Post on 03-Jun-2020
erstellt durch:
EFTAS Fernerkundung Technologietransfer GmbH
erstellt für:
Anwenderverband für integrierte Rauminformationen und Technologien (AIR) e.V.
GeoIT in Tourismus und Touristik Ergänzungsband (Supplement)
Impressum Herausgeber
Anwenderverband für integrierte Rauminformatio‐nen und Technologien (AIR) e.V. Westring 303 44629 Herne info@air‐verband.de
Verfasser Dr. Bodo Bernsdorf Anschrift EFTAS Fernerkundung
Technologietransfer GmbH Oststraße 2 ‐ 18 48145 Münster (Westf.)
Version v 1.0
Stand Dezember 2014
Inhalt
Alle in dieser Studie enthaltenen Angaben wurden nachbestem Wissen erstellt und mit größtmöglicher Sorgfalt überprüft. Eine inhaltliche Gewährleistung kann jedochnicht übernommen werden.
Urheberrecht Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urhe‐berrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalbder engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne schriftliche Zustimmung des Herausgebers un‐zulässig. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen,Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspei‐cherung in elektronischen Medien.
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Disclaimer In dieser Studie werden Firmen‐ und Markennamen genannt. Diese können zugleich eingetragene Waren‐zeichen oder Wort‐/Bildmarken sein. Das Fehlen ei‐nes Hinweises wie ™oder ® lässt nicht darauf schlie‐ßen, dass die Bezeichnung einen freien Warennamenkennzeichnet. Ebenso wenig ist zu erkennen, ob einPatent‐ oder Gebrauchsmusterschutz vorliegt.
Die Studie wurde im Rahmen des Projektes geonet 2.0 erstellt. Das Projekt wird gefördert mit Mitteln der EU und des Landes Nordrhein‐Westfalen.
Inhaltsverzeichnis: 1 Management Summary ....................................................................................................................... 5 2 Einleitung ............................................................................................................................................. 6 3 Frag‘ den Experten: Ergebnisse eine Workshops ................................................................................ 7
3.1 Allgemeines .................................................................................................................................. 7
3.2 „So wird ein Schuh ´draus!“ – Bewertung der GeoIT‐Ansätze ..................................................... 8
3.2.1 Ein Stück vom Kuchen: Der Tourismus‐Markt ...................................................................... 8
3.2.2 Akteure: Kunden der GeoIT .................................................................................................. 9
3.2.3 Verbandsarbeit und Zertifizierung ..................................................................................... 10
3.2.4 Budgets und Personal ......................................................................................................... 10
3.2.5 Zielgruppen‐Definition ....................................................................................................... 11
4 Noch mehr Experten: Touristiker in AIR‐Veranstaltungen ................................................................ 13 4.1 Und wieder Technik: AIR‐Business Frühstück September 2013 ................................................ 13
4.1.1 PC‐Planungs‐Tools und autarke Apps im Naturtourismus ................................................. 13
4.1.2 PC‐Planung, GPS und OSM ................................................................................................. 16
4.1.3 App‐Framework .................................................................................................................. 17
4.1.4 Diskussion ........................................................................................................................... 19
4.2 Anwendung im Naturtourismus: AIR‐Business‐Frühstück Mai 2014 ......................................... 20
4.2.1 Diskussion ........................................................................................................................... 22
4.3 Etablierte Zusammenarbeit: Fachgruppe Tourismus ................................................................. 23
4.3.1 Austausch zwischen Kunden und Anbietern ...................................................................... 25
4.3.2 Wissensaufbau Technik ...................................................................................................... 27
4.3.3 Fördermittel‐Akquisition .................................................................................................... 28
4.4 Was bleibt für GeoIT und Touristiker? ....................................................................................... 28
5 Nicht neu, aber anders – Aktuelle Entwicklungen ............................................................................. 30 5.1 Gamification – Endkundengeschäft mit MapCase ..................................................................... 30
5.2 Gewusst wo! Nutze Deinen Standort – Let’s Geo ...................................................................... 33
5.3 Stadt‐ und Regionalmarketing: Werde zum Platzhirsch ............................................................ 35
6 Back to the roots: Die klassischen Medien ........................................................................................ 38 7 Was stimmt? Was stimmt nicht? Bewertung der Ausgangsthesen .................................................. 39 8 Quellen .............................................................................................................................................. 44
8.1 Literatur‐Quellen ........................................................................................................................ 44
8.2 Online‐Quellen: .......................................................................................................................... 44
Geoinformation im Tourismus Supplement
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1 Management Summary
Im Projekt geonet 2.0 wurde postuliert, dass die GeoIT‐Branche ihre Produkte angebotsgetrie‐ben anhand der technischen Möglichkeiten erstellt und sich wenig mit den Geschäftsprozessen der jeweiligen Branche befasst. In diesem Sinne wurde im Jahr 2013 eine Studie erstellt, die die Sicht der Geoinformationswirtschaft wider gibt (Bernsdorf, B. 2013). Gedacht war diese Studie als Dokumentation der technischen Möglichkeiten, aus denen sich vielfältige Anwendungen für die Tourismus‐Branche ableiten lassen. Mit dieser Initialstudie wurde in der Folgezeit der Kon‐takt zu Touristikern gesucht, um zu bewerten, welcher Kundennutzen abzuleiten ist.
Unter Einbeziehung eines Beratungshauses, der Diskussion auf Messen, in AIR‐Business Früh‐stücken und dem AIR WO?‐Kongress sowie der Gründung einer AIR Tourismus‐Fachgruppe konnten diverse Antworten von Touristikern gefunden werden, die in dem nun vorliegenden Supplementband zusammengefasst werden.
Wesentliches Ergebnis ist etwa, dass nicht die eher technische Unterstützung von Geschäfts‐prozessen einen hohen Kundennutzen bringt, sondern dass sich die GeoIT‐Wirtschaft mit der Lebensrealität der Touristen befassen muss. Lebensstil‐orientierte Analysen bringen viel eher gute Ergebnisse hervor, als die Sicht auf den Prozess. Eine Bewertung von Ansätzen wie der Sinus‐Milieu‐Studie oder des Brand Strategy Research Models legen die Tourismus‐Spezialisten der GeoIT nahe.
Die vorliegende Studie deckt auf, dass aus Sicht der Touristiker die GeoIT‐Ansätze viel zu tech‐nisch orientiert sind und ein Tourist, der kein GIS‐Spezialist ist, mit wenigen Funktionen aus dem Hintergrund heraus informations‐versorgt werden muss. „Zu viel GIS und zu wenig Marke‐ting“ ist ebenso eine Schlüssel‐Erkenntnis wie die Aussage „Wir wollen Touren machen, nicht Technik durch die Gegend fahren!“ Zudem muss die GeoIT erkennen, dass Printmedien und ana‐loge Karten nach wie vor eine Berechtigung haben und eng mit der Informationstechnik ver‐knüpft werden müssen. Auch konnten ganz neue Geschäftsmodelle beschrieben werden. Denn aufgrund der technologie‐getriebenen Ansätze geht die GeoIT gerne die touristischen Organisa‐tionen an, die als „Filter“ und Betreiber der Angebote dienen sollen. Mit dem komplexen End‐kunden Tourist musste man sich wenig befassen. Doch junge Unternehmen agieren bereits un‐abhängig von den Destinationen und bieten den Endkunden in sog. Gamification‐Ansätzen di‐rekte, marketing‐basierte Geschäftsmodelle an. Dabei ist der Tourist (fast) immer „online“, was im Gegensatz zu den klassischen Ansätzen zu völlig neuen Betrachtungsweisen führt.
Der vorliegende Ergänzungsband möchte der GeoIT‐Branche diese Erkenntnisse aus dem geonet 2.0‐Projekt vermitteln und helfen, die Angebote stärker am Kundennutzen zu orientie‐ren.
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2 Einleitung
Im Rahmen des Projektes geonet 2.0 bestand seit Anfang 2013 die Aufgabe, eine Studie über den Nutzen von Raumbezug und Geoinformation in touristischen Geschäftsprozessen zu verfas‐sen. Diese Studie „Geoinformation in Tourismus und Touristik – Der Einsatz von Raumbezug in touristischen Geschäftsprozessen“ legte der Anwenderverband für integrierte Rauminformatio‐nen und Technologien e.V. (AIR) im Juni 2013 vor (Bernsdorf, B. 20131). Die inzwischen aktuali‐sierte Studie legt dar, wie GeoIT2 insbesondere in den Endkunden‐Anwendungen touristische Geschäftsprozesse unterstützen können und welche Anwendungen auf dem Markt verfügbar sind. Am Beispiel eines Reiseführers wird dargestellt, ob und wo genau Geoinformationen den Erkenntnisprozess eines Touristen unterstützen und welche Wertigkeit Rauminformationen im Geschäftsprozess tatsächlich haben.
Zu einem wesentlichen Teil stellt die Studie aktuelle Trends und Entwicklungen vor, die aus Sicht der Geoinformationswirtschaft die Prozesse der Touristiker erst ermöglichen. Beschrie‐ben werden Earth Viewer wie Google und Bing Maps sowie touristische Web‐Anwendungen. Es folgt eine Diskussion der Apps, die den klassischen Internet‐Diensten gegenüber gestellt wer‐den. In einem weiteren Teil wird die Versorgung dieser Anwendungen mit den benötigten Geodaten diskutiert, wobei aktuelle Initiativen, wie etwa das privat organisierte OpenStreetMap‐Projekt (OSM) und die OpenData‐Strategie der öffentlichen Hand, bewertet werden. Weitere Themen dieser Studie sind:
• 3D‐Anwendungen
• 360°‐Panoramen
• Augmented Reality
• GNSS und deren Systeme als Grundlage für Anwendungen wie Geocaching, Geotagging und Gaming‐Ansätze
1 Download unter: http://www.air‐verband.de/uploads/media/Geoinformation_im_Tourismus_Langfassung.pdf
2 Definition: GeoIT umfasst die Gesamtheit von Hardware, Software, Techniken und/oder Methoden zur Erfassung, Analyse und Präsentation von Geodaten und Rauminformationen in Technologiesäulen wie Fernerkundung, Satelli‐tennavigation oder Geodateninfrastrukturen.
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Insbesondere letztere werden im vorliegenden Supplement‐Band eine Rolle spielen, denn die weitergehenden Recherchen haben gezeigt, dass der GeoIT‐basierte Spiele‐Ansatz im Freien eine immer stärker werdende Rolle spielt.
Ziel des Projektes geonet 2.0 war es, mit der oben beschriebenen Studie eine Grundlage für die Diskussion mit der Touristik‐Branche zu schaffen. Aus Sicht der Geoinformationswirtschaft wurde dies über die Initial‐Studie realisiert, so dass eine Art „Teaser“ für die Diskussion mit den Touristikern existiert. Auf Grundlage dieser Ausführungen konnten in weiteren Gesprächen Hinweise für die Geoinformationswirtschaft abgeleitet werden, die in diesem Supplement‐Band dargestellt werden. Expertengespräche mit touristischen Fachleuten führten dazu, dass eine Bewertung der verbreiteten Sichtweisen in der Geoinformationswirtschaft abgeleitet werden können. Die Sichtweisen der Touristiker ‐ mit einer Konzentration auf kommunale Anbieter ‐ wurden auf touristischen Messen (etwa der ITB und der TourNatur), in AIR Business‐Frühstücken und durch das Einbeziehen eines ausgewiesenen Tourismus‐Beratungshauses rea‐lisiert. Die Ergebnisse werden in der Folge dargestellt.
Hinweis:
Es wird vor dem Lesen dieses Supplement‐Bandes die Vertiefung in die Initial‐Studie empfoh‐len, da die Grundlagen an dieser Stelle nicht weiter ausgeführt werden. So wird bspw. an dieser Stelle auf definitorische Festlegungen oder der Darstellung des Stands der Technik verzichtet, weil dies bereits in der Initial‐Studie erfolgt ist (dort in Kapitel 2.2).
3 Frag‘ den Experten: Ergebnisse eine Workshops
3.1 Allgemeines Als inhärenter Bestandteil des Projektes geonet 2.0 stand grundlegend die Einbeziehung exter‐ner Experten fest, die die Verhältnisse nicht aus Sicht der Geoinformationswirtschaft bewerten. Daher wurde in einem Ausschreibungsverfahren die Kölner Firma ift GmbH ausgewählt, die sich schwerpunktmäßig mit praxisorientierter Tourismusberatung befasst. Darunter zählen bei‐spielsweise klassische Tourismus‐ und Marketingkonzepte für touristische Destinationen. Fol‐gende Aussagen resultieren aus einem Workshop vom 03. Februar 2014 mit dem Prokuristen der Firma, Dipl.‐Fremdenverkehrs‐Geograph Christian Rast.
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3.2 „So wird ein Schuh ´draus!“ – Bewertung der GeoIT‐Ansätze Touristen nehmen eine zeitlich befristete und bewusste Ortsveränderung vor und begeben sich in für sie unbekannte Regionen. Hier werden ‐ laut ift ‐ Geoinformationen zur Orientierung be‐nötigt.
3.2.1 Ein Stück vom Kuchen: Der Tourismus‐Markt
Allein bezogen auf den Deutschland‐Tourismus existieren umfangreiche Angebote und eine entsprechende Nachfrage nach touristischen Dienstleistungen. Bezogen auf das Angebot macht ift für das Jahr 2013 folgende Aussagen (Quelle: Rast, Ch. 2014/1, S. 5):
• 14 Nationalparke, 104 Naturparks, 15 Biosphärenreservate, mehr als 200 Radfernwege und 200.000 km ausgeschilderte Wanderwege verdeutlichen die enorme Angebotsdimension für na‐turbezogene Tourismusformen.
• Die kulturellen sowie kulturhistorischen Angebote der mehr als 10.000 Städte unterstreichen das kulturhistorische Angebotspotenzial Deutschlands, wozu u.a. etwa 6.250 Museen, 38 UNESCO Welterbestätten und mehr als 150 Ferienstraßen gehören.
• Zentrales Angebotselement im Deutschlandtourismus sind ferner die über 53.000 gewerblichen Beherbergungsbetriebe (mit 10 Betten und mehr) mit etwa 3,7 Millionen Betten.
Ein Angebot kann nur wachsen, wenn auch die Nachfrage boomt. Das ist laut Rast, Ch. (2014/1) bspw. daran zu erkennen, dass im Jahr 2012 der internationale, grenzüberschreitende Touris‐mus die 1‐Milliarden‐Marke bei den internationalen Ankünften überschritten hatte. Dieser Boom wirkt sich auch auf Deutschland aus, denn im Jahr 2013 konnten 155 Millionen Ankünfte und fast 412 Millionen Übernachtungen (in gewerblichen Betrieben ab 10 Betten) registriert werden.
„Alle Prognosen gehen von einer weiter stabilen internationalen und nationalen Touris‐musnachfrage aus. Gerade Urlaubsformen mit einem besonders hohen Informations‐bedarf und damit Potenzial für den Einsatz von Geoinformation, wie Städte‐ und Kul‐turreisen oder Aktiv‐/Naturreisen (Radfahren, Wandern u.a.), werden weiter anwach‐sen. Gleiches gilt für den Inbound Tourismus in Deutschland, dessen Anstieg in den letz‐ten Jahren der Motor der wachsenden Tourismusnachfrage in Deutschland war. Interna‐tionale Gäste verfügen in der Regel über weniger Reiseerfahrung und besitzen einen höheren Informationsbedarf, der mit Geoinformationen schnell und mit geringerem Aufwand (z.B. durch Reduzierung von Sprachbarrieren) gestillt werden kann. Das wich‐tigste und vielfach unterschätzteste Segment im Deutschlandtourismus sind die Tages‐reisen. Gerade Tagesausflüge sind ‚Spontankäufe‘, die oftmals ohne große Vorkenntnis
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unternommen werden und bei denen Orientierung seitens der Gäste notwendig ist. Gute Geoinformation kann hier ‚kaufentscheidend‘ und damit marketingrelevant sein.“ (Rast, Ch. 2014/1 S. 9).
In diesem Zwischenfazit leitet Rast, Ch. (2014/1) ab, dass Städte‐, Kultur‐ und Aktivreisen dem‐nach einen ebenso hohen Bedarf an GeoIT haben, wie etwa internationale Reisende, die über weniger Erfahrung in der Orientierung in fremden Städten haben. Die Expertenmeinung sagt aus, dass dabei gute GeoIT geradezu kaufentscheidend ist.
3.2.2 Akteure: Kunden der GeoIT
Wer sind aber nun die Akteure auf Touristiker‐Seite, also die Anbieter touristischer Dienstleis‐tungen? Hier gibt es eine vielschichtige Klientel, die letztlich als potentielle Kunden für die Geo‐informationswirtschaft fungiert. Die Anbieter klassischer GeoIT treten üblicherweise nicht un‐mittelbar an Endkunden (Touristen) heran, sondern bieten den Touristikern ihre Lösungen an. Wie später zu berichten sein wird, ändert sich das aktuell jedoch, da junge Unternehmen Ge‐schäftsmodelle entwickeln, die sich unmittelbar an den Endkunden richten (vgl. Kapitel 5.1) Wesentliche Marktteilnehmer sind dabei nicht etwa die Tourismus‐Marketing‐Organisationen der Bundesländer oder die Fachverbände. Denn diese verfügen oft über wenig Budget und vor allem politischen Willen, um einheitliche bundeslandweite Lösungen umzusetzen. So „liebäu‐geln“ bspw. die IT‐Verantwortlichen der Investitions‐ und Marketing‐Gesellschaft Sachsen‐Anhalt seit vielen Jahren mit einem touristischen Informationssystem für ihre Destinationen (Interessenbekundungen gab es bereits in Gesprächen auf der CeBIT 2009), die politisch Ver‐antwortlichen stimmen der Notwendigkeit einheitlicher Systeme für das Bundesland auch zu, jedoch konnte bislang (2014) kein Budget für probate GeoIT allokiert werden. Ausnahmen gibt es, wie in der Initialstudie (Bernsdorf, B. 2013) beschrieben, beispielsweise am Bodensee. Die Internationale Bodensee Touristik GmbH (IBT) setzt seit vielen Jahren auf geobasierte Online‐Auftritte und hat früh begonnen, dieses Konzept auf Mobilgeräte umzusetzen (Bernsdorf, B. 2013, S. 39). Rast, Ch. (2014/1) sieht aber die Hauptklientel für die GeoIT‐Branche auf regionaler und kom‐munaler Ebene, eben dort, wo die Verantwortlichen sehr nah am Kunden sind – in den Destina‐tionen. Für die Geoinformationswirtschaft ist hier ein Markt zu erkennen, da auch die statis‐tisch relevante Anzahl der potentiellen Kunden erheblich höher ist, als auf höheren Organisati‐onsebenen. Denn rund 16 Bundesland‐Organisationen stehen bereits ca. 150 touristischen Re‐gionalorganisationen und weit über 4.000 Tourismusorganisationen auf kommunaler Ebene – Kreise, Städte und Gemeinden – gegenüber.
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3.2.3 Verbandsarbeit und Zertifizierung
Möchte man jedoch das Verständnis für GeoIT‐Anwendungen auf Verbandsebene stärken, so sieht Rast, Ch. (2014/2) den Deutschen Tourismus‐Verband e.V. (DTV) in einer Schlüsselrolle. Denn die Aufgabe des DTV besteht in „Innovation und zukunftsfähigem Qualitätstourismus“ (Rast, Ch. 2014/2, S. 28), die beispielsweise über koordinierende Facharbeit erreicht werden kann. Möchte die GeoIT‐Branche also auf Verbandsebene eine breite Interessensgemeinschaft schaffen, ist es zwingend notwendig, sich in die Facharbeit einzubringen. Ein Ansatz kann sein, dass sich das GeoIT‐basierte Informationsangebot an den Kriterien der DTV i‐Marke orientiert. Denn diese Marke, die nahezu jeder kennt, zertifiziert die klassische Tourist‐information. Sie definiert gewisse Standards in Bezug auf Angebots‐ und Leistungs‐spektrum sowie Informations‐ und Beratungsqualität. Die i‐Marke ist laut Rast. Ch. (2014/1) an rund 580 Tourist‐Informationen vergeben. Würde sich die GeoIT an solchen Standards orientie‐ren, könnte man sich den Qualitätsbegriff dieses Labels zu Eigen machen. Hierzu ist zunächst Facharbeit notwendig, um eine Erweiterung des Labels zu bewirken. Aber betrachtet man die Kosten von rund 480 Euro für den Erwerb einer klassischen i‐Marken‐Lizenz, sollte es für die GeoIT‐Anbieter attraktiv sein, sich hier zu engagieren.
3.2.4 Budgets und Personal
Ein Blick auf die Budgets zeigt grundlegende Limitierungen auf Seiten der Touristiker. Denn die lokalen Organisationen verfügen über geringe Budgets und Personal‐Ausstattungen. Rast, Ch. (2014/2) zeigt, dass die Budgets im Durchschnitt aller Gemeinden bei ca. 141 TEuro für Ausstat‐tung und Personal liegen. 40 % der Organisationen verfügen dabei über 50 TEuro und nur 14 % haben mehr als 250 TEuro zur Verfügung. Aus diesen Mitteln muss das Personal finanziert werden. Betrachtet man die Situation, fällt auf, dass durchschnittlich zwar 2 Personen in Vollzeit angestellt sind, aber auch hier sind es lediglich 40 %, die über (maximal) eine Stelle verfügen und sogar 50 %, die weniger als ein Vollzeit‐Äquivalent mit dem Thema Tourismus beschäftigen. Vor diesem Hintergrund wird klar, dass sich Kommunen nicht mit klassischen Geographischen Informationssystemen (GIS) und Geodateninfrastrukturen (GDI) befassen können. Die GeoIT‐Angebote müssen einerseits in Konkurrenz zu den Printmedien günstig und flexibel und in je‐dem Fall schlüsselfertig angeboten werden. Bernsdorf, B. (2013) zeigte, dass sich schnelle Lö‐
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sungen, basierend auf den verfügbaren Earth Viewern daher schnell durchsetzen können, weil sowohl Technik als auch Datenmaterial für den Touristiker kein Problem darstellt. Am Beispiel des Web‐Auftritts der Stadt Bergheim konnte eine solche funktionsfähige Lösung dargestellt werden (Bernsdorf, B. 2013, S. 35). Hier funktionieren technologie‐getriebene Anwendungen nicht, wenn sich Touristiker mit Technik und Daten befassen müssen. Denn weder Zeit noch Geld stehen zur Verfügung. Eine Lösung sieht der AIR e.V. in den Förderkulissen der Länder und des Bundes. Die AIR‐Fachgruppe Tourismus (vgl. Kapitel 4.3) soll sich zukünftig mit einem Fokus darauf konzentrie‐ren, Joint Ventures aus Touristikern und GeoIT‐Unternehmen zu bilden, die gemeinsam Förder‐töpfe akquirieren, um die finanzielle Situation zu verbessern. Für die Organisationen der Tou‐rismus‐Branche besteht der Vorteil, dass alle notwendigen Technikfragen vom IT‐Partner und nicht aus den eigenen Reihen beantwortet werden können. Für die GeoIT‐Spezialisten liegt der Vorteil in sehr exakten Anforderungsanalysen seitens der Touristiker. Die Fachgruppe konzen‐triert sich damit auf die Kernherausforderungen beider Branchen: Geld, Personal und Produkt‐ausrichtung.
3.2.5 Zielgruppen‐Definition
Die Initialstudie hatte den Zweck, als „Teaser“ zu dienen und die Diskussion über die Möglich‐keiten der GeoIT anzuregen. Dementsprechend stellt Rast, Ch. (2014/1) fest, dass die techni‐schen Möglichkeiten sowie der aktuell erlebbare Einsatz von GeoIT eher angebotsgetrieben dargestellt werden. Nicht ausreichend Berücksichtigung finden dabei die Ansprüche, Erwartun‐gen und Bedürfnisse unterschiedlicher Zielgruppen, da sich die Angebote der GeoIT eher an oberflächlich erkennbaren Geschäftsprozessen orientieren. Das lässt sich derart interpretieren, dass die technik‐orientierten Produkte der GeoIT‐Branche die Wünsche und Bedürfnisse unter‐schiedlichster Endnutzer wenig bis gar nicht berücksichtigen und somit kaum zielgruppen‐adäquate Anwendungen zu generieren sind. Ein Problem liegt darin, dass sich die Angebote an den touristischen Wertschöpfungsketten und Geschäftsprozessen anlehnen, da diese seitens der Geoinformationsbranche schnell zu analy‐sieren sind. Bessere Anwendungen lassen sich jedoch – lauf Rast, Ch. (2014/1 und 2014/2) ‐ erzielen, wenn sich die Anbieter von GeoIT‐Lösungen an lebensstil‐orientierten Zielgruppenan‐sätzen orientieren. Diese finden aktuell verstärkt Eingang in die Tourismusbranche. Mit solchen Modellen lässt sich ein passgenaues Marketing erzielen, weil traditionelle Ansätze mit Berück‐sichtigung von Sozioökonomie und Demographie (Alter, Kaufkraft, Lebensphase, Familienstand,
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etc.) die wirklichen Bedürfnisse, Wünsche und Verhalten der Verbraucher nicht präzise be‐schreiben können. Neue Ansätze wie etwa die Sinus‐Milieu‐Analyse3 oder das niederländische Brand Strategy Re‐search Model4 versuchen diese Eigenschaften (Bildung, Alter, Beruf, Einkommen, etc.) mit der Alltagswelt der Zielkunden zu verknüpfen. Hinzu kommen Aspekte wie Lebensauffassungen und Lebensweisen. Durch diese Sicht lassen sich Anwender in Gruppen „Gleichgesinnter“ einteilen, die ähnliche Bedürfnisse hinsichtlich Werten, Orientierung, Lebenszielen, Lebensstilen und Ein‐stellungen haben. Rast, Ch. (2014/1) gibt an, dass solche Betrachtungen Zielgruppen herausfil‐tern, die z.B. auch in Bezug auf Informationsquellen, Mediennutzung und Inhalte/Darstellung von Information ähnlich denken. Er beschreibt exemplarisch „extrovertierte“ und „introvertier‐te“ Zielgruppen. Erstere nutzen häufiger und mehr Informationsquellen bspw. im Zusammen‐hang mit Tagesausflügen und sind affin für Informations‐ und Kommunikationstechnologie (IKT allgemein und GeoIT im Speziellen). Produktbezogen spielen Aspekte wie Ansprache, Keywords, Inhalt und Detaillierungsgrad eine entscheidende Rolle. Aus diesen Fakten lässt sich das Design eines mobilen GeoIT‐Produktes erheblich besser ableiten, als aus dem eigentlichen Geschäfts‐prozess wie etwa dem Routing. Rast verweist daher auf die Relevanz psychologischer Aspekte für den Einsatz erfolgreicher GeoIT:
„Dem angebotsorientierten Denken in Geschäftsprozessen mit Fokus auf die Relevanz von technischen Einsatzmöglichkeiten und Entwicklungen wird ein nachfrageorientiertes Denken in Serviceketten mit einer stärkeren Berücksichtigung von Kundennutzen und ‐bedürfnissen entlang aller Stationen einer Reise gegenüber gestellt, bei dem die Entwick‐lung von Produkten mit hohem Kundennutzen im Vordergrund steht. Dies dürfte die massenhafte Marktdurchdringung für ‚touristische Geoinformationsprodukte‘ an End‐kunden deutlich erleichtern.“ (Rast, Ch. 2014/1, S. 16)
Eine deutliche Botschaft an die GeoIT‐Branche, ihre Verfahren zur Architektur und Produkt‐Design an neue Denkmuster anzupassen. Rast erwähnt als Positiv‐Beispiel die outdooractive‐Plattform der Firma Alpstein, die Visit Holland‐App sowie einige nominierte Produkte und Preis‐
3 Weitere Informationen: http://www.sinus‐institut.de/loesungen/sinus‐milieus.html (letzter Aufruf: 04.12.2014) 4 Weitere Informationen: http://tegenlicht.vpro.nl/nieuws/2007/september/brand‐strategy‐research‐nader‐belicht.html
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träger im Deutschen Tourismuspreis mit Geo‐Bezug. Die vorliegende Studie wird diesen Faden weiter unten aufgreifen und einige Lösungsansätze junger, innovativer Unternehmen ausführli‐cher darstellen.
4 Noch mehr Experten: Touristiker in AIR‐Veranstaltungen
4.1 Und wieder Technik: AIR‐Business Frühstück September 2013 Am 11. September 2013 wurde die Initialstudie einem breiteren Fachpublikum im Rahmen des 8. AIR‐Business‐Frühstücks vorgestellt (vgl. Bernsdorf, B. 2013 [1]) und im Kontext mit weiteren Präsentationen diskutiert. Mehr als 20 Akteure aus Wirtschaft und Touristik nutzten die Möglichkeit zum interdisziplinä‐ren Austausch. Diskutiert wurde der in der Studie beschriebene Einsatz von Geoinformationen und GIS‐Technologien im Umfeld des Tourismus. Neben aktuellen Trends der Geoinformatik konnten konkrete, technische Möglichkeiten für die Touristik aus der Sicht von Geoinformatik‐Experten aufzeigt werden. Mit zahlreichen Beispielen aus der Studie wurde dargelegt, wie sich Kommunen oder Tourismusverbände mit Raumdaten in ihren Portalen, Diensten oder Apps platzieren können und wie Radroutenplaner oder Stadt‐führer‐Apps Reisende bei der Planung oder direkt vor Ort unterstützen. Weitere Schwerpunkte der Untersuchung lagen auf Geodaten von Crowdsourcing‐Informationen bis zu öffentlichen Daten sowie Positionierungs‐ und Navigationsanwendungen für Aktivitäten von Geocaching bis GPS‐Biking. An konkreten Beispielen konnten GeoIT‐Unternehmen den Tourismus‐Experten ihre Anwen‐dungen demonstrieren. In Form von drei Impulsvorträgen wurden die Thesen der Studie erläu‐tert:
4.1.1 PC‐Planungs‐Tools und autarke Apps im Naturtourismus
Das Unternehmen EFTAS Fernerkundung Technologietransfer GmbH stellte Anwendungen im Umfeld des Natur‐Tourismus dar (vgl. Pereira, C. 2013 [2]). Hierbei wurde die wesentliche Kombination aus Portal und App herausgestellt. Am Beispiel einer aktuellen Entwicklung für den Münsterland e.V. konnte dargelegt werden, wie ein modularer Ansatz von Web‐Portalen zu einem Nutzervorteil wird. Denn mit vergleichbaren technologischen Ansätzen können individu‐
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elle Ansprüche der Kunden umgesetzt werden und etwa ein Routing für Radfahrer ebenso wie eine spezifische Routenplanung für Reiter implementiert werden. Innovativ wurde das Problem der Datenaktualität gelöst. Denn sind die Daten einmal eingepflegt, kommt es zu ständigen Veränderungen, die seitens der Touristiker kaum be‐herrschbar sind. In kürzester Zeit ist dann ein Wegenetz veraltet. Die EFTAS zeigt einen Ansatz über Bildanalyseverfahren auf, die in der Lage sind, mit Hilfe automatischer Analyseverfahren Veränderungen im Wegenetz aufzuzeigen. Auch POI und andere Karteninhalte sind mit solchen Verfahren auf Veränderungen hin zu überprüfen. Mit Hilfe einer rollenbasierten Datenpflege (Editor für POI, Wege und Veranstaltungen) und Qualitätssicherung kann die Datengrundlage mit vergleichsweise geringem Aufwand aktuell gehalten werden.
Dem Individualitätsanspruch wird die EFTAS durch einen persönlichen Bereich für den Kunden gerecht, der sich entsprechend seiner Interessenslage und körperlichen Möglichkeiten eigene Routen erstellen kann. Diese werden im persönlichen, durch ein Login gesicherten Bereich ab‐gelegt und lassen sich problemlos auf GPS‐Geräte und Smartphones transferieren.
Eine vollständige Neuentwicklung stellt dabei das sogenannte „Thematische Routing“ dar. Sind klassische Routenplaner in der Lage, beispielsweise kürzeste und schnellste Routen zu finden, berücksichtigt der EFTAS‐Routenplaner die persönliche Interessenslage, indem etwa klassifizier‐te POI (z.B. „Wasserschlösser mit Gräfte“) in die Planung einbezogen werden (vgl. Abbildung 1). Hierbei kommuniziert die App mit dem Server, so dass auch eine am PC geplante Route unter‐wegs jederzeit verändert und aktualisiert werden kann. Dieser thematische Bezug wurde noch intensiver im Projekt Erlebnis Naturerbe umgesetzt. Kerngedanke des Projektes ist es, Wissen über Natura 2000 in eine mobile Applikations‐Umgebung erlebniswirksam einzubringen. Damit sollen Naturschutz‐Themen informativ aufbe‐reitet und über eine Routingapplikation auch erlebbar gemacht werden. In Abbildung 2 erkennt man den Einstieg beispielsweise über „Deine Themen“, hinter der eine spezielle Form der Wis‐sensverknüpfung erfolgt. Die seitens eines Nutzers ausgewählten Themen werden unmittelbar in das Routing übernommen und mit der App abgeglichen. Damit erhält der Nutzer nicht nur die Route für unterwegs, sondern auch alle notwendigen Inhalte.
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Abbildung 1: Münsterland Kunden‐Informationssystem mit individuell gestalteten Rad‐ und Reitrouten (Quelle: Pereira, C. 2013 [2], aktualisiert).
Abbildung 2: Einstiegsseite zum Natura 2000‐Projekt Erlebnis Naturerbe (Quelle: Pereira, C. 2013 [2], aktualisiert).
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4.1.2 PC‐Planung, GPS und OSM
Das Unternehmen Thomas Froitzheim – NAVISO befasst sich schwerpunktmäßig mit der Navi‐gation im touristischen Umfeld. Es geht von der These aus, dass Outdoor‐Angebote umso inten‐siver genutzt werden, je mehr Kunden sich besser orientieren können. Andersherum formuliert: „Wer sich im Gelände unsicher fühlt, bleibt zuhause“ (vgl. Froitzheim, T. 2013 [3]). NAVISO pos‐tuliert, dass eigentlich die Kombination aller Orientierungsmedien das Optimum darstellen würde:
• Papierkarte: einfach, preiswert und übersichtlich.
• Wegweisung: exakte Richtung!
• GPS‐Gerät: Fokus: hier bin ich!
• PC‐Planung: vielseitig.
• Internet: tausend Touren!
• Gedruckter oder digitaler Reiseführer: präzise Beschreibung
• Aber: Keiner kann eine Tourenempfehlung so schnell und individuell empfehlen wie ein Mensch
Da aber nach den Landesvermessungen (Konzentration auf „Kerngeschäft“) auch die Verlage beginnen, sich von analogen Medien zu trennen, müssen Alternativen begutachtet werden. Denn der große Nachteil analoger Medien ist die Tatsache, dass sie ‐ einmal gedruckt – extrem schnell veralten in einer schnelllebigen Welt, die digitale Information in den Mittelpunkt rückt. NAVISO stellt daher die Weiterentwicklung der in der Initialstudie schon dargelegten Möglich‐keiten der GPS‐Geräte vor. Neben der Tatsache, dass sie inzwischen nahezu alle Global Naviga‐tion Satellite Systems (GNSS) und nicht nur das amerikanische GPS empfangen können, kombi‐nieren sich moderne GPS‐Geräte zudem mit Wi‐Fi‐Hot Spots oder Bluetooth‐Access Points. Damit sind sie zwischenzeitlich in der Lage, im Zentimeterbereich navigieren zu können, werden drinnen und draußen navigationsfähig und sind so auch für Museen etc. geeignet. Zudem sind moderne GPS‐Geräte auch in der Lage mit dem Internet zu kommunizieren. Damit lassen sich einerseits aktuelle Daten standortbezogen herunter laden, oder die eigene Position übermit‐teln. Die früher solitären GPS‐Geräte werden damit ortungsfähig. Gegenüber dem Smartphone habe sie laut NAVISO den erheblichen Vorteil der Spezialisierung auf Positionierung und Navigation. Sie sind daher robuster, haben lange Akku‐Laufzeiten, sind besser ablesbar, habe keine Hitzeprobleme und sind in der Bedienung erheblich einfacher ge‐staltet. Froitzheim, T. (2013) [3] sieht den größten Vorteil in den Smartphones in der Tatsache, „…dass man sie schon hat.“ (vgl. Froitzheim, T. 2013 [3], Folie 7). Es sei darauf hingewiesen,
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dass junge Unternehmen aber gerade aus diesem Grund auf das Smartphone setzen (vgl. Kapi‐tel 4.1.3 und 5) Ähnlich wie EFTAS belegt NAVISO, dass ein server‐basiertes Routing erheblich besser (performanter) ist, als ein Routing auf einem mobilen Endgerät. Bezüglich entsprechender Apps wird darauf hingewiesen, dass Offline‐Fähigkeiten im Outdoor‐Bereich von erheblicher Wich‐tigkeit sind. Daher sind bestimmte Apps, die einen ständigen Internet‐Zugriff benötigen, um etwa Kartenansichten zu präsentieren, im Outdoor‐Segment nicht einsetzbar. Trotzdem erkennt man auch in diesem Segment eine Technisierung, die aus Sicht NAVISO zu‐mindest teilweise problematisch ist (Zitat: „Bitte nicht vergessen: wir wollen Touren machen, nicht Technik durch die Gegend fahren!“ vgl. Froitzheim, T. 2013 [3], Folie 9). Zwar wird das Stromproblem etwa durch Anschlüsse an den Nabendynamo eines Fahrrads behoben und auch Solarmodule und Akku‐Packs werden besser, aber das Internet steckt voller Informationen, die NAVISO in Bezug auf Qualität und Aktualität hinterfragt. Gleiches gilt für eine inzwischen un‐übersichtliche Vielfalt an Datenaustausch‐Formaten. Aufgrund der positiven OpenStreetMap‐Entwicklung schlägt NAVISO für eine „Gästekarte“ OSM als Basis vor. Touristiker vor Ort liefern dazu den Qualitäts‐Content und Verlage können dies gemeinsam aufgreifen und zu Produkten veredeln (vgl. auch Kapitel 6). Die Planung seitens des Touristen sieht NAVISO nach wie vor am PC, da mobile Endgeräte hier noch sehr beschränkt sind. NAVISO stellt den Spaß an der Planung in den Vordergrund, wobei der Content als Planungsergebnis dann offline auf dem Endgerät verfügbar gemacht werden muss.
4.1.3 App‐Framework
Betrachte man jedoch ganz andere Zielgruppen, so muss man in Frage stellen, ob PC‐Planungstools für gewisse Fragestellungen noch geeignet sind und ob das – wie erwähnt ‐ ver‐fügbare Smartphone nicht doch das Mittel der Wahl ist. Diesen Ansatz verfolgt das Dortmunder Unternehmen GeoMobile GmbH, das sich auf mobile Endgeräte im Smartphone‐Markt speziali‐siert hat (vgl. Windmüller, M. 2013) [4]). Die Fokussierung basiert auf der Tatsache, dass 55 % der in Deutschland verfügbaren Mobiltelefone in die Kategorie Smartphone fallen und damit etwa 35 Millionen Smartphones verfügbar sind (vgl. Windmüller, M. 2013 [4], Folie 3). Die Zielgruppendefinition ergibt sich aus der zu NAVISO nahezu gegenteiligen Anforderung, dass nämlich das Medium durch einen permanenten Online‐Zugriff ständig verfügbar ist und man die Zielgruppe daher per Push‐Verfahren aktiv ansprechen kann. Dies verbindet GeoMobi‐le mit den in Smartphones ebenfalls möglichen Lokalisierungs‐ und Navigationsmöglichkeiten. Die Fragen sind dabei durchaus vergleichbar:
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• Wo bin ich?
• Welche interessanten Orte (POI)sind in der Nähe?
• Wo sind meine Freunde?
• Wie gelange ich dort hin?
• Wann bin ich am Ziel?
Allerdings verbindet sie GeoMobile eher mit standortbezogenen Spielen, Angeboten und Mar‐keting‐Aktionen und nicht so sehr mit dem klassischen Tourismus. Denn die technischen Vo‐raussetzungen des Online‐Zugriffs sind adäquat für solche Lösungen bestenfalls in größeren Städten gegeben, nicht aber abseits von Siedlungen wie etwa auf dem Saar‐Mosel‐Steig. Daher kann man hier eine Konzentration auf den Städtetourismus und kommunale Kulturangebote (etwa Veranstaltungen) postulieren.
Um solche Anwendungen zu erstel‐len, hat GeoMobile ein sog. Frame‐work erstellt, das einem App‐Baukasten gleicht. Je nach Aufga‐benstellung der App, lässt sie sich aus diesem Framework individuell zusammenstellen.
binden kann.
Dazu gehört ein Web‐basiertes Ba‐ckend, das für das Content Mana‐gement benötigt wird. Verfügbar sind die Apps für die gängigen Be‐triebssysteme iOS, Android und Windows Phone. Das Ergebnis soll laut GeoMobile bei geringem Her‐stellungsaufwand leicht bedienbar sein und größtmögliche Aktualität
liefern. Digitale Karten sind online und offline möglich, wobei sich GeoMobile nicht auf OSM konzentriert, sondern auch andere Quellen wie die der großen Earth Viewer oder sogar amtli‐che topographische Karten ein
Abbildung 3: PLAZA App‐Framework der Firma GeoMobile(Quelle: Windmüller, M. 2013 [4], Folie 8)
Diverse „GeoTools“ stehen dabei zur Verfügung. Es ist sogar möglich, dass ein Nutzer Eingaben in Form von Objekten (Punkte, Linien, Flächen) anlegen kann.
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Eine beachtenswerte Möglichkeit ist die Tatsache, dass es erhebliche Barrierefreiheit gibt. Denn alle Bedienelemente und Inhalte sind etwa über gerätegeeignete Vorlesehilfen zugänglich. So können auch blinde und sehbehinderte Menschen von den Funktionalitäten der App profitie‐ren. Für diese Zielgruppe werden bspw. die letzten Meter zum Ziel durch vibro‐taktile Hilfen angegeben, wobei Karten‐ und Richtungsinformationen durch Hören in Form eines Geigerzäh‐ler‐Tons sowie Fühlen in Form von Vibrationen wiedergegeben werden (Windmüller, M. 2013 [4], Folie 12). Durch geschickte Nutzung der Smartphone‐Möglichkeiten werden so neue Ziel‐gruppen individuell integriert, die bislang aus dem klassischen Tourismus (nahezu) ausgeschlos‐sen waren.
Basierend auf den Ideen der vielfältigen Social Networks bietet GeoMobile zudem eine Funkti‐onalität an, die Gruppen anspricht. Die GeoSocial Networking genannte Funktion ist in der Lage, Freunde zu lokalisieren und auf einer Umgebungskarte darzustellen. Da beliebige eigene POI wie ein gemeinsamer Treffpunkt oder der Parkplatz des eigenen Autos gespeichert und mit der Gruppe geteilt werden können, hat jedes Mitglied der Gruppe die Möglichkeit individuell zu navigieren und trotzdem in Kontakt zu bleiben. Diese Funktionalität wird durch einen Real‐Time‐Chat ergänzt, über den zusätzliche Informationen ausgetauscht werden.
Das Framework bietet darüber hinaus beispielsweise folgende Funktionen:
• Indoor‐Lokalisierung
• Augmented Reality
• Spiele, Rätsel und Interaktion
• Chat und Kommunikation
• Nachrichten und Meldungen
• Social Media Integration
In der Summe ergibt sich ein ungleich größerer Funktionsumfang als beim klassischen GPS‐Gerät. Wie erwähnt, ist der Zielgruppen‐Fokus aber deutlich auf eine technik‐affine Klientel ausgerichtet, die sich „online bewegt“ und letztlich eher den Alltag als touristische Aktivitäten bewältigen wird.
4.1.4 Diskussion
In der anschließenden offenen Diskussion mit den Tourismus‐Experten aus der Region erfolgte eine Bewertung der dargelegten GeoIT‐Ansätze. Es zeigte sich, dass die Geoinformationswirt‐
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schaft und die Tourismusbranche enger zusammen arbeiten müssen, um passgenaue Lösungen zu entwickeln. Folgende Ergebnisse wurden erzielt:
• Touristiker wünschen sich eine Kombination aus analogen Medien (wie Wanderkarten oder Stadtpläne) mit digitalen Medien (wie Apps oder Dienste).
• Gerade bei weniger touristisch geprägten Destinationen liegt der Fokus auf dem Stadtmarketing (Zielgruppe: Bürger der Kommune). Auch hier haben sich klassische Pläne und Flyer als beson‐ders hilfreich erwiesen.
• Nach wie vor scheint eine Refinanzierung für analoge Medien realistischer zu sein, als für digita‐le Medien.
• Eindeutig wurde die Meinung geäußert, dass Apps und Dienste einen hohen Nutzen haben. Die Verbreitung ist aus verschiedensten Gründen (z.B. Investitionskosten) bei den Teilnehmern noch gering und daher größtenteils nicht in Planung.
Da sowohl Mitglieder aus den kommunalen Vermessungen (Geodaten‐Produzenten) als auch Touristiker am Business Frühstück teilnahmen, wurde intensiv über den Einsatz von amtlichen Daten im Vergleich zu bspw. OpenStreetMap‐Daten diskutiert. Es kam zu keinem abschließen‐den Ergebnis. Jedoch scheint die von den Vermessungsverwaltungen hoch eingeschätzte Amt‐lichkeit aus Sicht der Touristiker hinter Fragen wie Aktualität und Optik zu stehen. Beides bietet OpenStreetMap, letzteres zumindest auch die Earth Viewer. Zudem wurde die Notwendigkeit des regelmäßigen Austauschs zwischen den Branchen deut‐lich. Die Bereitschaft einer intensiveren Zusammenarbeit wurde von den Teilnehmern signali‐siert. Gewünscht wurden seitens der Tourismusexperten passgenauere Lösungen, die vertrete‐nen Experten der Geoinformationswirtschaft benötigen detaillierte Kenntnisse über die Prozes‐se in der Touristik. Aus diesen Sichtweisen geht die weiter unten beschrieben AIR‐Fachgruppe sowie die dort plat‐zierten Themen hervor (vgl. Kapitel 4.3). 4.2 Anwendung im Naturtourismus: AIR‐Business‐Frühstück Mai 2014 Mit einem etwas erweiterten Spektrum wurde am 07. Mai 2014 das 10. AIR‐Business Frühstück mit dem Thema: Lösungen für den Naturschutz – Portale, Apps und Datenerfassung durchge‐führt. Knapp 30 Akteure aus Naturschutz, Tourismus, Wirtschaft und Hochschulen nutzten die Möglichkeit zum interdisziplinären Austausch. Diskutiert wurde der Einsatz von Geoinformatio‐nen und GIS‐Technologien im Umfeld von Naturschutz und Tourismus.
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Zunächst stellte Melanie Teske vom Naturschutzzentrum Kreis Kleve e.V. vor, wie Urlauber und Ausflügler zukünftig die Rheinaue bei Kleve erleben können (Teske, M. 2014 [5]). Denn ganz ohne Unterstützung erkennen die Menschen die Naturwerte nicht. Erzielt werden soll eine er‐folgreiche Besucherlenkung, ohne Übermöblierung der sehenswerten Landschaft mit Informa‐tionsschildern und Wegweisern. Per Internetportal samt zugehöriger App (vgl. Abbildung 4) können Reisende passende Routen ermitteln und zu den Highlights der Region gelangen. Dabei kann das System sowohl Strecken von A nach B, aber eben auch die für Radfahrer und Wande‐rer interessanten Rundtouren beispielsweise von einem Parkplatz aus berechnen. Dem Natur‐schutz wird dabei jederzeit Rechnung getragen: Bestimmte Strecken können zum Beispiel zu Brutzeiten im Portal gesperrt und somit vermehrt gemieden werden. Im Anschluss stellte Professor Stefan Taeger von der Hochschule Osnabrück verschiedene Bei‐spiele für die digitale Erfassung im Gelände vor (Taeger, S. 2014 [6]). Er zeigte, dass sogar ohne große Finanzmittel eine Lösung möglich ist und präsentierte Varianten mit OpenGIS Komponen‐ten. Doch gerade im mobilen Bereich empfahl er den Einsatz von Experten, damit die entwi‐ckelte App oder Web‐Lösung auch von den Nutzern akzeptiert wird.
Abbildung 4: Projekt Rheinaue erleben, Naturtourismus im Kreis Kleve. Integration von Portal und App (Quelle: Teske, M. 2014 [5]). Der dritte Vortrag von Jürgen Dressel von der Firma GeoDok GmbH aus Bielefeld beschäftigtes sich mit dem Thema, wie aus Daten neues Wissen generiert werden kann bei zeitgleicher Ver‐
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meidung von Insellösungen (Dressel, J. 2014 [7]). Detailliert wurde erläutert, welchen Anforde‐rungen ein modernes Portal heute genügen muss und wie touristische Webseiten zum Verwei‐len einladen können. Im Fokus standen Tipps, wie einmal erfasste Daten mehrfach genutzt werden können.
4.2.1 Diskussion
Die anschließende offene Diskussion mit den Tourismus‐ und Naturschutz‐Experten aus der Region erbrachte am Beispiel der vorgestellten Beispiele aus dem Kreis Kleve, dass viele gute Lösungen selbst in der Region nicht bekannt sind. Deutlich wurde dies nicht für Kleve, sondern auch an der kurz beschriebenen Artenfinder‐App des LANUV, die von vielen anwesenden Touristikern bisher nicht wahrgenommen wurde. Doch selbst wenn bereits vorhandene Lösun‐gen die eigenen Anforderungen vollständig abdecken, stellt sich für viele die Frage der Finanzie‐rung. Fördergelder sind oftmals für die Umsetzung der Projekte notwendig, die Programmie‐rung oder Durchführung muss dann jeweils ausgeschrieben werden, so dass nicht in jedem Fall von bereits vorhandenen Lösungen oder Synergien profitiert werden kann. Gewünscht wurde jedoch eine bessere Außendarstellung der bestehenden Anwendungen, um den Austausch und das gegenseitige Lernen zu fördern. Ein zweiter Diskussionspunkt waren die unterschiedlichen Ansichten hinsichtlich der Nutzung und Vermarktung von Landschaft und Natur. Während die Landschaftsbehörden die Regionen oftmals intensiv schützen möchten, versuchen die Touristiker, die Regionen zu vermarkten um Touristen und Urlauber anzuziehen. Die Teilnehmer diskutierten, dass eine intensive Einbin‐dung beider Parteien in die Projekte absolut notwendig sei. Die Einführung von modernen Technologien sorgt in diesem Fall für eine erfolgreiche Besucherlenkung und vermeidet die un‐erwünschte Übermöblierung der Landschaft. Hierbei kann GeoIT einen sinnvollen Beitrag zum Naturtourismus liefern. Auch die Erfassung von Informationen wurde intensiv diskutiert. Wäh‐rend einige Teilnehmer bereits auf Erfassungsstandards wie XErleben5 setzen, haben andere Einrichtungen noch nicht von diesem Objektmodell gehört und haben ihre ganz eigenen Richtli‐nien aufgesetzt, die dann zu den Daten der Nachbarkommunen nicht kompatibel sind. Im Rahmen des 10. AIR‐Business‐Frühstücks wurde erneut die Notwendigkeit des regelmäßigen Austauschs zwischen den Akteuren innerhalb der Branche sowie mit den entsprechenden An‐
5 Details zum Standard XErleben unter http://www.xerleben.de
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bietern deutlich. Die Bereitschaft einer intensiveren Zusammenarbeit wurde von den Teilneh‐mern signalisiert. 4.3 Etablierte Zusammenarbeit: Fachgruppe Tourismus Basierend auf diesen Erkenntnissen der Touristiker wurde nachfolgend eine Fachgruppe im AIR etabliert. Am 12. Mai 2014 gab es eine Vorbesprechung, in der die aus den oben beschriebenen Ausarbeitungen extrahierten Fragestellungen als Themenvorschläge für eine mögliche Fach‐gruppe unter den GeoIT‐Experten bewertet wurden. Zunächst wurde die denkbare Breite einer Zielgruppe für die Fachgruppe diskutiert und be‐schlossen, sich grundlegend auf die Themen kommunaler Touristiker zu fokussieren. Noch nicht festgelegt wurde, ob es auch ein direktes Endkundengeschäft geben kann, wie es etwa das Unternehmen MapCase durchführt. (vgl. Kapitel 5.1). Denn auch dieses sollte mit einer De‐stination initial geplant werden.
Darüber hinaus wurden die Probleme dieser Touristiker adressiert, die aus Sicht der Teilnehmer primär auf den verfügbaren Budgets basieren.
Es wurde kritisch festgestellt (und in der Initialstudie belegt), dass für viele Touristiker „Google“ das Maß der Dinge ist, allerdings sich nur wenige Anwender über die Rechte und daraus resul‐tierender Probleme wie Urheberverletzungen etc. Gedanken machen. Hier gibt es eine entspre‐chende Wissenslücke.
Als Ziele einer potentiellen Fachgruppe Touristik konnten durch die Diskussion folgende Frage‐stellungen extrahiert werden:
• Zugang zu Kunden und Anbietern
Jeweils aus Blickrichtung der GeoIT und der kommunalen Touristiker wird die Fachgruppe den Aus‐tausch leisten und Anbieter‐Kunden‐Beziehungen unterstützen.
• Wissensaufbau Technik
mit der Blickrichtung auf den Endkunden (was braucht, was kann der Anwender?). Hier besteht die Möglichkeit für die Geoinformationswirtschaft aus dem Wissen der Touristiker zu lernen und Tech‐niken abzuleiten. Andererseits können die Touristiker erkennen, welche Technologien prinzipiell ver‐fügbar sind. Das kann beispielsweise als Option durch den Aufbau eines „Demo‐Portals“ und einer „Demo‐App“ basierend auf Open Source‐Technologie unterstützt werden (konkreter Anwendungs‐fall).
• Fördermittel‐Akquise
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Da die kommunalen Budgets knapp sind, wird eine Aufgabe der Fachgruppe sein, den kommunalen Touristikern Finanzierungsmöglichkeiten über Fördermittel darzulegen. Hierbei kann der AIR e.V. als Verband genutzt werden, um Zugänge zu den entsprechenden Ministerien zu erlangen und so ge‐eignete Förderrahmen mit entsprechend innovativen Themen zu erweitern. Die Fachgruppe kann mit einer Zusammenstellung der passenden Förderrahmen starten.
• Betriebs‐ und Geschäftsmodelle
sind ein wesentlicher Fokus, um nachhaltig Portale und Apps betreiben zu können. Die Fachgruppe soll geeignete Betriebs‐ und nachhaltige Finanzierungsmodelle erarbeiten.
• Recht / Nutzungsrecht
wurde als ein Themenfeld identifiziert, da die Teilnehmer ein entsprechendes Defizit bei der ver‐gleichsweise sorglosen Nutzung von Geodaten beispielsweise aus Google Maps seitens der Touristiker erkennen. Hier kann die Fachgruppe Klarheit schaffen und den Touristikern ein Schu‐lungs‐ und Wissensangebot unterbreiten.
Mit diesen Vorschlägen wurde am 19. August 2014 eine konstituierende Sitzung durchgeführt, an der neben Vertretern der GeoIT auch Vertreter kommunaler Tourismus‐Organisationen6 teilnahmen. Die Touristiker stellten drei markante Anwendungen vor:
• Die StädteRegion Aachen und der Kreis Düren haben bereits ein gemeinsames „Bürger“‐Geodatenportal, das touristische Zwecke noch nicht abdeckt. Dies soll etabliert werden und man sucht nach Hinweisen über den geeigneten Aufbau und wesentliche Inhalte.
• Im Rahmen des Halden‐ und Hügel‐Hoppings Recklinghausen haben die Sommerstürme 2014 durch diverse umgestürzte Bäume zu erheblichen Problemen an der Ausschilderung geführt. Es wird darüber beraten, eine „elektronische“ Beschilderung in Form einer mobilen Anwendung zu etablieren.
• Iserlohn hat die Erfahrung gemacht, dass die Anwendungen seiner „GIS‐Spezialisten“ für Touris‐ten ungeeignet sind. Es schlägt die Intention durch, viel Funktionalität anzubieten, was den An‐wender aber überfordert.
6 Vertreter GeoIT‐Branche: AIR e.V., EFTAS GmbH, GeoDok GmbH, Naviso Outdoornavigation, Moskito GIS GmbH. Vertreter kommunale Touristiker: Kreisverwaltung Recklinghausen, StädteRegion Aachen, Stadtmarketing Iser‐lohn, Kreis Warendorf, Vermessungs‐ und Katasteramt Düren. Der Regionalverband Ruhr war über die Ruhr‐Tourismus‐Gesellschaft angemeldet, konnte aber aus Zeitgründen nicht teilnehmen.
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4.3.1 Austausch zwischen Kunden und Anbietern
Grundsätzlich ist zu bemerken, dass das Themenfeld zwei Ebenen hat: Einerseits der Austausch und die Kenntnis zwischen GeoIT und Touristikern sowie andererseits die Ebene des Austauschs zwischen den Touristikern und den Endanwendern, den Touristen. Betrachtet man Geschäfts‐modelle zwischen der GeoIT und den Touristen, ist eine weitere Ebene zu betrachten, die in der Fachgruppe noch nicht bearbeitet wird.
Am Beispiel Iserlohn kann man die Konflikte in der ersten Ebene erkennen: Auf der neuen Seite http://www.einkaufen‐iserlohn.de/ wurde eine „emotionale“ Sicht erzeugt, die Links zu Shops und Geschäften bietet. Als Karte ist lediglich ein Fenster auf der Seite „Sie finden uns…“ einge‐richtet, die auf der Google Maps‐API basiert. Geplant sind weitere Infos wie etwa Wetter, Infos zum ÖPNV, etc. Die Geoinformatiker der Stadt insistieren, um die Nutzung von http://geoportal.iserlohn.de/iserlohn‐maps/ zu fördern. Aus Sicht des Stadtmarketings ist diese Anwendung aber vollständig ungeeignet, da sie lediglich den technischen Aspekt der Karten‐darstellung abdeckt, aber nicht die emotionale und Marketing‐Seite berücksichtigt. Es besteht daher ein Interesse daran, Marketing und GeoIT grundsätzlich besser zusammen zu bringen.
Die zweite Ebene lässt sich über ein Anforderungsprofil abdecken, das die „Basics“ für ein tou‐ristisches Portal in den Fokus nimmt. Es wird vorgeschlagen, eine empirische Analyse durchzu‐führen, in denen grundlegende Fragen geklärt werden:
• Wer nutzt solche Angebote?
• Wie „funktioniert“ der Nutzer?
• Was spricht ihn an?
• Wie gelangt er zur Information?
• Welche Technik hat er zur Verfügung (Internet, Apps)?
Eine Idee dazu ist, den Anwender (Touristen) mit einigen existenten Portalen zu konfrontieren. So lässt sich eine Art „Versuchslabor“ etablieren. Beispielsweise kann man den Nutzer eine Wo‐chenend‐Reise in eine bestimmte Region planen lassen, um sein Vorgehen zu analysieren. Die‐ses „Labor“ könnte auf einer (gemeinsamen?) Messe eingerichtet werden. Ein solcher Ansatz kann bundesweit aufgesetzt werden. Das ließe sich im Jahresverlauf über verschiedene Messen in unterschiedlichen Regionen durchführen.
In der Beziehung zum Kunden wird der Prozess diskutiert, wie der Kunde zur Region kommt: Vorabinfo im Internet => Printmedien zur Detailsuche => App (Navigation / Information) vor Ort
Weitere Erkenntnisse:
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• Portale sind wichtig, wenn der Kunde sich bereits für eine Region entschieden hat. Sie sind meist sehr lokal begrenzt angelegt!
• Ein Problem sind oft die Daten respektive die Standards, solche auszutauschen. Zudem ist im‐mer wieder die Datenaktualität (insbesondere Preise, Öffnungszeiten, Aktionen etc.) ein we‐sentlicher Diskussionspunkt, der zur Frage der Nachhaltigkeit führt, wie die Inhalte in einem Por‐tal überhaupt aktuell gehalten werden sollen (Crowdsourcing wie etwa Platzhirsch; vgl. Kapitel 5.3)?
• Zudem denkt der Tourist nicht in politischen Grenzen, wenn es beispielsweise um kommunale Angebote geht (Radtour, Wanderung). Aktuelle Auftritte sind sehr lokal angelegt und seitens ei‐ner Gebietskörperschaft und deren zuständigen Touristikern initiiert. Suchergebnisse über die Körperschaft hinaus sind daher nicht realisierbar. Auch hier besteht die Notwendigkeit zur Stan‐dardisierung und Kaskadierung der Information.
Es wird angeregt ein Forschungsprojekt zu initiieren. Fokus ist das Nutzerverhalten von Touris‐ten. Dabei steht im Vordergrund, wie ein Barriere‐Abbau zur Nutzung moderner Technologien erfolgen kann und ob dieser überhaupt machbar ist. Es lässt sich beispielsweise überprüfen, was von den existenten Portalen und App‐Angeboten genutzt wird, in welche Richtung Entwick‐lungen gehen und wie sie ggf. mit dem Nutzerverhalten sowie den Kundenwünschen in Über‐einstimmung gebracht werden können.
Bezüglich des Zeitrahmens wird das Warten auf neue Förderrahmen als zu zeitintensiv erachtet. Daher werden kurzfristigere Ansätze bevorzugt. Für den oben angeregten „Feldversuch“ auf Messen kann man möglicherweise Hochschulen gewinnen und die Themen im Rahmen von Bachelor‐ und Masterarbeiten bearbeiten.
Als Ergebnis einer solchen Untersuchung sollten interessante Kernthemen herausgearbeitet werden:
• Kernanforderungen der Nutzer? Abzuarbeiten an Themenkomplexen wie „Städtereise“, „Rad‐tour“, „Wanderung“, „Outdoor‐Aktivität“, etc. pp.
• Anforderung an Portale
• Anforderung an die Nutzerfreundlichkeit, kommt der Nutzer zurück? Findet er die gesuchte In‐formation?
• Barrieren wie der Bekanntheitsgrad von Angeboten
In einem ersten Schritt möchte die Fachgruppe dabei zunächst eigene Erfahrungen zusammen tragen, um das oben angeregte Forschungsprojekt besser strukturieren und spezifizieren zu können.
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4.3.2 Wissensaufbau Technik
Bezogen auf die ersten zu bearbeitenden Technik‐Themen fokussierte die Diskussion zunächst auf der oben bereits angesprochenen Daten‐Problematik. Mit „grenzüberschreitenden“ Porta‐len und vielen anderen Fragen, kommt das Schnittstellen‐Thema in das Blickfeld. Der Standard XErleben könnte ein Ansatz sein, der aber noch nicht als OGC‐konform gilt, gleichwohl er in NRW (metropoleRuhr, Münsterland) propagiert und angewendet wird.
Am Beispiel eines Veranstaltungskalenders wird klar, dass die Probleme aber nicht nur im Da‐tenaustausch, sondern auch in der eigentlichen Bereitstellung liegen. Die Fragen nach zentraler oder dezentraler Pflege, Lückenhaftigkeit der Angaben (des Angebots!?), Plausibilität und Kor‐rektheit werden kaum lösbar sein. Daher besteht die Anforderung herauszufinden, mit welcher Datenqualität ein Gast / Tourist zufrieden ist und mit welchem Toleranzgrad ein Angebot wahr‐genommen wird. Hier gab die Diskussion zwei Sichtweisen wider:
• Die Ansicht, dass ein Angebot korrekt und valide sein muss. Ansonsten wird ein Gast (insbeson‐dere, wenn er zu einem Event extra angereist ist und dieses dann nicht stattfindet etc.) die An‐gebote der digitalen Medien nicht weiter nutzen.
• Die Ansicht, dass ein rudimentäres (dann aber auch korrektes) Angebot besser als gar kein An‐gebot ist.
In diesem Zusammenhang werden das Crowdsourcing und dessen Wert für die Datenbereitstel‐lung und Aktualität diskutiert. Hier ging die Diskussion bereits in die Nachhaltigkeit des Be‐triebsmodells. Es wurde festgestellt, dass Kommunen ggf. mit der Vielfalt der anstehenden Auf‐gaben überfordert sind. Andererseits ist Crowdsourcing auch noch nicht so etabliert, das man sich vollständig darauf verlassen könnte.
Offene Fragen sind beispielsweise:
• Erhöht sich die Qualität des Angebots, wenn viele Quellen genutzt werden?
• Wird Crowdsourcing allgemein akzeptiert, beispielsweise auch vom Endnutzer, der weiß, dass er hier und jetzt kein „amtliches“ Angebot erhält, sondern die Information einer breiten Masse?
• Wie breit ist die Basis tatsächlich bei solchen Angeboten?
• Lassen sich Crowdsourcing‐Angebote ggf. mit amtlichen (kommunalen) Angeboten kombinie‐ren?
Vieles davon hängt von der Frage ab, welche Informationen der Gast tatsächlich benötigt und wie er sich diese beschafft.
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Auch hier kommt die Idee zum Tragen, Barrieren abzubauen und die Frage nach nicht auffind‐baren Angeboten zu lösen. Aspekte dabei sind:
• Fehlende Bekanntheit von Angeboten
• Daten sind nicht ausreichend oder in nicht ausreichender Qualität verfügbar (kein Austausch, keine räumliche „Hoch‐Aggregation“ auf größere Räume, keine Schnittstellen)
• Datenqualität (Vollständigkeit, Tiefe, Aktualität, Relevanz)
• Datennachführung ist ungeregelt (Nachführen öffentlicher und privater Informationen/Daten)
Hierfür wird die Idee der Befragung aufgeworfen. Nutzer sollten vorhandene Angebote auf die gestellten Fragen hin bewerten.
Es wird diskutiert, wie der Nutzer zum Ergebnis kommt und ob ein Demonstrator dabei eine Rolle spielen kann. Es soll jedoch nicht um die Technologie an sich gehen, sondern um den In‐halt (Daten, Informationen), die für Touristen hilfreich sind.
4.3.3 Fördermittel‐Akquisition
Bezüglich der Forschungsprojekte wurde bereits beschrieben, dass es zwar sinnvoll ist, sich nach Fördermitteln umzusehen, dass aber für die initialen Untersuchungen nicht auf die Verab‐schiedung von NRW‐Programmen gewartet werden soll / kann. Diese werden terminlich so eingeschätzt, dass frühestens Anfang 2016 mit einer Mittelzuweisung aus den neuen EFRE‐Programmen / Ziel 2 zu rechnen ist.
Daher wird beschlossen, sich auch nach anderen Quellen umzusehen, bspw. Fördertöpfe auf Bundes‐ und EU‐Ebene. Der Bund wird dabei bevorzugt, da die EU‐Projekte teils unklar, teils mit erheblichem Aufwand in der Antragsphase versehen sind. Zudem ist die Einschätzung die, dass wenn man nicht mit an den Förderprogrammen gearbeitet hat, man auch nicht zum Zuge kommt.
Die Fachgruppe sucht zunächst eine Finanzierung für die oben beschriebenen Forschungsansät‐ze. Darüber hinaus wird geprüft, ob der Demonstrator über öffentliche Förderung finanziert werden kann.
4.4 Was bleibt für GeoIT und Touristiker? Im Ergebnis stehen mehrere Erkenntnisse für die GeoIT‐Branche. Denn einerseits scheinen die Touristiker durchaus ein Interesse an digitalen Lösungen zu haben. Ein besonderer Vorteil ist die Tatsache, dass sich Touristen einerseits leiten lassen (Naturschutz‐Aspekte im Naturtouris‐mus) und andererseits jederzeit sicher ihre Wege finden. Auch digitales Kartenmaterial und
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Inhalte (Content) sind vielfältig und mit hoher Qualität verfügbar, wenn auch die Frage der Ak‐tualisierung nicht geklärt ist. Apps lassen sich – ob in Kombination mit oder ohne Portal – ver‐gleichsweise schnell – produzieren. Die Touristiker stehen aber vor folgenden Herausforderungen:
• Der Bekanntheitsgrad bestehender Lösungen und Möglichkeiten ist gering. • Es wird vor wie nach eine Kombination aus analogen und digitalen Möglichkeiten benötigt. • Die Finanzierung digitaler Lösungen ist erheblich problematischer, als bei analogen Medien wie
Flyer und Karten. • (Existierende) Standards sind nicht bekannt.
Ein erster Tenor der Touristiker zu den Ansätzen der GeoIT‐Branche: Zu viel „GIS“ und zu wenig „Marketing“. Daher ist ein Austausch zwischen den GIS‐ und den Marketing‐Spezialisten not‐wendig und gewünscht. Das sehen auch die Anbieter der GeoIT‐Branche als zielführend an, da sie lernen möchten (müssen), was die Endanwender (Touristen) bezüglich der Funktionalitäten benötigen.
Ein wesentlicher Punkt aus der gemeinsamen Sicht ist jedoch, dass sie Nachhaltigkeit von An‐geboten gesichert sein muss. Kurzfristige Aktionen, die auf Fördermittel basieren und dann ein‐schlafen, sind unerwünscht. Denn oft fehlt in solchen Gleichungen der Betreiber, der ein nach‐haltiges Geschäftsinteresse am Fortbestand der Anwendung hat. Somit muss für erfolgreiche GeoIT‐Anwendungen, die im Stadtmarketing und Tourismus einge‐setzt werden, eine Anforderungsanalyse aus Marketing‐Sicht erfolgen. Hier müssen Themen wie die Ausgabe‐Medien (mobil, Browser, App) ebenso beleuchtet werden, wie etwa die mögli‐chen Datentöpfe zur Unterstützung eines Angebots (was bekommt man woher? Was ist ggf. bereits verfügbar, was fehlt?). Ohne ein nachhaltiges Geschäftsmodell können solche Ansätze aber nicht dauerhaft etabliert werden.
Zunächst ist also eine Anforderungsanalyse aus Marketing‐Sicht erforderlich, da die Technik den Kundenanforderungen folgt. Mit dieser Erkenntnis wird ein Demonstrator etabliert, der die Möglichkeiten anschaulich erläutern kann. Zur Realisierung wird ein empirischer Ansatz ge‐wählt (Forschungsprojekt), der darauf ausgelegt ist, ein „Versuchslabors“ zu etablieren (auf Messen in unterschiedlichen Regionen Deutschlands). Geklärt wird dabei etwa die Frage, wann ein Tourist Portale nutzt, wann Apps und wann analoge Medien (Prospekte, Reiseführer, etc.)? Zudem muss geklärt werden, welche Daten zur Beantwortung touristischer Fragen geeignet sind und wie sie aktuell gehalten werden. Ein wichtiges Thema dabei ist die Etablierung von kommunen‐übergreifenden Angeboten.
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Alle Fragen lassen sich in einem Forschungsprojekt klären, in dem die GeoIT gemeinsam mit den Touristikern eine Zusammenarbeit mit Hochschule(n) anstreben. Eine weitere Methode ist die Beauftragung von Bachelor‐ und Masterarbeiten mit konkreten Fragestellungen.
5 Nicht neu, aber anders – Aktuelle Entwicklungen
Die in den beschriebenen AIR‐Business‐Frühstücken geäußerten Ansichten finden sich auf dem Markt bereits vielfach umgesetzt. Dabei stehen mehr oder minder konventionelle Geschäfts‐modell zwischenzeitlich ganz neunen Ansätzen gegenüber. Klar wird aber auch, dass die Ansich‐ten der etablierten Unternehmen der GeoIT‐Branche wie etwa „Server und App sind das non‐plus‐ultra“ oder „GPS ist besser als Smartphone“ nicht gehalten werden können. Denn junge, agile Unternehmen zeigen, dass moderne Ansätze zu ganz neunen Ergebnissen führen. Drei solcher Beispiele sollen exemplarisch dargestellt werden.
5.1 Gamification – Endkundengeschäft mit MapCase Eine wesentliche Änderung an den Geschäftsmodellen im Bereich der GeoIT nehmen aktuell junge Unternehmen vor. Anders als etablierte GeoIT‐Unternehmen treten sie mit ihren Ange‐boten direkt an den Endkunden heran. Das funktioniert über Apps hervorragend, wenn man letztlich ein von der Destination mehr oder weniger unabhängiges Angebot kreieren kann, das zudem gewisse spielerische Anreize liefert. Anreize können dabei unterschiedlichster Natur sein. Denn per Definitionem versteht man un‐ter Gamification die Anwendung spieltypischer Elemente in eigentlich spielfremden Kontext7. Dabei lassen sich Outdoor‐Aktivitäten in der Kombination mit moderner GeoIT, wie sie oben beschrieben wurde, hervorragend mit Spiele‐Elementen verbinden. Auf der TourNatur 2014
7 Als Gamification oder Gamifizierung (seltener auch Gamifikation oder Spielifizierung bzw. Spielifikation) be‐zeichnet man die Anwendung spieltypischer Elemente und Prozesse in spielfremdem Kontext. Zu diesen spieltypi‐schen Elementen gehören unter anderem Erfahrungspunkte, Highscores, Fortschrittsbalken, Ranglisten, virtuelle Güter oder Auszeichnungen. Durch die Integration dieser spielerischen Elemente soll im Wesentlichen eine Moti‐vationssteigerung der Personen erreicht werden, die ansonsten wenig herausfordernde, als zu monoton empfun‐dene oder zu komplexe Aufgaben erfüllen müssen. Erste Datenanalysen von gamifizierten Anwendungen zeigen teilweise signifikante Verbesserungen in Bereichen wie Benutzermotivation, Lernerfolg, Kundenbindung, ROI oder Datenqualität. [8].
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wurden solche Ansätze von drei Unternehmen aufgezeigt, die in der Folge exemplarisch darge‐stellt werden. Die MapCase GmbH aus Mainz setzt vollständig auf den Trend und verbindet direkte Kunden‐ansprache mit einem Geschäftsmodell, von dem weitere Unternehmen profitieren. Gegenüber dem Endkunden Outdoor‐Sportler, wird der Sport mit einem Spiel, viel mobiler Interaktion und insbesondere mit einer Belohnung verbunden: „Sport, Spiel, Interaktion & Belohnung. Durch Gamification und die spielerische Interaktion wird der Fun‐Faktor beim Outdoor‐Sport noch erhöht. Der User profitiert zudem durch die Belohnung für seine erbrachten Leistungen und davon profitieren wiederrum die Unternehmen.“ (Quelle: MapCase‐Homepage [9]). Das Geschäftsmodell basiert auf dem Zugang anderer Unternehmen zu den Endkunden, den MapCase über eine sog. „Interaktionsmarketingplattform“ realisiert. Gamification von Outdoor‐Aktivitäten wird daher in der Kombination mit location‐based Services zu Marketingzwecken genutzt. Der Ansatz wird auf der Unternehmens‐Homepage [9] wie folgt beworben: „Durch unseren Ansatz der Gamification motivieren wir die User zu mehr Bewegung. Mit unse‐ren Produkten begleiten wir die User an die schönsten Orte dieser Welt. Genau hier, vor Ort, entsteht unsere hocheffektive Interaktionsmarketingplattform. Werbung zur richtigen Zeit, am richtigen Ort und mit hohem Wirkungsgrad, eben genau zu dem Zeitpunkt, wenn der User vor Ort und emotional verfügbar ist.“ (Quelle: MapCase‐Homepage [9]). Adressiert werden aktuell Skifahrer (Produkt: MAPTOSNOW), Radfahrer / Mountainbiker (Pro‐dukt: MAPTOBIKE) und Wanderer (Produkt: MAPTOHIKE). Der Outdoor‐Aktive lässt sich bei seinen Aktivitäten tracken. Berechnet werden dabei etwa Maximalgeschwindigkeit, zurückge‐legte Kilometer oder Höhenunterschiede. Die Belohnung besteht aus Pins, die einmal virtuell, aber auch analog vergeben werden. Man unterscheidet zwischen Action Pins, die durch die genannten Leistungen zu erwerben sind oder Location Pins, die man erhält, wenn man gewisse Orte ansteuert oder bestimmte Routen nutzt. Im Endergebnis stehen Scores, die man in Cou‐pons für Gutscheine, Geschenke und Rabatte von Marken oder Destinationen eintauschen kann. Hier liegt letztlich der Belohn‐Faktor, der exakt dem location‐based Marketing entspricht, auf dem das Geschäftsmodell basiert. Um diesen Prozess der Kundenbindung noch zu unterstützen, erhält der Sportler zunächst ein‐mal Karten, auf denen seine Leistungen (etwa Routen) verzeichnet sind. Hiermit bekommt er
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einen Überblick, wo er sich gerade aufhält und wo er schon gefahren / gewandert ist. En pas‐sant enthalten diese Karten zudem die Destinationen und Geschäfte per POI, an denen die Coupons und Gutscheine einzulösen sind.
Abbildung 5: Flyer zum Spiel #SummerHERO 14 der Firma MapCase GmbH (Quelle: TourNatur 2014, Messestand; weitere Informationen unter [10]) Zur Kundenbindung trägt zudem der gesamte Auftritt des Unternehmens bei, der den Commu‐nity‐Gedanken unmittelbar umsetzt. Nicht nur, dass man unter Sportlern mit vergleichbaren Ambitionen ist, sondern man teilt einerseits seine Erfolge über die Votings, kann andererseits seine Erlebnisse mitteilen. Hierfür gibt es etwa Bildergalerien, auf die man die schönsten An‐sichten einer Strecke posten kann. Die Community bezeichnet ihre Abenteuer etwa mit „2.250 m Vertical Chronicle“ oder „24 h Hike Endurance“. Die Sprache signalisiert Abenteuer in den letzten Winkeln der Welt, der Austragungsort befindet sich aber in den beiden zitierten Fällen im Rhein‐Sieg‐Kreis [10].
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5.2 Gewusst wo! Nutze Deinen Standort – Let’s Geo Ebenfalls auf GeoIT basierend, setzt auch die Personal GPS Solutions GmbH aus Freilassing auf Outdoor‐Aktivitäten in Verbindung von Spiele‐Elementen und Belohnung in Form individueller Gewinncodes. Das junge Unternehmen wirbt mit Navigation für Sport, Outdoor sowie Touris‐mus und lehnt sich dabei stark an das Geocaching an, das bereits in der Initialstudie beschrie‐ben wurde. Eine Tour funktioniert in dieser als „Schnitzeljagd 3.0“ beschriebenen Aktivität ähn‐lich wie ein Multi‐Cache, indem man über die Lösung spezieller Aufgaben die Koordinaten (oder Hinweise) der nächsten Station erhält ([11], vgl. Abbildung 6). Anders als beim klassischen Geo‐caching, das aus einer freiwillig agierenden Community hervorgegangen ist, findet sich im letz‐ten Cache nicht ein „Schatz“ zum Austauschen, sondern ein Gewinncode, der wiederum wie bei MapCase die Verbindung zur Destination oder lokalen Shops herstellt (vgl. Abbildung 6). Hier liegt laut Personal GPS Solutions der Vorteil für Destinationen und Unternehmen, da ein persönlicher Kontakt zum Endkunden resultiert. Zudem baut das Unternehmen einen Kunden‐verbund auf, in dem ein modernes und vernetztes Marketing basierend auf der Smartphone‐App möglich wird. Allerdings agiert das Unternehmen daher stärker mit den Destinationen/Unternehmen als MapCase, da die Touren lokal mit entsprechendem Aufwand erstellt und an den Kunden ange‐passt werden müssen. Insofern ist das Marketing für die App gleichzeitig Marketing für eine Destination, wie etwa in Abbildung 7 für die Destination Grassau/Chiemgau ersichtlich. Aber auch Unternehmen können direkt Kunde von Let’s Geo werden. Das Unternehmen bietet sowohl Team‐Bildungsmaßnahmen als auch Incentive‐Touren an. Diese werden speziell am Tagungsort erstellt, so dass bis zu 150 Personen beispielsweise in den „Krimi Cache“ oder den „Mystery Cache“ abtauchen können [12].
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Abbildung 6: Let's Geo‐Flyer der Firma Personal GPS Solutions GmbH. (Quelle: TourNatur 2014, Messe‐stand; weitere Informationen unter [11])
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Abbildung 7: Flyer der Personal GPS Solutions GmbH zur Foxy Tour in Grassau/Chiemgau (Quelle: TourNatur 2014, Messestand; weitere Informationen unter [11]). 5.3 Stadt‐ und Regionalmarketing: Werde zum Platzhirsch Ebenfalls stärker an eine Destination gebunden, ist die Platzhirsch‐App. Sie stellt ein Beispiel für den Übergang vom reinen Tourismus in das Regional‐ oder Stadtmarketing dar. In dem vom Land NRW geförderte Projekt steht die Entwicklung einer universellen Datenstruktur und die Generierung und Vermarktung mobiler Stadtführer‐Apps im Vordergrund. Erstellt wurde sie in einem Konsortium aus dem Kreis Warendorf8, der PSV Marketing GmbH, der Fachhochschule Münster und dem Unternehmen EFTAS Fernerkundung Technologietransfer GmbH.
Für die Datengrundlage spielt neben Geobasis‐ und Fachdaten auch die Community eine wich‐tige Rolle: Registrierte Nutzer können per App im gewählten Revier nach bereits vorhandenen Points of Interest suchen und diese auch bewerten oder neue Tipps hinzufügen. Für ihre Aktivi‐täten werden die Anwender über ein Ranking‐System belohnt. Anders als bei MapCase und Let’s Geo mündet das Ranking allerdings nicht in ein Coupon‐System, das den direkten Kontakt
8 Der Projektpartner Kreis Warendorf agiert als Pilotanwender und bestimmt die Dateninfrastruktur und das Be‐dienkonzept mit.
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zur Destination oder Anbietern in der Destination ermöglicht. Anfänger starten als Kitz und können bis zum Platzhirsch aufsteigen, wenn sie interessante Orte markieren und bewerten.
Letztlich geht es dem Kreis Warendorf um eine Möglichkeit, jegliche Art von regionalem Con‐tent möglichst aktuell zu halten und zudem weit zu verbreiten. Die Idee ist dabei eine Kombina‐tion aus Gamification und Crowdsourcing. Der Ansatz soll funktionieren, „…weil Bürger und Be‐sucher sich aktiv einbringen können und sich dabei durch gute Beiträge eine Vorreiterrolle für ‚ihr‘ Gebiet erarbeiten können.“ (Quelle: Platzhirsch‐Homepage [13]). Diese Vorreiterrolle wird durch Scores signalisiert und je nach Erreichen eines gewissen Levels arbeitet sich ein Nutzer durch gute Hinweise, Geheimtipps und Aktivität in der Crowd vom Rehkitz zum Platzhirsch vor (vgl. Abbildung 8).
Um die Nutzer zu „aktivieren“, ist die Ansprache direkt: „Zeig uns Dein Revier!“ – „Ich markiere, also ist es!“ – „Werde zum Platzhirsch!“ sind einige Formulierungen, die auf der Projekt‐Homepage zu finden sind [14].
Technologisch besteht der Platzhirsch aus folgenden Komponenten:
• Universelle Datenstruktur zur Erhebung, Aufbereitung und Aktualisierung von kommunalen und freien Geobasis‐ und Fachdaten
• Bereitstellung eines Daten‐Backend für Informationsvermittlung und Routenberechnung • Generator für die automatisierte Erzeugung von Apps inklusive der gesammelten Daten • Mobile Stadtführer‐App für den Kreis Warendorf als Pilot • Vermarktungsplattform für die mobilen Anwendungen zum effektiven Stadtmarketing
Die Platzhirsch‐App ermöglicht auch kleineren Städten und ländlichen Gebieten, mit über‐schaubaren Kosten seinen Besuchern einen mobilen Stadt‐ oder Regionsführer für Smartphones an die Hand zu geben. Im ersten Schritt werden die in den Kommunen vorliegen‐den Geobasis‐ und Fachdaten über die universelle Datenstruktur mit wenig Aufwand für die Apps bereitgestellt. Nahezu per Knopfdruck kann anschließend eine generische Reise‐Anwendung für Smartphones erstellt werden, die im Rahmen des Stadtmarketing für touristi‐sche Werbung und PR genutzt werden kann.
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Abbildung 8: Das Belohnsystem in der Platzhirsch‐App
Abbildung 9: Der Platzhirsch‐Auftritt ist unaufgeregt aber markant.
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6 Back to the roots: Die klassischen Medien
Neben Online‐Services und Apps spielen nach wie vor die klassischen Medien eine wichtige Rolle. Diese Erkenntnis kann den Aussagen der Touristiker eindeutig entnommen werden (vgl. Kapitel 4.1.4). Zudem gibt es erheblich bessere Finanzierungsmöglichkeiten.
Ein Beispiel für solche analogen Medien sind die Karten der Tourismuszentralen. Diese sind meist werbefinanziert und enthalten Straßenkarten mit POI, sind also speziell für die Bedürfnis‐se von Besuchern aufbereitet. Im Angebot des GeoIT‐Dienstleisters MOSKITO‐GIS GmbH findet sich ein entsprechendes Produkt, um solche Karten herzustellen [15]. OpenStreetMap dient hier als Datengrundlage. Die Karten werden mit dem GIS‐Produkt des Unternehmens aufberei‐tet, wobei insbesondere die POI selektiert und grafisch hervorgehoben werden. Daneben kann automatisch ein Straßenindex erzeugt werden.
Die Verzahnung von Anzeigen und Karte kann dadurch erhöht werden, dass die POI mit Num‐mern versehen werden, die wiederum in den Anzeigen als Referenz erscheinen.
Abbildung 10: Beispielkarte aus OpenStreetMap
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Schon die OSM‐Standardkarte enthält zahlreiche POI wie z.B. Restaurants, Hotels oder Sehens‐würdigkeiten. Diese sind jedoch abhängig von der Aktualität und Genauigkeit der OSM‐Daten und können in den jeweiligen Regionen leicht variieren. Auf Anforderung aus der Kommune können weitere POI eingepflegt werden. Auch eigenen Ergänzungen seitens Kunden sind durch ein Backend realisierbar. Da die Grundlagendaten aus dem OSM‐Projekt stammen, entstehen keine weiteren Kosten wie etwa Lizenzgebühren.
Zusätzlich können Legenden und Straßenverzeichnisse erzeugt werden. Über die Karten wird ein Gitternetz gelegt. Nordpfeile und Maßstabsbalken stehen in verschiedenen Ausführungen zur Verfügung.
7 Was stimmt? Was stimmt nicht? Bewertung der Ausgangsthesen
In der Initialstudie wurden nach der Marktanalyse Thesen aus Sicht der GeoIT‐Branche formu‐liert und einer vorläufigen Bewertung unterzogen (vgl. Bernsdorf, B. 2013, S. 81 ff.). Diese The‐sen wurden seitens der Tourismus‐Berater aufgegriffen und aus Sicht der Tourismus‐Industrie bewertet. Die folgenden Ausführungen entsprechen der Ausarbeitung in Rast, Ch. (2014/1) und werden um eigene Gedanken ergänzt.
Letztere werden in einer abgesetzten Schriftart formuliert, um sie von den Gedanken Rasts unterscheiden zu können.
Die meisten der neun Thesen können nach Rast, Ch. (2014/1) überwiegend bestätigt werden. Änderungsbedarf bei der Formulierung der Thesen bzw. Modifizierungen bei den dazu in der Studie vorgenommen Bewertungen aus tourismusfachlicher Sicht werden nach Nennung der These vorgenommen:
• These 1: Tourismus und Touristik haben einen starken Bezug zu Geoinformationen. Es lässt sich aber vermuten, dass die Begrifflichkeiten und der Umgang mit dem Thema eher eine unterge‐ordnete Rolle spielen.
Diese These stimmt, wenngleich der zweite Teil für die Anwendung im Tourismus kein Problem darstellt. Mit Zunahme von Produkten mit Problemlösungskompetenz und hohem Kundennut‐zen werden sich vorhandene oder neue Begrifflichkeiten mit Geoinformationsbezug finden und der Umgang alltäglich werden.
Für die GeoIT handelt es sich daher eher um eine Chance, dass „Geo“ nicht so sehr im Fokus steht. Es geht vielmehr darum, einen Kundennutzen zu produzie-ren, als die Fachbegriffe einer Branche jeweils wiederzufinden. Im Klartext: Touristikern und Endkunden ist es egal, ob die Karte über einen WMS ausgelie-
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fert wird. Wesentlich ist es, die passgenaue Rauminformation exakt in der richti-gen Situation zu liefern. Dadurch ergibt sich eine erheblich breitere Einsatzmög-lichkeit für GeoIT.
• These 2: Konkrete touristische Angebote, in denen der Umgang mit Geodaten und Systemen eine Rolle spielt, sind ein Trend, der eher der Jugend als dem Durchschnitts‐Touristen angeboten wird.
Diese These ist aus verschiedensten Gründen nicht zu halten. Als Beispiel mag die mittlerweile hohe Dichte an Smartphones, Tablets etc. in der Bevölkerung genügen. Die Nutzung von GPS‐Daten bei Radtouren/‐reisen ist mittlerweile auch für die Zielgruppe „50+“ eine Selbstverständ‐lichkeit. Die Nutzung dürfte eher vom Lebensstil als vom Alter abhängen, wie aktuelle Marktfor‐schungsstudien zeigen.
Wie in Kapitel 3.2.5 dargestellt, ist die simple Zuordnung basierend auf Demo-graphie erheblich zu kurz gesprungen. Eher sind Lebensstil, Sichtweisen und Einstellungen für die Nutzung der GeoIT entscheidend. Hier hat die Branche ei-nen erheblichen Nachholbedarf, um neue Wege zu erkennen und ihre eher klas-sisch gehaltenen Produkte anzupassen. Auch ist es heute unbedingt notwendig, die Zielgruppe der Touristiker ggf. zu „überspringen“ und unmittelbar an den Endkundenmarkt heranzutreten. Das zeigen Beispiele wie Let’s Geo, MapCase und Platzhirsch (vgl. Kapitel 5.1).
• These 3: Die Möglichkeiten von Web 2.0 und Social Media können auf Anbieterseite vielfach nicht genutzt werden, da die technischen Voraussetzungen nicht gegeben sind.
Dieser These kann für den Tourismus zugestimmt werden und sie ist typisch für eine kleinteilig organisierte Branche, die technischen Neuerungen und damit verbundenen Investitionsbedarfen zunächst skeptisch gegenüber steht.
Da insbesondere junge Unternehmen mit innovativen Ansätzen die Möglichkei-ten von Social Media und Web 2.0 nutzen, bedeutet das sowohl für die Touristiker als auch für die GeoIT-Branche, dass sich ein paralleler Markt entwi-ckelt, der unmittelbar an die Endkunden heran tritt. Besonders die in dieser Stu-die dargelegten Gaming-Ansätze belegen, dass Outdoor-Aktivitäten dadurch ei-ne neue Qualität bekommen und sich ein Markt parallel zum klassischen Touris-mus entwickelt. Eine ähnliche Entwicklung hat sich in den 2000er Jahren im GPS-Umfeld mit Aktivitäten wie Geocaching vollzogen. Auch hier haben Touristiker erst sehr spät die Möglichkeiten erkannt und versucht, sich in eine bestehende Community zu integrieren. Mit mäßigem Erfolg. Auch in der GeoIT-
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Branche lässt sich das sehr gut erkennen. Außer dem Unternehmen Garmin, das bereits sehr früh Geocaching als eine Option in den GPS-Geräten integriert hat, hat die Branche spät bis gar nicht reagiert. Aufgegriffen wurde das Thema erst wieder über diverse App-Anbieter, seit Smartphones in der Lage sind, GPS-Signale zu empfangen.
• These 4: Ein Tourist ist auf Geoinformationen angewiesen, weil er seinen Lebensmittelpunkt ver‐lässt.
Diese These kann im Kern bestätigt werden, wobei sie wie folgt umformuliert werden sollte: „Ein Tourist ist auf Orientierung angewiesen, weil er sein Lebensumfeld verlässt.“ Dabei ist zu bedenken, dass der Grad der Hilfestellung und somit der Nutzen eingesetzter Geoinformation von einer Vielzahl von Faktoren abhängt, z.B. Kenntnis des Reiseziels, Reiseerfahrung, Reiseart.
Für die GeoIT-Branche ist das eine wesentliche Erkenntnis. Denn nicht jeder Tourist braucht „das volle Programm“ an GeoIT. Sondern GeoIT muss mit dem Ziel der besseren Orientierung dezent in den touristischen Alltag integriert wer-den, um passgenau die Bedürfnisse zu befriedigen. Daher muss die Branche sich ebenfalls neu orientieren und ggf. stärker in den Hintergrund treten. Es muss nicht immer die Karten-zentrierte Weltsicht sein, sondern Geoinformation kann als inhärenter Bestandteil einer Information ergänzt werden.
• These 5: Es gibt unterschiedliche Sichtweisen in der Geoinformationswirtschaft und der Touris‐musbranche. Erstere ist angebotsgetrieben und will innovative Hochtechnologie platzieren, letz‐tere benötigt einfachste Informationssysteme, die intuitiv bedient werden können.
Diese These kann im Kern bestätigt werden, wobei im Tourismus je nach Einsatzzweck und an‐zusprechenden Zielgruppen auch komplexere Informationssysteme Anwendung finden können. Es kommt auf die intuitive, zielgruppenadäquate Bedienungsfreundlichkeit an.
Geo-Anwendungen können - am richtigen Ort eingesetzt – also durchaus auch auf der Nutzerseite vielfältige Funktionalitäten bereitstellen. Dies wurde in der Ini-tialstudie beispielsweise für Flughafen-Informationssysteme dargelegt. Auf der Endnutzerseite spricht allerdings Vieles dagegen, Expertenwissen voraus zu set-zen, um eine möglichst zielgruppen-spezifische, einfach zu nutzende Anwen-dung anzubieten.
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• These 6: Die Geoinformationswirtschaft hat in den letzten Jahren einen erheblichen Innovations‐schub erfahren und kann Prozesse der Tourismusbranche hervorragend unterstützen. Aufgrund der Tatsache, dass sich offensichtlich aber genügend Kunden für Geoinformation in Tourismus und Touristik ohne GeoIT werben lassen, werden die Investitionen in neue Technologien nur von wenigen Leistungserbringern getätigt.
Der erste Satz der These kann bestätigt werden, der zweite Satz sollte wegfallen. Potenzielle Touristen/Reisende gehen davon aus, dass Destinationen sinnvolle Geoinformationsanwendun‐gen für Sie kostenlos bereitstellen. Für den verstärkten Einsatz von Geoinformationstechnologie im Tourismus müssen den Destinationen konkrete Kundennutzen und Mehrwerte für ihre Kun‐den aufgezeigt werden, z.B. Erhöhung der Aufenthaltsdauer, zusätzlicher Wertschöpfungsmög‐lichkeiten, bessere Erreichbarkeit. Für dieses Produkt‐ und Vorteilsdenken ist genaueste Ziel‐gruppenkenntnis gefragt.
Wiederum eine zentrale Botschaft an die GeoIT-Wirtschaft. Denn nicht die Unter-stützung des Geschäftsprozesses, sondern die Vorteile für die unterschiedlich aufgestellten Endkunden führen dazu, dass Kundenzufriedenheit wächst und damit eine höhere Verweildauer und bessere Kundenansprache zu wirtschaftli-chen Erfolgen führen. In vielen Fällen ist nicht das „me too“-Denken der Touristiker entscheidend für die Überlegung ebenfalls eine App resp. generell GeoIT einzusetzen, sondern die Tatsache, dass sich damit Kunden ihren Le-bensgewohnheiten entsprechend angesprochen fühlen und sich letztlich mehr Umsatz generieren lässt.
• These 7: Komplexe GeoIT‐Systeme, die zudem teure Grundlagendaten und immer aktuelle Fach‐informationen benötigen, werden für Prozesse im Bereich der touristischen Endkunden‐Anwendungen entwickelt, in denen ein Ausfall des Teilprozesses Geoinformation kaum eine Rolle spielt!
und
• These 8: Zudem gibt es mit den Earth Viewern kostenfrei verfügbare Systeme, die über Wikipedia und Crowdsourcing viele Fachinformationen und Medien wie Texte, Bilder, Audios und Videos be‐reitstellen.
Beide Thesen können bestätigt werden, wobei zu präzisieren ist, dass hier die geringe Zielgrup‐pen‐ und Produktorientierung der Studie ganz offensichtlich wird. Es wird aus Sicht der grund‐sätzlichen Anwendungsmöglichkeiten argumentiert, nicht aus Sicht der Nutzer bzw. Kunden. Bei stärkerer Betrachtung der Zielgruppenbedürfnisse wird zweierlei deutlich: Anscheinend wird an‐gebotsseitig mit ‚Kanonenkugeln auf Spatzen geschossen‘ und nachfrageseitig das Potenzial des
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‚ehrenamtlichen Engagements‘ in qualitativer und quantitativer Hinsicht zumindest teilweise un‐terschätzt.
Daraus lässt sich schließen, dass Konzepte zur Integration des „ehrenamtlichen Engagements“ entwickelt werden müssen, die exakt auf die Bedürfnisse des Tourismus zugeschnitten sind. Denn die Frage ist, warum Crowdsourcing funkti-oniert? Offensichtlich ist die Zielgruppe der Crowdsourcer an der Integration in die Produktentwicklung interessiert und findet dabei im Rahmen ihrer – durchaus hohen - Kompetenz erhebliche Befriedigung darin, an einer Datenbasis oder ei-ner Softwarebasis für touristische Fragestellungen mitzuwirken. Die GeoIT-Branche ist demnach aufgerufen, dieses Lebensgefühl resp. die Einstellung zur „Arbeit“ zu analysieren und Werkzeuge zu entwickeln, die diese Ambitionen un-terstützt.
• These 9: Darüber hinaus gibt es einen großen und etablierten Markt an analogen Alternativen (Karten, Reiseführer), die zudem unabhängig von Stromversorgung und Mobilfunkabdeckung sind.
Diese These stimmt überwiegend, wobei zwei Aspekte zu bedenken sind. Zum einen wurden analoge Geoinformationsmedien immer nur von einem kleinen Teil der Reisenden genutzt. Zum anderen kommt es zu einer immer stärkeren Verknüpfung analoger und digitaler Medien (z.B. durch QR‐Codes), die sich ergänzen.
Als Herausforderung lässt sich ableiten, beide Welten sinnvoll und integriert mit-einander zu verknüpfen. Denn die Anforderung an eine Topographische Über-sichtskarte ist eine andere, als an die Rauminformation auf kleinen Displays. Ei-ne simple Navigation lässt sich erheblich besser auf einem mobilen Endgerät durchführen, als die Planung einer komplexen Strecke, bei der diverse Alternati-ven unter Berücksichtigung interessensbedingter POI-Besichtigungen analysiert werden müssen. Ist das Ziel also offen, können kleine Displays gegenüber einer Übersichtskarte schnell in den Nachteil geraten.
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8 Quellen
8.1 Literatur‐Quellen BERNSDORF, B. (2013): Geoinformation in Tourismus und Touristik – Der Einsatz von Raumbe‐zug in touristischen Geschäftsprozessen.‐ Online‐Publikation des AIR e.V., Herne, Juni 2013, 98 Seiten.
Rast, Ch. (2014/1): Geoinformation in Tourismus und Touristik – Der Einsatz von Raumbezug in touristischen Geschäftsprozessen.‐ Textliche Stellungnahme zur AIR‐Studie, unveröffentlicht, Köln, 20 Seiten.
Rast, Ch. (2014/2): Geoinformation in Tourismus und Touristik – Der Einsatz von Raumbezug in touristischen Geschäftsprozessen.‐ Präsentation zum AIR‐Workshop vom 03.02.2014, T, unver‐öffentlicht, Köln, 125 Seiten.
8.2 Online‐Quellen: Hinweis:
Die folgenden Internetquellen wurden zwischen September und Dezember 2014 besucht und überprüft. Ein dauerhaftes Fortbestehen kann durch den Herausgeber oder den Autor nicht sichergestellt werden.
[1] BERNSDORF, B. (2013): Studie: Geoinformation in Tourismus und Touristik.‐ Präsentation zum 8. AIR Business‐Frühstück, 11.09.2013, Herne. Download: http://www.air‐ver‐band.de/fileadmin/template/img/Download/Veranstaltungen/8.AIR_BF/ABF_Vorstellung_Studie_Geoinformation_im_Tourismus.pdf
[2] PEREIRA, C. (2013): Naturschutz und Tourismus – Portale und Apps.‐ Präsentation zum 8. AIR Business‐Frühstück, 11.09.2013, Herne. Download: http://www.air‐ver‐band.de/fileadmin/template/img/Download/Veranstaltungen/8.AIR_BF/ABF_EFTAS_Apps_und_Portale.pdf
[3] FROITZHEIM, T. (2013): Gästetouren, POI und die eigene Karte – digitale Daten für kleine und mittlere touristische Regionen?‐ Präsentation zum 8. AIR Business‐Frühstück, 11.09.2013,
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Herne. Download: http://www.air‐ver‐band.de/fileadmin/template/img/Download/Veranstaltungen/8.AIR_BF/ABF_Naviso_digitale_Daten_fuer_touristische_Regionen.pdf
[4] WINDMÜLLER, M. (2013): PLAZA Apps – informative, intuitive und barrierefrei.‐ Präsentati‐on zum 8. AIR Business‐Frühstück, 11.09.2013, Herne. Download: http://www.air‐ver‐band.de/fileadmin/template/img/Download/Veranstaltungen/8.AIR_BF/ABF_GeoMobile_PLAZA_Apps.pdf
[5] TESKE, M. (2014): Rheinaue Erleben – Mit Internetportal, Hörerlebnissen und App die Natur im Kreis Kleve erlebbar gestalten.‐ Präsentation zum 10. AIR Business‐Frühstück, 07.05.2014, Herne. Download: http://www.air‐ver‐band.de/fileadmin/template/img/Download/Veranstaltungen/10.AIR_BF/Rheinaue_erleben_NZ_Kreis_KleveTeske.pdf
[6] TAEGER, S. (2014): Mobile Datenerfassung in Naturschutz und Landschaftsplanung – Hard‐ware, Software und Arbeitsabläufe.‐ Präsentation zum 10. AIR Business‐Frühstück, 07.05.2014, Herne. Download: http://www.air‐verband.de/fileadmin/template/img/Download/Veranstaltungen/10.AIR_BF/Mobile_Datenerfassung_HS_Osnabrueck_Taeger.pdf
[7] DRESSEL, J. (2014): Aus Daten neues Wissen generieren – digitale Insellösungen vermeiden.‐ Präsentation zum 10. AIR Business‐Frühstück, 07.05.2014, Herne. Download: http://www.air‐ver‐band.de/fileadmin/template/img/Download/Veranstaltungen/10.AIR_BF/Inselloesungen_vermeiden_GeoDok_Dressel.pdf
[8] Wikimedia Deutschland ‐ Gesellschaft zur Förderung Freien Wissens e.V. (Hrsg.): wikipedia.de.‐ Stichwort Gamification: http://de.wikipedia.org/wiki/Gamification
[9] MapCase GmbH (Hrsg.): MapCase‐Homepage, Bereich Produkte: http://www.mapcase.de/produkte.html
[10] MapCase GmbH (Hrsg.): Be active. Be a HERO! Das Spiel #SummerHERAO14: http://www.summerhero.de/
[11] Personal GPS Solutions GmbH (Hrsg.): Let’s geo‐Homepage: https://www.gps‐fit.de/letsgeo/home
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[12] Personal GPS Solutions GmbH (Hrsg.): Let’s geo‐Events und Incentives: https://www.gps‐fit.de/letsgeo/events‐incentives
[13] PSV Marketing GmbH (Hrsg.): Platzhirsch‐Homepage: http://www.psv‐marketing.de/project/regionalmarketing‐platzhirsch/
[14] PSV Marketing GmbH (Hrsg.): Projekt‐Homepage Platzhirsch: http://www.platzhirsch‐app.de/de/default/desktop/#p0
[15] MOSKITO GIS GmbH (Hrsg.): Produkt‐Homepage Moskito‐Maps: http://www.moskito‐gis.de/MoskitoMaps_DE