Post on 17-Sep-2018
GRS Fachgespräch 2015
Potenzial der Geothermie zur Stromerzeugung
Enormes jährliches technisches
Angebotspotenzial zur Stromerzeugung
• Ca. 300 TWh/a @1000a (50 % der
Bruttostromerzeugung in Deutschland
Theoretische Obergrenze für in KWK
erzeugten Strom bei gleichzeitiger
Wärmeabnahme durch deutlich
ausgebautes Wärmenetz
• Ca. 66 TWh/a (~ 10 % der
Bruttostromerzeugung in Deutschland)
2 Büro f. Technikfolgenabschätzung 2003
BMWi: Erneuerbare Energie in Zahlen 2013
7 Anlagen zwischen 0,55 und 7 MWel
Gegenwärtiger Beitrag (2013)
Strom 0,08 TWh (0,01 % von 598,3 TWh (Bruttostromverbrauch)
GRS Fachgespräch 2015
Die Stromerzeugung durch Geothermie bleibt hinter den
Erwartungen zurück
Was wird benötigt, um die Geothermie voran zu bringen?
Mit welchen Schwierigkeiten haben Betreiber und Investoren zu kämpfen?
3
Was haben Fachabteilungen der GRS
bereits an Lösungen und
Empfehlungen anzubieten?
Welche Beiträge liefern unsere
gegenwärtigen und zukünftigen
Vorhaben?
GRS Fachgespräch 2015
Funktionsprinzip eines Geothermiekraftwerkes
4
In Deutschland ausschließlich
Niedrigenthalpie-Gebiete
• hydrothermal (Heiß-
Wasserreservoire) - Förderung
heißen Thermalwassers
• petrothermal (In trocken-heißem-
Stein wird durch Stimulation ein
Wärmetauschersystem erzeugt)
Förder- und Reinjektionsbohrung mit
einigen 1000 m Tiefe
Wärmeentzug über Wärmetauscher mit
Arbeitsmedium (ORC oder Kalina-Zyklus)
Ab > 100°C Fluidtemperatur ist
Stromproduktion möglich
Vielfach reine Fernwärmenutzung bei
niedrigeren Temperaturen
GeoX
GRS Fachgespräch 2015
Große Bedeutung der Standorterkundung
Thermophysikalische Gesteinseigenschaften
• Temperaturanomalie in erreichbarer Tiefe
Hydraulische Parameter
• Produktivität (m³s-1/ Mpa)
• Permeabilität / Durchlässigkeit des Reservoirs
Geologische Eigenschaften
• Störungen als Wegsamkeiten
• Geometrie des Aquifers
• Wärmeaustauschfläche zwischen Förderung und Reinjektion
Soziologische Eigenschaften
• Abnehmer für Strom und Wärme
• Akzeptanz
Tiefentemperatur in 1000 m Tiefe. Quelle: BGR 5
GRS Fachgespräch 2015
Problemfelder eines Geothermieprojektes (Auswahl)
6
Vergleichsweise limitierte Betriebserfahrung
(im Vergl. zur konventionellen Stromerzeugung)
Unerwartete Begleiterscheinungen im Betrieb
(Mikroseismische Ereignisse)
Akzeptanzprobleme
Bildung von unerwünschten Ablagerungen (Scaling)
Ausfall von Anlagenkomponenten durch Korrosion
Auftreten von natürlichen radioaktiven Stoffen - NORM
Offene rechtliche Fragen z.B. beim Strahlenschutz und der Haftung für
Schäden
GRS Fachgespräch 2015
Wo liegt das Problem?
Verringerung des Wärmeübertrages
Verringerung von Leitungsquerschnitten
Gefahr des Zusetzens im Reinjektionshorizont
7
Änderungen p/T
Entgasung
Änderungen pH/Eh
Scherung
Materialwechsel
→ Chemische Fällung
→ Elektrodeposition
Mineralablagerungen (Sulfate (z.B. BaSO4), Sulfide, Metalle)
RECHT NORM SCALING
GRS Fachgespräch 2015
8
Was trägt zur Lösung bei?
Zugabe von geeigneten, spezifischen Inhibitoren
Zuverlässige geochemische Modellierung
Sichere Messung von relevanten Parametern
Verifizierte optimierte Fahrweise (p/T-Bedingungen)
GRS-Vorhaben Beiträge
GeoDAT
Erstellung einer thermodynamischen Datenbank für
geochemische Gleichgewichtsmodellierungen in der
Tiefen Geothermie
ANEMONA (Verbund)
Entwicklung eines H+- Messsystems mit
Korrekturfunktionen für Druck, Temperatur und
Salzgehalt
RECHT NORM SCALING
GRS Fachgespräch 2015
9
Kenntnisgewinn GeoDAT
Thermodynamische Daten für
Scale-bildende Verbindungen
(insb. Sulfate) wurden identifiziert,
validiert und stehen in der Daten-
basis Geodat für PHREEQC
zur Verfügung.
Der Fit für hochsalinare Lsg.
bei Temp > 100 °C gelingt !
Nicht alle Datenbasen sind
geeignet, Prozesse in der
Geothermie abzubilden.
RECHT NORM SCALING
Baryt (BaSO4)
Bary
t-Löslic
hkeit (
mM
ol/kgw
)
Baryt-Löslichkeit in salinarer Lsg., Psat, T = 100°C
GRS Fachgespräch 2015
10
Kenntnisgewinn GeoDAT
Polytherm-polybare Modellierung
von Löslichkeiten scalebildender
Sulfate
Fazit: Veränderung der Löslichkeit von BaSO4
unter vorherrschenden Bedingungen gering
→ Vermeidung von Ablagerungen durch
Optimierung von p/T wenig aussichtsreich
• Vielversprechend: Absicherung
der Eignung von Inhibitoren
• Überprüfung der Kinetik
der Ausfällung erforderlich
• Experimentelle Erhebung von
fehlenden thermodynamischen
Daten sinnvoll
RECHT NORM SCALING
GRS Fachgespräch 2015
11
Kenntnisgewinn ANEMONA
Systematische Messwertabweichung für pH in salinaren Lösungen
RECHT NORM SCALING
y = 0,176x - 0,135
R 2
= 0,9976
-0,2
0,0
0,2
0,4
0,6
0,8
1,0
0,0 1,0 2,0 3,0 4,0 5,0 6,0
Konzentration NaCl [mol/kg]
NaCl-R
beoH
pHpcpH
ΔpH 0,42
Delt
a p
H
Neustadt-Glewe:
3,22 mol/kg NaCl
ANEMONA:
• pH für T>25°C
• Berücksichti-
gung von Druck
und Salinität
25°C
GRS Fachgespräch 2015
12
Wo liegt das Problem?
Hohe Aktivitätskonzentrationen natürlicher Radionuklide im geförderten Fluid
Norddeutsches Becken:
Salinität ca. 200 g/l 40K 5 - 130 Bq/l 226Ra Ø 7,7 Bq/l 228Ra Ø 9,3 Bq/l 210Pb Ø 0,3 Bq/l
Molassebecken:
Salinität < 1g/l
40K 0,70 – 1Bq/l
226Ra Ø 0,4 Bq/l
228Ra Ø 0,01 Bq/l
210Pb < 0,16 Bq/l
Oberrheingraben:
Salinität ca. 100 g/l 40K 130 Bq/l 226Ra Ø 45 Bq/l 228Ra Ø 30 Bq/l 210Pb Ø 13Bq/l
Zusammengestellt aus:
Degering & Köhler 2009
Eggeling et al. (2013)
Degering, D et.al. (2009)
Degering, D. & Köhler, M. (2010)
RECHT NORM SCALING
GRS Fachgespräch 2015
13
Wo liegt das Problem?
Mögliches Auftreten von radioaktiven Stoffen (NORM) in Ablagerungen
Rückstände
C [Bq/g]
Dosisleistung [Wärme-
tauscher]
(Beispielhaft)
Jährliches Aufkommen von
Rückständen
bis 1.350 (Ra-226)
bis 1.100 (Pb-210)
12 µSv/h in 1 m Entfernung
> 34 µSv/h in 0,1 m
Entfernung
5 – 6 t/a
Einige 100 t/a in 2020 ?
Zusammengestellt aus Degering & Köhler 2009;
Eggeling et al. (2013); Cuenot et al. (2010) u.a.
RECHT NORM SCALING
GRS Fachgespräch 2015
14
Was trägt zur Lösung bei?
Beseitigung von Unsicherheiten über mögliche Dosisbeiträge für Beschäftigte
Planung von Strahlenschutzmassnahmen und Monitoringstrategien
Sicherung von Entsorgungsoptionen
GRS-Vorhaben Beiträge
Probabilistische Dosisabschätzung
Nachweis der Einhaltung des
Dosiskriteriums
ANEMONA (Verbund) Etablierung des Strahlenschutzes im
Betriebsmonitoring
Entwicklung neuartiger Messtechnik
RECHT NORM SCALING
GRS Fachgespräch 2015
15
Kenntnisgewinn GeoSys
RECHT NORM SCALING
Eintrittswahrscheinlichkeit
Mit einer Wahrscheinlichkeit von
0,98 (98 %) bleibt die
Jahresdosis des Beschäftigten
unterhalb von 6 mSv
Abschätzung Anlage A
GRS Fachgespräch 2015
16
Kenntnisgewinn GeoSys
RECHT NORM SCALING
Sensitivitätsanalyse
Welche Parameter tragen in
besonderem Maße zur
Bandbreite der
Wahrscheinlichkeit für die
gesamte Dosisbelastung bei ?
Parameter
Lesart: Große Unsicherheiten des Parameters
mit hoher Sensitivität bewirkt große
Unsicherheiten des Gesamtergebnisses →
Untersuchungsbedarf!
Aber auch: Große Unsicherheiten eines
Parameters kleiner Sensitivität haben wenig
Einfluss.
Se
nsitiv
itä
tsm
aß
Zusammenhang zwischen Unsicherheit eines Parameters und Unsicherheit des
Gesamtergebnisses „Jahresdosis“
GRS Fachgespräch 2015
17
Kenntnisgewinn ANEMONA
RECHT NORM SCALING
“ANEMONA – Anlagenmonitoring als Schlüsseltechnologie
für den erfolgreichen Betrieb von Geothermiekraftwerken in
Deutschland”
Kontinuierliches Monitoring der Dosisleistung an Anlagenteilen
• Hinweise auf ein Anwachsen von Ablagerungen
• Rechtfertigung von Reinigungsmaßnahmen oder Austausch von Komponenten
• Entscheidung für oder gegen technische Lösungen oder Arbeitsprozeduren
• Aktuelle Informationen zur Strahlenbelastung am Arbeitsplatz
GRS Fachgespräch 2015
18
Kenntnisgewinn ANEMONA
RECHT NORM SCALING
“ANEMONA – Anlagenmonitoring als Schlüsseltechnologie
für den erfolgreichen Betrieb von Geothermiekraftwerken in
Deutschland”
Tauglichkeitsprüfung bildgebender Verfahren (Gamma-Cam)
• Erfolgsnachweis von Reinigungsmaßnahmen
• Detailaufnahmen geöffneter Anlagenteile
• Überprüfung der Homogenität gefüllter Rückstandsbehälter
• Nachweis diffuser Kontaminationen oder Verschleppungen
GRS Fachgespräch 2015
19
Wo liegt das Problem?
Regulatorische Unsicherheiten, die Planung und
Bau der Anlagen verzögern können
Nutzungskonflikte am (geplanten) Standort
Akzeptanz, insbesondere bei Stimulationsmaßnahmen
RECHT NORM SCALING
§§
Insbesondere im Bereich des Strahlenschutzes und im Bereich der UVP gibt es
Änderungen europäischer Richtlinien, deren Umsetzung ins nationale Recht
ansteht.
GRS Fachgespräch 2015
20
Was trägt zur Lösung bei?
Möglichst vollständige, sachliche und ergebnisoffene Analyse des Rechtsrahmens
GRS-Vorhaben Beiträge
Untersuchung der gegenwärtigen
Regelungen, die den zielgerichteten
Ausbau der Tiefengeothermie lenken und
Risiken für Mensch und Umwelt
ausschließen bzw. minimieren
RECHT NORM SCALING
GRS Fachgespräch 2015
21
Kenntnisgewinn GeoSys
RECHT NORM SCALING
„Alles in allem stellen die vorhandenen rechtlichen
Strukturen einen ausreichend gefüllten Werkzeugkasten
zur Verfügung, um die sich in der Praxis ergebenden
Problemsituationen sachgerecht lösen zu können.“
Die Behörden haben die Möglichkeit, im Einzelfall über entsprechende
Auflagen und Kontrollen die Einhaltung des gesetzlich geforderten
Sicherheitsniveaus sicherzustellen.
→ z.B. Überwachung bzw. Entlassung von NORM-Rückständen
Einige klarstellende Ergänzungen könnten sinnvoll sein →
GRS Fachgespräch 2015
22
Kenntnisgewinn
RECHT NORM SCALING
• Recht des Zugangs zu Umweltinformationen und Geodaten: Insbesondere
Modifikation des § 9 UIG; umfassendere Informationen zu den verwendeten und auf dem
Betriebsgelände gelagerten Stoffen (Bezeichnung, Menge, Verwendungs- und Lagerort
etc.). Auch Projektträger benötigen für eine Wirtschaftlichkeitsprognose und zur Prüfung
der Rentabilität Geodaten.
• Wasserrecht: Änderung des WHG; Ergänzung des Besorgnisgrundsatzes in § 48 WHG,
Verbot des Einsatzes bestimmter Stoffe bei der hydraulischen Stimulation; ausdrückliches
gesetzliches Verbot von Tiefbohrungen in Wasserschutzgebieten.
• Raumordnungs- und Bauplanungsrecht: Dreidimensionale Raumplanung um
Nutzungskonkurrenzen im Untergrund planerisch zu lösen. Auf Ebene der
Regionalplanung Konkretisierung der in den Landesentwicklungsplänen (LEP) zumeist
allgemein formulierten Grundsätze und Ziele zu erneuerbaren Energien/ der Nutzung der
Geothermie; Außenbereichsprivilegierung auch für Geothermieanlagen (§ 35 Abs. 1
BauGB) schafft Klarheit.
GRS Fachgespräch 2015
23
Kenntnisgewinn
RECHT NORM SCALING
• Bergrecht: Klarstellung des Verhältnisses von BBergG zu Umweltbelangen (§§ 48 Abs. 2,
55 Abs. 1 BBergG); bundesrechtliche Zuständigkeit für eine Tiefbohrverordnung (BVOT)
unter den Voraus-setzungen der Art. 72 Abs. 2 und Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG neu schaffen
oder bestehend mit § 68 Abs. 2 Nr. 3 BBergG begründen
• Regelungen zum Know-how-Transfer: Systematischer Austausch von
(sicherheitstechnisch bedeutsamen) Betriebserfahrungen sowie deren Auswertung,
Reduzierung von Revisions- und Stillstandzeiten, Verbesserung des Sicherheitsniveaus
GRS Fachgespräch 2015
Ein abschließender Gedanke
Zwischen 50 - 70 % des durchschnittlichen
terrestrischen Wärmestroms geht auf
freiwerdende Energie beim radioaktiven Zerfall
der natürlichen Radionuklide K-40, Uran und
Thorium zurück
24
Ein Geothermiekraftwerk nutzt natürliche Radioaktivität
NORM-Rückstände finden sich in weiteren
Energiebranchen wie Erdöl / Erdgas-
Gewinnung oder der Kohleverstromung
Strahlenschutz vor natürlicher Strahlung in nicht-nuklearen
Feldern ist erforderlich