El paraiso no existe

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EL PARAISO NO EXISTENoel Ortiz

EL PARAISO NO EXISTENoel Ortiz

In der Arbeit von Noel Ortiz wird der Alltag, das Vorüberziehende dauer-haft. In hieb- und stichfester Kohärenz. So ist sie gegangen und so zurückgekehrt. Ihre Freuden und ihr Schmerz folgten ihr, an einen anderen Ort, zu einem anderen Menschen, aber in ihr blieb alles gleich. Die Erinnerung brennt sich in uns ein, die Kontinuität des Lebens, all die Konstanten, die wir vergessen.

Und so ist auch die Fotografie, ihre Fotografie, eine fliessende Form ihre Geschichten zu erzählen. Eine visuell schlagkräftige Kommunikation, unge-schminkt, gemächlich, ungeordnet, offen, ohne Labyrinthe.

Sie erreicht eine ungewöhnliche Kompetenz. Wobei ich mich nicht auf die Technik oder die Präsentationsform beziehe, sondern auf die Sprache. Einen feinen Schliff an der Sprache. Allen Sprachen. Und den Anforderungen, die sie an ihre Verwendung stellt.

Auszug aus der Einleitung von Roberto Schettini, Kurator der Austellung "El paraiso no existe" im Museo de la Memoria, Montevideo, Uruguay, Oktober 2011.

Wenn man von Exil spricht, meint man auch immer Reise und Bewegung. Damit eine Bewegung stattfindet (sich ein Körper von Punkt A nach Punkt B fortbewegt) braucht es einen Ausgangspunkt, den Ort, an dem sich das Objekt anfangs befindet, sowie einen Zielpunkt. Ich spreche nicht aus Zufall von diesem oder jenem Ort, oder auf Grund von Nationalismen (im Sinne von chauvinistischer Heimatverbundenheit), sondern weil diese Orte meine Lebensrealität und somit meine Er-fahrungen widerspiegeln. Es könnten auch zwei belie-bige andere Orte sein, oder Vier, oder Hundert. Aber dieses Thema erhält seine Stimme durch die eigene Erfahrung, durch das Selbsterlebte. Wird es möglich sein, das Konzept von Identität zu definieren, indem ich alles, was ich von hier und von dort zurückwei-se wie auch akzeptiere, als Ganzes widerspiegle? Identität, Exil, konstanter Wandel, Transformati-on, Bewegung. Identität, identisch, eins; das Para-dox: „eins“ verdoppelt sich, wird multipliziert und transformiert. Das Selbst setzt sich aus multiplen Elementen zusammen. „Eins“ gibt es nicht.

Zurückkehren, um über sich selbst zu sprechen, doch das Ich verwandelt sich, es wird gewaltsam konfron-tiert mit einem Ort, der einem bekannt ist, jedoch fremd zugleich. Die Doppeldeutigkeit eines Blickes auf die Strasse. Alles ist alltäglich, eigen, natür-lich, normal. Es hat nichts Fremdes oder Seltsames an dieser Sonne, diesem Licht, diesen Bäumen, diesen Gerüchen, dieser Temperatur, diesem Geräusch. Und trotzdem erscheint alles weit entfernt und unbe-kannt. Als könne man auch in dem, was man hat, die Nostalgie wiederfinden. Was sie jetzt hat und ihre Vergangenheit erscheinen ihr unhandlich, neu. Und darin liegt Vertrautheit und Angst zu gleichen Tei-len, im gleichen Atemzug. So als ob man im Jetzt aus der Erinnerung heraus einen "Chivito" isst und nicht im gegenwärtigen Augenblick. Man spürt nicht den Ge-schmack des `Chivitos` in diesem Moment, aber man spürt ihn über die Erinnerung. Was man jetzt hat, ist auch jenes, was man verloren hat, es jetzt zu haben bedeutet nicht, es für immer zu behalten. Auch wenn alle wissen, dass nichts für immer ist. Genau wie die Angst, die dem Gefühl des Verliebtseins beiwohnt, die Angst diese Liebe wieder zu verlieren.

SCHMERZ TRENNUNG WIDRIGKEIT UNVERSTÄNDNIS NEUBE-GINN. SICH SELBST SEIN. SICH NICHT IRREN FREUDE GLÜCKLICHSEIN STILLE AUSSCHLUSS SICH ZU ERKENNEN GE-BEN SICH VERSTELLEN SICH ÖFFNEN HANDELN INTERPRETIE-REN DENKEN LÜGEN SICH VERSTECKEN HEUCHELEI EHRLICH-KEIT DER STICH INS HERZ WIE GUT, DASS ICH GEGANGEN BIN ABER ES SCHEISST MICH AN, IM SCHLECHTEN ZU GEHEN WÜRDE DIR GERNE ALLES GEBEN VIELLEICHT BLEIBE ICH DOCH WAS, WENN AUCH DU ES NICHT BIST? ZWEI UND ZWEI SIND VIER RAUCHT! WAS ICH SAGE IST WAHR

Sie spürte die Panik der Leute, als sie sagten, es sei ein weiterer Staatsputsch angekündigt worden.Als sie ihren Blick erhob, sah sie, wie sich die Landschaft in Grün verdunkelt hatte. Überall sah man die Helme des Militärs. Und auf einmal hält alles inne und sie singen die Nationalhymne, während sich dort unten die Truppen in Stellung begeben und man die Panzer in Reih und Glied betrachtet. Sie nahm so schnell sie konnte ihre Schwester bei der Hand: "Wir singen nicht die Hymne! Wir gehen!"Geduckt und hinter der "hymnotisierten" Menge ver-steckt verliessen sie den Ort so schnell sie konnten. Der Rückweg war voller Gefahren und Soldaten, man spürte die Schwere, die in der Luft lag, unbeweglich, die Ruhe vor der Explosion. Als sie nach Hause kam, rollte ihr Freund gerade sei-nen Schlafsack zusammen ...

„ Was machst du ? Wohin gehst du ? “, fragte sie.„ Nach Hause, ich gehe Anderswo “, antwortete er.

Sie wachte schweissgebadet in ihrem Bett in der An-dereswo auf

und musste sich übergeben.

Man wollte ihre Identität mit den Weisungen einer Militärdiktatur erschaffen. Gewissermassen ihre Iden-tität mit falscher Geschichte und Mitteln der Re-pression eintrichtern. Steht in Reih und Glied und entfernt euch von euch selbst! Lauft in Formation, absoluter Ordnung und in Stille. Spielet Kinder, ohne dass die Schuluniform auch nur einen Flecken bekommt, ohne dass auch nur ein Haar aus dem sauber gebundenen Zopf ausbricht. Und spiel nicht mit den anderen Kindern dort, „warum?“, „Darum nicht!“ Draus-sen hört man Schüsse, und man macht das Licht aus und schaut mit versteckten Blicken hinter den Gardinen, was geschieht, aber nachher hat wieder niemand et-was gesehen. Die verbotenen Worte, der Freund, der nicht mehr zu Besuch kommt und niemand weiss, wie es um ihn steht. Sie möchte sich loslösen von dieser Lüge, diesem Betrug. Nicht vergessen. Heute existie-ren „neo“-Diktaturen, welche sich sarkastischerweise „liberal“ nennen. Es ist nicht das erste Mal, dass sie solchem Despotismus begegnet: Irgendwo auf der Welt steht ein Gefängnis mit dem Namen „Freiheit“. Es war jedoch nicht der Name, der diesen Ort berühmt machte, es war dessen Ruf als eines der grau¬samsten Zentren, wo Tod, Folter und Verschwinden zur Tages-ordnung gehörten.

Das Thema ermüdet, erschöpft, langweilt mich. Ich bbin es satt mich fremd zu fühlen, mich nicht aus-drücken zu können ohne es zu übersetzen, ohne nach dem Wort zu suchen. Ohne das sich die unbekannten Worte im unbequemen Raum zwischen den zähnen und den geschlossenen Lippen verkeilen, eingezwängt und nach allen Seiten stossend.

Es langweilt mich alles neu zu formulieren, einen anderen Weg zu suchen mich verständlich zu machen. Ich bin müde neu zu beginnen, erschöpft von vorne zu erklären, es langweilt mich zu Fragen als sei ich ein dreijähriges Kind

Warum warum warum ?qu`est que c`est ? was meinst du ?

Ich verabscheue

den depressiven, armseligen, verkleinernden, drama-tischen, wehleidigen Zustand.

Es langweilt mich

die Schwerfälligkeit mit der sich ein Neubeginn dreht, das repetitive, der Charakter von konstanter Bewegung,Unendlichkeit.

Es macht mich wütend

der Ursprung, die immer gleiche rückkehr an den Aus-gangspunkt und fortfahren, die schmerzvolle Last wie eine Sklavin welche verdammt ist das Anderssein als Beschimpfung zu ertragen, wie ausgeschlossen sein, wie fremd, wie unbekannt, nicht vertrauenswürdig

Es macht mich wütend

Ich gehöre zu einer Generation im Exil.

Wurde gebohren im einem Moment der auferlegten Kultur der Angst.

Dies ist einer dieser sonderbaren Momente, in denen Ein-samkeit mich überkommt. Mich Tötet.

Enorm schreibt man ohne H.

Zerrissene Gummis.

Anschuldigungen

Eine Perspektive gibt es nicht. Sie ist nur ein mentales Bild.

Hält vor der Welt, wie sie ist, inne. Vorhalten, das heisst, sie wissen lassen, wie sie einem das Leben zerstört haben und wie sie dich weiterhin ficken. Es gefällt ihr, sich unter den Achseln zu rie-chen. Und sich den Wachs aus den Ohren zu puhlen und sich die Warzen mit den Nägeln auszureissen. Die geschehenen Tatsachen schmerzen sie, machen sie fertig in einer Weise, in welcher sich zwar die Wunde schliessen will, jedoch nur Schreie herauskommen. Ihre Stellung gegenüber der Welt halten, ihre Meinung vor der Welt verteidigen. Warum? Weil sie existiert.

Original Grössen

40x17 cm40x26 cm70x46 cm26x17 cm44x29 cmText-Tafel 40x26 cm

Scans von NegativenScan von DiaFotografie digitalScan von Foto (negative verloren)Gedruckt auf Plotter Montiert auf Alucobond 3 mm

55x23 cm55x36 cm

Noel Ortiz. Dezember 1975. UY/IT

Noel Ortiz ist in Uruguay geboren.Seit 2004 wohnt und arbeitet sie in der Schweiz. Ihren Abschluss hat sie an der Zürcher Hoch-schule der Künste in Visueller Komunikation mit Vertiefung Fotografie gemacht.