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Abstracts
SiegenSiegen17. April 201017. April 2010
BremerhavenBremerhaven24.24. April 2010April 2010
MannheimMannheim6. November 20106. November 2010
EssenEssen3. Juli 20103. Juli 2010
BerlinBerlin13. Februar 201013. Februar 2010
HalleHalle21. August 201021. August 2010
AugsburgAugsburg23. Oktober 201023. Oktober 2010
Gastroenterologie 2010 – Vom therapeutischen Standard bis zum Therapieversagen
Siegen
Samstag, 17. April 20109.00 – 15.45 Uhr
Veranstaltungsort:Tagungs- undKongresszentrumSiegerlandhalleKoblenzer Straße 15157072 Siegen
Wissenschaftliche Leitung:Prof. Dr. J. Labenz, SiegenProf. Dr. T. Sauerbruch, Bonn
MainzMainz20. November 201020. November 2010
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Programm
Session 1: Ösophagus und Magen Vorsitz: Prof. Dr. T. Sauerbruch, Bonn
9.00 Uhr Begrüßung und Einführung Prof. Dr. J. Labenz, Siegen
9.05 Uhr Grußworte S. Mues – Oberbürgermeister der Stadt Siegen
9.10 Uhr Gastroösophageale Refluxerkrankung: ösophageale und extraösophageale Syndrome Prof. Dr. H. Koop, Berlin
9.35 Uhr Therapierefraktäre gastroösophageale Refluxkrankheit Prof. Dr. J. Labenz, Siegen
10.00 Uhr Die kranke Magenschleimhaut: Rolle von H. pylori und Medikamenten (ohne Abstract) Prof. Dr. P. Malfertheiner, Magdeburg
10.25 Uhr Helicobacter pylori in Deutschland: Prävalenz und Resistenz Prof. Dr. S. Miehlke, Dresden
10.50–11.20 Uhr Kaffeepause
Session 2: Leber Vorsitz: Prof. Dr. J. Labenz, Siegen
11.20 Uhr Chronische Hepatitis C: Versagen der Standardtherapie – Was kommt dann? PD Dr. B. Terjung, Bonn
11.45 Uhr Chronische Hepatitis B: Wann und wie behandeln? PD Dr. M. Schuchmann, Mainz
12.10 Uhr Hepatozelluläres Karzinom: neuer Algorithmus in Diagnostik und Therapie Prof. Dr. G. Gerken, Essen
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12.35 Uhr Refraktärer Aszites und hepatorenales Syndrom: derzeitiger
Stand Prof. Dr. T. Sauerbruch, Bonn
13.00–14.00 Uhr Mittagspause mit Imbiss
Session 3: Dünndarm und Dickdarm Vorsitz: Prof. Dr. G. Gerken, Essen
14.00 Uhr Reizdarmsyndrom: von der Empirie zur pathophysiologisch orientierten Therapie Prof. Dr. G. Holtmann, Essen
14.25 Uhr Chronischer Blähbauch: Was tun? Prof. Dr. R. Büchsel, Berlin
14.50 Uhr Die „Step-up“- vs. „Top-down“-Kontroverse PD Dr. K. Herrlinger, Stuttgart
15.15 Uhr Medikamentöse Therapie des Morbus Crohn – Wann und wie oft versagt sie? Prof. Dr. M. Reinshagen, Braunschweig
15.30 Uhr Zusammenfassung und Schlusswort Prof. Dr. T. Sauerbruch, Bonn
Anschriften der Referenten und Vorsitzenden siehe Seite 35
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Gastroösophageale Refluxerkrankung: ösophageale und extra-ösophageale Syndrome
H. Koop
Klinik für Allgemeine Innere Medizin und Gastroenterologie, HELIOS Klinikum Berlin-
Buch
Die konservative Therapie der Refluxerkrankung beruht ganz entscheidend auf dem
Einsatz von Protonenpumpeninhibitoren (PPI), während andere Medikamente wie
H2-Blocker, Prokinetika, mukosaprotektive Substanzen und Antazida keine Rolle
spielen (Antazida nur bei gelegentlichem, sporadischem Sodbrennen). Es sollten
primär die üblichen Standarddosen der einzelnen verfügbaren Vertreter der PPI
verabreicht werden. Dieses Vorgehen führt bei 80–90% der Patienten mit einer
erosiven Refluxkrankheit (ERD) innerhalb von 4–8 Wochen zur weitgehenden
Beschwerdefreiheit, bei Patienten mit einer nicht-erosiven Form (NERD) aber in
deutlich weniger Patienten. Aufgrund der sehr variablen individuellen Säure-
suppression unter PPI muss die Dosis bei einem kleinen Teil der Patienten erhöht
werden, um eine Beschwerdefreiheit zu erreichen. Es sollte berücksichtigt werden,
dass manche Patienten nicht unter dem typischen Sodbrennen leiden, sondern dass
sich die Refluxerkrankung bei ihnen in Form von Thoraxschmerzen manifestiert; hier
kann der probeweise Einsatz von PPI auch diagnostische Rückschlüsse liefern.
Neben den ösophagealen Symptomen entwickelt eine Subgruppe der Betroffenen
parallel auch extraösophageale Symptome, in erster Linie vonseiten des oberen
Respirationstrakts wie Husten oder Laryngitis, aber auch eine Aggravierung des
Asthmas durch Reflux wird diskutiert. Typischerweise sind dies Begleitsymptome bei
parallel bestehenden ösophagealen Beschwerden (Sodbrennen, saure Regurgitation
etc.). Unter der Behandlung kommt es dann neben der Besserung der ösophagealen
Refluxsymptomatik auch zu einer Besserung der extraösophagealen Beschwerden.
Kontrovers wird beurteilt, wie häufig die Symptome sich ausschließlich auf den
Respirationstrakt beschränken können, während z. B. Sodbrennen fehlt. Größere
Studien weisen darauf hin, dass dies wahrscheinlich ein eher seltenes Phänomen ist,
d. h., dass sich Husten, Laryngitis und Asthma nur in weniger Fällen durch PPI
bessern lassen. Da es aber an verlässlichen Methoden fehlt, diejenigen Patienten zu
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identifizieren, die möglicherweise eine Reflux-induzierte extraösophageale
Symptomatik aufweisen, ist ein zeitlich beschränkter Therapieversuch gerechtfertigt;
man sollte die Therapie bei fehlender Effektivität dann aber auch definitiv beenden.
In der Langzeittherapie dominiert die bedarfsadaptierte Therapie, d. h. der Patient
steuert die Dosierung der PPI selbst anhand seiner Beschwerden, indem er die
Dosis so weit senkt, dass er noch beschwerdefrei bleibt. Nur in Fällen mit hohem
Schweregrad ist meist eine kontinuierliche (tägliche) Gabe notwendig. Eine
endoskopische Kontrolle bei fehlendem Barrett-Ösophagus ist nur in den Fällen
erforderlich, in denen eine deutliche Refluxösophagitis bestanden hat, die Patienten
aber kaum Symptome haben, anhand derer sie die Therapiesteuerung vornehmen
können (vor allem ältere Patienten, psychiatrische Begleiterkrankungen etc.).
Die operative Therapie spielt vornehmlich bei Patienten mit intolerablen Restbe-
schwerden unter PPI-Therapie eine wichtige Rolle. Hier liegt zumeist ein Volumen-
reflux vor (häufig assoziiert mit einer großen Hiatushernie), der nur unzureichend auf
eine Säuresuppression anspricht. Nebenwirkungen der PPI-Therapie sind ein
seltenes Phänomen und daher nur in wenigen Fällen Grund für ein chirurgisches
Vorgehen. Endoskopische Verfahren zur Therapie der Refluxerkrankung haben sich
aufgrund mangelnder Effektivität nicht durchgesetzt.
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Therapierefraktäre gastroösophageale Refluxkrankheit
J. Labenz
Medizinische Klinik, Ev. Jung-Stilling-Krankenhaus, Siegen
Therapieresistentes Sodbrennen Nach allgemeiner Übereinkunft spricht man von therapieresistentem Sodbrennen,
wenn eine 8-wöchige Therapie mit der einfachen Standarddosis eines Protonen-
pumpeninhibitors (PPI) nicht zur adäquaten Symptomkontrolle führt. Es handelt sich
um ein häufiges klinisches Problem, das mindestens 30% der Patienten mit gastro-
ösophagealer Refluxkrankheit (GERD) und damit 6% der erwachsenen Bevölkerung
betrifft.
Ursachen Das Ursachenspektrum für das Versagen einer PPI-Therapie ist breit (Abb. 1). Nur
die Kenntnis möglicher Ursachen und ein stratifiziertes Vorgehen erlauben es,
unsinnige Diagnostik und falsche Therapieentscheidungen zu vermeiden und so den
bestmöglichen Therapieerfolg zu erzielen. Es sei aber erwähnt, dass keinesfalls alle
Patienten mit Sodbrennen eine zufriedenstellende Symptomkontrolle erfahren
werden.
Therapieresistente Refluxösophagitis Eine eindeutig (säure)refluxbedingte Ösophagitis ist selten therapieresistent.
Schwere Ösophagitiden benötigen allerdings mitunter mehr als 8 Wochen bis zur
Abheilung. Sollte eine Ösophagitis auch unter prolongierter und adäquat dosierter
PPI-Therapie nicht abheilen, ist in erster Linie nach Ursachen für eine unzureichende
PPI-Wirkung zu forschen; zudem ist differenzialdiagnostisch auch immer an eine
anderweitige Ursache der Ösophagitis zu denken, z. B. an Arzneimittelschäden.
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PsychischeKomorbidität
MangelndeCompliance
FalscheDiagnose
UnzureichenderPPI-Effekt
FunktionellesSodbrennen
Nicht-saurerReflux
GestörteMagenentleerung
BegleitendesReizdarmsyndrom
Abb. 1: Ursachenspektrum bei therapieresistentem Sodbrennen
Therapieresistente extraösophageale Manifestationen Die kausale Bedeutung der GERD für sogenannte „extraösophageale Syndrome“
(z. B. Husten, Laryngitis, Asthma, dentale Erosionen) wird häufig überschätzt. Nach
dem gegenwärtigen Stand sollte eine solche Beziehung nur dann in Betracht
gezogen werden, wenn eindeutig auch eine typische (symptomatische) GERD
vorliegt. In diesen Fällen kann durch eine genügend lange (3 Monate) und intensiv
dosierte PPI-Therapie in Einzelfällen eine Besserung der extraösophagealen
Probleme erwartet werden. Das Nicht-Ansprechen auf eine adäquate PPI-Therapie
sollte als Beleg für eine nicht vorhandene kausale Beziehung gewertet werden und
nicht als ein Therapieversagen im engeren Sinne.
Diagnostik bei therapieresistentem Sodbrennen Im Fall von therapieresistentem Sodbrennen ist primär zu klären, wie sicher die
Diagnose GERD tatsächlich ist. Bei bislang unzureichender bzw. unsicherer
Diagnostik sind die notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, die die Diagnose GERD
sichern bzw. ausschließen (Tab. 1).
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Etabliert
Anamnese (inkl. validierter Fragebögen)
Endoskopie ± Biopsie
Langzeit-pH-Metrie des Ösophagus
Kombinierte pH-Metrie/Impedanzmessung des Ösophagus
In begründeten Einzelfällen
Manometrie
„Umfelddiagnostik“ (z. B. Belastungs-EKG)
Obsolet
Ösophagus-Breischluck
Messung der Bilirubinabsorption im Ösophagus (Bilitec)
Tab. 1: Diagnostische Methoden zur Abklärung von Sodbrennen bzw. therapieresis-
tentem Sodbrennen
Persistieren die Symptome trotz optimierter und intensivierter PPI-Therapie, sollte
eine funktionelle Diagnostik mittels Langzeit-pH-Metrie oder, falls verfügbar,
kombinierter pH-Metrie/Impedanzmessung erfolgen. Ist die Diagnose einer GERD
nicht gesichert, empfiehlt sich diese Diagnostik ohne medikamentöse Therapie, d. h.
PPI müssen mindestens 1, besser 2 Wochen abgesetzt sein. Ist dagegen eine
GERD zuverlässig gesichert, empfiehlt sich die Diagnostik unter Therapie zum
Nachweis bzw. Ausschluss eines persistierenden sauren bzw. auch nicht-sauren
Reflux. Eine Korrelationsanalyse von Refluxereignissen und Symptomen ist obligat.
Therapieoptionen bei refraktärer GERD Nach Ausschluss einer anderweitigen ösophagealen oder extraösophagealen
Ursache sollte zunächst die säurehemmende Therapie optimiert werden. Bei
anhaltender Problematik ist dann eine funktionelle Diagnostik, am besten mit einer
kombinierten pH-Metrie und Impedanzmessung, angezeigt. In Abhängigkeit vom
Ergebnis kommen als therapeutische Optionen im Wesentlichen eine Intensivierung
und Optimierung der antisekretorischen Therapie, eine Beeinflussung der transienten
Relaxationen des unteren Ösophagussphinkters, eine Modulation der ösophagealen
Sensitivität und eine operative Rekonstruktion der gastroösophagealen Antireflux-
barriere in Betracht.
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Abbildung 2 zeigt einen Algorithmus, der das diagnostische und therapeutische
Vorgehen bei Patienten mit therapierefraktärem Refluxsyndrom illustriert. Ein
konsequentes und stratifiziertes Vorgehen ist erforderlich, um diagnostische Irrungen
und therapeutische Fehlentscheidungen zu vermeiden. Es ist darauf zu achten, dass
die einzelnen Schritte in der therapeutischen Eskalation genügend lange durch-
geführt werden. Die GERD ist und bleibt eine Domäne der konservativen Therapie.
Die chirurgische Behandlung ist nur eine Alternative für Patienten, die zwar gut auf
eine medikamentöse Therapie ansprechen, diese aber aus unterschiedlichen
Gründen nicht wünschen und daher eine Alternative suchen, sowie für therapiere-
fraktäre Patienten, bei denen eindeutig ein primärer gastroösophagealer Reflux als
Ursache der klinischen Symptomatik identifiziert werden konnte.
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Persistierendes Refluxsyndromnach (4-)8 Wo. PPI 1x tgl.
WeitereDiagnostik
GERDnicht gesichert
Anderer PPI8 Wo.
Doppeldosis PPI (1-0-1)8 Wo.
Versagen
Verbesserung ComplianceOptimierte Einnahme
Gewichtsabnahme,verbesserte Schlafhygiene+
GERD gesichert
Impedanz-pH-Monitoring
Empirische Therapie
VersagenpH-Metrie(24/48 h)
Versagen
Komorbidität?(Psyche, RDS)
Impedanz-pH-Monitoring
Empirische Therapie
TADSSRI
OptimierungPPI-Therapie
BaclofenAntireflux-OP
negativ Säure-reflux
schwachsaurerReflux
Regurgitation dominantesSymptom Sodbrennen
OptimierungPPI-Therapie
+ H2-Blockerzur Nacht
TADSSRI
Versagen
+ H2-Blockerzur Nacht
Abb. 2: Algorithmus zum diagnostischen und therapeutischen Vorgehen bei thera-
pieresistentem Refluxsyndrom (RDS: Reizdarmsyndrom; TAD: trizyklisches Antide-
pressivum; SSRI: Serotoninwiederaufnahmehemmer)
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Helicobacter pylori in Deutschland: Prävalenz und Resistenz
S. Miehlke
Medizinische Klinik und Poliklinik I, Universitätsklinikum Carl Gustav Carus der
Technischen Universität Dresden
Als obligat pathogenes Bakterium führt Helicobacter pylori zu einer chronisch aktiven
Gastritis, auf deren Boden in Abhängigkeit weiterer Einflussfaktoren (z. B. Virulenz
des Bakteriums, genetische Disposition des Wirts, Verteilungsmuster der Gastritis)
klinisch relevante Folgeerkrankungen wie die gastroduodenale Ulkuskrankheit oder
das MALT-Lymphom des Magens entstehen können. Zudem ist die H. pylori-
Infektion mit der funktionellen Dyspepsie (Reizmagensyndrom) und dem distalen
Magenkarzinom assoziiert. Im Hinblick auf eine differenzierte Diagnostik und
Therapieindikation ist auch die Kenntnis der Prävalenz der H. pylori-Infektion und die
Antibiotika-Resistenzentwicklung von Bedeutung.
Die Prävalenz der H. pylori-Infektion variiert stark zwischen Industrienationen und
Entwicklungsländern und wird wesentlich von der ethnischen Zugehörigkeit und dem
sozioökonomischen Status innerhalb einer Gesellschaft beeinflusst. Innerhalb einer
Population zeigt die H. pylori-Prävalenz eine altersabhängige Zunahme von ca. 1%
pro Lebensjahr (Geburtskohorteneffekt). In Deutschland liegt sie gegenwärtig
zwischen 5% bei Kindern und ca. 30% bei Erwachsenen. Bei Immigranten liegt die
H. pylori-Prävalenz zwischen 36% und 44% bei Kindern und zwischen 52% und 86%
bei Erwachsenen. Einen wesentlichen Faktor für die Akquisition der Infektion stellt
die intrafamiliäre Übertragung, insbesondere der enge Kontakt zwischen Kindern und
infizierten Familienangehörigen, dar. Eine Neuinfektion im Erwachsenenalter ist
selten. Die Reinfektionsrate nach erfolgreicher Eradikation beträgt in Industrieländern
ca. 1% pro Jahr.
Ein wesentlicher Einflussfaktor auf den Erfolg einer Eradikationstherapie ist neben
der Patientencompliance die prätherapeutische Resistenz, insbesondere gegen die
Antibiotika Clarithromycin und Metronidazol. Einer aktuellen Metaanalyse zufolge
reduziert eine primäre Clarithromycin-Resistenz den Erfolg der französischen
Tripletherapie (PPI-Clarithromycin-Amoxicillin) um ca. 66% und den einer
italienischen Tripletherapie (PPI-Clarithromycin-Metronidazol) um ca. 35%. Bei
primärer Metronidazol-Resistenz ist die Erfolgsrate der italienischen Tripletherapie
um ca. 18% reduziert.
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Aufgrund der gegenwärtigen Resistenzsituation in Deutschland (Clarithromycin
ca. 5%, Metronidazol < 30%) kann in der Erstlinientherapie der H. pylori-Infektion die
Kombination aus Clarithromycin und Metronidazol oder Amoxicillin weiterhin
eingesetzt werden. Als alternative Erstlinientherapie empfehlen aktuelle Leitlinien
eine sogenannte Sequenzialtherapie oder eine Vierfachtherapie ohne Sequenzauf-
bau (PPI-Clarithromycin-Metronidazol-Amoxicillin), die insbesondere bei erhöhtem
Risiko einer primären Clarithromycin-Resistenz von Vorteil sind.
Nach einmaligem Therapieversagen ist ein Anstieg der Resistenz gegenüber
Metronidazol und/oder Clarithromycin auf über 50% zu beobachten. Nach 2- bzw.
mehrfachem Therapieversagen steigt die Resistenzrate auf über 80%. Daneben sind
auch zunehmende Resistenzen, vor allem gegen Chinolone, seltener auch gegen
Rifabutin oder Tetracyclin, zu beobachten. Amoxicillin induziert praktisch keine
Resistenzentwicklung und kann daher mehrfach eingesetzt werden.
Vor diesem Hintergrund wird eine Resistenztestung bereits nach Versagen der
Erstlinientherapie empfohlen, sofern eine erneute Endoskopie durchgeführt wird.
Für die Zweitlinientherapie der H. pylori-Infektion stehen heute mehrere therapeu-
tische Optionen zur Verfügung (s. Tabelle), die bei Erwachsenen prinzipiell auch
empirisch, d. h. ohne vorherige Resistenztestung, eingesetzt werden können.
Grundsätzlich wird empfohlen, in der Zweitlinien- bzw. Reservetherapie die
Behandlungsdauer auf 10 Tage auszudehnen und alle Maßnahmen zur Therapie-
optimierung konsequent auszuschöpfen. Führt auch eine Zweitlinientherapie nicht
zum Erfolg, sollte regelhaft eine Resistenztestung mit einer darauf basierenden
Reservetherapie bzw. eine Vorstellung bei einem Spezialisten erfolgen.
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Tabelle: Optionen für eine empirische Zweitlinientherapie der H. pylori-Infektion Tag Schema Dosierung 1–10 1–10 1–10
PPI* Amoxicillin 1000 mg Levofloxacin 500 mg (bei Penicillin-Allergie: Rifabutin statt Amoxicillin)
1-0-1 1-0-1 1-0-0
1–10 1–10 1–10
PPI* Amoxicillin 1000 mg Rifabutin 150 mg
1-0-1 1-0-1 1-0-1
1–10 1–10 1–10
PPI* Amoxicillin 750–1000 mg Metronidazol 400–500 mg (nur nach primär französischer Tripletherapie einsetzbar)
1-0-1 1-1-1 1-1-1
1–14 1–14
PPI** Amoxicillin 750–100 mg
1-1-1 1-1-1
* Omeprazol 20 mg, Esomeprazol 20 mg, Rabeprazol 20 mg, Lansoprazol 30 mg, Pantoprazol 40 mg ** Omeprazol 40 mg, Esomeprazol 40 mg
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Chronische Hepatitis C: Versagen der Standardtherapie – Was kommt dann?
B. Terjung
Abteilung für Innere Medizin, St. Josef-Hospital, Bonn
Therapieindikation Mit zunehmender Frequenz behandelter Patienten steigt die Zahl derjenigen stetig
an, die keine dauerhafte Remission (SVR) erreichen. 2 Patientengruppen mit
Therapieversagen auf eine Standardtherapie müssen unterschieden werden: zum
einen Patienten mit Non-Response, bei denen es innerhalb von 12 Wochen nach
Einleitung einer Standardtherapie mit pegyliertem Interferon (PegIFN)-α2a/2b nicht zu
einem Abfall der Viruslast um mindestens 2 log-Stufen kommt bzw. die zu Woche 24
weiterhin HCV-RNA-positiv sind; zum anderen Patienten mit einem Relaps, definiert
durch ein komplettes virologisches Ansprechen mit nicht nachweisbarer HCV-
Virämie zu Woche 24, aber mit Wiederauftreten der HCV-Virämie nach Therapie-
ende. Die Differenzierung in Non-Responder und Patienten mit Relaps ist wesentlich,
um optimierte Therapiestrategien für eine Re-Therapie zu etablieren, da sich die zu
erwartenden Heilungschancen bei einer erneuten Therapie in Abhängigkeit vom
Ansprechen der Primärtherapie deutlich unterscheiden. In diesem Zusammenhang
wäre ein besseres Verständnis der zugrunde liegenden Mechanismen der Non-
Response bzw. des Relaps zusätzlich hilfreich, um der Verschiebung des Fokus in
der Therapie der HCV besser gerecht werden zu können.
Bei jedem Patienten mit Versagen der Primärtherapie und fortgesetztem Therapie-
wunsch und/oder fortgesetzter Therapieindikation sollte individuell die Indikation zur
Re-Therapie geprüft werden (Update S3-Leitlinie 2010, Z Gastroenterol. 2010; 48:
288–351; Evidenzgrad A), insbesondere bei allen Patienten, die keine optimale
Vortherapie erhalten haben. Hierbei sollte bei asymptomatischen Patienten mit
Relaps prinzipiell die Indikation zur Re-Therapie geprüft werden, wobei die
Dringlichkeit anhand individueller Faktoren gestellt wird (A). Patienten mit
vorausgegangenem Relaps auf eine Standardtherapie können in 32–55% mit einer
Re-Therapie rechnen, wenn zu Therapiewoche 12 keine HCV-Virämie mehr
gemessen wird (< 50 IU/ml). Als günstige Prädiktoren für ein Ansprechen auf eine
Re-Therapie haben sich das Vorliegen eines Non-Genotyp 1, ein geringer
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Fibrosegrad sowie eine niedrige Ausgangsviruslast (< 600.000 IU/ml) erwiesen. Im
Hinblick auf zukünftige Therapieoptionen mit direkt antiviral wirksamen Substanzen
(STAT-C; z. B. Protease- und Polymeraseinhibitoren) ist im Einzelfall auch ein
abwartendes Verhalten sinnvoll (Evidenzgrad B). Bei Patienten, die auf eine adäquat
dosierte und lege artis durchgeführte Standardtherapie mit PegIFN und Ribavirin
nicht virologisch angesprochen haben (Non-Response), sollte aufgrund niedriger
Ansprechraten (4-6%) nur in Ausnahmefällen eine Re-Therapie erfolgen (A).
Therapieoptionen Die derzeit zur Verfügung stehenden Therapieoptionen zur Behandlung bei
fehlendem Ansprechen auf eine Vortherapie umfassen die Wiederholung einer
erneuten Standardtherapie mit PegIFN-α und Ribavirin unter Ausschöpfung aller
Verbesserungsmöglichkeiten im Hinblick auf die Überwachung der HCV-RNA-Virus-
kinetik unter Therapie (komplettes virologisches Ansprechen zu Woche 12 mit HCV-
Virämie < 50 IU/ml) und die Verlängerung der Therapiedauer auf (mindestens)
72 Wochen (A) (EPIC-, REPEAT-Studie). Eine Zulassung für die Re-Therapie bei
Relaps-Patienten liegt für beide Formen von PegIFN-α2a/2b in Kombination mit
Ribavirin vor. Als nicht erfolgreich im Hinblick auf die Endpunkte Tod,
hepatozelluläres Karzinom oder Fibroseprogression hat sich eine Monotherapie mit
PegIFN-α2a/2b gegenüber einer Kontrollgruppe erwiesen (HALT-C-Studie).
Große Hoffnungen wurden auf den Einsatz von STAT-C-Substanzen in der HCV-
Therapie gesetzt, wobei eine Vielzahl von Substanzen bereits der initialen Prüfung
nicht standhalten konnte. Vielversprechende Substanzen wie Telaprevir und
Boceprevir in kombinierter Gabe mit einer Standardtherapie befinden sich derzeit in
Phase-II-/III-Studien bei Therapie-naiven Patienten (PROVE, SPRINT). Erste
Ergebnisse deuten auf eine verbesserte Ansprechrate um 5–10% bei gleichzeitig
erhöhter Nebenwirkungsrate in diesem Patientenkollektiv hin. So gut wie keine
abschließenden Daten liegen derzeit über den Einsatz von STAT-C bei Patienten mit
Versagen auf eine Standardtherapie vor und erfordern zuvor intensive Studien von
Resistenzmechanismen des Hepatitis-C-Virus, um zu einer verbesserten Ansprech-
rate bei diesem schwer therapierbaren Kollektiv gelangen zu können. Während die
erste Generation von STAT-C-Substanzen nur in Kombinationstherapie mit PegIFN-α
und Ribavirin eine ausreichende Effektivität erzielen kann, zielen zukünftige
Bestrebungen auch auf die Entwicklung alternativer Mechanismen der STAT-C oder
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den Einsatz alternativer Medikamente (z. B. Antiprotozoenmedikament Nitazoxanid),
um zum einen eine höhere genetische Barriere für die Ausbildung viraler Resisten-
zen erreichen und zum anderen auch Behandlungsoptionen für diejenigen
Patientengruppen anbieten zu können, bei denen Kontraindikationen für eine
Standardtherapie bestehen, z. B. eine schwere Niereninsuffizienz oder schwere
hämatologische Nebenwirkungen.
Zusammenfassung Die zunehmende Zahl derjenigen HCV-Patienten mit Relaps oder Non-Response auf
eine Standardtherapie mit PegIFN-α2a/2b und Ribavirin erfordert die verstärkte Suche
nach neuen Therapiestrategien/-optionen, z. B. durch den zusätzlichen Einsatz von
STAT-C-Substanzen. Wesentlich für jede Form der Re-Therapie ist die vorherige
sorgfältige individuelle Prüfung der Indikation zur Re-Therapie.
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Chronische Hepatitis B: Wann und wie behandeln?
M. Schuchmann
I. Medizinische Klinik und Poliklinik, Universitätsklinikum Mainz
Die therapeutischen Optionen für Patienten mit chronischer Hepatitis-B-Virus (HBV)-
infektion haben sich in den letzten Jahren nachhaltig verbessert. Die Verfügbarkeit
neuer hochwirksamer, antiviraler Substanzen tragen bereits jetzt spürbar dazu bei,
schwerwiegende Komplikationen HBV-assoziierter Leberzirrhosen und dadurch
notwendige Transplantationen zu reduzieren.
Dennoch bedeutet gerade die Vielfalt der Möglichkeiten der modernen HBV-Therapie
– angefangen vom Zeitpunkt des Therapiestarts, über die Wahl des Medikaments bis
zur Frage der notwendigen Therapiedauer – im Einzelfall eine besondere Heraus-
forderung.
Das prinzipielle Therapieziel hat sich dabei über die Jahre nicht geändert: Die
Entwicklung einer Leberzirrhose und ihrer Komplikationen soll verhindert werden. Als
Surrogat dient dabei das Überführen einer progredienten entzündlichen Erkrankung
in einen inaktiven Status, bei dem die Virusreplikation dauerhaft unter immuno-
logische Kontrolle gebracht wird.
Die nun verfügbare Möglichkeit, eine persistierende und fortschreitende Leber-
entzündung durch eine wirkungsvolle und nebenwirkungsarme Suppression der
Virusreplikation zu unterdrücken, hat auch dazu beigetragen, ein Dogma aufzulösen.
Die Entwicklung einer Leberzirrhose ist keine Einbahnstraße: Selbst bereits etablierte
Leberzirrhosen können sich nach mehrjähriger antiviraler Therapie signifikant
zurückentwickeln.
Die neuen Behandlungsoptionen mit Nukleos(t)id-Analoga der neuesten Generation
haben nun 2 Fragen in den Vordergrund treten lassen: „Wann und bei wem mit der
Behandlung beginnen?“ und „Wie lange die Therapie fortsetzen?“
Große Kohortenstudien aus Asien haben belegt, dass insbesondere die Viruslast bei
der Risikoabschätzung für Krankheitsprogression entscheidend ist. Zusammen mit
dem Ausmaß der histologisch bereits vorliegenden Fibrose ist deshalb die Viruslast,
insbesondere der Grenzwert von 2000 IU/ml bzw. 10.000 Kopien/ml, für die initiale
Therapieentscheidung ausschlaggebend.
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Trotz neuer Optionen hat vor allem die bei HBeAg-negativen Patienten in der Regel
nicht abzuschätzende Therapiedauer die prinzipielle Attraktivität einer zeitlich
begrenzten Interferon-Therapie neu belebt: Hier sind Langzeitergebnisse der Gruppe
um P. Marcellin mit einer HBsAg-Serokonversionsrate von 29% nach einer mittleren
Beobachtungszeit von 14 Jahren nach Interferon-Therapie bei HBeAg-positiven
Patienten ermutigend.
HBsAg, bisher oft nur als diagnostischer Marker betrachtet, könnte in Zukunft gerade
bei der Verlaufsbeurteilung eines mittelfristigen Therapieansprechens an Bedeutung
gewinnen: Die quantitative Bestimmung unter laufender Therapie mit Interferon oder
Virostatika kann dazu beitragen, die Patienten zu identifizieren, die sich auf einen
HBsAg-Verlust und damit auf eine dauerhafte immunologische Kontrolle, also eine
Heilung mit wenig Vorbehalt, zubewegen.
Ob die Kombination von Interferon und Nukleos(t)id-Analoga – sequenziell oder
additiv – die Ausheilungsquoten in Zukunft noch weiter verbessern kann, ist Gegen-
stand aktueller Studien.
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Hepatozelluläres Karzinom: neuer Algorithmus in Diagnostik und Therapie
G. Gerken
Klinik für Gastroenterologie und Hepatologie, Universitätsklinikum Essen
Das hepatozelluläre Karzinom (HCC) ist mit mehr als 1 Million Erkrankungsfällen pro
Jahr weltweit eines der häufigsten Malignome mit zunehmender Tendenz auch in
den westlichen Industrieländern. Dies steht in erster Linie im Zusammenhang mit der
Verbreitung der chronischen Hepatitis C, aber auch mit metabolisch-toxischen
Risikofaktoren, die zur Leberzirrhose führen. Grundsätzlich ist somit die Leber-
zirrhose unabhängig von der Ätiologie als eine Präkanzerose anzusehen.
Das Alpha-Fetoprotein (AFP) ist der gebräuchlichste HCC-Tumormarker. HCC
weisen in bis zu 70% erhöhte AFP-Spiegel auf. Er kann aber auch moderat bei
gastrointestinalen Tumoren, in der Schwangerschaft, bei akuter und chronischer
Hepatitis und bei Leberzirrhose per se auftreten. Erst ein Serum-AFP von mehr als
400 ng/ml bzw. konsekutiv ansteigende AFP-Werte sind pathognomonisch für das
Vorliegen eines HCC. Derzeit sind tumorspezifischere AFP-Assays in der Entwick-
lung, so ist z. B. ein fucosylierter Subtyp des AFP (AFP-L3) als ein möglicher
weiterentwickelter Tumormarker mit prognostischer Relevanz in der Evaluierung. Ein
weiterer Marker stellt das DCP-Prothrombin-Molekül dar, welches in malignen
Hepatozyten produziert wird. Bei HCC-Patienten scheint DCP als Marker mit dem
Vorhandensein mikrovaskulärer Thromben und dem Vorhandensein von Satelliten-
herden als wichtige Prognosefaktoren für das Langzeitüberleben nach potenziell
kurativer Therapie zu korrelieren. Eine direkte Korrelation zwischen DCP und AFP
besteht jedoch nicht. Nur die kombinierte Bestimmung erhöht die Sensitivität.
Weitere mögliche HCC-Tumormarker, insbesondere Biomarker der Tumorangio-
genese befinden sich in der Entwicklung.
Aufgrund der hohen jährlichen HCC-Inzidenz bei Risikopatienten ist ein
regelmäßiges Screening bei Leberzirrhose-Patienten zur HCC-Früherkennung
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3–6-monatlich prinzipiell sinnvoll. Jede solide fokale Läsion einer zirrhotischen Leber
ist bis zum Ausschluss als dringend HCC-verdächtig anzusehen, insbesondere wenn
diese sich größer als 2 cm im Durchmesser darstellen. Zunehmend von Bedeutung
ist die Möglichkeit der Darstellung des Flussprofils der tumorversorgenden Gefäße,
vor allem für den differenzialtherapeutischen Einsatz lokal ablativer Therapieoptionen
oder für systemische Antiangiogenese-Hemmer, z. B. Sorafenib. Durch die
Ultraschallkontrastverstärker (KM-Sonografie) lässt sich die Sensitivität bezüglich der
Darstellung arterieller und portaler Flussmuster in einem HCC-Knoten weiter
erhöhen. Die technischen Entwicklungen der letzten Jahre haben dazu geführt, dass
die MRT- und CT-basierte Schnittbilddiagnostik in ihrer reproduzierbaren Aussage-
fähigkeit und Sensitivität der Ultraschalltechnik überlegen ist.
Bildgebende und labordiagnostische Verfahren können zwar für die Einordnung von
Leberherden in der klinischen Praxis richtungsweisend sein, der pathohistologischen
Untersuchung kommt jedoch weiterhin eine wichtige Bedeutung für die genaue
Klassifikation, für das Staging und Grading als Goldstandard zu.
Unter Berücksichtigung des Tumorstadiums und der Leberfunktionsparameter hat
sich in den letzten Jahren die „Barcelona Clinic Liver Cancer“ (BCLC)-Klassifikation
zur Planung einer adäquaten individuellen Therapiestrategie etabliert, die je
nachdem Lebertransplantation und -resektion sowie lokal ablative Verfahren (RFA,
TACE, SIRT) und systemische Optionen (Sorafenib) differenzialdiagnostisch
umfasst. Prinzipiell erreicht dabei die Lebertransplantation bei Patienten mit
Leberzirrhose innerhalb der Milano-Kriterien 5- und 10-Jahres-Überlebensraten von
über 60–70%. Hierbei gelten als Grenzindikationen maximal 3 Tumorknoten bis zu
einem Durchmesser von 5 cm.
Das Prinzip der perkutanen lokal ablativen Therapieverfahren basiert auf der lokalen
Tumordestruktion durch chemische, thermische oder Strahlenschädigung. Neben der
Radiofrequenzablation (RFA) werden hierbei aktuell die transarterielle Chemoemboli-
sation (TACE) und ihre Kombinationen am häufigsten angewandt. Obwohl die TACE
ein etabliertes Verfahren darstellt, sind insbesondere technische Aspekte wie Wahl
des Chemotherapeutikums oder Wahl des embolisierenden Trägers noch nicht
abschließend geklärt. Die TACE kann auch im Sinne eines Bridging vor Lebertrans-
plantation und in Kombination mit neuen antiproliferativen und antiangiogenetischen
20
Substanzen im Rahmen von Studien eingesetzt werden. Eine neue therapeutische
lokal ablative Alternative stellt der Einsatz der selektiven internen Radiotherapie
(SIRT) unter Verwendung von Yttrium-90-Mikrosphären dar. Neben Patienten mit
multifokalem HCC profitieren von dieser Methode insbesondere fortgeschrittene
Tumorstadien einschließlich Pfortaderthrombose vom Einsatz der SIRT-Technik.
Die systemische Therapie des HCC bedeutet heute in erster Linie den Einsatz von
Multityrosinkinaseinhibitoren (Sorafenib), welche ihre Wirksamkeit in der Behandlung
im Rahmen großer prospektiver Studien bereits nachgewiesen haben (Sharp-
Studie).
Zusammenfassend besteht beim primären Leberzellkarzinom heute kein Anlass
mehr zum diagnostischen und therapeutischen Nihilismus. Fortschritte im
Verständnis der Pathogenese des HCC sowie die Etablierung neuer molekularer
Marker, neuer bildgebender Techniken und deren Kombination stellen die Basis auch
für die Anwendung neuer molekularer Behandlungsstrategien für Patienten mit
fortgeschrittenem HCC dar. Auch die Weiterentwicklung nicht-invasiver Ablations-
verfahren lässt weitere Verbesserungen der Therapie des solitären oder multifokalen
HCC erwarten. Nach heutigem Kenntnisstand bietet eine Lebertransplantation
Patienten mit einem HCC auf dem Boden einer Leberzirrhose immer noch die beste
Chance auf die Möglichkeit zum Langzeitüberleben, wenn klare Selektionskriterien
eingehalten werden.
Korrespondenzadresse: Prof. Dr. med. G. Gerken Klinik für Gastroenterologie und Hepatologie Zentrum für Innere Medizin Universitätsklinikum Essen Hufelandstr. 55 45122 Essen E-mail: guido.gerken@uk-essen.de
21
Refraktärer Aszites und hepatorenales Syndrom: derzeitiger Stand
T. Sauerbruch
Medizinische Klinik und Poliklinik I, Universitätsklinikum Bonn
Definition Der therapierefraktäre Aszites ist definiert als eine fehlende Mobilisation bei
maximaler diuretischer Therapie (400 mg Spironolacton und 120 mg Furosemid
täglich) oder wiederholten Diuretika-induzierten Komplikationen.
Als hepatorenales Syndrom gilt ein funktionelles Nierenversagen bei Leberzirrhose
ohne Hinweis auf eine vorbestehende Nierenerkrankung, andere prärenale Ursachen
oder eine toxische Nierenschädigung. Man unterscheidet Typ 1 (Kreatinin-Verdoppe-
lung auf > 2,5 mg/dl innerhalb von 2 Wochen) und Typ 2 (Kreatinin > 1,5 mg/dl, ohne
Einbeziehung der zeitlichen Dynamik).
Epidemiologie Etwa 10% der Patienten mit Aszites haben einen Diuretika-refraktären Aszites. Die
1 Jahres-Mortalität bei diesen Patienten liegt im Bereich von 50%. Etwa 20% der
Patienten mit Zirrhose und Aszites entwickeln innerhalb eines Jahres und knapp 40%
innerhalb von 5 Jahren ein hepatorenales Syndrom. Nach eigenen Untersuchungen
versterben etwa 70% der Patienten mit hepatorenalem Syndrom Typ 1 innerhalb von
6 Monaten, 85% innerhalb von 5 Jahren. Etwa ein Drittel aller Patienten mit Nieren-
funktionsstörungen bei Leberzirrhose haben ein hepatorenales Syndrom, bei etwa
einem Viertel handelt es sich um strukturelle Nierenerkrankungen und bei knapp
40% um akute, reversible Infekt- und Diuretika-ausgelöste Verschlechterungen der
Nierenfunktion.
Pathogenese Therapierefraktärer Aszites und hepatorenales Syndrom haben eine gemeinsame
Pathogenese. Aufgrund der portalen Hypertension, der gestörten Leberfunktion und
einer vermehrten Sequestrierung des intravasalen Bluts im Bauchraum bei
gleichzeitiger Reduktion des effektiven Blutvolumens im zentralen Thorax-
Kompartiment kommt es zu einer deutlichen Aktivierung der Katecholaminaus-
schüttung sowie des Renin-Angiotensin-Aldosteron-Systems (RAAS) und zu einer
22
vermehrten ADH-Ausschüttung. Alle diese Faktoren bewirken eine vermehrte
Natriumabsorption der Nierentubuli mit einer verminderten Natriumausscheidung bei
gleichzeitig verminderter Clearance von freiem Wasser (ADH). Bei besonders
ausgeprägten Veränderungen – möglicherweise begleitet von einer zunehmenden
kardialen Dysfunktion – entwickelt sich ein hepatorenales Syndrom.
Therapie Die Therapie richtet sich zunächst vor allem auf eine Erhöhung des effektiven
zentralen Blutvolumens bei gleichzeitiger Portaldrucksenkung. Dies gelingt entweder
durch die Anlage eines transjugulären intrahepatischen portosystemischen Shunts
oder die Gabe von Vasokonstriktoren (z. B. Terlipressin), die vor allem im
Splanchnikus-Kompartiment wirken. Unterstützt werden diese Maßnahmen durch die
Gabe von Albumin. Erst im zweiten Schritt kann dann versucht werden, vorsichtig
wieder Diuretika anzusetzen. Alle diese Maßnahmen stellen eine Brücke auf dem
Weg zur Lebertransplantation dar, die bei all diesen Patienten immer angestrebt
werden sollte.
23
Reizdarmsyndrom: von der Empirie zur pathophysiologisch orientierten Therapie
G. Holtmann
Universitätsklinikum Essen
Mit einer Prävalenz zwischen 10% und 25% zählt das Reizdarmsyndrom (RDS)
formal zu den häufigsten Erkrankungen überhaupt. Das Krankheitsbild ist
gekennzeichnet durch mehr oder weniger spezifische Symptome, die nicht durch die
mit den üblicherweise verfügbaren Untersuchungen nachweisbaren organischen
Veränderungen (in diesem Zusammenhang strukturelle Läsionen, Infektionen oder
biochemische Abnormalitäten) erklärt werden können. Die Intensität der
Beschwerden ist sehr variabel; bei einem Teil der Betroffenen bestehen
schwerwiegende Beschwerden und Symptome, die dann die Lebensqualität der
Betroffenen erheblich beeinträchtigen.
Pathophysiologie Heute wird davon ausgegangen, dass die Symptome durch Störungen der
gastrointestinalen Motilität bzw. der viszeralen Sensorik verursacht werden.
Ursächlich für die Manifestation des RDS werden heute genetische Risikofaktoren
angesehen. Weiterhin spielt eine minimale Aktivierung des Immunsystems eine
wichtige Rolle. Vor dem Hintergrund der zahlreichen neuen Forschungsansätze auf
diesem Gebiet kann indes die Pathogenese dieses Krankheitsbildes keinesfalls als
abschließend geklärt angesehen werden. Insofern ist verständlich, dass bislang
keine kausale und damit auch kurative Behandlungsmodalität zur Verfügung steht.
Ziele der Behandlung und klinische Studien beim Reizdarmsyndrom Da eine Heilung des Krankheitsbildes mit den heute verfügbaren
Behandlungsmodalitäten nicht möglich ist, sind alle Maßnahmen darauf ausgerichtet,
die Symptome des RDS zu lindern. Erschwert wird diese an den Symptomen
orientierte Behandlung durch das breite Spektrum unterschiedlicher Beschwerden,
unter denen die Patienten mit RDS leiden. Diese sind nicht nur unterschiedlich stark
ausgeprägt, sondern weisen im zeitlichen Verlauf Fluktuationen auf. Dies erschwert
es, einzelne allgemeingültige Symptome als Zielparameter festzulegen. Im
Gegensatz zu „klassischen organischen“ Erkrankungen mit definierten strukturellen
24
Läsionen, die als Zielparameter herangezogen werden können, besteht somit das
Problem, geeignete Zielparameter für die Erfassung des Behandlungserfolgs zu
bestimmen. Dies mag an einem Beispiel erläutert werden.
Ist bei einem Patienten, der unter Diarrhö und abdominellem Schmerz leidet, der
Schmerz das führende Symptom, wird eine Substanz, die vor allem auf das
Symptom Diarrhö Einfluss nimmt, keine ausreichende Besserung der Symptomatik
bewirken, selbst wenn die Stuhlfrequenz normalisiert ist. Daraus kann einerseits
abgeleitet werden, dass die Behandlung beim RDS möglichst nicht nur ein Symptom,
sondern entweder die zugrunde liegenden Pathomechanismen normalisieren oder
gleichzeitig multiple Symptome beeinflussen sollte. Als Konsequenz wurden
angesichts fehlender allgemein akzeptierter Zielparameter sehr unterschiedliche
Variablen und Parameter als Zielparameter in den zurückliegenden Studien erfasst.
Zudem wurden die eingesetzten Instrumente zur Erfassung der Zielparameter häufig
nicht nach den gängigen Kriterien validiert. Dies erschwert die vergleichende
Beurteilung dieser Studien ganz erheblich und stellt ein Problem dar, welches in den
bislang vorliegenden Metaanalysen nur unzureichend berücksichtigt wurde.
Pharmakologische Interventionen Die Pharmakotherapie von Patienten mit RDS ist stets nur ein Teilaspekt des
gesamten Behandlungskonzepts. Basis ist die Sicherung der Diagnose aufgrund der
einschlägigen Kriterien unter Beachtung der von den entsprechenden
Fachgesellschaften erarbeiteten Empfehlungen.
Weiterhin ist die Basis der Therapie eine angemessene Aufklärung der Patienten und
die Evaluation und Beratung der Patienten hinsichtlich potenzieller, die Symptome
aggravierende Verhaltensweisen (einschließlich diätetischer Handlungsanwei-
sungen).
Bei Patienten, bei denen die genannten Allgemeinmaßnahmen keine ausreichende
Linderung der Symptome bewirken, ist eine spezifische Pharmakotherapie
notwendig. Die verfügbaren Behandlungsansätze reichen von Phytopharmaka über
oberflächenaktive Substanzen wie das Simethicon, Ballaststoffe und die Motilität
hemmende bzw. stimulierende Substanzen bis hin zu Antidepressiva. Alle heute
aufgrund gut kontrollierter Studien als wirksam einzustufenden Medikamente sind
einer Plazebotherapie um nur etwa 10–20% überlegen. Dies ist aber nicht Ausdruck
einer unzureichenden Wirksamkeit, sondern ist zwanglos erklärbar durch die
Heterogenität des Krankheitsbildes.
25
Zusammenfassung Die Behandlung von Patienten mit RDS umfasst die differenzialdiagnostische
Abklärung, die Aufklärung und Beratung hinsichtlich nicht-medikamentöser
Behandlungen sowie die medikamentöse Therapie. Keine der für die Behandlung
dieser Erkrankung heute verfügbaren Substanzen kann das RDS heilen oder bei
allen klinischen Ausprägungen des Syndroms therapeutisch gleichermaßen wirksam
sein. Dies ist auch nicht zu erwarten, da die Genese des RDS wahrscheinlich
multifaktoriell ist. Insofern darf auch nicht enttäuschen, dass auch neue,
vielversprechende Entwicklungen jeweils nur einen Benefit gegenüber Plazebo
zwischen 20% und 30% aufweisen. Insgesamt stellen die genannten pharmako-
logischen Modifikationen der Motilität ein wichtiges Standbein in der Behandlung von
Patienten mit RDS dar. Sie lindern zumindest bei einem Teil der Patienten die
Symptome. Die Erkenntnisse, die wir in den letzten Jahren zur Pathogenese
gewonnen haben, werden es uns aber möglicherweise in absehbarer Zeit erlauben,
kurative Behandlungsansätze zu erreichen.
Tabelle: Bewertung der Wirksamkeit unterschiedlicher Pharmaka zur Behandlung des RDS Substanz
Kategorien der Evidenz
Vorwiegende Indikation
Antidiarrhoika Loperamid Diphenoxylat
4 Nur bei Diarrhö mit oder ohne Schmerzen
Psychopharmaka/AntidepressivaTrizyklische Substanzen
5 Chronische Schmerzen, Komorbidität mit Depression
(Prokinetika)* (4) Obstipation Anticholinergika (Butylscopolamin u. a.)
3 Schmerzen/Spasmen
Muskelrelaxanzien Mebeverin Pfefferminzöl
4 Schmerzen/Spasmen
Oberflächenaktive Substanzen Polisiloxan-Präparate
2 Blähungen
Bakterienpräparate z. B. E. coli Nissle
3 Blähungen
Phytotherapeutika# 5 Blähungen und Schmerzen
26
• Überwiegend Studien zum Cisaprid. Diese Substanz wurde wegen potenzieller
kardialer Nebenwirkungen (Long-QT-Syndrom) vom Markt genommen.
• Tegaserod, in klinischen Studien beim Obstipations-Typ und alternierenden Typ
Plazebo signifikant überlegen. Derzeit verfügbar in zahlreichen Ländern
(einschließlich USA und Australien), nicht jedoch in der EU.
• #Eine neuere Studie belegt die Wirksamkeit von Iberogast beim RDS. Insofern
Kategorie 3.
Bewertung der Evidenz:
5 = gesichert: Wirksamkeit durch mehrere randomisierte Plazebo-kontrollierte
Studien belegt
4 = wahrscheinlich gesichert: Mehrere Studien legen eine Wirksamkeit nahe und
weisen in die gleiche Richtung
3 = Wirksamkeit möglich: Einzelne oder widersprüchliche Studienergebnisse zur
Wirksamkeit
2 = Wirksamkeit unsicher: Substanz nicht ausreichend untersucht, Wirksamkeit
aufgrund publizierter und eigener Erfahrungen sowie des Wirkprinzips möglich
1 = Wirksamkeit unwahrscheinlich: Studien sprechen gegen eine Wirksamkeit
*= Cisaprid: Zurzeit nicht routinemäßig verfügbar
27
Chronischer Blähbauch: Was tun?
R. Büchsel
Klinik für Innere Medizin, Schwerpunkt Gastroenterologie, DRK-Kliniken Westend,
Berlin
Meteorismus ist definiert als abnorme Gasansammlung im Gastrointestinaltrakt, die
intermittierend auftritt und die Lebensqualität beeinträchtigt. Es handelt sich um das
dritthäufigste darmbezogene Symptom. Die Wahrnehmung der intraintestinalen Gas-
menge ist subjektiv.
Der Gasgehalt des Gastrointestinaltrakts beträgt ca. 200 ml. Die Gasexpulsion pro
Tag beläuft sich auf ca. 600 ml. Der Gasumsatz erfolgt durch 20–30 Flati pro Tag zu
je 20–30 ml. Die Gasexpulsion ist bolusartig, sie wird durch kalorienhaltige Mahl-
zeiten, durch senkrechte Lage und physische Aktivität stimuliert. Die Gasexpulsion
wir durch lipidhaltige Kost gehemmt.
Bei Patienten mit Meteorismus kann die Gasaufnahme durch Aerophagie erhöht
sein. Pro Schluckakt werden normalerweise 2–3 ml Luft in den Gastrointestinaltrakt
aufgenommen. Bei tiefer Inspiration und seelischer Anspannung können pro
Schluckakt 1–2 ml Luft zusätzlich in den Gastrointestinaltrakt gelangen. Ein Rück-
fluss von Gas durch Aufstoßen ist nur bei aufrechter Körperposition, nicht in
Rückenlage möglich. Bereits einmal über den Siphon des duodenalen C hinaus
gelangte Gasmenge kann nicht mehr durch den Mund entlassen werden. Das ist für
CO2 nicht bedeutsam, weil CO2 gut diffusibel ist und resorbiert werden kann, N2 ist
nicht diffusibel.
CO2 entsteht nicht-bakteriell durch Neutralisation des Magensafts und durch die
Neutralisation freier Fettsäuren, ist hervorragend diffusibel und macht keine
Beschwerden. Der Verzicht auf CO2-haltige Getränke bessert das Symptom Meteo-
rismus nicht wesentlich.
Bakteriell erzeugtes Gas entstammt zu 70% kolonischer Fermentation. Es handelt
sich um bis zu 1013 Bakterien, die den kolonischen Biofilm (Biota) bilden. Lacto-
bazillen, Bifidobakterien und Desulfovibrio sind die häufigsten Vertreter. Bei
Patienten mit Meteorismus werden vermehrt Escherichia coli, Staphylococcus aureus
und Veillonella gefunden. Das Verhältnis der im Kolon befindlichen Gase H2, CO2,
CH4, O2 und N2 ist individuell unterschiedlich und in einem Individuum konstant.
28
Aromatische Gase stammen von Sulfiden, sie sind bei Männern häufiger als bei
Frauen vertreten.
Bei Patienten mit Reizdarmsyndrom (irritable bowel syndrome, IBS) ist die viszerale
Sensitivität für Dehnung gesteigert. Die Lokalisation der Gasansammlung bestimmt
die Beschwerden: Jejunales Gas verursacht proximale Kontraktionen, kolonisches
Gas relaxiert distal. Das Gasvolumen bestimmt das Ausmaß der Distension des
Abdomens.
Nahrungsmittelallergien, glutensensitive Enteropathie (GSE, Sprue) und Kohlen-
hydratmaldigestion führen zur bakteriellen Fermentation. Dysbiose im Kolon und
bakterielle Besiedelung des Jejunums erhöhen die Gasproduktion. Bei > 105
Bakterien/ml Jejunalinhalt handelt es sich um eine bakterielle Fehlbesiedelung des Dünndarms (small intestinal bacterial overgrowth, SIBO).
Partiell verdaulich und daher der bakteriellen Fermentation zugänglich sind die
sogenannte resistente (unreife) Stärke und Oligosaccharide wie Stachyose,
Raffinose und Verbascose. Unverdauliche Kohlenhydrate sind die Polysaccharide
Guar, Pektin und Hemizellulose sowie Strukturpolysaccharide wie Zellulose, Lignin,
Lactulose oder Sorbit. Die Di- und Monosaccharidmaldigestion kann graduell
eingeschränkt sein, dies gilt für Laktose, Fruktose, Sorbit, Isomaltose, Xylit und
Saccharose.
Mithilfe des Laktose-H2-Atemtests und des Fruktose-H2-Atemtests können die
entsprechenden Partialfunktionsstörungen leicht diagnostiziert werden. Die
bakterielle Fehlbesiedelung des Dünndarms (SIBO) wird durch Laktose- oder
Glukose-H2-Atemtest festgestellt.
Der Zusammenhang zwischen verminderter enzymatischer Kohlenhydrathydrolyse
im Dünndarm, Steigerung der Sekretion, Steigerung der bakteriellen Fermentation,
Steigerung der Gasbildung, wie er von Quigley 2005 inauguriert wurde (Abb. 1), ist
plausibel, aber wissenschaftlich bisher nicht bewiesen. Für die diätetische Beratung
des betroffenen Patienten ist das Verständnis des vorgeschlagenen zirkulären
Zusammenhangs eine gute Grundlage.
Bei der Ernährung sollte extrem flatulogene Kost wie Milch, Zwiebeln, Bohnen,
Sellerie, Blumenkohl, Obstsorten wie Trauben, Bananen, Aprikosen und Pflaumen
vermieden werden. Der Patient sollte Weizenmehlprodukte meiden. Als normo-
flatulogene Kost gelten Geflügel, Fleisch und Fisch sowie wasserhaltige Gemüse-
und Obstsorten und die Stärkeprodukte Reis, Kartoffeln und Nudeln.
29
Abb. 1
InauguriertInauguriert von von QuigleyQuigley 20052005
KohlenhydrateKohlenhydrate
EnzymatischeEnzymatischeHydrolyse Hydrolyse
MeteorismusMeteorismus
Sekretion DiarrhSekretion Diarrhöö
Bakterielle FermentationBakterielle Fermentation
DysbioseDysbiose, SIBO, SIBO
Gas MeteorismusGas Meteorismus
30
Die „Step-up”- vs. „Top-down”-Kontroverse
K. Herrlinger
Innere Medizin I, Robert-Bosch-Krankenhaus, Stuttgart
Im Moment werden in der Therapie chronisch entzündlicher Darmerkrankungen
analog zur Rheumatologie 2 grundsätzlich verschiedene Therapieansätze diskutiert,
das „Step-up“- und das „Top-down“-Prinzip. Das Erstere empfiehlt eine stufenweise
eskalierende Therapie, bei Letzterem wird eine möglichst frühe aggressive Therapie
mit biologischen Therapieformen propagiert, die gegebenenfalls bei Ansprechen
deeskaliert wird. Hintergrund ist, dass zunehmend das sogenannte „mucosal
healing“, also die vollständige Entzündungsfreiheit der Schleimhaut, als Therapieziel
propagiert wird. Dies ist in der Therapie chronisch entzündlicher Darmerkrankungen
ein Paradigmenwechsel, denn der bisherige „Gold-Standard“ in der Remissions-
induktion ist die Steroidtherapie. Diese ist allerdings nur ausnahmsweise in der Lage,
eine vollständige Mucosaheilung zu erzielen, obwohl sie hocheffektiv eine klinische
Remission erreicht. Im Gegensatz dazu sind sowohl die Immunsuppressiva
Azathioprin und Methotrexat als auch die TNF-Antikörper in der Lage, ein „mucosal
healing“ zu bewirken.
Insbesondere für den Morbus Crohn klingt das Konzept zunächst überzeugend, da
im Laufe einer Krankheitsgeschichte mit kontinuierlicher Entzündungsaktivität die
Mehrzahl der Patienten Komplikationen, v. a. Stenosen und Fisteln erleidet. Es fehlt
allerdings bisher der Nachweis, dass durch vermehrten Einsatz von Immun-
suppressiva oder biologischen Therapieformen der natürliche Verlauf chronisch
entzündlicher Darmerkrankungen wesentlich beeinflusst werden kann. Es gibt bisher
nur eine Studie, die eine eskalierende Therapie mit frühaggressivem Vorgehen
vergleicht, allerdings hat diese Studie den Nachteil, dass sie nicht verblindet war
(D’Haens et al., Lancet 2008). Die eine Gruppe der Patienten mit einer Erstmani-
festation eines Morbus Crohn erhielt das klassisch eskalierende Therapieregime mit
einer Steroidschubtherapie, gefolgt von einer Kombinationstherapie mit Steroiden
und Azathioprin bei erneutem Schub. Infliximab wurde diesen Patienten erst bei
erneutem Auftreten eines Schubs unter Immunsuppression verabreicht. Die zweite
Gruppe erhielt zu Beginn der Therapie 3 Infusionen mit Infliximab gefolgt von einer
Immunsuppression mit Azathioprin. Nach 2 Jahren Follow-up erreichten signifikant
31
mehr Patienten ein „mucosal healing“ im „Top-down“-Arm (75%) als im „Step-up“-
Arm (21%). Allerdings waren die relevanten klinischen Remissionsdaten in beiden
Armen nicht signifikant unterschiedlich (61% vs. 50%). Unterschiedlich war allerdings
der Anteil der Patienten, der Immunsuppressiva erhielt (93% vs. 65%), sodass der
Unterschied in klinischer wie endoskopischer Remission vermutlich nicht allein der
Therapie mit Infliximab zuzuordnen ist. Auffallend war, dass im „Step-up“-Therapie-
arm während des gesamten Studienverlaufs nur etwa 10–15% der Patienten
Infliximab benötigten. Somit wird im sogenannten „Top-down“-Arm eine erhebliche
Übertherapie der Patienten in Kauf genommen, dies gilt sowohl für die anti-TNF-Anti-
körper als auch für die Immunsuppressiva.
Es gibt nun eine erste große randomisierte und verblindete, allerdings bisher nicht
voll publizierte Vergleichsstudie verschiedener Therapiestrategien in der Behandlung
des frühen Morbus Crohn. Im sogenannten SONIC-Trial wurden 508 Patienten mit
Morbus Crohn randomisiert, entweder Azathioprin, Infliximab oder die Kombinations-
therapie zu erhalten. Alle Patienten waren naiv gegenüber Immunsuppressiva und
Biologika. Primärer Endpunkt der Studie war die steroidfreie Remission nach
24 Wochen. Die Auswertung nach 24 Wochen zeigt eine Überlegenheit für die
Kombinationstherapie (56,8%) gegenüber Infliximab alleine (44,4%) und Azathioprin
alleine (30,6%). Die ganz aktuell vermeldeten 1-Jahres-Daten zeigen ein sehr
ähnliches Bild im Vergleich der 3 Gruppen (46% vs. 35% vs. 24% steroidfreie
Remission nach 54 Wochen). Obwohl diese Ergebnisse auf den ersten Blick sehr
überzeugend wirken, ist doch zu überdenken, ob aus diesen Daten ein Umstellen der
bisherigen Therapieprinzipien abzuleiten ist. Anlass zur Kritik geben vor allem die
Einschlusskriterien. Randomisiert wurden Patienten mit aktivem Morbus Crohn, die
entweder steroidabhängig oder Therapieversager auf Budesonid oder Mesalazin
waren. Da insbesondere das Mesalazin in der Behandlung des Morbus Crohn nur
marginal wirksam ist, hat zumindest ein Teil dieser Patienten vor Studienbeginn
keine wirksame Therapie erhalten. Schließlich war Azathioprin alleine bei fast einem
Drittel der Patienten ausreichend, sodass die regelhafte Ergänzung bzw. Substitution
von Infliximab eine kostspielige Übertherapie darstellen würde. Das Augenmerk
sollte in Zukunft auf der Identifizierung von Risikopatienten für einen schweren
Verlauf des Morbus Crohn liegen, bei denen ein früher Einsatz einer Kombination
von klassischen Immunsuppressiva und anti-TNF-Antikörpern gerechtfertigt ist.
32
Medikamentöse Therapie des Morbus Crohn – Wann und wie oft versagt sie?
M. Reinshagen
Medizinische Klinik I, Klinikum Braunschweig
Bei der Frage des Therapieversagens bei Morbus Crohn müssen im Wesentlichen
3 klinische Szenarien beachtet werden. Die Therapie des akuten Schubs sowie die
Therapie des chronisch aktiven Verlaufstyps mit steroidrefraktärer oder steroidab-
hängiger Situation. Zusätzlich spielt noch das Therapieversagen im Rahmen der
Remissionserhaltung eine Rolle.
Die Wirksamkeit von Steroiden im akuten Schub des M. Crohn wurde in den großen
amerikanischen (NCCDS) (1) und europäischen (ECCDS) (2) Studien dokumentiert.
60–80% der Patienten erreichen unter der Therapie eine Remission mit einem
CDAI < 150. Dies bedeutet, dass die Mehrzahl der Patienten durch den Einsatz von
Steroiden (initial 60 mg Prednisolon bzw. 48 mg Methylprednisolon) gut behandelbar
ist. Etwa 20–40% der Patienten sprechen zum Teil auf die Therapie an, sind aber
nach den Kriterien CDAI < 150 nicht in kompletter Remission.
Bei steroidabhängigem oder steroidrefraktärem Verlauf besteht die Indikation zur
immunsuppressiven oder immunmodulierenden Therapie.
Bei Therapie mit Azathioprin, dem Medikament der ersten Wahl, kommen etwa 70%
der Patienten in Remission (3), bei Therapie mit Methotrexat, dem Medikament der
zweiten Wahl, etwa 40% (4).
Die Therapie dieser Patienten mit Infliximab oder Adalimumab führt nach 6 Monaten
zu einer Remissionsrate von 39% bzw. 40% (5, 6).
Dies bedeutet, dass je nach Therapiestrategie in 30–60% der Fälle das Hauptziel,
d. h. eine Remission mit einem CDAI < 150, nicht erreicht wird.
Tatsächlich werden aber mit den verschiedenen Therapieregimen neben dem
Endpunkt Remission in einem größeren Kollektiv Teilerfolge, wie z. B. Reduktion des
CDAI um > 70 Punkte, erreicht, was für den Patienten zum Teil eine deutliche
klinische Verbesserung bedeutet.
33
Im Bereich der Remissionserhaltung (CDAI < 150) nach 1 Jahr Therapie wird in den
Studien über Remissionsraten für Azathioprin von 63% (7), für Methotrexat von 65%
(8) und für Remicade bzw. Adalimumab von 28% bzw. 36% berichtet.
Zusammenfassend kann eine substanzielle Anzahl von Patienten mit M. Crohn in
den verschiedenen Therapieszenarien nicht optimal behandelt werden. Dies
bedeutet, dass auch nach Einführung der TNF-α-Antikörper weiterhin ein Bedarf
nach wirksamen und nebenwirkungsarmen Medikamenten für chronisch aktive
M. Crohn-Patienten besteht. Möglichweise wird die Entwicklung so sein, dass
Patienten, je nach ihrem Phänotyp und Genotyp, unterschiedliche Medikamente zur
Therapie ihrer Erkrankung benötigen.
Literatur: 1. Summers RW, Switz DM, Sessions JT Jr, Becktel JM, Best WR, Kern F Jr,
Singleton JW. National Cooperative Crohn's Disease Study: results of drug treatment. Gastroenterology. 1979; 77 (4 Pt 2): 847–869.
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European Cooperative Crohn's Disease Study (ECCDS): results of drug treat-ment. Gastroenterology. 1984; 86 (2): 249–266.
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purine in Crohn disease. A meta-analysis. Ann Intern Med. 1995; 123 (2): 132–142.
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of inflammatory bowel disease: a 30 year review. Gut. 2002; 50 (4): 485–489.
34
8. Feagan BG, Fedorak RN, Irvine EJ, Wild G, Sutherland L, Steinhart AH, Greenberg GR, Koval J, Wong CJ, Hopkins M, Hanauer SB, McDonald JW. A comparison of methotrexate with placebo for the maintenance of remission in Crohn's disease. North American Crohn's Study Group Investigators. N Engl J Med. 2000; 342 (22): 1627–1632.
35
Anschriften der Referenten und Vorsitzenden Prof. Dr. R. Büchsel Klinik für Innere Medizin DRK-Kliniken Westend Spandauer Damm 130 14050 Berlin Prof. Dr. G. Gerken Klinik für Gastroenterologie und Hepatologie Zentrum für Innere Medizin Universitätsklinikum Essen Hufelandstr. 55 45147 Essen PD Dr. K. Herrlinger Innere Medizin I Robert-Bosch-Krankenhaus Auerbachstr. 110 70376 Stuttgart Prof. Dr. G. Holtmann Ärztlicher Direktor Universitätsklinikum Essen Hufelandstr. 55 45147 Essen Prof. Dr. H. Koop Klinik für Allgemeine Innere Medizin und Gastroenterologie HELIOS Klinikum Berlin-Buch Schwanebecker Chaussee 50 13125 Berlin Prof. Dr. J. Labenz Medizinische Klinik Ev. Jung-Stilling-Krankenhaus Wichernstr. 40 57074 Siegen Prof. Dr. P. Malfertheiner Gastroenterologie/Hepatologie Universitätsklinikum Otto-von-Guericke-Universität Leipziger Str. 44 39120 Magdeburg
Prof. Dr. S. Miehlke Medizinische Klinik und Poliklinik I Universitätsklinikum Carl Gustav Carus der Technischen Universität Dresden Fetscherstr. 74 01307 Dresden Prof. Dr. M. Reinshagen Medizinische Klinik I Klinikum Braunschweig Salzdahlumer Str. 90 38126 Braunschweig Prof. Dr. T. Sauerbruch Medizinische Klinik und Poliklinik I Universitätsklinikum Bonn Sigmund-Freud-Str. 25 53127 Bonn PD Dr. M. Schuchmann I. Medizinische Klinik und Poliklinik Klinikum der Universität Langenbeckstr. 1 55101 Mainz PD Dr. B. Terjung Abteilung für Innere Medizin St. Josef-Hospital Hermannstr. 37 53225 Bonn