Das Internationale Staatensystem als nullsummenspielhafte Konkurrenz oder rechtlich geordnete...

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Das Internationale Staatensystem als

nullsummenspielhafte Konkurrenz oder rechtlich

geordnete Gesellschaft seiner Akteure?1

Gliederung der heutigen Sitzung

Der Systembegriff Das Westfälische

Staatensystem Staatenzentrische und

globalistische Sicht internationaler Beziehungen

Staatenzentrische und postinternationale Weltpolitik

2

Systemtheorie Der zentrale Grundbegriff der Systemtheorie ist das System

(nach gr. to systeme = Zusammenstellung). Die Annahme, es gäbe Systeme, kann als Grundaxiom der Systemtheorie betrachtet werden.

Ein System ist wie folgt definiert: Ein System ist begrenzt und abgrenzbar (System/Umwelt-

Differenz). Es besteht aus einer Systemgrenze („Boundary“), einem Systemkern, Systemelementen, dem Zusammenwirken dieser Elemente sowie aus Energie oder Signalen. Wird etwas über die Systemgrenzen hinweg transportiert ist dieses System ein offenes, sonst ein geschlossenes System. Alles außerhalb der Systemgrenze Liegende ist nicht Teil des Systems, sondern dessen Umwelt.

Ein System ist eine Menge von Elementen, die in einem abgegrenzten oder abgrenzbaren Bereich so zusammenwirken, dass dabei ein vollständiges, sinnvolles, zweck- und zielgerichtetes Zusammenwirken in einem funktionellen Sinne erzielbar wird.

Aufbau und Funktionsweise eines Systems hängen von dem Standpunkt des Betrachters ab.

Allgemeiner Systembegriff

Ein System besteht aus einer angebbaren Menge von Akteuren, zwischen denen Prozess- und/oder Strukturbeziehungen bestehen, und die durch eine Systemgrenze von ihrer Umwelt oder anderen Systemen abgegrenzt werden.

Definition vereint drei Systemkonzepte: Strukturales Systemkonzept

(Beziehungen der Elemente zueinander) Funktionales Systemkonzept

(Verhalten eines Systems, seine Außensicht) Hierarchisches Systemkonzept

(Teil-Ganzes-Beziehung)4

Ein System ist das Modell einer Ganzheit, die Beziehungen zwischen Attributen aufweist, die aus miteinander

verknüpften Teilen besteht, und die von ihrer Umgebung abgegrenzt wird.

Strukturales Systemkonzept

5

AbteilungsleiterRechnungswesen

Finanzbuchhaltungssoftware

SachbearbeiterRechnungswese

n

SystemSystemkomponente

Beziehung

erteilt

Anweisungen

nutzt

Beziehungen der Elemente zueinander

Funktionales Systemkonzept

6

Verhalten eines Systems, seine Außensicht

System

EingabeAusgabe

Menge vonKundenaufträgen

Produktionsplan

Reaktion auf Umwelteingabe

Erfüllung der Systemfunktion

Hierarchisches Systemkonzept

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Teil-Ganzes-Beziehungen

Ist Teil von

Ist Teil von

Computer

System

(Teil-) System

(Teil-) System

Betriebssystem

Festplatte

Universalitätsanspruch Ein Charakteristikum aller Systemtheorien ist der

Anspruch, eine formale Theorie zu formulieren, die möglichst umfassend anwendbar ist ( Isomorphie- Prinzip)

Dieser Anspruch beruht auf Ludwig v. Bertalanffys Werk Allgemeine Systemtheorie : „Wenn wir … den Begriff des Systems entsprechend definieren, so finden wir, daß es Modelle, Prinzipien und Gesetze gibt, die für verallgemeinerte Systeme zutreffen, unabhängig von der Natur dieser Systeme.“ Auch heute ist es diese Ausrichtung, die systemtheoretische Ansätze attraktiv erscheinen lässt, auch wenn das Ziel bislang unerreicht ist. Universeller Erklärungsanspruch. Theorie komplexer adaptiver Systeme

Literaturtipp

Helmut Willke: Systemtheorie I: Grundlagen. 6. Auflage Stuttgart 2000. UTB.

David J. Krieger: Einführung in die allgemeine Systemtheorie. 2. Auflage Stuttgart 1996. UTB.

Dirk Baecker: Schlüsselwerke der Systemtheorie. Wiesbaden 2005. VS Verlag.

David Easton: A Systems Analysis of Political Life. Chicago 1979. Pb. U. of Chicago Press.

Bertalanffy, L. von: General System Theory. New York 1979.

Watzlawick, Paul: Wie wirklich ist die Wirklichkeit? Wahn - Täuschung - Verstehen. München 1993.

9

Nützliche Website

Portal systemische Theorie und Praxis

www.systemische-beratung.de

http://www.systemische-beratung.de/index.html

http://www.systemische-beratung.de/systemtheorie/theorie.htm

www.ehs-dresden.de/fileadmin/uploads_profs/.../Systemgesetze.ppt -

-

Systemgesetze

Ein System ist ein Ganzes bestehend aus Elementen, die miteinander in

Beziehung stehen

Systemgesetze

1. Ganzheit2. Übersummation3. Prinzip des Feedback4. Prinzip des zyklischen Charakters von Systemen5. Prinzip der Offenheit lebender Systeme6. Prinzip der negativen Entropie7. Prinzip der Differenzierung und Integration8. Prinzip des dynamischen Gleichgewichts9. Prinzip der Äquifinalität10. Prinzip der Selbstorganisation

1. Systemgesetz der Ganzheit

Eine Änderung in einem Teil des Systems verursacht eine Änderung im gesamten System

Ein System verhält sich wie ein zusammenhängendes, untrennbar Ganzes.

Das Ganze erzeugt ein Zusammenfließen der Energien- Synergie

2. Systemgesetz: Übersummation

Ein lebendes System ist mehr und anders als die Summe seiner Teile (z.B. Gruppe Schüler, Streber- Clown-oder Außenseiterrolle; Musik: Melodie - Töne)

Die Individuen entwickeln Prozesse, die über die Eigenschaften der Einzelnen hinausgehen

3. Prinzip des Feedback

Jedes System kann durch seine Fähigkeit zur Rückkoppelung sich selbst regulieren (Beispiel des Thermostats) Gruppen oder Organisationen steuern sich durch Informationen, Energie oder Material

4. Prinzip des zyklischen Charakters

von Systemen Systeme können als Zyklen von

Ereignissen verstanden werden Einzelne Ereignisse können nur auf

dem Hintergrund der Zyklen verstanden werden (z.B. verkehrs- oder ökologische Probleme)

5. Prinzip der Offenheit lebender Systeme

Geschlossene – technische – Systeme Offene – lebende – Systeme Organische oder lebende Systeme

tauschen mit ihrer Umwelt Informationen, Energie oder Stoffe aus

Systeme haben Grenzen

6. Prinzip der negativen Entropie

Systeme haben die Tendenz, sich in Richtung Desorganisation, Chaos oder Tod zu entwickeln

Dem System kann man neue Energie zuführen z.B. durch Feedback, neue Ressourcen, neue Mitarbeiter

7. Prinzip der Differenzierung und

Integration Offene Systeme entwickeln sich

Richtung Differenzierung, z.B. Arbeitsteilung

Dem wirkt man entgegen durch neue Integrationen und Koordination, z.B. Teamarbeit, ganzheitliches Lernen

8. Prinzip des dynamischen

Gleichgewichts Jedes System hat die Fähigkeit, ein

Gleichgewicht herzustellen – ein Fließgleichgewicht. Es erhält seinen Charakter trotz Abgabe und Aufnahme von Energie

9. Prinzip der Äquifinalität

Jedes System kann den gleichen Endzustand auf unterschiedlichen Wegen, von unterschiedlichen Bedingungen ausgehend, erreichen. Viele Wege führen nach Rom.

10. Prinzip der Selbstorganisation

Lebende Systeme haben die Fähigkeit, sich selbst zu organisieren z.B. Selbsthilfegruppen, Kippbilder als Ausdruck der Selbstorganisation der Wahrnehmung

Das Westfälische Staatensystem

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Ausgangspunkt:Nullsummenspielartig organisiertes

Staatensystem Das Staatensystem besteht aus unabhängigen,

souveränen Staaten. Über ihnen gibt es keine andere Autorität oder Macht. Die Staaten bestimmen selbst über ihr Zusammenwirken oder ihre Konflikte, freiwillig oder unter dem Druck äußerer oder innerer Umstände. Anarchie

Jeder Staat setzt sich seine Ziele selbst. Die Beziehungen der Staaten untereinander beruhen auf dem Prinzip der Selbsthilfe. Selbsthilfe bedeutet den Einsatz von Macht. Von ihr hängen das Bestehen des Staates und die Erreichung seiner Ziele ab. Die Staatengesellschaft ist folglich anarchisch. Daraus folgt die Unsicherheit des einzelnen Staates als dauerndes Merkmal seiner Existenz.

Sicherheitsdilemma Self-Help-System

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Kennlinien des klassischen Realismus

Historischer Hintergrund:

Radizierung von Herrschaft

Genese der friedens- und sicherheitsstiftenden Funktion des Territorialstaats

Trennung von Innen und Aussen

Entstehung des europä-ischen Staatensystems seit 1648/1713

Ideengeschichtliche Quellen:

MachiavelliMachiavelli

Hobbes

Hobbes

Idealtypisch-metaphorische Charakteristika der internationalen

Politik

Idealtypisch-metaphorische Charakteristika der internationalen

Politik

Entwicklung des Staatsräsongedankes als legitimatorischer Bezugspunkt für die Selbstbehauptung des modernen Territorialstaats.

Überwindung des innergesell-schaftlichen Naturzustands durch gesellschaftsvertragliche Begründung des Leviathan; Legitimation von Herrschaft als Garant einer territorial abgegrenzten sicherheitsgemeinschaftlichen Schutzzone: Basis der Souveränitätsanspruchs; Freisetzung des Naturzustands-Konzepts zur Charakterisierung der Beziehung zwischen solchen Schutzzonen (d.h. souveränen Staaten)

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Idealtypisch-metaphorische Charakteristika der internationalen

Politik

Idealtypisch-metaphorische Charakteristika der internationalen

Politik

Sytemebene

anarchische Struktur

Sicherheitsdilemma: Erhöhung der eigenen Sicherheit durch Stärkung militärischer Fähigkeiten verringert die Sicherheit anderer; Folge: spiralenförmiger Rüstungswettlauf

Gleichgewicht der Mächte durch Abschreckung

Internationale Politik als Nullsummenspiel staatlicher Akteure um Macht, Ressourcen, Einfluss

anarchische Struktur

Sicherheitsdilemma: Erhöhung der eigenen Sicherheit durch Stärkung militärischer Fähigkeiten verringert die Sicherheit anderer; Folge: spiralenförmiger Rüstungswettlauf

Gleichgewicht der Mächte durch Abschreckung

Internationale Politik als Nullsummenspiel staatlicher Akteure um Macht, Ressourcen, Einfluss

Akteursebene

exklusiver Handlungsanspruch der Akteure im Bereich der „high politics“

Territorialität: Schutzfunktion der harten Schale

zweckrationales, nutzenmaximierendes /nutzen-optimierendes Handeln

Prinzip der (notfalls militärischen) Selbsthilfe bei der Durchsetzung von Interessen

exklusiver Handlungsanspruch der Akteure im Bereich der „high politics“

Territorialität: Schutzfunktion der harten Schale

zweckrationales, nutzenmaximierendes /nutzen-optimierendes Handeln

Prinzip der (notfalls militärischen) Selbsthilfe bei der Durchsetzung von Interessen

Grundsätze des klassischen

Staatensystems Rex est imperator in regno suo –

Souveräne sind keiner höheren Gewalt unterworfen, sondern unabhängig und anderen Souveränen gleich

Cuius regio, eius religio – Der Herrscher bestimmt die Religion der Untertanen, Fremde haben kein Recht, aus religiösen Gründen in eine souveräne Jurisdiktion zu intervenieren

Balance of Power – Gleichgewichtspolitik soll durch Bildung von Koalitionen und den jederzeit möglichen Wechsel der Partner verhindern, dass sich ein Staat zur Vormacht über alle anderen aufschwingt

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Sehr nützliche Website:http://www.uni-muenster.de/FNZ-

Online/Einführung in die Frühe Neuzeit

Konsequenz I Ausbildung einer durch rechtsförmige Verfahren

regulierten, labilen, als Ganzes aber dennoch dauerhaften Staatengesellschaft, die durch die Idee des Gleichgewichts überwölbt wird und Selbstbehauptung und Überleben der Staaten dadurch sichern, dass die großen Mächte sich gegenseitig in der Balance halten.

Beziehungen der Staaten zueinander gebunden durch einen gemeinsamen Wertekanon: gemeinsame Interessen, gemeinsame Rechtsordnung, gemeinsame philosophische & politische Werte, gemeinsamer Zivilisationsstandard.

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Konsequenz II Vergesellschaftung zwischenstaatlicher

Beziehungen im Rahmen gemeinschaftlich anerkannter Verhaltensregeln und über Zeit ausgebildeter formeller wie informeller Institutionen (Völkerrecht, Konzert der Mächte)

Motivation durch das aufgeklärte, rationale Selbst-Interesse der Staaten an der durch Eigenbindung garantierten Erwartungsverlässlichkeit künftigen Akteurshandelns.

„a civil order even in the context of anarchy“ (Linklater)

Literaturtipp: Reinhard Meyers 1997, 381ff. (auf der GK III-CD)

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Konsequenz IIIAusbildung eines Minimalkonsens der Staaten über individuell wie gemeinschaftlich zu verfolgende Ziele:

1.Erhaltung und Schutz der Staatengesellschaft selber # universalistische und transnational- revolutionäre Akteure2.Erhaltung der Unabhängigkeit und Souveränität ihrer Mitglieder3.Erhaltung des negativen Friedens als Normalzustand zwischenstaatlicher Beziehungen4.Einhegung tödlicher Gewalt, Einhaltung von Verpflichtungen [pacta sunt servanda], Garantie der Verfügungsgewalt über das Eigentum durch wechselseitig anerkannte Rechtsnormen

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Eckwerte des Rationalismus im Vergleich zum Realismus

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Realismus Rationalismus

Akteure Nationalstaaten Nationalstaaten

ProzesseNullsummenspielartige Konkurrenz um Macht,

Einfluss und Ressourcen

Konflikt und Kooperation im Rahmen gemeinschaftlich

anerkannter Verhaltensregeln und Institutionen

Strukturprinzip Sicherheitsdilemma Regulierte Anarchie

Milieu

Staatenwelt als internationaler anarchischer Naturzustand

Staatenwelt als rechtlich verfasste inernationale

Staatengesellschaft

HandlungszielSicherheit des Akteurs

(als Voraussetzung seines Überlebens)

Kontrolle des Machtstrebens und der -ausübung der Akteure in der internationalen Anarchie: Erwartungsverlässlichkeit des

Akteurshandelns in der internationalen

(Rechts-)Ordnung

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Realismus Rationalismus

(Erklärungs-)Ansatzebene

(außengerichtetes) Aktions-/Interaktions-verhalten der Akteure

(„unit-level-explanation“)

Vergesellschaftung / Systembildung der

Akteure; Phänomen der „governance without

government“

Mittel

Machtakkumulation, (gewaltsame) Selbsthilfe

zur Durchsetzung von Eigeninteressen, Abschreckung,

Gleichgewichtspolitik

Ausbildung eines Konsenses der Akteure über gemeinschaftliche

Interessen, (selbstbindende)

Verhaltensregeln und Institutionen, insbes.

Anerkennung/Befolgung von Verhaltensregeln, die

die Gewaltausübung in der Staatengesellschaft einhegen, beschränken,

reduzieren

Konsequenz IV Regulierung der Anarchie im Binnenverhältnis der

(zunächst europäischen, dann europäisch-atlantischen) Staatengesellschaft verknüpft sich mit der Expansion nach aussen, vorangetrieben vom Prozess der technologischen, sozioökonomischen und politischen Modernisierung

Kreuzzüge des Mittelalters Streben nach überseeischen Kolonialreichen des

16. – 18. Jhs. bei gleichzeitigem Ausbau der BofP Ausweitung des europazentrischen

Staatensystems auf einen europazentrischen Weltzusammenhang (Imperialismus, 19.Jh.)

Ausweitung des Gleichgewichtsrahmens auf die Flügelmächte USA und UdSSR nach 1917; Übergang zur bipolaren Systemstruktur nach 1945

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Literaturtipp

Edward L. Morse: Modernization and the Transformation of International Relations. New York 1976.

Adam Watson: The Evolution of International Society. A comparative historical analysis. London 1992.

William Brown / Simon Bromley / Suma Athreye (Hrsg.): Ordering the International. History, Change, and Transformation. London 2004. 35

Das Westfälische System – ein zerklüftetes

System? Die Welt politisch anno 2001

36

Zerklüftung:Einkommensverteilung im Weltmaßstab

Diese Karten, im Original im Atlas of Global Inequality, zeigen die Einkommensverteilung eines Landes im weltweiten Vergleich.

Rot gekennzeichnete Länder besitzen weniger als ein Viertel des weltweiten Durchschnitteinkommens. Dunkelblau gekennzeichnete Länder besitzen mehr als das dreifache des weltweiten Durchschnittseinkommens. Die übrigen Farben kennzeichnen Einkommen zwischen diesen Eckpunkten: dunkelrosa (0.25 – 0.75), hellrosa (0.75 – 1.25) und hellblau (1.25 – 4).

Einkommen wird hierbei definiert als BIP/Kopf (Kaufkraftparität). Diese wird definiert als durchschnittliche Produktion von Gütern und Dienstleistungen pro Person. Bei der Betrachtung der Kaufkraftparität wird diese Produktion in Relation zum weltweiten Durchschnitt gesetzt. Der globale BIP/Kopf-Durchschnitt ist das totale weltweite BIP dividiert durch die Weltbevölkerung.

37

Zerklüftung: 1980

38

Zerklüftung: 1990

39

Zerklüftung: 2000

40

Das Westfälische System – ein Konfliktsystem?

41

Prämissen der staatszentrischen und globalistischen Sicht der IB

42

Die Staaten sind die einzigen bedeutenden

Akteure der iB. Zu erforschen sind daher ihre

Motive und Verhaltensweisen – oder genauer: die Motive und Verhaltensweisen der sie nach außen vertretenden

politischen Entscheidungsträger.

Anderen internationalen Akteuren kommt allein in ihrer Funktion als Mittel,

Agenten oder Auftragnehmern der

Staaten Bedeutung zu.

Staaten sind nicht die einzigen bedeutenden Akteure der iB.

Manche internationale Transaktio-nen & deren Resultate können nur

im Hinblick auf die Motive und Verhaltensweisen internationaler

gouvernementaler bzw. nicht gouvernementaler Organisationen

oder Bürokratien, längerfristig bestehender oder ad hoc gebildeter transnationaler

Koalitionen von Entscheidungsträgern und

Beamten, multinationalen Konzer-nen, transnationalen gesellschaft-lichen Gruppierungen oder ande-

ren in der staatenzentrischen Sicht für bedeutungslos gehalte-nen

Akteuren erklärt werden

Staatszentrische Prämissen Globalistische Gegenposition

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Die internationalen Beziehungen sind ein Nullsummenspiel; der (Macht- und Status-) Gewinn eines Akteurs

im internationalen System geht zu Lasten eines/mehrerer/aller

anderen Mitspieler. Der Austragungsmodus des Spiels ist der Konflikt; (militärische) Gewalt

dient latent oder offen als Konfliktentschei-

dungsmittel

Die internationalen Bezie-hungen sind ein Nicht-

Nullsummenspiel; Gewinne der Akteure resultieren aus einer kontinuierlich durch

technischen Fortschritt und Verbesserung der

internationalen Arbeitsteilung ver-

mehrten Gesamtmenge gesellschaftlicher Ressour-

cen. Austragungsmodus des Spiels ist der der Kooperation. Alle

wesentlichen Spielergebnisse nehmen die Form der Verteilung von Belohnungen unter

den kooperierenden Akteuren an.

Staatszentrische Prämissen Globalistische Gegenposition

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Internationaler Einfluss resultiert aus dem Einsatz von oder der Drohung mit dem

Einsatz von Macht, definiert als aktuelle

oder potentielle militärische und/oder

wirtschaftliche Handlungsbefähigung.

Internationaler Einfluss resultiert aus dem

gekonnten Umgang mit den Banden der

internationalen Interdependenz, die

die Akteure des internationalen

Systems miteinander verknüpfen. Die

Überzeugung anderer dient als Hilfsmittel bei

der Erringung von Einfluss.

Staatszentrische Prämissen Globalistische Gegenposition

Strukturen und Prozesse staatszentrischer und postinternationaler

Weltpolitik

45

Staatszentrische Weltpolitik

Postinternationale Weltpolitik

Anzahl der Hauptakteure

Kleiner als 200 Mehrere Tausend

Hauptdilemma der Akteure

(militärische) Sicherheit(Entscheidungs- und

Handlungs-) Autonomie

Hauptziel der Akteure

Erhaltung territorialer Integrität und physischer

Sicherheit

Erhaltung/Vergrößerung des Anteils am

Weltsozialprodukt und Wahrung des Zusam-

menhalts der Subsysteme

Mittel der Zielverwirklichun

gMilitärische Gewalt Entzug von Kooperation

Wertprioritäten

Prozesse der Souveränitätswahrung und

des Schutzes der Rechtsordnung

Resultate, insbesondere solche, die die

Verwirklichung der Menschenrechte, der

(Verteilungs-) Gerechtigkeit und der

Wohlfahrt fördern

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Staatszentrische Weltpolitik

Postinternationale Weltpolitik

Kooperationsmodus Formale Allianzenzeitweilige (Interessen-)

Koalitionen

Zuständigkeits-anspruch

Beschränkt auf „High Politics“ Unbeschränkt

Regeln für Inter-aktionsverhalten der

Akteure

Diplomatische Gepflogenheiten, Völkerrecht

Ad hoc formuliert, funktional und situationsbezogen

Machtverteilung Hierarchisches MachtgefälleRelative Gleichrangigkeit der Initiierung von Handlungen

Akteursinter-aktionsmuster

Symmetrisch Asymmetrisch

Systemführerschaft GroßmächteInnovative Akteure mit

umfangreichen Ressourcen

Institutionalisierung Verfestigt Im Entstehen begriffen

Veränderungs-anfälligkeit

verhältnismäßig niedrig verhältnismäßig hoch

Kontrolle über Handlungsresultate

Konzentriert Diffus

Legitimation von Entscheidungen

Formale Autorität, RechtFunktionale Autorität,

erfolgreiche Bedürfnisbefrie-digung, effektive Führung

Konsequenzen unterschiedlicher Perspektiven für die inhaltliche Füllung von Grundbegriffen

a) Strukturen und Prozesse des Internationalen Systems

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Staatenzentrische Perspektive

Akteursorientierte Perspektive

Akteure

Staaten und internationale gouvernementale Organisationen;

andere Akteure deutlich nachgeordnet

Staatliche und nichtstaatliche (vor allem transnationale Akteure und

nicht-gouvernementale internationale Organisationen)

Handlungs-legitimation

Souveränität, Status als Völker-rechtssubjekt; Macht und Herr-schaft als de facto-Legitimation

Autonomie; politischer, ökono-mischer, gesellschaftlicher

Einfluss bei anderen Akteuren

Schichtung und Struktur

des IS

Staatenhierarchie; Struktur resultiert aus der Macht-

verteilung zwischen den Großmächten und Bünd-

nissystemen; Balance of Power; deutlich ausgeprägte

Abhängigkeits- und Über-/ Unterordnungsverhältnisse

Keine festgelegte Hierarchie; komplexe Interdependenz unter-

schiedlicher Akteure und Pro-blemfelder; internationale Re-gime als strukturbildende Mo-mente; grenzübergreifende, -

überwölbende oder -unter-laufende Vernetzung der Akteure

Interaktions-muster

Intergouvernemental; vornehmlich diplomatische und militärisch-sicherheitspolitische

Starke Vermehrung der Kom-munikationskanäle zwischen den Akteuren; neue (insbes. öko-no-mische) Formen der Diplo-matie,

grass-root diplomacy

48

Staatenzentrische Perspektive

Akteursorientierte Perspektive

Verhaltens-regeln und

Normen

Völkerrecht; Durchsetzung letztlich abhängig von der Machtverteilung zwischen

den Staaten

Veränderlich je nach Umständen,

Randbedingungen und Sachbereichen;

Durchsetzung abhängig vom (Selbst-) Interesse der Akteure an ihrer Geltung

Ziel Erhaltung des Staatensystems

Erhaltung des internationalen Systems

und dessen Anpassung an wechselnde Gegebenheiten

bzw. Randbedingungen

Mittel militärische Selbsthilfe

Verhandlungs- und Austauschprozesse

zwischen staatlichen und nichtstaatlichen Akteuren;

peaceful change

a) Strukturen und Prozesse des Internationalen Systems

49

b) Verschiedene Gestaltqualitäten der internationalen Politik

Staatenzentrische Perspektive

Akteursorientierte Perspektive

Politische Rahmenbe-dingungen

Durch Hierarchie und Wettbewerb der Akteure sowie Dominanz nationaler (Sicherheits-) Interessen geprägtes,

vertikal (d.h. territorial) segmentiertes Staatensystem; Trennung von Innen- und Gesellschafts- („low“) Politik von Außen- und internationaler („high“)

Politik; Konzentration der Macht auf der nationalen, Dezentralisierung der Macht

auf der internationalen Ebene

Systemare Mischverfassung staatlicher und nichtstaatlicher

Akteure in je nach Sachgebieten unterschiedlicher horizontaler

Schichtung bei dezentralisierter Verteilung von (nicht überwiegend

militärisch definiertem) Einfluss bzw. Macht; Verknüpfung

innergesellschaftlicher und internationaler Angelegenheiten in

einem Entscheidungs- und Handlungskontinuum

Politische Prozesse

Politische Beziehungen zwischen Staaten (oder genauer: den

Regierungen); Interessendurchsetzung im Wege der Selbsthilfe oder mittels

diplomatischer Verhandlungen; systemstabilisierende Ordnungsfunktion

des Mächtegleichgewichts schließt periodische Zusammenbrüche nicht aus; nullsummenspielartige konkurrenzhafte

Prozessabläufe

Überwiegen von Beziehungen zwischen Regierungen, teils auch anderen Akteuren,

im Rahmen transnationaler, transgouvernementa-ler und

supranationaler Beziehungsgeflechte; Verknüpfung subnationaler und

transnationaler Interessenartikulation und -durchsetzung; Ausdifferenzierung staatlicher

Hand-lungsbereiche bei gleichzeitiger Be-schränkung der Kontrolle und Beherrschung

von (nicht in der eigenen Gesellschaft entstehenden) Prozessen; zweckgerichtete

Kooperation und Koalitionsbildung unterschiedlicher Akteure; Politisierung gesellschaftlicher Handlungsbe-reiche;

Vernachlässigung formaler Sta-tuskriterien (Souveränität) zugunsten funktionaler

Handlungskompetenzkriterien (Autonomie); nicht-nullsummenspielartige kooperative

Prozessabläufe

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c) Verschiedene Gestaltqualitäten der Außenpolitik

Staatenzentrische Perspektive Akteursorientierte Perspektive

Rahmenbe-dingungen

Dominanz des Staatensystems und der zwischenstaatlichen Beziehungen; Hierarchie

und Interessenwettbewerb der Staaten; Vernachlässigung signifikanter

innergesellschaftlicher Einflüsse

Neue Beziehungsnetze und Handlungssysteme zwischen staatlichen und nichtstaatlichen, transnationalen und

internationalen Akteuren sowie gouvernementalen und nichtgouvernementalen internationalen Organisationen; enge Verbindung zwischen innergesellschaftlichen und

internationalen Handlungsparametern und -Spielräumen

Inhalt

Gegenstands-, Problemkomplex- und Zielhierarchie dominiert von nationalen und/oder Sicherheitsinteressen, die die

internationale Machtverteilung widerspiegeln. Vernachlässigung wirtschaftlicher,

gesellschaftlicher und sozialer Problemkomplexe; Trennung von „high politics“

Sicherung der Existenz eines Staates im internationalen System) und „low politics“ (Erhaltung und Mehrung von Reichtum und Wohlfahrt der Bevölkerung eines Staates)

Je nach Sach- und Gegenstandsbereich veränderliche Gegenstands-, Problemkomplex- und Zielhierarchie;

gesteigerte Bedeutung wirtschaftlicher, gesellschaftlicher, sozialer, ökologischer und

humanitärer Problemkomplexe; Verknüpfung von „high politics“ (Diplomatie, Sicherheitspolitik) und „low

politics“ (Wirtschafts- Finanz-, Sozial-, Umweltpolitik)

Entschei-dungs-prozess

Dominiert durch politische und administrative Eliten, die für einen als einheitlichen Akteur

begriffenen Staat handeln; basiert auf Machtkalkül und rationaler Ziel-Mittel wie

Kosten-Nutzen-Kalkulation

Pluralistisch, beeinflusst von einem weiten Spektrum von Interessen und organisierten Interessenvertretungen, die

die innergesellschaftliche und internationale Durchsetzung ihrer Interessen miteinander verknüpfen;

basiert auf Kompromiss- und Konsensbildung durch Verhandlungen und gleichzeitig oder Zug um Zug

erfolgender tauschweiser Befriedigung unterschiedlicher Interessen (Paketlösungen)

UmsetzungAußenministerien und diplomatische Kanäle;

Drohung mit und Einsatz von nationaler Macht einschließlich militärischer Gewaltanwendung

Außenministerien und andere Regierungsbehörden, parastaatliche und privat(rechtlich organisiert)e Akteure,

funktional orientierte Organisationen; wachsende Bedeutung sachgebietsbezogener internationaler

Kooperation bei gleichzeitiger Reduzierung des Nutzens militärischer Gewaltanwendung

Grundgesetze des internationalen Systems