Post on 25-Mar-2021
FACHBEREICH CHEMIE DER PHILIPPS-UNIVERSITÄT
CHEMISCHES PRAKTIKUM FÜR STUDIERENDE DER
HUMANMEDIZIN, ZAHNHEILKUNDE UND DER BIOLOGIE/LEHRAMT
7. Versuchstag
Unter der Leitung von:
Prof. Dr. Neumüller
Marburg, 2020
Versuch 37
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Versuch 37: Unterscheidung zwischen primären, sekundären und
tertiären Alkoholen
Bei diesem Versuch soll in der Praxis zwischen verschiedenen Alkoholen unterschieden werden.
Durch das LUKAS-Reagenz ist dabei eine Unterscheidung möglich. Die Aufgabenstellung gibt dabei
schon Auskunft über die möglichen Beobachtungen. Was verursacht die Beobachtungen?
Reaktionsgleichung: Nucleophile Substitution SN1
Der Mechanismus lässt sich zunächst auf einige wenige Schritte herunterbrechen. Ausgehend von
einer polaren Bindung einer Verbindung (1) kann eine Abgangsgruppe abgespalten werden. Dabei
trägt die Abgangsgruppe eine negative Ladung und ein Carbokation (Elektrophil, I) bleibt
zurück. Diese Zwischenstufe kann im Folgenden von Nucleophilen angegriffen werden. Dabei
wird eine neue Bindung und das Produkt (2) ausgebildet.
Die Zwischenstufe (I) wird auch im entsprechenden Energiediagramm der Reaktion deutlich.
Für die Abspaltung der Abgangsgruppe ist zunächst Energiezufuhr notwendig. Dies ist der
geschwindigkeitsbestimmende Schritt in der SN1-Reaktion – je einfacher die Abgangsgruppe das
Molekül verlassen kann, desto schneller können die nachfolgenden Reaktionen ablaufen.
Ausgehend von der Zwischenstufe (I) kann das Elektrophil von einem Nucleophil angegriffen
werden. Dafür ist erneut Energie notwendig, um die trigonal-planare Struktur beim Angriff des
Nucleophils in eine tetraedrische Geometrie des Produktes zu bringen.
Versuch 37
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Wie kommt es dazu, dass zunächst die bestehende Bindung einfach gebrochen wird?
Im hier vorliegenden Fall wird ein Alkohol (3) mit einer Säure (LUKAS-Reagenz) behandelt. Freie
Elektronenpaare (Lewis-Base) am Sauerstoffatom können protoniert werden. Aus diesem
Zustand (II) kann Wasser abgespalten werden, da Wasser eine negative Bildungsenthalpie besitzt
(je niedriger die Bildungsenthalpie von Stoffen, desto bevorzugter werden diese gebildet).
Zurück bleibt, wie oben beschrieben, ein Carbokation (III; auch Carbeniumion; Kohlenstoffatom
mit drei Bindungen und positiver Ladung). Dabei muss das Carbokation eine gewisse Stabilität
aufweisen.
Versuch 37
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Wie wird ein Carbokation stabilisiert?
Aliphatische Carbokationen haben ein leeres
(= keine Elektronen) p-Orbital. In diesem
Zustand ist das zentrale Kohlenstoffatom
sp2-hybridisiert und die verbliebenen Bindungen
weisen trigonal-planare Geometrie auf. Die
Stabilisierung der positiven Ladung erfolgt über
Hyperkonjugation. Dieses Konzept
berücksichtigt die verbliebenen Bindungen. Ist in
α-Position zum Carbokation ein sp3-hybridisiertes
Kohlenstoffatom (Alkylgruppe), so kann eine
σ-Bindung in der räumlichen Orientierung so
verändert werden, dass die sp3-hybridisierte
Bindung (σ-Bindung) und das leere p-Orbital parallel ausgerichtet sind. Im hier gezeigten
Beispiel kann so Elektronendichte aus der C-H-Bindung in das leere p-Orbital übertragen
werden. Je mehr Kohlenstoffatome am Carbokation gebunden sind, desto mehr Reste sorgen für
die Stabilisierung des Kations. Daher kann für unterschiedliche Carbokationen eine generelle
Reaktivität vorausgesagt werden.
Versuch 37
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Letztlich fehlt die Bildung des Produktes. Ausgehend von der Zwischenstufe ist erneut Energie
notwendig, um einen der beiden Übergangszustände zu durchlaufen. Dabei wird das Carbokation
(Elektrophil) von einem Nucleophil angegriffen. Der vergleichsweise geringe Energieaufwand ist
dabei notwendig die trigonal-planaren Geometrie des Carbokations zurück in die tetraedrische
Form zu zwingen, sodass die Bildung der vierten Bindung möglich ist.
In Lösung befindet sich im durchzuführenden Versuch eine überschaubare Menge an verfügbaren
Nucleophilen. Zum einen wäre ein nucleophiler Angriff von Wasser möglich. Bei diesem
nucleophilen Angriff wird das Edukt wieder zurückgebildet. Der entstehende Alkohol kann jedoch,
wie zuvor beschrieben, in Lösung protoniert werden, sodass sich erneut Wasser abspalten kann.
Dieser Weg wäre nicht produktiv. Stattdessen wäre auch der Angriff des zweiten Nucleophils –
des Chloridions – möglich.
Auf das so entstandene Produkt (4) haben Protonen keine Auswirkung mehr. Durch den neuen
Substituenten ist das Produkt aprotisch (es besitzt keine aciden Protonen) und ist schlechter mit
der protischen Lösung aus Wasser und verschiedenen Alkoholen mischbar. Ähnlich wie bei Milch,
bei der fein verteile Fetttropfen in Wasser dafür sorgen, dass die Milch trüb ist, entstehen durch
Zugabe des LUKAS-Reagenz zu bestimmten Alkoholen zwei verschiedene Phasen. Die aprotische
Phase bildet sich überall in Lösung, daher wird bei einem tertiären Alkohol, der eine vergleichsweise
stabile katonische Zwischenstufe erzeugt, die Lösung sofort trüb. Die weniger dichte Flüssigkeit
steigt mit der Zeit auf und bildet eine organische Phase.
Eine Trübung ist nach einer gewissen Zeit auch bei sekundären Alkoholen zu beobachten. Bei der
Abspaltung von Wasser entsteht ein weniger stabiles Kation mit einer kürzeren Lebenszeit. Durch
die kürzere Lebenszeit ist auch ein Angriff von Chloridionen unwahrscheinlicher und es setzt erst
nach einiger Zeit die Trübung ein. Primäre Alkohole erzeugen auf diesem Wege so instabile
Kationen, dass die Reaktion nicht zu beobachten ist. Daraus lässt sich des weiteren ableiten, dass
das Abspalten der Abgangsgruppe der geschwindigkeitsbestimmende Schritt der SN1-Reaktion ist.
Zeichne die verschiedenen Halogenalkane die entstehen können und benenne die Edukte und
Produkte systematisch nach der IUPAC-Nomenklatur.
Versuch 53
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Versuch 53: Reaktion von Carbonylverbindungen und
Monosacchariden mit ammoniakalkalischer Silbernitratlösung
Oxidation von organischen Verbindungen
Die Grundlagen der Redoxreaktionen wurden bereits im vergangenen Semester behandelt und sind
auch in der organischen Chemie gültig. Demzufolge kann auch die Oxidationsstufe von Atomen
in organischen Molekülen bestimmt werden. Das Grundgerüst von organischen Molekülen ist aus
Kohlenstoffatomen aufgebaut, daher steht die Bestimmung der Oxidationsstufen verschiedener
Kohlenstoffe im Vordergrund.
Die notwendigsten Elektronegativitäten (EN) sind dabei Wasserstoff (2.2), Kohlenstoff (2.5),
Stickstoff (3.0), Sauerstoff (3.5) und die Halogene (>2.5). Bindungspartnern mit der höheren EN
werden die Bindungselektronen zugeschrieben. Mit diesen Werten für die Elektronegativität kann
für die einzelnen Bindungen Folgendes geschlussfolgert werden:
Bestimme die funktionellen Gruppen und die Oxidationsstufe der markierten Kohlenstoffatome.
Versuch 53
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Die Oxidation von organischen Molekülen stellt einen wichtigen Abbauprozess von Genussmitteln
dar. Ethanol (5) wird in der Leber in einem zweistufigen Prozess abgebaut. Zunächst wird durch
das Enzym Alkoholdehydrogenase (ADH) Ethanol (5) in Acetaldehyd (6) umgewandelt. Im
nächsten Schritt wird durch enzymatische Oxidation (durch ALDH) Acetaldehyd (6) zu
Essigsäure (7) metabolisiert, welche nachfolgend über den Harn ausgeschieden wird.
Aus diesem Beispiel lässt sich erkennen, dass die funktionellen Gruppen Alkohol, Aldehyd und
Säure einen Zusammenhang haben. Oxidation bzw Reduktion machen die Umwandlung
ineinander möglich. Dabei lässt sich anhand der Oxidationsstufe des markierten Kohlenstoffes
nachvollziehen, dass der Unterschied dabei immer zwei Elektronen beträgt. Simple
Oxidationsreaktionen von Kohlenstoffen sind möglich, solange diese ein Sauerstoffatom und noch
mindestens ein Wasserstoffatom gebunden haben.
Überlegt, was analog für einen tertiären Alkohol vorauszusagen ist.
Glucose
Glucose ist eine Verbindung aus der Gruppe der
Zucker. Zuckermoleküle haben viele
Darstellungsarten, die sich auf ihre verschiedenen
Formen beziehen, die ein Molekül annehmen kann.
Eine übersichtliche Darstellung ist die Fischer-
Projektion. Dabei sind die sechs Kohlenstoffatome
senkrecht übereinander dargestellt und die H- bzw.
OH-Gruppen dabei nach vorn (vor die Blattebene)
gerichtet. Die Kohlenstoffkette ist hingegen von der
Blickrichtung weg gebogen.
Versuch 53
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Diese offenkettige Form hat in Realität nur ein sehr geringes Vorkommen. Die Aldehydfunktion
am C1-Kohlenstoffatom ist ein sehr gutes Elektrophil. Nucleophile, wie die Alkoholgruppen des
Zuckers, können am C1-Kohlenstoffatom angreifen. Durch Angriff der Alkoholgruppe des
C5-Kohlenstoffatoms am Elektrophil bildet sich ein sechsgliedriger Ring (Halbacetal-Form).
Dabei handelt es sich um eine Gleichgewichtsreaktion, bei der zwei Formen des sechsgliedrigen
Rings gebildet werden können. Die α- bzw. β-Form des sechsgliedrigen Rings wird durch den
Angriff des Sauerstoffatoms auf den sp2-hybridisierten Aldehyd aus dem vorderen oder hinteren
Halbraum (Blattvorderseite/Blattrückseite) gebildet und es entstehen dabei neue Stereozentren am
C1-Kohlenstoffatom. In der folgenden Darstellung ist der cyclische Zucker zunächst vereinfacht
(ohne Substituenten) dargestellt. Eine 3-dimensionale Darstellung des sechsgliedrigen Rings ist in
Sesselkonformation möglich (rechts - auch hier zunächst vereinfacht dargestellt).
Aufgabe 53: Versuchsdurchführung
Im ersten Aufgabenteil wird zunächst die
Durchführung der Silberspiegelprobe erklärt.
Die Silberspiegelprobe (oder auch
Tollensprobe) ist ein Nachweis für
reduzierende Zucker. Ammoniakalkalische
Silbernitrat-Lösung und Glucoselösung
werden dabei in einem Reagenzglas erhitzt.
Wie der Name bereits verrät, entstehen
zunächst ein schwarzer Niederschlag und
nachfolgend auch eine durchgehende, metallische Schicht an der Reagenzglasinnenseite, da das
gelöste Silber zu elementarem Silber reduziert wird. Im Gegenzug wird die Glucose oxidiert. In
Versuch 53
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diesem Fall muss noch geklärt werden, was genau oxidiert wird. Wie in den vorangegangenen
Abbildungen zu erkennen ist, hat Glucose sowohl Alkohol-Gruppen und in der offenkettigen
Form auch eine oxidierbare Aldehyd-Funktion. Aldehyde werden im Vergleich zu Alkoholen
relativ leicht zu Carbonsäuren oxidiert. Demzufolge wirkt lediglich die in sehr geringer Menge
vorliegende, offenkettige Form reduzierend auf zwei Silberkationen.
Die folgende Darstellung ist noch nicht vollständig! Versucht selbstständig die Reaktionsgleichung
auszugleichen.
Um die Reaktion zu beschleunigen, wird das Reagenzglas in ein warmes Wasserbad gestellt. Die
thermische Energie sorgt für eine häufigere Ringöffnung (und auch Ringschluss). Dadurch steigt
die Wahrscheinlichkeit, dass Silberkomplexe mit offenkettigen Zuckermolekülen in Lösung
kollidieren.
Zurück zum Ausgleichen der Reaktionsgleichung. Formal wird dem Zuckermolekül beim
Oxidieren ein Sauerstoffatom hinzugefügt. Um die Reaktionsgleichung also auszugleichen, muss
noch eine Spezies, die ein Sauerstoff liefern kann, hinzugefügt werden. Dadurch, dass sich in
Lösung Ammoniak befindet und die Moleküle nicht nur als Ligand sondern auch als Base fungieren
können, bietet sich Hydroxid an.
Versuch 53
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Ausgeglichene Reaktionsgleichung:
Im Weiteren sollen die Eigenschaften von Butanal, Butanon und Fructose bei der
Silberspiegelprobe untersucht werden. Welchen Verbindungen kann die reduzierende Wirkung
schon vor dem Versuch zugeschreiben werden?