Erfurter Borreliose-Tage · von aus dem Patientenblut isolierten T-Lymphozyten an Hand der ... •...

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Die diagnostische Wertigkeit des Lymphozyten-Transformationstests (LTT) bei Lyme-Borreliose

Dr. Volker von Baehr

Erfurter Borreliose-Tage

20.-21. März 2015

Ich erkläre folgenden Interessenkonflikt: Ich bin angestellter Laborarzt des Institut für Medizinische Diagnostik Berlin (IMD). Das IMD Labor führt die Borrelienserologie und den Lymphozytentransformationstest durch und rechnet diese ärztliche Leistung nach GOÄ und EBM ab.

- Diagnostische Bedeutung des LTT

- kurze Darstellung der Methodik

- Methodische Schwierigkeiten bei der Durchführung des LTT

- Methodische Verbesserung des LTT seit den 1980er Jahren

- Notwendiger Qualitätsstandard beim LTT

- Pro und Kontra LTT in der wissenschaftlichen Literatur

- Erklärung der Abwertung des LTT in einigen Stellungnahmen

- notwenige Studien zur besseren Verifizierung der diagnostischen Wertigkeit des LTT

Was war mein Auftrag für heute?

• Der direkte Erregernachweis (PCR, Kultur) ist in der Praxis kaum hilfreich • Es steht nur der indirekte Erregernachweis zur Verfügung (Serologie) ABER: • Seropositivität bedeutet nicht zwingend „Behandlungsbedürftigkeit“

• Serologie ist ungeeignet zur Verlaufskontrolle

• Der Nachweis von Antikörpern ist in keinem Stadium lückenlos möglich Wilske B. Diagnosis of lyme borreliosis in europe. Vector Borne Zoonotic Dis. 2003;3:215-27 • Die Methoden des Antikörpernachweises sind in Deutschland nicht standardisiert (unterschiedliche Ergebnisse von Labor zu Labor)

• Borrelien ELISA erfüllt nicht Kriterien eines hochsensitiven Suchtestes

Die Labordiagnostik der Borreliose befindet sich in einem Dilemma.

Auch im Immunoblot sind falsch positive Befunde möglich ! 1. Echte falsch positive Befunde - beim IgM bedingt durch multireaktive IgM-Antikörper und IgM Immunkomplexe - auch beim IgG (z.B. durch Rheumafaktoren möglich) - durch Kreuzreaktivität (Lues, EBV, andere Infektionen?) 2. Richtig positive Befunde als Seronarbe, die in der klinischen Beurteilung oft als „falsch positiv“ betitelt werden.

Deshalb wird eine Labormethode benötigt, welche die aktive Auseinandersetzung des Immunsystems mit

dem Erreger anzeigt.

Zirkulieren Borrelien-spezifische memory-Effektor-T-Zellen in signifikanter Anzahl zum Untersuchungszeitunkt im Patientenblut ?

Wenn nicht, spricht das gegen eine aktive Auseinandersetzung des zellulären Immunsystems mit Borrelien.

Was ist der Lymphozytentransformationstest ?

Testprinzip des LTT:

Nachweis einer in vitro-induzierten antigen-spezifischen Aktivierung von aus dem Patientenblut isolierten T-Lymphozyten an Hand der Zellproliferation Erstbeschreibung 1960, seitdem kontinuierliche Entwicklung zu einem hoch sensitiven und reproduzierbaren immunologischen Testverfahren

Indikationen des Lymphozytentransformationstest ?

Immunfunktionsdiagnostik

Als Stimulanz dienen Recall-Antigene auf die im Normalfall eine deutliche T-zelluläre Immunität vorliegt (u.a. Tetatoxoid, Influenza-Antigen, CMV-Antigen) Allergiediagnostik

Es wird nachgewiesen, ob ein Patient auf zu untersuchende Allergene eine Gedächtnisreaktion zeigt, d.h. immunologisch sensibilisiert ist. Infektionsdiagnostik

Anwendung bei obligat oder fakultativ intrazellulär persistierenden Erregern als Ergänzung zur serologischen Diagnostik (z.B. Borrelien, Chlamydien, Herpesviren).

Das Problem des LTT auf Borrelienantigene ist es, die T-Effektor-Memory-Zellen antigenspezifisch nachzuweisen. Die Antigene und die gewählte Antigendosis müssen geeignet sein, zwischen Memory-T-Zellen und Effektor Memory-T-Zellen zu unterscheiden. d.h. 1. Nicht-Infizierte müssen im LTT negativ sein 2. Serokonvertierte Gesunde müssen negativ sein bzw. sich in der Stärke der Reaktion deutlich von

Patienten mit klinischer Borreliose unterscheiden

Durchführung des Lymphozytentransformationstest ?

1. Lymphozyten und Monozyten (PBMC´s) werden durch Dichte- gradientenzentrifugation aus heparinisiertem Blut des

Patienten gewonnen

Lymphozyten und Monozyten

Erythro- und Granulozyten (werden verworfen)

Serum

2. Nach mehreren Waschvorgängen werden die Patientenzellen in ein Zellkulturmedium (u.a. mit Zusatz von IFN-α)

aufgenommen und anschließend in Kultur gebracht und mit den entsprechenden Antigenen unter Zusatz von autologem Serum für 5 Tage stimuliert (Dreifachansätze).

Zugabe der Testantigene

Pipettieren der Zellen in sterile Zellkulturplatte

Lagerung im Zellinkubator für 5 Tage (37°C, 5% C02)

3. Während der 5-tägigen Zellkultur proliferieren die antigen- spezifisch-aktivierten T-Lymphozyten

Klonal proliferierte antigen- spezifische T-Lymphozyten

LTT- Ergebnis nach 5 Tagen:

Tag 0

4. Am 5. Tag werden alle Zellansätze mit Tritium-markiertem Thymidin gepulst, welches sich in den darauffolgenden 12 Stunden in die DNA von sich mitotisch teilenden Lymphozyten einbaut.

Τ∗ Τ∗

Τ∗

Τ∗

Τ∗

Τ∗

Am 5. Tag Zugabe von 3-H-Thymidin zu den kultivierten Zellen

5. Am 6. Tag werden die Zellen in einen DNA-Adsorptionsfilter „geerntet“ und in jedem Ansatz werden die counts per minute (cpm) als Mass des Zell-gebundenen 3H-Thymidin bestimmt.

Der Gehalt an Zell-gebundenem 3H-Thymidin ist das Mass für die stattgefundenen Zellteilung im Stimulationsansatz.

„Ernte“ der kultivierten Zellen

Messung der Zellteilungsrate als cpm im Beta-Counter

Die Spezifität lässt sich zytofluorometrisch bestätigen

Spezifische T-Zellaktivierung

hier 0,34% der

T-Zellen

Unspezifische T-Zellaktivierung

hier 24,6% der

T-Zellen

Plot´s

CD3

CD3

Side

Sca

tter

CD

25

CD3

CD

25

Ch. 122/11

Ch. 22/14

Probleme des LTT

1. Unspezifität der Antigene muss ausgeschlossen sein (Vortestung jeder Charge an Nicht-Infizierten Gesunden) 2. Die richtige Dosis muss in Voruntersuchungen ermittelt werden (Vortestung an infizierten Gesunden, Kontrolle über zytofluorometrische Testverfahren, Wiederholung bei jeder neuen Charge) 3. Die Präanalytik muss einwandfrei sein (Antikoagulanz, Transport, Lagerung, Positiv-/Negativkontrollen)

4. Die Durchführung des LTT muss durch geschultes Personal erfolgen (kaum automatisierte Schritte möglich) 5. Die Zellkulturbedingungen müssen geeignet sein um am 5. (6.) Tag die optimale Trennschärfe zwischen unspezifischer Aktivierung und antigen- spezifischer Stimulation zu haben (autologes Serum, IFN-α, Polymyxin B, Kontaminationskontrollen, Labor- ausstattung, Steriler Arbeitsbereich)

Der LTT ist zu 90% „Handarbeit“ und daher nur bedingt standardisierbar.

Herausforderung Präanalytik !!! Temperierte over night-Logistik ist essentiell für die zelluläre Immundiagnostik

Außentemperatur 4.12 /5.12.2012 - 9°C bis -11 °C

16.30 Abholung Station 7.30

AnlieferungBerlin

Problem: Geeignete Positivkontrolle

Zum Ausschluss falsch negativer Befunde muss eine Antigen-spezifische Positivkontrolle gewählt werden Schädigung antigenpräsentierender Zellen bleiben unerkannt, wenn nur Mitogene (z.B. PWM) als Positivkontrolle verwendet werden.

Problem: Trennschärfe des LTT: positiv/negativ

Fazit

Falsch positive Ergebnisse sind möglich durch: - Verwendung unspezifisch aktivierender Antigene - zu hohe Antigendosen im Test - ungeeignete Durchführung des LTT (unsteriles, unsauberes Arbeiten) - ungeeignete Laborbedingungen (Zellkulturbereich) - ungeeignete Zellkulturplatten

- geringes Stimulationsniveau im LTT Ergebnis = Antigen-Stimulationswert / Basalwert; bei niedrigen Werten Gefahr falsch positiver (unspezifischer) Reaktionen - durch erhöhte unspezifische T-Zellreaktivität bei vorbestehenden Entzündungserkrankungen (multireaktive T-Zellen, CD5+ B-Zellen) (zu minimieren durch IFN-α-Zusatz und geeignete Zellkulturbedingungen) - verbliebene Antigenstrukturen mit kreuzreaktiven Eigenschaften die in Einzelfällen positive Reaktionen bedingen können

Problem des zu geringen Stimulationsniveaus = Starker Einfluss einzelner „Ausreißer“ auf das Resultat

Lösung: Nur Auswertung von Analysen mit einem Stimulationsniveau von > 800 cpm

Der absolute „Fehler“ von ca. 1500 cpm hat nur bei niedrigem Stimulationsniveau einen falsch grenzwertig positiven Befund zur Folge

• Qualität der Borrelien-Lysatantigene (Kultur, Reinigung, Kontrolle) • Qualität der Zellkulturmedien, -platten, - brutschränke etc. • Zusatz von Interferon-alpha und Polymyxin B zur Zellkultur • Verwendung von autologem (Patienten-eigenem) Serum in der Zellkultur • Übergang von Flüssigszintillationszählern zu Festphase-β-Countern • ausreichend hoher Probendurchsatz im Labor (ca. 50 Proben pro Tag), nur dann ist speziell geschultes Personal möglich. • Möglichkeit der methodenunabhängigen Kontrolle im Rahmen der Validation (Zytofluorometrie, (Zytokine ?)

Methodische Verbesserung seit den 1980er Jahren

Jedes Labor muss seine Methodik etablieren und validieren

1. Gesunde müssen Normalwerte haben 2. Seronegative LTT-positive müssen die Ausnahme sein 3. Patienten mit klinischem Verdacht müssen (oft) positiv sein

Wann macht ein Einsatz des LTT für die Diagnostik überhaupt Sinn?

Qualitätskennziffern des LTT im IMD Berlin Spezifität: 91,6 – 98,7% (abhängig vom Untersuchungskollektiv) Sensitivität: 89,4 % (?, nicht Gruppen-unterschieden)

Ein (korrekt) positiver LTT muss durch eine antibiotische Therapie rückläufig sein (negativ werden).

Mit welchen Argumenten wird der LTT in Fachkreisen abgelehnt? • unnötig, weil die Serologie ausreichend ist.

• zu viele falsch positive Ergebnisse

• Differierende Ergebnisse zwischen verschiedenen Labors • Falsche Interpretation der Ergebnisse hinsichtlich Sensitivität und Spezifität im Vergleich zur Serologie • Fehlende aktuelle unabhängige Studien

• kostenintensiv und die Durchführung derzeit nur in „kommerziell orientierten Labors“ möglich. • Negative Beurteilung in der AWMF S1-Leitlinie Neuroborreliose

• viel negative „Erwähnung“ in medizinischen Sekundärliteratur

Der LTT wird in der AWMF S1 Leitlinie „Neuroborreliose“ nicht empfohlen (Stand 30.9.2012)

Wilske B, Fingerle V, Schulte-Spechtel U. Microbiological and serological diagnosis of Lyme borreliosis. FEMS Immunol Med Microbiol 2007b; 49: 13–21

Verwendete Quellen für die Aussage sind:

Die zweite verwendete Quelle ist:

Wilske B, Fingerle V. Lyme-Borreliose Diagnostik. Mikrobiologe 2005; 15: 209–220

Krause et al Arthritis Rheum 1991; 34:393-402

Der LTT mit lysierten BbA wurde bei 42 Patienten mit LB und 77 nachweislich nicht-borrelieninfizierten Patienten mit anderen Erkrankungen durchgeführt. 19 der 42 LB-Patienten zeigten einen positiven LTT und nur 4 der 77 Kontrollen. Die Autoren berechnen daraus eine Sensitivität von 45% und eine Spezifität von 95%. Conclusion:: ….” The T-cell proliferative assay may be a helpful diagnostic test in the small subset of patients with late Lyme disease who have negative or indeterminant antibody responses by ELISA”.

Dressler et al: Ann Intern Med 1991; 115:533-9

55 Kinder mit gesicherter LA und 48 Kontrollpersonen Spezifität des LTT 78% bei einer Sensitivität von 77%.

Diskrepant zu allen anderen Studien war, dass der LTT bei 8 Kindern mit LA nach antibiotischer Therapie positiv wurde und bis zu 19 Monate lang positiv blieb. Huppertz 1996; Eur J Pediatr 1996; 155:297-302

Schempp et al, Zentralbl Bakteriol 1993; 279:417-25

“A significant difference was observed when the B. burgdorferi sonicate was used. In this case, only the borreliosis patients reacted with an elevated PBMC proliferation and GM-CSF secretion.

LTT durchgeführt bei 99 LB-Patienten und 21 gesunden Probanden Der LTT signifikant erhöht bei LB-Patienten EM (SI 9,8) ACA (SI 11,8) Lymphozytom (SI 7,2) Bei umschriebener Sklerodermie waren die LTT-Ergebnisse höher als bei den Kontrollen (SI 6,6 vs. 3,3), erreichten aber kein Signifikanzniveau.

Buechner SA. Arch Dermatol 1995; 131:673-7

Conclusion:…. “ Our findings show that a significant lymphoproliferative response to B. burgdorferi occurs in the majority of patients with cutaneous manifestations of Lyme borreliosis. The lymphocyte proliferation assay may be of diagnostic value in patients in whom Lyme borreliosis is strongly clinically suspected and who have nondiagnostic levels of antibodies against B burgdorferi “

Buechner SA. Arch Dermatol 1995; 131:673-7

39 Patienten mit akutem EM untersucht (4 Tage nach Auftreten) und unmittelbar nach der antibiotischen Therapie. Die 20 Kontrollpatienten dienten nur der cut off-Festlegung des LTT

Fazit: Kontrolle des LTT´s frühestens 6 Wochen nach Therapieende

Vaz A et al Infect Immun. 2001;69:7437-44

In der Arbeit von Ekerfelt (1999) wurde der LTT gar nicht verwendet, sondern der ELISPOT

Es ist bekannt, dass der ELISPOT nicht zwischen aktiver LB und asymptomatischen seropositiven Fällen differenziert.

Ekerfelt C. et al. Clin. Exp. Immunol 1999; 115: 498-502

Zusammenfassung Das durchführende Labor muss die geeignete Analytik aber auch die Präanalytik sicherstellen. Blutproben für zelluläre Tests gehören nicht in die Post sondern in die Hände qualifizierter over-night-Kurierdienste. Das Labor muss die Spezifität seiner LTT-Methode sicherstellen Trotzdem ist eine 100%ige Spezifität und Sensitivität nicht zu erreichen. Positive Ergebnisse müssen unter Berücksichtigung des klinischen Bildes interpretiert werden. Weitere klinische Studien sind notwendig und sollten von Befürwortern und Kritikern gemeinsam angegangen werden. (Selektion Patientenkollektive, Kosten, Aufwand, Logistik) Der LTT hat eine andere Aussage als der Elispot-Test.