Präsentation Pädagogische Architektur

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Reader - Nur für Studienzwecke

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PÄDAGOGISCHE ARCHITEKTUR

Herausgegeben von Fachhochschule Aachen | Fachbereich Architektur – Technische Universität Dortmund | Fakultät Raumplanung – Universität Köln | Humanwissenschaftliche Fakultät – Universität Siegen | Fachbereich Erziehungswissenschaft und Psychologie

Frühjahr 2009

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NUR FÜR STUDIENZWECKE

Mit freundlicher Unterstützung vonMontag Stiftung Urbane Räume gAG – Montag Stiftung Jugend und Gesellschaft

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PÄDAGOGISCHE ARCHITEKTUR

Textsammlung des Lehrgebiets Entwerfen, Gebäudelehre und CAAD am Fachbereich Architektur der Fachhochschule Aachen, des Fachgebiets Städtebau, Stadtgestaltung und Bauleitplanung an der Fakultät Raumplanung der Technischen Universität Dortmund, des Lehrgebiets für Internationale Lehr- und Lernforschung an der Humanwissenschaftlichen Fakultät der Universität zu Köln und des Fachbereichs Erziehungswissenschaft und Psychologie an der Universität Siegen

mit freundlicher Unterstützung vonMontag Stiftung Urbane Räume gAGMontag Stiftung Jugend und Gesellschaft

Konzeption und Zusammenstellung:Frauke Burgdorff (Montag Stiftung Urbane Räume gAG)Dr. Karl-Heinz Imhäuser (Montag Stiftung Jugend und Gesellschaft)Päivi Kataikko (TU Dortmund)Dirk E. Haas (RE.FLEX architects_urbanists)

Die Textsammlung wird ausschließlich im Rahmen eigener Veranstaltungen entgeltfrei zu Studienzwecken zur Verfügung gestellt.

1. Auflage (2009)

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EDITORIAL

Seit einigen Jahren findet eine breite gesellschaftliche Debatte um Schulen, Schulformen und Schularchitektur statt, die ange-sichts der wachsenden Einsicht, dass Bildung die wesentliche Basis einer „Lernenden Gesellschaft“ ist, in Zukunft noch sehr viel größeren Raum einnehmen wird. In der pädagogischen Forschung ist von neuen Bildungskonzepten die Rede, die sich aus den Anforderungen der Lernenden Gesellschaft (oder auch „Wissensgesellschaft“) ergeben: Neue Lern- und Unterrichtskulturen sollen auf dynamische, sich immer wieder verändernde Lebenssituationen vorbereiten, bewegliches, übertragbares Wissen und handlungsorientiertes Lernen fördern und dabei vorrangig den individuellen Lernrhythmen Raum geben. Herausbilden soll sich eine neue Wissens- und Kompetenzkultur, die sich deutlich vom Anforderungsprofil der fordistischen Industriegesellschaft unterscheidet.

Dies wird auch die Schulen, wie wir sie bislang kennen, massiv verändern: Sie werden sich auf die neuen Lernkulturen einstel-len und die dafür bestmöglichen räumlichen Arrangements bereitstellen müssen, sie werden aber auch neue gesellschaftliche Aufgaben übernehmen und sehr viel stärker als bisher in Netzwerke und integrierte Bildungslandschaften eingebunden sein. Deshalb sind Pädagogen, Architekten und Planer gleichermaßen aufgefordert, „Schulen in einem radikalen Sinn neu zu denken“ (Otto Seydel).

Schulen (oder besser noch: Bildungseinrichtungen) neu denken – das bedeutet auch, dass Pädagogen, Architekten und Planer dies künftig stärker gemeinsam tun werden. Schon jetzt machen sie die Erfahrung, dass ein integriertes, disziplinenübergreifen-des Handeln an den vielen Schnittstellen von Bildung, Architektur und Stadt unverzichtbar geworden ist. Für dieses interdiszipli-näre Handeln braucht es – künftig noch stärker als bisher – interdisziplinär erarbeitetes Wissen.

Die vorliegende Textsammlung „Pädagogische Architektur“ ist eine erste Grundlage für dieses gemeinsame Wissen angehender Pädagogen, Architekten und Stadt- bzw. Raumplaner. Sie ist maßgeblich auf Initiative der Montag Stiftungen entstanden, die mit ihren Projekten und Aktivitäten zu den Themen „Pädagogische Architektur“ bzw. „Bildungslandschaften“ bereits einen viel versprechenden Dialog zwischen Pädagogik und Planung initiiert haben – einen Dialog, an dem die Hochschulen (FH Aachen, TU Dortmund, Universität Köln, Universität Siegen) bereits auf unterschiedlichen Ebenen beteiligt sind. Mit dem ersten gemeinsamen Reader sind nun neue Möglichkeiten konkreter Kooperation der beteiligten Fachbereiche bzw. Studiengänge verbunden, zum Bei-spiel bei frei wählbaren Modulen der Masterstudiengänge oder gemeinsamen Fachexkursionen und Werkstätten.

Der Reader enthält eine Auswahl wichtiger Beiträge zu den unterschiedlichen Aspekten pädagogischer Architektur und gibt damit einen thematischen Überblick über die vielfältigen Wechselbeziehungen zwischen Pädagogik, Architektur und Stadtplanung. Es ist vorgesehen, die Textsammlung in regelmäßigen Abständen fortzuschreiben, um das gemeinsame Wissen der beteiligten Diszipli-nen auf dem neuesten Stand zu halten.

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INHALTSÜBERSICHT

[txt_1] 6Hans Brügelmann: Aus welchen Welten kommen Kinder und Jugendliche in die Schule? [aus: Brügelmann, Hans: Schule verstehen und gestalten. Konstanz. Libelle. 2005]

[txt_2] 18Peter Senge: The Industrial Age System of Education[aus: Senge, Peter et al: Schools That Learn. New York. Doubleday / Random House. 2000]

[txt_3] 28 Rainer Brockmeyer: Neues Lernen und die Erwartungen an eine neue Lernkultur [aus: Watschinger, Josef und Josef Kühebacher (Hg.): Schularchitektur und neue Lernkultur. Neues Lernen – Neue Räume. Bern. h.e.p. verlag. 2007]

[txt_4] 43 Alan Wakefield und Daniel Kurz: Der Stand der Dinge. Neues vom Schulhausbau[aus: Hochbaudepartment der Stadt Zürich, ETH Zürich, Schul- und Sportdepartment der Stadt Zürich, Pädagogische Hochschule Zürich (Hg.): Schulhausbau. Der Stand der Dinge. Basel, Boston + Berlin. Birkhäuser – Publishers for Architecture. 2004]

[txt_5] 60Otto Seydel: Die gute Schule der Zukunft [aus: Wüstenrotstiftung (Hrsg.): Schulen in Deutschland – Neubau und Revitalisierung. Stuttgart + Zürich. Karl Krämer Verlag. 2004]

[txt_6] 79Kenn Fisher: Ne(x)t Gen Learning Environments [aus: The Scottish Government (Ed.): Building Excellence. Exploring the Implications of the Curriculum of Excellence for School Buildings. Edinburgh. 2007]

[txt_7] 88Florence Pfaff: Das Offene Klassenzimmer. Neue Konzepte für die Gestaltung von Lernbereichen.[veröffentlicht in: Metamorphose. Bauen im Bestand. Schulen umbauen. 02/2008]

[txt_8] 95Johanna Forster: Kind und Schulraum – Ansprüche und Wirkungen[aus: Becker, Gerold und Johannes Bilstein, Eckart Liebau (Hg.): Räume bilden. Studien zur pädagogischen Topologie und Topografie. Seelze. Kallmeyersche Verlagsbuchhandlung. 1997]

[txt_9] 116Christian Rittelmeyer: Architektur von Bildungseinrichtungen[veröffentlicht in: Coelen, Thomas und Hans-Uwe Otto (Hg.): Grundbegriffe Ganztagsbildung. Das Handbuch. Wiesbaden. VS Verlag für Sozialwissenschaften. 2008]

[txt_10] 125Thomas Coelen: Raumpädagogik. Skizzen zu einem pädagogischen Raumbegriff[veröffentlicht in: Peters, Lutz et al (Hg.): Kommune heute. Lokale Perspektiven der Pädagogik. Frankfurt a.M. u.a.. Lang. 2003]

[txt_11] 141Niklaus Kohler und Markus Peter: Die Nachhaltigkeit von Schulgebäuden als Beispiele öffentlichen Bauens (Auszug) [aus: Wüstenrotstiftung (Hg.): Schulen in Deutschland – Neubau und Revitalisierung. Stuttgart + Zürich. Karl Krämer Verlag. 2004]

[txt_12] 151Jürgen Zimmer und Elisabeth Niggemeyer: Vierundzwanzig Stunden aus dem Leben einer Nachbarschaftsschule[aus: Zimmer, Jürgen und Elisabeth Niggemeyer: Macht die Schule auf, laßt das Leben rein. Weinheim / Basel. Beltz. 1986

[txt_13] 161Gert Kähler: Schule – Stadt – Öffentlichkeit[aus: Wüstenrotstiftung (Hg.): Schulen in Deutschland. Neubau und Revitalisierung. Stuttgart + Zürich. Karl Krämer Verlag. 2004]

[txt_14] 178Peter Eberhard und Urs Meier: Lern-Räume: Pädagogik und Architektur im Dialog[aus: Hochbaudepartment der Stadt Zürich, ETH Zürich, Schul- und Sportdepartment der Stadt Zürich, Pädagogische Hochschule Zürich (Hg.): Schulhausbau. Der Stand der Dinge. Basel, Boston + Berlin. Birkhäuser – Publishers for Architecture. 2004]

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Hans Brügelmann: Aus welchen Welten kommen Kinder und Jugendliche in die Schule?

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Peter Senge: The Industrial Age System of Education

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Rainer Brockmeyer: Neues Lernen und die Erwartungen an eine neue Lernkultur

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Alan Wakefield und Daniel Kurz: Der Stand der Dinge. Neues vom Schulhausbau

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Otto Seydel: Die gute Schule der Zukunft

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Kenn Fisher: Ne(x)t Gen Learning Environments

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Florence Pfaff: Das Offene Klassenzimmer

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Johanna Forster: Kind und Schulraum – Ansprüche und Wirkungen

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Christian Rittelmeyer: Architektur von Bildungseinrichtungen

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Christian RittelmeyerArchitektur von Bildungseinrichtungen

1. Problemstellung

In den Jahren 1989-1995 wurde an der Universität Göttingen ein umfangreiches Forschungsprojekt zur Auswir-kung verschiedener Schulbauformen auf Schülerinnen und Schüler durchgeführt (Rittelmeyer 1994). Unter ande-rem wurden Kinder und Jugendliche nach ihrem Erleben bestimmter Innenraum- und Fassadenansichten befragt, und zwar im Hinblick sowohl auf reale Gebäude als auch auf gezeigte Schulbau-Abbildungen. So zeigten wir z. B. das Bild einer als monoton erlebten Fassadenansicht, vor der ein gepflasterter großer Schulhof zu sehen ist. Um dessen Eintönigkeit zu entschärfen, hatte der Architekt Aufwölbungen der Hofpflasterung vorgenommen (Abbil-dung 1).

Abb. 1

Welche Empfindungen stellten sich hier besonders häufig ein? In der Regel gab es skeptische Gesichter, auch La-chen. Erlebt wurde vor allem eine unbeholfene, ja lächerliche Baurhetorik: Erkennbar sollte die monotone Schul-landschaft "aufgelockert" werden – aber die Rhetorik dieser Auflockerung verstärkte den Eindruck der (offenbar ja auch bei den Erbauern durchschauten) anregungsarmen Schulbau-Gestaltung. Der Versuch ihrer Vertuschung wur-de erlebt als naives Unternehmen der Irreführung, als Geste der Unwahrhaftigkeit. Die sogenannten ‚Breakouts’ auf dem Schulhof stellen, wie es ein Schüler ausdrückte, eine ‚architektonische Lüge’ dar. Welcher „Geist“ dabei vorherrschend war, zeigt eine auf dem Schulhof angebrachte Tafel mit der folgenden Erklärung des Architekten: „Diese konstruierten Deformationen der Pflasterflächen im Pausenhof stellen vermeintliche Geo-Kräfte dar, die eine Art Natur-Rache gegen den unaufhörlichen Überpflasterungstrieb der Menschen symbolisieren sollen. Durch ihre Wirkung als unerwartete Natur-Phänomene weisen sie auch auf die Beziehung dieser Schule zur Natur für werdende Naturwissenschaftler hin. Die Breakouts sind nicht als Spielgerät gedacht und es wird gebeten, sie nicht zu betreten oder zu besteigen.“ (Zentralstelle 1985: 49).

Ein wichtiger Befund unserer Schulbau-Forschungen bestand in dem Nachweis, dass Schulbauten gestisch bzw. gebärdenhaft erlebt werden – sie erscheinen beschwingt, traurig, brutal, geschwätzig, lebendig, erstarrt, verspielt, gewalttätig, gesichts- und charakterlos, fragil, zudringlich, freilassend, im Fall der gezeigten Abbildung trostlos.

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In einem gewissen Sinn begegnen die verschiedenen Raumgestalten in Schulen, die Fassaden, Farbgebungen, Geländegestaltungen usw. den Kindern als „Interaktionspartner“, als z. B. bedrängende oder freilassende, düstere oder heitere Umgebungsfiguren.

Häufig kann man bei Befragungen das Erleben gegensätzlicher Schulbau-Prototypen entdecken – wobei bisher selten geschlechtsspezifische Unterschiede aufgetreten sind. Wir haben z. B. 14- bis 16jährige Schülerinnen und Schüler gebeten, bestimmte Schulbau-Ansichten (Fachräume, Klassenzimmer oder Fassaden) auf Semantischen Differentialen einzustufen. Bei diesem Verfahren werden aus allen Urteilen die Mittelwerte gebildet, in die Diffe-rentiale eingetragen und durch Linien verbunden, so dass man ein sogenanntes Polaritätenprofil erhält. Abbildung 2 zeigt beispielhaft die Beurteilung von zwei Schulfassaden. Die eine Schulansicht erhielt ein eindeutig negatives, die andere ein eindeutig positives Beurteilungs-Profil. Beide Bautypen stellen also aus Schülersicht gegensätzliche Prototypen dar. Die eine Fassadenansicht wirkt eher hart, abstoßend, unbelebt, bedrängend, starr, feindlich und düster. Die andere wirkt dagegen eher leicht, abwechslungsreich, anziehend, belebt, freilassend und freundlich (Rittelmeyer 1987: 174).

Abb. 2

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In der pädagogischen Fachliteratur, aber auch in bildungspolitischen Verlautbarungen wird neuerdings häufig über das didaktischen Arrangement der „Lernlandschaften“ gesprochen. Damit ist nicht nur gemeint, dass „Schulen der Zukunft“ vielfältige regionale Kooperationsprojekte z. B. mit Museen, Institutionen der kulturellen Jugendbil-dung, Handwerks- und Industriebetrieben, Sportvereinen, Forstverwaltungen, wissenschaftlichen Instituten usw. aufbauen und produktiv nutzen sollen, sondern auch, dass in der unmittelbaren gegenständlichen Umgebung viel-fältige didaktische Gesichtspunkte berücksichtigt werden (z. B. Rückzugsecken für Lerngruppen, Flexibilität der Raumgestaltungen oder Nutzbarmachung landschaftlicher Umgebungen für den Biologieunterricht). Dass aber solche „Lernlandschaften“ durch ihre jeweilige „Physiognomie“ unter Umständen ständig Botschaften vermitteln, die dem Sinn humaner Bildungsbestrebungen entsprechen oder aber widersprechen, wird in der Diskussion kaum bedacht. Es ist daher auch in dieser Hinsicht sinnvoll, über eine – wie ich sie nennen möchte – „mimetische Lern-kultur“, also über die Vorbildfunktion einer Rhetorik derartiger Lernlandschaften genauer nachzudenken. Wenn Kinder z. B. einerseits hören, wie sehr man sich um eine kinderfreundliche Pädagogik bemüht, in Schulbauten aber Ausdrucksformen der Brutalität, Kälte und Charakterlosigkeit wahrnehmen, dann wird ihnen nicht nur eine in sich inkonsistente Botschaft vermittelt, sondern ebenso die architektonische Mitteilung, dass es mit der kinder-freundlichen Pädagogik nicht ganz so ernst gemeint ist. Hier sind also tiefgreifende Wahrheitsprobleme impliziert. Ebenso sind ethische Probleme im Baumilieu inszeniert, wenn dem Anregungs-, Freiheits- und Zuwendungsbe-dürfnis von Kindern mit architektonischen Gesten der Monotonie, Aggressivität und Kälte geantwortet wird (vgl. dazu auch Rittelmeyer 1996, 2004).

Diese erlebten Botschaften der Schularchitektur werden wie die von Lehrern bewertet – in der Regel geschieht das allerdings unbewusst und macht sich in bestimmten (positiven oder negativen) Grundeinstellungen der Kinder zur Schule, im atmosphärischen Empfinden der Baugestalt bemerkbar. So führen z. B. brutal, gesichtslos, abstoßend, hektisch oder arrogant wirkende Bau- und Farbelemente zu antipathischen Grundstimmungen. Obgleich mir kei-ne Untersuchungen dieser Art für außerschulische Institutionen (z. B. im Hinblick auf die räumliche Gestaltung von Kindergärten oder Einrichtungen der kulturellen Jugendbildung) bekannt sind, dürfte diese Tatsache sozialer Botschaften des architektonischen Milieus auch dort von erheblicher Bedeutung sein. Je länger junge Menschen – beispielsweise in Institutionen der Ganztagsbildung – diesem Milieu ausgesetzt sind, umso nachhaltiger werden diese Botschaften sich in positiver oder negativer Hinsicht auswirken. Denn die internationale Schulbauforschung hat deutlich gemacht, dass negative architektonische Botschaften etwa der Aggression, der Unwahrhaftigkeit, der Zudringlichkeit, Kälte oder Asozialität von Kindern nicht nur – meist unbewusst, aber antipathisch – wahrgenom-men werden, sondern auch manifeste negative Wirkungen ausüben.2. Forschungsergebnisse zur Wirkung der Schularchitektur

So hat z. B. ein Forschungsüberblick des Design-Councils London gezeigt, dass die erlebte Qualität des Schulbau-Milieus erhebliche Auswirkungen auf die Stimmungen und auf das Wohlbefinden der Schüler hat (Higgins u. a. 2005). Empirische Studien in Deutschland haben aufweisen können, dass positiv erlebte Schulumgebungen (Architektur, Farbgebung, Schulhofgestaltung, Dekor usw.) mit geringeren vandalistischen Aktivitäten der Schüler und Schülerinnen assoziiert sind (Klockhaus/Habermann-Morbey 1986). Einige Forschungsarbeiten zeigen, dass positiv erlebte Schulbau-Umgebungen (z. B. mit Fenstern versehene statt fensterlose Klassenzimmer oder „warme“ Beleuchtung statt Neonlicht) die Krankheitsrate der Schüler senken; analoge Untersuchungen aus Krankenhäusern zeigen ähnliche Effekte (z.B. Kuller/Lindsten 1992, Ulrich 1984, Blum u.a. 2002, Ulrich 2004). Meine eigenen Untersuchungen haben deutlich gemacht, dass die Schularchitektur ausgeprägte körperliche Auswirkungen hat: Je nach vorherrschenden Formen und Farben werden Spannungs- und Entspannungsgefühle, Gefäßdurchblutung, Blickbewegungen und andere körperliche Prozesse in einer besonderen Weise provoziert; diese leibliche Kompo-nente der Architekturwirkung macht erst verständlich, warum z. B. Schulvandalismus, Krankheitsanfälligkeit oder Antipathien durch bestimmte Schulbauformen hervorgerufen bzw. vermindert werden (Rittelmeyer 1994, 2002).

Untersuchungen in den USA von Glenn Earthman haben gezeigt, dass die Schulleistungen in fast allen Fächern verbessert werden können durch ein architektonisches Umfeld, das Kindern und Jugendlichen sympathisch ist; werden Schulgebäude antipathisch erlebt, verschlechtern sich im statistischen Schnitt auch die Schulleistungen (Earthman 1999, auch Tanner/Langford 2003). Zu ähnlichen Ergebnissen kommt ein Forschungsüberblick des gleichen Autors, der auf dieser Grundlage Empfehlungen für die Gestaltung von Schulbauten entwickelt (Earthman 2004; ferner auch Tanner/Lackney 2006). Auch eine Untersuchung an Schulen New Yorks machte Auswirkungen dieser Art deutlich (Simon u.a. 2007).

Es kann demnach kein Zweifel daran bestehen, dass die Schularchitektur Botschaften an Kinder vermittelt, die

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manifeste positive oder negative Wirkungen ausüben. Die räumliche Gestaltung der Bildungsstätten berührt in signifikantem Ausmaß auch die Bildungschancen Heranwachsender. Es wäre interessant, im Rahmen der PISA-Untersuchungen auch diesem Aspekt Aufmerksamkeit zu widmen. Das ist bisher in Deutschland nicht gesche-hen; eine angelsächsische OECD-Studie hat leider den Nachteil, dass der entsprechende Zusatzfragebogen nur an Schulleiterinnen/Schulleiter ausgeteilt und zudem auf die technische Ausstattung (Belüftung, Beleuchtung usw.) statt auf die eigentlich wichtige ästhetische und rhetorische Gestaltung einer Schulanlage konzentriert war (Ahle-feld 2007).

3. Gesichtspunkte für die Analyse der Architektur von Bildungseinrichtungen

Gerade im Zusammenhang einer Neukonzeption der Ganztagsbildung (und hier insbesondere der Ganztagsschu-len) fällt mir immer wieder die Neigung von Pädagogen auf, etwa in Tagungszusammenhängen mit Begeisterung (vermeintliche) didaktische Innovationen zu entwerfen und diese dann sogleich „umsetzen“ zu wollen auch in Pläne zur räumlichen Gestaltung der Bildungsinstitutionen. Vor einem solchen Spontanaktivismus muss jedoch gewarnt werden, nicht zuletzt mit Blick auf die Geschichte solcher „Umsetzungsversuche“. Erinnert sei hier nur an die auf vielen Treppenhaus- und Hallenwänden verbreitete grelle Illusionsmalerei. Bilder dieser Art wurden insbesondere von Kunstlehrern gemeinsam mit den „Kids“ zur „Verschönerung“ trostloser Betonwände in Schulen aus den 1970er Jahren geschaffen. Statt Weite und Transparenz, also das für Schülerinnen wie Schüler wichtige Qualitätskriterium einer freilassenden Baugestalt zu signalisieren, scheinen diese jedoch aggressiv in den Bau hereinzubrechen. Solche Beispiele sind inzwischen Legion, so dass an die Stelle eines vorschnellen Aktionismus eine Art Alphabetisierung, eine Sensibilisierung im Hinblick auf die einleitend beschriebenen Botschaften der je-weiligen Bau-, Farb- und Dekorcharakteristik zu fordern ist. Die Gestaltung des architektonischen Milieus ist ein in Wahrheit komplexes Geschehen, das differenzierte Planungen und Reflexionen voraussetzt. Worauf ist dabei zu achten?

Die Beantwortung dieser Frage setzt voraus, dass man verschiedene Aspekte der architektonischen Wirkung un-terscheidet, die im realen Bauerleben immer zusammenwirken, in der Regel allerdings nicht bewusst werden. Denkt man genauer über die Anmutungsqualität von architektonischen Gebilden nach, wird man mindestens die folgenden fünf Aspekte unterscheiden können, die den Gesamteindruck eines Gebäudes – und damit auch die da-rauf bezogenen Bewertungskriterien – wesentlich bestimmen: Ich möchte sie als anthropologische, historische/kul-turkritische, soziale, widmungsbezogene und regionale Aspekte der Architektur unterscheiden. Erst die Beachtung ihres Zusammenwirkens im konkreten Baueindruck macht es möglich, die Frage nach einer menschengemäßen Architektur bzw. Raumgestaltung in Bildungsstätten qualifiziert zu diskutieren.

Der anthropologische Aspekt: Jede Wahrnehmung gebauter und gestalteter Räume erfolgt über verschiedene Sinne, also über das Zusammenwirken z. B. des Hör- Seh- und Gleichgewichtssinns. Dabei verbindet sich die Wahrneh-mung über sogenannte außengerichtete Sinne (z. B. Seh- oder Hörsinn) mit der gleichzeitigen Wahrnehmung des eigenen Körpers über sogenannte innengerichtete Sinne (z. B. Eigenbewegungssinn, Gefühl von Anspannung bzw. Entspannung oder Temperaturempfindung durch Veränderung der Gefäßdurchblutung in verschiedenen Raumar-rangements, vgl. ausführlich dazu Rittelmeyer 2002, Kapitel 2). Die Architekturwahrnehmung ist daher von der gesamten Leiblichkeit des Menschen her zu interpretieren, insbesondere bedarf es einer genaueren Analyse des Zusammenspiels verschiedener Sinnesqualitäten (sogenannter Synästhesien), über die wir architektonische Gebil-de (überwiegend unbewusst) erschließen. Wir konnten in unseren architekturpsychologischen Untersuchungen im Hinblick auf Schulen z. B. feststellen, dass einige Jugendliche in einer Umgebung mit „warm“ wirkenden Farben (wie gelborange) in der Brustregion mit einer leichten Erhöhung ihrer Hauttemperatur reagierten, bei kühleren Farben (z. B. weißblau) reagierten sie mit einer leichten Absenkung der Temperatur. Offenbar führt die Registrie-rung der Farbe im Gehirn zu einem Impuls in die „Peripherie“ (Brustregion), wo die Gefäßdurchblutung angeregt oder herabgesetzt wird. Die dabei entstehende Temperaturveränderung wird über Thermorezeptoren dann wieder ins Gehirn zurückgemeldet und verbindet sich hier mit dem optischen Objekteindruck. „Äußerer“ (visueller“) und „innerer“ (thermischer) Eindruck verbinden sich also zur synästhetischen Anmutungsqualität des Bauwerks. Erst dieses Zusammenspiel nach innen und nach außen gerichteter Sinne führt zu seiner sympathischen oder an-tipathischen Einstufung der gesehenen Architektur („Das Blaugrau ist mir zu kühl“; „Die Farbe wirkt zu warm – bedrängt mich“ usw.). Unsere Untersuchungen legen nun nahe, dass die Farbgebung im Baumilieu eine „mittlere Temperierung“ aufweisen muss, um angenehm und einladend zu wirken. Bildungsstätten sollten daher weder zu kalt noch zu warm wirken. Da zugleich der Anregungsreichtum ein wichtiges Kriterium der Architekturbewertung

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ist, darf darunter aber nicht eine durchgehende, gleichartige „mittlere“ Farbgebung verstanden werden – kühlere Passagen können durchaus mit wärmer wirkenden abwechseln, um den Gesamteindruck einer „mittleren“, aber gleichwohl anregungsreichen Architektur bzw. Farbgebung hervorzurufen. Es ist eine wesentliche Aufgabe der Innenraum-Gestaltung z. B. in Schulen und Kindergärten, solche Verhältnisse im architektonischen Gesamten-semble, mit künstlerischem Blick und sensibilisiertem Körpergefühl, als in sich stimmige Gesamtkonzeption des Gebäudes zu verwirklichen.Der historische und kulturkritische Aspekt: Die Architektur von Bildungsstätten ist im positiven oder negativen Sinn immer auch Zeugnis ihrer Zeit, sie folgt – wie jede Architektur – historischen und regionalen Trends oder auch nur Moden (man vergleiche z. B. den Bildband von Testa 1975 oder die Überlegungen von Perlick 1969 mit Beispielen aus unserer Gegenwart, wie sie in den Bänden von Kroner 1994 oder der Wüstenrot-Stiftung 2004 dokumentiert wurden). So waren beispielsweise in den 1970er Jahren in der deutschen Pädagogik zwar „Soziales Lernen“ und „Demokratisierung“ angesagt, zugleich entstanden jedoch die „Betonkästen“ und „Schulfabriken“, die diesem Prinzip durch ihre Kälte und Brutalität widersprachen und damit zwar typisch für den verbreiteten tech-nokratischen Zeitgeist waren, in Wahrheit aber weder den wirklichen historischen Bedürfnissen Heranwachsender noch der damaligen Leitdevise des „sozialen Lernens“ entsprachen. Schüler wie Schülerinnen wünsch¬ten sich schon damaligen Untersuchungen zufolge vielmehr Gemütlichkeit, Überschaubarkeit, Abwechslungsreichtum, Wärme und freilassende Formen in ihren Schulen (Institut für Schulbau 1977, Gollnow/Petersen 1976; kritisch dazu auch Kükelhaus 1983). Jede Analyse, aber auch jede Planung von öffentlichen Bauten muss also auch kritisch mit der Frage verknüpft werden, welche Bauformen fortschrittliche historische Signaturen zum Ausdruck bringen und welche diesen opponieren. Ich sehe deshalb die Notwendigkeit, bei der Analyse von Bauwerken historische und kulturkritische Perspektiven zu verbinden.Zu welchen Stilblüten eine unkritische Zeitgeist-Orientierung von Architekten und Bauplanern führen kann, zeigt exemplarisch die Rechtfertigung fensterloser Schulräume in Schulbauten der 1970er Jahre mit dem „Argument“, hier werde Demokratisierung und Chancengleichheit in die Bauform umgesetzt: Jeder Schülerplatz wird durch künstliche Beleuchtung mit der gleichen Lux-Stärke ausgeleuchtet, keiner wird etwa durch einen Sitzplatz an der Fensterfront in seiner Lichtausbeute bevorzugt oder an der Wandseite benachteiligt (vgl. den Bericht von M. Steu-erwald in der „Bauwelt“ 1975, S. 201 und 205). Tatsächlich zeigte sich jedoch, dass der Schulvandalismus sich in derartigen fensterlosen Gebäuden und Räumen besonders häufig artikulierte. Solchen historischen Spuren genauer nachzugehen, kann daher eine wesentliche aufklärende Funktion auch im Hinblick auf die Planung von Einrich-tungen der Ganztagsbildung in der Gegenwart haben. Es ist erfreulich, dass in den letzten Jahren verschiedene – vorrangig phänomenologisch und kasuistisch orientierte – Studien auch zur Geschichte des Schulbaus erschienen sind (z. B. Göhlich 1994, Freyer 1998, Jelich/Kemnitz 2003).Der soziale Aspekt: Dieser Aspekt wurde bereits durch meine Einleitungsbeispiele veranschaulicht, bei denen es um die Rhetorik des Baumilieus, um dessen gestisch-gebärdenhafte Anmutungsqualität ging. In der Gestal-tung von Lernräumen werden soziale Gesten objektiviert. Sie können den pädagogischen Intentionen ent- oder widersprechen. Eine wesentliche Aufgabe für die Planung solcher Bauten (aber auch für mit der Renovierung vorhandener Bauten betraute Personen) ist daher die Schulung einer hinreichenden Lektürefähigkeit für derartige Botschaften. So kann man beispielsweise häufig eine Rhetorik der Gewalttätigkeit in Schulbauten identifizieren, die von Kindern bei genauerer Betrachtung gelegentlich bewusst wahrgenommen, in jedem Fall aber unbewusst und antipathisch registriert wird.Ein Schulgebäude mit großem Zentralbau, der von zwei Seitentrakten eingefasst ist, erscheint befragten Kindern z. B. wie ein „Mensch, der drohend auf die davor spielenden Kinder zukommt, mit hoch erhobenen Armen“; ein Versorgungstrakt auf dem Dach wird als „viel zu schwer, erdrückend“ erlebt oder veranlasst ein Vorschulkind zu der Bemerkung: „Der hat so einen Druck auf dem Kopf“. Unseren Untersuchungen zufolge sind der Abwechs-lungs- und Anregungsreichtum, die freilassende Baugestalt und Farbgebung sowie die Wärme und Weichheit der Formen und Farben die grundlegenden Sympathie-Kriterien bei der Bewertung von Schulbauten. Verletzt wird in dem genannten Fall vor allem das Kriterium einer freilassenden, nicht beengenden und bedrängenden Baugestalt.

Der Aspekt der Raumwidmung: Dieser Gesichtspunkt betrifft die Frage, ob die architektonische und farbliche Gestaltung einer Bildungseinrichtung auch in Details auf ihre Aufgaben und Zielsetzungen abgestimmt ist. Um ein Beispiel aus dem Schulbereich zu nennen: In den von uns untersuchten Schulgebäuden wurde z. B. eine kühle Raumanmutung sehr unterschiedlich bewertet, je nachdem, ob sie z. B. einen Klassenraum kennzeichnete und hier insbesondere durch jüngere Kinder abgelehnt werde, oder ob sie einen Physik- und Chemieraum auszeichne-te, in dem sie kühleren, rationaleren Denkprozessen einen passenden atmosphärischen Rahmen zu geben schien. Sowohl das Alter der Kinder als auch die Zwecksetzung des einzelnen Raumes gilt es in diesem Fall etwa bei der Farbtemperierung zu bedenken. Hat man einen Raum mit musikalischer Widmung zu planen, dann werden

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geschwungene, „atmende“ Formen sicher ein passenderes Ambiente für diesen Zweck bieten als eine starre und serielle Architektur.

Im Zusammenhang mit der Etablierung sogenannter „Bildungslandschaften“ werden in diesem Zusammenhang neuartige Gestaltungsaufgaben entstehen, die bisher kaum diskutiert wurden. So hat beispielsweise das Frankfurter „Museum der Weltkulturen“ 2006 eine Tagung veranstaltet, in deren Rahmen nach Möglichkeiten gesucht wurde, „interkulturelle Verständigung“ gleichsam symbolisch auch im architektonischen Milieu eines Museumsneubaus zum Ausdruck zu bringen – etwa in Gestalt eines „Dialogs der architektonischen Elemente“. Das ist ausdrücklich mit der Perspektive geschehen, in Zukunft verstärkt mit (Ganztags-)Schulen zu kooperieren. – Ein religionspäda-gogisches Institut in Thüringen befasste sich mit der Frage, wie spirituelle Gehalte in der Raumgestaltung reprä-sentiert werden können.

Der regionale Aspekt: Dieser Aspekt betrifft die grundsätzliche Frage, ob ein bestimmtes Gebäude in seine Umge-bung passt. „Umgebung“ kann sowohl das unmittelbare bauliche oder landschaftliche Umfeld als auch der weitere kulturelle Zusammenhang sein, in dem das Gebäude steht bzw. situiert ist. Nicht selten werden Bildungseinrich-tungen und insbesondere Schulen als „brutal in die Landschaft gesetzte“, sich „aggressiv gegen ihr Umfeld richten-de“ oder aber auch als „harmonisch in das vorhandene Bauensemble eingefügte“ Gebäude beurteilt (vgl. dazu auch Rittelmeyer 1994, S. 69ff). Auch die Frage, ob man einem eher internationalistischen oder einem regionalen Bau-stil folgt, ist in diesem Zusammenhang von Bedeutung und wird in Fachkreisen heftig diskutiert. Man findet neben den überall auf der Welt gebauten, häufig kasernenartigen Rasterschulen und -kindergärten interessante Transfor-mationen regionaler und traditioneller Bauformen in moderne Schulgebäude, gewissermaßen als zukunftorientierte Vergewisserung des Reichtums eigener Traditionen. So werden in japanischen Stadtschulen oder in Landschulen Koreas tradierte Formen der Dachgestaltung oder des Fassadenschmucks aufgegriffen, ein Waldorfschul-Fassade in Norwegen zitiert die traditionelle Stabkirchen-Architektur des Landes, in südafrikanischen Landschulen werden traditionelle Holz-, Lehm- und Rundbauformen aufgegriffen und auf die spezifischen Unterrichtsinteressen abge-stimmt. In diesem Zusammenhang entstehen kritische Fragen, wie sie mit Blick auf den historischen Aspekt schon angedeutet wurden: Welchen Sinn hat dieses Aufgreifen regionaler und historischer Vorbilder, welche Botschaften gehen von ihnen aus, wie wirken sie auf Heranwachsende?

Die aufmerksame Beachtung dieser fünf Aspekte kann deutlich machen, dass die Frage nach einer für Lern- und Bildungsprozesse förderlichen Raumgestaltung sehr komplex beantwortet werden muss. Die sogenannte „Umset-zung“ pädagogischer Ideen in das jeweilige architektonische Milieu ist nicht nur auf eine gründliche Reflexion dieser Aspekte angewiesen, sondern auch auf eine fundierte Kenntnis der Forschungsergebnisse und vor allem auf eine gut entwickelte Sensibilität für die „Sprache der Architektur“. Wie kann man in dieser Hinsicht Kompetenzen erwerben?

4. Praktische Perspektiven

Es gibt inzwischen einige praxisorientierte Bücher, die mit Gestaltungsmöglichkeiten insbesondere von Kinder-gärten und Schulen befasst sind; Forschungen und praxisnahe Überlegungen im Hinblick z. B. auf Einrichtungen der außerschulischen Jugendbildung sind nach meiner Kenntnis bisher nicht systematisch durchgeführt bzw. zu-sammengestellt worden. Aber die im Hinblick auf Schulen und Kindergärten publizierten Arbeiten sind sicher hilfreich, fundiertere Überlegungen auch im Hinblick auf Bildungseinrichtungen anderer Art anstellen zu können (vgl. z. B. Cuadra 1996, Dreier u. a. 1999, Kroner 1994, Mahlke/Schwarte 1989, Noack 1996, Rittelmeyer 1994, Walden/Borrelbach 2002, Walden/Schmitz 1999, Watschinger/Kühlbacher 2007). Man sollte, wenn z. B. die Reno-vierung einer Bildungseinrichtung zu planen ist, mit Hilfe der Bildbände (Kroner 1994, Wüstenrot Stiftung 2004, Watschinger/Kühlbacher 2007) die verschiedenen möglichen Farb-, Material- und Formgebungen der Treppenhäu-ser, Klassenräume, Gruppenräume, Fassaden, Essräume, Flure usw. systematisch vergleichen, um auf mögliche Fehler der eingangs erwähnten Art rechtzeitig aufmerksam zu werden, aber auch mit dem Ziel, verschiedene Mög-lichkeiten einer positiven Raumgestaltung kennen zu lernen.

Die zahlreichen Irrwege des bisherigen Schulbaus lassen es geboten erscheinen, dass die Architektur von Bildungs-einrichtungen in Zukunft durch eine intensivere Zusammenarbeit der Behörden und Bauplaner mit den Betrof-fenen, d. h. dem pädagogischen Personal sowie den Kindern und Jugendlichen geplant und realisiert wird – viel-versprechende Ansätze dazu gibt es (Pfeffer 1994, vor allem aber Hübner 2005, Jones 2007). Die Einarbeitung in

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die zuvor genannten Forschungsergebnisse und Urteilsgesichtspunkte ist dafür allerdings eine für alle Beteiligten unerlässliche Voraussetzung.

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Thomas Coelen: Raumpädagogik. Skizzen zu einem pädagogischen Raumbegriff

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>[txt_11]Niklaus Kohler und Markus Peter:

Die Nachhaltigkeit von Schulgebäuden als Beispiele öffentlichen Bauens (Auszug)

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Jürgen Zimmer und Elisabeth Niggemeyer: Vierundzwanzig Stunden aus dem Leben einer Nachbarschaftsschule

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Gert Kähler: Schule – Stadt – Öffentlichkeit

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Peter Eberhard und Urs Meier: Lern-Räume: Pädagogik und Architektur im Dialog

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KONTAKT

Prof. Frank HausmannFachhochschule Aachen | FB Architektur | Lehrgebiet Entwerfen, Gebäudelehre und CAAD Bayernallee 952066 Aachenwww.fh-aachen.de/architektur1.html

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