Kapitel 9: Referentielle und gebundene Pronomen und Ellipsen · Kapitel 9: Referentielle und...

Post on 04-Nov-2019

11 views 0 download

Transcript of Kapitel 9: Referentielle und gebundene Pronomen und Ellipsen · Kapitel 9: Referentielle und...

Kapitel 9: Referentielle und gebundene Pronomen

und Ellipsen

B.A. Linguistik, Präsentation im Fach “Formale Semantik”, SS2013

Marie-Luise Schwarzer, Norbert Rohloff und Lisa Kral

Datum: 02. Juli 2013

Dozentin: Anke Assmann

9.1 Referentielle Pronomen als freie Variablen

• traditionell: deiktische vs. (bestimmte) anaphorische Pronomen – Relevanz der Unterscheidung in linguistischer Theorie unklar

• Interpretation deiktischer und bestimmter anaphorischer Pronomen:Hörer weist Referenz dem salientesten Individuum zu, welches im Äußerungskontext Sinn ergibt

• Salienz bei Deixispronomen:

• durch außersprachlichen Kontext: <Mann verlässt den Raum>

(1) I’m glad he’s gone.

• Salienz bei Anaphern:

• durch vorherige Äußerung einer Phrase

(2) I don’t think anybody here is interested in Smith’s work. He should not be invited.

• Pronomen, die nicht auf Individuen referieren:

(3) Every man put a screen in front of him.

→ gebundene Variable → koindiziert mit Spur des Antezedens, Interpretation dank Pronouns and Traces Rule (Kap. 5):

Pronouns and Traces RuleIf α is a pronoun or trace, i is an index, and g is a variable assignment whose domain includes i, then ⟦αi⟧g=g(i).

• Koreferenz vs. Variablenbindung

2 Ausdrücke koreferieren gdw sie auf dasselbe Individuum referieren. Koreferenz impliziert Referenz. Gebundene Variablen referieren nicht auf Individuen im Kontext, können also auch nicht mit einem Ausdruck koreferieren.

• Äußerungskontexte und Variablenzuweisung

Äußerungskontext c determiniert die Zuweisung der freien Variablen

(4) She1 is taller than she2.

Appropriateness ConditionA context c is appropriate for an LF Φ only if c determines a variable assignment gc whose domain includes every index which has a free occurrence in Φ.

Truth Conditions for UtterancesIf Φ is uttered in c and c is appropriate for Φ, then the utterance of Φ in c is true if ⟦Φ⟧gc=1 and false if ⟦Φ⟧gc=0.

• Phi-Merkmale

• Merkmale sind eigene Knoten, die an die DP adjungiert werden

• Merkmale denotieren eine partielle Identitätsfunktion

• she präsupponiert folgende Merkmale:

• Individuum 1 muss die Merkmale von she erfüllen, sonst Präsuppositionsfehler!

• Zusammenfassung 9.1

• referentielle Pronomen erhalten Zuweisungen aus dem (sprachlichen oder nicht-sprachlichen) Kontext

• Interpretation der Zuweisungen erfolgt wie gehabt

• gebundene Variablen referieren nicht auf Individuen aus dem Kontext

9.2 Koreferenz oder Bindung?

• anaphorische Pronomen mit Quantifizierer als Antezedens können nicht referentiell sein (nach unserem Verständnis)

• Erinnerung: anaph. Pronomen erhalten Referenz aus Diskurs!

• Analyse als gebundene Variable erfordert nicht zwingend Vorhandensein von Quantifizierern

• viele anaph. Pronomen mit referentiellem Antezedens (z.B. Eigennamen) lassen sich als referentielle Pronomen analysieren

ABER: Es gibt Fälle, wo zum Antezedens referierende Anapher auch als Variablenbindung analysiert werden kann

(5) John hates his father.

(Lesart: ...hasst seinen eigenen Vater)

• John wurde angehoben, he1 trägt gleichen Index wie die Spur t1→ he1 ist eine gebundene Variable

⟦John hates his father⟧ = 1 gdw. John ∈ {x: x hates x’s father}

• LF1 enthält keine freien Indizes→ AC ist trivialerweise erfüllt (in jedem Kontext!)

→ jede Äußerung von (5) ist nach dieser Interpretation wahr gdw. John seinen eigenen Vater hasst

LF1

• Alternative: Generierung von LF mit freien PronomenLF2: keine Anhebung von “John”LF3: Spur und Pronomen unterschiedlich indiziert

LF1LF2

LF3

• Laut AC benötigen LF2 & LF3 je einen Äußerungskontextz.B. c1: gc1 = [1→Fred], c2: gc2 = [1→Bill], c3: gc3 = [1→John]

• Für c3 gilt wieder: ⟦John hates his father⟧ = 1 gdw. John ∈ {x: x hates x’s father}

→ typische Lesart von (5) kann auch durch referentielle Analyse von his erfasst werden

• LF2 & LF3 im Äußerungskontext c3 haben exakt die gleichen Wahrheitsbedingungen wie LF1 in jedem denkbaren Kontext

• Beide Analysen plausibel und im Einklang mit bisherigen Annahmen über Syntax, Semantik und Pragmatik

→ beide Analysen sind korrekt

• VP Ellipsis:

(6) He smokes. He shouldn’t.

(7) Laura took a nap, and Lena did too.

Im jeweils 2. Satz fehlt an der Oberfläche eine VP.

• Bare Argument Ellipsis:

(8) Laura left Texas, and Lena as well.

(9) Laura drank the milk last night, or perhaps the juice.

Hier fehlt nicht nur die VP, sondern ein kompletter S-Knoten.

9.3. Pronomen in der Ellipsentheorie

• Annahme: Löschung von Konstituenten auf dem Weg von SS zu PF

• Kuriosum: Elliptische Sätze an der Oberfläche unvollständig, haben aber dieselbe semantische Interpretation wie ihre zugrunde liegenden (vollständigen) Sätze

• Antwort: LF ist immer noch komplett, Löschung in PF findet nicht in der Derivation von SS zu LF statt

• Achtung: keine beliebige Löschung von Konstituenten möglich! In (8) kann nur gemeint sein: “and Lena left Texas as well” (und nicht etwa “and Lena moved as well”)

LF Identity Condition on Ellipsis: A constituent may be deleted at PF only if it is a copy of another constituent at LF.

• Veranschaulichung VP Ellipsis:

• Veranschaulichung Bare Argument Ellipsis:

• Schwierigkeit: Ambiguität in Ellipsen mit Quantoren

(10) Laura showed a drawing to every teacher, but Lena didn’t.

→ “Lena didn’t” muss jeweils genau so interpretiert werden, wie der erste Teil des Satzes, eine gemischte Interpretation ist unzulässig

→ gelöschtes Material und Antezedens müssen gleiche LF haben

(11) Philipp went to his office. Marcel didn’t.

Strikte Lesart: x = y

„Sloppy“ Lesart: x ≠ y

9.3.2 Referentielle Pronomen und Ellipsen

Strikte Lesart

(12) (On Roman's birthday), Philipp went to his office. Marcel didn't.

Wenn his im ersten Satz auf Roman referiert, dann gibt es für den zweiten Satz nur eine (strikte) Lesart.

Die gelöschte Kopie des Pronomens kann also ausschließlich Roman bezeichnen.

Was sagen unsere bisherigen Annahmen voraus?

Diese Interpretation wird unter gc(1) = Roman vorausgesagt und ist wohlgeformt.

!

Was sagen unsere bisherigen Annahmen voraus?

Diese LF wird durch die LF Identity Condition wie erwünscht ausgeschlossen.

!

Was nicht ohne Weiteres ausgeschlossen wird

Diese Möglichkeit verlangt, dass wir unserer Annahme eine Beschränkung hinzufügen.

Erweiterung der LF Identity ConditionIn keiner LF-Repräsentation darf ein Index sowohl gebunden als auch frei auftreten.

!

(12) (On Roman's birthday), Philipp went to his office. Marcel didn't.

Versteht man diesen Satz nach der „sloppy“ Lesart, so gingen Philipp und Marcel jeweils zu ihren eigenen Büros.

Stellt diese Lesart ein Gegenbeispiel zu den hergeleiteten Gesetzen dar?

Nein, denn sie kann durch dieselben Regeln und völlig analog zur strikten Lesart interpretiert werden.

9.3.3 Das “sloppy identity”-Rätsel und seine Lösung

Der Satz wird dazu mithilfe einer gebundenen Variable repräsentiert.

Diese Analyse erfüllt jede unserer Forderungen. Wir erhalten die intuitiv richtige Bedeutung und die LF Identity Condition sowie ihre Erweiterung sind erfüllt.

!

Werden durch diese Gesetze alle unerwünschten Lesarten ausgeschlossen?

→ Strikte Lesarten: ja

→ „Sloppy“ Lesarten:

Unsere Ausgangsannahme: x ≠ yderart, dass Philipp zu xs Büro ging und Marcel nicht zu ys.

Unsere Ausgangsannahme: x ≠ yderart, dass Philipp zu xs Büro ging und Marcel nicht zu ys.

1. x ≠ Philipp 1. y ≠ Marcel

2. Wenn x ≠ Philipp, dann brauchen wir ein freies Pronomen

2. Auch hier brauchen wir ein freies Pronomen

3. Nach der „LF Identity Condition“ und seiner Erweiterung muss das gelöschte Gegenstück dieses Pronomens ebenfalls ein freies Pronomen sein und über den gleichen Index verfügen.

3. Das entsprechende Pronomen unterliegt der „LF Identity Condition“ und seiner Erweiterung.

4. Somit referieren beide Pronomen auf x (Marcel ging nicht zu xs Büro.)

4. Somit referieren beide Pronomen auf y (Philipp ging zu ys Büro.)

5. WIDERSPRUCH zu unserer Eingangsbedingung5. WIDERSPRUCH zu unserer Eingangsbedingung

Zusammenfassung:

• Es werden strikte und „sloppy“ Lesarten unterschieden.

• Um Ambiguitäten zu eliminieren, muss unsere LF Identity Condition erweitert werden.

Erweiterung der LF Identity ConditionIn keiner LF-Repräsentation darf ein Index sowohl gebunden als auch frei auftreten.