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Seminarvortrag:
Strukturbildung im Universum
18.01.2012
Matthias Druppel
Seminar zur Theorie der Teilchen und Felder
Munster, Wintersemester 2011/12
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung 3
2 Was gibt es fur Strukturen im Universum? 4
2.1 Galaxien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4
2.1.1 Die Milchstraße, eine Spiralgalaxie . . . . . . . . . . . . . . 4
2.1.2 Elliptische Galaxien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5
2.1.3 Klassifizierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6
2.2 Quasare . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7
2.3 Galaxien-Haufen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8
2.4 Superhaufen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8
3 Wie kann ich Aussagen uber Strukturen im Universum machen? 9
3.1 Roterschiebungs-Durchmusterung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9
3.2 Licht als Masseindikator . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9
4 Wie sind die heutigen Strukturen in einem expandierenden Universum
entstanden? 11
4.1 Das Jeans-Modell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11
4.1.1 Zeitlicher Verlauf der Jeans-Masse . . . . . . . . . . . . . . . 13
4.1.2 Erweiterung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14
4.2 Pancake-Theorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15
4.3 Dunkle Materie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15
4.4 Millenium Simulation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16
2
1 Einleitung
Die zentrale Frage die in diesem Seminarvortrag geklart werden soll ist:
Wie sind die heutigen Strukturen in einem expandierenden Univer-
sum entstanden?
Also der Weg von einem anfangs vergleichsweise homogenen Universum1 zu
den Strukturen, wie wir sie heute beobachten. Einzelne Sterne und Planeten, die
sich in Sonnensystemen anordnen, die wiederum Teil ganzer Galaxien sind. Die
Inhomogenitaten setzten sich auf noch großeren Skalen fort. Galaxien ordnen sich
in Haufen, diese wiederum in Superhaufen an.
Bevor jedoch naher auf die Entstehung eingegangen wird, ist es entscheidend das
Universum zum heutigen Zeitpunkt zu betrachten und sich zu vergegenwartigen
von welchen Strukturen uberhaupt die Rede ist. Zum soll die Frage behandelt
werden, wie man uberhaupt Aussagen uber die Verteilung von Galaxien und anderen
Strukturen von der Erde aus treffen kann. Abschließend wird die Entstehung und
zeitliche Entwicklung von Dichtefluktuationen diskutiert, die zu einem Universum
gefuhrt haben, wie wir es heute beobachten.
1Die Fluktuationen in der kosmischen Hintergrundstrahlung (380.000 Jahre nach dem Ur-
knall) lassen direkte Schlussfolgerungen auf die Großenordnung der Inhomogenitaten der
Dichteverteilung des fruhen Universums zu.
3
2 Was gibt es fur Strukturen im
Universum?
Die Friedman-Robertson-Walker-Metrik geht von einem homogenen, isotropen
Universum aus, doch allein schon ein Blick in den Nachthimmel scheint diese
Annahme zu widerlegen. Es lassen sich einzelne Sterne und Planeten erkennen,
aber ebenfalls großere Strukturen, wie unsere Milchstraße, die als helles Band am
Himmel erscheint, da sie aus so vielen Sternen besteht, dass unser Auge diese nicht
mehr einzeln auflosen kann. Um von Isotropie sprechen zu konnen, mussen die
betrachteten Skalen entsprechend groß gewahlt werden.
2.1 Galaxien
2.1.1 Die Milchstraße, eine Spiralgalaxie
Unser Sonnensystem ist Teil der Milchstraße, einer vergleichsweise großen Galaxie
mit 100 bis 300 Milliarden Sternen. Diese Zahl ist so groß, dass man sie sich nicht
einmal mehr ansatzweise vorstellen kann. Ein anschaulichen Vergleich liefert ein
Schneetreiben von zehn km Durchmesser und einer Hohe von einem km, in der
jeder Kubikzentimeter im Schnitt drei Schneeflocken enthalt, die jeweils einen Stern
reprasentieren. Die Sonne selbst ware gerade einmal zehn nm groß, kleiner als ein
Virus, und die Pluto-Bahn 0,1 mm.
Spiralgalaxien (vgl. Abb. 2.1) sind durch ihre Spiralarme charakterisiert, in
denen noch aktive Sternentstehung stattfindet. Hierzu muss viel Gas und Staub
vorhanden sein, was das Wachstum von kleineren Masseansammlungen ermoglicht.
Wenn Druck und Temperatur im inneren Groß genug geworden sind, setzt die
Kernfusion ein.
4
2.1 Galaxien
Abbildung 2.1: Die Milchstraße. 100-300 Milliarden Sterne, angeordnet in Spiralar-
men die um ein schwarzes Loch in der Mitte kreisen.
Im Zentrum der Milchstraße befindet sich ein super massives schwarzes Loch
mit einer geschatzten Masse von vier Millionen Sonnenmassen um das die anderen
Sterne kreisen.
Linsengalaxien
Linsen und Spiralgalaxien werden zusammengefasst unter dem Begriff der Scheiben-
galaxien. Aufgrund ihres Drehimpulses bewegen sich alle Sterne in einer Scheibe um
das Zentrum der Galaxie. Im Gegensatz zu Spiralgalaxien weisen Linsengalaxien
kaum innere Struktur auf, jedoch die gleiche Scheibenform.
2.1.2 Elliptische Galaxien
Die zweite wichtige Klasse von Galaxien sind die elliptische Galaxien (Abb. 2.2).
Sie besitzen wenig innere Struktur und keine Drehimpuls. Der Großteil des Gases
und Staubes wurde bereits zur Bildung von Sternen aufgebraucht, weshalb sie
5
2 Was gibt es fur Strukturen im Universum?
großtenteils aus alten Sternen und entsprechend wenig Gas und Staub bestehen.
Abbildung 2.2: NGC 1316 im Sternbild Fornax (Ofen), Sudhimmel. Im Gegensatz
zu Spiralgalaxien haben Elliptische Galaxien keinen Drehimpuls und kaum innere
Struktur. Sie bestehen hauptsachlich aus alten Sternen und dementsprechend aus
wenig Gas und Staub.
2.1.3 Klassifizierung
In Abb. 2.3 ist die Klassifizierung von Galaxien zusammengefasst. Links befinden
sich die elliptischen, welche nach Exzentrizitat geordnet werden. Die Spiralgalaxien
werden ihrerseits noch in zwei Untergruppen eingeordnet: Die Normalen und die
Balken-Spiralgalaxien, unter denen auch die Milchstraße als SBc-Galaxie einzu-
ordnen ist. Diese Einordnung wurde erstmals von Edwin Hubble vorgeschlagen
der zu dieser Zeit allerdings der Ansicht war, dass sich Galaxien von links nach
rechts entwickeln. Dies kann nicht sein, da elliptische Galaxien keinen Drehimpuls
besitzen und auch keinen aus sich selbst heraus generieren konnen.
6
2.2 Quasare
Abbildung 2.3: Klassifizierung von Galaxien nach Edwin Hubble. Der Gehalt an
Gas und Staub sinkt von rechts nach links.
2.2 Quasare
Quasar steht fur Quasi Stellar Radio Source, also nur quasi sternartig. Dies liegt
daran, dass das Spektrum einen Quasars nichts mit dem eines normalen Sterns zu
tun hat. Außerdem ist die Energiefreisetzung eines Quasares um Großenordnungen
hoher als die eines einfachen Sterns. Auf Großenordnungen von dem des Sonnen-
systems werden Energien freigesetzt, die sonst nur in ganzen Galaxien entstehen.
Was ist die Ursache fur diese ungeheure Energiefreisetzung?
Quasare konnte man auch als aktive schwarze Locher bezeichnen. Ein Quasar
besteht aus einem super massiven schwarzen Loch (100 Millionen bis eine Milliarden
Sonnenmassen), in den bestandig Materie hineingezogen wird. Durch die Beschleu-
nigung des Gases wird dies zum Gluhen gebracht, aber um die Energiefreisetzung
zu erklaren muss Materie direkt in Energie umgewandelt werden (E = mc2). Bei
einem sich nicht drehenden schwarzen Loch kann etwa funf Prozent der Materie
direkt in Energie umgewandelt werden. Bei Quasaren dreht sich das schwarze Loch,
wodurch diese Prozentzahl auf bis zu vierzig erhoht wird.
Zudem entstehen sogenannte ”Jets”, Teilchenstrome, die mit annahernd Licht-
geschwindikteit senkrecht von der Rotationsscheibe in das Universum geschossen
7
2 Was gibt es fur Strukturen im Universum?
werden. Diese entstehen aufgrund der Bewegung geladener Teilchen in Kreisbahnen
um das schwarze Loch. Diese erzeugen sehr große Magnetfelder die wiederum einen
Strom in Form der ”Jets” induzieren.
Wichtig fur die Strukturbildung sind Quasare, weil sie aufgrund ihrer hohen
Leuchtkraft noch zu hohen Rotverschiebungen, d.h. zu lange vergangenen Zeiten,
beobachtete werden konnen.
2.3 Galaxien-Haufen
Das Universum weist noch weit großere Strukturen als Quasare und Galaxien auf.
Letztere selbst ordnen sich ihrereseits wieder in Galaxien-Haufen an. Die Anzahl der
Mitglieder dieser Haufen (auch Reichtum genannt) schwankt von einigen wenigen
bis hin zu mehreren tausend. Die Milchstraße ist mit der Andromedar-Galaxie die
großte Galaxie der ”lokalen Gruppe”, ein Haufen mit dreißig Mitgliedern.
Galaxien-Haufen sind meist spharisch angeordnet mit einer Konzentration von
elliptischen Galaxien in der Mitte und Spiralgalaxien außen.
2.4 Superhaufen
Die Haufen selbst ordnen sich in den großten im Universum aufzufindenden Struktu-
ren, den Superhaufen an. Hierbei handelt es sich um unrelaxierte Gebilde. Dies lasst
sich schnell aus der Beobachtung ableiten, dass eine Galaxienhaufen sich etwa mit
1000 km/s in einem Superhaufen bewegt und dementsprechend grob 300 Milliarden
Jahre fur eine Durchquerung brauchen wurde, was das Alter des Universums weit
uberschreitet.
Schatzungen gehen von einem Gewicht dieser Superhaufen von 1015 − 1016 M
aus. Die Galaxien ordnen sich in Wabenartigen Strukturen an, wodurch riesige
Leerraume (Voids) entstehen (40− 100 Mpc) in denen kaum Galaxien zu finden
sind.
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3 Wie kann ich Aussagen uber
Strukturen im Universum
machen?
3.1 Roterschiebungs-Durchmusterung
Um die Verteilungen von Galaxien und Galaxienhaufen im Universum zu unter-
suchen werden moglichst viele Positionen von Galaxien bestimmt. Breiten und
Langengrad lassen sich trivial bestimmen. Die Entfernung von der Erde wird hierbei
uber die Messung der Rotverschiebung bestimmt:
cz = H0r + vpec. (3.1)
Dabei wird sowohl die Rotverschiebung aufgrund des Hubble-Flusses, als auch
die Pekuliargeschwindikeit gemessen, d.h. die Geschwindigkeit des Objektes auf
seiner elliptischen Bewegung senkrecht zur Beobachtungsrichtung. Aus den be-
stimmten Positionen von Galaxien werden Kataloge erstellt, man spricht auch von
Rotverschiebungs-Durchmusterungen.
Um nun direkt von der gemessenen Lichtverteilung auf Dichteverteilungen schlie-
ßen zu konnen, muss man die umstrittene Annahme machen, dass Licht ein guter
Masseindikator ist.
3.2 Licht als Masseindikator
Um Masse oder die Verteilungen von anderen Objekten zu beschreiben wird
eine Korrelationsfunktion ξ(r) eingefuhrt. Uber diese wird die Wahrscheinlichkeit
9
3 Wie kann ich Aussagen uber Strukturen im Universum machen?
angegeben ein Objekt im Abstand r eines anderen zu finden. Fur die Galaxien-
Galaxien-Korrelaionsfunktion ist Wahrscheinlichkeit eine Galaxie im Abstand r
einer weiteren zu finden gegeben durch:
Pgg(r) = 〈n(r)〉δV [1 + ξgg(r)]. (3.2)
Dabei ist n(r) Anzahldichte von Galaxien am Ort r und δV das betrachtete
Volumen. Bei einer Zufallsverteilung ware ξgg = 0. Man beobachtete allerdings:
ξgg(r) ≈(
r
5 Mpc
)−1,8
. (3.3)
Ebenfalls von Interesse ist die Massekorrelationsfunktion. Nimmt man an, dass
Licht ein guter Masseindikator ist, dann konnte man diese entweder uber die
Verteilung von Galaxien, oder uber die Verteilung von Galaxien-Haufen bestimmen,
vorausgesetzt es werden genug Galaxien-Haufen einbezogen. Es sollte also
ξ = ξhh = ξgg (3.4)
gelten. Jedoch findet man:
ξhh(r) ≈(
r
25 Mpc
)−1.8
≈ 20ξgg(r). (3.5)
Die Haufen-Korrelationsfunktion ist 20 mal so groß wie die Galaxien-Korrelations-
funktion. Dies allein lasst schon schlussfolgern, dass Licht kein guter Masseindikator
ist. Eine genauere Methode ist Dichteverteilung und Massen einzelner Objekte
uber Pekuliargeschwindigkeiten zu bestimmen. Die Masse ist Ursache der Gravi-
tationskraft und diese sorgt wiederum fur die Pekuliargeschwindigkeit. Um die
Pekuliargeschwindigkeit aus der Rotverschiebung zu isolieren, ist eine weitere
Abstandsmessung notig die unabhangig von z ist. Beispiele hierfur sind Abstands-
messungen uber Cephaid-Sterne oder Supernovae, die Objekte in ihrer Umgebung
erleuchten.
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4 Wie sind die heutigen Strukturen
in einem expandierenden
Universum entstanden?
Dichtefluktuationen werden uber den Dichtekontrast, d.h. die Abweichung zur
mittleren Dichte im Universum beschrieben:
δ(~x) =δρ(~x)
〈ρ〉=ρ(~x)− 〈ρ〉〈ρ〉
. (4.1)
Kompakte Strukturen konnen sich erst ab einem Dichtekontrast δ(~x) > 1 bilden.
Von hieran wachsen sie nicht linear. Uber Beobachtungen von Rotverschiebungen
lasst sich feststellen, dass sich solche Strukturen erst in der Materie dominierte
Phase des Universums gebildet haben.
4.1 Das Jeans-Modell
Das Jeans-Modell beschreibt das Wachstum kleiner Storungen unter Einfluss der
Gravitation (1902). Zuerst wird ein statisches Modell R = 0 betrachtet, dies ist
jedoch leicht auf ein expandierendes Universum ubertragbar. Das Modell, was
Jeans verwendet hat, ist eine ideale Flussigkeit der Dichte ρ, Geschwindigkeit ~v
und Druck p. In diesem Fall gelten drei Gleichungen:
Die Kontinuitatsgleichung (Massenerhaltung):
∂ρ
∂t+∇(ρ~v) = 0, (4.2)
die Euler-Gleichung (Impulserhaltung unter Vernachlassigung von Reibung und
Warmeleitung):
11
4 Wie sind die heutigen Strukturen in einem expandierenden Universum
entstanden?
∂~v
∂t+ (~v · ∇)~v +
1
ρ∇ρ+∇Φ = 0 (4.3)
und die Poisson-Gleichung fur das Gravitationspotential:
∇2Φ = 4πGρ. (4.4)
Es soll nun die Entwicklung kleiner Storungen
ρ = ρ0 + ρ1 (4.5)
betrachtet werden. Fasst man alle drei Gleichungen zusammen, ergibt sich
folgende Differentialgleichung (vs =√
∂p∂ρ
)
∂2ρ1∂t2− v2s∇2ρ1 = 4πGρ0ρ1. (4.6)
Hierbei handelt es sich um eine inhomogene Wellengleichung deren Losungen
ebene Wellen sind
ρ1 ∝ ei(~k~r−ωt). (4.7)
Hieraus ergibt sich die Dispersionsrelation gemaß
ω2 = v2sk2 − 4πGρ0. (4.8)
Uber die Bedingung ω = 0 wird die Jeans-Wellenzahl kJ definiert:
kJ =
(4πGρ0v2s
) 12
. (4.9)
Solange k > kJ ist ω reell, d.h. die Dichteanderungen beschreiben Schallwellen,
der Druckgradient ist groß genug um der Gravitation Stand zu halten. Ist jedoch
k < kJ , so wird ω imaginar und die Storung wachst oder fallt exponentiell. Zudem
wird eine Jeans-Masse MJ definiert als Masse innerhalb einer Kugel mit Radius
λJ/2 = π/kJ :
12
4.1 Das Jeans-Modell
MJ =4π
3
(π
kj
)3
ρ0 =π
52
6
v3s
G32ρ
120
. (4.10)
Massen großer als die Jeans-Masse sind instabil gegen Gravitationskollaps. Der
interner Druckgradient ist nicht groß genug um die Instabilitat aufgrund der Eigen-
gravitations zu verhindern.
Unter Einbeziehung der Ausdehnung des Universums (Annahme flaches Univer-
sum Ω ≈ 1) ergibt sich der zeitliche Verlauf von Dichtestorungen ρ1 zu:
ρ1 ∝ t23 . (4.11)
Die Expansion des Universums verlangsamt also das Wachstum von Storungen
von einem exponentiellem Verhalten zu einem Potenzgesetz. Die Jeans-Masse an
sich bleib exakt die gleiche.
4.1.1 Zeitlicher Verlauf der Jeans-Masse
Zur Vereinfachung wird die Annahme gemacht, dass das Universum nur aus Baryo-
nen und Photonen besteht ρ = ρB + ργ . In der Strahlungs dominierte Phase ist der
Druck gegeben durch die Photonen:
vs =√
(1/3)c. (4.12)
Dies fuhrt dazu, dass die Jeans-Masse dreißig mal so groß ist wie die gesamte
Masse im Horizont (Hubble-Volumen) MJ = 30·MHOR. Zur Zeit der Rekombination,
d.h. der Bildung der ersten Wasserstoffatome aus Elektronen und Protonen, anderte
sich MJ drastisch. Dies liegt an der Abnahme der Schallgeschwindigkeit, die in der
Materie dominierten Phase gegeben ist durch
vs =5
3
kT
mH
. (4.13)
Hier wird der Druck durch die Wasserstoffatome aufrecht gehalten. Die mittlere
freie Weglange der Photonen vergroßert sich rapide. Mit der Schallgeschwindigkeit
13
4 Wie sind die heutigen Strukturen in einem expandierenden Universum
entstanden?
fallt ebenfalls die Jeans-Masse um mehrere Großenordnungen 1016M → 106M
(MJ ∝ v3s). Dies entspricht der Masse von Klustersternhaufen, eine der altesten
Objekte im Universum. In der Zeit zwischen dem Zeitpunkt der Rekombination
und heute lasst sich abschatzen, dass Dichtestorungen etwa um einen Faktor 103
wachsen konnten.
Abbildung 4.1: Zeitlicher Verlauf der Jeans-Masse. Nach der Rekombination fallt
diese um mehrere Großenordnungen ab, seit diesem Zeitpunkt konnen Dich-
testorungen wachsen.
In Abb. 4.1 ist der zeitliche Verlauf der Jeans-Masse abgebildet. In der Strahlugs-
dominierten Phase ist sie immer großer als die baryonische Masse im gesamten
Horizont. Erst nach Abfall der Schallgeschwindikeit zur Zeit der Rekombination
verkleinert sie sich um fast zehn Großenordnungen.
4.1.2 Erweiterung
Eine wichtige Erweiterung zum Jeans-Modell ist der Vorgang des Auswaschens.
Hierbei treten schwach wechselwirkende Teilchen aus Bereichen hoher Dichte aus
und fuhren so zu einem ”Verschmieren” dieser Storungen. Hierbei spricht man von
Silk-Dampfung (MS ebenfalls in Abb. 4.1 abgebildet, bis zu dieser Masse werden
14
4.2 Pancake-Theorie
alle kleineren Storungen ausgewaschen).
Nach der Rekombination konnen Photonen ebenfalls aus Gebieten erhohter
Dichte austreten. Dieser Vorgang wird aufgrund der vielen Wechselwirkungen
der Photonen, Kollisions-Dampfung genannt. Dabei handelt es sich eher um eine
Diffusion als um einen gezielten Teilchenstrom, wie bei der Silk-Dampfung.
4.2 Pancake-Theorie
Zum Zeitpunkt der Rekombination sind alle kleineren Storungen ausgewaschen
(Abb. 4.1 bis MS). Die einzigen Storungen sind von der Großenordnung von 1015M,
der Masse von Superhaufen. Man geht von elliptischen Formen aus, daher der Name
Pancake-Theorie. Aus diesen großen Storungen entstehen kleinere Strukturen, wie
Galaxien Haufen und Galaxien, durch Kollaps einzelner Bereiche. Aufgrund der
Reihenfolge der Strukturbildung wird hier von einer ”Top-Down-Theorie” gespro-
chen.
Das große Problem ist allerdings, dass ein Faktor 103 nicht ausreicht, um aus
den Dichtefluktuationen gemaß der hochgradig isotropen Hintergrundstrahlung die
heutigen Strukturen zu bilden. Die Losung dieses Problems bietet die Einbeziehung
dunkler Materie.
4.3 Dunkle Materie
Es gibt grundsatzlich zwei verschiedene Arten von dunkler Materie: Heiße und
kalte. Heiße dunkle Materie sind relativistische Teilchen, die aufgrund ihrer hohen
Beweglichkeit sehr lange fur ein effektives Auswaschen kleinerer Storungen sorgen
und damit eher fur eine ”Top-down-Theorie” sprechen wurde.
Kalte dunkle Materie besteht aus sehr schweren Teilchen mit Massen mind. im
GeV Bereich. Da diese nicht uber die elektromagnetische Kraft wechselwirken
konnen sich schon in der Strahlungs dominierten Phase Gravitationszentren aus
dunkler Materie bilden die fur ein Potential sorgen, in das die baryonische Materie
nach der Rekombinationszeit hinein fallt. Kalte dunkle Materie ermoglicht somit
die Bildung kleinerer Masseansammlungen, aus denen danach großere Strukturen
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4 Wie sind die heutigen Strukturen in einem expandierenden Universum
entstanden?
entstehen, also ein ”Bottom-up-Modell”.
Hierdurch konnte schon die Fruhzeitige Entstehung von Sternen erklart werden.
Dies ist notwendig, da Kohlenstoff schon in einigen primordialen (zur Zeit der
Bildung der ersten Atomkerne) Wolken nachgewiesen wurde. Diese Modelle werden
in N -Korper-Simulationen getestet. Mit der Verwendung von nur kalter dunklen
Materie scheinen die großen Strukturen nicht schnell genug zu entstehen (Super-
Haufen), wohingegen mit nur heißer dunkler Materie die Galaxienbildung nicht
schnell genug stattfindet. Die besten Ergebnisse wurden mit 70% kalter und 30%
heißer gemacht.
4.4 Millenium Simulation
Die großte bis jetzt durchgefuhrte N -Teilchen-Symulation ist die Millenium Si-
mulation unter Leitung des Max-Planck-Instituts fur Astrophysik in Garching
bei Munchen. Das Ziel war die Entwicklung einer Computersimulation fur die
Entwicklung der heutigen Strukturen aus einem nur leicht inhomogenen Universum
(Hintergrundstrahlung). Hierbei wurde dunkle Materie einbezogen.
Insgesamt wurden uber 10 Milliarden Teilchen simuliert, von denen jedes eine
Masse von ungefahr einer Millionen Sonnenmassen reprasentierte. Die Simulation
fand auf einem Wurfel von Kantenlange von uber zwei Milliarden Lichtjahren statt.
Die Entwicklung der einzelnen Teilchen aufgrund der Gravitation wurde mit einer
Schrittweite von einer Millionen Jahre berechnet. Die Simulation der 14 Milliarden
Jahre unseres Universums dauerte insgesamt 28 Tage.
Die heute beobachteten Strukturen stehen in guter Ubereinstimmung mit der
simulierten Verteilung und Massenansammlungen von der Große von Galaxien
entstanden auf einer netzartigen Struktur. Zudem konnte mit den verwendeten
Theorien und Parametern die fruhe Entstehung von Quasaren nachvollzogen werden,
was bis dahin noch als strittig galt.
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