Die Mörder täuschten eine Evakuierung vor

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OSNABRÜCK. Aus der Men-schenmenge heraus erklangeine Klarinette: Louise Villa-fana spielte die Melodie „Sha-lom chaverim“ – Friede seimit euch. Ernst blicktenSchüler aus den neuntenKlassen der Hermann-Nohl-Schule und des Ratsgymnasi-ums auf die Messingplattender fünf Stolpersteine, diegleich verlegt werden sollten.Sie waren zur Hasestraße 31gekommen, um die Zeremo-nie zu gestalten und um dar-an zu erinnern, dass hier dieFamilie Stern gelebt hat, bisNationalsozialisten sie 1941nach Riga verschleppten undermordeten, weil sie Judenwaren.

Eine Zeitreise: In den1930er-Jahren befand sich inder Hasestraße 31 das Le-bensmittelgeschäft „B. Buch-dahl“. Es gehörte den Elternvon Gitta Stern, die hier alsAdoptivkind unter demNachnamen Adler aufwuchs,1933 Emil Stern heiratete, zuihm nach Weimar zog undmit ihm ein Schuhgeschäftbetrieb. Dort wurde 1934 ihreTochter Ruth Hanna gebo-ren. Im Jahr darauf zog dieFamilie nach Osnabrück zuden Adoptiveltern von GittaStern – Julius und JeanetteBuchdahl. Hier wurden 1937die Zwillinge Carl und Edithgeboren.

Zu der Zeit waren Judenlängst zu Opfern des Rassen-wahns geworden. Die Natio-nalsozialisten hatten mit Dis-kriminierungen begonnenund ihnen bald ein ums an-dere Recht genommen. Dochbestand ihnen das Schlimms-te noch bevor. Davon berich-teten Hermann-Nohl-Schü-ler bei der Stolpersteinverle-gung: „Sie mussten täglichum ihre Gesundheit und ihrLeben fürchten.“

Als die Sterns von einer Be-hörde die Mitteilung erhiel-

ten, die Familie würde dem-nächst – im Dezember 1941 –nach Riga in Lettland „evaku-iert“, und sie müsse sich da-für bereithalten, haben siemöglicherweise tatsächlichan eine Umsiedlung geglaubt– wie anfangs noch so vieleandere. Am 11. Dezember hol-ten Nationalsozialisten ihrGepäck ab, am 12. Dezemberbrachte die Gestapo die Fa-milie Stern und weitere 29Juden aus Osnabrück in dieTurnhalle der Pottgraben-schule. Dorthin hatten Om-

nibusse aus der Region wei-tere 477 Juden gebracht. DerZug, in den am 13. Dezemberalle einsteigen mussten, wur-de unter dem Namen „Biele-felder Transport“ berüchtigt.Er war Teil des Plans für denbeginnenden Massenmordan Juden, und schon die dreiTage dauernde Fahrt durchdie Kälte war eine Tortur oh-ne Essen und Trinken. DieFamilie Stern kam im Kon-zentrationslager Riga umsLeben – wie und wann, istnicht bekannt.

Bei der Stolpersteinverle-gung trugen Schüler desRatsgymnasiums vor: „Wirfragen uns, wie es zu diesemRassenwahnsinn, zu Verfol-gung und Ermordung so vie-ler unschuldiger Menschenin unvorstellbar hoher Zahlkommen konnte? Die Ideolo-gie des sogenannten „DrittenReiches“ erscheint heute lä-cherlich, ihre Verfechter ir-re.“ Und sie fragten sich:„Hätten wir die Propagandadurchschaut, hätten wir denMut gehabt, uns unseren ei-genen Mitmenschen in denWeg zu stellen?“ Und die Her-mann-Nohl-Schüler entsetz-ten sich darüber, dass die Na-tionalsozialisten „selbst vorden Kleinsten nicht halt-machten“ – Carl und EdithStern waren vier Jahre alt, alssie ins Konzentrationslagerverschleppt wurden.

Von jetzt an erinnern Mes-singplatten im Bürgersteigan ihr Schicksal. Während sieverlegt wurden, ließ LouiseVillafana erneut ihre Klari-nette erklingen.

Die Familie Stern wurde Opfer der Nationalsozialisten – Tod in Riga

Die Mörder täuschten eine Evakuierung vor

Von Jann Weber

Fünf Stolpersteine für Familie Stern an der Hasestraße 31.

Die Nationalsozialisten hatten die Familie Stern 1941 nach Riga verschleppt. Dort verstar-ben die Mitglieder in einem KZ. Fotos: Gert Westdörp

Die in den Gehwegen ver-legten Stolpersteine ausMessing erinnern an Op-fer des Nationalsozialis-mus – jeweils vor denWohn- oder Wirkungs-stätten der Juden, Sinti,Deserteure, Menschen,die aus politischen und re-ligiösen Gründen, wegenihrer sexuellen Orientie-rung, einer psychischenErkrankung oder einerBehinderung verfolgt undermordet wurden. DerKölner Künstler GunterDemnig ist Initiator desProjekts, dem sich mehre-re Hundert Kommunen inEuropa angeschlossen ha-ben: außer in Deutsch-land auch in Österreich,Ungarn, Italien, Tschechi-en, Polen, Belgien, Norwe-gen, den Niederlandenund der Ukraine. Patender Stolpersteine für dieFamilie Stern an der Ha-sestraße 31 sind die Her-mann-Nohl-Schule (fürCarl Stern), das Ratsgym-nasium (für Ruth HannaStern), Lea Mor (für EdithStern), Ines Mazur-Krue-ger und Gertrud Margeri-ta Krueger (für EmilStern) sowie Elisabethund Hermann Vallo (fürGitta Stern). Verlegt wur-den die Gedenksteine vonSchülern des Berufsschul-zentrums am Westerberg:André Beste, Jan Bud-denkotte, Robin-StephanDirks, René Oechel, Be-tim Ukaj und Carsten Zie-gert. Das Büro für Frie-denskultur nimmt fürweitere Gedenktafelngern Hinweise von Zeit-zeugen über das Schicksalvon Opfern des NS-Re-gimes entgegen. Die Tele-fonnummer lautet05 41/323-22 87. jweb

Stolpersteine

Sa, 14 bis 18Uhr, So, 10 bis 18 Uhr, Di, 9 bis20 Uhr, Mi-Fr, 9 bis 18 Uhr, „Neo-biota – Aliens im Vorgarten“,

Sa/So, 10 bis 18 Uhr, „Kleiderberg“,vom Leben der Textilien; Mi-Fr,10 bis 18 Uhr, „Richtig in Fahrtkommen“, Automobilisierungnach 1945 in der Bundesrepublik

Piesberger Gesellschaftshaus:So, Di, Do, 14 bis 18 Uhr, „Aufden zweiten Blick“,

Sa/So, 10 bis 18 Uhr,Mo-Fr, 11 bis 18 Uhr, „Geschich-te, Geschichten, Menschen“,Querschnitt durch 500 JahreBaugeschichte und Ereignissezum Rathaus und zum histori-schen Zentrum der Stadt,

Zentrum für Umweltkommuni-kation (ZUK) der DeutschenBundestiftung Umwelt (DBU):Mo-Do, 9 bis 17 Uhr, Fr, 9 bis 13Uhr, „T-Shirts, Tüten und Tensi-de“, interaktive Ausstellung zurnachhaltigen Chemie,

So und Mi,15 bis 17 Uhr, „Kinderportraits“,Dauer- und Sonderausstellungvon Elke Reddemann-Fuest,

Sa, Mo-Do, Leitbild der Stadt Bad Iburg,Ausstellung der Künstlerin Maria

Mo-Fr, 9 bis 13Uhr, „Alte Apotheke – NeueKunst“, Arbeiten von Werner Ka-vermann, Karsten Michaelis undStudierenden der Universität

So, 10 bis 12

Museum und Park Kalkriese:Sa-Fr, 10 bis 18 Uhr; Boden-

Schätze – Geschichte(n) aus

dem Untergrund, Mitmach-Aus-

stellung mit 20 Themenstatio-

Sa/So,

Di-Fr, 10 bis 17 Uhr, Das Pepita-

Virus, Herstellung und Verbrei-

tung eines Stoffmusters,