Mit Hochfrequenz angeregte Niederdruckplasmen: Prinzipien und Strukturierung von Halbleitern. Teil I

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Mit Hochfrequenz angeregte Niederdruckplasmen: Prinzipien und

Strukturierung von Halbleitern

recceived: 18. 11. 1996 accepted: 10. 12. 1996

In zwei Teilen wird die Funktionsweise der Erzeugung von kalten Niederdruckplasmen durch kapazitive und induktive Kopplung sowie durch resonante Anregung beschne- ben und im dritten Teil gezeigt, wie die Kenntnis dieser GroBen ausgenutzt werden kann, urn Halbleiteroberflachen zu modifi- zieren.

Teil 1

Gerhard Franz

Die Reaktionsgeschwindigkeit von Atomen und Radikalen ist rneist bedeutend hoher als die vergleichbarer Moleküle. So laufen zahl- reiche chemische Reaktionen mit Halogenen erst.dann ab, wenn die durch Photolyse er- zeugten Atome ihre Reaktionspartner attak- kieren konnen (radikalische Substitution der Seitenkette, z. B. in Toluol):

2c1. fC6H5 - CH3 + C6H5-

-CH2Cl+HCl . ( 1 4 Finden derartige Prozesse in einem Lo- sungsmittel breiteste Anwendung in der che- mischen Industrie, wurden in der Gasphase ablaufende Dissoziationen jahrzehntelang lediglich dazu benutzt, um ,,exotische" Mo- leküle, wie Interhalogene, in den kalten Plas- men von Glimmentladungen darzustellen. Anfang der 1970iger Jahre kamen die ersten Plasmaverascher auf den Markt, in denen in einer kalten Entladung hergestellte Sauer-

Abb. 1. Atzprofile für rein iso-

der Charakteristik dazwischen liegende ,,konische" Atzung. S ist der Maskenabstand, W die Maskenbreite, der Index O

konisches !or, der Index F nach der Atzung. dH ist der horizontale

(^tape&*) 7) (,,Unteratzung"), d , der verti- kaie Abtrag. Das Verhaltnis dJdH wird oft ais ,,Anisotropie- verhaltnis" Oder auch ,,Aspekt- verhaltnis" bezeichnet. Der Konuswinkel O ist der arctan dJd, (O Springer-Verlag 1994).

In two parts, the generation of cold plasmas by capacitive and inductive coupling as well as by absorption Of Whistler waves is out- lined. In the third part, it is shown how the knowledge of these mechanisms can be exploited for modifying the surfaces of semiconduc tors.

isotropes Akprofil trope, rein anisotrope und in

Atzprofii

anisotropes Akprofil

Vakuum in Forschung und Praxis (1997) Nr. 1 47-52 @ VCH Veriagsgesellschaft mbH, D-69451 Weinheim, 1997

0947-076)(/97/0102-0047/$10.00+.25/0 47

stoff-Atome organische Rückstande, für das Substrat au5erst schonend, in gasformiges CO und CO, überführten. Waren dies sog. ,$amel"-Reaktoren, in denen die Probe, in einem FARADAY-Kafig liegend, nur der Attak- ke von Radikalen ausgesetzt war, wurde es mit der Einführung von Parallel-Platten-Re- aktoren moglich, die zu modifizierenden Oberfiachen auch dem Ionen- und Elektro- nenbeschu5 aus dem Plasma auszusetzen. Dadurch wurde einerseits die Reaktionsge- schwindigkeit erhoht, zum anderen aber er- offnete sich die Moglichkeit einer ,,aniso- tropen" Atzung (s. Abb. (1)): da Flachen, die einem Ionenbeschu5 ausgesetzt Sind, schneller abgetragen werden als Gebiete, die vor diesem geschützt Sind, erhalten wir eine Anisotropie der Reaktionsgeschwindig- keit. In erster Naherung werden sich die Io- nen parallel zum elektnschen Feld bewegen, das seinerseits senkrecht zur Oberflache des Substrates steht. Gesetzt den Fall, das Sub- strat reagiere nur unter dem Ionenbeschu5 mit dem Atzgas, werden wir den Idealfall einer anisotropen Atzung vorfinden (Fall A): 011 = O; UJ, =max; im Falle glei- cher Atzgeschwindigkeit den einer isotro- pen Atzung (Fall C): 011 = ul. Dazwischen liegt der Fa11 B.

Die zu beherrschenden Dimensionen und damit die Toleranzen mikroelektronischer Bauelemente Sind nun seit Einführung der Plasmaverfahren Mitte der 1970iger Jahre urn etwa den Faktor 50 geschrumpft. Setzt man die Toleranz zu 10% an, bedeutet das für eine Streifenbreite von 1 p m eine Schwankung um 100nm; für 1/4pm be- tragt diese dagegen nur mehr 25 nm. Solche Strukturgenauigkeiten zu erreichen, erfor- dert folglich eine hoch-anisotrope Atzung, die in den weit verbreiteten RF-Dioden-An- lagen (Parailel-Platten- Oder Hexoden-Reak- toren, Abb. (2)) mit kapazitiv gekoppelten Plasmen kaum erreichbar ist. Aber nicht nur laterale Strukturtreue ist gefordert, son- dem auch in die Tiefe darf die Kristallscha- digung nicht hoch sein. Diese ist jedoch be- trachtlich. So werden in einer konventionel- len Ionenstrahlanlage die Ionen auf eine ty- pische Energie von 500eV gebracht, um substantielles Abstauben zu ermoglichen (Atzraten zwischen 10 und 100 ndmin) . Die Gitterenergie von IIW-Halbleitem liegt dagegen nur zwischen etwa 1,25 ( G e ) und 7 e V (GaN), betragt also nur etwa 1% der Projektilenergie! Im ,,Schild", der die auf nahezu konstantem Po- tential liegende Glühzone des Plasmas von den Wanden trennt, konnen in RF-Dioden- Anlagen ebenfalls Potëntialunterschiede iihnlicher GroBenordnung auftreten.

Urn die Grenzen der kapazitiv gekoppel- ten RF-Plasmen zu übenvinden, Sind in den letzten Jahren verschiedene Hoch-Dichte- Plasmaquelien entwickelt worden. Wah- rend in kapazitiv gekoppelten Plasmen das Wellenfeld direkt über eine sich im Reaktor befindliche Elektrode abgestrahlt wird, ge- schieht dies in Hoch-Dichte-Quellen über eine Antenne Oder einen Wellenleiter durch ein dielektnsches Fenster. Bei dieser Ener- gieübertragung, die nicht-kapazitiver Natur ist, ist die Plasmadichte im Vergleich um ty- pisch einen Faktor 100 hoher, was unmittel- bar zur Folge hat, da5 das Schildfeld gerin- ger ist (sowohl der Kathodenfall V,, der Stark abnimmt, wie auch die Dicke d , des Dunkelraums Sind kleiner; beide bestim- men über E = VJd, die elektnsche Feldstiir- ke E) . V , erreicht selten mehr als 30 V. Um dennoch die Ionenenergie zu steuem, ist meist als Option eine kapazitive Einkopp- lung an der Elektrode, auf der das Substrat liegt, vorhanden. Auf diese Weise gelingt eine unabhangige Kontrolle der Plasma- dichte (Summe aus Elektronen- und Ionen- dichte) einerseits und Ionenenergie anderer- seits. Im folgenden werden zunachst die ver-

schiedenen Arten der Elektronenanregung beschrieben, an das sich eine Diskussion der verschiedenen Verfahren: 0 kapazitiv gekoppelte Plasmen; 0 induktiv gekoppelte Plasmen; 0 durch tiefreichende Whistlerwellen ange-

anschlie&. Al1 diesen Plasmen ist gemein- sam. da5

regte Plasmen (ECR-Entladungen)

es sich um ,,kalte" Plasmen handelt, in denen die Temperatur der Elektronen, Te, bedeutend hoher als die der Gasmole- keln ist, und da5 sie von der elektnschen Charakten- stik her aufgespalten werden konnen in eine Zone glühenden Plasmas (,,Bulk"-

2 Plasma

Substrate '

Plasma oder sog. ,Jegative Glühzone") und über den Elektroden liegenden Schil- den (Abb. (3)). Das ,$ulk"-Plasma ist quasi-neutral und nahezu feldfrei'; seine Dynamik ist bestimmt durch ambipolare Diffusion bei niedngen Drücken (die Be- wegungen der beiden Ladungstragersor- ten Sind auf Grund der elektrostatischen Wechselwirkung miteinander verkop- pelt) bzw. Rekombination bei hohen Drücken. Schilde entstehen in Plasmen, gleichgültig, Ob Sie durch Gleichstrom (DC), Wechselstrom (AC) von einigen 10 kHz, Radiofrequenz (RF) Oder Mikro- wellen ( M W ) angeregt werden, durch die unterschiedliche Beweglichkeit der bei- den Ladungstragersorten: der Elektronen und Ionen. Ein Schild trennt das glühende Plasma von den Reaktorwanden, aber auch von der Elektrode. In ihnen existie- ren Felder, in Hoch-Dichte-Plasmen mit niedngem, in Niedng-Dichte-Plasmen mit hohem Potential. Dort, wo sich die Bereiche berühren, liegt die sog. BOHM- Kante: ,,Point of no Return" für die Io- nen, die ab hier irreversibel in den ,,Trichter" des elektrischen Schildfeldes geraten Sind (s.w.u.). Die um Gro5enord- nungen leichteren Elektronen dagegen durchschie5en den Schild wesentlich of- ter als die tragen Ionen und reagieren an- schlie5end an der Wand des Reaktors ab. In beiden Fallen kommt es also dadurch zu Verlusten an Ladungstragern in der Glühzone des Plasmas. Betrachten wir dazu zunachst qualitativ

einen Ionenstrom der Dichte nB, der aus dem Plasma mit dern Volumen V kommend von der BoHM-Kante in Richtung Elektrode von der BoHM-Geschwindigkeit vB beschleu- nigt wird. Die Energie dazu entnehmen die Ionen dem Wellenfeld, das aber auch die Elektronen anregt. Die absorbierte Leistung ist demnach

1 Gaszufllhmng

Vakuurn

Abb. 2. Prinzipskizzen eines Parallelplatten- (links) und eines Hexoden-Reaktors (rechts). Die Substrate liegen auf der ,,heiBen" Elektrode, die durch einen Kondensator vom RF-Sender getrennt ist.

48 Vakuurn in Forschung und Praxis (1997) Nr. 1

Abb. 3. Einfaches Mo- deil der ,,Plasmahaut" zwischen Reaktonvand (Elektrode) und ,,Bulk"- Plasma.

was sich für v,,, >> O vereinfacht zu -7

mit E~ den Energien für die verschiedenen Anregungsarten der Elektronen und Ionen sowie der Plasmadichte ns an der BOHM- Kante, was umgekehrt, nach nB aufgelost, ergibt:

nB IaBt sich also erhohen durch 1. Erhohung der eingekoppelten Leistung

2. VergroBerung von ug (nur eingeschrankt moglich, da us auBer von der Ionen- masse lediglich von der Quadratwurzel der Elektronentemperatur abhangt (s.

3. Verkleinerung der Oberfiache des Plas- mas, wodurch etwa Ladungstragerverlu- ste durch Wandreaktionen vermindert werden;

4. Selektivitat des Energietransfers: Anre- gung moglichst nur der Elektronen und Vemngerung der Anregung der Ionen etwa durch Reduktion des Schildpoten- tials.

'abs. ;

GI. (11)));

In mit Hochfrequenz angeregten Plasmen erfolgt die Elektronenanregung in erster Li- nie durch Absorption elektromagnetischer Wellen, die innerhalb einer Skintiefe 6 abge- dampft werden (OHMSChe Aufheizung). Dar- über hinaus ist bei niedrigen Drücken die ,,stochastische" Aufheizung der Elektronen von Bedeutung. In resonant angeregten Plas- men erfolgt die Energieübertragung durch LANDAU-DampfUng von c- und R-Wellen' bzw. resonante Absorption der sog. R-Wel-

le, wenn diese an einen ,,magnetischen

Im ersten Fall, der Anregung durch OHMSChe Aufheizung, ist der absorbierte EnergiefluB vom Wellenfeld E = Eo sin (ut-qx) in das Plasma, wenn die Strom- dichte und das elektrische Feld zueinander in Phase sind:

Strand" Iauft [il.

(3)

mit J der (kornplexen) RF-Stromdichte und É* der konjugiert-komplexen Feldstarke im Schild3. Die Eindringtiefe der Welle be- rechnet sich nach

c 1 6=-.- w k (4)

mit k, dem Imaginarteil des vollstandigen Brechungsindex 2 des Plasmas, wenn

i i = n - i k . (5)

k hangt wesentlich vom Druck, also der Fre- quenz v, für den elastischen StoB zwischen Elektronen und neutralen Molekeln, ab. Die Skintiefe für ein stoBfreies Plasma (StoBfre- quenz v, zwischen Elektronen und Neutral- molekeln ist Null) ist

C c r

mit

(7 )

der Plasmafrequenz der Elektronen und no der Plasmadichte (Summe der Dichten der positiven und negativen Ladungstrager), für ein Hochdruckplasma jedoch

mit

der Gleichstromleitfahigkeit und eo der Ele- mentarladung, p0 der absoluten Permeabili- tatskonstanten, w der Anregungsfrequenz [il. Mithin konnen zwei Bereiche unter- schieden werden: ein Hochdruckbereich mit v, << w + 6, und ein Niederdruckbe- reich mit Y, >> O + 6,. Die Skintiefe für ein Niederdruckplasma ist also - gleiche Plasmadichte vorausgesetzt - um Jw/2Jm kieiner als für ein Hochdruckplasma! In bei- den Fallen ist die Eindringtiefe der Wellen proportional 1 1 6 , wahrend die über GI. (10) definierte Gleichstromleitfahigkeit proportional no ist. Meist sind die Abmes- sungen des Reaktors jedoch bedeutend klei- ner als die Skintiefe, so daB die Felder vol1 durch das Plasma greifen. So ist für ein ka- pazitiv gekoppeltes Ar-Plasma mit w = 212. 13,56 MHz und einer Plasma- dichte n p = 3 . 10'' bei p = 1,3 Pa (10 m Torr) die StoBfrequenz 20. 106 s-' und 6, 30, 6k aber 64 cm!

Für die unterschiedlichen Anregungsarten ist die Effizienz der OHMSChen Aufheizung nun stark unterschiedlich. Ein Kritenum ist die Plasmadichte, die in kapazitiv gekop- pelten Plasmen zwischen 109 und IO" liegt; in induktiv gekoppelten liegt sie um bis zu zwei (bei effektiv zu nennender Einkopp- lung auch auf diesen Wert begrenzt!), in ECR- und Heliconwellen-Entladungen da- gegen oft um mehr als drei GroBenordnun- gen hoher.

Es ist der Mechanismus des OHMschen Aufheizens, de; die Überlegenheit der EW- über DC-Entladungen (hier hauptsachlich Erzeugung von Sekundiirelektronen, die in einer StoBkaskade eine Elektronenlawine er- zeugen) bewirkt. Bei niedrigen Drücken wird darüber hinaus das sog. ,,stochasti- sche Aufheizen" von Bedeutung, wenn Elektronen aus der Glühzone auf den ,,at- menden" Schild treffen, der im Takte der Anregungsfrequenz schwingt - vergleich- bar etwa dem Impulstransfer, der einem Bail bei einem Schlag erteilt wird. Stocha- stisch heiBt der ProzeB wegen der Zufallig- keit der Elektronenkollision mit dem Schild, der als kollektive Einheit betrachtet wird.

Vakuum in Forçchung und Praxis (1997) Nr. 1 49

Diese weit verbreiteten Entladungen findet man in sog. ,,RF-Dioden"-Anlagen zur Ma- tenalbeschichtung und Struktunerung. Sie bestehen aus einem Reaktor, in dem sich zwei planparallele Platten des Radius r im Abstand d voneinander befinden (s. Abb. (2)). An eine der Elektroden wird eine RF-Spannung (meist 13,56 MHz) ange- legt. Auf ihr liegen die Substrate im sog. ,,Ionenatz"-Modus bei relativ niedrigem Druck (1 - 10 Pa)4, wahrend im sog. ,,Plas- maatz"-Modus, der bei hoherem Druck be- trieben wird (bis 100 Pa), die Substrate auf der geerdeten Elektrode liegen. In Wirklich- keit Sind beide Begnffe miBverstandlich: bei Plasmadichten von 10-4 Sind es weitgehend Neutralteilchen, die für die Atzung verant- wortlich sind; Ionen losen die Atzung ledig- lich aus.

3.1 Der Schild

Die Anregungsfrequenz von 13,56 MHz liegt oberhalb der Plasmafrequenz der Io- nen, jedoch deutlich unterhalb der der Elek- tronen und der StoBfrequenz v, zwischen Elektronen und Molekeln. Das hat zur Fol- ge, da6 die Elektronen, dem instantanen Feld folgend, in einer stationaen Wolke positiver Ionen hin- und herschwingen, wahrend die Ionen nur dern zeitlich gemittelten Feld fol- gen. Die Schwingung der Elektronen und ihre Vernichtung auf der Elektrode in der positiven Halbwelle führt zur Bildung von ,,Schilden" oberhalb der Elektroden, in de- nen eine zeitgemittelte positive Raumla- dung beobachtet wird. Dadurch entsteht ein starkes elektrisches Feld, das dazu führt, da6 aus dem glühenden Plasma mit thermischer Energie austretende Ionen eine hohe, unumkehrbare Drift-Beschleunigung auf die Elektrode zu erfahred. An dieser Grenze, der Born-Kante, erreichen die Io- nen bereits Schallgeschwindigkeit :

und besitzen eine auf die Ele trode gench- tete Dnftkomponente von -. VB. Deshalb

gungspenode kontinuierlich von den Ionen bombardiert. Elektronen dagegen konnen der pulsierenden Wolke nur in dem kurzen Moment entkomrnen, wenn diese sich dicht an die Elektrode ausgedehnt hat, und das Po- tential des Schildes nahezu zusammenge- brochen ist. Sonst ist das Potential der Ent-

wird die Elektrode wahren J einer Schwin-

ladung gegen Elektroden und Reaktorwande positiv. Insbesondere werden die Elektronen durch den positiven Schild eingeschlossen.

In diesen Plasmen kann die Entladung also auf den Kathodendunkelraum und die Glühzone reduziert werden. In jener erfah- ren die Ladungstrager die Energieübertra- gung, in dieser findet der GroBteil der Ioni- sationen statt.

Im Gegensatz zu einem ,,passiven" Schild, durch den kein Strom flieBt, der ty- pisch einige Debye-Langen dick ist6 und ei- nen Potentialabfall von 10- 15 eV aufweist (das ist das sog. Schwebe- Oder ,,floaten- de" Potential), führt die Verwendung von ho- hen RF-Spannungen zu einem starken An- stieg sowohl der Dicke des Schildes (er ist jetzt typisch einige 10 Debye-Langen dick) wie des Gleichspannungsanteils. Dies ist eine unmittelbare Folge des gleich- richtenden Effekts, der durch Nichtlinearita- ten der Schildimpedanz, und zwar sowohl des OHMSChen wie des kapazitiven Anteils, ausgelost wird.

Modellhaft ist die Strom-Spannungs-Cha- rakteristik des Schildes deswegen wie die einer gleichnchtenden Diode beschreibbar. Der OHMsche Anteil kann durch die Theone der LANGMuiR-Sonde beschrieben werden; die Nichtlinearitaten des kapazitiven An- teils dagegen werden von der Abhangigkeit der Schilddicke und der Ionenverteilung von der Schildspannung bestimmt. Wegen der Elektronenverarmung im Schild, die, von der BoHM-Kante kommend, schnell auf Nul1 abfallt, ist nmlich bei Frequenzen oberhalb der Plasmafrequenz der Ionen, wp,~, etwa bei 13,56MHz, wobei dann w p ~ < O << wp,,, der kapazitive Verschie- bungsstrom im Schild etwa gleich dem Lei- tungsstrom der Elektronen im Plasma'. Aber nicht nur die Elektronendichte ist stark inho- mogen, sondern auch die Ionendichte, da die Ionen durch ein negatives DC-Potential auf die RF-Elektrode beschleunigt werden.

Ein derartiges Modell für eine symmetri- sche Entladung wurde u. a. von GODYAK und STERNBERG [3] [4] und LIEBERMAN [5] entwik- kelt (für eine Zusammenfassung s. [6]). In- zwischen liegen auch Modellrechnungen für einen kapazitiv/resistiven Schild vor [7] [8]. Die Kenntnis der das kapazitiv-gekoppelte Plasma charakterisierenden GroBen wie

Plasmadichte no, Ionenstromdichte j , zu den Elektroden, Dicke ds des Schildes Oder Dunkelraumes

ermoglichen es, Aussagen über die Effizienz der Leistungseinkopplung zu gewinnen. Da- bei hat es sich herausgestellt, da0 eine unkri- tische Übernahme der Gleichungen, die das

über den Elektroden

mit Gleichstrom angeregte Plasma beschrei- ben, etwa die BoHMsche Theone und die von CHLD und LANGMUIR, auBerst fragwürdig ist [9]. Im folgenden wird deshalb eine mehr qualitative Betrachtung der einzelnen das kapazitiv-gekoppelte Plasma bestimmen- den GroBen für eine symmetrische Entla- dung vorgezogen. Dennoch ist es auch in dieser Naherung moglich, die hohen Schild- potentiale an der ,,heiBen" Elektrode zu ver- stehen.

3.2 Symmetrische Entladungen

Wir konnen das Ersatzschaltbild einer sym- metrischen Entiadung mit Abb. (4) beschrei- ben, wobei wir von einer rein Omschen Last im Plasma selbst ausgehen. Dabei sol1 so- wohl der OHMSChe Widerstand der Glühzo- ne aus zwei Anteilen bestehen: dern Wider- stand R, bedingt durch OHMSChe Aufhei- zung, RQ, und stochastische Aufheizung, R,; Rp = RQ + R,. Dazu kommt ein kapa- zitiver Anteil, Co, und ein induktiver Anteil, La, der auf die Tragheit der Elektronen im RF-Feld zurückzuführen ist. In den Schil- den sind der OHMSChe Widerstand, Rs, be- dingt durch Energiedissipation, die u. a. zur Beschleunigung der Ladungstrager durch die gleichgenchtete Schildspannung führt, sowie kapazitiver Anteil des Verschie- bungsstroms, Cs, parallel geschaltet. Dieser berechnet sich für zwei hintereinander ge- schaltete Schilde der Fiache A und der Dik- ke d, nach

mit

also C, = Cs,,/2 damit also

Da im Schild die Dichte bewegter Ladungs- trager gegen Nul1 geht, ist E = 1. Sind die Schilde im einfachsten Modell hintereinan- der geschaltet:

R=Rp+Rs , (15)

dann ist der Strom durch beide gleich, und wir konnen schreiben:

(16) V = I(Rp + Rs) = Vp + V,8 , und für die absorbierte Leistung folgt

Vakuum in Fonchung und Praxis (1997) Nr. 1 50

Rn R M Lo R. d - R

6 g 8 B

Abb. 4. Ersatzschaltbild einer symrnetrischen Entladung. Das Plasma ist durch einen parallel geschalteten Kreis mit Co, L, und R gekennzeichnet, wahrend die das Plasma sandwichartig urnschlieBenden Schilde einen kapazitiven und resistiven Anteil

R, Resonanz bei w1 =

9

wobei s? k U - .- aufweisen. Vereinfacht gilt: Rp = €ta + Rsp L

" t e = w2 = 0 1 102'

Abb. 5. Schildspannungen: Ordinate: DC-Anteil, Abszisse: AC- Anteil. Die Gerade ist nach GODYAK berechnet. Zu sehr kleinen Werten von V,, wird der Wert des Schwebepotentials erreicht, das typisch einige mittlere Elektronenenergien groB ist. Be- grenzte Entladung: Der Kathodenschild wurde bis zur gegen- überliegenden Elektrode ausgedehnt und dadurch eine genau definierte Entladungsgeometrie erreicht (O Springer-Verlag 1990).

Abb. 6. Prinzipielle Struktur eines auf hohem Potential liegen- den kapazitiv gekoppelten RF-Schildes. d, ist die Totaldicke des Schildes, der rnodellmaBig in einen (stationiiren) Ionenschild der Dicke ds und einen (pulsierenden) Elektronenschild der Dik- ke 2, um den Mittelpunkt s,, aufgetrennt werden kann. n, und ne sind die Ionen- bzw. Elektronendichten.

O nicht begrenzte Entladung A begrenzte Entladung 800

I IJ' A 600-

400-

1 l 800 1OOO

I I 1 l 200 400 800 1OOO

RF-Anteil der Kathodenschildspannung Pl --b

n t

(17) I

Pubs = 5 Io( Vp,n + [ORS)

mit V, dem Plasmapotential, der Index ,,O" bezeichnet die Amplitude. AuBerdem gilt dann für den Potentialabfall im Schild mit Cl. (16)

vs = v* - P ( R p - 2RpRs) . (18)

Wegen des Ionisierungsgleichgewichts in der Glühzone ist der Potentialabfall in ihr nahezu unabhangig vom Strom der Entla- dung. Grenzfdlle: fur kleine I hangt die ab- sorbierte Leistung linear von I ab, die Konstante ist Veo; also gilt für kleine I das OHMsche Gesetz. Für groBe Strome erwartet man dagegen eine Abhiingigkeit P cx Iz (mit einem kleineren linearen Anteil des ersten Surnrnanden aus Cl. (14)). Anschaulich be- deutet dieser Umschlag in der Strornabhiin- gigkeit in der Leistung, daB sich der Absorp- tionsmechanismus von dei Aufheizung der Elektronen zu der der Ionen verschiebt.

3.3 Die Schildpotentiale

Aus Cl. (14) ist ersichtlich, da8 bei festge- haltenern Strom durch die Schilde die Elek- trodenflache entscheidend das im Schild ab- fallende Potential bestimmt. Dies war AnlaB zu einer lang andauernden Kontroverse. Koenig und Maissel rnachten narnlich als erste darauf aufrnerksarn, daB bei Annahrne eines raumladungsbegrenzten Stroms die Elektrodenfliichen in ihrer 4. Potenz das Spannungsverhaltnis der Elektroden bestim- men [lO]:

4 -= V t) V2

Spater konnte allerdings gezeigt werden, daB es eigentlich die Kapazitiit der Schilde ist, die dieses Spannungsverhiiltnis beeinfluBt, und es sich darüber hinaus um ein Mittel- ding zwischen raurn- und beweglichkeitsbe-. grenztem Strom handelt; dadurch rutscht die Potenz von 4 auf Werte zwischen 1 und 2 herunter.

+ X

Aus Cl. (18) sieht man unrnittelbar, daB nur für kleine Rp die RF-Komponente der Schildspannung nahezu gleich der an der Entladung anliegenden Spannung ist. Dies ist bei hoch angeregten Plasmen der Fall. Ahnliches gilt für die DC-Kornponente der Schildspannung: auch sie ist nur bei hohen eingekoppelten Leistungen proportional der an der Entladung anliegenden Span- nung (s. Abb. (5)). Für sehr kleine Schild- spannungen geht sie gegen V,, der an jedern Plasmaschild abfallenden Spannung. Aber selbst dann ist Vs» k&: damit ist bei Fre- quenzen oberhalb von me, der Verschie- bungsstrorn groB gegen den Leitungsstrom im Schild, aber etwa gleich groB wie der Lei- tungsstrom im Plasma.

Der DC-Anteil der Schildspannung wird hervorgerufen durch die unterschiedlichen Beweglichkeiten der Ladungstragersorten, wodurch deren Stromdichten in Richtung WandElektrode stark voneinander diffene- ren. Dies führt irn Ergebnis zu einer negati- ven Aufladung, also zurn Aufbau eines die

Vakuum in Forschung und Praxis (1997) Nr. 1 51

Elektronen retardierenden Potentials, das zu einer Reduktion der Stromdichte negativer Ladungstrager führt, bis beide im Gleichge- wicht sind, d. h. die Stationaritatsbedingung iautet

2n

- j e ( t ) d ( w t ) = 0 2n

O

Dabei folgt die elektronische Stromdichte, j e , instantan dem an der Elektrode anliegen- den Potential, damit wird die Ladungsdichte der Elektronen zeitabhangig, und zwar fallt sie von einem wert an der BoHM-Kante auf Nul1 oberhalb der Elektrode (s. Abb. (6)). Die Stromdichte positiver Ladungstrager, j , , ist wegen deren Tragbeit oberhalb ihrer Plasmafrequenz von der Phase unabhan- gig. Ein ÜberschuB positiver Ladungen wird zwischen der Elektrodenoberflache (x = O) und s0 beobachtet: Der DC-Schild, der damit die Dicke d,-s, hat". Bei harmo- nischer Anregung ist die Ausdehnung des ,,atmenden" AC-Schildes dagegen gegeben durch

se@) = s, cos wt , (21)

so daB die gesamte Ausdehnung des Schil- des

betragt. Damit wird die in Feldrichtung im Schild gespeicherte Ladung

(23) ,

und das im DC-Schild entstehende Feld

eon& = eonB(x - secos ut) re cos Lu'

(ES >> Ep')

ES N eonB ( x - s, cos u t ) , 80

(24)

das Potential V, = VDc also

der DC-Schild wird für kurze Zeit geoffnet, und in diesem Zeitraum flieBen so viele Elektronen auf die Elektrode, daB hohe DC-Potentiale entstehen.

3.4 Kapazitiv gekoppelte Plasmen:

Der steile Potentialabfall an den Schilden und eine damit verbundene, weit ausge- dehnte Zone nahezu konstanter Ladungs-

Pro und Contra

Abb. 7. ,,Cluster Tool" von Oxford Plas- ma Technology, bestehend aus einem Io- nenstrahl-Atzsystem (ICP-IBE) und einer Beschichtungsanlage incl. Wafer- Transport-System und Vakuum-Casset- ten-Manipulator.

dichte und damit gleichen Potentials ist ein Hauptvorteil der kapazitiven Entladun- gen, wodurch eine Beschrankung auf eine Dimension durch zwei dicht benachbarte Platten irn Parallel-Platten-Reaktor Oder sei- nem hexagonalen Pendant (koaxiale Anord- nung der Elektroden, r/d >> 1) und die nied- nge Frequenz (1 3 MHz) unterhalb von wRe, aber oberhalb von uei, wodurch die Entla- dung quasi-stationaren Charakter erhalt (U r>> 1), und eine Separation in das glühen- de, quasineutrale Plasma mit thermischen Ladungstragern und die Elektrodenschilde erreicht wird, in denen die Plasmadichte um GroBenordnungen kleiner ist. Ais unmit- telbare Folge davon schlagen die Ionen mit einer maximalen Energie von VRd2 in sym- metrischen und V,, in hoch asymmetrischen Entladungen auf der negativ aufgeladenen Elektrode auf [ 111.

Die RF-Entladungen haben jedoch fol- gende pnnzipiellen Nachteile: 0 Der Kopplungsgrad ist sehr niedng und

sinkt mit fallendem Druck, der für eine Erhohung der Anisotropie wesentlich ist;

0 Ionenstromdichte und Beschleunigungs- spannung konnen nicht unabhangig von- einander vaniert werden, sondern veran- dem sich gleichsinnig. Bei hohen Ver- haltnissen von E/p (der Quotient aus elek- trischer Feldstarke und Druck bestimmt die auf die Elektronen übertragbare Ener- gie), die für erhohte Anisotropie erforder- lich sind, nehmen darüber hinaus die Schadigungen des Kristallgitters zu, und die Verluste an Strukturgenauigkeit erho- hen sich.

3.5 Anwendungen

Die Planartechnologie ist durch die Verwen- dung kapazitiv gekoppelter Plasmen wesent- lich definiert worden: Es ist kein Herstel- IungsprozeB von Speichern und Prozesso- ren mehr denkbar, der ohne Beschich- tungs- und Stnikturierungsverfahren aus- kame, die in kalten Plasmen stattfinden. Durch die Einführung sog. ,,Cluster- Tools", in denen an eine Transferkammer eine Schleuse sowie eine Atz- und eine Be- schichtungskammer angeflanscht sind, sind in-situ-Beschichtungen frei geatzter Ober- flachen moglich, die in für sie aggressiven Atmospharen sofort degradieren würden (etwa von AlAs-Schichten, die an feuchter Luft unter Bildung eines rostroten Films von der Oberflache abrollen). Ein einfaches derartiges ,,Cluster-Tool" wird in Abb. (7) gezeigt.

[ 11 G. Franz, Oberflachentechnologie mit Niederdruckplasmen, Springer, Berlin 1994, Kap. 13, S. 354 ff.

[2] G. Franz, ibid, Gln. 5.18 (raumla- dungsbegrenzter Ionenstrom) und 13.38:

= noeo J" -

Für einen Schild, der auf Elektronen- temperatur 3 Te liegt, ist die Dicke für einen stoBfreien Schild etwa 3 A,.

[3] V. A. Godyak, N. Sternberg, Phys. Rev. A 42, 2299 (1990).

[4] V. A. Godyak, Soviet Radio Frequency Discharge Research, Delphic Ass., Inc., Falls Church, VA 1986.

[5] M. A. Lieberman, IEEE Transact. Plas- ma Sci. PS-16, 638 (1988).

[6] G. Franz, ibid, Kap. 13, S. 339ff. [7] M. Klick, Phys. Rev. E 47,591 (1993). [8] M. Klick, J. Appl. Phys. 79, 1 (1996). [9] V. A. Godyak, Soviet Radio Frequency

Discharge Res., Delphic Ass., Inc., Falls Church, VA 1986, pp. 79-102.

[lO] H. R. Koenig, L. J. Maissel, IBM J. Res. Develop. 14, 168 (1970).

[ i l ] G. Franz, ibid, Kap. 6, S. 124f.

Teil II folgt im nachsten Heft

52 Vakuum in Forschung und Praxis (1997) Nr. 1