Fo to: mai Halali auf Harar i - schlichtverein.net · Fe nster w erfen. W em die farbenfr o-he...

Post on 28-Oct-2019

1 views 0 download

Transcript of Fo to: mai Halali auf Harar i - schlichtverein.net · Fe nster w erfen. W em die farbenfr o-he...

Freitag, 18. Oktober 2019 LANDKREIS STRAUBING-BOGEN 13

STRAUBING-BOGENwww.straubinger-tagblatt.de

kreis & quer

Und der Sieger ist: die Flatterul-me. Sie ist der Baum des Jahres

2019. Da kann man nur gratulieren.Ausschlaggebend für die Wahl warvielleicht, dass die Flatterulme im-mun gegen Baumkrankheiten ist,weil die Ulmensplintkäfer, dieKrankheiten übertragen, sie nichtals Ulme erkennen. Vielleicht kom-pensiert die Auszeichnung durchden Menschen die Missachtungdurch die Käfer.

Dergestalt gibt es heutzutage vie-le Möglichkeiten, Ungerechtigkei-ten in der Natur zu beheben und derNatur generell bei vermeintlichenDefiziten unter die Arme zu greifen.Wie eine Kollegin mitteilt, bestehtein neuer Trend darin, Accessoiresfür Bäume zu stricken, damit dieNatur bunter wird.

Natur in ModeBei beiden Initiativen stellen sich

einige ethische Fragen: Ruft manmit der Wahl eine Schönheitskon-kurrenz unter Bäumen hervor? Wiefühlen sich die nicht gewähltenBäume? Wissen die Strickbegeister-ten, dass die Natur bunter werdenwill? Hat jemand die Bäume ge-fragt? Vielleicht hat die Natur eineLieblingsfarbe, grün zum Beispiel?Bekommen Trauerweiden nurschwarze Schals und Zitterpappelnextra dicke? Warum bekommen nurBäume Schals und warum nurSchals und nicht auch Mützen undMäntel für die kalte Jahreszeit? Hatsich von den stricknadelschwingen-den Farbfetischisten jemand ge-fragt, ob Bäume lieber Bäume ge-worden sind, damit sie keine Schalstragen müssen und ihnen die Qualder Accessoirewahl erspart bleibt?

Zudem: Wer der Natur einenFarbmangel unterstellt, sollte viel-leicht einfach einen Blick aus demFenster werfen. Wem die farbenfro-he Blütenpracht im Sommer zubunt ist, der kann ja graue Schalsstricken. –mai/frg–

Halali auf HarariAutor wird beim zweiten Kulturgespräch des Schlichtvereins kontrovers diskutiert

Von Tobias Maier

Steinach. Von Binsenweishei-ten, Alarmismus und einem Histori-ker, der sein Handwerk nicht be-herrscht, war am Mittwochabenddie Rede. Die Verdikte der Disku-tanten beim zweiten Kulturge-spräch in Steinach bezogen sich aufAuszüge aus Yuval Hararis Buch„21 Lektionen für das 21. Jahrhun-dert“. Karl Penzkofer, Vorsitzenderdes Schlichtvereins und Ausrichterder Diskussionsrunde, hatte diesbereits erwartet: „Die Reaktionen,die ich vorab erhalten habe, ließeneine kritische Auseinandersetzungvermuten.“

Bereits eine halbe Stunde vor Be-ginn der Veranstaltung trafen dieersten Gäste ein. Schließlich muss-ten sogar weitere Stühle herbeige-holt werden, um die knapp 50 Besu-cher unterzubringen. Eingangsmachte Karl Penzkofer klar: „UnserThema ist keine leichte Kost.“ Diefolgenden knapp zwei Stunden soll-ten dies bewahrheiten. Der zur De-batte stehende Autor Yuval Harariverfolge ihn bereits seit einiger Zeitund dieser habe „keine Hemmungvor Spekulation“. Dies sollte demAutor im weiteren Verlauf desAbends nicht eben positiv ange-rechnet werden.

Bei der Vorstellung der Diskutan-ten betonte Penzkofer die „schöneStimme“ Gerald Hubers, die vielenwohl aus der Bayern2-Sendung„Kleine bairische Wortkunde“ be-kannt sei. Zudem waren Dr. GeraldSchneider, Ressortleiter Politik undWirtschaft bei der MediengruppeStraubinger Tagblatt/LandshuterZeitung, und Isidor Vollnhals, ehe-maliger Generalvikar der DiözeseEichstätt, auf dem Podium. Für denAbend hatte Penzkofer vier von Ha-raris 21 Lektionen ausgewählt: Ge-rechtigkeit, Religion, Gott und Sä-kularismus.

Was ist der Mensch?Ist Gerechtigkeit ein Produkt der

Evolution? Haben sich die Gerech-tigkeitsfragen im Laufe der Zeit ge-wandelt? Dies waren im Anschlussan Harari Fragen beim ersten The-menpunkt Gerechtigkeit. Vollnhalsbetonte, dass aus theologischer Per-spektive die Moral zur Frage nachdem Menschenbild überleite: „Was

unterscheidet Mensch und Tier?Was macht den Menschen aus?“ ImChristentum sei es die Ansprachedurch Gott. Vollnhals kritisierte anHararis „evolutionärem Biologis-mus“, dass die Natur den Menschenauf nichts verpflichten könne. Erzeigte sich irritiert, „wie salopp Ha-rari über Religionen urteilt“.

Sesshaftigkeit, Moral, PolitikGemäß dem Historiker Gerald

Huber sei die Moral ein Resultat derSesshaftigkeit. Eine biologisch be-dingte Urmoral habe dabei in einekodifizierte Moral übersetzt werdenmüssen. Herausgekommen sei dieReligion: „Es war der moralischeÜberbau für die politische Gemein-schaft. Deshalb lassen sich aus mei-ner Sicht Politik und Religion auchnicht voneinander trennen, obwohlwir das andauernd versuchen.“

Gerald Schneider nahm etwasFahrt aus der bereits galoppieren-den Diskussion, um Hararis Kern-aussage zu beleuchten: „DerMensch geht noch von einem freienWillen aus. Aber wir leben jetzt, soverstehe ich Harari, in einem Zeit-

alter, in dem der Mensch als pro-grammierbares Tier vorgestellt wer-den muss.“ Die Einflüsse, die im In-formationszeitalter auf den Einzel-nen eindringen, seien enorm.Schneider betonte bereits an dieserStelle, dass er von dem Buch mehrerwartet habe. Huber sprang ihmsofort bei: „Harari liefert viele Bin-senweisheiten, er ist ein klassischerAlarmist. Ich fühlte mich bei derLektüre einfach unterfordert.“

Penzkofer nahm im Rahmen derMoraldebatte den Klimawandel inden Blick, weil Harari an einer Stel-le von „geklauten Flüssen“ spricht.Hubers Hinweis, dass es bereits frü-her einen Klimawandel gegebenhabe, verursachte deutlich ver-nehmbares Murren im Publikum.Doch hier war es wieder Schneider,der auf Hararis Aussage zurück-kommen wollte und betonte, dassHarari nicht vom Klimawandelspricht, sondern von der Möglich-keit, dass Unternehmen sich einökologisches Image verpassen undgleichzeitig Flüsse vergiften, also ingewisser Weise klauen. Der Hinweisauf die Komplexität unserer Zeitwurde vom Publikum mit Applaus

goutiert, jedoch nicht weiter dis-kursiv verfolgt.

Keine passenden AntwortenIm zweiten Punkt wurde die Fra-

ge behandelt, ob Religionen nochAntworten auf die Fragen unsererZeit liefern können. Vollnhals be-jahte dies entschieden: „Nächsten-liebe und wie wir die Begegnungmit dem anderen gestalten, sindzeitlose Fragen. Die Religion gibthierauf Antworten.“ Laut Schnei-der hat für Harari die Religion kei-ne Antworten parat: „Die Wissen-schaft hat die Religion bei den Vor-hersagen verdrängt.“ Harari weiseder Religion einfach einen anderenPlatz in der Gesellschaft zu.

Gerald Huber ergänzte: „Da fürmich Politik und Religion noch einssind, kann auch die Politik keineAntworten liefern.“ Bezüglich Ha-raris Zukunftsvisionen, welche derReligion keine Problemlösungs-kompetenz zugestehen, sagte Hu-ber: „Er versteht sein Geschäft alsHistoriker nicht. Dem Historikergeht es darum, wie etwas gewordenist, nicht wie es sein wird.“

Missbrauch der ReligionBei den beiden ausstehenden

Punkten Gott und Säkularismusverschwammen die Grenzen, wasaufgrund der fortgeschrittenen Zeitund der thematischen Verwandt-schaft nicht negativ war. Die Fragenach der Existenz Gottes beantwor-tete Harari laut Schneider mit ei-nem klaren „Nein“. Säkularismussei für Harari eine Quelle für Werteaußerhalb der Religion. Letztere seioft zur Legitimation von Gewaltmissbraucht worden. „Aber Natio-nalsozialismus und Stalinismus wa-ren auch säkular“, gab Huber zu be-denken. „In Hararis Sinn war Stalineben nicht säkular, sondern sonst ir-gendwas“, erwiderte Schneider.Vollnhals kritisierte das Fehlen vonMaßstäben, an denen eine säkulareMoral bemessen werden sollte. Hierbedarf es laut Vollnhals der Ver-nunft. Schneider warf lachend ein:„Ein Kleriker führt bei uns die Auf-klärung ein.“

Auch wenn Hararis 21 Lektionennur auszugsweise diskutiert wur-den, so war das zweite Kulturge-spräch eine Lektion in lebendigemMeinungsaustausch.

Engagiert diskutierten in der voll besetzten Steinacher Bücherei (von links) Gerald Huber, Dr. Gerald Schneider, Karl Penzkofer und Isidor Vollnhals. Foto: mai

Das ist Yuval Noah HarariLeben

Yuval Noah Harari wurde am 24.Februar 1976 im israelischen Hai-fa geboren. Harari hat, wie aufseiner Homepage zu lesen ist, ander Universität Oxford promo-viert und 2002 die Doktorwürdeerhalten. Heute ist er Dozent fürGeschichte an der HebräischenUniversität Jerusalem. Harari be-schäftigt sich mit Weltgeschichte,Mediavistik und Militärgeschich-te. 2018 sprach er auf der großenBühne des Weltwirtschaftsforumsin Davos.

In seinem 2018 erschienenenBuch „21 Lektionen für das 21.Jahrhundert“ vertritt Harari dieThese, dass die derzeitigen Elitenaus Politik, Wirtschaft und Ge-sellschaft keine tragfähige Visionfür die Zukunft haben.

BücherHararis Bücher werden überwie-gend positiv rezensiert, teils sogar

gefeiert. Er-schienen sindbisher aufDeutsch:2014: Eine kur-ze Geschichteder Menschheit2016: HomoDeus – Eine Ge-schichte vonMorgen2018: 21 Lek-tionen für das21. Jahrhundert

Preise2009/2012: Pol-onsky Preis fürKreativität und Originalität2011: Preis der Gesellschaft fürMilitärgeschichte Moncado2017: Deutscher Wirtschafts-buchpreis des Handelsblattes für„Homo Deus“ als nachdenklichs-tes und einflussreichstes Wirt-schaftsbuch. –mai–

Yuval Harari.Foto: Olivier Mid-

dendorp

Heute im Landkreis

Kalenderblatt Seite 14Veranstaltungen Seite 14Notdienste Seite 17

Sankt Englmar:Die Miniköche desLandkreises brilliertenmit perfektem Menü............... 15

Geiselhöring:

Schranke übersehen:Zug prallt auf das Autoeiner 73-Jährigen ................... 17

Bei Fragen zur Zeitungszustellung:Telefon.............. 09421/940-6400

Der direkte Draht zur Redaktion:Telefon.............. 09421/940-4620Telefax.............. 09421/940-4609landkreis@straubinger-tagblatt.de

8A6LniQo