Neue Risiken für die Welternährung

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Hohenheim, 14. Juli 2006

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Neue Risiken für die

Welternährung

Joachim von Braun, IFPRI

Symposium zu Ehren von Prof. Franz Heidhues

Hohenheim, 14. Juli 2006

“Hunger” in den Entwicklungsländern

Source: FAO 2005

815797

824

673651

630

500

600

700

800

900

1990 1995 2002

Millions of

hungry people

Developing world without China

Developing world

Aceh Province

(Indonesia)

Timor-LesteMaldives

39 Länder waren 2005 von

Ernährungskrisen (“food emergencies”)

betroffen

39 countries are facing food emergencies

• Was macht die Welternährung unsicher?

• Wie Risiko und Unsicherheit der

Welternährung analysieren?

• Was tun?

• Konzeptionelles

Risiko und Unsicherheit: Konzept

• 1- bekannte Risiken: Ursachen, Wahrscheinlichkeiten und Konsequenzen sind bekannt; Risiko kann abgesichert werden

• 2- unbekannte Risiken: obwohl das Risiko verstanden wird, kann man die Wahrscheinlichkeit des Eintreffens nicht abmessen; Erfordert Flexibilität im Risikomanagment.

• 3- Unsicherheit: Risiken, die noch nicht zum Vorschein gekommen sind; die systematischen Verbindungen unbekannt. Vielzahl von Risikokombinationen.

Fazit: Der Welternährungsforschung mangelt es derzeit an Beachtung der zweiten und dritten Kategorie

Generelle Risikobereiche

fuer die sich Davos 2006 interessierte

1. Wirtschaftliche Risiken

2. Umweltbezogene Risiken

3. Geopolitische Risiken

4. Technologische Risiken

5. Soziale Risiken

6. Gesundheitsrisiken

Alte und neue Ernährungsprobleme und Risiken

Problemlagen Direkte Ursachen Indirekte Ursachen und

Risiken

Anzahl der Betroffenen

Unterernährung Defizit an Kalorien

und Proteinen; oft in

Interaktion mit

Infektionskrankheiten

1. wirtschaftliche

Risiken

2. umweltbezogene

Risiken

3. geo- & lokal-

politische Risiken

4. technologische

Risiken

5. soziale Risiken

6. Gesundheitsrisiken

mind. 1,2 Mrd.

Mangel an Mikro-

Nährstoffen

Unzureichende

Versorgung mit

Vitaminen und

Mineralstoffen

ca. 2 Mrd. bis 3 Mrd.

Untergewicht bei Geburt

oder/und Gewichtsverfall

in den ersten beiden

Lebensjahren

Mangelernährung von

Müttern; mangelnde

Pflege und

Gesundheitsprobleme

; verkürztes Stillen

15.5% aller Geburten

weltweit (ca. 20.6

Millionen)

Übergewicht und

resultierende chronische

Krankheiten

Überhöhter Konsum

von Kalorien (oft bei

gleichzeitigem

Mangel an Vitaminen

und Mineralstoffen)

ca. 1,2 Mrd. bis 1,7 Mrd.

Neue, neu erkannte und alte Risiken der

Welternährung im Einzelnen

Y

%100

50

0

Labor

GDP

Risiko 1: Tempo der landw. Transformation

2005 – 2020

Risiko: Tempo der landw. Transformation

Beschaeftigung 2005 – 2020 in Milliarden

Landw. Ländl.

Nicht-

Landw.

Städt. Insges.

2005 0.9 0.6 1.5 3.0

2005-2020 - 0.3 +0.4 +0.4 +0.5

von Braun, 2005; Database Tarantino 2005, UN World Population Prospects und ILO Labor Statistics

Risiko 2: Globalisierungsrisiko vermehrte

Ungleichverteilung von Einkommen und Kapital

• Hypothese: “die Wirkung von

Wirtschaftswachstum für die Verbesserung

der Ernährungslage nimmt ab, weil es die

Armen nicht erreicht”

Regressionsanalyse zu

Einkommen (GDP/Kopf) und Unterernährung

Koeffizienten 1990-1992 1995-1997 2001-2003

GDP/Kopf -0.00836

(-4.08)

-0.0098

(-4.72)

-0.0083401

(-4.87)

(GDP/Kopf)2 0.0000006515

(2.46)

0.00000084

(3.13)

0.00000074

(3.27)

Africa dummy 9.04776

(3.13)

10.699

(3.60)

11.476

(4.48)

Rsq 0.42 0.49 0.47

Punkt-Elastizität bei

GDP pro Kopf von

US$1000

-0,34 -0,39 -0,40

Note: t-Statistik in ( )

Einkommen (GDP/Kopf) und Unterernährung

0

10

20

30

40

50

60

0 1000 2000 3000 4000 5000 6000

GDP per Capita (in constant 2000 US$)

Undernourishment

(% of pop) Log. (1990-1992)

Log. (2001-03)

Log. (1995-1997)

GDP per capita data obtained from World Bank (2005)

Undernourishment data obtained from FAO (2005)

Aber: z.B. Pakistan, Peru,…

Umweltbezogene Risiken

• Desaster

• Klimawandel

• Dürre

Ist die Welt unsicherer geworden?

Source: EM-DAT 2005 and author’s estimate for 2005

Lives lost to and number of natural disasters, 1990–2005

0

50

100

150

200

250

300

1990 1991 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005*

Death

s t

o n

atu

ral

dis

aste

rs (

tho

usan

ds)

0

100

200

300

400

500

600

Nu

mb

er

of

natu

ral

dis

aste

rs

Number of deaths

Number of disasters

Schock und Falle

Variations in the Earth’s surface temperature, 1000 to 2100

Dürre – eines der größten Ernährungsrisiken

Sequenzen von Dürreperioden > lokale

Knappheiten > drastische Preissteigerungen >

Abbau von Kapitalstöcken, Migration >

Hunger > langfristige Ernährungs- und

Gesundheitsproblemen.

Züchtung dürreresistenter Sorten hohe Priorität

in der internationalen Agrarforschung

Überleben von Erwachsenen nach Saison

der Geburt (1949 cohort)

Schock und Falle

0,4

0,5

0,6

0,7

0,8

0,9

1

1 3 5 7 9

11

13

15

17

19

21

23

Rainy

Dry

0 5 10 15 20 25 30 35 45 Jahre

Moore et al., 1997

Geo- und lokalpolitische Risiken

Konflikte, Kriege und Ernährung…

• Korrelation: ja, aber

• Kausalitäten zweiseitig:

Ernährungsprobleme < > Konflikte ?

• Darfur, Kongo, Nord-Korea, etc.

Bezug zu natürlichen Ressourcen,

internationalen Beziehungen

Technologische Risiken

Risiken treten erst durch den unsachgemäßen Einsatz von Technologie auf.

Technologie für die Nutzung von Bioenergien in Konkurrenz zur Nahrungsmittelproduktion?

Die Abhängigkeit von Erdölenergie-getriebener Technologie kann die Versorgung mit Nahrungsmitteln unter neuen Stress setzten.

Weltweit lawinenartige Investition in Bio-Energie die landwirtschaftliche Rohstoffe nachfragen wird.

Getreide- und Energie Preis

1995–2005

Sources: FAO Commodities and Trade Division, USDA and OPEC

0

50

100

150

200

250

300

350

1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005

Price index (1995 =

100)

OilWheatRiceMaize

Joachim von Braun, IFPRI, Dec. 6, 2005; CGIAR, AGM.

Soziale Risiken

• Verfall staatlicher sozialer Sicherung

• Reduzierte kommunale oder familiäre

Absicherung

• Diskriminierung: nicht neu, aber neuerdings in

seinen Tragweiten besser erkannt (Frauen,

ethnische D., religiöse D.)

Gesundheitsrisiken

Frühkindliche Unterernährung (-9 / + 24 M. )

HIV/AIDS

Malaria

Vogelgrippe…

Mikronährstoffdefizite

Haben unterschiedliche Risiko-

Wahrscheinlichkeiten und zeitliche Abläufe

Risiken und Unsicherheiten in unseligen

Kombinationen

Risiko-Kombinationen und Szenarien

Was wenn …

• Mehrere der bekannten Risiken zugleich eintreffen?

• Unbekannte neue Risiken hinzutreten?

Wir wollten gern wissen…

• Wann?

• Wie wahrscheinlich ?

• Wie schwerwiegend ?

Low Severity

Low Likelihood

High Severity

High Likelihood

High Severity

Low Likelihood

Low Severity

High Likelihood

Massen-

migration aus

dem kl.

Bauernsektor

Öl Preis

Schock

Betrachtungsrahmen: “Severity” und

“likelihood” von Risiken

Likelihood

Severity

Avian Flu –

Stop der

Globalisierung

Source: adapted from World Economic Forum 2006

Szenarien mit IMPACT-IFPRI Modell: Unterernährte Kinder in 2050

Afrika südlich der Sahara

0

5

10

15

20

25

30

35

40

45

50

1997 2015 2030 2050

Millio

n c

hild

ren

Progressive Policy

Actions

Policy Failure

Technology and

Resource

Management Failure

Quelle: IFPRI IMPACT Projektionen (September 2004)

Implikationen für die Forschung zu

Ernährungssicherung

Wandel der Konzepte in der ökonomischen

Forschung zur Ernährung

früher

• Defizite in der Produktion;

• nationalen und internationalen Preisschwankungen;

• Land-, Wasser-, Inputaspekten der Versorgung und Ernährung;

• aggregierte Konzepte (nationale, regionale);

• Einkommensbezogenen Untersuchungen;

• statischen Konzepten;

• Kalorienmangel

heute

• Variabilität in Versorgung und Handel;

• Nicht-Preisschocks

• Umwelt und Ökosystem-Beziehungen

• kommunale, sowie inter- & intra-Haushaltskonzepte; Recht & Institutionen

• Gesundheit und Pflege

• „Vulnerabilität“

• Diät und alle Nahrungsinhaltsstoffe

Nicht außer Acht lassen wie Arme selbst

mit Risiko und Unsicherheit umgehen

• Diversifizierung

• Innovation

• Netzwerke

• Migration

• Sparen

Und auch diese autonomen Strategien unterstützen

Risiken und Chancen liegen nahe beieinander

Aber: Schocks führen oft in Fallen

Implikationen für die Forschung zur

Ernährungssicherung

1. Von Punktschätzungen zu Bandbreiten und

Wahrscheinlichkeiten

2. Optimierung zwischen Politikbereichen: 1)

Wachstums- 2)soziale Sicherungspolitik und

3)Desastervorsorge

3. Versicherungsansätze vermehrt verfolgen

>Forschung & Technologie dienen der

Risikovorsorge

Und Wer soll was tun?

Wandel der Akteure in der Ernährungspolitik

• nationale Politik bleibt zentral, aber…

• lokale Regierungen zunehmend relevant,

• NGOs lokal und weltweit,

• Privater Sektor (international und national)

Fazit: Die globale institutionelle Architektur zur

Gestaltung der Welternährung

> sollte neue Akteure mehr einbeziehen

muss Risiken und Unsicherheiten antizipieren

und helfen Chancen wahrzunehmen