Sozialer Vergleich und Beziehungen zwischen Gruppen 1.Sozialer Vergleich 2.Begriffe 3. Ältere...

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Sozialer Vergleich und Beziehungen zwischen Gruppen

1. Sozialer Vergleich2. Begriffe3. Ältere Erklärungsansätze zu Intergruppenkonflikten4. Minimalgruppen-Paradigma und Theorie der

sozialen Kategorisierung5. Abbau von Vorurteilen: Theorie und Anwendung

1. Sozialer Vergleich (Festinger)Thesen: Menschen haben das Bedürfnis, ihre

Meinungen und Fähigkeiten zu bewerten. Dies tun sie mittels sozialem Vergleich.

Bei Meinungen kommt es darauf an, dass sie korrekt sind (optimales Ergebnis: Übereinstimmung mit Vergleichsperson).

Fähigkeiten sollen möglichst gut sein (optimales Vergleichsergebnis: besser sein als andere).

Es werden Vergleichspersonen bevorzugt, die vergleichbar sind (z.B. in Alter, Geschlecht).

Diskrepanzen sollen reduziert werden (Motiv).Sozialer Vergleich findet auch auf Gruppenebene statt.

2. Begriffe• Stereotyp – Vorurteil – Diskriminierung:

– Stereotyp = Meinungen ("beliefs") über die Charakteristika einer Gruppe und ihrer Mitglieder

– Vorurteil ("prejudice") = (meist negative) Einstellung gegenüber einer Gruppe und ihren Mitgliedern

– Diskriminierung = Verhalten gegenüber einer Gruppe und ihren Mitgliedern

• Interpersonales Verhalten / Intergruppenverhalten:– Unterscheidung, wonach Personen (idealtypisch) entweder als

Individuum oder als Mitglied einer Gruppe handeln (Tajfel)– IG-Verhalten setzt die Augenfälligkeit von mindestens 2

sozialen Kategorien voraus, ist eher uniform und stereotyp

• In Intergruppensituation immer vorhanden:– Eigengruppe (EG) / "in-group" =

Gruppe, der sich P zugehörig fühlt

– (mindestens eine) Fremdgruppe (FG) / "out-group„

Intergruppenverhalten: Das Verhalten, das Individuen , die Mitglied einer Gruppe sind, gegenüber Mitgliedern einer anderen Gruppe zeigen

Intergruppenverhalten ist im Gegensatz zu interpersonalem Verhalten:härter, weniger auf Problemlösung ausgerichtet, besser vorhersagbar, uniformer

3. Ältere Erklärungsansätze zu Intergruppenkonflikten• Autoritäre Persönlichkeit (Adorno et al., 1950)

– psychoanalytischer Ansatz; rigide Erziehung, Überkonformität; Aggressionsverschiebung auf Minderheiten

– F-Skala– zunächst populär, aber als alleinige Erklärung kaum vereinbar mit

• Einflüssen der sozialen Situation und soziokultureller Normen• Uniformität von Vorurteilen innerhalb Gesellschaften• historischer Spezifität von Vorurteilen

• Sündenbocktheorie – schlechte Wirtschaftslage, Gewalt gegen Minderheiten (z.B.

"Lynchjustiz": Hovland & Sears, 1940)– Erklärung: Frustrations-Aggressionshypothese: Aggression wird

nicht zum Frustrator gezeigt, sondern umgelenkt

• Experiment: Teilnehmern eines Lagers wurde der Ausgang gesperrt (Frustration), vorher und nachher wurden Einstellungen gegenüber Personen zweier Nationen erhoben, die waren zum zweiten Zeitpunkt negativer.

• Kritik: andere Experimente weniger eindeutig, relative Deprivation ist wichtiger als absolute, Verhalten, das durch Frustration bestimmt ist, ist angeblich nicht zielgerichtet, diese Annahme ist unhaltbar.

• Problem der o.a. Ansätze: Keine theoretische Unterscheidung zwischen Intergruppen-Verhalten und individuellem Verhalten.

• Anders in Theorie des realistischen Konflikts (Sherif)– Interessenkonflikt Wettbewerbsorientierung; negative

Diskriminierung der FG; Stärkung positiver Einstellungen zur EG; erhöhte Kohäsion

– Interessenübereinstimmung Kooperation; positive Einstellungen zur Fremdgruppe

• Sherifs Feldstudien im Sommerlager – 3 Phasen: Gruppenbildung – Wettbewerb – Konfliktreduktion– früher Beleg, dass Kontakt bei übergeordneten Zielen zum Abbau

von Vorurteilen und Diskriminierung beitragen

4. Minimalgruppen-Paradigma und Theorie der sozialen Kategorisierung

• Führt bloße Gruppenmitgliedschaft zu Intergruppenverhalten (auch ohne Konflikt)?Experimente mit "minimalen Gruppen" (Tajfel et al., 1971)

• Minimalgruppen-Paradigma:– Bildung von 2 "Gruppen" nach willkürlichen Kriterien (z.B.

"Punktschätzung"; Losentscheid)– Aufgabe: Anonym Punkte verteilen an anonyme Andere, von denen

nur die Gruppenzugehörigkeit bekannt ist, z.B.:

Mitglied 14 Gruppe A 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19

Mitglied 23 Gruppe B 1 3 5 7 9 11 13 15 17 19 21 23 25

• Ergebnis: Tendenz zur relativen Bevorzugung der "Eigengruppe" (unter Verzicht auf absoluten Gewinn!)

• vielfach repliziert (obwohl weniger deutlich bei Zuweisung negativer Ergebnisse (Mummendey et al., 1992)

• Erklärungsversuche:– Normen: Vorhandensein von Gruppen aktiviert "Wettbewerbs-

norm" – aber: unklar, warum andere Normen (Fairness, Equity) nicht überwiegen

– Tendenz zur Akzentuierung von Unterschieden zwischen Kategorien ("kategoriale Differenzierung"). Gut belegt, auch bei physischen Stimuli (gleichzeitig Homogenisierung innerhalb jeder Kategorie) – aber: Asymmetrie zugunsten der EG bleibt unklar

– Eigeninteresse: Erwartung, dass andere ihre EG begünstigen = implizite Norm, ebenso zu handeln – gemischte Befunde

• Theorie der sozialen Identität / sozialen Kategorisierung (Tajfel; Turner). Grundannahmen:

– Personen strukturieren die Welt nach Kategorien, Minimierung intrakategorialer Unterschiede und Betonung interkategorialer Unterschiede.

– Da Personen selbst Mitglieder sozialer Kategorien sind, ergeben sich Unterscheidungen in EG und FG ("wir" – "die") mit motivationaler und affektiver Bedeutung für das Selbst.

Hieraus ergibt sich:1. Intergruppen-Akzentuierung: EG-Mitglieder werden als dem Selbst

ähnlicher wahrgenommen als FG-Mitglieder 2. EG-Favorisierung: Generalisierung positiver Gefühle /

Einstellungen innerhalb der EG3. sozialer Wettbewerb: Sozialer Vergleich verbunden mit

Wahrnehmung negativer Interdependenz zwischen EG und FG

• Theorie der sozialen Kategorisierung bietet Erklärung für EG-Favorisierung auch (und gerade) bei minimalen Gruppen:

– Die Situation bietet zunächst keine Möglichkeit einer bedeutsamen sozialen Identifikation (willkürliche Gruppierung, Anonymität).

– Einzige Möglichkeit zur Herstellung einer positiven Gruppen-identität durch Bevorzugung der EG bei Zuweisung von Belohnungen.

• Ursprünglich Selbstwerterhöhung als zentrales Motiv. Nach neueren Befunden kaum haltbar (Rubin & Hewstone, 1998):

– Mitglieder von Gruppen mit höherem Status diskriminieren stärker.– Geringer Selbstwert als Anfangsbedingung führt nicht zu mehr

Diskriminierung.

• Trotz dieser Einschränkung bietet die Theorie eine gute Erklärung für Intergruppenverhalten.

Handlungsmöglichkeiten von Personen in statusniedrigen Gruppen• Gruppe verlassen (soziale Mobilität)• Wettbewerb• Vergleich mit untergeordneter Gruppe• Vergleich auf anderen Dimensionen• Ablehnung der Werte

5. Abbau von Vorurteilen: Theorie und Anwendung

• Die Kontakthypothese (Allport, 1954): Unter geeigneten Bedingungen führt Kontakt zwischen Mitgliedern verschiedener Gruppen zur Reduktion von Feindseligkeit und Vorurteilen.

• Bedingungen:– Institutionelle Unterstützung / Norm der Toleranz– Möglichkeit des persönlichen Kennenlernens– Statusgleichheit– Kooperation

• Empirie:– Interventionsstudien im Feld (z.B. Wohnprogramme; Schule)– Laborexperimente ("Miniaturversionen" der Robbers Cave Studie)

• Ergebnisse belegen die Bedeutung der von Allport beschriebenen Bedingungen; aber: Effekte oft gering und von kurzer Dauer.

• Hauptproblem: Generalisierung– Herstellung der "geeigneten Bedingungen" im Alltag oft

unmöglich, politisch-historische Situation entscheidend (z.B. Nordirland; Südafrika)

– Generalisierung der geänderten Einstellungen zu individuellen Fremdgruppenmitgliedern auf die Fremdgruppe als Ganze ist fraglich: Die Personen, mit denen man Kontakt hat, werden oft als "Ausnahmen von der Regel" angesehen – Problem der Unterkategorisierung ("subtyping")

• Exkurs: Unterkategorisierung kann sogar zur Verstärkung des Stereotyps führen (Bless et al., 2001): Vpn geben Urteile ab über – die Gruppe der Sinti und Roma– ein Mitglied der Gruppe namens Goran Bampa

Zuvor Information über G.B.: teilweise stereotyp-konsistent (z.B. traditionsbewusst; musikalisch), teilweise stereotyp-inkonsistent (z.B. seit langem sesshaft am selben Ort)3 Bedingungen mit verschiedenen Vorlauffragen:– Inklusion: "Wie gut ist G.B. in die Kultur der Sinti und Roma

integriert?" (sehr gut / gut / schlecht / gar nicht)– Exklusion: "Ist G.B. ... Asylbewerber / Roma, aber eine Ausnahme /

Deutscher / Staatenloser "?– keine Vorlauffrage (Kontrollbedingung)

AV: Stereotypikalität der Beurteilung ("kriminell", "abergläubisch")

Beurteilung einer Gruppe und eines untypischen Mitglieds (Bless et al., 2001)

1

2

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Ster

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pika

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Inklusion Kontrollbed. Exklusion

Sinti und RomaGoran Bampa

• Wie kann Generalisierung erreicht werden?Kombination von Kontakthypothese und Theorie der sozialen Kategorisierung

• 3 alternative Ansätze:– Dekategorisierung– Rekategorisierung– wechselseitige Differenzierung

• Dekategorisierungs-Ansatz (Brewer & Miller, 1984): Augenfälligkeit sozialer Kategorien minimieren! These: Wiederholter kooperativer (etc.) Kontakt mit FG-Mitgliedern auf interpersoneller Ebene unterminiert Relevanz des FG-Stereotyps andere werden nicht mehr als Gruppenmitglieder, sondern als Individuen beurteilt.

• Evidenz:– Experiment: Personalisierter Kontakt hat Effekte auf Beurteilung

anderer Individuen aus der FG (Miller, Brewer & Edwards, 1985)– Umfragestudien ("Eurobarometer"): Freundschaften mit FG-

Mitgliedern positiv korreliert mit Einstellungen gegenüber ImmigrantInnen aus derselben FG; Generalisierung auf Einstellungen zu Mitgliedern anderer FGn, reduzierter Nationalstolz (Pettigrew: "Deprovinzialisierung")

• Rekategorisierung: Modell der "gemeinsamen Eigengruppen-Identität" (Gaertner & Dovidio, 2000):Aus zwei Gruppen eine machen! These: Schaffung einer neuen, übergeordneten EG-Identität andere werden nicht mehr als FG-Mitglieder, sondern als EG-Mitglieder beurteilt.

• Evidenz:– Experiment: Betonung einer gemeinsamen Gruppenidentität +

Kooperation führt zu positiverer Beurteilung der FG-Mitglieder; Effekt vermittelt über Wahrnehmung als eine Gruppe (Gaertner et al., 1990)

– Umfragestudien: unterstützende korrelative Befunde u.a. bei SchülerInnen einer multiethnischen Schule; Bankangestellten nach einer Fusion (s. Gaertner et al., 1996)

• Problem beider o.a. Modelle: Dekategorisierung bzw. Rekategorisierung ist kaum über längere Zeit aufrecht zu erhalten.

Warum? – Personen streben nach "optimaler Distinktheit" ihrer sozialen

Identität (Brewer, 1991) Vorliebe für soziale Kategorisierung auf mittlerer Ebene

– soziale Struktur unterstützt oft die alten Kategoriengrenzen (z.B. segregiertes Wohnen)

• Alternative: Modell der "wechselseitigen Differenzierung" (Hewstone & Brown, 1986):Gestaltung der Kontaktsituation als Intergruppen-Situation!These: Kooperation bei hoher Augenfälligkeit der ursprünglichen Kategorien, Entstehung positiver (statt negativer) Interdependenz; insbesondere Generalisierung wird erleichtert.

• Evidenz:– Brown & Wade (1987): Positivere Effekte einer kooperativen

Aufgabe, wenn Mitglieder verschiedener Gruppen auch unterschiedliche Rollen übernehmen / Teilaufgaben bearbeiten

– Konsistent hiermit auch Wilder (1984): Kontakt erfolgreicher, wenn andere Person als typisches Mitglied der FG angesehen wird.

• Schlüsseluntersuchung (Wilder, 1984):

Vpn sind Studentinnen aus rivalisierenden Colleges; Aufgabe: Kooperation mit Frau aus dem anderen College.

Design: 2 x 2 [x 2] mit den Faktoren– Typikalität der Zielperson (niedrig, hoch)– Verhalten der Zielperson (angenehm, unangenehm)– [College]

+ Kontrollgruppe ohne Kontakt

AVn: Bewertung der FG; Stereotypen über FG

Hypothesen: – Bei unangenehmer Interaktion generell negativer Effekt– Bei angenehmer Interaktion und untypischer Zielperson kein Effekt– Bei angenehmer Interaktion und typischer Zielperson positiver Effekt

Bewertung einer Fremdgruppe nach Kooperation mit einem FG-Mitglied (Wilder, 1984)

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1011

typ. atyp. typ. atyp. KG

Qualität d. Collegezu empfehlen?

angenehm unangenehm

• Zentraler Befund: Auf beiden Bewertungs-Variablen unterscheidet sich allein die "angenehm + typisch"-Bedingung von der Kontrollbedingung

• Aber: Keine entsprechenden Effekte auf Stereotypikalität von Meinungen über die FG (wenn überhaupt, eher Bestätigung des Stereotyps in den "typisch"-Bedingungen).

• Folgeuntersuchung (Exp. 3): Einfluss der Typikalität evtl. über wahrgenommene Repräsentativität des Verhaltens der Zielperson vermittelt: Bei hoher Typikalität wird genauere Vorhersage des Verhaltens anderer FG-Mitglieder möglich.

• Fazit zu neueren Varianten der Kontakthypothese: Alle vorgeschlagenen Vorgehensweisen sind wirksam (und können kombiniert werden); Generalisierung scheint Wahrnehmung von Typikalität vorauszusetzen.