon lange keinen Kontakt mehr zu seiner Heimatstadt Xorlosch gehabt hatte, ließ er sich von Ortax sämtliche Neuigkeiten erzählen. Nach vielen Gesprächen und noch mehr Fragen erkundigte sich Ortax nach dem Pakt von Saljeth und tatsächlich konnte Linosch die Geschichte bestätigen, die Ornaval bereits vorgetragen hatte. Außerdem ergänzte er: „Falls dich diese historischen Ereignisse interessieren, solltest du nach Xorlosch gehen. Ich kann mir durchaus vorstellen, dass Details zu dem Angriff auf Saljeth schriftlich fixiert wurden und in den Archiven unseres Ordens verwahrt wurden. Die Greifenfeder sollte ebenfalls dort sein. Da fällt mir ein, dass ich schon seit längerem einige Dinge verwahre, die nach Xorlosch gebracht werden müssten. Kannst du für mich die Heilige Stadt der Angroschim aufsuchen?“ Da Ortax und die übrigen Gefährten sowieso schon lange aus dieser Feenwelt entkommen wollten, stimmten sie einem solchen Botengang zu. Linosch bereitete daraufhin eine goldene Kiste vor, in die er mit Zwergenrunen beschriebene Goldplatten, den Karfunkel des Feendrachens und einige mechanische Erfindungen packte. Bei den Erfindungen befand sich auch ein goldener Klangschreiber, auf dessen Rollen Sprachnachrichten von Linosch verfasst worden waren. Linosch erklärte Ortax, was zu tun war: "Die goldene Kiste solltest du zum Hohepriester des Xorloscher Tempels bringen, er weiß dann schon, was mit den Dingen geschehen soll. Der Karfunkel des Drachen muss natürlich gemäß unserer Traditionen auf dem großen Amboss in den heiligsten Hallen zerschlagen werden. Doch achte bitte darauf, dass weder die Kiste noch deren Inhalt jemals das Licht des Tages erblickt, denn die Strahlen der Sonne lösen das Feengold in nutzlosen Staub auf. Am besten hüllen wir die Kiste in einige eurer Decken, damit sie den Transport nach Xorlosch übersteht!" Nachdem Linosch noch einige weitere Geschichten erzählt hatte, übergab er die in Decken eingepackte Kiste an die Gefährten und führte diese zu einem Opferschacht in der Nähe seiner Binge, der in einen finsteren Abgrund führte. "Dort müsst Ihr hinunterspringen, um wieder in Eure Welt zu gelangen!", erklärte der Goldschmied. Wolfmir sprang todessehnsüchtig in die Tiefe des Opferschachts und mit einem unguten Gefühl im Bauch folgten ihm die übrigen Gefährten. Anfang TRA 1013 BF: Prustend und spuckend tauchten die Gefährten in einem Ententeich auf, der sich mitten im Zentrum des Dörfchens Appelhain am Großen Fluss befand. Die Dorfbewohner erschraken zutiefst, als die Fremden mit ihrer überaus schweren Kiste in den Armen und Entendreck im Haar aus dem Dorfteich stiegen und sich umschauten. Der lispelnde Dorfschulze von Appelhain wagte es als erstes, die Gefährten anzusprechen, und schnell konnte geklärt werden, dass seit ihrem Besuch in der Feenwelt fast 12 Wochen vergangen waren. Zwar konnte man Greifenfurt von hier aus erreichen, wenn man zunächst dem Großen Fluss und anschließend der einmündenden Breite folgte, doch eine solche Reise würde noch einmal mehrere Wochen in Anspruch nehmen. Überraschenderweise lag die Zwergenstadt Xorlosch nur wenige Reisestunden von Appelheim entfernt. Auf Nachfrage berichtete der verunsicherte Dorfschulze, was er über den Krieg gegen die Orks wusste: "Die Orks wurden doch auf den Silkwiesen geschlagen, oder? Von einer Schlacht in Greifenfurt ist mir aber nichts bekannt, wo liegt das denn genau? Ach ja, die Westflotte aus Havena ist vor einigen Tagen hier vorbei gerudert. Angeblich gibt es eine große Truppenzusammenkunft in Ferdok. Der Admiral hat uns gesagt, dass in einer Woche ein Zauberschiff des Mechanikus Leonardo von Havena hier bei uns
vorbeikommen wird. Wir sollen denen mehrere Kisten Xorloscher Zwergenkohle übergeben, wenn die ankommen. Vielleicht können die Euch ja mitnehmen, hohe Herren?" Die Gefährten berieten sich kurz und beschlossen, zunächst den kurzen Weg nach Xorlosch zu gehen, um die Feengold‐Kiste zu überbringen und mit dem Bergkönig Tschubax über den Pakt von Saljeth zu sprechen. Answulf und Rondrian beschlagnahmten daraufhin einen Eselkarren und einige Kisten Proviant und zogen noch in derselben Stunde nach Norden auf den Handelsweg nach Xorlosch. Die Gefährten erreichten die Zwergenstadt in den Ingrakuppen am Abend des kommenden Tages und kehrten im oberirdischen, äußeren Ring in das einzige und unerwartet teure Gasthaus "Drachentrutz" ein. Die Gefährten bemerkten, dass die Xorloscher Erzzwerge gegenüber den Großlingen nicht besonders gastfreundlich waren. Keiner der Zwerge sprach eine andere Sprache außer Rogolan, obwohl sich die Recken sicher waren, dass diese des Garethi mächtig waren. Außerdem war es nur Zwergen und höchsten Diplomaten gestattet, den inneren Ring der Zwergenstadt zu betreten. Die Freunde waren außerdem etwas überrascht, dass anscheinend jeder Angroscho in der Stadt den Zwergenkrieger Ortax nicht nur namentlich kannte sondern diesen auch mit höchstem Respekt und großer Freude in der Heimat Willkommen hieß. Ortax war tatsächlich ein Mitglied des elitären Drachentöter‐Ordens, der in der Stadt ansässig war und auch großes Ansehen genoss. Der Hohepriester des Angroschtempels, Väterchen Gramosch, empfing ihn ebenfalls mit Respekt und freute sich über die Gastgeschenke von Linosch, auch wenn ihm das Feengold sehr suspekt war. Der Karfunkel des Feendrachen wurde natürlich gleich für die heilige Zerschlagung vorbereitet. Bei einem Humpen Gerstenbier sprach Ortax mit Gramosch über die Situation von Greifenfurt und den Pakt von Saljeth. Tatsächlich konnte sich der Hohepriester an die Greifenfeder erinnern und ließ diese von einem Novizen bringen. Die Feder befand sich in einer staubigen Bleischatulle, die wohl seit langem nicht mehr geöffnet worden war. Gramosch öffnete die Schatulle und holte eine braungolden glänzende, ellenlange Feder hervor, begutachtete diese skeptisch und übergab die Feder wie auch die Schatulle an Ortax. Dann sprach er: "Diese Feder mag wohl einst ein Zeichen des Friedens mit den anderen Völkern dieser Lande gewesen sein, doch die Friedensverträge sind in der Lex Zwergia aus der Regentschaft von Bergkönig Greifax deutlich festgeschrieben. Das Ding eignet sich meiner Meinung nach nur als Hutschmuck oder Staubwedel. Du kannst es gerne haben, falls es dir weiterhilft." Ortax dankte dem Hohepriester und ging dann zum Sommerpalast des Bergkönigs Tschubax, um mit diesem ebenfalls Audienz zu halten. Der Bergkönig war ein Trinkfreund von Ortax und lud den Zwergenkrieger freudig zu einem geselligen Bierabend ein. Im Laufe dieses Abends berichtete Ortax auch dem Bergkönig von dem Krieg mit den Orks, zeigte ihm die Feder des Greifen und bat ihn um Unterstützung bei der Verteidigung von Greifenfurt. Der Bergkönig winkte allerdings ab: "Schon seit Wochen versucht ein Diplomat des Mittelreichs, mich dazu zu bringen, meine besten Angroschim für den Krieg zu gewinnen. Doch ich bin der Meinung, dass die Großlinge ihre Probleme selbst lösen sollen. Wer einen Schwarzpelz nicht erschlagen kann, wenn er vor ihm steht, soll auch keine Ländereien regieren. Und selbst wenn ein Greif persönlich vor dem Fenster meiner Schlafstube erscheinen würde, würde mich das nicht vom Gegenteil überzeugen. Außerdem muss man immer damit rechnen, dass diese garstigen Drachen zurückkehren, um die Schätze des Herrn Angrosch zu stehlen. Da kann ich nicht verantworten, dass unsere besten Axtschwinger irgendwo in der Ferne verweilen." Das Besäufnis mit dem Bergkönig der Erzzwerge dauerte bis zum Mittag des nächsten Tages, doch dem Zwergenkrieger Ortax war klar, dass Tschubax bestimmt der sturste Zwerg von ganz Xorlosch war und seine Meinung zu den Kriegsbemühungen bestimmt nicht ändern würde.
Am nächsten Morgen berichtete Ortax seinen Gefährten von den Gesprächen mit Gramosch und Tschubax und überreichte Arthilas die Greifenfeder. Dieser untersuchte die elegante Feder und nutzte seine Elfenmagie, um mit dem Greifen, der diese Feder einst gab, geistig in Kontakt zu treten. Zunächst konnte Arthilas nichts spüren, dann jedoch merkte er tatsächlich, wie ein überaus mächtiges Wesen in Gedankenbildern zu ihm sprach. Die Gefährten konnten nur an den geweiteten Augen von Arthilas sowie einigen hastig gemurmelten Worten erkennen, dass dieser in heller Aufregung war. Als die Flut der Gedankenbilder abgeebbt war, sprach Arthilas voller Ehrfurcht: "Der Greif Scraan hat zu mir gesprochen. Er ist noch immer unter dem Hügel von Greifenfurt, um die Pforte der Toten zu bewachen, die in Tairachs finsteres Reich führt. Er sagt, dass sein Licht immer schwächer wird, da er das Praiosmal schon so lange nicht mehr gesehen hat, und dass er die Pforte der Toten nicht mehr lange geschlossen halten kann. Er muss das Licht der Sonne spüren, damit er neue Kraft gewinnen kann, um seine ewige Wacht fortzusetzen. Ich konnte den Zugang zu dem Ork‐Unheiligtum in seinen Erinnerungen sehen: Es müsste unter dem Gebäude westlich des ehemaligen Praiostempels sein. Dort, wo heute der Rahjatempel steht!" Anfang TRA 1013 BF: Missmutig verließen die Gefährten die gastunfreundlichen Zwerge des Xorloscher Bergkönigreichs und reisten zurück nach Appelhain. Gegen Mittag des zweiten Reisetages konnten sie das Dorf zu ihren Füßen bereits von Weitem sehen. Interessanterweise lag bei den Anlegestegen eine seltsame Galeere vor Anker, die keine Hilfssegel besaß und deren Oberdeck eine runde, mit Metallplatte verstärkte Kuppel bildete. Dummerweise sah es so aus, dass das Panzerschiff bald ablegen würde, doch Darian konnte seine Teleportationsmagie nutzen, um augenblicklich nach Appelhain zu reisen. Wie bereits wenige Tage zuvor erschraken die Dorfbewohner des Weilers zu tiefst, als der Magier aus dem Nichts in ihrer Mitte auftauchte, doch er konnte Hanka von Widdernhall, die Kapitänin des Schiffs, davon überzeugen, mit der Abreise noch zu warten: "Meine Gefährten haben kriegsentscheidende Informationen, werte Capitana, die unbedingt der Heeresführung überbracht werden müssen!". Als die übrigen Gefährten ankamen, konnten diese in den Gesprächen mit Hanka herausfinden, dass große Teile des mittelreichischen Heeres in Ferdok versammelt waren und dass das Panzerschiff ebenfalls auf dem Weg nach Ferdok war, um albernische Langpfeile, Zwergenkohle und Militärproviant anzuliefern. Das seltsame Panzerschiff wiederum war eine Spezialanfertigung des ebenfalls zur Besatzung gehörenden Havener Meistermechanicus Leonardo, der zusammen mit seinem zwergischen Assistenten Aschenmedix die Korundium‐Triebwerke im Inneren wartete. Der Mechanikus gesellte sich zur Gesprächsrunde und erläuterte, dass sich das Panzerschiff alleine mit der Kraft der Zwergenkohle fortbewegen konnte. Da es sich aber noch um einen Prototypen handelte und die Kohle recht teuer war, gehörten außerdem vier Dutzend Ruderer zur Besatzung, die die Galeere konventionell ruderten. Die Gefährten wurden an Bord gelassen, doch obwohl diese beim Rudern aushalfen, erreichte das Panzerschiff erst nach fast zweieinhalb Wochen die Handelsstadt Ferdok am Großen Fluss. Im Flusshafen der Stadt lagen mehrere Transportgaleeren vor Anker, die die westlichen Truppenverbände des Reichsheeres an die Front befördert hatten. In Ferdok trafen die Recken die Obristin Ira von Seewiesen wieder, die mit ihren Truppen demnächst in Richtung Gareth aufbrechen wollte. Answulf, Rondrian und Darian nutzten die Gelegenheit, um der Obristin schriftliche Berichte für die Heeresführung in Gareth mitzugeben. Answulf übergab ihr außerdem das Buch des heiligen Aldec Praiofold sowie den orkischen Opferdolch mit der Bitte, beides beim Großinquisitor Dexter Nemrod in Verwahrung zu geben. Anschließend trafen sich die Gefährten mit Kapitänin Hanka und den Großadmiral Sanin, um einerseits Bericht zu erstatten und andererseits selbst die neuesten Lageberichte zu hören. Der Adjutant des Großadmirals fasste die Lage zusammen: "Reichsbehüter Brin und Helme Haffax belagern Eslamsroden und werden hoffentlich bald die Stadt wieder in Besitz nehmen können. Die südlichste Stellung der Orks befindet sich an den Ufern der Breite nördlich von Oberangbar. Wir selbst haben in Oberangbar mehrere
Truppenverbände und Flussgaleeren versammelt. Greifenfurt scheint noch immer in der Hand der Verteidiger zu sein, allerdings leidet die Stadt großen Hunger. Die Breite befindet sich leider fest in der Hand der Orks, die jede vorbei kommende Flussgaleere mit Brandpfeilen beschießen oder weiter nördlichen mit Kriegsflößen abfangen." Die Gefährten sprachen mit Kapitänin Hanka und mit dem Meistermechanicus Leonardo und fragten, ob das Panzerschiff in der Lage wäre, durch die Stellungen der Orks bis nach Greifenfurt durchzubrechen, um die Stadt mit Lebensmitteln zu versorgen. Leonardo wog ab: "Der pneumatische Korundium‐Automat ist in der Lage, durch den Antrieb der Heckturbine auf kurzen Strecken hohe Geschwindigkeitsschübe zu genieren und auf längeren Betrieb auch die Rudermannschaft zu unterstützen, so dass wir ohne Uferanlandung bis nach Greifenfurt kommen sollten. Die Platten sollten ebenfalls einem Beschuss durch Brandpfeile standhalten können. Ich würde das Risiko eingehen wollen!" Darian ergänzte, dass er das Panzerschiff mit einer magischen Illusion zumindest von Weitem vor den Augen der Orks verbergen konnte und sowohl Kapitänin Hanka als auch Answulf, Wolfmir und Rondrian waren der Meinung, dass dieses Wagnis eingegangen werden sollte. Die Gefährten stellten die Pläne zur Versorgung der Stadt dem Großadmiral vor. Dieser ließ sich überzeugen und gab das Panzerschiff frei. In der letzten Traviawoche brachen die Gefährten mit dem Panzerschiff nach Oberangbar auf, um dort kistenweise Proviant für Greifenfurt aufzunehmen, anschließend ruderten sie mit großer Vorsicht und im Schutze von Darians Tarnillusion bis an die Stellung der Orks, dann wurde der pneumatische Korundium‐Automat aktiviert und das Panzerschiff flog wie ein Wasservogel entlang der Mitte der Breite an der Orkstellung vorbei. Die Orks konnten nicht schnell genug auf das mechanische Wunderwerk reagieren, so dass das Schiff ungehindert passieren konnte. Zwar hatte der pneumatische Korundium‐Automat gegen Mittag eine nicht gerade ungefährliche, technische Störung, allerdings konnte Leonardo diese schnell beheben, so dass die Flussreisenden bereits am nächsten Tag in das noch immer belagerte Greifenfurt einlaufen konnten. Darian teleportierte sich in weiser Voraussicht kurz vor Greifenfurt direkt zu Marcian, um die Ankunft des Panzerschiffs anzukündigen. Die Gefährten, die Ruderer und natürlich insbesondere der Nachschub an Proviant, Pfeilen und Armbrustbolzen wurden dankbar von der gebeutelten Bevölkerung angenommen. Die Stadt befand sich allerdings in keinem guten Zustand: Die Schanze war von den Katapultgeschossen der Schwarzpelze schwer beschossen worden und glich einem Trümmerhaufen, die Oststadt musste dadurch aufgegeben werden. Stattdessen zog sich ein Wall aus Barrikaden, mit dem der Stadtkern geschützt werden sollte, von der Rondraburg im Süden über die Türme von Zerwas und Lancorian bis hin zur Norrnfeste. Es gab noch etwa 400 Verteidiger in der Stadt, wovon ein Großteil von Oberst Alriks Kavallerie und den Angbarer Sappeuren gestellt wurde. Das Stadtarchiv war abgebrannt und die Uferfeste an der westlichen Breite war gefallen, doch das größte Problem der Stadt war der Proviantmangel, der durch die Ankunft des Panzerschiffs nur vorübergehend gelindert werden konnte. Answulf und Rondrian berichteten dem Stadtkommandant Marcian und den anderen Mitgliedern des Kriegsrats von der Lage im Süden. Da die Gefährten Zerwas nicht trauten, erzählten sie Marcian unter vier Augen von dem Greifen, der vermutlich noch immer unter dem Sonnenhügel das Ork‐Unheiligtum bewacht, welches vermutlich durch den Rahjatempel erreicht werden konnte: "Wir müssen den Zugang zum Unheiligtum öffnen. Der Greif hat zu uns gesprochen und braucht wohl das Licht der Sonne, um seine Kräfte zu regenerieren, denn nur so kann er seine Wacht fortsetzen!". Marcian stimmte dem zu und veranlasste, dass einige Sappeure den Gefährten diskret dabei helfen sollten, den Zugang im Rahjatempel zu öffnen. Ortax, Wolfmir und die Sappeure brauchten nur wenige Tage, um eine alte Geröllgrube unter den Holzbohlen des Rahjatempels ausfindig zu machen. Nach ersten Grabungsversuchen konnten die Arbeiter einen mehrere Schritt tiefen Trichter ausheben und eine großflächige, bearbeitete Granitplatte freilegen, hinter der sich wohl ein größerer Hohlraum befand.
"Wir hacken uns da durch!", schlug Ortax vor und nutzte die Werkzeuge der Sappeure, um eine Öffnung in die Granitplatte zu schlagen. Kurze Zeit darauf erklangen die Kriegstrommeln der Orks, die wohl einen weiteren Ansturm auf die Stadt vorbereiteten. Anfang BOR 1013 BF: Es dauerte bis zum Abend des ersten Borontages, dem Tag der Toten, bis Ortax ein ausreichend großes Loch in den Granit schlagen konnte, so dass er die Hohlräume unter der Granitplatte erkunden konnte. Answulf, Darian, Arthilas und Wolfmir folgten dem Zwerg in die Tiefe. Die Gruppe erkundigte das unterirdische Gewölbe, welches im Wesentlichen aus einem großen, gewunden Gang bestand, der zu einem Tempel unter dem Felsen führte. Unmengen von Knochen waren in diesen Kammern offensichtlich sowohl als Wanddekoration aus auch als gängige Opfergabe verwendet worden. Von einer Vorkammer aus, die eigentlich eher eine Knochengrube war, führte ein archaisches Tor in das innerste Unheiligtum. Die Gefährten öffneten vorsichtig das Tor ins Unheiligtum und fanden dort einen ausladenden, steinernen Altar, vor dem der Greif auf dem Boden lag. Das göttliche Geschöpf, ein Mischwesen aus Adler und Löwe mit goldenen Schwingen, leuchtete schwach. Ein langer Speer steckte in seiner Flanke, doch der Greif schien noch am Leben zu sein. Der Speer stammte wohl von einem hünenhaften Minotauren, dessen blanke Knochen neben dem Greifen auf dem Boden lagen. Hinter dem steinernen Altar erstreckte sich ein gewaltiges Tor aus schwarzem Holz, in welches schädelartige Fratzen geschnitzt waren. Golden leuchtende Ketten spannten sich von einem Torflügel zum anderen und schienen die Pforte verschlossen zu halten. Allerdings hörte man mehrmals schwere Schläge an den Torflügeln, so als würde jemand von der anderen Seite der Pforte versuchen, diese aufzubrechen. Der Greif sprach in Gedanken zu Arthilas und bat ihn, den Speer aus seiner Flanke zu ziehen. Arthilas tat dies mit der Unterstützung von Answulf, während Darian, Ortax und Wolfmir den Raum sicherten. Anschließend versuchte Arthilas den Greifen mit seiner Magie zu heilen, was diesem tatsächlich neue Kraft zu verleihen schien. Der Greif sprach in den Gedanken der Gefährten: "Habt Dank, Sterbliche, für diese hilfreiche Tat. Hinter dieser Pforte lauern die gefallenen Krieger des Blutgottes Tairach. Wenn diese Pforte in die Hände der Schwarzpelze fällt, werden die Diener des roten Mondes diese Welt beenden. Meine Wacht währt nun schon über 1.000 Jahre, doch meine Kräfte sind verzehrt. Ich muss die Sonne des Herrn Praios spüren, um neue Kraft zu schöpfen. Nur so kann ich erneut und weiterhin Wache halten und die Pforte der Toten versiegelt lassen." Obwohl weitere schwere Erschütterungen von der anderen Seite der Pforte der Toten zu bemerken waren und Darian mit seinem Astralblick mehrere Totengeister sehen konnte, machte der Greif klar, dass er die Pforte bis zum Morgengrauen beschützen würde. Die Gefährten eilten daraufhin wieder zum Granitloch am oberen Ende des Gewölbes zurück, um dieses für den Greifen weiter aufzubrechen. Mit dem Einbruch der Dunkelheit marschierten auch die Orks in der Stadt ein. Die Schwarzpelze rückten von der zerstörten Schanze aus an und drangen über die Straßenzüge der aufgegebenen Oststadt bis zu den Barrikaden zwischen Zerwas' und Lancorians Turm vor. Rondrian, Altair und Andrak eilten von der Rondraburg aus bis zum Turm von Zerwas und halfen den dortigen Verteidigern dabei, die eindringenden Orks zurückzuschlagen. Unter den Schwarzpelzen befand sich allerdings auch ein wütender Streitoger, der mehrere unerfahrene Bürgerwehrsoldaten mit seiner Ogerschelle zu Brei schlug. Rondrian stellte sich diesem Feind entgegen, entwaffnete das feiste Ungeheuer, widerstand den Faustschlägen und schlug ihn anschließend mit mehreren kräftigen Hieben in Stücke. Die Bürgerwehrsoldaten konnten diese Front halbwegs sichern, als plötzlich ein Flammenschwall die Norrnfeste erhellte: Ein dreiköpfiger Riesenlindwurm, der wohl auf Seiten der Orks kämpfte, hatte sich auf den Mauern der Norrnfeste niedergelassen und mit seinem Flammenodem einen der Türme entzündet. "Holt mir sofort Ortax
herbei, er ist beim Rahjatempel, er ist Drachenjäger!", schrie Rondrian einen Botenreiter an. Andrak und Altair gesellten sich zu Rondrian und verfolgten mit einem Schaudern, wie der Riesenlindwurm einen weiteren Wachturm in Flammen hüllte. Plötzlich stand auch Zerwas neben Rondrian, zückte seine schwarze Klinge und sprach süffisant in seinem südländischen Dialekt: "Ich glaube, Ihr könnt die Hilfe eines Henkers gut gebrauchen. Köpfe abzuschlagen ist immerhin mein... 'Haupt'‐Geschäft!". Anfang BOR 1013 BF: Bei Lancorians Turm trafen Rondrian, Zerwas, Andrak und Altair auf ihren Gefährten Ortax, der mit strengem Blick die Flugbahn des Drachen an der Norrnfeste verfolgte. Der Zwerg war ein ausgebildeter Drachenjäger und erklärte: "Es handelt sich hierbei um einen jungen Riesenlindwurm, die Dinger sind allgemein recht schlau, aber auch sehr emotionsgetrieben. Wir brauchen einen guten Platz, um das Untier zu erlegen, am besten einen Stollen oder dergleichen..." Die Gefährten überlegten kurz und Altair zeigte auf eine nahe gelegene Gasse, die zwischen zwei hohen Häusern verlief und gerade so eng war, dass der Drache hineinpassen würde: "Vielleicht können wir den Drachen da hinein locken und von den Dächern aus angreifen?" Ortax nickte und Rondrian erklärte: "Ich werde mich dem Drachen entgegenstellen und ihn in zu dieser Gasse locken!" Mit den Segenswünschen seiner Kameraden eilte der Rondrianer zur Norrnfeste, wo der Riesenlindwurm gerade dabei war, den aus der brennenden Feste fliehenden Truppen seinen Feuerodem hinterher zu speien. "Heda, du dreiköpfige Missgestalt! Ich hörte, deine Mutter ist ein derart stinkend' Gekröse, dass sich selbst ihr Spiegelbild mit Grausen abwendet!" rief der Rondrianer dem Drachen im beleidigenden Ton entgegen und rannte dann eilig davon. Die drei Köpfe des Drachen knurrten wütend den Rondrianer an und der schwere Drachenleib stampfte dem flüchtigen Helden schnellen Schrittes hinterher. Der Drache konnte dabei sogar zu Rondrian aufholen und diesen mit seinem Feuerodem rösten. Mit schweren Verbrennungen hastete Rondrian in die Gasse hinein und suchte schwer atmend Schutz hinter einigen Kisten. Der Drache war ihm dicht auf den Fersen, doch als dieser selbst in die enge Gasse vordrang, stürzte sich Zerwas von den Dächern auf den Rücken des Lindwurms und hackte mit seiner schwarzen Klinge nach dessen Schwingen. Andrak und Altair kamen ebenfalls aus ihrer Deckung hervor und beschossen den Riesenlindwurm mit ihren Pfeilen. Ortax wiederum hatte sich beim Eingang der Gasse versteckt und schlug mit seiner Axt nach den Hinterläufen des Untiers. Der Riesenlindwurm teilte zwar selbst schwere Bisswunden aus, konnte aber mit vereinten Kräften bezwungen werden, bevor er einen der Gefährten zu Boron schicken konnte. Freudestrahlend stellte sich Ortax auf den Rücken des noch immer heißen Drachenkadavers, streckte seine Axt zum Himmel und verkündete heldenhaft den Sieg über den Erbfeind. Die Gefährten konnten sich kaum von dem Gefecht erholen, als urplötzlich eine blutrote Mondsichel am ansonsten klaren Nachthimmel erstrahlte, aus deren unteren Bereich ein Lichtstrahl zu entspringen schien, der wiederum direkt auf den Rahjatempel zeigte. Das widernatürliche Tairach‐Mal wurde auch von Arthilas bemerkt, der nach wie vor am Eingang des Rahjatempels Wache hielt. Der Elfenheiler erspähte aber auch mehrere Schwarzpelze, unter ihnen sowohl Zholochai wie auch Korogai, die sich zusammen mit einem schwer gepanzerten Kriegsoger vom Osten her dem Tempel näherten. Der Elfenheiler warnte seine Gefährten Wolfmir und Answulf vor den anmarschierenden Gegnern, doch da die Recken die Tempeltore nicht mehr rechtzeitig blockieren konnten, kletterten diese mit Hilfe eines Seils durch das Loch im Boden bis zum Wendelgang des Tairach‐Unheiligtums und bezogen dort Stellung. Die Orks folgten ihnen allerdings nicht in das dunkle Loch, sondern schickten stattdessen einige Korogai los, um Verstärkung zu holen. Wenig später erklang allerdings Kampflärm, denn Rondrian und die anderen Drachentöter waren mittlerweile ebenfalls beim Rahjatempel angekommen und verwickelten die dort wartenden Orks in ein Gefecht. Zerwas stürzte sich als erstes in die Schlacht und erschlug einen der Zholochai. Rondrian forderte einen weiteren Zholochai zum Duell. Ortax, Andrak und Altair versuchten unterdessen, den
kräftigen Oger zu erschlagen, was allerdings nicht so recht gelingen wollte. Kurze Zeit später erklangen panische Hilferufe von Darian, der sich bisher beim Greifen Scraan im untersten Unheiligtum aufgehalten hatte, um diesen bei der Versiegelung der Pforte der Toten beizustehen. Wolfmir und Answulf reagierten auf die Hilferufe und eilten entlang des Wendelgangs in die Tiefe. Arthilas hingegen wollte mit Hilfe des Seils nach oben in die Tempelhalle klettern, um seine Freunde beim Kampf gegen die Orks zu unterstützen. Er konnte beobachten, wie Zerwas einen Zholochai niederstreckte und dann selbst elegant in das Loch sprang, aus dem Arthilas gerade geklettert kam. Zeitgleich waren weitere Orkkrieger im Rahjatempel angekommen und unter ihnen befand sich auch der Feuerschamane, dem die Gefährten in den südöstlichen Wäldern begegnet waren. Arthilas schickte dem Schamanen einige Pfeile entgegen und dieser beantwortete diese mit seinen magischen Flammenstrahlen. Doch als auch Andrak und Altair den Schamanen ins Visier nahmen, konnte dieser dem feindlichen Beschuss nicht lange standhalten. Der Oger konnte nach zähem Kampf ebenfalls von Rondrian und Ortax erschlagen werden. Glücklicherweise war von draußen mittlerweile auch das Getrampel von Hufeisen auf Pflasterstein sowie die Rufe von Alrik von Blautann zu hören, der seine Kavallerie zum Rahjatempel geführt hatte, um die Orks am Vorplatz des Tempels niederzureiten. Zerwas hatte unterdessen den Wendelgang zum Tairach‐Unheiligtum hinter sich gelassen und zu Wolfmir und Answulf aufgeholt, die beide am Eingang der Vorkammer standen. Die Vorkammer selbst entsprach einem mit losen Knochen gefüllten Becken, doch sowohl Darian als auch der Greif, die am anderen Ende der Vorkammer die Pforte der Toten bewachten, waren kaum auszumachen, da sich mittlerweile Dutzende von orkischen Skeletten aus der Knochengrube gewühlt hatten und sich in der Vorkammer sammelten. Answulf zückte sein dem Herrn Praios geweihtes Zepter und Wolfmir nahm seinen dem Herrn Boron geweihten Spaten in die Hand, dann traten sie gemeinsam nach vorne, um sich den vordersten Skeletten zum Kampf zu stellen. Überraschend eilte Zerwas an den beiden Götterdienern vorbei, tänzelte sich durch die Reihen der Untoten und hielt mit gezückter Klinge direkt auf den Greifen zu. "Neeein!", schrien Answulf und Wolfmir wie aus einem Mund und der Greif selbst hob überrascht seine Flügel, um den anstürmenden Henker wie auch die gesamte, mit Untoten gefüllte Vorkammer mit heiligem Licht zu fluten. Zum Entsetzen der Gefährten verwandelte sich Zerwas im Licht des Greifen in den blutroten Dämon, doch dieser stürmte weiterhin ungebremst auf den Greifen zu und setzte zu einem Sprungangriff an. Kurz bevor der Henker das heilige Wesen erreichte, prallte dieser mit einem dumpfen Knall gegen einen unsichtbaren Wall, der anscheinend den Zugang zum inneren Unheiligtum versiegelte. Darian atmete erleichtert aus, denn er war es gewesen, der den Angriff auf den Greifen mit der arkanen Barriere verhindert hatte. Der rote Dämon fluchte und hackte auf die arkane Barriere ein, doch Answulf und Wolfmir waren bereits heran geeilt und konnten dem Erzvampir ihre geweihten Waffen über den Schädel ziehen. Tatsächlich schienen die göttergefälligen Waffen dem dämonischen Henker schweren Schaden zuzufügen. Dieser drehte sich den beiden Götterdienern zu und vollführte einen geschickten Rundumschlag, bei dem sowohl Answulf als auch Wolfmir schwer verletzt wurden. Die beiden nahmen ihre letzte Kraft und den letzten verbliebenen Mut zusammen und schlugen auf den Henker ein, bis dieser zu einem stinkenden Haufen Staub zerfiel. Übrig blieben nur die zerrissenen Kleider des Henkers sowie seine rabenschwarze Klinge. Darian erkannte, dass von der Klinge eine böse Macht ausging und nahm diese vorsichtig in Gewahrsam. Der Greif hingegen flutete die Vorkammer noch immer mit seinem Licht, welches die orkischen Untoten so sehr irritierte, dass es für Answulf und Wolfmir ein Leichtes war, die knochigen Wiedergänger nach und nach zu zertrümmern. Nachdem sowohl die Untoten beim Unheiligtum als auch die Schwarzpelze in der Tempelhalle geschlagen waren, zog sich Alrik von Blautann mit seinen verbliebenen Reitern ebenfalls in die
Tempelhalle zurück. Der Obrist berichtete, was er zur Lage der Stadt wusste: "Die meisten Truppen aus dem Norden haben sich nach dem Drachenangriff in die Flussgarnison zurückgezogen, doch die Orks haben den Weg dorthin mittlerweile abgeschnitten. Die Rondraburg scheint noch in unserer Hand zu sein. Dieser Blutmond über dem Tempel macht mir allerdings am meisten sorgen, bestimmt sehen die Orks dies als Zeichen ihres Gottes und werden diesen Ort bald überrennen. Wir müssen schnell fort von hier!" Rondrian widersprach und erklärte, dass unter diesem Tempel der Greif Scraan eine Pforte des Grauens bewachte und diese Stätte deshalb nicht in die Hände der Orks fallen durfte. Fast zeitgleich erklang ein Donnerhall und schwere Regentropfen prasselten auf das Dach des Rahjatempels. "Seht, die Herrin Rondra schickt uns ihren Segen!", sprach Rondrian und auch Oberst von Blautann schickte ein kurzes Stoßgebet zur Sturmherrin. Durch das Atrium des Tempels konnten die Gefährten außerdem beobachten, wie sich dicke Regenwolken über der Stadt sammelten und das Tairach‐Mal verhüllten. Alrik von Blautann übernahm daraufhin das Kommando über die Verteidigung des Tempels und befahl seinen Männern, die Eingangspforten zu verbarrikadieren. Stundenlang warteten die Verteidiger im Rahjatempel und lauschten den Ereignissen, die sich außerhalb abspielten: Schwerer Regen, Donnerhall, Hornsignale und entfernter Kampfeslärm waren zu hören und verklangen wieder. Kurz vor dem Morgengrauen waren weiterer Kampflärm und fürchterliche Schreie vom Vorplatz des Rahjatempels zu hören. Und nachdem dieser allmählich verstummte, erklang ein schweres Klopfen an den Tempelpforten und eine eindringliche Stimme sprach durch den Regen: "Heda, in Rondras Namen, ist hier noch eine götterfürchtige Seele am Leben?" Alrik von Blautann ließ vorsichtig die Pforte öffnen und in der regnerischen Morgendämmerung stand ein tapferer Krieger in rondragefälliger Rüstung mit blutverschmierter Klinge, den der Oberst als Abtmarschall Theon Wellenstein von Rhodenstein erkannte. Oberst von Blautann grüßte ehrenvoll den berühmten und heldenhaften Rondrianer, der als Sieger des Donnersturmrennens vor acht Jahren die Gunst der Göttin erworben hatte. Der Donnersturm, der heilige Streitwagen der Herrin Rondra, stand glänzend hinter Theon, der Korpus aus Göttergold war feucht von Blut und regen, die vier Zugpferde hingegen schnaubten aufgeregt und scharrten mit den Hufen. Ein Donnerkeil stieß krachend vom Himmel herab und als der blendende Lichtblitz verklungen war, war auch der heilige Streitwagen wieder verschwunden. Theon sprach ehrfurchtsvoll: "Die Göttin hat mich hierher befohlen. Sie hat mir ihren Streitwagen geschickt, auf dass ich zur rechten Zeit hier sein kann. Viele Schwarzpelze haben heute den Tod unter meiner Klinge gefunden, doch nun scheint mir, ist die wichtigste Schlacht geschlagen..." Der Regen ließ allmählich nach und die Gefährten wie auch Alriks Kavalleristen eilten nach draußen, um sich ein Bild von der Lage zu machen: Auf dem Vorplatz des Rahjatempels lagen unzählige Leichen erschlagener Orks, im Westen versuchten einige versprengte Schwarzpelze, die Leichen ihrer Kameraden zu plündern und im Osten, wo das erste Licht des Herrn Praios aufging, waren die Banner der Kaiserlichen Armee zu erkennen, die nach so langer Zeit des Wartens endlich die Stadt erreicht hatten. Die Morgensonne schien auf das feuchtglänzende Dach des Rahjatempels, auf dem nun auch der Greif Scraan stand. Er hob seine Flügel gen Osten und nahm die morgendlichen Sonnenstrahlen mit seinen goldenen Schwingen auf, bis er selbst wie eine kleine Sonne leuchtete. Die Stimme des heiligen Wesens erklang in den Gedanken der Gläubigen: "Hier an dieser Stelle werde ich erneut 1.000 Jahre wachen und hier an dieser Stelle soll ein Haus des Praios errichtet werden, auf dass der Götterfürst den Weg versiegelt, der zu dunklen Pforten führt." Ohne ein weiteres Wort kletterte er durch das Atrium zurück in den Tempel und von dort hinunter in das unterste Unheiligtum. Mit letzter Kraft schleppten sich die Gefährten zurück in den Tempel und bewachten diesen Ort, bis die Kaiserliche Armee gegen Mittag in Greifenfurt einmarschierte. Reichsbehüter Brin selbst führte die
Truppen an und ließ sich von Marcian das Kommando über die Stadt und die verbliebenen Verteidiger übergeben. Zusammen mit seinem engsten Gefährten Ludalf von Wertlingen suchte er selbst den Greifen Scraan im untersten Unheiligtum auf und ließ anschließend das Gewölbe unter dem Rahjatempel zügig versiegeln. In den kommenden Tagen kehrte wieder Ordnung in die Stadt Greifenfurt ein: Kaiserliche Truppen besetzten die Verteidigungsanlagen und stellten die Befestigungen wieder her, mehrere Schwadronen schwerer Reiterei stürmten die Versorgungslager der Orks im Umland und befreiten sowohl die Uferfeste im Westen als auch das Norrnkloster. Andrak führte Rondrian und die übrigen Gefährten in den kommenden Tagen auch erneut zum Kastell Kompitz, um dieses nochmals ausgiebig zu untersuchen, doch in der Burgruine waren keine Vampire mehr zu finden. Gegen Ende des Boronmondes trennten sich die Gefährten: Ortax und Altair fuhren mit dem Panzerschiff des Mechanikus Leonardo die Breite und den Großen Fluss hinab, um den Karfunkel und weitere Drachenkörperteile nach Xorlosch zu bringen. Magister Darian und Inquisitor Answulf brachen zeitgleich zusammen mit einer Delegation von Bannstrahlern nach Burg Auraleth auf, um den schwarzen Zweihänder von Zerwas in den dortigen Koschbasaltkammern zu verwahren. Rondrian, Wolfmir, Andrak und Arthilas hingegen schlossen sich ebenso wie der Abtmarschall Theon den Kaiserlichen Truppen an, um die kläglichen Reste des Orkheeres aus dem Umland zu vertreiben. In den kommenden Wochen wurden die verbliebenen Truppenverbände der Orks mehr und mehr in Richtung Finsterkamm getrieben, allerdings kamen mit dem einbrechenden Winter auch die Kriegsbemühungen zum Erliegen. Tatsächlich dauerte es noch bis zum Anfang des Jahres 1014 BF, bis der Orkensturm endgültig zurückgeschlagen und die Markgrafschaft Greifenfurt von den Schatten des Krieges befreit war.