Glück und gutes Leben Glück und gutes Leben in der Antike II

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Glück und gutes Leben

Glück und gutes Leben in der Antike II

Prof. Kirsten MeyerWS 2010/11VL Glück und gutes Leben

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Glück im Hellenismus

• Letzte Vorlesung: Glück bei Platon und Aristoteles

• Glück (eudaimonia) als das höchste Gut oder als das oberste Ziel.

• Heute: Glück im Hellenismus

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Literatur

• Horn, Christoph (1998): Antike Lebenskunst. Glück und Moral von Sokrates bis zu den Neuplatonikern. Beck: München.

• Eine Zusammenstellung von Quellen findet sich bei Hossenfelder, Malte (1996): Antike Glückslehren. Kynismus und Kyrenaismus, Stoa, Epikureismus und Skepsis. Alfred Kröner Verlag: Stuttgart.

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Das stoische Glücksverständnis

• Stoa: Griechische Philosophenschule, um 300 v. Chr. durch Zenon v. Kition gegründet.

• These: Äußere Güter spielen für das Glück keine Rolle.

• Gesundheit, Schönheit, Macht, Ansehen etc. sind keine wirklichen Güter.

• Diese Einsicht sei wesentlich für das Glück.

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Das stoische Glücksverständnis

• Die Tugend ist für die Stoiker das höchste Gut.

• Die Stoiker meinten, dass nur die Tugend gut ist – wer dies einsehe, sei weise.

• Die Tugend sei – unabhängig von den äußeren Umständen oder körperlichen Voraussetzungen – hinreichend für die eudaimonia.

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Tugend als oberstes Ziel

• Wichtig ist es festzuhalten, das die Tugend bei den Stoikern das oberste Ziel oder der oberste Zweck ist.

• Dass, worum es uns letztlich gehen sollte, ist die Tugend.

• Es wird also nicht der (bloß) instrumentelle Wert der Tugend betont.

• Sie ist also nicht Mittel zum Zweck.

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Tugend bei den Stoikern

• Gemeint ist: die zum Habitus gewordene Vernunft.

• Die Vernunft beseitigt die Affekte (die übersteigerten Triebe, deren Ursache falsche Werturteile sind).

• Die Haltung der tugendhaften Persönlichkeit ist auf das Tun des sittlich Guten (kalon) ausgerichtet.

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Ganz anders: Epikur

• „Ich spucke auf das sittlich Gute (kalon) und diejenigen, die es ohne Sinn anstarren, so lange es keine Lust verschafft.“

Epikur bei Athanaeus, Us. 512. (Übersetzung: Horn 1998, S. 206.)

• Die Tugend ist also Mittel zur Erlangung von Lust; nur Lust ist „an sich“ gut.

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Epikur

• Epikur und seine Schule bilden neben der Stoa eine zweite große philosophische Richtung der hellenistischen Zeit.

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Epikur

• geboren 343 vor auf Samos, starb 270 in Athen.

• seine Hauptschriften (etwa 300) sind verloren, erhalten sind aber Briefe und eine Sammlung von 40 Lehrsätzen

• seine Philosophie kann z.B. aus den Schriften von Lukrez rekonstruiert werden

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Lukrez

• Römischer Dichter, geboren zwischen 99 und 94, gestorben 55/53

• Verfasser eines der bedeutendsten Lehrgedichte des Altertums: De rerum naturae (Über die Natur der Dinge)

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Epikur

• Für Epikur ist „die Lust Anfang und Ende eines glückseligen Lebens.“

Brief an Menoikeus

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Gemeinsamkeiten

• 1. Epikureer und Stoiker teilen die Auffassung, das höchste Gut des Menschen sei das Glück.

• 2. Außerdem teilen sie die Ansicht, dass das Glück in unserer Macht liegt.

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Gemeinsamkeiten

• 3. Auch für die Epikureer spielt die Vernunft die Schlüsselrolle zum Erreichen des Glücks.

• 4. Auch bei Epikur korrigiert die Vernunft die Lebensführung durch die Aufdeckung der wahren Güter und die Verwerfung falscher Ziele und führt auf diese Weise zum Glück.

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Unterschied zur Stoa

• Epikurs Glückskonzeption beruht jedoch auf einer anderen theoretischen Basis:

• Die Lust ist das höchste Gut.

• Epikur bestimmt das Glück als Lust.

• Glück sei mit Lust identisch.

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Epikurs Lustbegriff

• Dazu eine Stelle aus dem Brief an Menoikeus:

• „Wenn wir also sagen, Lust sei höchstes Gut, dann meinen wir nicht die Lüste der Prasser und des Genießens, wie einige Unwissende und Andersdenkende oder Missverstehende glauben, sondern das Freisein von körperlichem Schmerz und seelischer Aufregung.“ (Men. 131)

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Interpretation Epikurs Lustbegriff

• Für Epikur besteht das Glück in der ataraxia, ein vom Skeptiker Pyrrhon übernommener Ausdruck, der sich mit „Seelenruhe“ übersetzen lässt.

• Die Stoiker gebrauchen den Ausdruck apatheia, was so viel wie „Leidenschaftslosigkeit“ bedeutet.

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Interpretation

• „Gemeint ist jedesmal dasselbe, nämlich das Freisein von jeglicher Erregung, die Ruhe und Ausgeglichenheit des Gemüts, der vollkommene innere Friede, vergleichbar der „Meeresstille“.“

• Malte Hossenfelder, Epikur, München: Beck 1998, S. 56.

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Interpretatorische Schwierigkeiten

• Das Bild der Meeresstille stammt von Aristipp (ein Schüler des Sokrates, lebte ca. 435-360 v. Chr.)

• Aristipp unterscheidet drei Zustände:

• Schmerz = Sturm auf dem Meer

• Lust = glatter Wellengang mit günstigem Wind

• Weder Schmerz noch Lust = Meeresstille

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Frage

• Was ist bei Epikur nun letztes Ziel:

• Der glatte Wellengang oder die Meersstille?

• Noch einmal die Textstelle: „Wenn wie also sagen, Lust sei höchstes Gut, dann meinen wir […] das Freisein von körperlichem Schmerz und seelischer Aufregung.“

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Interpretation

• Hossenfelders Interpretation:

• Für Epikur ist „Ataraxie“ = „Lust“

• daher auch: „negative Lust“ (Abwesenheit von Unlust)

• Angenommen, diese Interpretation trifft zu.

• Leuchtet das ein?

• Ist Freiheit von Unruhe/Unlust/Schmerz = Lust?

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Probleme der Gleichsetzung

• „Mit einem guten Wein sollte man nicht den Durst löschen.“ Begründung?

• Das Essen und Trinken bereitet Lust, und nicht nur das Sattsein.

• „Hunger ist der beste Koch.“ Mit der steigenden Sättigung nimmt die Lust am Essen offenbar ab.

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Vorteile der Gleichsetzung

• Sie entgeht dem folgenden Einwand:

• Sokrates: „Aber haben nicht die Fieberkranken und mit ähnlichen Übeln Behafteten mehr Durst und Frost, und was sie sonst noch am Leibe zu leiden pflegen, und beständig mehr Bedürfnisse und deshalb auch, wenn diese befriedigt werden, größere Lust? Oder sollen wir nicht sagen, dass das wahr sei?“

• Protarchos: „Allerdings leuchtet das jetzt sehr ein.“

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Sokrates‘ Einwand

• Sokrates: „Wie also? Scheinen wir nun wohl richtig zu sagen, dass, wenn jemand die größte Lust sehen will, er nicht zur Gesundheit, sondern zur Krankheit gehen muss, um sie da zu betrachten?“

• Philebos 45b-c

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Keine interpretatorische Frage

• Epikur wirbt nicht für eine ausschweifende Lebensweise.

• Das verbreitete Vorurteil vom Epikureismus als Huldigung an einen unbeschränkten Sinnengenuss ist eindeutig falsch.

• Epikur wirbt für Selbstgenügsamkeit.

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Selbstgenügsamkeit

• „Auch die Selbstgenügsamkeit halten wir für ein großes Gut, nicht um uns in jedem Fall mit wenigem zu begnügen, sondern damit wir, wenn wir nicht viel haben, uns mit dem wenigen begnügen, in der echten Überzeugung, dass diejenigen den Luxus am lustvollsten genießen, die seiner am wenigsten bedürfen…

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Selbstgenügsamkeit

• … und dass alles Natürliche leicht, das Sinnlose aber schwer zu beschaffen ist. Die schlichten Suppen bereiten die gleiche Lust wie eine Luxuskost, wenn das Schmerzende des Mangels ganz beseitigt wird, und Brot und Wasser verschaffen die höchste Lust, wenn einer sie aus Mangel zu sich nimmt…

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Selbstgenügsamkeit

• … Die Gewöhnung an die einfachen Lebensweisen ohne Luxus trägt zur Gesundheit bei, macht den Menschen zielsicher in den notwendigen Verrichtungen des Lebens, lässt uns in einer besseren Verfassung, wenn wir in Abständen uns dem Luxus zuwenden, und macht uns furchtlos gegenüber dem Zufall…

• Epikur, Brief an Menoikeus, 130/31.

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Glücklich lebt, wer über sein Leben reflektiert

• Epikur baut auf die vernünftige Einsicht – z.B. darin, dass Selbstgenügsamkeit gut für uns ist.

• Die Philosophie könne außerdem einen wichtigen Beitrag zu einem guten Leben leisten, indem sie die Furcht nimmt.

• Z.B. die Furcht vor den Göttern oder die Furcht vor dem Tod.

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Die Furcht vor dem Tod

• Epikur behauptet, der Tod gehe uns nichts an. Ein Argument dafür:

1. So lange wir existieren, ist der Tod nicht da.

2. Wenn der Tod da ist, existieren wir nicht mehr.

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Also geht der Tod uns nichts an.

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Die Furcht vor dem Tod

• Einwand: Wenn der Tod da ist, existieren wir nicht mehr. Da ist genau das, was am Tod so schlimm ist: Er beraubt uns unserer Existenz. Deshalb ist der Tod ein Übel.

• Was könnte Epikur entgegnen?

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Die Furcht vor dem Tod

1. Alles Gute und Schlimme beruht auf der Wahrnehmung.

2. Der Tod ist der Verlust der Wahrnehmung

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Also ist der Tod nichts Schlimmes.

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Die Furcht vor dem Tod

• Möglicher Einwand: Man könnte doch sagen, der Tod ist etwas Schlimmes, weil es jetzt schmerzt, ihn zu erwarten.

• Was entgegnet Epikur?

• Was nicht weh tut, wenn es da ist, das schmerzt in der Erwatung grundlos. (125)

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Fragen

• Ist es schlecht für jemanden, wenn jemand nach seinem Tod schlecht über ihn redet?

• Was würde Epikur dazu sagen?

• Nein, es ist nicht schlecht für ihn. Die Empfindung ist Maßstab jedes Guts.

• Überzeugt Sie Epikurs Argument?

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Weitere Argumente gegen die Furcht vor dem Tod

• Möglicher Einwand gegen Epikur:

• Nach unserem Tod können wir uns über nichts mehr freuen. Der Tod ist also etwas Schlimmes, weil er uns all dieser guten Dinge beraubt.

• Dazu Lukrez: Aber auch die Sehnsucht nach diesen Dingen wohnt nicht mehr in Dir.

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Lukrez

• Einwand: Trotzdem. Wir hätten noch so viel Lust empfinden können.

• Dagegen Lukrez:

• Entweder sind wir schon gesättigt, dann sollen wir nicht noch mehr verlangen, oder wir sind noch nicht gesättigt, dann haben wir offenbar nicht die Fähigkeit dazu.

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Lukrez

• Einwand: Dass es uns irgendwann nicht mehr geben wird, ist einfach eine schlimme Vorstellung. Zu existieren ist immer besser als nicht zu existieren.

• Dazu Lukrez:

• Denk auch zurück, wie wenig die vergangene Zeit der Ewigkeit vor unserer Geburt uns bedeutet.

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Philosophie und Glück

• „Epikur sagte, die Philosophie sei eine Tätigkeit, die durch Argumentation und Diskussion das glückselige Leben verschaffe.“

Sextus Empiricus

(zur Quelle vgl. Hossenfelder 1996, S. 179).

• Überzeugt Sie dieses Lob der Philosophie?

• Und überzeugt Sie die Auszeichnung der Lust (und nur der Lust) als höchstes Gut?

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Ein letztes Problem

• Aber sollten wir wirklich nur nach Lust streben?

• „Jede Freundschaft ist um ihrer selbst willen erstrebenswert, ihren Ursprung aber hat sie vom Nutzen.“ GV 23

• Das klingt nach einem Widerspruch.

GV: Gnomologium Vaticanum Epicureum. Spruchsammlung verschiedener Epikureer.

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Wirkungsgeschichte

• Die von Epikur begründete Schule hat 700 Jahre, bis zum ausgehenden 4. Jahrhundert n. Chr. Bestand gehabt.

• Im Mittelalter war ein äußerst negatives Bild von Epikur bestimmend.

• Erst mit der beginnenden Neuzeit wird Epikur wieder positiv rezipiert.

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Vorbereitung auf die nächste Vorlesung

• Jeremy Bentham: An Introduction to the Principles of Morals and Legislation. Chapter IV.

• John Stuart Mill: Utilitarianism. Chapter 2: What Utilitarianism Is.