SIE HÖREN: Lieder von Franz Schubert. Biedermeier Epochenvorlesung WS 2008 Katedra germanistiky...

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SIE HÖREN:

Lieder von Franz Schubert

Biedermeier

Epochenvorlesung WS 2008

Katedra germanistiky UPOL

Birgit Feierl | Sabine Voda Eschgfäller

Terminologie | Name(n) der Epoche

Terminologie | Name(n) der Epoche

„Biedermeier“ [von „bieder“ (počestný | poctivý | mestansky] ... befindet sich zeitlich zwischen den Epochen

Romantik

und

Realismus

Terminologie | Name(n) der Epoche

„Biedermeier“ beschreibt (in etwa) die Zeitspanne von

1815 – Wiener Kongress

bis

1848 – „Märzrevolution“

Terminologie | Name(n) der Epoche

„Biedermeier“: Begriff stammt aus der parodistischen Sammlung

„Die Gedichte des schwäbischen Schulmeisters Gottlieb Biedermaier und seines Freundes Horatius Treuherz“

von Ludwig Eichrodt und

Adolf Kussmaul

(ab 1855 in den „Münchner Blättern“)

Terminologie | Name(n) der Epoche

„Biedermeier“ (vgl. bodrost | počestnost)

Begriff wurde – rückwirkend (ab 1900) – zur Bezeichnung der Lebens- und Wohnkultur, der Malerei und Mode der ersten Jahrhunderthälfte

Terminologie | Name(n) der Epoche

bezeichnet die Lebenskultur adeliger und bürgerlicher Kreise, welche durch die Hinwendung zum privaten Leben geprägt war => es ist auch ein Sich-Abwenden von der unruhigen politischen Atmos-phäre

Achtung: Begriff wird oft missverstanden im Sinne von einfach „Biederkeit“ oder „Gemütlichkeit“ Begriff sagt aber mehr!

Beschreibung der Epoche

„Biedermeier“ meint (auch):

die verzweifelte Suche nach dem eigenen innerem Frieden

ein Hin- und Annehmen (Akzeptanz, Resignation) des Schicksals

Melancholie und Weltschmerz

Beschreibung der Epoche

„Biedermeier“ meint (auch):

Humor und Geselligkeit

Verzweifeln an der Zeit (vgl. Politik)

Bekämpfen der Leidenschaften

Liebe zum einfachen Leben und den kleinen Dingen

Terminologie | Name(n) der Epoche

„Biedermeier“

als Begriff, der zum Inbegriff einer idyllisch wahrgenommenen, „guten, alten Zeit“ wird, durchaus positiv gemeint

darin aber enthalten: Melancholie und Schmerz (Weltschmerz), Verzweiflung

Biedermeier-Malerei

Friedrich vonAmerling

Carl Spitzweg: Der Bücherwurm

Carl Spitzweg:Der Kornbauer

Carl Spitzweg: Der Kaktusliebhaber

Jakob Alt: Frau am Schreibtisch

Ferdinand G. Waldmüller: „Am Palmsonntag“

F. G. Waldmüller: „Am Fronleichnamsmorgen“

Musik der Biedermeierzeit

Musik der Biedermeierzeit

Musik nach bürgerlichem Geschmack

Haus- und Kammermusik

Gesangsvereine (Lieder)

Musikgesellschaften

Tänze (Walzer, Ländler, Menuett)

Robert Schumann (kein typischer Biedermeier-Komponist, sehr beliebt)

Johann Strauß (Vater) (Walzer)

Joseph Lanner (Walzer)

Musik der Biedermeierzeit

Musik der Biedermeierzeit

Franz Schubert

(1797 – 1828)

„Schubertiade“

Terminologie | Name(n) der Epoche

Andere Begriffe für „Biedermeier“

„Vormärz“ Märzrevolution 1848 (Betonung der revolutionären Aufbruchsstimmung)

„Junges Deutschland“ bezeichnet den antirestaurativen Protest der gleichnamigen radikal-freiheitlichen Dichtergruppe

Historische Hintergründe

Historische Hintergründe

Wiener Kongress: 1814/15

„Märzrevolution“ („bürgerliche Revolution“): 1848

Wiener Kongress

Der Wiener Kongress (18. September 1814 bis 9. Juni 1815) legte in Europa die Grenzen neu fest und definierte neue Staaten

Anlass: Niederlage von Napoléon Bonaparte in der Schlacht bei Waterloo und seine Verbannung - Napoléon hat die politische „Landkarte“ Europas stark verändert

Wiener Kongress

Der österr. Außenminister Metternich lädt politische Vertreter aus über 200 europäischen Staaten, Herrschaften und Städten nach Wien ein

Führende Rollen: Russland, Großbritannien, Österreich, Preußen und wiederhergestellte franz. Monarchie

Deutschland als der „Deutsche Bund“ (mit 39 Mitgliedstaaten) [(das Hl. Röm. Reich Deutscher Nation war 1806 aufgelöst worden – Niederlegung der Krone durch Habsburger Kaiser Franz II.)]

Wiener Kongress

Ziel:

RESTAURATION =

Wiederherstellung der Verhältnisse, die vor der Französischen Revolution in Europa geherrscht hatten.

Märzrevolution 1848

= Begriff für das revolutionäre Geschehen zwischen März 1848 und Sommer 1849 in Österreich, in Preußen und im Deutschen Bund

Märzrevolution 1848

Im Januar 1848 erheben sich italienische Revolutionäre gegen die Herrschaft der österr. Habsburger und der span. Bourbonen

Die Habsburgerfamilie flieht 1848 nach OLOMOUC

Unterschlupf im Schloss des Erzbischofs: Krönung des 18jähr. FRANZ JOSEF I.

Märzrevolution 1848

Forderungen:

Pressefreiheit (vgl. Zensur)

Einrichten von Schwurgerichten

Reform der Verfassungen

Sturz des „System Metternich“ (organisierter Adel)

Historische Hintergründe

ZENSUR – Warum?

Zensur – Warum?

Technische Neuerungen – z.B. Papiermaschine, Schnelldruckpresse

Steigerung der Buchproduktion

Neue Verlage entstehen

Leihbibliotheken breiten sich aus

Größeres Lesepublikum!

Zensur – Warum?

Neue Möglichkeiten für die Schrift-steller: Mäzene und Gönner (Förderer) nicht mehr nötig

Der Schriftsteller kann frei und unabhängig leben und verdienen: Der „Markt“ bestimmt die Bedingungen

Anliegen der Restauration: Versuch kritisches und revolutionäres Gedankengut zu verhindern

Karlsbader Beschlüsse 1819: Vorzensur aller Publikationen, die weniger als 320 Seiten umfassten (v.a. Broschüren, Zeitungen, Flugblätter)

Zensur – Warum?

Zensur schreibt vor:

Überwachung der Universitäten (Verbot für studentische Burschenschaften)

Entlassung von Dozenten (Lehrenden) mit nationalem oder liberalem Gedankengut

Verbot der Turnerverbände (wg. Freiheitlichem Gedankengut)

Reaktionen auf die Zensur:

Durch die rigorosen und starken politischen Einschränkungen für die schriftstellerische Meinungsfreiheit gehen manche ins Exil (z.B. Heinrich Heine Exil nach Frankr.)

Viele Schriftsteller verstummen oder ziehen sich aus der Öffentlichkeit zurück (Eskapismus)

Themen der Biedermeier-Literatur

Historische Hintergründe

Die Schriftsteller/innen des Biedermeier leben in einer Übergangsepoche [místo přechodu]

Sie hatten die Französische Revolution miterlebt und erleben, dass durch den Wiener Kongress die alte Ordnung weitgehend wieder „hergestellt“ ist

Formale | Inhaltliche Elemente

Elemente der Klassik (v.a. Goethe und Schiller) und Romantik

Elemente der Aufklärung und der Empfindsamkeit

Reisebeschreibungen, Reportagen, Essays, Charakterskizzen entwickeln sich zu beliebten Gattungen

Schriftsteller/innen setzen sich mit den gesellschaftlichen und politischen Spannungen ihrer Zeit und der großen Verunsicherung durch die Politik auseinander

Sie schaffen, erfinden einen ästhetischen „Ruhepol“ [rozsah klidu, místo úniku]

Themen der Biedermeier-Literatur

Themen der Biedermeier-Literatur

„Ruhepol“ = ist ein Zustand, „modus vivendi“, in dem es gelingt, ein beschauliches und geordnetes Leben zu führen inmitten der schwierigen Zeit

Figuren müssen sich bewähren [prosadit se] (Hindernisse: z.B. falsche Ideale, Schicksalsschläge, Leicht-gläubigkeit, Naivität, Ungeduld, Zorn, Trauer, Beziehungskrisen …)

Figuren finden (beispielhaft) eine Antwort, wie es sich möglichst gut und im Einklang [v souladu] mit sich und der Welt leben lässt

Themen der Biedermeier-Literatur

Es geht in dieser Zeit voll gesellschaftlicher und politischer Unruhen und Wirren um das Auffinden einer „überzeitlichen“ [nadčasovy] Ordnung (z. B. Vergangenheit oder klarer moralischer „Wertekatalog“)

Die äußeren Faktoren sind undurchsichtig und für den Einzelnen nicht mehr zu durchschauen: Schriftsteller/innen und die Figuren wenden sich deshalb den innerlichen Faktoren (Sehnsüchte, Gefühle, Ängste) zu und versuchen im Kleinen, Privaten ins Reine zu kommen

Themen der Biedermeier-Literatur

»Eines nur ist Glück hienieden,

Eins: des Innern stiller Frieden«

Franz Grillparzer:

»Der Traum ein Leben«

Themen der Biedermeier-Literatur

„Weltschmerz“

Als Urheber des Terminus gilt Jean Paul (1763 – 1825)

„Weltschmerz“ – eine Konsequenz der intensiven inneren Auseinandersetzung mit den Dingen – ein Zustand tiefer Resignation

Weltschmerz

pessimistisches Lebensgefühl (bereits in der Romantik Züge davon)

gesamteurop. Phänomen (neben deutschspr. Autoren auch Giacomo Leopardi, Lord Byron, Alfred de Musset, F.-R. de Chateubriand)

beschreibt einen Zustand extremer Melancholie über die eigene Unfähigkeit mit dem Leben fertig zu werden und die Welt zu durchschauen

Weltschmerz | Synonyme

Manchmal werden – mit inhaltlichen Nuancen – folgende Begriffe synonym verwendet:

„Ennui“ (Lebensverdruss, Schwermut, Langeweile)

„Byronismus“ (nach Lord Byron benannte Form des seelischen Leidens seiner Figuren, der „Byronischen Helden“)

Textbeispiele - Handout

Danke für die Aufmerksamkeit!