Post on 15-Sep-2019
Projektinformation
Schule ohne Schranken
Simbabwe Ob sie einen Rollstuhl brauchen, blind oder taub sind: Kinder mit
Behinderung haben in dem südafrikanischen Land meist keine Chance auf Schul-
bildung. Die Jairos Jiri Association lässt sie Seite an Seite mit nicht behinderten
Kindern lernen.
Projektinformation Simbabwe – Schule ohne Schranken © Brot für die Welt Seite 2 21
Inhaltsverzeichnis
Landesinformation 3
Wissenswertes über Simbabwe
Schule ohne Schranken 4
Die Jairos Jiri Association lässt Kinder mit und ohne Behinderung
Seite an Seite lernen.
„Unser Ziel ist mehr Akzeptanz“ 7
Interview mit Wilson Ruvere, Direktor der Jairos Jiri Association
Sieg der Beharrlichkeit 9
Kann man ohne Hände Schneiderin werden? Ja! Iren Musengi beweist es.
Die Chance ihres Lebens 11
Monalisa Mudanyu ist gehörlos – und die Beste in Informatik
„Es ist ein Wunder geschehen“ 14
Menschen aus dem Projekt berichten über die Erfolge der Arbeit
Stichwort: Bildung 18
Wie Brot für die Welt hilft
Medienhinweise 19
So können Sie sich weiter informieren
Ihre Spende hilft 21
Wie Sie die Arbeit von Brot für die Welt unterstützen können
Impressum Redaktion Thorsten Lichtblau, August 2017 Texte Helge Bendl
Fotos Helge Bendl Gestaltung FactorDesign
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Projektinformation Simbabwe – Schule ohne Schranken © Brot für die Welt Seite 3 21
Landesinformation
Die Flagge Simbabwes besteht
aus sieben gleich breiten horizonta-
len Streifen in den Farben Grün,
Gold, Rot, Schwarz, Rot, Gold und
Grün sowie einem weißen gleichsei-
tigen Dreieck, das sehr dünn
schwarz umrandet ist; im Dreieck
befinden sich ein roter fünfstrahli-
ger Stern und ein Vogel, der den
Stern teilweise verdeckt. Das Wap-
pentier hat seinen Ursprung in der
Religion der Shona, der Mehrheits-
bevölkerung Simbabwes. Danach
soll der Vogel zwischen den Men-
schen und Gott vermitteln.
Simbabwe Simbabwe ist ein Binnenstaat im südlichen Afrika. Er grenzt an Südafrika,
Botswana, Sambia und Mosambik. Der Sambesi bildet die nördliche Grenze zu
Sambia. Die Hauptstadt Harare ist mit 1,5 Millionen Einwohnern auch die
größte Stadt des Landes, gefolgt von Bulawayo mit 650.000 Einwohnern.
85 Prozent der Bevölkerung sind christlichen Glaubens.
Vom Ende des 19. Jahrhunderts an war das heutige Simbabwe Teil der briti-
schen Kronkolonie Rhodesien. Sie wurde 1911 in Nordrhodesien (heute
Sambia) und Südrhodesien, das heutige Simbabwe, geteilt. 1965 erklärte sich
das Land für unabhängig. Nach den Wahlen 1980 erhielt es erstmals eine
schwarze Regierung. Der seit 1987 als Präsident amtierende Robert Mugabe
regiert das Land diktatorisch. In Simbabwe sind Hunger und Arbeitslosigkeit
weit verbreitet. Bis zu drei Millionen Menschen sollen seit der Jahrtausend-
wende illegal nach Südafrika ausgewandert sein.
Zwar gibt es fortschrittliche Gesetze zur Förderung von Menschen mit Be-
hinderungen, doch werden diese nicht umgesetzt. Nur jedes dritte Kind mit
einer Behinderung geht in die Schule.
Simbabwe Deutschland
Fläche in km2 390.757 357.385
Bevölkerung in Millionen 14,5 82,2
Bevölkerungsdichte in Einwohner/km2 37 230
Säuglingssterblichkeit in % 2,6 0,3
Lebenserwartung
Männer 57 78
Frauen 59 83
Analphabetenrate in %
Männer 11,5 <1
Frauen 15,4 <1
Bruttosozialprodukt in Dollar/Kopf 1.700 48.200
Quelle: CIA World Factbook (2017)
_ Simbabwe
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Schule ohne Schranken
Ob sie einen Rollstuhl brauchen, blind oder taub sind: Kinder mit Behinde-rung haben in dem südafrikanischen Land meist keine Chance auf Schul-bildung. Die Jairos Jiri Association lässt sie Seite an Seite mit nicht behin-derten Kindern lernen.
Wenn die Hähne krähen, kann er sie nicht hören. Doch stattdessen spürt er,
wie sich der Vorhang der Nacht hebt und die Dämmerung Einzug hält in
seinem kleinen Zimmer, in dem er auf einer dünnen Matte auf den Fliesen
schläft. Erst war es die Aufregung, jetzt ist es die Vorfreude: Nicht ein einzi-
ges Mal in den vergangenen zwei Jahren hat Milton Chibanda verschlafen,
nie musste man ihn wecken. „Zu spät kommen und deswegen den Unterricht
verpassen: Das wäre schlimm. Ich will lernen, lernen, lernen“, erklärt er per
Gebärdensprache. So ist der Zehnjährige schon Minuten nach dem Aufwa-
chen bereit zum Aufbruch.
Sein Zuhause ist eine einfache Hütte mit zwei Zimmern. Das Plumps-
klo steht hinterm Haus, davor ein gefegter Vorplatz mit der Feuerstelle. Hier
isst er hastig einen Teller Maisbrei, von der Mutter auf den flackernden
Flammen aufgewärmt, und stapft zur Bushaltestelle, einmal quer durch den
Ort Kotwa mit all den anderen Hütten aus Ziegelsteinen und Wellblechdä-
chern. Kurze Hose und ein schlichtes Baumwollhemd, Wollsocken in einge-
staubten schwarzen Lederschuhen: Milton Chibanda könnte ein Kind sein
wie viele andere, die in Simbabwe zur Schule gehen. Doch als Gehörloser ist
er eine Ausnahme: Nur jedes dritte Kind mit Behinderung besucht den Un-
terricht.
„Wie ein Wunder“
Miltons Mutter Edna Mudiwakure begleitet ihren Sohn heute auf einem Teil
des Weges. Denn der Junge will erzählen, und das geht nur mit Übersetzung.
Um Milton zu verstehen braucht es jemanden, der Gebärdensprache be-
herrscht. „Das funktioniert auch bei uns beiden erst seit ein paar Monaten:
Mir kommt es so vor, als sei ein Wunder geschehen“, erzählt die 34-Jährige
Edna mit feuchten Augen. Sie muss sich alleine um den aufgeweckten Sohn
kümmern, weil ihr Mann nach dessen Geburt das Weite gesucht hat – wie
viele Väter in Simbabwe will er nichts mit einem Kind zu tun haben, das mit
einer Behinderung geboren wurde.
„Es war eine schwierige Zeit“, sagt sie tapfer, „doch jetzt ist sie über-
standen.“ Denn die jahrelange Sprachlosigkeit hat inzwischen ein Ende: Seit
zwei Jahren geht Milton in eine Schule, in der man auf seine Bedürfnisse
Rücksicht nimmt. Hier lernt er die Gebärdensprache und bringt sie nach und
nach auch seiner Mutter bei. Wenn es hakt, notiert er einen Begriff auf dem
Papier – denn auch das Lesen und Schreiben hat man ihm beigebracht. Sei-
ne Mutter ist glücklich: „Nach all den Jahren können wir endlich richtig
miteinander reden.“ Das hat ihren Sohn innerhalb kürzester Zeit verwandelt:
„Früher war er scheu und hatte keine Freunde. Nun spielt er mit den Nach-
Frühstück im Freien Bevor er
sich auf den Schulweg macht, isst
Milton Chibanda schnell noch einen
Teller Maisbrei, den ihm seine
Mutteraufgewärmt hat.
Projektträger
Jairos Jiri Association (JJA)
Spendenbedarf
120.000,- Euro
Kurzinfo
Bereits seit 1950 setzt sich die
nach ihrem Gründer benannte
Jairos Jiri Association für die
Belange von Menschen mit
Behinderungen ein. Von der
Arbeit der Organisation profi-
tieren jedes Jahr rund 4.500
Menschen. Damit ist JJA die
größte Organisation ihrer Art
im südlichen Afrika. Das
aktuelle von Brot für die Welt
unterstützte Projekt ermöglicht
1.200 Kindern und Jugend-
lichen den Besuch einer Schu-
le, die auf ihre besondere Situa-
tion Rücksicht nimmt. 900
Lehrerinnen und Lehrer
sowie 400 Gemeindevertre-
ter/innen werden mit dem
Konzept der inklusiven Bil-
dung vertraut gemacht.
Projektinformation Simbabwe – Schule ohne Schranken © Brot für die Welt Seite 5 21
barskindern und kommt auch mit den Erwachsenen der Siedlung gut klar.
Er ist ein anderer Mensch geworden!“
Milton Chibanda geht vorbei an seiner alten Grundschule. 126 Dollar
Schulgeld verlangt man hier pro Jahr – sehr viel Geld für seine Mutter, die
auf dem Markt Maisbrei und Erdnussbutter verkauft. Gelernt habe er dort
aber nichts, erzählt der Zehnjährige, aus einem ganz einfachen Grund: „Ich
kann ja nicht hören. Und habe deswegen kein Wort verstanden.“ Drei Jahre
lang saß er nur in der Ecke – die Lehrkräfte kümmerten sich nicht um ihn.
Dann wechselte er auf die ein paar Dutzend Kilometer entfernte Grund-
schule in Nyamuwanga, die seit ein paar Jahren von der Jairos Jiri Associa-
tion betrieben wird, einer Partnerorganisation von Brot für die Welt. Des-
wegen steigt Milton nun an der Teerstraße in den Überlandbus Richtung
Harare: Der Fahrer lässt ihn zum Sonderpreis mitfahren, weil er den Jun-
gen mag. So muss Milton nur die letzten Kilometer zur Schule zu Fuß ge-
hen. Und hat es damit deutlich besser als jenes Mädchen, das er dort mit
einem Winken begrüßt: Auch seine Klassenkameradin Velacious Zisengwe
ist gehörlos. In ihren blauen Plastikschlappen marschiert sie morgens drei
Stunden zur Schule und abends wieder drei Stunden zurück. „Das macht
mir nichts aus“, erklärt sie mit einem schüchternen Lächeln. „Ich bin ein-
fach froh, dass ich etwas lerne und mit Menschen zusammen bin, die mich
verstehen.“ Und an einem Ort, an dem Behinderung nicht mit Unfähigkeit
gleichgesetzt wird – das Motto der Schule ist „Disability does not mean
inability“. Frei übersetzt bedeutet das: Menschen mit Behinderung sind
zwar eingeschränkt, aber nicht beschränkt.
Gemeinsam auf der Schulbank
Aus den blau-weiß gestrichenen Gebäuden klingt vielstimmig der Unter-
richt. In einem Nebengebäude ist es dagegen still: Hier lernt die Klasse für
Gehörlose. „Für die Kinder, aber auch für mich war das anfangs eine Her-
ausforderung“, erinnert sich Lehrerin Maiden Chifamba. „Die Schülerinnen
und Schüler konnten zwar mit ihren Eltern kommunizieren, weil sie zu
Hause ihre eigenen Zeichensprachen entwickelt hatten. Untereinander ha-
ben sie sich aber nicht verstanden.“ Inzwischen lernen sie Simbabwes offi-
zielle Gebärdensprache – und noch viel mehr.
In dem mit Mobiles und vielen bunten Lernplakaten geschmückten
Raum löst Velacious Aufgaben an der Tafel: Dass zehn minus sechs vier
ergibt, ist für sie ein Kinderspiel. Dann kommt Milton an die Reihe – und
löst seine Aufgabe ebenfalls mit Bravour. Die beiden folgen längst nicht
mehr nur dem Unterricht in der Klasse der Gehörlosen. In manchen Fä-
chern sitzen sie neben Kindern ohne Behinderung auf den Bänken der regu-
lären vierten Klasse. Ein erfolgreiches Experiment, denn sie können die
gleichen Aufgaben lösen wie ihre Altersgenossen. „Ich gehe oft nach vorne
an die Tafel, wenn die anderen die Lösung nicht kennen“, sagt Milton.
„Meistens stimmt alles!“
Die viel ruhigere Velacious meldet sich nur selten zu Wort. Sie hat
Spaß an Textübungen und kann sich gut konzentrieren. Was sie sorgfältig
per Bleistift notiert, schreiben die anderen Mädchen an ihrem Tisch fleißig
ab. Memory Mutemeri, die Lehrerin der Viertklässler, muss den Lernstoff
Fleißiges Duo Milton Chibanda
und Velacious Zisengwe verbindet
nicht nur ihre Behinderung: Sie
lernen auch beide gerne.
Engagiert Lehrerin Memory
Mutemeri hat 48 Kinder zu be-
treuen. Trotzdem bemüht sie sich,
den Unterrichtsstoff auch in Ge-
bärdensprache zu erklären.
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48 Schülerinnen und Schülern beibringen. Da bleibt für individuelle Förde-
rung kaum Zeit. Trotzdem versucht sie, Aufgaben auch in der Gebärden-
sprache zu besprechen. Selbst Kinder ohne Behinderung kennen nämlich
die Zeichen. Sie lernen sie ganz von alleine in den Pausen – dann treffen
sich alle zum gemeinsamen Spielen. Wenn der Gong ertönt, rennen fast 500
Kinder über den Schulhof, um sich auszutoben – ein Gewimmel aus roten
Uniformen, in dem selbstverständlich nicht zwischen „behindert“ oder
„nicht behindert“ unterschieden wird.
Die Eltern helfen mit
Nyamuwanga gilt in ganz Simbabwe als Vorreiter der Inklusion. Auch bau-
lich hat die Schule einiges getan: Rampen und breite Türen ermöglichen
Kindern mit Rollstuhl den Zugang. Geländer helfen Gehbehinderten auf
dem Weg in die Klassenzimmer. Die Toiletten mit Wasserspülung sind bar-
rierefrei – vorher gab es nur Plumpsklos. „Wir wollen noch weitere Hinder-
nisse aus dem Weg räumen“, sagt Schulleiter Collin Muwodzeri. Vorgesehen
ist ein Sportplatz, den auch Kinder mit Behinderung nutzen können. Dane-
ben entsteht eine einfache Unterkunft für Mädchen und Jungen, für die der
Weg zum Unterricht aufgrund ihrer Behinderung zu weit ist. Sie werden
dort unter der Woche übernachten und am Wochenende zu ihren Familien
zurückkehren. Beim Bau des Gebäudes kann der Schulleiter auf die Hilfe
der Eltern setzen: Knapp 100.000 Ziegelsteine haben sie schon gebrannt.
Auch die Betreuung der Kinder werden sie im Wechsel übernehmen.
„Wann immer die Schule meine Unterstützung braucht, bin ich dabei – so
kann ich zeigen, wie dankbar ich bin“, sagt Miltons Mutter Edna Mudiwa-
kure. Auch Lovemore Zisengwe und Fiona Mangori, die Eltern von Velaci-
ous, sind im Unterstützerkreis aktiv. „Das Mädchen hatte nie Kontakt zu
anderen Kindern, doch plötzlich ist sie wie verwandelt. Und was das
Schönste ist: Wir können mit ihr über ihre Zukunft sprechen.“ So haben sie
erfahren, was sich die Neunjährige sehnlichst wünscht: Sie will lernen, wie
man mit einer Nähmaschine umgeht. Lehrerin Maiden Chifamba hat ver-
sprochen, ihr das bald zu zeigen.
Ehrgeizig Direktor Collin Mu-
wodzeri möchte seine Schule
barrierefrei machen.
Kostenbeispiele
Leseglas für einen sehbehinderten
Schüler bzw. eine sehbehinderte
Schülerin: 50 Euro
Transport einer Gruppe von Kin-
dern mit Behinderungen zu einem
Sportfest: 90 Euro
Staatliche Prüfungsgebühren für
das Erlangen der mittleren Reife
pro Schüler/in: 135 Euro
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„Unser Ziel ist mehr Akzeptanz“
Gleiche Chancen für Kinder mit und ohne Behinderung: das war die Vision von Jairos Jiri, dem Gründer der nach ihm benannten Organisation. Direktor Wilson Ruvere erklärt, wie dieser Traum Wirklichkeit werden kann – und welche Hindernisse dabei zu überwinden sind.
Seit wann gibt es die Jairos Jiri Association und was tut sie?
Unsere Organisation gibt es seit mehr als 65 Jahren. Schon 1950 hat Jairos
Jiri, unser Gründer, in Bulawayo die erste Ausbildungswerkstatt für Men-
schen mit Behinderung eröffnet. Im Laufe der Jahrzehnte, in guten wie in
schlechten Zeiten, haben wir unser Programm immer weiter ausgebaut. In-
zwischen engagieren wir uns in vielen Städten des Landes, haben aber auch
Programme auf dem Land. Es gibt im ganzen südlichen Afrika keine Organi-
sation, die ein so großes Angebot bietet wie wir: Jedes Jahr profitieren etwa
4.500 Menschen mit Behinderung von unserer Arbeit.
Es geht vor allem um Bildung?
Zunächst einmal unterstützen wir die Menschen dabei, im Alltag besser zu-
rechtzukommen. Deshalb gehen unsere Mitarbeitenden in die Dörfer und
finden heraus, wie viele Menschen mit Behinderung es dort eigentlich gibt
und was sie an konkreter Hilfe benötigen. In unserer Werkstatt für orthopä-
dische Hilfsmittel fertigen Menschen mit Behinderung Prothesen für andere
Menschen mit Behinderung – ein sehr erfolgreiches Projekt. Wir reparieren
Rollstühle, besorgen Krücken, kaufen Sehhilfen. Was immer eben dringend
gebraucht wird.
Doch dabei bleibt es nicht?
Nein. Denn Menschen mit Behinderung können ein selbstständiges Leben
führen. Die Unterstützung der Familie ist gut und wichtig, aber nicht nach-
haltig. Denn was passiert mit einem, wenn die Eltern eines Tages sterben?
Jeder muss über seine Rechte Bescheid wissen und kommunizieren können.
Jeder hat ein Anrecht auf Krankenversorgung und eine faire Behandlung
durch die Organe des Staates. Wenn man durch eine Behinderung beein-
trächtigt ist, kann man trotzdem Geld verdienen und für seinen Lebensun-
terhalt sorgen. Man muss eben wissen, wie. All das können Kinder mit Be-
hinderung nur lernen, wenn sie zur Schule gehen.
Und das ist nicht der Fall?
Früher haben Eltern ihre Kinder aus Scham zu Hause versteckt, wenn sie
eine Behinderung hatten. Das hat sich zwar durch unsere Aufklärungsarbeit
geändert. Doch Kinder mit einem körperlichen Defizit nehmen oft nicht am
Unterricht teil, weil die Schule zu weit entfernt liegt und sie nicht hinkom-
men. Außerdem wissen viele Lehrkräfte nicht, wie sie mit Schülerinnen und
Schülern umgehen sollen, die hör- oder sehbehindert sind. Jairos Jiri be-
treibt deswegen einige Internate: 1.200 Kinder und Jugendliche lernen in
Kindergärten, Grundschulen, weiterführenden Schulen und Berufsschulen.
Erfahren Wilson Ruvere ist seit vielen Jahren Leiter der Jairos Jiri Association.
Projektinformation Simbabwe – Schule ohne Schranken © Brot für die Welt Seite 8 21
Was sind die Vorteile dieser Spezialschulen?
Kindern mit mehrfachen Behinderungen hilft es, dass wir sie dort besser
betreuen und auf ihre Bedürfnisse eingehen können, zum Beispiel mit Fach-
leuten für Physiotherapie. Bei unserem Zentrum in Harare ist das Kranken-
haus direkt um die Ecke: Wir haben einen guten Draht zu den Ärzten, sollten
Operationen nötig sein. Auf dem Land fehlt da einfach das Fachwissen.
Wenn Gehörlose zügig die Gebärdensprache oder Sehbehinderte Braille ler-
nen sollen, geht das auch besser und schneller in einem Umfeld, in dem alle
so kommunizieren.
Kontakte zwischen Menschen mit und ohne Behinderung gibt es
so allerdings kaum.
Richtig. Unsere Ziele sind aber mehr Akzeptanz, mehr Miteinander, mehr
Inklusion. Deswegen haben wir mit der Unterstützung von Brot für die Welt
in den vergangenen fünf Jahren in drei Provinzen Simbabwes ein gemeinde-
basiertes Rehabilitationsprogramm aufgebaut. Wir gehen in die Dörfer, um
Menschen mit Behinderung vor Ort zu helfen. Das deckt die Themen Ge-
sundheit, Soziales und Ernährungssicherung ab. Außerdem gibt es Initiati-
ven, die Angehörige dabei unterstützen, mit Tierzucht ein zusätzliches Ein-
kommen zu erzielen. Und natürlich ist Bildung wichtig: An zwei Grundschu-
len lernen Kinder mit und ohne Behinderung gemeinsam. Es ist berührend,
wenn man hört, was sich dort an Zusammenhalt entwickelt.
Was sind Ihre größten Herausforderungen?
Simbabwe macht eine schwierige Zeit durch. Auch an unseren Schulen erhal-
ten die Lehrkräfte, die vom Staat bezahlt werden, ihr Gehalt nur mit Verzö-
gerung. Die Kassen der Sozialbehörden sind leer: Zuschüsse, die unserer
Organisation zustehen, weil wir uns um arme und benachteiligte Kinder
kümmern, werden nicht mehr ausbezahlt. Außerdem haben wir nun drei
Dürrejahre hinter uns. Das bedeutet nicht nur, dass viele Menschen auf Nah-
rungsmittelhilfe angewiesen sind. Sondern auch, dass Eltern die Schulge-
bühren für ihre Kinder nicht mehr bezahlen können. An Bildung spart man
hier in Simbabwe eigentlich zuletzt, doch den Menschen fehlt schlichtweg
das Geld. Die Beteiligten vor Ort leisten, was sie können. Doch erst die Un-
terstützung von Brot für die Welt macht das Programm möglich.
Warum sind Sie trotzdem optimistisch?
Mehr als 40 Direktorinnen und Direktoren anderer Schulen haben unsere
Modellschulen bereits besucht, damit sie das Prinzip des gemeinsamen Ler-
nens eines Tages auch bei sich umsetzen können. Wir arbeiten daran, dass
Simbabwe die Förderung der Inklusion vorantreibt, im ganzen Land. Schon
unser Gründer Jairos Jiri hatte die Hoffnung, dass eines Tages Kinder mit
und ohne Behinderung die gleichen Chancen haben werden. Wir müssen
noch viel tun, bis diese Vision Wirklichkeit wird. Aber wir haben auch schon
viel erreicht und sind auf einem guten Weg.
Selbstversorger Bei Jairos Jiri
lernen die Jugendlichen auch,
Gemüse anzubauen. So sind sie in
der Lage, ihren Lebensunterhalt
selbst zu bestreiten.
Projektinformation Simbabwe – Schule ohne Schranken © Brot für die Welt Seite 9 21
Sieg der Beharrlichkeit
Als Baby hatte Iren Musengi einen Unfall und verlor durch schwere Verbren-nungen beide Hände. Ihre Behinderung hält die junge Frau aber nicht davon ab, ein Handwerk zu erlernen: Die 19-Jährige macht in einer Berufsschule ei-ne Ausbildung zur Schneiderin.
Kann sie womöglich zaubern? Oder hat sie einen Trick gelernt, den nur Profis
kennen, und der nicht an Laien verraten wird? „Ach was, das ist einfach
Übung“, lacht Iren Musengi. Die junge Frau stellt damit ein wenig ihr Licht
unter den Scheffel. Denn eines steht fest: Niemand weit und breit kann so
schnell Fäden einfädeln wie sie. Selbst nähbegabte Menschen raufen sich oft
die Haare, wenn der Faden partout nicht durch die enge Öffnung schlupfen
will. Bei der 19-Jährige läuft das ganz anders. Sie steckt die Nadel in ein Kis-
sen, nimmt das Garn auf, leckt an dessen Spitze, zielt. Passt: Gleich beim
ersten Anlauf steckt der Faden im Nadelöhr.
Vor ein paar Monaten hätte ihr das niemand zugetraut. Nicht die Ver-
wandten zu Hause im Dorf, die sie für drei Jahre verlassen hat, um in der
Stadt Bulawayo eine Ausbildung zur Schneiderin zu absolvieren. Nicht ihre
Freundinnen aus der Schulzeit, die ihren Optimismus nicht teilten. Bedenken
hatte selbst Matildah Mzondiwa, die als Ausbilderin im Berufsausbildungs-
zentrum der Organisation Jairos Jiri für eine kleine Schar von jungen Frauen
verantwortlich ist. Ausgesprochen hat sie diese Skepsis zwar nicht. Heute
berichtet sie aber freimütig von ihren Vorurteilen. Damit es allen eine Lehre
ist, Menschen nicht danach zu beurteilen, ob sie eine Behinderung haben
oder nicht. Matildah Mzondiwa erzählt also, was sie dachte, als sie Iren Mu-
sengi als ihre Schülerin in Empfang nahm: „Eher geht ein Kamel durch ein
Nadelöhr, als dass wir dieser Frau das Schneidern beibringen können.“
Unfall mit dramatischen Folgen
Denn Iren Musengi hat keine richtigen Hände mehr. An den schrecklichen
Unfall, der dafür verantwortlich ist, hat sie keine eigenen Erinnerungen: Sie
war damals einfach noch zu klein und weiß nur aus Erzählungen, was pas-
siert ist. Iren Musengi war ein Baby, als ihre Mutter sie auf einer Matratze
ablegte und zur Nachbarin ging. Es war nur ein kurzer Moment der Unacht-
samkeit, aber er hatte dramatische Folgen. Das kleine Mädchen krabbelte
quer über den Hof zur Kochstelle, wo ein Feuer brannte, und stolperte in die
Flammen. Die Folge waren schwere Verbrennungen am Gesicht und an den
Gliedmaßen. Ihre Haut ist an vielen Stellen vernarbt. Und die Ärzte konnten
ihre Hände nicht retten: Statt Fingern hat Iren Musengi runde Stümpfe.
Das hat die 19-Jährige aber nie davon abgehalten, ihren Weg zu gehen.
Sie hat nicht nur Lesen gelernt, sondern auch Schreiben – dafür klemmt sie
den Stift einfach zwischen die Ballen. Und sie kann besser rechnen als viele
Altersgenossen. Mit der Bildung kam auch das Selbstbewusstsein. „Irgend-
wann war mir klar: Ich möchte einen Beruf erlernen. Dann kann ich mein
Leben selbstbestimmt leben und bin nicht von Almosen anderer Leute ab-
hängig.“ Lange wollte ihr niemand eine Chance geben. Bis sie vom Ausbil-
dungszentrum in Bulawayo hörte.
Geschickt Trotz ihrer Behinde-rung kann Iren Musengi gut mit Stift und Lineal umgehen.
Naturtalent Auch mit der Schere kommt Iren gut zurecht.
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Seit Jahrzehnten betreibt die Jairos Jiri Association dort ein Berufsausbil-
dungszentrum für Menschen mit Behinderung. Angeboten werden ganz un-
terschiedliche Ausbildungen: So gibt es zum Beispiel Computerkurse, Steno-
Training und Unterricht im Rechnungswesen für alle, die auf eine Anstellung
in einem Büro hoffen. Weil die meisten Menschen aber auf dem Land leben,
wurden nebenan ein Versuchsfeld mit Kohl und ein Gewächshaus mit Toma-
ten angelegt. Menschen im Rollstuhl sind hier aktiv und lernen zusammen
mit ihren Angehörigen, wie man effektiv Gemüse anbauen und sich mit dem
Verkauf ein kleines Einkommen sichern kann. Es gibt eine Schuhmacher-
Werkstatt, die von vielen Menschen in der Nachbarschaft geschätzt wird,
denn hier werden auch Reparaturen schnell und billig erledigt. Aus der Bä-
ckerei dringt der Duft frischer Brötchen. In der Korbflechterei, deren Pro-
dukte im Stadtzentrum Touristen als Souvenirs angeboten werden, herrscht
konzentrierte Stille. Aus der Metallwerkstatt dringt derweil ein Lärm, als
fielen Töpfe, Pfannen und das komplette Geschirr einer Großküche krachend
vom Himmel. Wer vorsichtig die Tür öffnet, trifft auf eine Gruppe von Men-
schen mit Hörbehinderung, die gerade mobile Stände für die Straßenverkäu-
ferinnen und -verkäufer schmieden.
„Ich will die Beste werden“
Die Schulleitung schlug Iren Musengi vor, sich der Korbflechterei zu wid-
men. Doch ihr Berufswunsch war klar: „Ich will Schneiderin werden.“ Davon
ließ sie sich nicht abbringen, und inzwischen ist Lehrerin Matildah Mzondi-
wa glücklich über das Selbstbewusstsein ihrer Schülerin. „Sie ist schneller
und genauer als die anderen Teilnehmerinnen im Kurs. Sie kann mit allen
Utensilien gut umgehen, zeichnet die Vorlagen korrekt ab und wagt sich an
komplizierte Schnittmuster.“ Außerdem ist Iren Musengi sehr penibel: Sie
legt wert auf saubere Nähte und übt auch Nutzstiche, die nur selten verwen-
det werden. „Ich will all das lernen, was auch meine Lehrerin kann. Damit
die Leute eines Tages sagen werden: Das ist die beste Schneiderin, die wir
kennen“, sagt die 19-Jährige.
Bis sie alle Feinheiten des Handwerks beherrscht wie ein Profi wird
Iren Musengi jedoch noch viele Blusen und Hemden, Hosen und Schuluni-
formen fertigen. Um ihnen den Anfang zu erleichtern, stattet die Ausbil-
dungswerkstatt die besten Azubis mit einem kleinen Starter-Kit aus. Nadel
und Faden sind dabei, Schere und Maßband – und auch eine kleine Nähma-
schine. Iren Musengi freut sich schon: Wenn sie soweit ist, kann sie sofort
loslegen in ihrem neuen Beruf.
Beeindruckt Lehrerin Matildah
Mzondiwa hatte erst Zweifel an
Irens Eignung. Doch heute ist sie
voll des Lobes über ihre Schülerin.
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Die Chance ihres Lebens
Monalisa Mudanyu ist taub. Lange konnten ihre Eltern nicht mit ihr reden, kein
Lehrer wollte das gehörlose Mädchen unterrichten. Doch nun ist alles anders:
Die 14-Jährige darf endlich zur Schule gehen.
Wer kann am besten mit dem Computer umgehen? Das ist Monalisa: Sie
begreift schneller als alle anderen in der Klasse, wie das Grafikprogramm
funktioniert. Auf wen vertrauen die Lehrerinnen und Lehrer, wenn es darum
geht, dass die Hühnerschar der Schule immer ihr Futter bekommt und das
Gemüsebeet sauber gejätet wird? Auf Monalisa natürlich. Und welche Schü-
lerin oder welcher Schüler der Mukombwe-Grundschule, die von 312 Kindern
besucht wird, hat in diesem Schuljahr noch keine einzige Unterrichtsstunde
verpasst? Man kann sich die Antwort denken.
Sie ist ein munteres Mädchen. Gerade hat jemand die Glocke geschla-
gen, der Unterricht ist zu Ende, nun spielt Monalisa Mudanyu Fangen mit
Freundinnen aus der sechsten Klasse. Für alle gibt es jetzt eine Portion Mais-
brei, dann gehen sie nach Hause. Monalisa aber würde lieber bleiben: Kein
Lehrer hat es bislang geschafft, ihren Wissensdurst zu stillen. Das liegt wohl
auch daran, dass die 14-Jährige erst seit einem Jahr einen Unterricht be-
sucht, in dem sie wirklich etwas lernt. Monalisa ist taub und profitiert endlich
von einer Schule ohne Schranken: Kinder mit und ohne Behinderung studie-
ren hier Seite an Seite.
Zweistündiger Fußmarsch
Ihre Klassenkameradinnen wohnen gleich um die Ecke, doch Monalisa hat
einen langen Nachhauseweg. Von der Grundschule bis ins Dorf Kapasula
braucht sie zwei Stunden. Es ist ein strammer Marsch vorbei an vielen klei-
nen Feldern, die mit Dornengestrüpp abgegrenzt sind. Wenn hoffentlich bald
der Regen kommt, wird dort Mais und Hirse wachsen. Im ländlichen Nordos-
ten Simbabwes leben die Menschen von der Landwirtschaft: Wer ein paar
Ziegen halten kann oder gar Rinder, gilt hier schon als reich. Monalisas Fa-
milie besitzt kein Vieh, nur zwei einfache fensterlose Häuschen aus selbstge-
brannten Lehmziegeln mit Grasdach. Alle sieben Kinder teilen sich eine Hüt-
te, in der anderen schlafen die Eltern.
„Sie war ein ganz normales Baby“, erzählt Monalisas Mutter Milka
Muchenje. „Nur hat sie eben nie angefangen zu sprechen.“ Irgendwann war
den Eltern klar, dass das Mädchen nicht hören konnte. Fortan kommunizier-
te die Familie mit einer selbst entwickelten Zeichensprache. Die Nachbarn
tratschten, das Kind sei strunzblöd, aus dem werde nie was. Milka Muchenje
hätte ihre behinderte Tochter aus Scham auf dem Hof verstecken können,
wie das früher Sitte war. Stattdessen schickten die Eltern das Mädchen zur
Schule. Jedenfalls versuchten sie es. Denn wo immer sie auch anklopften:
Niemand konnte helfen.
„Zunächst war sie zusammen mit ihren Geschwistern in der Schule“,
berichtet Monalisas Vater Gilbert Mudanyu. Nach dem ersten Semester hieß
es von den Lehrern, das Mädchen verstehe kein Wort, es solle besser zu
Selbstbewussst Monalisa Mu-danyu profitiert von einer Schule ohne Schranken.
Glücklich Monalisas Eltern freuen sich, dass sie sich jetzt endlich mit ihrer Tochter unterhalten können.
Projektinformation Simbabwe – Schule ohne Schranken © Brot für die Welt Seite 12 21
Hause bleiben. Er ließ sich aber nicht beirren, hörte sich um und fand eine
andere Schule für seine Tochter. Dort durfte Monalisa immerhin ein Jahr
lang am Unterricht teilnehmen. Als Fortschritte ausblieben, versuchte er es
in Schule Nummer drei. Wieder ein verlorenes Jahr, wieder kein Ergebnis.
„Man hat mir dann erzählt, es gebe in den großen Städten Internate. Dort
könne man Kindern helfen, die Probleme haben.“
Gilbert Mudanyu und seine Frau überlegten, Monalisa dort unterzu-
bringen. Dann mussten sie sich eingestehen: Das ist zu teuer. „Für Grund-
schulen zahlt man bei uns auf dem Land 39 US-Dollar im Jahr Schulgeld. In
den Städten verlangen die Schulen noch mehr. Woher soll ich als Bauer so
viel Geld nehmen? Schon jetzt haben wir gerade genug zum Leben.“ So blieb
Monalisa zu Hause.
Schließlich übernahm die von Brot für die Welt unterstützte Organisa-
tion Jairos Jiri die Mukombwe-Grundschule. Nun werden Kinder mit Behin-
derung hier individuell gefördert, in besonderen Klassen von eigens geschul-
ten Lehrern. Man bringt ihnen den normalen Unterrichtsstoff bei. Und sie
lernen, auf eigenen Beinen zu stehen. „All die Jahre habe ich die Hoffnung
nie aufgegeben“, sagt Milka Muchenje mit belegter Stimme, „ nun hat Gott
unsere Gebete erhört.“
Gebärdensprache ist wichtig
Monalisa merkt, dass man über sie redet. In der Schule bringt man ihr näm-
lich nicht nur die Gebärdensprache bei: Inzwischen übt sie auch das Lippen-
lesen. Die 14-Jährige zupft an der Bluse ihrer Mutter und signalisiert, dass sie
selbst erzählen will. Doch das ist gar nicht so einfach: Es braucht schließlich
einen Übersetzer, der sowohl die Gebärdensprache beherrscht als auch Eng-
lisch oder Shona, eine der lokalen Sprachen in Simbabwe. Monalisas Freun-
din Joyleen kann helfen. Sie ist nämlich Mitglied des Gebärdensprachen-
Clubs.
Die Arbeitsgemeinschaft ist ein Angebot der Mukombwe-Grundschule.
15 Kinder treffen sich zwei Mal in der Woche im Anschluss an den regulären
Unterricht, um Gebärdensprache zu lernen. „Am Anfang dachten viele von
uns: Das ist was zum Rumalbern, weil man komische Zeichen macht, die
kaum jemand versteht. Super, um untereinander Nachrichten weiterzugeben,
die geheim bleiben sollen.“ Doch heute ist den Jugendlichen klar, wie wichtig
es ist, dass sie zumindest die einfachsten Begriffe der Zeichensprache beherr-
schen. „Sollte es mal ein Problem geben, zum Beispiel wenn ein gehörloser
Mitschüler krank ist und Schmerzen hat, müssen wir ja reden können“, sagt
Joyleen. „Wie sollen wir sonst helfen?“
Beste Freundinnen
Monalisa und Joyleen mochten sich auf Anhieb. Früher hatten sich die Mäd-
chen aber nichts zu sagen. Inzwischen sind die beiden beste Freundinnen,
hängen wie Kletten aneinander und bringen sich gegenseitig neue Wörter bei.
Joyleen kennt deswegen schon viele Gesten und kann besser dolmetschen als
Monalisas Eltern, die viel um die Ohren haben und denen das Lernen nach
der Arbeit schwer fällt. Das Vokabular der Erwachsenen beschränkt sich
noch auf einfache Handzeichen.
Unzertrennlich Monalisa Mu-danyu und Joyleen Madondo sind beste Freundinnen geworden. Sie hängen wie Kletten aneinander.
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„Früher war es schlimm“, berichtet Monalisa. „Als Kind wollte ich so viel
sagen, fand aber keine Worte. Niemanden habe ich verstanden: Nicht die
Lehrer, nicht meine Mitschüler und auch nicht meine Geschwister oder mei-
ne Eltern. 13 Jahre lang war ich immer allein.“ Das hat sich nun alles geän-
dert: Nach nur einem Jahr Unterricht kann sie sich bereits erstaunlich gut
verständlich machen. Das ist harte Arbeit, für sie selbst und die Menschen in
ihrer Umgebung. „Es gibt viele Begriffe, die ich noch lernen will“, sagt sie.
Doch auch ihre Mitmenschen stehen vor einer Herausforderung: „Die Leute
müssen sich anstrengen, um mich zu verstehen.“
Alle im Dorf wissen inzwischen: Dumm ist das Mädchen nicht. Die
letzten Zweifel an ihren Fähigkeiten hat gerade ein Schrieb des Informatik-
lehrers zerstreut. Er bescheinigte Monalisa, sie sei am Computer die Beste
der Klasse. Im Rechnen ist das Mädchen ebenfalls ziemlich fit. Deswegen
könnte sie bald zusammen mit den Kindern ohne Behinderung in den Ma-
theunterricht gehen. „Wir verfolgen ein neues pädagogisches Konzept“, er-
klärt Schulleiter Dennis Jongomedzi. „Wenn Kinder mit Behinderung Unter-
stützung brauchen, bekommen sie die in einer Förderklasse. Wenn sie fit
sind, können sie mit den anderen Kindern lernen.“
Dass Monalisa endlich zur Schule gehen kann, ist die Chance ihres Le-
bens. Die 14-Jährige hat viel aufzuholen, einfach wird es sicher nicht. Sie
weiß aber, was sie will. Im Unterricht wurden kürzlich Berufe behandelt:
Lehrer, Mechaniker, Bauer, Polizist. Monalisa meldete sich, denn ihrer Mei-
nung hatte da jemand eine entscheidende Tätigkeit vergessen. „Menschen,
die anderen heilen, sind auch wichtig“, sagte sie. Und ließ die Klasse wissen:
„Ich werde Krankenschwester!“
Schnell von Begriff „Monalisa ist am Computer die Beste der Klasse“, sagt ihr Lehrer.
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„Es ist ein Wunder geschehen“
Mit der Unterstützung von Brot für die Welt hat die Jairos Jiri Association schon viel Gutes bewirken können. Acht Menschen aus dem Projekt berichten.
„Ich will noch etwas machen aus meinem Leben“
„Die Leute starren mich an, aber das bin ich inzwischen gewöhnt. Es sieht ja
auch wirklich komisch aus, wenn man keine Hände hat, sondern zwei Metall-
prothesen so wie ich. Wie es dazu gekommen ist, ist eine traurige Geschichte.
Nach meinem Abitur musste ich aus Simbabwe weggehen – vor zehn Jahren,
als die Wirtschaft zusammenbrach, gab es einfach keine Jobs mehr. In Südaf-
rika habe ich Arbeit gefunden, zuerst bei einem Wachdienst, dann in einem
Hotel. Doch dann sind die Leute in dem Township, in dem ich gewohnt habe,
ausgeflippt: Sie haben gezielt Jagd auf Ausländer gemacht. Sie haben mich
angegriffen und mir Säure über die Arme geschüttet. Im Krankenhaus mussten
beide Hände amputiert werden. Bis man so einen Schicksalsschlag akzeptiert,
dauert es: Ich habe mich sieben Jahre lang bei Verwandten verkrochen und gar
nichts gemacht. Doch eines Tages war mir klar, dass ich noch etwas machen
will aus meinem Leben. Bei Jairos Jiri eine Ausbildung zu erhalten, ist eine
riesige Chance: Ich habe jetzt endlich wieder Hoffnung. Zwar leben wir hier zu
acht in einem Schlafsaal. Doch nun kann ich trotz meiner Behinderung eine
Ausbildung zum Bürokaufmann machen – es gibt nicht nur gute Lehrer, son-
dern auch Computer und andere Ausrüstung. Wenn ich viel lerne und bei den
Prüfungen gut abschneide, finde ich vielleicht einen Job in einem Büro. Mein
Traum ist es, eines Tages so gut zu verdienen, dass ich mir ein Haus und ein
Auto leisten und eine Familie gründen kann.“
Frank Tapiwa Ncube (32) aus Hwange, Auszubildender im Berufsausbil-
dungszentrum von Jairos Jiri in Bulawayo
„Ganz normale Kinder“
„In meiner Stufe, das ist die vierte Grundschulklasse, sind 48 Schüler. Ich bin
die Kleinste von allen – aber ich denke nicht, dass ich deswegen behindert
bin. Gut, ich kann vielleicht nicht ganz so schnell rennen wie die anderen
Mädchen, weil meine Beine eben kürzer sind. Aber mit meinen Freundinnen
spiele ich in den Pausen trotzdem Ball. Manchmal gewinnen die, manchmal
bin ich die Beste. Im Unterricht gibt es auf jeden Fall keinen Unterschied,
und darauf kommt es mir an. An unserer Schule sind inzwischen aber auch
Kinder, die wirklich behindert sind – mit denen kann man sich nur per Zei-
chensprache unterhalten. Das kann aber auch witzig sein! Andere haben
manchmal seltsame Zuckungen. Am Anfang war das komisch, und ehrlich
gesagt habe ich mich sogar ein wenig gefürchtet. Aber wir sind in den Pausen
immer zusammen auf dem Hof. Inzwischen weiß ich, dass es ganz normale
Kinder sind, nur eben ein bisschen anders. Wenn ich einmal erwachsen bin,
werde ich wahrscheinlich auch mit solchen Kindern zu tun haben. Ich will
nämlich Krankenschwester werden. Andere Menschen gesund machen: Das
klingt für mich nach einem tollen Beruf.“
Ruvimbo Mbakurea (9), Viertklässlerin der Nyamuwanga-Grundschule von
Jairos Jiri. Ärzte bezeichnen sie als kleinwüchsig.
Zuversichtlich Frank Ncube mussten nach einem fremdenfeind-lichen Angriff in Südafrika beide Hände amputiert werden. Jetzt macht er eine Ausbildung zum Bürokaufmann.
Fühlt sich nicht behindert Ruvimbo Mbakurea ist kleinwüch-sig. Sie kommt mit ihren Mitschüle-rinnen gut klar – egal, ob sie eine Behinderung haben oder nicht.
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„Es ist ein Wunder geschehen“
„Juliet ist unsere Enkelin. Sie wohnt seit drei Jahren bei uns. Ihre Mutter –
unsere Tochter – hatte damals wieder geheiratet und war zu ihrem neuen
Mann gezogen. Ihr erster Mann – Juliets Vater ¬– war bald nach der Geburt
des Kindes weggelaufen. Wir haben für das Mädchen die Vorschulgebühren
bezahlt, doch die Lehrer konnten sich nicht mit ihm verständigen und haben
es wieder nach Hause geschickt. Juliet brachte damals kein Wort heraus,
ihre Arme und Beine waren immer spastisch verkrampft. Wir haben es auch
an anderen Schulen versucht und alle unsere Ersparnisse ausgegeben, über
350 US-Dollar. Niemand konnte ihr helfen. Wir hatten die Hoffnung schon
aufgegeben, doch jetzt ist ein Wunder geschehen: Seit Juliet in die Nyamu-
wanga-Grundschule geht, ist alles anders. Am Anfang haben wir sie in die
Schule getragen, weil sie nicht gehen konnte. Jetzt marschiert sie jeden Mor-
gen drei Stunden hin und am Nachmittag wieder drei Stunden zurück. Man
hat ihr einige Worte beigebracht, und inzwischen kann sie ihren Namen
schreiben. In der Schule hat man ihr auch gezeigt, wie man seine Sachen
wäscht und das Haus sauber hält. Nun werden wir gemeinsam mit ihr Sadza
kochen: Das ist Maisbrei, unser Nationalgericht. Denn es ist wichtig, dass
Juliet lernt, für sich selbst zu sorgen.“
Nyson Kandoto und Mavis Kamuti aus dem Dorf Machemedze, Großeltern
von Juliet Kambamura (10), Schülerin der Nyamuwanga-Grundschule
„Die Kinder verdienen eine Chance“
„In unserem Internat in Harare unterrichten wir 210 Kinder und Jugendli-
che mit Behinderung. Lange gab es hier nur eine Grundschule. Doch sehr
wenige Schüler sind nach den sieben Grundschuljahren auf eine weiterfüh-
rende Schule gewechselt, um dort zusammen mit Kindern ohne Behinderung
ihren Abschluss zu machen. Es gibt an den normalen Schulen einfach zu
viele Barrieren. Zum einen sind sie baulich nicht geeignet für Menschen mit
einer Körperbehinderung. Aber auch die Lehrer sind überfordert, weil sie in
ihrem Studium nicht gelernt haben, wie man Schüler individuell so unter-
stützt, dass sie die Prüfungen schaffen. Ich hoffe, dass sich beides eines Ta-
ges ändert. Doch so lange dürfen wir nicht warten – das wäre unfair gegen-
über den Kindern, die schon jetzt eine Chance verdienen. Bei uns im Harare
Centre von Jairos Jiri gibt es deswegen jetzt auch Unterricht für die achte bis
elfte Klasse. So werden bald die ersten Jugendlichen hier ihren Abschluss
schaffen – das ist ein Meilenstein! Es gibt einige Schüler, die das auf jeden
Fall bewältigen werden, wenn man sie entsprechend fördert und nicht nur
frontal unterrichtet, sondern auch technische Hilfsmittel wie Computer ein-
setzt. Mein Traum wäre, die Schüler sogar bis zu ihrem Abitur begleiten zu
können. Doch leider sind wir hier abhängig von der Regierung, die uns das
Personal zuteilt, und angeblich gerade kein Geld hat für zusätzliche Lehrer.
So müssen wir eben kreativ sein: Mit etwas Glück kommen demnächst ein
paar Referendare zu uns.“
Shingirai Chirima, Lehrer, verantwortlich für die weiterführende Schule im
Jairos Jiri Centre Harare
Überglücklich Nayson Kandoto
und Mavis Kamuti mussten ihre
Enkelin Juliet früher in die Schule
tragen. Jetzt kann das Mädchen den
drei Stunden langen Fußweg alleine
bewältigen.
Motiviert Lehrer Shingirai Chiri-
ma möchte Jugendlichen mit Be-
hinderung das Abitur ermöglichen.
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„Ich möchte Wissen aufsaugen wie ein Schwamm“
„Ich habe einen Lieblingsspruch, der trifft den Nagel auf den Kopf: ‚Disabili-
ty does not mean inability.‘ Ich würde das folgendermaßen übersetzen: Men-
schen mit Behinderung sind zwar eingeschränkt, aber nicht beschränkt.
Manches fällt uns im Alltag vielleicht schwerer als Menschen ohne Behinde-
rung, aber blöd sind wir deswegen noch lange nicht. Ich bin kleinwüchsig
und habe Glasknochen – das ist eine seltene Krankheit, die man nicht heilen
kann. Deswegen muss ich immer gut aufpassen, dass ich nicht stürze. Ich
komme vom Land, da konnte man mir nicht helfen – es gab keine orthopädi-
schen Hilfsmittel, und meine Schule lag weit weg von meinem Zuhause.
Meine Tante, bei der ich aufgewachsen bin, hat aber Jairos Jiri kontaktiert.
Jetzt bin ich seit einigen Jahren im Internat in Harare. Dort hat man mir
nicht nur Krücken besorgt, so dass ich viel mobiler bin als früher und selbst
entscheiden kann, wohin ich gehe und was ich machen will. Was viel wichti-
ger ist: Hier kann ich zur Schule gehen und lernen, lernen, lernen. Meine
Freundinnen zu Hause sind oft genervt vom Unterricht, doch bei mir ist das
anders: Ich möchte alles Wissen aufsaugen wie ein Schwamm. Wir haben
neun Fächer, doch Mathe gefällt mir am besten. Wenn der Unterricht vorbei
ist, gehe ich oft in die Bibliothek, um noch an ein paar kniffligen Aufgaben zu
arbeiten. Bildung öffnet einem Türen: Eines Tages werde ich eine gute
Buchhalterin sein. Wenn es um Zahlen geht, kann mir niemand etwas vor-
machen.“
Memory Chibura (18), Elftklässlerin im Jairos Jiri Centre Harare
„Sie sollen auf eigenen Beinen stehen“
„Mein Ziel ist es, dass Kinder mit Behinderung auf ihren eigenen Beinen
stehen. Das meine ich im übertragenen Sinn: Sie sollen sich zu aktiven,
selbstbewussten Mitgliedern der Gesellschaft entwickeln. Aber auch ganz
konkret stimmt das: Einige der Kinder, die ich als Physiotherapeut betreue,
waren viel zu lange zu Hause und haben sich dort kaum bewegt. Gerade auf
dem Land denken viele Verwandte, ein Kind mit einer Körperbehinderung
sei ein Schicksalsschlag. Doch das ist falsch! Aber wenn sie nur zu Hause
sitzen, haben Kinder mit Behinderung keine Chance, ihre motorischen Fä-
higkeiten zu entwickeln. Wenn sie nicht ein bisschen mobil sind, werden sie
auch mit großer Wahrscheinlichkeit niemals eine Schule besuchen. Viele
Eltern denken, dass ihr Kind einen Rollstuhl braucht. Doch auf dem Land
mit den ungeteerten Wegen und den Schulen, die nicht auf Menschen mit
eingeschränkter Mobilität eingestellt sind, hilft das nicht weiter. Mit dem
richtigen Muskeltraining und einigen orthopädischen Hilfsmitteln können
viele Kinder schon nach relativ kurzer Zeit recht gut unterwegs sein. Sie
brauchen also vielleicht gar keinen Rollstuhl, sondern ihnen reichen ein paar
einfache Krücken. So sind sie mobil und kommen unter Menschen. Das
stärkt ihr Selbstbewusstsein. Auch darauf kommt es an: Ich merke bei vielen
Kindern, dass sich ihr Zustand dann bessert, wenn sie Hoffnung haben und
ein Ziel.“
Kenneth Taworamoyo, Physiotherapeut im Waterfalls-Kindergarten von
Jairos Jiri in Harare
Wissbegierig Memory Chibura
hat Glasknochen. Seit ein paar
Jahren lebt sie im Internat von JJA
in Harare. Hier ist sie nicht nur
mobiler geworden. Sie kann auch
lernen, lernen, lernen.
Wichtiger Helfer Dank der Un-
terstützung von Physiotherapeut
Kenneth Taworamoyo sind viele
Kinder wieder mobil.
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„Er ist ziemlich fit im Kopf“
„Ich kümmere mich seit seiner Geburt um meinen Enkel Keith. Seine Mutter
ist leider kurz nach der Geburt gestorben. Sie war HIV-positiv, und nun hat
auch der Junge das Virus. Ich hoffe, dass er trotzdem gut durchs Leben
kommt. Ich achte jedenfalls darauf, dass er seine Medikamente regelmäßig
einnimmt, und die Frauen im Internat geben auch darauf Acht. Vor Kurzem
habe ich Keith nämlich im Jairos Jiri Centre eingeschult. An den normalen
Schulen in Harare haben sie ihn nicht aufnehmen wollen, weil er im Roll-
stuhl sitzt. Die Lehrer sagen mir aber, er sei recht intelligent und könne es
vielleicht sogar bis zum Abitur schaffen. Auf jeden Fall hat Keith viel Spaß
am Lernen und erzählt mir immer, dass es ihm viel Freude bereitet, wenn er
seine Aufgaben wieder mal richtig gelöst hat. Nun muss ich mich aber erst
einmal um eine Prothese für ihn kümmern. Denn die Experten haben her-
ausgefunden, dass man seine Knie stabilisieren und die Füße anders ausrich-
ten muss. Dann könnte er raus aus dem Rollstuhl – das wäre gut. Schon jetzt
spielt er gerne mit Kindern ohne Behinderung. Vielleicht kann er eines Tages
ja doch noch auf eine Regelschule. Ich glaube, er hat gute Chancen, mit den
anderen Kindern mitzuhalten. Er ist ziemlich fit im Kopf!“
Pio Homo (77) aus Harare, Großvater von Keith Homo (6), Schüler des
Jairos Jiri Centre, Harare
„Wir sind auf Spenden angewiesen“
„Weniger als zehn Prozent der Angehörigen unserer 200 Mädchen und Jun-
gen, die hier im Internat sind, können noch einen Teil Schulgebühren bezah-
len. Alle anderen leisten nicht einmal mehr das. Daran kann man sehen, wie
schwierig die wirtschaftliche Lage in Simbabwe inzwischen ist. Aber ich kann
die Kinder ja nicht wegschicken. Wir überleben nur, weil Organisationen wie
Brot für die Welt uns seit vielen Jahren unterstützen. Eigentlich müsste zwar
auch das staatliche Sozialamt seinen Beitrag leisten, doch seit dem Jahr
2009 sind dessen Kassen leer: Seither haben wir keinen Cent mehr bekom-
men und sind fast ausschließlich auf Spenden angewiesen. Manche Eltern
haben nicht einmal das Geld, um ihre Kinder für die Schulferien abzuholen –
dann kümmern wir uns selbst dann um sie. Wir müssen aber nun sparen, wo
wir können, denn die Kosten für Strom und Wasser steigen. Es ist eine
schwierige Situation – auch für die Angestellten, die schon auf viel verzich-
ten mussten. Aber auch unser Gründer Jairos Jiri hat schwere Zeiten über-
standen. Deswegen glaube ich fest daran, dass wir auch diese Krise überste-
hen. Wir sind es den Kindern schuldig, dass wir alles versuchen, um ihnen
eine Chance auf ein selbstbestimmtes Leben zu geben.“
Sheila Chiwaridzo (50), Schulleiterin des Jairos Jiri Centre Harare
Stolzer Großvater Pio Homo
kümmert sich seit seiner Geburt um
Enkel Keith. Er freut sich darüber,
dass die Lehrer dem Jungen zutrau-
en, es bis zum Abitur zu schaffen.
Besorgt Direktorin Sheila Chi-
waridzo beklagt, dass ihre Schule
seit Jahren keine staatlichen Gelder
mehr bekommt. Ohne die Spenden
aus Deutschland könnte die Institu-
tion nicht überleben.
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Stichwort
Das A und O Eine gute Ausbil-
dung – in Schule und Beruf – ist
eine wesentliche Voraussetzung für
nachhaltige Entwicklung. Bildung
Immer noch können fast 800 Millionen Menschen weltweit
weder lesen noch schreiben. Zwei Drittel der Analphabeten sind
Frauen. Ihnen wird der Schulbesuch häufig aus kulturellen, religiösen
oder ökonomischen Gründen verwehrt. Mehr als 50 Millionen Kinder im
Grundschulalter gehen nicht zur Schule. Und rund ein Viertel der einge-
schulten Kinder bricht den Schulbesuch vorzeitig ab. Die Gründe für die
Bildungsmisere sind vielfältig: So fehlen in vielen Entwicklungsländern
Schulen. Zudem herrscht häufig ein Mangel an gut ausgebildeten Lehre-
rinnen und Lehrern und brauchbaren Unterrichtsmaterialien. Und oft-
mals können sich die Eltern das Schulgeld nicht leisten.
Brot für die Welt setzt sich dafür ein, dass möglichst viele Men-
schen Zugang zu guter Bildung bekommen:
Wir fördern Bildungs- und Ausbildungsprojekte, vor allem in
ländlichen Gebieten und städtischen Armenvierteln.
Wir helfen ethnischen Minderheiten und anderen benachteiligten
Bevölkerungsgruppen, ihr Recht auf Bildung einzufordern.
Denn wir sind der Überzeugung: Bildung ist die Voraussetzung
für eine nachhaltige Entwicklung.
Projektinformation Simbabwe – Schule ohne Schranken © Brot für die Welt Seite 19 21
Medienhinweise
I. Literatur
Jeska, Andrea: Simbabwe – Agonie oder Aufbruch?, 164 Seiten,
Frankfurt am Main: Brandes & Apsel, 2013
II. Filme
Das Evangelische Zentrum für entwicklungsbezogene Filmarbeit (EZEF)
und die evangelischen Medienzentralen helfen Ihnen weiter, wenn Sie Filme
zu Thema und Land suchen. Weitere Informationen, didaktische Hinweise,
Auskünfte über die Verleihbedingungen sowie den Filmkatalog erhalten Sie
hier: EZEF, Kniebisstr. 29, 70188 Stuttgart, Tel. 0711 28 47 243,
info@ezef.de, www.ezef.de
III. Materialien zum Projekt
Fotoserie (10 Fotos, Artikelnummer 119 312 930, Schutzgebühr 5 Euro)
Fotos im Format 20x30 cm mit Texten zum Gestalten einer Ausstellung.
PowerPoint-Präsentation Kostenloser Download unter
www.brot-fuer-die-welt.de/projekte/simbabwe-bildung
Faltblatt (6 Seiten, DIN lang, Artikelnummer 116 202 127, kostenlos) zur
Auslage bei Veranstaltungen und Spendenaktionen.
IV. Weitere Projekte zum Thema
Kuba: Mittendrin statt außen vor
www.brot-fuer-die-welt.de/projekte/kuba-inklusion
Albanien: Jeder kann es schaffen
www.brot-fuer-die-welt.de/projekte/albanien-jugendliche
Ägypten: ABC - und eine zweite Chance
www.brot-fuer-die-welt.de/projekte/aegypten-alphabetisierung
DR Kongo: Gitarren statt Gewehre
www.brot-fuer-die-welt.de/projekte/dr-kongo-kindersoldaten
Projektinformation Simbabwe – Schule ohne Schranken © Brot für die Welt Seite 20 21
V. Internet
www.brot-fuer-die-welt.de Hier finden Sie ausführliche Informationen
zu Projekten, Wissenswertes zu aktuellen Aktionen und Kampagnen sowie
hilfreiche Anregungen für die Unterrichtsgestaltung.
http://www.auswaertiges-
amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/01-
Laender/Simbabwe.html?nnm=383178
Das Auswärtige Amt bietet neben Länderinfos auch Reise- und Sicherheits-
hinweise.
www.liportal.de/simbabwe Auf den Seiten der Deutschen Gesellschaft
für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) finden Sie umfangreiche Informa-
tionen und eine kommentierte Linkliste.
https://www.cia.gov/library/publications/the-world-
factbook/geos/zi.html Aktuelle Zahlen und Fakten liefert das CIA World
Factbook (in englischer Sprache).
www.suedwind-institut.de Der Verein Südwind engagiert sich für eine
gerechte Weltwirtschaft. Neben einem Newsletter gibt Südwind regelmäßig
Publikationen heraus und informiert über entwicklungspolitische Themen.
www.entwicklungsdienst.de Der Arbeitskreis „Lernen und Helfen in
Übersee e.V.“ (LHÜ) ist das zentrale Portal für soziales Engagement weltweit.
www.epo.de
Entwicklungspolitik Online informiert über aktuelle Themen und Organisa-
tionen der Entwicklungszusammenarbeit.
VI. Bestellhinweise
Sämtliche Materialien von Brot für die Welt erhalten Sie bei:
Evangelisches Werk für Diakonie und Entwicklung e.V., Zentraler Vertrieb,
Karlsruher Str. 11, 70771 Leinfelden-Echterdingen, Tel: 0711 2159 777, Fax:
0711 7977 502; E-Mail: vertrieb@diakonie.de.
Unsere Preise enthalten sämtliche Preisbestandteile einschließlich der ge-
setzlichen Mehrwertsteuer. Bei Bestellungen kostenpflichtiger Artikel be-
rechnen wir bis zu einem Bestellwert von € 24,99 zusätzlich eine Versand-
kosten-Pauschale in Höhe von € 2,95. Artikel mit einem höheren Bestellwert
sowie kostenlose Artikel werden kostenfrei verschickt.
Projektinformation Simbabwe – Schule ohne Schranken © Brot für die Welt Seite 21 21
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Schranken“ unterstützen? Dann überweisen Sie bitte Ihre Spende mit
dem Stichwort „Bildung“ auf folgendes Konto:
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Ihre Spende für ein anderes Projekt im Bereich Bildung ein.
Partnerschaftlich
Um wirkungsvoll zu helfen, arbeitet Brot für die Welt eng mit erfahrenen,
einheimischen – oft kirchlichen oder kirchennahen – Organisationen zu-
sammen. Deren Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter kennen die Verhältnisse
und die Menschen vor Ort, sie wissen daher um ihre Schwierigkeiten und
Bedürfnisse. Gemeinsam mit den Betroffenen entwickeln sie Projektideen
und setzen diese um. Von Brot für die Welt erhalten sie finanzielle und fach-
liche Unterstützung.
Verantwortlich
Transparenz, gegenseitiges Vertrauen, aber auch regelmäßige Kontrollen
sind maßgeblich für eine gute Zusammenarbeit. Die Partnerorganisationen
von Brot für die Welt sind daher gehalten, jährliche Projektfortschritts- und
Finanzberichte vorzulegen. Diese werden von staatlich anerkannten Wirt-
schaftsprüfern nach internationalen Regeln testiert.
Den verantwortlichen Umgang mit Spendengeldern bestätigt das Deutsche
Zentralinstitut für soziale Fragen (DZI) Brot für die Welt jedes Jahr durch
die Vergabe seines Spendensiegels.
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