Wolfram Seidler, Sommersemester 2011 Einführung in die Literaturwissenschaft Wolfram Seidler...

Post on 05-Apr-2015

124 views 3 download

Transcript of Wolfram Seidler, Sommersemester 2011 Einführung in die Literaturwissenschaft Wolfram Seidler...

Wolfram Seidler, Sommersemester 2011

Einführung in die Literaturwissenschaft

Wolfram Seidler

Sommersemester 2011

Wolfram Seidler, Sommersemester 2011

Organisatorisches Folgende Termine fallen aus:

14. März 2011 (Rektorstag) 18.April 2011 (Ostern) 25.April 2011 (Ostern) 23.Mai 2011 (Entfall) 6.Juni 2011 (Entfall) 13.Juni 2011 (Pfingsten)

1. Prüfungstermin: 20. Juni 2011 2. Prüfungstermin. 4.Juli 2011 3. Prüfungstermin im September

Wolfram Seidler, Sommersemester 2011

InhaltWas ist Literatur?Was ist ein Text?Grundbegriffe der Literaturwissenschaft

Gattungen (Lyrik, Epik, Dramatik) Stil und Rhetorik Epoche Autor

Wolfram Seidler, Sommersemester 2011

Inhalt

Theoretische Ansätze, z.B. Hermeneutik Strukturalismus Rezeptionstheorie …

Wolfram Seidler, Sommersemester 2011

Lektüre Terry Eagleton: Einleitung: Was ist Literatur, aus: ders.: Einführung

in die Literaturtheorie. 4., erw. u. akt. Aufl. Stuttgart: Metzler 1997 Rainer Baasner u.a.: Allgemeine Einführung: Grundbegriffe, aus:

dies.: Methoden und Modelle der Literaturwissenschaft. Eine Einführung. 3. überarb. u. erw. Aufl. Berlin: Schmidt 2005

Metzler Lexikon Literatur- und Kulturtheorie. Ansätze – Personen – Grundbegriffe. Hg. V. Ansgar Nünning. 2. überarb. u. erw. Auflage, Stuttgart, Metzler 2001

Heike Gfereis (Hg.): Grundbegriffe der Literaturwissenschaft. Stuttgart, Metzler 1999 (Sammlung Metzler 320)

Hegel

Auf die Frage: Was ist das Itzt? Antworten wir zum Beispiel: Das Itzt ist die Nacht. Um die Wahrheit dieser sinnlichen Gewissheit zu prüfen, ist ein einfacher Versuch hinreichend. Wir schreiben die Wahrheit auf; eine Wahrheit kann durch Aufschreiben nicht verlieren; ebensowenig dadurch, dass wir sie aufbewahren. Sehen wir itzt, diesen Mittag, die aufgeschriebene Wahrheit wieder an, so werden wir sagen müssen, dass sie schal geworden ist.

Mündlichkeit - Schriftlichkeit

Schrift als GedächtnisspeicherAbstraktion von der jeweiligen

GesprächssituationKommunikation auf DistanzWissen ist jederzeit abrufbarUrheber immer abwesend – nicht

nachfragbarInterpretationsvielfaltTrennung von Sprechenden von ihrer Rede

Buchdruck und seine Folgen

Beeinflussung von Denkstil, Wissensstand etc.

Standardisierung (Identität, Wiederholbarkeit)Individualisierung – Kombinierbarkeit von

Texten, TabubruchStandardisierung ermöglicht erst Gefühl für

IndividualitätMassenhaftigkeit der HerstellungSchaffung von Öffentlichkeit

Was ist ein Text?

Lat. „Gewebe“Schriftlich fixierte Sprache?

(Literaturwissenschaft)Alle Äußerungen überhaupt, die einer

Mitteilungsabsicht dienen? (Kulturwissenschaft)Text als kommunikative Einheit?Definitionsversuch:

Ein Text ist eine in gewisser Weise abgegrenzte und in gewissem Maße geschlossen rezipierbare, in einer natürlichen oder künstlichen Sprache gefasste mündliche, schriftliche oder in einem elektronischen Medium gespeicherte Äußerung, die gegebene Bedeutung mitteilt und/oder neue Bedeutung erzeugt.

Textedition

Sicherung der TextgrundlageEntstehungsgeschichte des Textes,

Varianten der ÜberlieferungOder: autorisierte Fassung3 Typen:

Historisch-kritische AusgabeStudienausgabeLeseausgabe

Was ist ein Text? – Ein zweiter Versuch?„Text heißt Gewebe; aber während man

dieses Gewebe bisher immer als Produkt, einen fertigen Schleier aufgefaßt hat, hinter dem sich, mehr oder weniger geborgen, der Sinn (die Wahrheit) aufhält, betonen wir jetzt bei dem Gewebe die generative Vorstellung, daß der Text durch ein ständiges Flechten entsteht und sich selbst bearbeitet.“ (Roland Barthes, Die Lust am Text)

Textverständnis - Hermeneutik

Möglichkeit der InterpretationVerstehenNichtverstehenMissverstehen

GegenargumenteBeispiel: Enzensberger

Worum geht es? In der Schule Maßstab die einzig richtige Interpretation?

Textverständnis - Hermeneutik

Aber:Lektüre nicht durch den Text determiniert?Faktoren unkontrollierbar?

Was geschieht beim Lesen, Interpretieren?

Gemeinsames Verständnis, individuelle Unterschiede

Unterschiedliche Lektüren – SpielräumeDamit beschäftigt sich die Hermeneutik

Textverständnis - Hermeneutik

Hermeneutik: Lehre vom VerstehenWeitgehend automatisierter Vollzug des

Verstehens (von sprachlichen Zeichen – aber auch anderem)

InterpretationRegelwerke und Anleitungen

Theologische (Bibelauslegung), juristische Hermeneutik (Gesetzeskommentare)

Theorie des Textverstehens (ab etwa 1800) philosophische Hermeneutik

Textverständnis - Hermeneutik

F. Schleiermacher: „Kunst, die Rede eines anderen (...) richtig zu verstehen“

W. Dilthey: Hermeneutik als Wissenschaftstheorie der Geisteswissenschaften (Verstehen vs. Erklären)

S. Freud: Tiefenhermeneutik (Traumdeutung ...)

M. Heidegger und H.G. Gadamer: Begriff des Verstehens als universale Bestimmtheit des Daseins

Hermeutik Begriffe

Hermeneutische DifferenzHermeneutischer Zirkel /

hermeneutische Spirale

Hermeneutik literarisch

„weniger Wörter als Sachen“Mehrdeutigkeiten, Unschärfen poetische

Texte machen daraus eine TugendAuslegungsspielraumAbhängig von Wissensstand und

Problembewusstsein, eigene ErfahrungVerstärkung der VieldeutigkeitGattungswahlIntertextualität

Wolfram Seidler, Sommersemester 2011

Gebundene Sprache?

Denn der Geschichtsschreiber und der Dichter unterscheiden sich nicht dadurch voneinander, daß sich der eine in Versen und der andere in Prosa mitteilt – man könnte ja auch das Werk Herodots in Verse kleiden, und es wäre in Versen um nichts weniger ein Geschichtswerk als ohne Verse –; sie unterscheiden sich vielmehr dadurch, daß der eine das wirklich Geschehene mitteilt, der andere, was geschehen könnte.

(Aristoteles: Poetik. Griechisch/Deutsch. Übersetzt und herausgegeben von Manfred Fuhrmann. Stuttgart 1991, S. 29) – Hervorhebung w.s.

Wolfram Seidler, Sommersemester 2011

Fiktion Sachverhalt od. Geschehen ohne überprüfbare

Referenz (Wirklichkeitsbezug) – nicht wahr, nicht falsch „Der Mensch kann sich Dinge. Welche nicht wirklich

sind, vorstellen, als wenn sie wirklich wären“ (Hegel) Sprachphilosophisch: Rede, die „keinen Anspruch auf

Referenzialisierbarkeit oder auf Erfüllung erhebt“ (Gottfried Gabriel)

Wolfram Seidler, Sommersemester 2011

Fiktionalität

„suspension of disbelief“

Samuel Taylor Coleridge (1772-1834)

Shakespeare, The Winter‘s Tale (1611)

Wolfram Seidler, Sommersemester 2011

Literatur?

Die Aufstellung des 1. FC Nürnberg vom 27.1.1968aus: Peter Handke. Die Innenwelt der Außenwelt der Innenwelt (1968)

Wolfram Seidler, Sommersemester 2011

Rolf Brinkmann

Einen jener klassischen schwarzen Tangos in Köln, Ende des Monats August, da der Sommer schon ganz verstaubt ist, kurz nach Laden Schluß aus der offenen Tür einer dunklen Wirtschaft, die einem Griechen gehört, hören, ist beinahe ein Wunder: für einen Moment eine Überraschung, für einen Moment Aufatmen, für einen Moment eine Pause in dieser Straße, die niemand liebt und atemlos macht, beim Hindurchgehen. Ich schrieb das schnell auf, bevor der Moment in der verfluchtendunstigen Abgestorbenheit Kölns wieder erlosch.

Einen jener klassischen

schwarzen Tangos in Köln, Ende desMonats August, da der Sommer schon

ganz verstaubt ist, kurz nach LadenSchluß aus der offenen Tür einer

dunklen Wirtschaft, die einemGriechen gehört, hören, ist beinahe

ein Wunder: für einen Moment eineÜberraschung, für einen Moment

Aufatmen, für einen Momenteine Pause in dieser Straße,

die niemand liebt und atemlosmacht, beim Hindurchgehen. Ich

schrieb das schnell auf, bevorder Moment in der verfluchten

dunstigen Abgestorbenheit Kölnswieder erlosch.

Wolfram Seidler, Sommersemester 2011

Abweichung

Einsambkeit

In dieser Einsambkeit / der mehr denn öden wüsten / Gestreckt auff wildes Kraut / an die bemößte See : Beschaw’ ich jenes Thal und dieser Felsen höh’Auff welchem Eulen nur vnd stille Vögel nisten.Hier fern von dem Pallast; weit von deß Pöbels lüsten / Betracht ich : wie der Mensch in Eitelkeit vergeh’ Wie auff nicht festem grund’ all vnser hoffen steh’Wie die vor abend schmähn / die vor dem tag vnß grüßten. Die Höell / der rawe wald / der Todtenkopff / der Stein / Den auch die zeit aufffrist / die abgezehrten bein.Entwerffen in dem Mut vnzehliche gedancken. Der Mauren alter grauß / diß vngebaw’te Land Ist schön vnd fruchtbar mir / der eigentlich erkant /Das alles / ohn ein Geist / den GOt selbst hält / muß wancken.

Andreas Gryphius: Einsambkeit (in: Andreas Gryphius: Gesamtausgabe der deutschsprachigen Werke. Herausgegeben von Marian Szyrocki und Hugh Powell. Bd. 1: Sonette. Herausgegeben von Marian Szyrocki. Tübingen 1963 (Neudrucke deutscher Literaturwerke; N.F. 9), S. 68)

Wolfram Seidler, Sommersemester 2011

Terry Eagleton

Jeder Glaube, dass das Studium der Literatur das Studium einer stabilen, wohldefinierten Entität sei, so wie die Entomologie das Studium der Insekten ist, kann als Schimäre abgetan werden. Manche Fiktion ist Literatur, andere nicht; teilweise ist die Literatur fiktional, teilweise nicht; manche Literatur nimmt sprachlich auf sich selbst Bezug, während andererseits manch höchstverschlungene Rhetorik keine Literatur ist. Literatur im Sinne einer Liste von Werken mit gesichertem und unveränderlichem Wert, die sich durch gemeinsame inhärente Merkmale auszeichnen, gibt es nicht. Wann immer ich von jetzt an die Wörter 'literarisch' und 'Literatur' im vorliegenden Buch verwenden werde, habe ich sie gleichzeitig stets mit unsichtbarer Tinte durchgestrichen, um anzuzeigen, dass diese Termini nicht wirklich ausreichen, wir im Augenblick aber keine besseren zur Verfügung haben.(Terry Eagleton: Einführung in die Literaturtheorie)

Wolfram Seidler, Sommersemester 2011

Literaturwissenschaft

Bibliographie Arbeit am Text

Edition

Kommentar

Interpretation

Textkritik

Textanalyse

Arbeit an denKontexten

Theoriebildung

Wissenschafts-geschichte

Was zählt zur literaturwissenschaftlichen Arbeit?

Wolfram Seidler, Sommersemester 2011

Literaturtheoretische Ansätze

textorientiert autororientiert

leserorientiert kontextorientiert

Philologie Rhetorik

Formalismus,

StrukturalismusNew Criticism

Semiotik,

Dekonstruktion

Biographische Literaturwissenschaft

Psychoanalytische Literaturwissenschaft

Phänomenologie

Rezeptionsästhetik Rezeptionsgeschichte

Reader-Response-Criticism

LiteraturgeschichteMarxistische

Literaturwissenschaft

Feministische Literaturwissenschaft

New Historicism, Kulturwissenschaft

Vergleichende Literaturwissenschaft

Wolfram Seidler, Sommersemester 2011

Methoden 1972

Positivistische Methode Geistesgeschichtliche M. Phänomenologische M. Existenzielle M. Morphologische M. Soziologische M. Statistische M.

1996 Formen ‚textimmannenter‘

Analyse Formalismus u. Strukturalismus Dekonstruktion Dialogizität, Intertextualität,

Gedächtnis Sozialgeschichtliche Zugänge Diskursanalyse,

Diskursgeschichte Psychologische Zugänge Feministische Zugänge – ‚Gender

Studies‘ Wirkungsästhetik

Wolfram Seidler, Sommersemester 2011

Theorien des Textverständnisses

Interpretation?Hermeneutik

Hermeneuein „aussagen, erklären, auslegen“ Lebenspraktischer Vollzug des Verstehens Regelwerk(e) und anleitungen Theorie des Textverstehens

Wolfram Seidler, Sommersemester 2011

NamenSchleiermacher 1780-1834

erweitert das Wirkungsfeld der Hermeneutik auf alle Texte und Produkte des Geistes

Dilthey 1833-1911 : theoretische Fundierung der verstehenden in

Abgrenzung zu den rein erklärenden Naturwissenschaften

Heidegger 1889-1976

Wolfram Seidler, Sommersemester 2011

Namen

Gadamer 1900-2002 hebt die Bedeutung hervor, die der historische

Ort des Verstehenden für dessen Verstehen besitzt

Habermas 1929

Wolfram Seidler, Sommersemester 2011

Celan: Hölderlintürme

Wolfram Seidler, Sommersemester 2011

Rhetorik

Redesituation

Politisch Gericht Festrede

Wirkungsweise

informieren unterhalten bewegen

Stilebene

hohe mittlere niedrige

Wolfram Seidler, Sommersemester 2011

Rhetorik Elemente der Rede

Themenfindung (inventio) Gliederung (dispositio) Ausarbeitung (elocutio) Einprägung (memoria) Vortrag (pronunciatio)

Rhetorische Mittel Tropen Metapher Figuren Wortkombinationen innerhalb eines Satzes

(z.B. „veni, vidi, vici“)

Wolfram Seidler, Sommersemester 2011

Poetik Platon

Politeia (Der Staat) Dichtung ist Lüge (keine Aussage über die Wriklichkeit)

Aristoteles Peri poietikés (Über die Dichtkunst) – 335 v.Chr.

Ziele, Verfahren und Wirkung der Kunst Definition verschiedener Künste (Gattungen - Gattungspoetik) Spezifische dichterische Techniken (z.B. Verwendung von

Versen etc.) Horaz

Ars poetica (Über die Dichtkunst) – 20 v.Chr. Ästhetik prodesse et delectare

Aristoteles

Kunst als mimesis Nachahmung

Sprachliche Nachahmung: mythos = Erzählung, Handlung ... Fiktion = Unterscheidung von wirklich und möglich erfundene Handlung

„Denn der Geschichtsschreiber und der Dichter unterscheiden sich nicht dadurch voneinander, daß sich der eine in Versen und der andere in Prosa mitteilt – man könnte ja auch das Werk Herodots in Verse kleiden, und es wäre in Versen um nichts weniger ein Geschichtswerk als ohne Verse –; sie unterscheiden sich vielmehr dadurch, daß der eine das wirklich Geschehene mitteilt, der andere, was geschehen könnte. „(Aristoteles: Poetik. Griechisch/Deutsch. Übersetzt und herausgegeben von Manfred Fuhrmann. Stuttgart 1991, S. 29) – Hervorhebung w.s.

Wolfram Seidler, Sommersemester 2011

Poetik

Aristoteles zu den dichterischen Formen: System von Gattungen Gattungspoetik Epik, Lyrik, Dramatik eigentlich erst Goethe-

Zeit, die Aristoteles noch nicht kennt

Wolfram Seidler, Sommersemester 2011

PoetikRenaissance

Rückgriff auf Antike Volkssprache Regelwerke Kriterien für die Erfüllung der Regelwerke

(normative Poetik)OpitzGottsched

Gattungsdifferenz

Inhaltliche Begründung aus der sozialen Hierarchie Tragödie: Hoher Stil Komödie: niederer Stil Ständeklausel:

Die Ständeklausel ist ein dramenpoetisches Prinzip, das die dramatische Produktion über mehr als zwei Jahrtausende beeinflusste. Sie geht auf Aristoteles zurück, der in seiner Poetik die Tragödie für die Darstellung der Konflikte und Probleme der "guten" Menschen reservierte, die "schlechteren Menschen" jedoch auf die Komödie verwies, in der sie mit ihren Schwierigkeiten und Unzulänglichkeiten dargestellt und verlacht werden sollten. Opitz greift diese Scheidung dann 1624 in seinem Buch von der Deutschen Poeterey auf und definiert den guten als den adeligen Menschen, den schlechteren als den Bürger. Auch Gottsched hält mehr als hundert Jahre später in seinem Versuch einer critischen Dichtkunst vor die Deutschen an dieser Vorschrift fest. Erst mit Lessing findet ein Umdenken statt. Er entwickelt das bürgerliche Trauerspiel, eine spezifisch aufklärerische Form der Tragödie, in der die Bürger mit ihren Problemen dramatisch präsentiert werden. Es ist kaum noch der Erwähnung wert, dass die Ständeklausel im 20. Jahrhundert natürlich keine Rolle mehr spielt.

Wolfram Seidler, Sommersemester 2011

Poetik Naturformen der Dichtung (Goethe)

„Es gibt nur drei echte Naturformen der Poesie: die klar erzählende, die enthusiastisch aufgeregte und die persönlich handelnde: Epos, Lyrik und Drama.“

Romantik: Universalpoesie „Die romantische Poesie ist eine progressive Universalpoesie“

(F. Schlegel)

Wolfram Seidler, Sommersemester 2011

Poetik

Aristoteles, Horaz …

Renaissance, Barock Aufklärung

Martin Opitz Gottsched

Normative Poetik

Genie-Ästhetik (Sturm und Drang

Immanente PoetikHegel Deskriptive Poetik

Wolfram Seidler, Sommersemester 2011

Poetik

Neueste Entwicklungen Ästhetik und Kunstphilosophie (Hegel, Lukács) Literaturwissenschaft

Deskriptive Poetik, d.h. Verzicht auf Normativität

Autoren-Poetik (d.h. produktions-orientiert)

Ernst Jandl

was ein gedicht ist 

ich sag das ist ein gedichtund gefällt es dir auch nichtist gefallen ja nicht pflichtauch mir selbst gefällt es nichtaber schreiben ist mir pflichtdeshalb schrieb ich das gedichtsagte gleich dass es eins istund wär jetzt wie du dismissedging mir nicht wie jedem christquäle nie ein tier zum scherzdenn es fühlt wie du den schmerzaußerordentlich zu herz

Literarische Gattungen: Epik

»Die Menge der Erzählungen ist unüberschaubar. Da ist zunächst eine erstaunliche Vielfalt von Gattungen, die wieder auf verschiedene Substanzen verteilt ist, als ob dem Menschen jedes Material geeignet erschiene, ihm seine Erzählungen anzuvertrauen: Träger der Erzählung kann die gegliederte, mündliche oder geschriebene Sprache sein, das stehende oder bewegte Bild, die Geste oder das geordnete Zusammenspiel all dieser Substanzen; man findet sie im Mythos, in der Legende, der Fabel, dem Märchen, der Novelle, dem Epos, der Geschichte, der Tragödie, dem Drama, der Komödie, der Pantomime, dem gemalten Bild [...], der Glasmalerei, dem Film, den Comics, im Lokalteil der Zeitungen und im Gespräch. Außerdem findet man die Erzählung in diesen nahezu unendlichen Formen zu allen Zeiten, an allen Orten und in allen Gesellschaften; die Erzählung beginnt mit der Geschichte der Menschheit; nirgends gibt und gab es jemals ein Volk ohne Erzählung; alle Klassen, alle menschlichen Gruppen besitzen ihre Erzählungen, und häufig werden diese Erzählungen von Menschen unterschiedlicher, ja sogar entgegengesetzter Kultur gemeinsam geschätzt. Die Erzählung schert sich nicht um gute oder schlechte Literatur: sie ist international, transhistorisch, transkulturell, und damit einfach da, so wie das Leben.«

Roland Barthes, Einführung in die strukturale Erzählanalyse

Literarische Gattungen: Epik

GemeinsamkeitenZeichenfolge (Text) – discours, discourse …Ereignisfolge (Geschichte) – histoire, story …Zeitdimension

Literarische Gattungen: Epik

Wolfram Seidler, Sommersemester 2011

Zur Stadt ParisIn Langnau im Emmental gab es ein Warenhaus. Das hieß Zur Stadt Paris. Ob das eine Geschichte ist?

SehnsuchtIn Langnau im Emmental gab es ein Warenhaus. Das hieß Zur Stadt Paris. Ob das eine Geschichte ist?

Literarische Gattungen: Epik

„… Marianne aber, so glücklich sie mit dem Jakob, ihren sechs Buben und der kleinen Heidi geworden ist, konnte die Lichter ihrer Heimatstadt nie vergessen. Und als sie nach zwölf Jahren in der Nachbarstadt Seldwyla ein größeres Geschäft eröffneten, da bestellte sie beim Malermeister Bichsel ein prächtiges Ladenschild in Blau, Weiß und Rot, auf dem stand geschrieben: Zur Stadt Paris. Was meinen Sie: Ob das nun endlich eine Geschichte ist?“

Literarische Gattungen: Epik

Fiktional oder faktual?Wer erzählt den Text?ZeitgerüstWer spricht (außer dem Erzähler)?Verhältnis zu anderen Texten

Wolfram Seidler, Sommersemester 2011

Literarische Gattungen: Epik

Erzähler: ist nicht der Autor!! Auktorial Personal Ich-Erzähler

Zeit Erzählzeit – erzählte Zeit Erzähltempo Zeitgerüst Zeitordnung

Literarische Gattungen: Epik

Rede- oder GedankenberichtErzähler

Personenbericht Direkte / indirekte RedeErlebte Rede, innerer Monolog („stream-of-

consciousness“)

Literarische Gattungen: Epik Erzählform

Er-Erzähler – Erzähler erzählt die Geschichte anderer Figuren Ich-Erzähler – erzählendes Ich ist auch handelnde Figur

Erzählverhalten Auktorialer Erzähler – kommentiert, reflektiert, urteilt Personaler Erzähler – handelnde Figur, seine Weltsicht Neutraler Erzähler – außenstehender Beobachter

Erzählhaltung Z.B. Ironie

Erzählperspektive Innen- und Außensicht

Erzählzeit – erzählte Zeit

Wolfram Seidler, Sommersemester 2011

Wolfram Seidler, Sommersemester 2011

Er-Ezähler Ich-Erzähler

Auktorialer Erzähler Allwissender Erzähler erzählt Raum, Zeit Handlung

Klassischer fiktionaler Erzähler

Erzählendes Ich organisiert bzw. beurteilt die Elemente einer Geschichte

Neutraler Erzähler Von außen beobachtend

Ich-Erzähler erzählt so, als ob er das erinnerte Geschehen von außen beobachtet

Personaler Erzähler Aus dem Blickwinkel einer Person, selbst handelnde Figur

Erzählendes und erlebendes Ich fallen zusammen Klassischer Ich-Erzähler

Der Erzähler ist eine fiktive Gestalt aus deren Perspektive dem Leser eine Handlung erzählt wird – nicht identisch mit dem Autor

Ernst Jandl

was ein gedicht ist 

ich sag das ist ein gedichtund gefällt es dir auch nichtist gefallen ja nicht pflichtauch mir selbst gefällt es nichtaber schreiben ist mir pflichtdeshalb schrieb ich das gedichtsagte gleich dass es eins istund wär jetzt wie du dismissedging mir nicht wie jedem christquäle nie ein tier zum scherzdenn es fühlt wie du den schmerzaußerordentlich zu herz

Lyrik

Was ist ein Gedicht?„Ich sag das ist ein gedicht“ (Ernst Jandl)ReimVersSegmentierung

wenn rechts was frei bleibt …

Lyrik

grammatische AbweichungKürze und Dichte des TextesSelbstreflexivitätlyrisches Ich

Ist die Person, deren Gedanken und Gefühle in dem jeweiligen Gedicht geschildert und veranschaulicht werden.

Wiederholungseffekte, bildlicher Ausdruck (Metapher, Symbolik)

Sangbarkeit (Nähe zur Musik)

Theodor StormDie Stadt.

Am grauen Strand, am grauen MeerUnd seitab liegt die Stadt;Der Nebel drückt die Dächer schwer,Und durch die Stille braust das MeerEintönig um die Stadt.

Es rauscht kein Wald, es schlägt im MaiKein Vogel ohn’ Unterlaß;Die Wandergans mit hartem SchreiNur fliegt in Herbstesnacht vorbei,Am Strande weht das Gras.

Doch hängt mein ganzes Herz an dir,Du graue Stadt am Meer;Der Jugend Zauber für und fürRuht lächelnd doch auf dir, auf dir,Du graue Stadt am Meer.

Die Stadt.

Am grauen Strand, am grauen Meer aUnd seitab liegt die Stadt; bDer Nebel drückt die Dächer schwer, aUnd durch die Stille braust das Meer aEintönig um die Stadt. b

Es rauscht kein Wald, es schlägt im Mai aKein Vogel ohn’ Unterlaß; bDie Wandergans mit hartem Schrei aNur fliegt in Herbstesnacht vorbei, aAm Strande weht das Gras. b

Doch hängt mein ganzes Herz an dir, aDu graue Stadt am Meer; bDer Jugend Zauber für und für aRuht lächelnd doch auf dir, auf dir, aDu graue Stadt am Meer. b

Die Stadt.

Am grauen Strand, am grauen MeerUnd seitab liegt die Stadt;Der Nebel drückt die Dächer schwer,Und durch die Stille braust das MeerEintönig um die Stadt.

Es rauscht kein Wald, es schlägt im MaiKein Vogel ohn’ Unterlaß;Die Wandergans mit hartem SchreiNur fliegt in Herbstesnacht vorbei,Am Strande weht das Gras.

Doch hängt mein ganzes Herz an dir,Du graue Stadt am Meer;Der Jugend Zauber für und fürRuht lächelnd doch auf dir, auf dir,Du graue Stadt am Meer.

Alliteration

Wiederholung von Lauten am Anfang von Wörtern, Versen oder Strophen

Die Stadt.

Am grauen Strand, am grauen MeerUnd seitab liegt die Stadt;Der Nebel drückt die Dächer schwer,Und durch die Stille braust das MeerEintönig um die Stadt.

Es rauscht kein Wald, es schlägt im MaiKein Vogel ohn’ Unterlaß;Die Wandergans mit hartem SchreiNur fliegt in Herbstesnacht vorbei,Am Strande weht das Gras.

Doch hängt mein ganzes Herz an dir,Du graue Stadt am Meer;Der Jugend Zauber für und fürRuht lächelnd doch auf dir, auf dir,Du graue Stadt am Meer.

Epipher

Wiederholung von Wörtern bzw. Wortgruppen am Ende von Strophen, Versen etc.

Anapher

Wiederholung von Wörtern bzw. Wortgruppen am Anfang von Strophen, Versen etc.

Die Stadt.

Am grauen Strand, am grauen MeerUnd seitab liegt die Stadt;Der Nebel drückt die Dächer schwer,Und durch die Stille braust das MeerEintönig um die Stadt.

Es rauscht kein Wald, es schlägt im MaiKein Vogel ohn’ Unterlaß;Die Wandergans mit hartem SchreiNur fliegt in Herbstesnacht vorbei,Am Strande weht das Gras.

Doch hängt mein ganzes Herz an dir,Du graue Stadt am Meer;Der Jugend Zauber für und fürRuht lächelnd doch auf dir, auf dir,Du graue Stadt am Meer.

x ´x x ´x x ´x x ´xx ´x x ´x x ´xx ´x x ´x x ´x x ´xx ´x x ´x x ´x x ´xx ´x x ´x x ´x

Jambus

x ´x

Trochäus

´x x

Die Stadt.

Am grauen Strand, am grauen MeerUnd seitab liegt die Stadt;Der Nebel drückt die Dächer schwer,Und durch die Stille braust das MeerEintönig um die Stadt.

Es rauscht kein Wald, es schlägt im MaiKein Vogel ohn’ Unterlaß;Die Wandergans mit hartem SchreiNur fliegt in Herbstesnacht vorbei,Am Strande weht das Gras.

Doch hängt mein ganzes Herz an dir,Du graue Stadt am Meer;Der Jugend Zauber für und fürRuht lächelnd doch auf dir, auf dir,Du graue Stadt am Meer.

x ´x x ´x x ´x x ´xx ´x x ´x x ´xx ´x x ´x x ´x x ´xx ´x x ´x x ´x x ´xx ´x x ´x x ´x

Trochäus

´x x

Die Stadt.

Am grauen Strand, am grauen MeerUnd seitab liegt die Stadt;Der Nebel drückt die Dächer schwer,Und durch die Stille braust das MeerEintönig um die Stadt.

Es rauscht kein Wald, es schlägt im MaiKein Vogel ohn’ Unterlaß;Die Wandergans mit hartem SchreiNur fliegt in Herbstesnacht vorbei,Am Strande weht das Gras.

Doch hängt mein ganzes Herz an dir,Du graue Stadt am Meer;Der Jugend Zauber für und fürRuht lächelnd doch auf dir, auf dir,Du graue Stadt am Meer.

x ´x x ´x x ´x x ´xx ´x x ´x x ´xx ´x x ´x x ´x x ´xx ´x x ´x x ´x x ´xx ´x x ´x x ´x

Trochäus

´x x

Auftakt

Die Stadt.

Am grauen Strand, am grauen MeerUnd seitab liegt die Stadt;Der Nebel drückt die Dächer schwer,Und durch die Stille braust das MeerEintönig um die Stadt.

Es rauscht kein Wald, es schlägt im MaiKein Vogel ohn’ Unterlaß;Die Wandergans mit hartem SchreiNur fliegt in Herbstesnacht vorbei,Am Strande weht das Gras.

Doch hängt mein ganzes Herz an dir,Du graue Stadt am Meer;Der Jugend Zauber für und fürRuht lächelnd doch auf dir, auf dir,Du graue Stadt am Meer.

x ´x x ´x x ´x x ´xx ´x x ´x x ´xx ´x x ´x x ´x x ´xx ´x x ´x x ´x x ´x´x x x ´x x ´x

Trochäus

´x x

Auftakt

Lyrik

Metrum Hebung / Senkung Enjambement

Die Wandergans mit hartem SchreiNur fliegt in Herbstesnacht vorbei

Reim bzw. reimähnliche Strukturen Endreim umgreifender Reim betonte / unbetonte Endungen („männliche“

„weibliche“)

Lyrik

quantifizierende Metrik Länge – Kürze

akzentuierende Metrik Hebung- Senkung

Versfüße Jambus, Trochäus, Daktylus, Anapäst

Lyrik

VersformenAlexandriner (sechshebiger Jambus)

Du siehst, wohin du siehst nur Eitelkeit auf Erden

Hexameter ( sechs Daktylen) Sing, unsterbliche Seele, der sündigen Menschen Erlösung

Blankvers (fünfhebiger Jambus) Ich komme langsam dir ein Werk zu bringen

Knittelvers (vierhebiger Vers unterschiedlicher Länge) Faust Prolog

Lyrik

StrophenformenOde etc. (klassisch …)Sonett (romanisch …)Nibelungen-Strophe (germanisch …)Ghasel (arabisch – persisch …)

Lyrik

Das Sonett unterliegt einer strengen Form Es besteht aus zwei Vierzeilern (Quartetten), die beide gleich

gereimt sind (abba), und zwei Dreizeilern (Terzetten), deren ursprüngliche Reimfolge cdc dcd war.

Eine formale Variation hat das englische Sonett drei Quartette werden durch einen Zweizeiler abgeschlossen.

Der Zweigliedrigkeit des Sonettaufbaus entspricht meist der Inhalt. Die Quartette zeigen entweder Gleichartiges oder Antithetisches auf; die Terzette bringen die gedankliche Lösung. 

Materialien zu einer Kritik der bekanntesten Gedichtformitalienischen Ursprungs (Robert Gernhardt )

Sonette find ich sowas von beschissen,so eng, rigide, irgendwie nicht gut;es macht mich ehrlich richtig krank zu wissen,daß wer Sonette schreibt. Daß wer den Mut

hat, heute noch so’n dumpfen Scheiß zu bauen;allein der Fakt, daß so ein Typ das tut,kann mir in echt den ganzen Tag versauen.Ich hab da eine Sperre. Und die Wut

darüber, daß so’n abgefuckter Kackermich mittels seiner Wichserein blockiert,schafft in mir Agressionen auf den Macker.

Ich tick nicht, was das Arschloch motiviert.Ich tick es echt nicht. Und wills echt nicht wissen:Ich find Sonette unheimlich beschissen.

Bach Kunst der Fuge

Dramatik

Dramatik

Dramatik

Mein schönes Fräulein, darf ich wagenMeinen Arm und Geleit Ihr anzutragen?

Bin weder Fräulein, weder schön,Kann ungeleitet nach Hause gehn.

STRASSEFaust. Margarete vorübergehend

FAUST: „..........................................................................................................................................................................................“MARGARETE: „................................................................................................................................“ Sie macht sich los und ab.

Dramatik

Unmittelbarkeit des DramasKeine Erzählinstanz

Drama vs. TheaterLesetext vs. AufführungFigur vs. PersonDialog vs. Monolog Haupttext vs. Nebentext

Dramatik

3 EinheitenHandlung, Zeit, Raum

Handlung: keine Nebenhandlungen, die nicht mit der Haupthandlung verknüpft sind

Zeit: Deckung von Spielzeit und gespielter ZeitOrt: gleichbleibender Schauplatz

AufbauDreiaktschema --> Fünfaktschema

GliederungseinheitenAkt, Szene, Auftritt

HandlungKonflikt

Dramatik

Figurenwissen vs. ZuschauerwissenBotenberichtMauerschau

Dramatik

DramengattungenTragödie vs. Komödie

Ständeklausel, Fallhöhe

TragikomödieZieldrama – analytisches DramaCharakterdrama - Handlungsdrama

Geschlossene, offene Dramenform

Dramatik

WirkungsdimensionenKatharsis

Schrecken und Jammer (Aristoteles)Furcht und Mitleid (Lessing)

Episches Theater (Brecht)