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1

Krise, Insolvenzgründe und das Bescheinigungsverfahren nach § 270 b InsO

„Insolvenzrecht und Unternehmenssanierung -Die Beratung des Mandanten in der Krise“

Köln, 07. November 2011

2

Inhaltsübersicht

Krise, Krisenverlauf, Krisenursachen, Krisenfrüherkennung

Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung

Das Bescheinigungsverfahren nach § 270 b InsO als neues Geschäftsfeld für Steuerberater

2

1

3

3

Krise

Definition Krise:

Schwierige Sachlage, die den Höhe- und Wendepunkt einer gefährlichen Situation darstellt.

Krisenprozess:

Schleichender Prozess, deren Ursachen lange Zeit im Verborgenen liegen und nicht rechtzeitig erkannt werden.Krise entwickelt sich idR langsam und tritt nicht unerwartet auf.

1

1.1

4

Krisenverlauf nach IDW S 61

Quelle: Thierhoff/Müller/Illy/Liebscher, Unternehmenssanierung, 2012, S. 448, Rn. 33.

1.2

5

Krisenverlauf1

Stakeholder Krise:

Erste Anzeichen erkennt man, wenn sich im Führungsverhalten der Unternehmensleitung etwas verändert, dadurch Konflikte in der Führungsebene entstehen und diese sich nachhaltig auf das Unternehmen auswirken.

Das Leitbild des Unternehmens wird nicht mehr aufrecht erhalten, der Ansporn und die Leistungsbereitschaft der Belegschaft nehmen ab. Nachlässigkeit breitet sich aus.

1.2

6

Krisenverlauf

Strategische Krise:

Erfolgspotentiale eines Unternehmens sind ernsthaft gefährdet, bereits aufgebraucht oder es wurden keine neuen, langfristigen nutzbaren Erfolgspotentiale geschaffen.

In diesem Stadium erwirtschaftet das Unternehmen noch Gewinne, die Ursachen der Krise bestehen jedoch bereits.Wesentliche Unternehmenspotentiale sind bei der strategischen Krise gestört.

1

1.2

7

Krisenverlauf

Produkt- und Absatzkrise:Diese ist dadurch gekennzeichnet, dass die Nachfrage der Hauptumsatzträger dauerhaft sinkt, die Vorratsbestände steigen und die Produktionskapazitäten nicht ausgelastet sind. Ursachen für eine solche Unternehmenssituation können ein mangelhaftes Marketing- oder Vertriebskonzept, Schwächen im Sortiment oder in der Liefertreue sowie eine fehlerhafte Entwicklung in der Preispolitik sein.

1

1.2

8

Krisenverlauf

Erfolgskrise:

Das Unternehmen hat deutliche Gewinnrückgänge oder erste Verluste zu verzeichnen. Sinkende Jahresergebnisse, eine schrumpfende EK-Quote und damit stärkere Fremdfinanzierung sind sichtbar.

Das Eigenkapital wird sukzessiv aufgezehrt, was eine sinkende Bonität zur Folge hat.

1

1.2

9

10

Krisenverlauf

Liquiditätskrise:

Es werden kontinuierlich Kreditlinien oder eingeräumte Zahlungsziele ausgeschöpft.

In ihrer stärksten Ausprägung wird der gesamte Geschäftsbetrieb zum Stocken gebracht, indem Lieferanten nicht mehr bereit sind zu liefern und die Weiterbelieferung vom Ausgleich fälliger Forderungen oder von Zahlung auf Vorkasse abhängig machen.

1

1.2

11

Krisenverlauf

Insolvenzreife:Aus betriebswirtschaftlicher Sicht und gemäß dem IDW S 6 kann eine Insolvenzreife beseitigt werden, indem bestimmte Maßnahmen zügig eingeleitet werden und zur positiven Fortbestehensprognose des Unternehmens führen können. Fraglich ist der zeitliche Übergang von der betriebswirtschaftlichen in die insolvenzrechtliche Krise?Aus insolvenzrechtlicher Sicht kann ein Insolvenzverfahren erst nach Eintritt der Insolvenztatbestände gemäߧ 17 – 19 InsO eröffnet werden.

1

1.2

12

Krisenverlauf

Die Krisenstadien bauen aufeinander auf. Sinkende Erträge werden meist als temporär auftretend angesehen. Ursachen werden nicht hinterfragt.

Rettungsversuche in Form von Veräußerung nicht betriebsnotwendigen Vermögensgegenständen, da diese nur kurzfristige zu Ertragssteigerungen führen.

Verschlechterte Ertragslage führt zu negativem Cash-Flow, der zu Liquiditätsengpässen führt. Eigenkapitalverbrauch führt zur Liquiditätskrise.

Erfolgt keine Gegensteuerung der Unternehmensleitung ist der Eintritt der Insolvenz wahrscheinlich.

1

1.2

13

Krisenursachen1

Nicht angepasste Kostenstruktur

Fehleinschätzung bei der Geschäftsentwicklung

Schwächen im Produktportfolio u./o. in der Leistungserbringung

Margenerosion

Fehlende Finanzierung

Bilanzierungsfehler

Verluste im Beteiligungsportfolio

Forderungsausfälle

Unterschlagung/Betrug

36%

31%

25%

19%

9%

9%

7%

3%

3%

1.3

14

Krisenursachen

Endogene Krisenursachen:Ursachen der Unternehmenskrise entstehen im Unternehmen selbst.

Exogene Krisenursachen:Einflussfaktoren, auf die Unternehmen keinen oder lediglich

geringen Einfluss haben.

1

1.3

15

Krisenursachen

Krisenursachen der strategischen Krise:- Schrumpfende Märkte- Unklare Markt- oder Produktpositionierung- Mangelhafte Ressourcen (Mitarbeiter/Management, Maschinen und Einrichtung, Know how)

- Fehlentscheidungen der Unternehmensleitung

1

1.3

16

Krisenursachen1

1.3 Beispiel

17

Krisenursachen

Krisenursachen der Erfolgskrise:- Rückläufiger Umsatz- Margendruck- Kostensteigerung

1

1.3

18

Krisenursachen

Krisenursachen Liquiditätskrise:- Überziehung der Kreditlinie- Ausnutzen des Lieferantenziels

1

1.3

19

Krisenfrüherkennung

Strategische Krise:- Verlust der Wettbewerbsfähigkeit- Rückgang der Marktanteile- Häufig auftretende Störungen im Produktionsprozess- Abnahme Lagerumschlagshäufigkeit- Verzögerung bei der Auslieferung von Waren- Negative Berichterstattung in Medien

1

1.4

20

Krisenfrüherkennung

Strategische Krise:- Überalterte/ nicht zeitgerechte Strategie- Fehlenden Unternehmenskultur/Unternehmensleitbilder- Fehlende Selbstkritik „sich in Frage stellen“- Kommunikationsdefizite- Meinungsverschiedenheiten - Offene und verdeckte Konflikte

1

1.4

21

Krisenfrüherkennung

Erfolgskrise:- Verschlechterung der Bilanzkennzahlen- Rückläufige EK-Quote- Steigende FK-Quote- Sinkende Umsatzrentabilität- Reduzierter Deckungsbeitrag umsatzstarker Produkte - Anwendung kreativer Bilanzierungsmethoden

1

1.4

22

Krisenfrüherkennung

Erfolgskrise:- Sale and lease back- Lageraufbau- Rückgang von Neukunden- Veräußerung von nicht betriebsnotwendigen Vermögen- Verschlechterung Cash-Flow- Verstärkte Ausnutzung von Banklinien

1

1.4

23

Krisenfrüherkennung

Liquiditätskrise:- Zahlungsschwierigkeiten/ Zahlungsstockungen- Stundungsabreden- Änderung Zahlungsverhalten ( keine Skontoausnutzung, Zahlungsziele nicht eingehalten)

- Erhöhung Verbindlichkeiten aus LuL- Überziehung der Kreditlinien - Leistungskürzungen (Weihnachts- und Urlaubsgeld)

1

1.4

24

Frühwarnsysteme

Finanzkennzahlen:- Kapitalbindungsdauer/ Kapitalbindung

- Anlagedeckung- Umsatzrentabilität- EK-Quote- Cash-Flow- FK-Quote

1

1.4

25

Krisenfrüherkennung1

1.4 Beispiel

26

FrühwarnsystemeControlling:Der Controller kann mit einem Arzt verglichen werden. Während der Arzt ein langes gesundes Leben seiner Patienten erreichen möchte, arbeitet der Controller für eine dauerhafte positive Unternehmensentwicklung. Arzt wie Controller helfen und unterstützen bei Entscheidungen. Sie bieten oft keine fertigen Lösungen an.

1

1.4

27

Frühwarnsysteme

Controlling:

1

1.4

28

Frühwarnsysteme

Weitere Indikatoren:- Beobachtung der Wettbewerber- Produktentwicklungen- Marktbeobachtungen- Kunden und Lieferanten- Eigene Mitarbeiter

1

1.4

29

Krisenbew ältigung1

Quelle: Thierhoff/Müller/Illy/Liebscher, Unternehmenssanierung, 2012, S. 453, Rn. 61.

1.5

30

Krisenbew ältigung

Leistungswirtschaftliche Sofortmaßnahmen: Einkauf und Beschaffung- Volumenbündelung

- Reduktion Anzahl der Lieferanten- Verbesserung von Einkaufskonditionen

- Einsatz günstigerer Substitutionsmaterialien

- Make or Buy- Erhöhung des Beschaffungsvolumens aus Niedriglohnländern

1

1.5

31

Krisenbew ältigung

Produktion und Logistik- Gesamtwarenbestand reduzieren, Durchlaufzeiten

verringern - Abbau von Zwischenlagern- Just in Time Belieferung bzw. Lagerung beim Lieferanten

durchsetzen- Verbesserung der Maschinen- und Mitarbeiterauslastung- Instandhaltung, Wartung und Reparaturen selbst

durchführen- Inventuraufnahmen

1

1.5 Leistungswirtschaftliche Sofortmaßnahmen:

32

Krisenbew ältigung

Vertrieb und Marketing- Kundenkontakt erhöhen o. verbessern- Kundenkommunikation/ Wiederherstellung des Kundenvertrauens

- Neue Vertriebswege wie bspw. Internet, Outlet Verkauf- Sonderverkäufe hoher Vorratsbestände- Spezielle Vertriebsprogramme (Alt- Neukundengewinnung, produktspezifischer Vertrieb)

- Zielvereinbarungen mit Vertriebsinnen- und Außendienst

1

1.5 Leistungswirtschaftliche Sofortmaßnahmen:

33

Krisenbew ältigung

Finanzen/ Controlling- Mahnwesen ggf. gerichtliche Mahnbescheide

- Factoring- Inkassobüro einsetzen- Integrierte Finanzplanung- Rentabilitätsplanung auf Monats- und Wochenbasis- Vernetzte Warenwirtschaftssysteme vom Einkauf über das

Lager bis zum Versand

1

1.5 Leistungswirtschaftliche Sofortmaßnahmen:

34

Krisenbew ältigung

Personalwesen− Abbau von Überstunden durch bessere Arbeitsaufteilung,

Reduzierung Überstundengehälter− Flexibilisierung der Arbeitszeiten durch Arbeitszeitmodelle

bzw. Anpassung der Arbeitszeit− Festlegung des Urlaubs in auslastungsschwache Monate− Versetzung und Umsetzung nach betrieblichen Bedarf und

Mitarbeiterqualifikation− Aufhebungsverträge (aber: kurzfristig Abfindungen)

1

1.5 Leistungswirtschaftliche Sofortmaßnahmen:

35

Krisenbew ältigung

Eigenkapital- Externe „Investoren“ – Private Equity

- Kapitalerhöhung durch Thesaurierung- Kapitalerhöhung durch Aufnahme neuer Gesellschafter- Kapitalerhöhung durch Erhöhung der Gesellschaftereinlage

1

1.5 Finanzwirtschaftliche Sofortmaßnahmen:

36

Krisenbew ältigung

Finanzwirtschaftliche Sofortmaßnahmen:Fremdkapital- Kredite und Darlehen- Debt-Equity-Swap- Gesellschafterdarlehen

1

1.5

37

Inhaltsübersicht

Krise, Krisenverlauf, Krisenursachen, Krisenfrüherk ennung

Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung

Bescheinigungsverfahren nach § 270 b InsO als neues Geschäftsfeld für Steuerberater

2

1

3

38

2

39

Zahlungsunfähigkeit§ 17 InsO

drohende ZU§ 18 InsO

Überschuldung § 19 InsO

Abs. 2 Satz 1„objektiver Tatbestand“

Zahlungs-pflichten

(§ 194 BGB)

FälligProbl.:Stun-dung;

Stillhal-ten

Obj. unmögl.

Zahlungs-unwilligkeit

Eintritt in den nächsten 12 bis 24 Monaten überwiegend wahrscheinlich (> 50 %)

(Liquiditätsplan grds. erforderlich)

Abs. 2 Satz 2„normativer Tatbestand“

Normativer Zwang des Faktischen

Indizierte Wirkung des Verhaltens

Das Vermögen deckt nicht mehr die Verbindlichkeiten

Bewertung des gesamten

Vermögens zu realistischen

Werten

Aufdeckung aller stillen Reserven möglich

HB hat indizielle

Bedeutung bei Vortrag zu

stillen Reserven

Fortführungsprognose entscheidet über Fortführungs- oder Liquidationswerte

Fortführungsprognose entscheidet über „Sein oder Nichtsein“

Trotz rechnerischen keine insolvenzrechtliche Überschuldung bei positiver Fortführungsprognose nach

FMStG

Übersicht Insolvenzgründe2

40

Wortlaut der Zahlungsunfähigkeit (§ 17 Abs. 2 InsO):

Der Schuldner ist zahlungsunfähig, wenn er nicht in der Lage ist, die fälligen Zahlungspflichten zu erfüllen.

Zahlungsunfähigkeit ist in der Regel anzunehmen, wenn derSchuldner seine Zahlungen eingestellt hat.

2 Zahlungsunfähigkeit

2.1

41

Schlussfolgerung des Wortlauts des § 17 Abs. 2 InsO:

2 Zahlungsunfähigkeit

2.1

- Bereits die kleinsten Liquiditätslücken wirken sich nachteilig aus

- Sämtliche fälligen Verbindlichkeiten müssen bedient werden können

- Betrachtung erfolgt nach Stichtag und nicht nach Zeitraum

42

2

Abgrenzung zur Zahlungsstockung

Kurzfristige Liquiditätsunterdeckung, die zumindest bis auf einen geringfügigen Rest innerhalb der Dreiwochenfrist beseitigt werden kann.

2.2

Zahlungsunfähigkeit

43

Urteil des BGH vom 24.05.2005 (IX ZR 123/04), bestätigt durch weitere Urteile vom 12.10.2006 (IX ZR 228/03), 19. Juli 2007 (IX ZR 123/04), 30. Juni 2011 (IX 134/10), etc.- Regelt Beweislastverteilung- Übernahme/Umsetzung in PS 800 des IDW

Zahlungsunfähigkeit vs. Zahlungsstockung

Zahlungsunfähigkeit Zahlungsstockung

Insolvenzantrags-pflicht Keine Insolvenz-

antragspflicht

2

44

Liqu

iditä

tslü

cke

und

nich

t inn

erha

lb

von

3 W

oche

n zu

bes

eitig

en

<10%

>= 10%

In absehbarer Zeit vollständig beseitigt

In absehbarer Zeit keineVerschlechterung der Lage

d.h. weiter < 10 %

Absehbar, dasssich Lage ver-

schlechtert

Es ist mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit,

dass die Lücke vollständig oder fast vollständig beseitigt wird und den Gläubigern ein

Abwarten zuzumuten ist.

Regelfall

Zahlungsfähigkeit

Zahlungsun fähigkeit soweit dauerhaft d.h. > 3 bzw. 6 Mon.

Zahlungsun fähigkeit

Zahlungsfähigkeit (Frist in Ausnahmefällen 3 bislängstens 6 Monate)

Zahlungsun fähigkeit

2 Zahlungsunfähigkeit vs. Zahlungsstockung

45

Auszug aus dem Urteil:„Beträgt eine innerhalb von drei Wochen nicht zu beseitigende Liquiditätslücke des Schuldners weniger als 10 % seiner fälligen Gesamtverbindlichkeiten, ist regelmäßig von Zahlungsunfähigkeit auszugehen, es sei denn, es ist bereits absehbar, dass die Lücke Demnächst mehr als 10 % erreichen wird.“

„Beträgt die Liquiditätslücke des Schuldners 10 % oder mehr, ist regelmäßig von Zahlungsunfähigkeit auszugehen, sofern nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist, dass die Liquiditätslücke demnächst vollständig oder fast vollständig beseitigt werden wird …….“

2

BGH-Urteil vom 24.05.2005 – IX ZR 123/04

Zahlungsunfähigkeit 2.2

46

BGH-Urteil vom 24.05.2005 – IX ZR 123/04

Schlussfolgerung aus dem o.g. Urteil:

- Entgegen dem Gesetzeswortlaut wirken sich kleinere Liquiditätslücken nicht nachteilig aus

- Mittel zur Schließung der Liquiditätslücke müssen vorhanden sein

- Stichtagsbetrachtung wird um Zeitraumbetrachtung aktualisiert

2 Zahlungsunfähigkeit

2.2

47

BGH-Urteil vom 24.05.2005 – IX ZR 123/04

Problematik des BGH-Urteils:

Eine eindeutige Definition zur Zahlungsunfähigkeit ist nicht enthalten

Regelt Beweislastverteilung:a) bei einer Lücke ≥ als 10 % sind die Organe beweispflichtigb) bei einer Lücke von weniger als 10 % ist der Kläger beweispflichtig

Führt zur retrograden Beurteilung

2 Zahlungsunfähigkeit

2.2

48

Bekräftigt die Ausarbeitung zur Liquiditätslücke und zum 10 % Rahmen

Bedeutung der Zahlungseinstellung neu bestimmt: „die vollständige Einstellung der Zahlungen ist nicht erforderlich, es reicht die Nichtbedienung eines erheblichen Teils der fälligen Verbindlichkeiten“

BGH-Urteil vom 12. Oktober 2006 – IX ZR 228/03

2 Zahlungsunfähigkeit

2.2

49

BGH-Urteil vom 19. Juli 2007 – IX ZB 36/07

- Definiert „Ernsthaftes Einfordern“ von Forderungen- Ein „ernsthaftes Einfordern“ genügt, wenn

a) Rechnung mit Fälligkeitsdatum gestellt wirdb) keine Erklärung vorliegt, die die Fälligkeit ersetzt (z.B.

Stundung)c) Notwendig ist es nicht, dass ein Gläubiger seinen

Zahlungsanspruch regelmäßig oder nur ein einziges Mal wiederholt

d) Mahnungen oder Klagen sind ebenfalls nicht notwendig- Eine Verbindlichkeit ist fällig, wenn eine Gläubigerhandlung

vorliegt, aus der sich der Wille des Gläubigers ergibt, vom Schuldner Erfüllung zu verlangen.

2 Zahlungsunfähigkeit

2.2

50

- Führt nach § 17 II S. 2 InsO idR zur Annahme der Zahlungsunfähigkeit

- Aus Mangel an Zahlungsmitteln hört Schuldner auf, seine fälligen Verbindlichkeiten zu erfüllen und dies ist für die beteiligten Verkehrskreise hinreichend erkennbar geworden.

- Liegt bereits vor, wenn der Schuldner wesentlichen Teil seiner fälligen Zahlungsverpflichtungen nicht bedient.

- Beseitigung durch Zahlungen an Gesamtheit der Gläubiger (auch nach Zahlungseinstellung fällig gewordene Forderungen)

2 Zahlungsunfähigkeit

Abgrenzung zur Zahlungseinstellung2.3

51

BGH-Urteil vom 30. Juni 2011 – IX 134/10

- Feststellung der ZE nicht nur aufgrund der Gegenüberstellung von offenen zu bezahlten Verbindlichkeiten sondern auch durch Indiztatsachen

- Beispiele für Indiztatsachen für ZE:a) jahrelange Nichtzahlung von Sozialversicherungsbeiträgenb) schrittweise Bezahlung von Steuerschuldenc) mehrere laufende Vollstreckungsverfahrend) vereinbarte Ratenzahlungen werden nicht befolgte) Scheckeinlösung aufgrund Deckung nicht möglich

2 Zahlungseinstellung

2.3

52

- Bei Zahlungsunfähigkeit kann bzw. muss die Eröffnungdes Insolvenzverfahrens beantragt werden.

- Bei Insolvenzantragspflicht beantragt Verantwortlicher unverzüglich (ohne schuldhaftes Zögern) die Eröffnung des Insolvenzverfahrens.

- Insolvenzantrag kann auch von Gläubigern gestelltwerden.

2

Vorgehensweise Insolvenzantrag:

Zahlungsunfähigkeit

2.4

53

1. Finanzstatus:

Aus dem Rechnungswesen wird der Status abgeleitet, derdie

- verfügbaren liquiden Finanzmittel und - die fälligen Verbindlichkeiten

inventarmäßig erfasst und gegenüberstellt.

Gläubiger kann Zahlung verlangen auf Grund von:

- Gesetzlicher Bestimmung- Vereinbarung- Einseitiger Parteierklärung- § 271 I BGB: sofortige Fälligkeit, wenn

rechtsgeschäftliche Bestimmung fehlt

2

Grundlangen zur Beurteilung der ZU2.5

Zahlungsunfähigkeit

54

1. Finanzstatus:

Gegenwärtig verfügbare Finanzmittel (flüssige Mittel iSd § 266 II HGB) sind:

- Barmittel- Bankguthaben- Schecks in der Kasse- Freie (vertraglich vereinbarte, ungekündigte)

Kreditlinien

2

Grundlagen zur Beurteilung der ZU

Zahlungsunfähigkeit

2.5

55

2. Finanzplan:

Ergibt sich aus dem Finanzstatus eine Liquiditätslücke, ist die finanzielle Entwicklung in gestaffelten Planungseinheiten in einem Finanzplan für einen bestimmten Prognosezeitraum darzustellen.

Erforderlicher Detaillierungsgrad des Finanzplans ergibt sich aus:

- Größe der Liquiditätslücke - Länge des Planungshorizontes - Schuldnerspezifische Gegebenheiten

2

Grundlagen zur Beurteilung der ZU2.5

Zahlungsunfähigkeit

56

2. Finanzplan:

Aufbau und Inhalt eines Finanzplanes sind:

1. Einzahlungen a) aus laufendem Geschäftsbetriebb) aus Desinvestitionenc) aus Finanzerträgen

2. Auszahlungena) für den laufenden Geschäftsbetriebb) für Investitionenc) im Rahmen des Finanzverkehrs

3. Ermittlung der Über-/Unterdeckung= 1 - 2 + Zahlungsmittelbestand im Prüfungszeitpunkt

4. Ausgleich- und Anpassungsmaßnahmen a) bei Unterdeckung (Einzahlungen)b) bei Überdeckung (Auszahlungen)

5. Zahlungsmittelbestand am Periodenende unter Berücksichtigung der Ausgleichs- und Anpassungsmaßnahmen = 1 – 2 – 4

6. Liquidität in Prozent = 1 / (2 + 4)

2

Grundlagen zur Beurteilung der ZU2.5

Zahlungsunfähigkeit

57

2. Finanzplan:

Der Fortschreibungszeitraum umfasst:

Prognosezeitraum zunächst = 3 Wochen Zahlungsstockung, keine Ausdehnung des Plans Liquiditätslücke nach Planung für Dreiwochenfrist nicht gedeckt Planungsfortschreibung

Planungsfortschreibung „überschaubare“ Zeit: Deckungslücke über 10 %, Zeitraum bis zu 3 Monaten(höchstens 6 Monate)

Planungsfortschreibung „demnächst“: Deckungslücke unter 10 %, Zeitraum bis 12 Monate

2

Grundlagen zur Beurteilung der ZU2.5

Zahlungsunfähigkeit

58

Prüfung erfolgt in 2 Schritten nach IDW PS 800: a) Aufstellung eines Finanzstatus (Liquiditätsstatus) zum

Stichtagb) detaillierter Finanzplan über den Prognosezeitraum

(3 Wochen bis 3 Monate)

Ergebnis: Zahlungsunfähigkeit liegt vor, wenn sich aus demFinanzstatus eine Unterdeckung ergibt und diese nichtinnerhalb von drei Wochen geschlossen werden kann

Prüfung der Zahlungsunfähigkeit nach IDW

2

2.6

Zahlungsunfähigkeit

59

1. Schritt: Liquiditätsstatus

liquide Mittel ≥ liquide Mittel <

fällige Verbindlichkeiten fällige Verbindlichkeiten

(Liquiditätslücke)

zahlungsfähig Prognoserechung

2

Ermittlung der ZU nach IDW2.6

Zahlungsunfähigkeit

60

2. Schritt: Prognoserechnung/Finanzplan

Liquiditätslücke Liquiditätslückewird geschlossen wird nicht geschlossen

≤ 3 Wochen > 3 Monate

Zahlungsstockung Zahlungsunfähigkeit

2

Ermittlung der ZU nach IDW2.6

Zahlungsunfähigkeit

61

1. Schritt Liquiditätsstatus

Aktivseite Passivseite

am Stichtag vorhandene am Stichtag fällige liquide Mittel Verbindlichkeiten

2

Ermittlung der ZU nach IDW2.6

Zahlungsunfähigkeit

62

Liquide Mittel:

- Kassenbestände

- Bankguthaben- Schecks (?)

- Kreditlinien bei Banken

- Ungekündigte / gekündigte Kreditlinien

- Ausgelaufene Kreditlinien

- Kreditlinien im Cash-Pool- Fällige Forderungen der nächsten

drei Wochen?

Nicht:

- Forderungen im Cash-Pool

- Lieferantenkredite

Fällige Verbindlichkeiten: (BGH, Beschl. v. 19.7.07 – IX ZB 6/07)

- Bestehende Schuld

Sonderfall: streitige Verbindlichkeiten

- fällig nach § 271 Abs. 1 BGB

Vertragliche VereinbarungenGesetzliche Regelungen; Verkehrssitte etc.

- „eingefordert“

- i.d.R mit Rechnungsübersendung

- Mahnung, Vollstreckung etc. nicht erforderlich

- Keine Stundung etc. (Beweislast)

- Kein „Erfüllungsverbot“(§§ 30ff. GmbHG)

63

2. Schritt

Prognoserechnung/Finanzplanung

Aktivseite Passivseite

alle Mittelzuflüsse im alle im PrognosezeitraumPrognosezeitraum, fällig werdenden Verbind-Ursache unerheblich lichkeiten (Bugwelle)Nachweisrisiko (!) BGH missverständlich

2

Ermittlung der ZU nach IDW2.6

Zahlungsunfähigkeit

64

Zu welchem früheren Zeitpunkt vor Eröffnung des Insolvenz-verfahrens lag Zahlungsunfähigkeit vor?

Ausgangspunkt:Bestand der fälligen Verbindlichkeiten zum Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens

Damalige Liquiditätslücke von 10 % überschritten:Vermutung der Zahlungsunfähigkeit auf diesen früheren Zeitpunkt, Nachweis der damaligen Finanzplanung

Damalige Liquiditätslücke von 10 % unterschritten:Finanzplanung aus damaliger Sicht

Retrograde Ermittlung der Zahlungsunfähigkeit:

2

2.7

Zahlungsunfähigkeit

65

Definition: Ermittlung einer in der Vergangenheit vorliegendenZahlungsunfähigkeit

∞ to

Anwendungsbereiche z.B.:a) Anfechtungen, §§ 129ff. InsO, § 3 AnfGb) Haftungstatbestände, § 64 Abs. 2 GmbHGc) Strafverfahren, §§ 283ff. StGB

2

Die Retrograde Ermittlung nach BGH 2.7

Zahlungsunfähigkeit

66

Grundsätze der retrograden Ermittlung:a) Leitentscheidung: Urt. v. 12.12.06 – IX ZR 228/03b) Prämissen:

– Finanzstatus nicht unbedingt erforderlich– Prognoserechnung in der Regel obsolet– Ausnahmsweise alternative Methoden zulässig– Indizien, z.B. Zahlungsverhalten, „BGH-Methode“

c) Problem: Kenntnisse des Schuldners zum Stichtag(Nachweis?)

2

Die Retrograde Ermittlung nach BGH 2.7

Zahlungsunfähigkeit

67

Die „BGH-Methode“

Fälligkeiten to

Zeitpunkt derZahlungsunfähigkeit

2

Die Retrograde Ermittlung nach BGH 2.7

Zahlungsunfähigkeit

68

Begriff

• Definition gemäß 18 Abs. 2 InsO:„Der Schuldner droht zahlungsunfähig zu werden, wenn er voraussichtlich nicht in der Lage sein wird, die bestehenden Zahlungspflichten im Zeitpunkt der Fälligkeit zu erfüllen“

• Die Wahrscheinlichkeit für die Nichtzahlung muss höher sein als die Zahlung (im Verhältnis 60:40)

• Rechtlich entstandene Verbindlichkeiten sind auf den Zeitpunkt ihrer Fälligkeit abzubilden-> zukünftige Verbindlichkeiten sind nicht anzusetzen

2

2.8

Drohende Zahlungsunfähigkeit

69

Nach Finanzplanung absehbar, dass die Zahlungsmittel zur Erfüllung der fällig werdenden Zahlungsverpflichtungen nicht mehr ausreichen

Nach § 18 InsO ebenfalls Grund für die Eröffnung des Insolvenzverfahrens

Keine Antragspflicht

Recht des Schuldners, Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu beantragen.

Möglichkeit, frühzeitig Sanierungsmaßnahmen i.R.d.Insolvenzverfahrens einzuleiten.

Grundlagen

2

2.8

Drohende Zahlungsunfähigkeit

70

Gesamte finanzielle Entwicklung des Schuldnerunternehmens in Finanzplan darstellen (ausgehend von der Stichtagsliquidität im Prüfungszeitpunkt)

Prognosezeitraum orientiert sich an der spätesten Fälligkeit einer bereits entstandenen Verbindlichkeit (ggfs. Beschränkung auf laufendes und folgendes Geschäftsjahr)

Prüfung drohender Zahlungsunfähigkeit nach IDW:

2

2.8

Drohende Zahlungsunfähigkeit

71

a) erfolgt nach IDW PS 800 und in 2 Schritten:

1. Aufstellung eines Finanzstatus (Liquiditätsstatus) zum Stichtag

2. detailgetreuer Finanzplan über den Prognosezeitraum

b) Ergebnis: Eine drohende ZU liegt vor, wenn der Finanzstatus zwar eine Unterdeckung ausweist, diese aber im Prognosezeitraum aufgezehrt wird und eine Liquiditätslücke dauerhaft entsteht.

Vorgang der drohenden Zahlungsunfähigkeitsprüfung

2

2.8

Drohende Zahlungsunfähigkeit

72

-

…. was versteht man unter „Überschuldung“?

Unterbilanz:bilanzielles Reinvermögen deckt das Stammkapital nicht mehr

Bilanzielle Überschuldung: EK-Anteile sind durch Verluste aufgezehrt und ein nicht durch EK gedeckter Fehlbetrag (§ 268 Abs. 3 HGB) entsteht

Rechtliche Überschuldung:

(§ 19 Abs. 2 InsO):

bisherige Rechtslage: Vermögen deckt die

bestehenden Verbindlichkeiten nicht mehr

neue Rechtslage: „…es sei denn, die Fort-führung des Unternehmens ist nach den Umständen überwiegend wahrscheinlich.“

2 Überschuldung

2.9

73

§ 19 Abs. 2 InsO: „Überschuldung liegt vor, wenn das Vermögen des Schuldners die bestehenden Verbindlichkeiten nicht mehr deckt, es sei denn, die Fortführung des Unternehmens ist nach den Umständen überwiegend wahrscheinlich.“

Neue Rechtslage (FMStG):

01.0

1.19

99

19.1

0.20

08

01.0

1.20

13

Konkursordnung (KO)

Insolvenzordnung (InsO)

• Zweistufiger modifizierter Überschuldungsbegriff (Karsten Schmidt, BGH)• Keine Überschuldung bei überwiegend wahrscheinlicher positiver Fortbestehensprognose• Überschuldungsstatus nur bei negativer Fortbestehensprognose zu Liquidationswerten erforderlich

• Fortbestehensprognose bestimmt lediglich Bewertungsansatz des Vermögens im Status• Überschuldungsstatus zwingend zur Feststellung der Überschuldung notwendig

Insolvenzordnungi.d.F. des FMStG

2 Überschuldungsbegriff

2.9

74

Integrierte Finanz-, Ertrags- und Bilanzplanung auf Basis „vorläufiges Konzept“

Fortbestehensprognose (idR. laufendes und nächstes Geschäftsjahr)

Überschuldungsstatus zu Liquidations-werten

positiv negativ

Keine Überschuldung

Befristung der Änderung bis 01.01.2013

Negatives ReinvermögenPositives Reinvermögen

ÜberschuldungGgf. drohende Überschuldung

2 Vorgehen Überschuldungsprüfung

2.9

75

Fortbestehensprognose = ZahlungsfähigkeitsprognoseDefinition der Zahlungsunfähigkeit, „... wenn er nicht in der Lage ist, die fälligen Zahlungspflichten zu erfüllen. (§ 17 Abs. 2 Satz 1 InsO; vgl. IDW PS 800)

Prognose erfordert (vgl. IDW FAR 1/1996):• Schlüssiges und realisierbares Unternehmenskonzept• Objektiv sachgerecht angelegt mit objektiv zureichenden

Mitteln (BGH, NJW 1997, 1561ff.; NJW 1998 1999, 645ff.) • Darauf aufbauende integrierte Ertrags-, Finanz- und

Vermögensplanung• Detallierungsgrad abhängig vom Planungszeitraum

2

2.9

Überschuldung

76

Prognosezeitraum

2

• IDW FAR 1/1996: „laufendes und nachfolgendes Geschäftsjahr (h.M)

• IDW PS 800: sechs Monate für Zahlungsfähigkeit

• K. Schmidt: „Die Prognose muss vielmehr so aussehen, dass auch noch Ablauf dieser mittelfristigen Phase die Überlebensprognose gegeben ist.“in: Der Betrieb 2008, Heft 45, S. 2467

• OLG Naumburg (ZInsO 2004, 512ff.) : ein bis zwei Jahre

• AG Hamburg (Beschluss vom 02.12.2011; Az. 67c IN 421/11): „von bis zu zwei Jahren“

• Drukarczyk (MünchKommInsO, § 9 Rdn. 80) zwei Jahre

• Aber: nur Richtwert, abhängig von Branche, entscheidend betriebswirtschaftlich überschaubarer Zeitraum!

2.9

Überschuldung

77

Beseitigung der Überschuldung, OLG Schleswig, Urt. v. 19. 10. 2000 - 5 U 138/99, NZG 2001, 273 (274):„Bei dieser Sachlage wäre es Angelegenheit des Kl. gewesen, im Einzelnen Tatsachen vorzutragen, die eine positive Fortsetzungsprognose ausmachen. Eine solche ist zu stellen, wenn ein Unternehmen voraussichtlich in der Lage sein wird, wieder rentabel zu arbeiten und auf Grund dessen in absehbarer Zeit, d.h. im laufenden oder im nächsten Geschäftsjahr, die Überschuldung zu beseitigen.“

Zukünftige Forderung der Rspr.: „durchgreifende Sanierung?“

2

2.9

Überschuldung Zustand am Ende des Prognosezeitraums (?)

78

Problem:„alter-neuer Überschuldungsbegriff “Dieser gilt in besonderen Fällen schon vorher, wenn nach Ablauf des Prognosezeitraums mit der Insolvenz zu rechnen ist (vgl. K. Schmidt, ZIP 2009, 1551f.)

Forderungen/Alternativen:• (zumindest) Beibehaltung der gegenwärtigen Rechtslage

(aA.: Ahrendt/Plischkaner, NJW 2009, 954; Wackerbarth, NZI 2009, 145)

• Aufgabe der Überschuldung als Insolvenzgrund• Stattdessen Wrongful-Trading-Vorwurf (?), d.h. „no

reasonable prospect of avoiding insolvent liquidation“

2

2.9

Überschuldung

79

Ausrichtung am Zweck des Status: Feststellung, ob die Verbindlichkeiten der Gesellschaft Bedient werden können

Grundsatz des Ansatzes: Erfasst werden alle Vermögenswerte, die bei einer Insolvenz als Massebestandteile verwertbar sind sowie alle Schulden, die im Falle einer Insolvenz aus der Masse bedient werden müssen

2

Ansatz und Bewertungsmaßstäbe im Überschuldungsstatus

2.9

Überschuldung

80

• Keine handelsrechtliche Ansatz- und Bewertungsvorschriften (maßgebend sind nur die Zeitwerte, jedoch nicht Anschaffungskosten-, Imparitäts-, Realisations- und Vorsichtsprinzip)

• Gliederung ist an den § 266 HGB angelehnt und erfolgt übersichtlich und klar

• Erläuterungen sind unverzichtbar, zwingende Erläuterungen in Bezug auf den Verbot der Überbewertung von Aktiven haben zu erfolgen

• Bewertung nach Verwertbarkeit im Rahmen des Unternehmenskonzeptes

• Beachtung des Stichtagsprinzips

2

Ansatz und Bewertungsmaßstäbe im Überschuldungsstatus

2.9

Überschuldung

81

• IDW: „ Die Vermögenswerte und Schulden sind grundsätzlich mit dem Betrag anzusetzen, der ihnen als Bestandteil des Gesamtkaufpreises des Unternehmens bei konzeptgemäßer Fortführung beizulegen wäre:“

• Aufdeckung von stillen Reserven und Lasten der Aktiva und Passiva

• Ansatz von nicht bilanzierungsfähigen Vermögenswerten, wenn veräußerbar

2

Ansatz und Bewertungsmaßstäbe bei positiver Prognose

2.9

Überschuldung

82

• IDW: „ Die Vermögenswerte und Schulden sind unter Liquidationsgesichtspunkten zu ihren Veräußerungswerten anzusetzen.“

• Ansatz von Liquidationskosten und steuerlichen Lasten

• Veräußerungswerte bestimmen sich nach Liquidationsintensität und –geschwindigkeit

• Keine „Insolvenz-“kosten (z.B.: Sozialplan, Verwaltergebühren, Gerichtskosten)

2

Ansatz und Bewertungsmaßstäbe bei positiver Prognose

2.9

Überschuldung

83

Inhaltsübersicht

Krise, Krisenverlauf, Krisenursachen, Krisenfrüherk ennung

Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung

Bescheinigungsverfahren nach § 270 b InsO als neues Geschäftsfeld für Steuerberater

2

1

3

84

• Der Steuerberater als Insolvenzverwalter

• Wohl die absolute Ausnahme

• Bei einem viel mehr rechtlich als betriebswirtschaftlich geprägten Verfahren.

Wurde 1. Chance verpasst ??

3

3.1

Neues Geschäftsfeld für Steuerberater ?

85

• Der Steuerberater als Fachberater für Sanierung und Insolvenzverwaltung

• Rechtsanwälte haben den Fachanwalt als Qualitätskriterium geschaffen

• Heute ist jeder Rechtsanwalt-Insolvenzverwalter Fachanwalt für Insolvenzrecht

• Die Steuerberater haben diese (1.) Chance vertan

3 Neues Geschäftsfeld für Steuerberater ?

Wurde 1. Chance verpasst ??3.13.1

86

• Der Steuerberater als ständiger Begleiter des mittelständischen Mandanten

• Besondere Aufsichts- und Fürsorgepflicht im Hinblick auf Krisenfrüherkennung

• Intimster Zugriff auf das gesamte Unternehmens-Rechnungswesen

• Klare Regeln im Handelsgesetzbuch z.B. § 252 HGB

3

Wurde 1. Chance verpasst ??3.1

Neues Geschäftsfeld für Steuerberater ?

87

• Aber:– Er sieht nichts (Stichwort: bilanzielle Überschuldung)– Er hört nichts– Er macht nichts

• Und wenn es dann ernst wird (= 12:05 Uhr)– Schickt er seinen Mandanten zum Rechtsanwalt

3

Wurde 1. Chance verpasst ??3.1

Neues Geschäftsfeld für Steuerberater ?

88

Fazit:

Die erste(n) Chance(n) wurden vertan !

3

Wurde 1. Chance verpasst ??3.1

Neues Geschäftsfeld für Steuerberater ?

89

Was kann sie sein ?– Krisenfrüherkennung– Sanierung ohne Insolvenz ist besser als jedes

Schutzschirmverfahren– Steuerberater als Bescheiniger– Steuerberater als Begleiter des Sachwalters

Die 2. Chance !

3 Neues Geschäftsfeld für Steuerberater ?

3.1

90

Das Schutzschirmverfahren

Insolvenzantrag

1. Insolvenzantrag wegen drohender Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung

2. Antrag auf Eigenverwaltung

3. Antrag auf das Schutzschirmverfahren

„Schutzschirm“

1. Frist zur Vorlage eines Insolvenzplanes (Sanierungsplan)

2. max. 3 Monate

3. Eigenverwaltung + Vorl. Sachwalter

4. Vor dem Zugriff der Gläubiger geschützt

3

3.2 Übersicht

91

„[…]mit dem Antrag eine mit Gründen versehene Bescheinigung eines in Insolvenzsachen erfahrenen Steuerberaters, Wirtschaftsprüfers

oder Rechtsanwalts oder einer Person mit vergleichbarer Qualifikation vorzulegen, aus der sich ergibt, dass drohende

Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung, aber keine Zahlungsunfähigkeit vorliegt und die angestrebte Sanierung nicht

offensichtlich aussichtslos ist.“

Bescheinigung nach § 270b InsO

3

3.2

Das Schutzschirmverfahren

92

Bescheinigung nach §270b InsO

Person des „Bescheinigers“ Inhalt der Bescheinigung

• mit Gründen versehen

• Keine Zahlungsunfähigkeit

• Sanierung nicht offensichtlich aussichtslos

• in Insolvenzsachen erfahren

• RA, StB, WP

•vergleichbarer Qualifikation

3

3.2

Das Schutzschirmverfahren

93

Frage der Qualifikation der Person ?a) Nur Berufsträgerb) Gesetzesbegründung versteht unter vergleichbarer

Qualifikationen:• Steuerbevollmächtigte, • vereidigte Buchprüfer und • vergleichbare Qualifikationen aus dem EU-Ausland

c) Unternehmensberater ?

Frage der Insolvenzerfahrung ?Gesetz lässt dies gänzlich offen

Die Person des Bescheinigers

3

3.2

Das Schutzschirmverfahren

94

1. Kenntnisse in folgenden Bereichen zwingend erforderlich:- rechtliche und betriebswirtschaftliche Grundlagen der Sanierung- Erstellung von Sanierungskonzepten (nach IDW S 6)- Grundlagen des Insolvenzrecht- Sanierungsalternativen im Insolvenzverfahren- Grundlagen arbeitsrechtlicher Sanierungsmaßnahmen- Finanzierungsinstrumente in der Krise- Grundlagen der außergerichtlichen Sanierung- Straf- und haftungsrechtliche Aspekte in der Krise- steuerliche Konsequenzen von Sanierungsmaßnehmen

Anforderungen an die Person des Bescheinigers

3

3.2

Das Schutzschirmverfahren

95

2. Erfahrung und Erfolg– Fünf Jahre Berufserfahrung in der Sanierungsberatung– ∅ 75%, der von ihm in den letzten 5 Jahren sanierten

Unternehmen, sind noch mindestens 3 weitere Jahre am Markt geblieben sein.

– ∅ 50 % der Arbeitsplätze erhalten

Anforderungen an die Person des Bescheinigers

3

3.2

Das Schutzschirmverfahren

96

Anhaltspunkte können sein:a) Auflistung entsprechender Mandateb) einschlägige Veröffentlichungen c) Mitgliedschaften in entsprechenden

Fachgremien/Fachausschüssend) Fachanwalt für Insolvenzrecht bzw. bestandener Lehrgangf) zertifizierte Sanierungsberater vieler Berufsorganisationen,

wie z.B.– der Sanierungsberater CMC/BDU des BDU– Fachberater für Sanierung und Insolvenz des DStV e.V.– IFUS Institut für Unternehmenssanierung

Nachweis der Qualifikation

3

3.2

Das Schutzschirmverfahren

97

- Missbrauchsgefahr- Berater kann seine eigenen Fehler vertuschen- Ein Steuerberater darf nicht eigens erstellte Wertansätze

und Wertermittlungen prüfen bzw. beurteilen (Selbstprüfungsverbot)

Darf der bisherige Steuerberater Bescheiniger sein?

3

3.2

Das Schutzschirmverfahren

98

So auch:

AG München, 29.03.2012, 1507 IN 1125/12:

Ein Rechtsanwalt, der gleichzeitig Schuldnervertreter ist, darf nicht Bescheiniger sein.

Ist analog auf den Steuerberater anzuwenden?

Darf der bisherige Steuerberater Bescheiniger sein?

3

3.2

Das Schutzschirmverfahren

99

aber:Kein Berufsträger kennt das Unternehmen besser als derbisherige SteuerberaterEs besteht erheblicher ZeitdruckEs besteht erheblicher Kostendruck

Darf der bisherige Steuerberater Bescheiniger sein?

3

3.2

Das Schutzschirmverfahren

100

Kernelemente der Bescheinigung nach IDW S9:

1. Auftragsbeschreibung2. Abgrenzung der Verantwortlichkeiten3. Grundlage für die Beurteilung des Vorliegens von

Insolvenzgründen4. Grundlage für die Beurteilung, dass die angestrebte

Sanierung nicht offensichtlich aussichtslos ist5. Schlussfolgerung6. Abschließende Hinweise

Inhalt der Bescheinigung

3

3.2

Das Schutzschirmverfahren

101

Nicht offensichtliche Aussichtslosigkeit:

aussichtslos = mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit

offensichtlich = keine umfassende Beurteilung erforderlichdeutlich geringere Anforderungen als IDW S 6

Inhalt der Bescheinigung

3

3.2

Das Schutzschirmverfahren

102

- Sehr geringe Anforderungen an die Beurteilung der offensichtlichen Aussichtslosigkeit einer Sanierung

- Sanierung ist vor allem dann offensichtlich aussichtslos, wenn die ges. Vertreter keine Sanierungsideen haben oder offensichtliche (z.B. rechtliche) Hinderungsgründe bekannt sind.

- Befragung der Gläubiger i.d.R. nicht erforderlich.- Aber: Für Einschätzung des Vorliegens von Insolvenzgründen

ist umfängliche Planung und ein tiefes Verständnis vom Unternehmen erforderlich.

Inhalt der Bescheinigung

3

3.2

Das Schutzschirmverfahren

103

a) Umfassende Haftung auch gegenüber Dritten

b) Haftung für die Bescheinigung wie bei einemSanierungsgutachten nach IDW S6- Positiv falsche Bescheinigung- Negativ falsche Bescheinigung

Haftung Steuerberaters

3

3.2

Das Schutzschirmverfahren

104

Haftungsnormen:

§ 311 Abs. 3 Satz 2 BGB

§ 893 a BGB

Analog § 323 HGB

Haftung Steuerberaters

3

3.2

Das Schutzschirmverfahren

105

a) Abdeckung von der Haftpflichtversicherung zur Zeit noch unklarb) Im Zweifel den Versicherer einbeziehenc) Die meisten Steuerberater-Bedingungen decken ab die Tätigkeit als:

- Sachwalter, - Treuhänder, - Insolvenzverwalter und - Mitglied im Gläubigerausschuss

d) solange nicht überwiegende Tätigkeit

Haftung Steuerberaters

3

3.2

Das Schutzschirmverfahren

106

- Eine Zusatzdeckung für eine pauschale Versicherung einzelner Verfahren ist zu empfehlen

- Aber: Versicherer werden nur Steuerberater versichern, die entsprechend der Anforderungen nach § 270b InsO qualifiziert sind.

Haftung Steuerberaters

3

3.2

Das Schutzschirmverfahren

107

a) Betriebswirtschaftliche Kenntnisse

b) Insolvenzrechtliche Kenntnisse

Im Hinblick auf…..

Kenntnisse des Steuerberaters

3

3.2

Das Schutzschirmverfahren

108

1. Verschaffen eines Überblicks über die Geschäftstätigkeit

2. Krisenursachen darlegen lassen

3. Insolvenzantragsgründe prüfen

4. Vorliegendes Grobkonzept würdigen

5. offensichtliche Hinderungsgründe abschätzen

Aufgaben des Steuerberaters

3

3.2

Das Schutzschirmverfahren

109

Fazit:– Steuerberater sind hervorragend als Bescheiniger wie auch als

Begleiter des Sachwalters geeignet, wenn sie über die erforderlichen betriebswirtschaftlichen und insolvenzrechtlichenKenntnisse verfügen.

– Gerade vor dem Hintergrund des Zeit- und Kostendrucks kommt als Bescheiniger auch der bisherige Steuerberater in Frage (bei Missbrauch haftet er!)

– Die Steuerberater sollten sich aktiv in die Diskussion über die Auslegung der notwendigen Kenntnisse einbringen

– Dann haben sie eine echte Chance (verdient) !

Die 2. Chance für Steuerberater?

3

3.2

Das Schutzschirmverfahren

110

Fazit:– Angesprochen sollten nicht nur die Steuerberater sondern auch

die Wirtschaftsprüfer (oft haben diese die ausgeprägterenbetriebswirtschaftlichen Kenntnisse) sein.

– Sanierung ist in erster Linie ein betriebswirtschaftlicher Prozess und keine (insolvenz-) rechtliche Abwicklung

– Dann haben die Unternehmen und mit Ihnen die vielen Arbeitnehmer eine echte 2. Chance !

Die 2. Chance ?

3

3.2

Das Schutzschirmverfahren

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

Morison Köln AktiengesellschaftWirtschaftsprüfungs-, SteuerberatungsgesellschaftOststraße 11-13, 50996 KölnTel.: 02 21 / 93 55 21 -33Fax: 02 21 / 93 55 21 -99Internet: www.morison-koeln.deE-Mail: christoph.hillebrand@morison-koeln.de

Dipl.-Kfm.Christoph HillebrandWirtschaftsprüfer Steuerberater