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20 | 2018 100. Jahrgang 20. Oktober 2018 S. 909972 PVSt 2853 FinanzRundschau Zeitschrift für das gesamte Ertragsteuerrecht ertragsteuerrecht.de Herausgegeben in Verbindung mit dem Fachinstitut der Steuerberater Fachbeirat: RiBFH Prof. Dr. Andreas Herlinghaus · LMR Dr. Ingo van Lishaut · RA, StB Dr. Norbert Schneider · StB Prof. Dr. Andreas Schumacher · Univ.-Prof. Dr. Roman Seer Beratermodul FR 100 Jahre Finanz-Rundschau/Deutsches Steuerblatt Grußworte > Prof. Dr. h.c. Rudolf Mellinghoff - 100 Jahre Steuerrechtsprechung in Deutschland und 100 Jahre Begleitung durch Deutsches Steuerblatt und Finanz-Rundschau ............................................................. ....... 909 Dr. Rolf Möhlenbrock - 100 Jahre Finanz-Rundschau Forum zur Aufarbeitung und zum fachlichen Austausch der stetigen Entwicklung im Steuerrecht ......................................................................... ........ 913 Prof. Dr. Thomas Rödder - 100 Jahre Finanz-Rundschau neuen Aufgaben entgegen! .................................................................. ........ 914 Aufsätze > Ulrich Prinz Ertragsteuerliche Organschaft Bestandsaufnahme, Systematik, Problembereiche ..................................................... ........ 916 Jens Reddig Zum 11-jährigen Geburtstag des Investitionsabzugs- betrags Zeit für eine Bestandsanalyse ........................................ ........ 925 Andreas Musil Die ATAD-Richtlinien Ein Paradigmenwechsel in der Steuerpolitik der EU? ........................................................... ........ 933 Björn Heidecke / Andreas Mammen Konvergenz um jeden Preis? Die Zukunft nationalstaatlicher Steuerpolitik .................................. ........ 941 Rechtsprechung > Wirtschaftliches Eigentum an einem Mitunternehmeranteil (BFH, Urt. v. 1.3.2018 IV R 15/15) m. Anm. M. Wendt ..................................... ........ 951 Keine Abfärbung bei Verlusten (BFH, Urt. v. 12.4.2018 IV R 5/15) m. Anm. H.-J. Kanzler ..................................................................... ....... 959 Bilanzierung von Provisionsvorauszahlungen/Aufwendungen (BFH, Urt. v. 26.4.2018 III R 5/16) m. Anm. H. Weber-Grellet ..................... ....... 964 Beschr. Stpfl.: AN-Tätigkeit für Unternehmen z. Entwicklungshilfeför- derung (BFH, Urt. v. 28.3.2018 I R 42/16) m. Anm. M. Kempermann .. ....... 968 FR

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20 | 2018100. Jahrgang20. Oktober 2018S. 909–972

PVSt 2853

FinanzRundschau Zeitschrift für das gesamte Ertragsteuerrecht

ertragsteuerrecht.deHerausgegeben in Verbindung mit dem Fachinstitut der Steuerberater

Fachbeirat: RiBFH Prof. Dr. Andreas Herlinghaus · LMR Dr. Ingo van Lishaut · RA, StB Dr. NorbertSchneider · StB Prof. Dr. Andreas Schumacher · Univ.-Prof. Dr. Roman Seer

BeratermodulFR

100 Jahre Finanz-Rundschau/Deutsches Steuerblatt

Grußworte > Prof. Dr. h.c. Rudolf Mellinghoff - 100 Jahre Steuerrechtsprechung

in Deutschland und 100 Jahre Begleitung durch Deutsches Steuerblatt

und Finanz-Rundschau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . 909

Dr. Rolf Möhlenbrock - 100 Jahre Finanz-Rundschau – Forum zur

Aufarbeitung und zum fachlichen Austausch der stetigen Entwicklung

im Steuerrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . 913

Prof. Dr. Thomas Rödder - 100 Jahre Finanz-Rundschau – neuen

Aufgaben entgegen! . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . 914

Aufsätze > Ulrich Prinz — Ertragsteuerliche Organschaft – Bestandsaufnahme,

Systematik, Problembereiche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . 916

Jens Reddig — Zum 11-jährigen Geburtstag des Investitionsabzugs-

betrags – Zeit für eine Bestandsanalyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . .925

Andreas Musil — Die ATAD-Richtlinien – Ein Paradigmenwechsel in

der Steuerpolitik der EU? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . .933

Björn Heidecke / Andreas Mammen — Konvergenz um jeden Preis?

Die Zukunft nationalstaatlicher Steuerpolitik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . 941

Rechtsprechung > Wirtschaftliches Eigentum an einem Mitunternehmeranteil (BFH, Urt.

v. 1.3.2018 – IV R 15/15) m. Anm. M. Wendt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . 951

Keine Abfärbung bei Verlusten (BFH, Urt. v. 12.4.2018 – IV R 5/15) m.

Anm. H.-J. Kanzler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . 959

Bilanzierung von Provisionsvorauszahlungen/Aufwendungen (BFH,

Urt. v. 26.4.2018 – III R 5/16) m. Anm. H. Weber-Grellet . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . 964

Beschr. Stpfl.: AN-Tätigkeit für Unternehmen z. Entwicklungshilfeför-

derung (BFH, Urt. v. 28.3.2018 – I R 42/16) m. Anm. M. Kempermann . .. . . . . . . 968

FR

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Achatz · Prof. Dr. Joachim Englisch ·tthias Gronemann · Vors. RiBFH Prof.B Dipl.-Fw. M.B.L. Jürgen Scholz ·

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> Rüdiger Philipowski — Ist das Betreiben von Geldausgabeautomaten

namens und im Auftrag einer Bank umsatzsteuerpflichtig? . . . . . . . . .. . . . . . . . 537

Martin Kemper — Rechnungsinhalt und Berichtigung von Rechnun-

gen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . .542

> Christian Sterzinger — Umsatzsteuer und Friedhöfe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . .546

> Steuerbare Umsätze: Übertragung eines Grundstücks von einer Ak-

tiengesellschaft auf einen Aktionär als Gegenleistung für den Rück-

kauf seiner Aktien (EuGH, Urt. v. 13.6.2018 – C-421/17, ECLI:EU:C:2018:

432 – Polfarmex) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . .553

Bemessungsgrundlage: Bemessungsgrundlage bei Tauschumsät-

zen; keine Minderung der Bemessungsgrundlage um Verluste aus

Folgeverkäufen (BFH, Urt. v. 25.4.2018 – XI R 21/16) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . .556

Vorsteuerabzug: Umsätze eines Besteuerungszeitraums, der bereits

Gegenstand einer abgeschlossenen Steuerprüfung war – Möglichkeit

für den Steuerpflichtigen, bereits geprüfte Steuererklärungen zu be-

richtigen (EuGH, Urt. v. 26.4.2018 – C-81/17, ECLI:EU:C:2018:283 – Za-

brus Siret) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . 560

Beiträge zumSelbststudium

UR

VWG BsGa: Lars H. Haverkamp — Zur finalen Fassung

der Verwaltungsgrundsätze Betriebsstättengewinnaufteilung. . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . .33

Arbeitnehmer: Nachweisanforderung nach § 50d Abs. 8 EStG zur

Steuerpflichtfreistellung von Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit

m Iran (FG Köln v. 16.6.2016) Jörg Holthaus . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . .42

Doppelbesteuerung: Stephan Rasch — EU-Richtlinienvorschlag

über Verfahren zur Beilegung von Doppelbesteuerungsstreitigkeiten

n der EU — Überblick und erste Anmerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .43

Niederlassungsfreiheit: — Die National-Grid-Indus-Rechtsprechung

des EuGH zur Wegzugsbesteuerung gilt nicht nur für Unternehmen,

sondern auch für natürliche Personen (d.h. Wahlrecht des Steuerpflich-

igen zwischen Sofortbesteuerung oder Aufschub. (EuGH v.21.12.2016 –

Europäische Kommission/Portugal) Thomas Henze . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47

Niederlassungsfreiheit: Erneute Vorlage zur Unionsrechtsvereinbarkeit

der Anti-Treaty- Shopping-Vorschrift des § 50d Abs. 3 EStG 2007

(FG Köln v. 31.8.2016) Julian Böhmer . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . 54

Verrechnungspreis: Michael Puls, Daniel Bickenbach,Michèle Weynandt — ISR Global Transfer Pricing News . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56

Gewerbesteuer: Wolfram Scheffler — Hinzurechnungsbesteuerung,

grenzüberschreitende Verlustverrechnung und Betriebsstättenbegriff:

Gewerbesteuer erschwert eine Problemlösung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63

internationales-steuerrecht.de

Zeitschrift für das gesamte Internationaleund Europäische Steuerrechtu

§15 FAOBeitrag zumSelbststudium

ISR

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>

A, FASt Prof. Dr. Stephan Eilersr • Generalanwältin Prof. Dr. Dr.Dr. Stephan Rasch

FH Dr. Michael Schwenke

BeratermodulISR

>

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gmbhr.de

a.D. Prof. Dr. Dietmar GoschProf. Dr. Jochem Reichert.

Jens-Uwe Hinder / Fabian Hentschel — Die Einführung des

Veräußerers“ in die Konzernklausel des § 8c Abs. 1 S. 5Nr. 2 KStG –

offene Auslegungsfragen . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . 217

Rolf Schmich / Marcus Schnabelrauch — Die steuerliche Behandlung

der „strukturierten“ Wertpapierleihe. Zugleich Anmerkungen zum

Urteil des FG Nürnberg vom 7.6.2016 – 1 K 904/14 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . .224

Carsten Peetz — Rentenversicherungspflicht des

GmbH-Geschäftsführers . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . 230

nsolvenz: Haftung der Mutter-GmbH nach Übernahme einer harten

Patronatserklärung gegenüber Gläubiger der Tochter-GmbH

BGH v. 12.1.2017) m. Anm. Jochen Blöse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . 236

Kapitalerhaltung: Zurechnung und Erstattung von Auszahlungen an

gleichgeordnete Beteiligungsgesellschaften im Eigeninteresse des

Gesellschafters (OLG Düsseldorf v. 21.10.2016) m. Anm. Michael Bormann . . . . 239

Gesellschafter: Keine Ergänzungsbilanz für persönlich haftenden

Gesellschafter einer KGaA bei Zahlung eines Aufgeldes auf die

Sondereinlage und nachfolgender Einziehung von Kommanditaktien

BFH v. 7.9.2016) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . 247

Einbringung: Überentnahmen wegen der Entnahme von Wirtschafts-

gütern, die bereits vor dem 1.1.1999 zum Betriebsvermögen gehörten

BFH v. 24.11.2016) . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . 258

Georg Geberth — Anzeigepflicht für Steuergestaltungsmodelle –

Steuergeheimnis vs. Sinnhaftigkeit und Grenzen von Transparenz

St ht R 65

Zeitschrift für Gesellschafts-,Unternehmens- und Steuerrecht

der GmbH und GmbH & Co. KGu

GmbHR

§15 FAOBeitrag zumSelbststudium

>

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uerberater

o van Lishautcher • Univ-Prof. Dr. Roman Seer

Roman Seer — Verbindliche Auskunft . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .161

Stephan Eilers / Max Nosthoff-Horstmann — Verbindliche Auskunft —

ein Werkstattbericht . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170

Andreas Richter / Berthold Welling — Tagungs- und Diskussionsbericht

zum 61. Berliner Steuergespräch „Verbindliche Auskunft“ ................................ 173

Frank Rösel — Stellungnahme zum Thema „Verbindliche Auskunft“

bei den Berliner Steuergesprächen am 7.11.2016 . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . 186

Kamilla Lupczyk — Ausstieg aus „faulen“ Immobilienfonds –

Zugleich Besprechung der Urteile des BFH v. 6.9.2016 –

X R 27/15, IX R 44/14, IX R 45/14, FR 2017, 199 ff. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . 177

Werbungskosten: Treuhändervergütung im Verbraucherinsolvenz-

verfahren weder Werbungskosten noch außergewöhnliche Belastung

BFH v. 4.8.2016) m. Anm. Winfried Bergkemper . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188

Kapitaleinkünfte: Besteuerung eines ausländischen sog. „Spin-off“;

Besteuerung der Einlagenrückgewähr einer Drittstaatengesellschaft

verstößt gegen Unionsrecht (BFH v. 13.7.2016) m. Anm. H.-J. Kanzler . . . . . . . . . . . . . 192

Personengesellschaften: Neufassung des § 50i EStG durch das

Gesetz zur Umsetzung der Änderungen der EU-Amtshilferichtlinie

und von weiteren Maßnahmen gegen Gewinnkürzungen und

-verlagerungen vom 20.12.2016 (BGBl. I, 3000); Aufhebung des

BMF-Schreibens vom 21.12.2015 (BStBl. I 2016, 7) (BMF v. 5.1.2017) . . . . . . . . . .. . . . . . 215

ertragsteuerrecht.de

Heft 22 | 12. Jahrgang

15. November 2016S. 1177-1232

PVSt 6020

u

§15 FAOBeitrag zumSelbststudium

FRZeitschrift für das gesamte Ertragsteuerrechtnsbesteuerung

otto-schmidt.de/ubgFlorian Haase, M.I.Tax

Michael Wendt · MDig. Dr. Rolfüttemann · Prof. Dr. ChristophMathias Gerner, Dr. Oetker KG.

BeratermodulUbg

> Jörg Schrade / Matthias Grundke — Unternehmenserwerb im mehr-

stufigen Konzern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . 309

Susanne Kölbl / Steffen Neumann — Gewinne und Verluste bei der

Sanierung von Unternehmen (Teil II) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . 324

Christoph Klein — Betriebsstättenzurechnung bei gewerblich gepräg-

ter KG im Nicht-DBA-Fall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . 334

Florian Haase / Philip Nürnberg — DBPT und CCCTB: Wirklich zwei

unterschiedliche Konzepte zur Bekämpfung von BEPS und welche

Auswirkungen haben sie auf das System des IStR (Teil 3)? . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . 339

Gerhard Kraft / Uwe Hohage — Der Schriftsatz im steuerlichen Vor-

abentscheidungsverfahren beim EuGH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . 345

> Zurückbehalt wesentlicher Betriebsgrundlage bei Einbringung (BFH,

Urt. v. 29.11.2017 – I R 7/16) m. Anm. Lars Micker / Nils Trossen / Malte

Bergmann . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . .349

> Michael Hendricks / Christina Hildebrand — Praxisforum Steuer-

rechtsschutz: Der Änderungsbescheid während des finanzgericht-

ichen Klageverfahrens als Rechtsschutzfalle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . 361

UbgKurzanalysen mit Beraterhinweis

Rechtsprechung

> Vorsteuerabzug bei fremdbewirtschafteter Kantine

> Steuerfreiheit der innergemeinschaftlichen Lieferung

> Beendigung der Organschaft mit Insolvenzeröffnung

> GiG – Anpachtung wesentlicher Betriebsgrundlagenvon Dritten

Verwaltung

> Steuersatz auf Übernachtungs- und Verpflegungs-leistungen

> Verwertung von Sicherungsgut im Insolvenzverfahren

Beiträge für die Beratungspraxis

> Insolvenz und Umsatzsteuer (Teil II), Raudszus/Karuhn

> Steuerschuldnerschaft bei Bauleistungen, Jansen

> Beabsichtigte Änderungen des UStG durch dasStÄndAnpG-Kroatien, Sterzinger

Informationsdienst für dieBeratungspraxis auf nationalerund EU-rechtlicher Ebene

FachbeiratRiBFH Dr. Hans-Hermann HeidnerRA FASt StB Dipl.-Finw. Stefan HeinrichshofenRD Christian SterzingerRA Georg von StreitRA Georg von Wallis

ustbSteuer-berater

Umsatz

BERATER-MODUL

UMSATZSTEUER

Kurzanalysen mit Beraterhinweis

Rechtsprechung Steuerrecht

> BFH: Rückwirkende Besteuerung des Einbringungs-gewinns II nach Up-Stream-Merger

238

> BFH: Verschmelzung nach Forderungsverzicht mitBesserungsschein

239

> BFH: Unbestimmte Zinsabrede und vGA bei Cash-Pool-Vereinbarungen

240

> BFH: Ertragsteuerliche Behandlung von Sanierungs-gewinnen

242

> BFH: Erdienbarkeit bei Barlohnumwandlung im Falleiner betrieblichen Altersversorgung

243

> BFH: Verbilligte Überlassung von GmbH-Anteilenals Arbeitslohn

245

> BFH: Kapitalertragsteuereinbehalt bei Regie-betrieben

247

Rechtsprechung Gesellschaftsrecht

> OLG Hamburg: Darlegungslast des GF für in derÜberschuldungsbilanz nicht abgebildete Wertauf-hellungen

251

> OLG München: Haftung des GF für Zahlungen beiInsolvenzreife

252

Verwaltung

> FinMin. Nordrhein-Westfalen: vGA und Schenkung 254

Beiträge für die Beratungspraxis

Altendorf

> Der Vorbehaltsnießbrauch am Kommanditanteil:ein Update ¢§15

256

Wachter

> Neues zum Europäischen Gesellschaftsrecht: Digi-talisierung im GmbH-Recht (II)

263

Informationsdienst fürdie Beratungspraxis vonGmbH und GmbH & Co. KG

FachbeiratDipl.-Finw. Ltd. RD Ralf NeumannRA FASt Dr. Rolf SchwedhelmRiBFH Dr. Nils TrossenNotar Dr. Eckhard Wälzholz

Beratermodulgmbhstb

§15 FAO

Beiträge zum

Selbststudium

Kurzanalysen mit Beraterhinweis

Rechtsprechung

> BFH: Rückwirkende Besteuerung des Einbringungs-gewinns II nach Up-Stream-Merger

233

> BFH: Eigenes Vermögen des Inhabers des Handels-gewerbes während des Bestehens einer atypischstillen Gesellschaft

234

> BFH: Daytrading-Geschäfte als Termingeschäfte 236

> BFH: Voller GewSt-Freibetrag bei Wechsel der Steu-erschuldnerschaft während des Erhebungszeit-raums

238

> BFH: Verbilligte Überlassung von GmbH-Anteilenals Arbeitslohn

241

> BFH: Anwendung von § 20 Abs. 9 EStG auch bei feh-lendem Zufluss von Kapitalerträgen nach dem1.1.2009

243

> BFH: Kein Kindergeld für Zweitausbildung nachzeitlicher Zäsur

247

Verwaltung

> OFD NW: Rückkaufoptionen im Kfz-Handel im Zu-sammenhang mit Leasing-Restwertmodellen

249

> BMF: Bekanntgabe der Taxonomien 6.2 vom1.4.2018

250

Beiträge für die Beratungspraxis

Paus

> Vorfälligkeitsentschädigung bei Vermietungsein-künften

252

Günther

> Überlassung eines betrieblichen Kfz an Arbeitneh-mer ¢§15

256

Heuel/Matthey

> Im PV gehaltene Kryptowährungen: Verkauf,Tausch und Schürfen von virtuellen Währungen

263

Informationsdienst zuUnternehmen, Freiberuflern,Arbeitnehmern und Familien

FachbeiratRA FASt StB Dipl.-Finw. Dr. Ralf DemuthDipl.-Finw. RD a.D. Karl-Heinz GüntherRA FASt StB Dipl.-Finw. Dr. Martin KleinVors. RiBFH Michael Wendt

Beratermodulestb

§15 FAO

Beiträge zum

Selbststudium

Kurzanalysen mit Beraterhinweis

Rechtsprechung Steuerrecht

> BFH: Einkommensteuer (und Schenkungsteuer) fürAuskehrung des Stiftungsvermögens?

229

> BFH: Abgeltungsteuer –Werbungskostenabzugs-verbot auch bei fehlendem Zufluss von Kapital-erträgen nach dem 1.1.2009

231

> FG München: Erbschaftsteuer für Familienheime 232

> FG Nürnberg: Steuerfreiheit des Familienheims –Umbau vor Einzug

233

> FG Nürnberg: Behaltensverstoß bei Eröffnung desInsolvenzverfahrens über das Vermögen einer Per-sonengesellschaft

235

> FG Hamburg: Bewertung des Sukzessivnießbrauchs 236

> FG Münster: InvStG – Steuerpflicht sog. negativthesaurierter Erträge

237

> BFH: Steuerliche Berücksichtigung von Zuwendun-gen an eine in der EU belegene Kirche

238

Rechtsprechung Zivilrecht

> OLG Nürnberg: Keine Verwirkung eines Pflichtteils-rechts

240

Verwaltung

> BMF: Anwendungsfragen zum InvStG 241

> OFD Frankfurt/M.: Bewertung des Nutzungsvorteilsbei Gewährung eines unverzinslichen oder niedrigverzinslichen Darlehens

241

Beiträge für die Beratungspraxis

Marfels

> Die Steuerbefreiungen gem. §§ 13 und 13d ErbStG –Teil III ¢§15

243

Anemüller

> Änderung des Anwendungsschreibens zur Abgel-tungsteuer – BMF-Schreiben vom 12.4.2018

250

Informationsdienst zuNachfolgeplanung, Bewertungund Vermögensanlage

FachbeiratRA FASt FAArbR FAStrafR Prof. Dr. Manzur EsskandariRA FASt Dipl.-Finw. Dr. Rüdiger GluthRiBFH Prof. Dr. Matthias LooseDipl.-Finw. ORR Wilfried MannekNotar Dr. Thomas Wachter

Beratermodulerbstb

§15 FAO

Beiträge zum

Selbststudium

Kurzanalysen mit Beraterhinweis

Rechtsprechung

> BFH: Anforderungen an einen auf Krankheit ge-stützten Wiedereinsetzungsantrag

231

> BFH: Höhe einer Schätzung 233

> BFH: Zurückweisung eines Bevollmächtigten 234

> FG Münster: Geschäftsführerhaftung bei Bestellungeines vorläufigen Sachwalters

235

> FG Köln: Anforderungen an ein Auskunftsersuchender Finanzverwaltung gegenüber einer auslän-dischen Steuerverwaltung

236

> BFH: Zulässigkeit der Klage bei zu niedrigem Wert-ansatz

237

> FG Köln: Keine Klageerhebung mit einfacher E -Mail

238

Beiträge für die Beratungspraxis

Loose/Schatzl

> Finanzgerichtliches Verfahren in Österreich undDeutschland

240

Schumann

> § 146b AO – Regelungen und Anwendungsfragenzur Kassen-Nachschau

246

Jansen

> Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§ 110 AO,§ 56 FGO) – Teil 1 ¢§15

253

Informationsdienst zuSteuerverfahren, Betriebsprüfung,Rechtsschutz nach AO/FGO,Steuerstrafrecht

FachbeiratRA/FAStR Thomas Carlé, M.B.L.-HSGRA/FAStR/StB Ingo HeuelRiBFH Prof. Dr. Gregor NöckerRA Hans-Peter Schmieszek MR a.D.

Beratermodulaostb

§15 FAO

Beiträge zum

Selbststudium

pG Kroatien, Sterzingerg gn

chen: Haftung des GF für Zahlungen beireife

252

ordrhein-Westfalen: vGA und Schenkung 254

fü di B t i

Rückkaufoptionen im Kfz-Handel im Zu-ang mit Leasing-Restwertmodellen

249

anntgabe der Taxonomien 6.2 vom 250

e für die Beratungspraxis

g

berg: Keine Verwirkung eines Pflichtteils- 240

wendungsfragen zum InvStG 241

kfurt/M.: Bewertung des Nutzungsvorteilshrung eines unverzinslichen oder niedrighen Darlehens

241

Loose/Schatzl

> Finanzgerichtliches Verfahren in Österreich undDeutschland

240

Schumann

> § 146b AO – Regelungen und Anwendungsfragenzur Kassen-Nachschau

246

Jansen

> Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§ 110 AO, 253

Recht Zeitschrift für Zivil- und Zivilverfahrensrecht

mdr-recht.de

Zivilverfahrens-

e > Reinhard Greger — Das „Rundum-sorglos-Modell“: Innovative Rechts-

dienstleistung oder Ausverkauf des Rechts? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . .897

Ralf-Thomas Wittmann / Daniel Strotkemper — Beratungs- und Auf-

klärungspflichten eines Darlehensgebers bei Abschluss eines Darle-

hensvertrages . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . 901

Herbert Grziwotz — Nichteheliche Lebensgemeinschaft: Die Aus-

einandersetzung bei der Trennung und erbrechtliche Besonderheiten

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . .907

v > Vergleich: Nachträgliche Vereinbarung eines Rechts zum Widerruf

eines Prozessvergleichs (BGH, Urt. v. 19.4.2018 – IX ZR 222/17, MDR

2018, 817) Klaus Bacher . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . 913

Wiedereinsetzung: Versäumung der Berufungsfrist wegen plötzlicher

Erkrankung des Anwalts (BGH, Beschl. v. 18.1.2018 – V ZB 113/17, V ZB

114/17, MDR 2018, 548) Christian Schwenker . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . 914

Beweisrecht: Indizien für Unfallmanipulation (KG, Beschl. v. 12.4.

2018 – 25 U 148/17, MDR 2018, 791) Hans-Willi Laumen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . 915

g > WEG-Recht: Anforderungen an die Eigentümerliste im WEG-Prozess

(BGH, Urt. v. 4.5.2018 – V ZR 266/16) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . 919

Kfz-Recht: Rücktritt trotz Nachbesserung vom Kaufvertrag im Abgas-

skandal (OLG Köln, Beschl. v. 27.3.2018 – 18 U 134/17) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . 930

Arbeitsrecht: Verbot mehrfacher sachgrundloser Befristung (BVerfG,

Beschl. v. 6.6.2018 – 1 BvL 7/14, 1 BvR 1375/14) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . .942

Verfahrensrecht: Händler und Automobilhersteller als Streitgenossen

bei Klagen im sog. Abgasskandal (BGH, Beschl. v. 6.6.2018 – X ARZ

303/18) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . 951

Beiträge zumSelbststudium

MDRcht Zeitschrift für Arztrecht, Krankenhausrecht,

Apotheken- und Arzneimittelrecht

gesr.deRechtsanwalt Dr. Rudolf Ratzel

GesRonline

e > Julian Braun — Die Zulässigkeit des Ausstellens von Arbeitsunfähig-

keitsbescheinigungen im Rahmen der Fernbehandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . 409

Monika Frommel — Die Reformen des Embryonenschutzgesetzes

(1991) durch patientenfreundliche Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . 413

Dietmar Sedlaczek — Umsatzsteuer auf Klinikleistungen . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . 421

kt > Beschränkung umsatzsteuerfreier Praxisgemeinschaften auf Ärzte

und Krankenhäuser europarechtswidrig (EuGH, Urt. v. 21.9.2017 –

Rs. C-616/15) Thomas Ketteler-Eising . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . 432

g > Privatklinik am Plankrankenhaus – Entgeltbindung? (BGH, Urt. v.

17.5.2018 – III ZR 195/17) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . .438

Befristung von Arbeitsverträgen mit Ärzten? (BAG, Urt. v. 25.10.2017 –

7 AZR 632/15) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . .446

„Individualvereinbarung“ über wahlärztliche Behandlung (OLG Ham-

burg, Beschl. v. 15.1.2018 – 3 U 220/16) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . .455

Unwirksamkeit eines Abfindungsvergleichs (OLG Köln, Beschl. v.

12.10.2017 und Beschl. v. 6.12.2017 – 5 U 59/17) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . .465

Beiträge zumSelbststudium

GesR

>

>

>

>

>

cr-online.de

Mathias Lejeune — Brexit – Anmerkungen zum

englischen IT-(Vertrags-)Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . 1

EuGH: Gleichstellung des Verleihs von EBooks

mit herkömmlichem Buchverleih . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14

EuGH: Weiterverkauf von Software ohneOriginaldatenträger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17

Maximilian Dorndorf / Peter Schneidereit — E-Signing von Verträgen

mittels qualifizierter elektronischer Signatur nach eIDAS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . 21

Christian Trentmann — Das „Recht auf Vergessenwerden“

bei Suchmaschinentrefferlinks . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .26

Caroline Volkmann — Verlinkung & Haftung: Bedeutet die EuGH-Trilogie

das Aus für die Informationsfreiheit und den Meinungsaustausch

im Internet? . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . .36

EuGH: Haftung für Hyperlinks bei urheberrechtlich

geschützten Werken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . .43

LG Hamburg: Haftung des Linksetzers für Urheberrechtverletzung

auf Zielseite . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . 46

Ron Bisle / Björn Frommer — EuGH klärt Verantwortlichkeit

bei anonym nutzbaren WLAN-Hotspots . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . .54

OLG Karlsruhe: Unverhältnismäßige Wohnungsdurchsuchung

zwecks Beschlagnahme von Computern und Routern . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..63

Oliver Stiemerling — Einholung von IT-Sachverständigengutachten

zu Software . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65

e

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n

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Zeitschrift für die Praxisdes Rechts der Informationstechnologien

alte Grützmacher, LL.M. • RA Prof. NikoRA Prof. Dr. Jochen Schneider • RA Prof. Dr.nn • LL.M., Prof. Dr. Gerald Spindler

Recht

CR

§15 FAOBeitrag zumSelbststudium

Zeitschrift für das gesamteMedienrecht Archiv für Presserecht

afp-medienrecht.deHerausgegeben von: Prof. Dr. Christian Berger · Dr. Ulf Brühann · Prof. Dr. Emanuel H. Burkhardt ·Prof. Dr. Karl-Eberhard Hain · Dr. Verena Hoene · Gernot Lehr · Dr. Christian Löffler · Prof. Dr. RogerMann · Prof. Dr. Karl-Nikolaus Peifer · Dr. Jörg Soehring · Prof. Dr. Christian von Coelln · Vera vonPentz · Georg Wallraf · Prof. Dr. Johannes Weberling

BeratermodulAfP

Aufsätze > Christoph Wagner — Rundfunk- und Tendenzfreiheit von

Pay-TV-Plattformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . 281

Lucas Brost / Christian Conrad / Felix Justus Rödder —

Einholung und Berücksichtigung der Stellungnahme bei der

Verdachtsberichterstattung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . 287

Marc-Oliver Srocke — Die Konfrontation des Betroffenen im Vorfeld

einer Verdachtsberichterstattung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . 291

Johannes Weberling / Natalie Kowalczyk — Zuständigkeit der GEMA

im Bereich der Onlinenutzung von Musikwerken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . 298

Entscheidungen > Sorgfaltspflichten bei Berichten über angebliches Fehlverhalten

(EGMR, Urt. v. 27.6.2017 – 17224/11) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . 310

Kein Verlust des Gegendarstellungsrechts durch Verweigerung einer

Stellungnahme (BVerfG, Beschl. v. 9.4.2018 – 1 BvR 840/15) . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . .320

Unzulässige Textteile eines satirischen „Schmähgedichts“

(OLG Hamburg, Urt. v. 15.5.2018 – 7 U 34/17) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . 335

Keine fortdauernde Rufbeeinträchtigung durch „Faktenzoom“

(OLG Köln, Urt. v. 19.4.2018 – 15 U 135/17) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . 344

Unvererblichkeit des Anspruchs auf Geldentschädigung wegen

Persönlichkeitsrechtsverletzung (OLG Köln, Urt. v. 29.5.2018 –

15 U 64/17, nrkr. [Ls.]) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . 375

Unzulässige Verbreitung von Zitaten eines verstorbenen Politikers

(OLG Köln, Urt. v. 29.5.2018 – 15 U 65/17, nrkr. [Ls.]) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . 375

Beiträge zumSelbststudium

AfPRechtsprechung

Wohnraummiete

> Zulässigkeit eines Kündigungsausschlusses (BGH) 225

> Zurückbehaltungsrecht trotz fehlender Mängel-anzeige (LG Flensburg) ¢§15

227

Gewerberaummiete

> Schriftformverstoß: Treuwidrigkeit der Kündigung(OLG Frankfurt)

229

> Betriebspflicht: Bankautomat reicht als Filialenicht (LG Schwerin)

230

Wohnungseigentum

> Zustimmung zu einem Beschlussantrag: Beschluss-ersetzungsklage erforderlich (BGH)

236

> Keine kalte Entziehung eines Sondernutzungs-rechts (BGH)

237

Beiträge für die Beratungspraxis

Gebrauch der Mietsache

Horst

> Anspruch auf Warmwasser auch im Hochsommer?! 245

Kündigung

Mettler

> Schriftformmängel bei Gewerbemietverträgen –Teil I ¢§15

247

Verwaltung des Wohnungseigentums

Suilmann

> Die Vergütung des Verwalters 251

Informationsdienstzum Miet- und Wohnungs-eigentumsrecht

BeratermodulMiet- und WEG-Recht

§15 FAO

Beiträge zum

Selbststudium

Rechtsprechung

> BGH: Dashcam-Video als Beweismittel ¢§15 199

> OLG Köln: Anwendbarkeit des KUG neben derDSGVO

200

> OLG Frankfurt: Keine abstrakte Kindeswohlgefähr-dung durch Smartphone und Internetzugang ¢§15

201

> OLG Saarbrücken: Spezifische Verhaltenspflichtendes Suchmaschinenbetreibers

203

> OLG Oldenburg: Störerhaftung eines Seitenbetrei-bers bei Facebook

204

> OLG Oldenburg: Unzulässige Weiterleitung vonNacktbildern

205

Beiträge für die Beratungspraxis

IT-Rechtsfragen aus der Praxis

Lejeune

> UK Data Protection Act 2018 206

Hinweise zur Vertragsgestaltung

Witzel

> Vertragsgestaltung mit Subunternehmern: Gestal-tungsmöglichkeiten bei Kündigung und Vertrags-beendigung – Teil 2

212

Redeker

> Geheimhaltungsverpflichtungen in Auftragsver-arbeitungsvereinbarungen ¢§15

215

Informationsdienst fürIT-Recht und Datenschutz

Beratermodulitrb

In Kooperation mit:

ArbeitsgemeinschaftIT-Recht

§15 FAO

Beiträge zum

Selbststudium

Rechtsprechung

> BVerfG: Zur Pflicht zum Abdruck eines Nachtragsbei rechtmäßiger Verdachtsberichterstattung

170

> EuGH: Rebranding von Waren vor Einfuhr in denEWR

172

> BGH: Pipi Langstrumpf als Dienstleistungsmarke 173

> BGH: Zum Gegenstandswert im patentrechtlichenRechtsbeschwerdeverfahren

174

Beiträge für die Beratungspraxis

Gewerbliche Schutzrechte

Ahrens

> Wettbewerbsrechtliche Beurteilung neuer Ver-packungstrends ¢§15

176

Bärenfänger

> Der Schutz ungewöhnlicher Unternehmenswerteüber das Markenrecht ¢§15

179

Urheberrecht

Schmischke

> Reihe: Medienrechtliche Begleitung von Strafver-fahren – Persönlichkeitsrechtschutz im Strafvoll-zug

185

Fusbahn

> Ein Gesetz gegen Lügen, Hass und Fakenews - ErsteErfahrungen und Bewertungen zum Netzwerk-durchsetzungsgesetz

189

Informationsdienstfür das Recht des geistigenEigentums und der Medien

Beratermoduliprb

In Kooperation mit:

Arbeitsgemeinschaft Geistiges Eigentum & Medien im DAV

§15 FAO

Beiträge zum

Selbststudium

Rechtsprechung

Allgemeines Eherecht

> OLG Oldenburg: Keine Aufhebung einer unter Betei-ligung einer 16-Jährigen in Rumänien geschlosse-nen Ehe

296

Eheliches Güter- und Vermögensrecht

> BVerfG: Übergehen von Parteivortrag bei zwei pa-rallel geführten Zugewinnausgleichsverfahren

298

Unterhaltsrecht

> OLG Celle: Paritätisches Wechselmodell: Bestim-mung des Bezugsberechtigten für das Kindergeld

299

Versorgungsausgleich

> BGH: Versorgungsausgleich: Ausgleich endgehalts-bezogener Anrechte im Abänderungsverfahren

302

Kindschaftssachen

> EuGH: Grenzüberschreitender Umgang von Groß-eltern

308

> BVerfG: Auswahl des Vormunds (hier: Amtsvormundanstelle des ehrenamtlichen Einzelvormunds)

309

Personenstandsrecht

> BGH: Bezeichnung von (jetzt) im Ausland liegendenOrten in den Personenstandsregistern

317

Beiträge für die Beratungspraxis

Aktuelle Praxisfragen

Ehinger

> Verjährung und Verwirkung beim Kindesunterhalt

¢§15320

Erb-Klünemann

> Die Ausnahmetatbestände im Haager Kinderent-führungsübereinkommen in der Praxis – Eine Ana-lyse der deutschen Rechtsprechung zu Art. 13Abs. 1b und Abs. 2 HKÜ

327

Informationsdienstfür die familienrechtlichePraxis

BeratermodulFamilienrecht

§15 FAO

Beiträge zum

Selbststudium

Rechtsprechung

Individualarbeitsrecht

> BAG: Branchenzuschläge – Abstellen auf Überlas-sungsdauer

228

Kollektives Arbeitsrecht

> BAG: Überhöhte Abfindung für Betriebsratsmitgliednicht unzulässig

234

> LAG Schleswig-Holstein: Keine Festlegung der per-sonellen Mindestbesetzung durch Einigungsstelle

236

Sonstiges Recht

> BSG: Sozialversicherungspflicht eines GmbH-Ge-schäftsführers

238

Beiträge für die Beratungspraxis

Arbeitsrechtsfragen aus der Praxis

Oberthür

> Die neue Brückenteilzeit – Ein kompakter Überblicküber die geplanten Änderungen im Teilzeitrecht

239

Bonanni/Niklas

> Neues zur Mitbestimmung in Konzernsachverhal-ten mit Auslandsbezug

242

Hinweise zur Vertragsgestaltung

Grimm/Kühne

> Muster für eine Datenschutzerklärung für Bewer-ber –Mit Erläuterungen

245

Kleinebrink

> Beteiligungsrechte des Betriebsrats bei Schicht-arbeit – Gestaltungsmöglichkeiten ¢§15

249

Böhm

> Beendigung des Arbeitsverhältnisses wegen dauer-hafter voller Erwerbsminderung ¢§15

253

Informationsdienstfür die arbeitsrechtlicheBeratungspraxis

BeratermodulArbeitsrecht

Mit MusterDS-ErklärungBewerber

§15 FAO

Beiträge zum

Selbststudium

Page 3: 20_2018_Jubilaeums-Heft.pdf

FR FinanzRundschauZeitschrift für das gesamte Ertragsteuerrecht

Editorial

100 Jahre Finanz-Rundschau/Deutsches Steuerblatt

Liebe Leserinnen, liebe Leser,

im Oktober 2018 hat die Finanz-Rundschau ebenso wie der Reichs- und Bundesfinanzhof ihr 100. Jubilä-um. Aus diesem Anlass möchte ich Sie herzlich einladen, das mit uns in diesem Heft zu feiern. Die Ge-schichte ist insbesondere durch die Lebensdaten der FR und das Titelblatt der ersten Ausgabe des Deut-schen Steuerblatts auf der letzten Umschlagseite vertreten. Steuerliche Gegenwart und Zukunft bilden je-doch den Schwerpunkt dieser Ausgabe.

Die vier Perspektiven der Sicht auf das Steuerrecht kommen in unserem Festheft lebhaft zu Wort. WP/StBPof. Dr. Ulrich Prinz führt eine Bestandsaufnahme der ertragsteuerlichen Organschaft durch, erläutert dieSystematik und zeigt die verbliebenen Problembereiche auf. WP/StB Prof. Dr. Thomas Rödder ergreift fürden Mitherausgeber der FR, das Fachinstitut der Steuerberater, das Wort als dessen Vorsitzender undauch aus der Perspektive der steuerlichen Beraterschaft. Prof. Dr. h.c. Rudolf Mellinghoff, der Präsident desBundesfinanzhofs, lenkt in seinem Gruß unseren Blick auch auf das 100jährige Jubiläum des Reichs-finanzhofs/Bundesfinanzhofs. Richter am Bundesfinanzhof Dr. Jens Reddig untersucht den seit 11 Jahrenexistenten Investitionsabzugsbetrag für die steuerliche Praxis. Vier weitere Bundesrichter und langjährigeFR-Autoren besprechen in diesem Heft aktuelle Entscheidungen des Bundesfinanzhofs. Prof. Dr. AndreasMusil stellt in seiner wissenschaftlichen Untersuchung fest, dass mit den ATAD-Richtlinien ein Paradig-menwechsel in der Steuerpolitik der EU eingetreten ist. Dr. Björn Heidecke und StB Dr. Andreas Mammenfragen angesichts der zahlreichen EU- und OECD-Initiativen nach einem zukünftigen Ende nationalstaatli-cher Steuerpolitik. Cato berechnet glossierend bereits das Steuerrecht in 100 Jahren voraus. Der neue Lei-ter der Steuerabteilung des Bundesfinanzministeriums Ministerialdirektor Dr. Rolf Möhlenbrock hebt in sei-nem Gruß die Bedeutung der Finanz-Rundschau als Austauschforum in der stetigen Entwicklung desSteuerrechts auch für die Perspektive der Finanzverwaltung und als Spiegel der Steuergesetzgebung her-vor.

Die FR wird auch in Zukunft eine zentrale Plattform des fachlichen Diskurses sowohl der Praxis als auchder Wissenschaft bleiben. Bitte bleiben Sie uns auch weiterhin gewogen.

Mit den besten Grüßen und Wünschen

Ihr

Prof. Dr. Felix Hey

Verleger

FR 20/2018 R1

Page 4: 20_2018_Jubilaeums-Heft.pdf

FR FinanzRundschauZeitschrift für das gesamte Ertragsteuerrecht

Herausgegebenin Verbindung mit dem Fachinstitut der Steuerberater

Fachbeirat:RiBFH Prof. Dr. Andreas Herlinghaus · LMR Dr. Ingo van Lishaut · RA, StB Dr. Norbert Schneider · StB Prof. Dr.Andreas Schumacher · Univ.-Prof. Dr. Roman Seer.

Ständige Mitarbeiter:(Vors.)/Richter am BFH Dr. Bergkemper (a.D.) · Bode · Prof. Dr. Andreas Herlinghaus · Prof. Dr. Kanzler (a.D.) ·Dr. Kempermann (a.D.) · Prof. Dr. G. Nöcker · Prof. Dr. habil. Weber-Grellet (a.D.) · Prof. Dr. Werth · Wendt.

FR-Gestaltungspraxis:Fachbeirat: CARLÉ · KORN · STAHL · STRAHL, Köln und ständige Mitarbeit: Deloitte & Touche, Düsseldorf · FlickGocke Schaumburg, Bonn.

Inhalt ertragsteuerrecht.de

Grußworte

Prof. Dr. h.c. Rudolf Mellinghoff - 100 Jahre Steuerrechtsprechung in Deutschland und 100 Jahre Begleitung durch Deutsches Steuerblattund Finanz-Rundschau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 909

Dr. Rolf Möhlenbrock - 100 Jahre Finanz-Rundschau – Forum zur Aufarbeitung und zum fachlichen Austausch der stetigen Entwicklungim Steuerrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 913

Prof. Dr. Thomas Rödder - 100 Jahre Finanz-Rundschau – neuen Aufgaben entgegen! . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 914

Aufsätze

Prof. Dr. Ulrich Prinz, WP/StB, Köln — Ertragsteuerliche Organschaft – Bestandsaufnahme, Systematik, Problembereiche

Die ertragsteuerliche Organschaft ist für die Praxis bei mittelständischen Unternehmensgruppen und in Konzernstrukturen ein wichtiges Gestal-tungsmittel. Zeitnahe Verlustverrechnung, Vermeidung von Finanzierungskostennachteilen und verminderter Deklarationsaufwand sind Vorteileder Organschaft. Der Gewinnabführungsvertrag mit seinen Fallstricken und die Haftungspoolung sind sicherlich als Nachteile der Organschaft zusehen. Die Rechtsprechung hat sich in jüngerer Zeit mehrfach mit Organschaftsfragen befassen müssen und für manche positive wie negativeÜberraschung gesorgt. Das Organschaftsrecht erscheint deshalb insgesamt äußerst zersplittert und hat durch die behutsame internationale Öff-nung in den letzten Jahren deutlich an Komplexität zugenommen. Die Praxis muss damit umgehen. Im Bereich der Ausgleichszahlungen anMinderheitsgesellschafter ist derzeit der Steuergesetzgeber tätig und will „entgegen der BFH-Rechtsprechung“ bestimmte Formen variabler Garan-tiedividenden zulassen (§ 14 Abs. 2 KStG-E). Um bei dieser Fülle von Grundsatz- und Detailfragen den Überblick nicht zu verlieren, versucht derBeitrag eine Bestandsaufnahme der Grundlagen des ertragsteuerlichen Organschaftsrechts, wobei das „Bilanzrecht der Organschaft“ einenSchwerpunkt bildet. Die Besonderheiten der umsatzsteuerlichen Organschaft bleiben außer Betracht. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 916

Richter am BFH Dr. Jens Reddig, München — Zum 11-jährigen Geburtstag des Investitionsabzugsbetrags – Zeit für eine Bestandsanalyse

Nicht nur die Finanz-Rundschau, auch der Investitionsabzugsbetrag feiert(e) Geburtstag – wenn auch erst den beschaulich elften. Eingeführtdurch das Unternehmensteuerreformgesetz 2008 (UntStRefG v. 14.8.2007, BGBl. I 2007, 1912), ist die seinerzeit völlig neu gefasste Vorschrift des

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§ 7g EStG für alle nach dem 17.8.2007 endende Wirtschaftsjahre anwendbar (§ 52 Abs. 23 Satz 1 EStG i.d.F. des UntStRef)G; der Schritt ins „Teen-ager“-Zeitalter ist demnach kein weiter mehr. Der Verf. unterzieht den Investitionsabzugsbetrag einer eingehenden praktischen Analyse und be-zieht zu den noch verbliebenen Zweifelsfragen Stellung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 925

Prof. Dr. Andreas Musil, Potsdam — Die ATAD-Richtlinien – Ein Paradigmenwechsel in der Steuerpolitik der EU?

Der Verfasser setzt sich mit der rechtlichen und steuerpolitischen Bedeutung der beiden ATAD-Richtlinien auseinander. Die in den Richtlinienenthaltenen Regelungen formulieren Mindeststandards für mitgliedstaatliche Regelungen, die deren Steuersubstrat sichern sollen. Im Einzelnenfinden sich Vorgaben zur Zinsschranke, zur Hinzurechnungsbesteuerung, zur Wegzugs- und Entstrickungsbesteuerung sowie zu hybriden Gestal-tungen. Auch ein allgemeiner Missbrauchsvorbehalt wird normiert. Im Zuge der Umsetzung in nationales Recht stellt sich die Frage, inwieweit dieEU noch an ihrem bisher dominierenden Schutzkonzept für von nationalen Steuernormen betroffene Steuerpflichtige festhält. Dieses insbesonde-re vom EuGH auf der Grundlage der Grundfreiheiten entfaltete Konzept wird durch die genannten Richtlinien kontrastiert. Der Beitrag versucht,das Verhältnis von Rechtssetzung und Rechtsprechung im Rahmen der EU auszuloten und einen Ausblick auf die künftig zu erwartende Steuer-politik der EU zu geben. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 933

Dr. Björn Heidecke / Dr. Andreas Mammen, Hamburg — Konvergenz um jeden Preis? Die Zukunft nationalstaatlicher Steuerpolitik

Der vorliegende Beitrag zeichnet zunächst die Harmonisierungstendenzen im Bereich der Steuerpolitik mit einem Fokus auf die EU nach. ImAnschluss daran wird aus verschiedenen Blickwinkeln das „Für und Wider“ einer Steuerharmonisierung erörtert. Steuerharmonisierung bedeuteteine Angleichung insbesondere hinsichtlich der Gestaltung des Steuersystems, der Bemessungsgrundlagen, Steuersätze und Ausnahmetat-bestände. Hierbei wird auf volkswirtschaftliche, EU-historische und unternehmerische Aspekte eingegangen. Die Verf. kommen zu folgendemErgebnis: Konvergenz um jeden Preis scheint aktuell weder rechtlich durchsetzbar, noch volks- und betriebswirtschaftlich ratsam. Die gleichwohlaktuell vorfindliche Diskussion um eine GKKB und die Vielzahl an OECD- sowie EU-Papieren mit dem Ziel eben jener Konvergenz scheint sich nurvor dem Hintergrund eines politischen und medialen Willens um eine Beseitigung von Steuervermeidung und konsensuale Sichtweisen zu erklä-ren. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 941

Ceterum censeo

Das Steuerrecht in 100 Jahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 949

Kurzbeiträge

Lebensdaten Deutsches Steuerblatt/Finanz-Rundschau 1918-2018 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 950

Rechtsprechung

Personengesellschaften

Wirtschaftliches Eigentum an einem Mitunternehmeranteil (BFH, Urt. v. 1.3.2018 – IV R 15/15)m. Anm. M. Wendt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 951

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Inhalt

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Gewerbliche Einkünfte

Keine Abfärbung bei Verlusten (BFH, Urt. v. 12.4.2018 – IV R 5/15)m. Anm. H.-J. Kanzler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 959

Bilanzen

Bilanzierung von Provisionsvorauszahlungen und damit im Zusammenhang ste-hender Aufwendungen (BFH, Urt. v. 26.4.2018 – III R 5/16)

m. Anm. H. Weber-Grellet . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 964

Kapitaleinkünfte

Ermittlung des Gewinns bei der Veräußerung von jungen Aktien nach Ausübungvon Bezugsrechten aus sog. Altanteilen (BFH, Urt. v. 9.5.2017 – VIII R 54/14 [Ls.]). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 968

Beschränkte Steuerpflicht

Beschränkte Einkommensteuerpflicht: Arbeitnehmertätigkeit für ein privates Unter-nehmen zur Förderung der Entwicklungshilfe (BFH, Urt. v. 28.3.2018 – I R 42/16)

m. Anm. M. Kempermann . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 968

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Inhalt

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FR FinanzRundschauZeitschrift für das gesamte Ertragsteuerrecht

100 Jahre Steuerrechtsprechung in Deutschland und100 Jahre Begleitung durch Deutsches Steuerblatt undFinanz-Rundschau

Am 26.7.1918 wurde der Reichsfinanzhof noch von Kaiser Wilhelm II. durch das „Gesetz über die Errich-tung eines Reichsfinanzhofs und über die Reichsaufsicht für Zölle und Steuern“ errichtet. Als Sitz diesesGerichts bestimmte der Bundesrat München. Der Bundesfinanzhof steht damit in der Kontinuität diesesersten eigenständigen obersten Gerichtshofs für Steuer- und Abgabengelegenheiten. Im Oktober 1918nahm der Reichsfinanzhof seine Tätigkeit auf; gleichzeitig erschien erstmals das Deutsche Steuerblatt, derVorläufer der heutigen Finanz-Rundschau. Dies ist Anlass, auf die wechselvolle einhundertjährige Ge-schichte der Steuerrechtsprechung in Deutschland und gleichzeitig auf die Gründung einer steuerlichenFachzeitschrift, die heute unter dem Namen Finanz-Rundschau erscheint, zurück zu blicken.

Der Reichsfinanzhof als oberstes Steuergericht

Seine Existenz verdankte der Reichsfinanzhof (RFH) nicht der Eingebung eines Monarchen. Entscheidendwar vielmehr der Reichstag, der im Zuge der Beratungen die Verabschiedung des ersten allgemeinen Um-satzsteuergesetzes von der Errichtung eines „reichseigenen obersten Steuergerichtshofs für alle Reichs-steuern“ abhängig machte. Grundlage der Errichtung des RFH war damit dessen Aufgabe, den Rechts-schutz der Bürger zu gewährleisten und eine einheitliche Rechtsauslegung im gesamten Reich zu sichern.Dies betont auch der erste Präsident des RFH, der Wirkliche Geheime Rat Exzellenz Gustav Jahn in seinenLebenserinnerungen, wenn er schreibt: „Nicht das Reich oder die Staaten wurden für schutzbedürftig an-gesehen, um zu den ihnen zukommenden Einnahmen zu gelangen, sondern die Steuerpflichtigen, derenüberspannter Inanspruchnahme man einen Riegel vorzuschieben für nötig hielt.“ Grundlage der Tätigkeitder Finanzgerichtsbarkeit ist damit von Anbeginn an der unabhängige gerichtliche Rechtsschutz aller Bür-ger, dem sich auch heute der Bundesfinanzhof verpflichtet fühlt.

Die Gründung des RFH stand in einem engen Zusammenhang mit der Neuausrichtung der Reichsfinanzie-rung. Das Reich sollte sich zunehmend aus eigenen Steuerquellen und nicht mehr aus sog. Matrikularbei-trägen der Länder finanzieren. Zunächst war der RFH nur für die damals geltenden Reichssteuern (Um-satzsteuer, Wehrbeitrag, Besitzsteuer, Kriegsabgabe, Erbschaftsteuer, Reichsstempelabgaben, Wechsel-stempelabgaben, Abgaben vom Personen- und Güterverkehr und Kohlensteuer) zuständig. Als nach demersten Weltkrieg das Deutsche Reich immer mehr Steuerkompetenzen übernahm, erweiterte sich dasAufgabengebiet dieses neuen Gerichts rasch und der RFH wurde für alle wesentlichen Steuerarten undSteuerfragen zuständig.

Erster Gerichtspräsident war der Wirkliche Geheime Rat Exzellenz Gustav Jahn. Mitglieder des RFH warenam 1.10.1918 neben dem Chefpräsidenten ein Senatspräsident (Vorsitzender Richter) sowie sieben weitereRichter (damals Reichsfinanzräte). Das erste Urteil verkündete der RFH am 30.1.1919. Die Arbeitsbelastungnahm in Zuge der Erzbergerschen Finanzreform mit neuen Reichssteuern rasch zu. Bereits 1920 wurde

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die Anzahl der Senate auf vier, 1921 auf fünf und 1922 auf sechs erhöht. Seine Tätigkeit in dem bis heutevom BFH genutzten Gerichtsgebäude in der Ismaninger Straße 109 nahm der RFH am 3.1.1924 auf.

Mit seiner Rechtsprechung hatte der RFH in seinen ersten Jahren Pionierarbeit zu leisten. Die – damalsnoch – dürren Steuergesetze entwickelte der RFH durch sog. Leitgedanken und Rechtsinstitute weiter. Sobegründete der RFH die Bilanzbündeltheorie, die Organschaft, die Mitunternehmerschaft und die Übertra-gung stiller Reserven auf Ersatzwirtschaftsgüter bei höherer Gewalt. Er erarbeitete sich den Ruf eines vonder Finanzverwaltung eigenständigen und fachlich exzellenten Rechtsprechungsorgans. Anlässlich seineszehnjährigen Bestehens wurde das Gericht bereits als bedeutende Institution der Weimarer Republik ge-würdigt. Der Vorsitzende Richter am PrOVG Pape attestierte dem RFH eine „meisterliche Durchforstung deroft nicht lückenfreien und oft nicht gerade klaren Gesetzgebung auf den dornen- und gestrüppreichenGefilden des materiellen Steuerrechts“. In der Zeit der Weltwirtschaftskrise wurde gegen den RFH aller-dings auch der Vorwurf der Kassenjustiz erhoben.

Der Reichsfinanzhof in nationalsozialistischer Zeit

Gerade in der heutigen Zeit, in der selbst in Staaten der Europäischen Union die Unabhängigkeit der Justizgefährdet, Richter gegen ihren Willen entlassen und von staatlicher Seite Druck auf die Justiz ausgeübtwird, besteht Anlass daran zu erinnern, dass auch der RFH Zeiten erlebte, in denen er seiner Aufgabeunabhängigen Rechtsschutz für jedermann zu gewähren nicht mehr nachkam und in der seine Richtermenschenverachtende und verabscheuungswürdige Entscheidungen trafen.

Das dunkle Kapitel in der Geschichte des RFH begann mit der nationalsozialistischen Machtergreifung. Derzweite Präsident des RFH, der international hoch angesehene Prof. Dr. Herbert Dorn, wurde aufgrund sei-ner jüdischen Abstammung aus dem Amt gedrängt und emigrierte über die Schweiz und Kuba in dieUSA. Weitere Richter mussten das Gericht aus dem gleichen Grund verlassen. Zwei von ihnen wurdenspäter in Konzentrationslager deportiert. Rolf Grabower überlebte in Theresienstadt. Franz Oppens wurde inAuschwitz ermordet.

Nach dem unerwarteten Versterben des dritten Gerichtspräsidenten Dr. Richard Kloss, der dieses Amtnicht einmal ein Jahr ausüben konnte, wurde mit Dr. Ludwig Mirre am 1.4.1935 der vierte Gerichtspräsidenternannt. Mirre hatte kurze Zeit zuvor nach Rücksprache mit dem damaligen Staatssekretär im Reichs-finanzministerium (RFM) die Weisung erteilt, Adolf Hitler im Hinblick auf seine staatsrechtliche Stellungsteuerfrei zu belassen. Mirre erhielt später aus dem Reichskanzleramt jährlich Zuwendungen, die derHöhe nach fast seinem Präsidentengehalt entsprachen. Nach dem Kriegsende wurde er verhaftet, zumSenatspräsidenten degradiert und zugleich aus dem Amt entlassen.

In den Jahren ab 1933 bestand die erforderliche Bindung an Gesetz wie auch Recht nur noch einge-schränkt. Nach § 1 Abs. 1 und 3 StAnpG war der Beurteilung gesetzlicher Tatbestände die nationalsozialisti-sche Weltanschauung zugrunde zu legen. Auf dieser Grundlage sah das RMF den RFH als seinen Gehilfenan, der bei den vor 1933 in Kraft getreten Vorschriften prüfen sollte, ob sie der nationalsozialistischen Welt-anschauung entsprachen. War dies nicht der Fall, sollte der gesetzliche Tatbestand entsprechend der na-tionalsozialistischen Weltanschauung uminterpretiert werden.

Der RFH nahm seine Aufgabe als unabhängiges Organ der Steuerrechtspflege nicht mehr wahr und ord-nete sich im Rahmen zahlreicher Verfahrensbeteiligungen des RFM zunehmend dem Willen des Ministeri-ums unter. Der erste Gerichtspräsident Jahn bemerkte bei Abschluss seiner Lebenserinnerungen im De-zember 1938 hierzu, dass man auf den RFH verzichten könne, solange für ihn nur die Ansichten undWünsche des RFM maßgebend seien. Beispielhaft erwähnt sei ein „Urteil“ vom 20.11.1941, nach dessenLeitsatz § 34 EStG auf Juden nicht anwendbar war. Unter Bezugnahme auf § 1 Abs. 3 StAnpG wurde diesallein damit begründet, dass es der gesunden deutschen Volksanschauung widerspreche, einem Judenden ermäßigten Steuersatz zuzubilligen (Az: IV 47/41). In der bis zum Jahresende im BFH für die Öffent-lichkeit zugänglichen Ausstellung zur 100-jährigen Geschichte der Steuerrechtsprechung in Deutschlandsind die Hintergründe dieses Falles vom ursprünglichen Entscheidungsvorschlag über die Einflussnahmedes RFM bis zur endgültigen Entscheidung dokumentiert.

Neben Entscheidungen zum Nachteil von Steuerpflichtigen jüdischer Abstammung betrifft ein weitererSchwerpunkt von Unrechtsurteilen die Steuerangelegenheiten von Kirchen, Religionsgemeinschaften undgeistlichen Orden. Für diese richtete Mirre einen speziellen Senat VIa ein, dem er selber vorsaß. Der RFHbetätigte sich dabei als verlängerter Arm des RFM und bejahte abstruse Rechtsvorstellungen wie die Fami-lientheorie (Zusammenfassung des persönlichen Einkommens der Ordensmitglieder als der Körperschaft-steuer unterliegendes Einkommen des Ordens) oder die Selbstheiligungstheorie (Förderung der eigenenVollkommenheit als Ordenszweck schließt Gemeinnützigkeit aus).

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Mögen auch viele Urteile des RFH aus damaliger Zeit fachlich nicht zu beanstanden sein, ist es zugleichunfassbar und beschämend, wie andere Entscheidungen getroffen und zudem begründet wurden. Bisheute fehlt es an einer wissenschaftlichen Untersuchung der Tätigkeit des RFH in der Zeit der nationalso-zialistischen Gewaltherrschaft. Der BFH befürwortet nachdrücklich, dass dies – wie schon früher gefordert– auf der Grundlage der heute noch in Bundesarchiven vorhandenen Gerichtsakten durch Rechtshistorikernachgeholt wird.

Der Bundesfinanzhof

Nach dem Kriegsende führte zunächst ab Juli 1945 der Oberste Finanzgerichtshof (OFH), der in der ame-rikanischen Besatzungszone als Rechtsbeschwerdeinstanz tätig war, die Steuerrechtsprechung in demGebäude des RFH fort. Präsident wurde Dr. Heinrich Schmittmann, der bereits beim RFH Senatspräsidentwar. Seine Aufgabe ähnelte in gewisser Weise der des ersten Gerichtspräsidenten Jahn. Er musste eineunabhängige Finanzgerichtsbarkeit wieder aufbauen, für Vertrauen in die rechtsprechende Tätigkeit sor-gen und sich zusätzlich um die Entnazifizierung kümmern.

Der BFH wurde als erster der insgesamt fünf obersten Gerichtshöfe des Bundes durch Gesetz vom29.6.1950 errichtet. Damals bestanden vier Senate mit 19 Richtern. Erster Gerichtspräsident war – wie zu-vor beim OFH – Dr. Heinrich Schmittmann.

Die Anzahl der Senate wuchs mit zunehmender Arbeitsbelastung kontinuierlich. Hinzu kamen der V. Se-nat (1952), der VI. Senat (1956), der VII. Senat (1958), der VIII. Senat (1971), der IX. Senat (1984), der X. Senat(1987) und schließlich der XI. Senat (1990). Heute sind im BFH insgesamt 59 Richterinnen und Richtertätig. In Fragen der Gleichstellung von Frauen und Männern war der BFH ein Spiegel seiner Zeit. ErsteRichterin am BFH wurde 1972 Dr. Gisela Niemeyer, erste Vorsitzende Richterin 1991 Dr. Ruth Hofmann, erstePräsidentin des Gerichts 1999 Dr. Iris Ebeling. Zur Zeit besteht die Richterschaft des BFH zu 29 % aus Rich-terinnen.

Der BFH hat in den letzten fast sieben Jahrzehnten den Anspruch der Steuerpflichtigen auf gerichtlicheKontrolle des Verwaltungshandelns qualitativ hochwertig erfüllt und gewährleistet heute den rechtsstaat-lich unabhängigen, verfassungsrechtlich gebundenen und die Vorgaben des Europarechts berücksichti-genden Steuerrechtsschutz. In zahlreichen Entscheidungen werden grundlegende Fragen des Steuer-rechts geklärt und die Statistik zeigt, dass in vielen Fällen die Steuerpflichtigen sich mit ihrer Rechtsauf-fassung gegenüber der Finanzverwaltung durchsetzen. Entwicklungslinien und Zukunftsfragen werden ineiner Festschrift aus Anlass des 100-jährigen Bestehens einer eigenständigen Steuerrechtsprechung inDeutschland gewürdigt, die dem Bundespräsidenten bei einem Festakt am 1. Oktober übergeben wird.

Anders als früher spielt dabei der Rechtsprechungsverbund in Deutschland und Europa eine immer wich-tigere Rolle. Im Rahmen der konkreten Normenkontrolle entscheidet das Bundesverfassungsgericht überdie Verfassungswidrigkeit von Steuergesetzen. Zur Auslegung des Unionsrechts richtet der BFH in langjäh-riger Tradition Vorabentscheidungsersuchen an den Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) und istzum Hauptauftraggeber für den EuGH geworden. Zudem ist der Europäische Gerichtshof für Menschen-rechte (EGMR) zu beachten. Im unionsrechtlich harmonisierten Steuerrecht und damit vor allem bei derUmsatzsteuer und den Verbrauchsteuern erfolgt die Grundrechtsprüfung im Schwerpunkt nach der Char-ta der Grundrechte der Europäischen Union. Bei deren Auslegung orientiert sich der EuGH an der Recht-sprechung des EGMR zur Europäischen Menschenrechtskonvention.

Die Zukunft bringt für den BFH und die Verfahrensbeteiligten gewichtige Veränderungen. An erster Stelleist die bis 2026 umzusetzende Verpflichtung zur elektronischen Führung von Prozessakten zu nennen.Der BFH wird dies voraussichtlich im Jahr 2021 verwirklichen können. Dabei kommt es für den BFH zubaulichen Änderungen. In einem neu zu errichtenden Erweiterungsbau wird Raum für neue Gerichtssälegeschaffen, die den neuen technischen Anforderungen entsprechen.

Der BFH wird auch in der Zukunft die schon dem RFH zugedachten Aufgaben erfüllen und Steuerpflichti-gen Rechtsschutz gegen Steuerfestsetzungen gewähren sowie für eine einheitliche Rechtsauslegung sor-gen. Solange es Steuern gibt, wird sich hieran auf der Grundlage einer freiheitlich-demokratischenRechtsordnung wohl auch in den nächsten 100 Jahren nichts ändern.

Gründung des Deutschen Steuerblatts

Ebenso wie die Steuerrechtsprechung kann auch die Finanz-Rundschau ihr einhundertjähriges Jubiläumfeiern. Im Oktober 1918 erschien das erste Heft der Steuerzeitschrift „Deutsches Steuerblatt“ im VerlagDr. Otto Schmidt in Köln, die unmittelbare Vorläuferin der heutigen Finanz-Rundschau. VerantwortlicherSchriftleiter war der Senatspräsident des Königlichen OVG in Berlin und spätere Senatspräsident desReichsfinanzhofs Alfons Mrozek. Zu den ständigen Mitarbeitern gehörten von Anbeginn an Richter des

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Reichsfinanzhofs (damals Senatspräsident Dr. Strutz und die Reichsfinanzräte Hochstetter und Dr. Schluti-us). Zwar wurde die Eröffnung des Reichsfinanzhofs nur als „Kleine Mitteilung“ bekanntgegeben. Das Deut-sche Steuerblatt verfolgte jedoch ebenso wie der Reichsfinanzhof das Ziel, zu einer gesetzmäßigen Be-steuerung beizutragen. Mrozek hob in seiner Einleitung hervor, dass die Steuerpflichtigen in Notfällen dasRüstzeug fänden, einen ungesetzlichen Steuerdruck abzuwehren, und dass die Steuerbehörden in ihremBestreben gefördert werden sollten, die Steuerlast nach dem Gesetz und damit gerecht zu verteilen. FürVerlag und Schriftleitung war von Anbeginn wichtig, dass ein hoher wissenschaftlicher Standard durchentsprechend qualifizierte Autoren gewährleistet sein sollte, und dass die fachliche Auseinandersetzungzwischen Wissenschaft, Beraterschaft, Finanzverwaltung und Rechtsprechung gefördert werden sollte. Mitder Aufnahme der Rechtsprechung im Januar 1919 durch den Reichsfinanzhof wurden dessen Entschei-dungen im Deutschen Steuerblatt veröffentlicht. Dabei entwickelte sich die auch heute noch geübte Praxis,dass Richter des Reichsfinanzhofs die Entscheidungen ihres Gerichts für die wissenschaftliche Fachöffent-lichkeit bearbeiteten und besprachen. Auch das Deutsche Steuerblatt wurde durch die Unrechtsherrschaftdes Nationalsozialismus beeinflusst. Zwar wandte sich 1936 der damalige Schriftleiter Dr. Otto Schmidt ge-gen rechtspolitische Einflüsse in den Steuerrechtsbeiträgen. In der Folge wurde aber die kritische Aus-einandersetzung mit der Rechtsprechung durch eine schlicht berichtende Praxisinformation abgelöst. DieZeitschrift wurde bis 1944 als Praktischer Steuerdienst in Schnellkarteiform weitergeführt. Im Oktober 1944wurde der Verlag Dr. Otto Schmidt KG aus „kriegswirtschaftlichen Gründen“ geschlossen.

Erscheinen der Finanz-Rundschau

Im Jahr 1946 erschien erstmals die Finanz-Rundschau, zunächst einige Monate als Amtsblatt der Finanz-verwaltung und sodann als Zeitschrift für das gesamte Steuerwesen. Seit 1951 wurde die Zeitschrift imVerlag Dr. Otto Schmidt KG herausgegeben. Die Kontinuität zu ihrer Vorgängerzeitschrift wurde dadurchdeutlich gemacht, dass die Finanz-Rundschau bis 1975 im Untertitel als „Deutsches Steuerblatt“ firmierte.Nachdem der BFH seine Rechtsprechungstätigkeit aufgenommen hatte, wurden dessen Entscheidungenin Leitsätzen und mit Anmerkungen von Richtern des BFH veröffentlicht. Mitwirkende Richter waren z.B.Walter Hübschmann, Fritz Hoffmann und Paul Kaatz. Auch die Finanz-Rundschau legte von Anbeginn anWert auf eine qualitativ hochwertige Fachdiskussion. Zu den Autoren gehörten herausragende Steuerwis-senschaftler wie Karl Bräuer, Ottmar Bühler, Otto Schmidt, Günter Schmölders und Gerhard Wacke. Die kri-tische Auseinandersetzung mit den Urteilen des BFH gehört ebenso zu den prägenden Merkmalen derFinanz-Rundschau wie die Bearbeitung und erläuternden Anmerkungen durch Richterinnen und Richterdes BFH. Zum 50-jährigen Bestehen einer eigenständigen Finanzgerichtsbarkeit wies Dr. Otto Schmidt1968 darauf hin, dass es auf der einen Seite darauf ankommen müsse, die Stimme des höchsten Steuer-gerichts mit ausreichendem Gewicht vertreten sein zu lassen. Auf der anderen Seite liege es ebenso inder Natur einer Steuerfachzeitschrift, dass auch die anderen, die kritischen Stimmen zu Gehör kommen.An dieser Maxime hat sich bis heute nichts geändert. Bis heute erhalten die Richterinnen und Richter inder Finanz-Rundschau die Gelegenheit, ihre Rechtsprechung zu erläutern, sie in einen Gesamtkontext zustellen und auf mögliche Folgen hinzuweisen. Gleichzeitig bildet die Finanz-Rundschau ein wissenschaft-lich hochqualitatives Forum, in der Gesetzgebung, Finanzverwaltung, Steuerberatung und Rechtsprechungzu Wort kommen. Die Rechtsprechung ist auf die kritische Begleitung durch Wissenschaft, Beraterschaftund Finanzverwaltung angewiesen, mit der sie sich regelmäßig in ihren Urteilen auseinandersetzt. DerFinanz-Rundschau ist daher zu wünschen, dass sie diese wissenschaftliche Auseinandersetzung auch inZukunft widerspiegelt.

Prof. Dr. h.c. Rudolf Mellinghoff, Präsident des Bundesfinanzhofs, München

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100 Jahre Finanz-Rundschau – Forum zur Aufarbeitungund zum fachlichen Austausch der stetigen Entwick-lung im Steuerrecht

100 Jahre Deutsches Steuerblatt/Finanz-Rundschau bedeuten zugleich 100 Jahre „Spiegel“ einer bewegtenFinanzverwaltung und Steuergesetzgebung: Im Oktober 1918, als das erste „Deutsche Steuerblatt“ erschien,gab es noch das durch kaiserlichen Erlass vom 14.7.1879 errichtete Reichsschatzamt. 1918 gehörten ihm145 Bedienstete an, darunter 43 „Geheime Expedierende Sekretäre“, 23 Vortragende Räte, drei Direktoren,ein Unterstaatssekretär, ein Staatssekretär (zuletzt Eugen Schifter). Mit der November-Revolution 1918 undder anschließenden fundamentalen Umgestaltung der staatlichen Ordnung änderten sich grundlegendauch Aufgaben, Struktur und Größe der obersten Finanzbehörden. Der größte Umbruch vollzog sich mitdem Gesetz über die Reichsfinanzverwaltung vom 10.9.1919. Es entstand die dreistufige Zoll- und Steuer-verwaltung, wie sie im Kern noch heute vom Bundesfinanzministerium und den Länderfinanzministerien,den Oberfinanzdirektionen/Landesämter für Steuern sowie den Finanzämtern und Hauptzollämtern reprä-sentiert wird. Allein das Bundesfinanzministerium umfasst heute rund 2000 Mitarbeiter.

Das Steuerrecht hat sich im Laufe der Jahrzehnte zu einer äußerst anspruchsvollen Rechtsmaterie ent-wickelt. Der Europäische Binnenmarkt und die zunehmende Internationalisierung der Märkte haben dieseEntwicklung befördert. Zeitschriften wie die Finanz-Rundschau bieten ein Forum zur Aufarbeitung undzum fachlichen Austausch dieser stetigen Entwicklung im Steuerrecht. Angesichts ihres Anspruchs wirddie Finanz-Rundschau diese zentrale Funktion auch in Zukunft erfüllen müssen; die Finanzverwaltungwird sie in jedem Fall nutzen, wie sie es auch in der Vergangenheit getan hat (beachte statt vieler diezahlreichen, pointierten und stets lesenswerten Beiträge von Wolfgang Mitschke). Denn eines ist klar: „Ru-he an der Steuerfront“ wird es nicht geben. Die Steuerpolitik nimmt eine Schlüsselstellung unter den Poli-tikfeldern ein. Sie ist einerseits das zentrale Instrument der „Eigenfinanzierung“ staatlicher Aktivitäten.Gleichzeitig liefert sie einen nicht zu unterschätzenden wirtschaftspolitischen Beitrag. Dieser Befund magexemplarisch anhand der Veränderungen der körperschaftsteuerlichen Verlustnutzung in den letzten Jah-ren nachempfunden werden. Mit der Unternehmensteuerreform 2008 als Maßnahme der Gegenfinanzie-rung eingeführt folgte schon im Herbst 2008 beginnend mit der aufziehenden Finanzmarkt- und Wirt-schaftskrise eine Abfolge von Maßnahmen zur Entschärfung der Vorschrift, um die Möglichkeit der Unter-nehmen zur Eigenkapitalbeschaffung zu verbessern: Mit dem FMStFG vom 17.10.2008 (BGBl. I 2008, 1982)wurden – zunächst noch strikt kriseninduziert – sanktionsfreie Eingriffe des Finanzmarktstabilisierungs-fonds ermöglicht. Schon bald erweiterte der Gesetzgeber § 8c KStG allgemein um eine Sanierungsklausel(BürgerentlastungsG Krankenversicherung vom 16.07.2009, BGBl. I 2009, 1959). Durch das WachstumsBGvom 22.12.2009 (BGBl. I 2009, 3950 und weiter ausdifferenziert durch das StÄndG 2015, BGBl. I 2015, 1834)wurden konzerninterne Beteiligungserwerbe begünstigt sowie Verluste in Höhe der stillen Reserven ge-schützt. Mit Blick auf junge Unternehmen schließlich sah sich der Gesetzgeber zur Weiterentwicklung dersteuerlichen Verlustverrechnung bei Körperschaften durch Gesetz vom 20.12.2016 (BGBl I 2016, 2998) ver-anlasst und führte § 8d KStG ein.

Die standortpolitische Bedeutung des Unternehmensteuerrechts wird auch in der 19. Legislaturperiode desDeutschen Bundestages nicht vernachlässigt werden können. Der seit mittlerweile einigen Jahren zu be-obachtende internationale Trend zur Senkung der Steuersätze (prominent der us-amerikanischen TaxCuts and Jobs Act 2017) ist nicht zu übersehen. Ferner zählt das Thema der Steuervereinfachung zu denfortwährenden Grundanliegen aktueller Steuerpolitik. Es wäre zu wünschen, dass dieser letzte Aspekt ineinem weiteren Verständnis im Bereich der Überschusseinkünfte ein höheres Gewicht erlangte. Dennletztendlich muss es das Ziel einer ausgewogenen Steuergesetzgebung sein, den gewandelten Bedürfnis-sen aller Bürger zu entsprechen.

Ich wünsche der Finanz-Rundschau eine weiterhin gedeihliche Entwicklung. Ein funktionierender wissen-schaftlicher Diskurs inspiriert nicht nur die Rechtsprechung, sondern vermag auch eine parlamentarischeDebatte zu beseelen. Möge die Zeitschrift auch künftig dazu beitragen, Theorie und Praxis des Steuerrechtszu erhellen!

Ministerialdirektor Dr. Rolf Möhlenbrock, Bundesfinanzministerium, Berlin

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100 Jahre Finanz-Rundschau – neuen Aufgaben ent-gegen!

„Neuen Aufgaben entgegen! Die Gesetzgebung schickt sich an, der öffentlichen Hand neue tiefe Eingriffe indie Taschen der Steuerpflichtigen zu ermöglichen. ... Verschiedene geplante Verwaltungsanordnungen wer-den alle Aufmerksamkeit beanspruchen, ebenso die neue Rechtsprechung des erst vor wenigen Monatenbegründeten Bundesfinanzhofs, dessen Senate zu einem großen Teil in neuer Besetzung tagen.

Nur eine umsichtig geleitete, über einen großen und qualifizierten Mitarbeiterstab verfügende Fachzeitschriftkann in solcher Lage allen Ansprüchen gerecht werden. Die Aufgabe einer führenden Steuer-Fachzeitschrifterblicken wir darin, den jeweils neu anfallenden Stoff raschestens durch erste Fachleute aus Verwaltung,Wissenschaft und Wirtschaft verarbeiten zu lassen und außerdem die aller praktischen Handhabung derVorschrift entsprechenden Fragen in einer ihrer Bedeutung gerechten Weise so zu erörtern, dass die Darle-gungen der Zeitschrift zu einer unmittelbar verwendbaren Stützung und Hilfe für die Steuerpflichtigen undihre Berater werden.

Von Anfang an war die „Finanz-Rundschau“ bestrebt, durch objektive Behandlung und Erörterung aller je-weils gegenwartsnahen Fragen den Berufsträgern der steuerberatenden Berufe sowie den Steuerbeamtenin ihrer schweren Tagesarbeit zu dienen und zu nützen. Der Verlag hat daher die Zusammenarbeit mit demFachinstitut der Steuerberater, mit dem er schon die vielbeachteten Steuerberater-Jahrbücher herausgibt,auch hinsichtlich der inhaltlichen Gestaltung der „Finanz-Rundschau“ vereinbart. Dies bedeutet keine inhalt-liche Umgruppierung oder gar ein Abweichen von der sich allein bewährenden streng objektiven Linie; auchdie von allen Lesern geschätzte Mitarbeit zahlreicher Persönlichkeiten der Finanzverwaltung und der Finanz-gerichtsbarkeit bleibt ungeschmälert erhalten ... Die „Finanz-Rundschau“ wird ... auch weiterhin das bleiben,was sie ist: Das führende deutsche Steuer-Blatt mit dem berufenen Mitarbeiterkreis und der weiten Verbrei-tung.“

So heißt es auf Seite 1 der Finanz-Rundschau vom 5.1.1951. Seitdem haben die Finanz-Rundschau (vor-mals das Deutsche Steuerblatt) und das Fachinstitut der Steuerberater1 eine gemeinsame Geschichte.Dies ist Veranlassung genug, der Finanz-Rundschau, der FR, mit aller Freude und Hochachtung zum gera-dezu unglaublichen 100-jährigen Jubiläum zu gratulieren.

Die Finanz-Rundschau ist ein Spiegelbild der Entwicklung des deutschen Steuerrechts. Fast alle namhaf-ten Steuer-Persönlichkeiten der letzten 100 Jahre dürften ihre Spuren in dieser Zeitschrift hinterlassen ha-ben. Gestartet zum Ende des Ersten Weltkrieges beim Übergang zur Republik und wieder aufgelebt unmit-telbar nach Ende des Zweiten Weltkrieges ist sie eine der steuer(recht)lichen Fachzeitschriften, in der mei-nungsführend die steuerrechtliche Entwicklung sowohl aus Sicht der in der Finanzgerichtsbarkeit tätigenRichter, der Angehörigen der Finanzverwaltung, der Steuerberater und Steueranwälte sowie der Wissen-schaft auf hohem Niveau begleitet wird.

Rudolf Mellinghoff hat dies vorstehend in seiner Würdigung, die auch das zeitgleiche Jubiläum „100 JahreSteuerrechtsprechung in Deutschland“ behandelt, genauso überzeugend beleuchtet wie Rolf Möhlenbrock,der die Finanz-Rundschau in seinem Beitrag als „Spiegel“ einer bewegten Finanzverwaltung und Steuer-gesetzgebung bezeichnet. Dass ab 1951 auch das Fachinstitut der Steuerberater als Mitherausgeber derFinanz-Rundschau – sowie durch wissenschaftlich anspruchsvolle und beratungsrelevante Veröffent-lichungen seiner Mitglieder – zur Entwicklung der Finanz-Rundschau beitragen konnte und beiträgt, hatschon das einleitend wiedergegebene Zitat deutlich gemacht. Wir freuen uns darüber.

1 Das Fachinstitut der Steuerberater wurde 1949 gegründet und in den ers-ten Jahren von Gerhard Thoma geleitet. Auch Werner Flume, OttmarBühler, Armin Spitaler, Gerd Rose, Norbert Herzig und Detlev Jürgen Piltzsind hier pars pro toto genannte Namen, die mit der Geschichte desFachinstituts der Steuerberater verbunden sind. Zweck des Fachinstitutsder Steuerberater ist es, an der Auslegung und Fortentwicklung des Steu-errechts und an den Aufgaben der Betriebswirtschaftlichen Steuerlehrezur Förderung der Allgemeinheit wissenschaftlich mitzuarbeiten.

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Wesentlich für das Gelingen einer steuerrechtlichen Fachzeitschrift sind neben den Autorinnen und Auto-ren, denen naturgemäß ein ganz besonderer Dank gilt, vor allem der verantwortliche Schriftleiter unddessen Ratgeber. Wolfgang Lingemann, der Alfons Mrozek, Wilhelm Boethke, Otto Schmidt, Helmut Simons,Herbert Ziemer, Erich Bender und Mechthild Lopau als Schriftleiter nachgefolgt ist, steht deshalb genausofür den Erfolg der Finanz-Rundschau wie deren Fachbeirat, dem derzeit Andreas Herlinghaus, Ingo vanLishaut, Norbert Schneider, Andreas Schumacher und Roman Seer angehören, sowie natürlich der von Fe-lix Hey geführte Verlag Otto Schmidt. Auch ihnen allen sei an dieser Stelle ganz besonders gedankt.

Auch der steuerberatende Beruf steuert auf ein besonderes Datum zu. Gemeinhin wird nämlich als des-sen Geburtsstunde die Zulassung von Personen zur Beistandsleistung und Vertretung in Steuersachen inder Reichsabgabenordnung im Jahr 1919 verstanden (wenn auch der Terminus „Steuerberater“ erstmalserst 1933 rechtliche Erwähnung fand). Auch insoweit nähert sich also ein 100-jähriges Jubiläum.

Dies fällt in keine einfache Zeit für den Berufsstand des Steuerberaters. Damit sind hier nicht die zu er-wartenden gravierenden Auswirkungen der Digitalisierung gemeint. Vielmehr ist der „öffentliche Nutzender Steuerberatung“ (Gerd Rose) in der Diskussion. „Steuergestaltung“ wird nicht selten als einer derHauptgründe für zunehmende Steuerungerechtigkeit und fiskalische Aufkommensprobleme identifiziertund angeprangert. Sie wird als zu bekämpfendes Übel bezeichnet. Und mit Blick darauf wird die Orientie-rung des Steuerrechts an grundlegenden inhaltlichen und rechtsstaatlichen Prinzipien und der damit ver-bundene Schutz des Einzelnen vor willkürlichen staatlichen Eingriffen zum Teil „im Interesse des Gemein-wohls“ in Frage gestellt. Es wäre deshalb sehr naheliegend, das anstehende Jubiläum dafür zu nutzen, dieBedeutung des steuerberatenden Berufs mit all seinen Aufgaben für das Funktionieren unseres freiheitli-chen demokratischen Rechtsstaats erneut grundlegend herauszuarbeiten.

Neuen Aufgaben entgegen! Das einleitend zitierte Motto der Finanz-Rundschau zu Beginn der Zusammen-arbeit mit dem Fachinstitut der Steuerberater gilt seit 100 Jahren und auch heute noch unverändert. DerVerfasser wünscht dazu allen, die zum Gelingen der Finanz-Rundschau beitragen, weiter eine glücklicheHand.

Prof. Dr. Thomas Rödder, Vorsitzender des Fachinstituts der Steuerberater, Köln

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Aufsätze

Prof. Dr. Ulrich Prinz, WP/StB, Köln

Ertragsteuerliche Organschaft – Bestandsaufnahme,Systematik, Problembereiche

Die ertragsteuerliche Organschaft ist für die Praxis bei mittel-ständischen Unternehmensgruppen und in Konzernstrukturenein wichtiges Gestaltungsmittel. Zeitnahe Verlustverrechnung,Vermeidung von Finanzierungskostennachteilen und vermin-derter Deklarationsaufwand sind Vorteile der Organschaft. DerGewinnabführungsvertrag mit seinen Fallstricken und die Haf-tungspoolung sind sicherlich als Nachteile der Organschaft zu se-hen. Die Rechtsprechung hat sich in jüngerer Zeit mehrfach mitOrganschaftsfragen befassen müssen und für manche positivewie negative Überraschung gesorgt. Das Organschaftsrecht er-scheint deshalb insgesamt äußerst zersplittert und hat durch diebehutsame internationale Öffnung in den letzten Jahren deutlichan Komplexität zugenommen. Die Praxis muss damit umgehen.Im Bereich der Ausgleichszahlungen an Minderheitsgesellschaf-ter ist derzeit der Steuergesetzgeber tätig und will „entgegen derBFH-Rechtsprechung“ bestimmte Formen variabler Garantiedi-videnden zulassen (§ 14 Abs. 2 KStG-E). Um bei dieser Fülle vonGrundsatz- und Detailfragen den Überblick nicht zu verlieren,versucht der Beitrag eine Bestandsaufnahme der Grundlagen desertragsteuerlichen Organschaftsrechts, wobei das „Bilanzrechtder Organschaft“ einen Schwerpunkt bildet. Die Besonderheitender umsatzsteuerlichen Organschaft bleiben außer Betracht.

I. Einige „harte Fakten“ zur ertragsteuerlichen Organ-schaft

1. Grundlagen eines organschaftlichen Unterneh-mensverbunds im Ertragsteuerrecht

Die ertragsteuerliche Organschaft ist für Körperschaftsteuer-zwecke in §§ 14-19 KStG, für Gewerbesteuerzwecke in § 2Abs. 2 S. 2 GewStG tatbestandsidentisch geregelt.1 Danebenenthält § 7a GewStG – eingeführt durch das BEPS-Umset-zungsgesetz vom 20.12.2016 und in schwer verständlicher„Formulierungskunst“ – eine rechtsprechungsbrechende Son-derregelung bei der Gewerbeertragsermittlung einer Organge-sellschaft, die mit Wirkung ab 2017 die 5 % Hinzurechnung beiBezug schachtelprivilegierter Dividenden durch eine Organge-sellschaft sicherstellen soll.2

Voraussetzungen einer ertragsteuerlichen Organ-schaft

Wesentliche, kumulativ zu erfüllende Tatbestandsvorausset-zungen einer ertragsteuerlichen Organschaft sind zusammen-gefasst:

– Organgesellschaftsfähig sind nur abhängige Körperschaftenin Gestalt einer AG, GmbH, SE, KGaA oder anderweitigenausländischen Kapitalgesellschaft, jeweils mit inländischerGeschäftsleitung und Sitz in einem EU/EWR-Mitgliedstaat.Drittstaaten-Kapitalgesellschaften sind trotz inländischer Ge-schäftsleitung nicht „organschaftsfähig“. Umgekehrt kanneine „weggezogene“ deutsche GmbH (mit Inlandssitz) undausländischer Geschäftsleitung keinen Status als Organgesell-schaft erlangen. Die steuergesetzliche Zulässigkeit EU/EWR-ausländischen Satzungssitzes einer abhängigen Organgesell-schaft steht in einem erkennbaren Spannungsverhältnis zumgeringen Verbreitungsgrad eines GAV in ausländischen Ge-sellschaftsrechtsordnungen. Der GAV ist eine zwingende Zu-satzvoraussetzung zur Anerkennung einer ertragsteuerlichenOrganschaft. Insoweit „erlauben“ §§ 14 Abs. 1, 17 Abs. 1KStG Gestaltungen, die das ausländische Gesellschaftsrechtin vielen Fällen gar nicht kennt, was in der Praxis erheblicheGestaltungsschwierigkeiten auslöst.

– Die jeweils abhängige Körperschaft muss in einen Organträ-ger als herrschendes Unternehmen eingegliedert sein. Dabeikann es sich um eine Körperschaft, eine natürliche Personoder eine gewerblich tätige (nicht geprägte) Personengesell-schaft mit jeweils inländischer Betriebsstätte handeln. Per-sonengesellschaften können deshalb nur Organträger, nichtOrgangesellschaft sein; die Organbeteiligungen müssen sichin seinem Gesamthandsvermögen befinden (SonderBV reichtnicht aus). Stets muss es sich um einen „einzigen“ Organträ-ger handeln. Die sog. Mehrmütterorganschaften wurden mitWirkung ab dem Jahre 2003 steuerlich abgeschafft. Auf Sitz/Geschäftsleitung des Organträgers kommt es nicht mehr an.Auch ausländische Unternehmen können deshalb den Or-ganträgerstatus innehaben, sofern sie über eine inländischeBetriebsstätte verfügen, der die Organbeteiligungen sowie diedaraus resultierenden Einkünfte (funktional) zuzurechnensind. Dieses neue inländische Betriebsstättenkriterium (§ 12

1 Der Beitrag beruht im Wesentlichen auf meinen Überlegungen in Prinz/Witt (Hrsg.), Steuerliche Organschaft, 2. Aufl. 2018/2019 im Erscheinen,Kapitel 1 sowie in NWB Handbuch Bilanzsteuerrecht, 3. Aufl. 2018,Teil A, Kapitel XI: Besonderheiten bei ertragsteuerlicher Organschaft,Rz. 1610 ff. Zur Einordnung der neuen BFH-Rechtsprechung vgl. auchPrinz/Keller, DB 2018, 400.

2 Konkret handelt es sich um die Reaktion des Gesetzgebers auf die Ent-deckung einer „Hinzurechnungslücke“ durch den BFH in seiner Ent-scheidung v. 17.12.2014 – I R 39/14, BStBl. II 2015, 1052 = FR 2015, 472m. Anm. Roser. S. ergänzend auch OFD Nordrhein-Westfalen, Vfg. v.2.10.2017 – G1425-2015/0018 St 13, DB 2017, 2640.

916 Aufsätze FR 20/2018Prinz – Ertragsteuerliche Organschaft – Bestandsaufnahme, Systematik, Problembereiche

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AO, DBA-rechtlicher Betriebsstättenbegriff) für einen unbe-schränkt oder beschränkt steuerpflichtigen Organträger wur-de durch den Gesetzgeber mit Wirkung ab 2012 als Gegen-reaktion auf die Entscheidung des BFH vom 9.2.20113 einge-führt und symbolisiert einen wichtigen Teilaspekt der inter-nationalen Öffnung des deutschen Organschaftsrechts in denletzten Jahren. Unmittelbare oder mittelbare Beteiligungenan der Organgesellschaft müssen danach ebenso wie die „zu-zurechnenden Einkünfte“ national wie doppelbesteuerungs-rechtlich ununterbrochen während der gesamten Dauer derOrganschaft der inländischen Betriebsstättenbesteuerung un-terliegen. Gerade im Rahmen von Holding-Personengesell-schaften sowie in unterjährigen Umstrukturierungsvorgängenkann sich die Betriebsstättenzuordnung als „Fallstrick“ erwei-sen. Die grenzüberschreitende Öffnung der Organträgerfunk-tion für Auslandsunternehmen hat nach Meinung des Ge-setzgebers flankierende Missbrauchsvermeidungsregeln, vorallem für mehrfache Verlustnutzungen, erforderlich gemacht.Die Dual Loss Consolidation Rule des § 14 Abs. 1 Nr. 5 KStG(eingeführt 2002, neu gefasst 2013) schließt deshalb den In-landsabzug für im Organkreis entstehende „negative Ein-künfte“ aus, soweit diese in einem ausländischen Staat imRahmen der Besteuerung von Organträger, Organgesellschaftoder anderen Personen berücksichtigt werden. Nach Mei-nung des BFH liegen „negative Einkünfte des Organträgers“allerdings nur dann vor, „wenn bei diesen nach der Zurech-nung des Einkommens der Organgesellschaft ein Verlust ver-bleibt“; es ist von „konsolidierten Einkünften“ des Organträ-gers die Rede.4 Ob diese auf alle offenen Fälle rückwirkendanzuwendende inländische Verlustversagungsregelung einenVerstoß gegen die Grundsätze der Leistungsfähigkeits-besteuerung und das Rückwirkungsverbot beinhaltet oder fürEU/EWR-Fälle gegen unionsrechtliche Grundfreiheiten ver-stößt, ist derzeit nicht abschließend geklärt. Bislang hat dieFinVerw. zu ihrem Verständnis des § 14 Abs. 1 Nr. 5 KStGkeinerlei abgestimmte Verlautbarungen getätigt.

– Die Organgesellschaft muss finanziell vom Beginn ihresWirtschaftsjahres an nach Maßgabe der Mehrheit der Stimm-rechte (50 % +) ununterbrochen in das Unternehmen desOrganträgers eingegliedert sein. Die Eingliederung kann un-mittelbar, ggf. aber auch mittelbar erfolgen (s. R 14.2 KStR2015 mit Beispielen). Dieses inhaltliche und zeitliche Erfor-dernis für die finanzielle Eingliederung spielt insbesonderebei Umstrukturierungsmaßnahmen und Transaktionen inder Praxis eine erhebliche Rolle. Das „finanzielle Einglie-derungserfordernis“ dokumentiert zudem die hierarchischeGrundstruktur einer Organschaft im Über-/Unterordnungs-verhältnis.

– Schließlich muss die Organgesellschaft ihren ganzen Gewinnwegen eines auf mindestens fünf Jahre (= Zeitjahre, nichtWirtschaftsjahre) abgeschlossenen und durchgeführten Ge-winnabführungsvertrages an den Organträger abführen. Die-se Notwendigkeit eines Gewinnabführungsvertrages gem.§ 291 Abs. 1 AktG (GAV oder EAV, Gewinnverwendung ei-gener Art) ist Kernelement zur Begründung einer wirksamenertragsteuerlichen Organschaft und bereitet der Praxis nichtzuletzt wegen ihrer Formalstrenge erhebliche Probleme.Noch immer wird der GAV häufig – nicht zuletzt aus um-satzsteuerlichen Gründen – mit einem Beherrschungsvertragverbunden (sog. Kombivertrag), wodurch gesellschaftsrecht-

lich ein Vertragskonzern entsteht (§ 18 Abs. 1 AktG). Beson-dere gesellschaftsrechtliche Herausforderungen ergeben sichbei „grenzüberschreitendem GAV“.

Steuerkonsequenzen einer ertragsteuerlichen Organ-schaft

Rechtsfolge der Organschaft ist für Körperschaftsteuerzweckedie Zurechnung des positiven/negativen Einkommens der Or-gangesellschaften an den Organträger als „fremdes Einkom-men“.5 Insoweit wird das Steuersubjektprinzip wegen des Be-stehens eines GAV und des dadurch bewirkten Haftungsver-bunds (mit möglicher Verlusttragung durch das herrschendeUnternehmen) durchbrochen. Entsprechendes gilt im Bereichder Einkommensteuer bei natürlichen Personen als Mitunter-nehmer einer Organträger-Personengesellschaft (begrenzt steu-errechtsfähiges Einkunftserzielungssubjekt; § 14 Abs. 1 Nr. 2KStG). Durch die Einkommenszurechnung ergibt sich eine di-rekte Verlustverrechnung (mit Ausnahme vororganschaftlicherVerlustabzüge, § 15 Nr. 1 KStG, § 10a S. 3 GewStG) oder dieVermeidung der 5 %-Belastung durch nicht abziehbare Be-triebsausgaben bei einem körperschaftsteuerpflichtigen Organ-träger im Gewinnfall. Die Organgesellschaft selbst bleibt aller-dings – ungeachtet der Ergebnisversteuerung beim jeweiligenOrganträger – als Rechtsperson mit einer eigenen Bilanzie-rungsverpflichtung erhalten. Für Gewerbesteuerzwecke gilt dieOrgangesellschaft dagegen als (unselbständige) Betriebsstättedes Organträgers. Weitere Detailregelungen zur Ermittlung desEinkommens bei Organschaft enthält § 15 KStG (insb. die sog.Bruttomethode für § 8b-Fälle; OT und OG begründen für Zwe-cke der Zinsschranke „einen Betrieb“). Anrechnung und Abzugausländischer Steuern im Organkreis regelt schließlich § 19KStG.6 Eine atypisch stille Beteiligung an/mit einer Kapitalge-sellschaft führt nach (streitiger) Meinung der FinVerw. zurVersagung der Organträger-/Organgesellschaftsstellung (mitÜbergangsregelung für OT-KapGes & atypisch Still).7 Bei Ge-staltung einer Organschaft sind atypisch stille Beteiligungen da-her zu vermeiden. Eine Ergebnis- oder Kapitalkonsolidierung –wie sie sich aus der Konzernrechnungslegung ergibt (etwa§ 297 Abs. 3 S. 1 HGB) – findet für die ertragsteuerliche Or-ganschaft nicht statt. Vororganschaftliche Rücklagen sowiewährend der Organschaftszeit gebildete Kapitalrücklagen kön-nen neben einer Gewinnabführung an den Organträger aus-geschüttet werden (R 14.5 Abs. 4 KStR 2015). Nach dem seit1.1.2014 geltenden neuen organschaftlichen Verfahrensrechtsind Organgesellschaft und Organträger jeweils selbständig ge-gen den Feststellungsbescheid i.S.d. § 14 Abs. 5 KStG rechts-

3 BFH v. 9.2.2011 – I R 54, 55/10, BStBl. II 2012, 106.

4 Vgl. BFH v. 12.10.2016 – I R 92/12, FR 2018, 319 = DStR 2017, 589. ZurEinordnung des Judikats, auch im Hinblick auf den neuen, ab 1.1.2017geltenden § 4i EStG bei Organträger-Personengesellschaften vgl. Prinz,GmbHR 2017, 553 und DB 2018, 1615; Wacker, IStR 2017, 286; Pohl,DStR 2017, 1687;Weinberger, IStR 2017, 970.

5 So BFH v. 29.8.2012 – I R 65/11, BStBl. II 2013, 555 = FR 2013, 285Rz. 18; anders akzentuiert allerdings für Zwecke des § 14 Abs. 1 Nr. 5KStG BFH v. 12.10.2016 – I R 92/12, FR 2018, 319 = DStR 2017, 589Rz. 49.

6 Vgl. R 19 KStR 2015 sowie OFD Frankfurt/M., Vfg. v. 15.1.2018 – S 2770A-58-St 51, DB 2018, 347; zu Erläuterungen auch Pohl, BB 2017, 1825.

7 Vgl. BMF v. 20.8.2015, BStBl. I 2015, 649.

FR 20/2018 Aufsätze 917Prinz – Ertragsteuerliche Organschaft – Bestandsaufnahme, Systematik, Problembereiche

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behelfsbefugt. Für gewinnbezogene gewerbesteuerliche Folge-wirkungen gilt § 35b GewStG.8

2. Notwendigkeit eines Gewinnabführungsvertrages(§ 291 AktG) im steuerlichen Umfeld

Grundcharakteristikum der ertragsteuerlichen Organschafts-regelungen ist die enge Anbindung an das Gesellschaftsrecht,konkret das Aktienrecht verbundener Unternehmen. Aus-gestaltung, Durchführung und Beendigung des Gewinnabfüh-rungsvertrages gem. § 291 Abs. 1 AktG (= unternehmensrecht-licher Organisationsvertrag mit gesellschafts- und schuldrecht-lichen Elementen) ist zentraler Baustein für eine ertragsteuerli-che Organschaft und bereitet der Praxis seit jeher wegen haf-tungsdurchbrechender Wirkung, vielfältiger Formalismen undStreitanfälligkeit, vor allem bei Minderheitsgesellschaftern, gro-ße Probleme. Mitunter bestehen zudem branchenspezifischeBeschränkungen (etwa im Bereich von Versicherungsunterneh-men). Auch bei Umstrukturierungen und M&A-Transaktionenmit Unternehmen eines ertragsteuerlichen Organkreises bedarfder „Umgang mit dem Gewinnabführungsvertrag“ besondererBeachtung (beispielsweise organschaftsunschädliche Kündi-gung „aus wichtigem Grund“; Anwendung der Mitternachts-regelung zur Herstellung zeitlich friktionsfreier Organschaf-ten). Durch Beherrschungsverträge, Teilgewinnabführungsver-träge, Gewinngemeinschaftsverträge oder andere unterneh-mensvertragliche Verbindungen kann dagegen keine wirksameertragsteuerliche Organschaft begründet werden. Allein derGAV als Vertragstypus ist „organschaftsbegründend“, was we-gen der GAV-Fiktion des § 291 Abs. 1 S. 2 AktG auch für sog.Geschäftsführungsverträge gelten sollte.9 Obwohl ein kodifi-ziertes Konzernrecht im GmbH-Bereich fehlt, wird der GAVfür Steuerzwecke auch für Organgesellschaften in der Rechts-form einer GmbH gefordert. § 17 KStG enthält für „andere Ka-pitalgesellschaften“ direkte Rechtsverweise auf §§ 301, 302AktG. Die enge Verzahnung der gesellschaftsrechtlichen Be-stimmungen zum GAV und den Grundlagen der ertragsteuerli-chen Organschaft darf aber nicht darüber hinweg täuschen,dass ein harmonisiertes Konzernrecht, das im „Gleichklang“von Gesellschafts- und Steuerrecht funktioniert, nicht besteht.

Die ertragsteuerliche Organschaft erfordert im Ergebnis einenüber den Gewinnabführungsvertrag begründeten Unterneh-mensverbund mit allen Konsequenzen. Die höchstrichterlicheSteuerrechtsprechung sieht diese gesellschaftsvertragliche Ein-bindung von Tochter- und Enkelgesellschaften in einen steuer-lichen Organkreis als ein notwendiges Erfordernis, um – abwei-chend vom Steuersubjektprinzip – das Einkommen der eigent-lich rechtlich selbständigen Organgesellschaft dem Organträgerals dessen „Fremdeinkommen“ zuzurechnen. Die Einkom-menszurechnung an den OT erfolgt dabei erstmals für das Ka-lenderjahr, in dem der GAV zivilrechtlich wirksam wird (=Eintragung im Handelsregister der OG). Selbst bei einer ver-zögerten Eintragung des GAV in das Handelsregister erst indem auf das Jahr der Handelsregisteranmeldung folgendenJahr, die in einem Fehlverhalten des Registergerichts begründetliegt, lehnt der BFH eine „Abmilderung der Steuernachteile“wegen gescheiterter Organschaft aufgrund sachlicher Unbillig-keit ab.10 Dessen ungeachtet hat sich zwischenzeitlich in derständigen höchstrichterlichen Rechtsprechung das Gebot einersteuerteleologischen Auslegung der gesellschaftsrechtlichen Re-gelungen herausgebildet, bei der die gesellschaftsrechtliche

Ordnungsmäßigkeit des GAV vorausgesetzt, aber stets eigen-ständig steuerlich interpretiert wird.11 Der Unternehmensver-trag GAV entfaltet deshalb ein „steuerspezifisches Eigenleben“.Gruppenbesteuerungskonzepte in anderen Jurisdiktionen ha-ben eine solche enge Anbindung an das Gesellschaftsrecht ver-bundener Unternehmen üblicherweise nicht. Dies ist vielmehrein spezifisch deutsches Charakteristikum ertragsteuerlicherOrganschaften. Bei Diskussionen um eine Modernisierung dessteuerlichen Organschaftsrechts hin zu einer Gruppenbesteue-rung stehen deshalb meist Fragen des Verzichts auf den GAVim Mittelpunkt. Dabei zeigt die Rechtsentwicklung: Die Not-wendigkeit eines GAV für steuerliche Organschaftszwecke gehtauf die Rechtsprechung des RFH in den 30er/40er Jahren desvorigen Jahrhunderts zurück. Das Vertragskonzernrecht mitdem GAV als wichtigem Typus wurde dagegen erstmals imAktiengesetz 1965 als Folge der steuerlichen Gestaltungspraxiskodifiziert. Festzuhalten ist daher: Der GAV als gesellschafts-rechtlicher Organisationsvertrag kann – historisch betrachtet –auf „steuerliche Wurzeln“ zurückblicken.

Unternehmensvertragliche Grundlagen

Nimmt man einmal die zentralen unternehmensvertraglichenRegelungselemente der ertragsteuerlichen Organschaft in denBlick, so ergibt sich:

– Der Gewinnabführungsvertrag muss für Steuerzwecke „aufmindestens fünf Jahre abgeschlossen und während seiner ge-samten Geltungsdauer durchgeführt werden“ (§ 14 Abs. 1S. 1 Nr. 3 KStG). Gesellschaftsrechtlich gibt es ein solches 5-Jahres-Mindestzeiterfordernis nicht. Wird beispielsweise einGewinnabführungsvertrag auf zwei Jahre abgeschlossen, be-stehen zwar gesellschaftsrechtlich wirksame Gewinnabfüh-rungs- bzw. Verlustübernahmeverpflichtungen, die allerdingsunter Steueraspekten zu einer sog. verunglückten Organ-schaft führen. Gewinnabführungen werden als verdeckte Ge-winnausschüttungen, Verlustübernahmen als Einlagen be-handelt. Eine vorzeitige Beendigung des GAV innerhalb derMindestlaufzeit von fünf Jahren ist steuerunschädlich nurmöglich, „wenn ein wichtiger Grund die Kündigung rechtfer-tigt“ (§ 14 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 S. 2 KStG).12 Der BFH nimmt da-bei eine steuerspezifische Auslegung des wichtigen Grundesvor, die gerade bei Umstrukturierungen in Konzernen zu An-erkennungsschwierigkeiten führen kann (s. auch R 14.5Abs. 6 KStR 2015 mit verschiedenen Regelbeispielen).

– Bei ausländischen EU/EWR-Tochter- und Enkelgesellschaf-ten, die über eine steuerrelevante inländische Geschäftslei-tung verfügen und deshalb organgesellschaftsfähig sind, tre-ten im Hinblick auf den Abschluss eines GAV Gestaltungs-schwierigkeiten auf, wenn das ausländische Gesellschaftsrecht

8 Zu den Details des Verfahrensrechts der Organschaft s. Drüen, Der Kon-zern 2013, 433-451 sowie in: Prinz/Witt (Hrsg.), Steuerliche Organschaft,2015 Rz. 4.11-4.58; Teiche, DStR 2013, 2197.

9 Zu dieser in der Konzernrealität nur selten zu beobachtenden Gestal-tungsform vgl. Hageböke/Hasbach, Der Konzern 2016, 167.

10 So BFH v. 23.8.2017 – I R 80/15, BStBl. II 2018, 141. Zur Einordnung vgl.Wachter, DB 2018, 272; von Freeden/Lange, Der Konzern 2018, 191.

11 Vgl. etwa BFH v. 3.3.2010 – I R 68/09, BFH/NV 2010, 1132; BFH v.13.11.2013 – I R 45/10, BStBl. II 2014, 486.

12 Vgl. BFH v. 13.11.2013 – I R 45/12, BStBl. II 2014, 486 = FR 2014, 608.

918 Aufsätze FR 20/2018Prinz – Ertragsteuerliche Organschaft – Bestandsaufnahme, Systematik, Problembereiche

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– was ganz überwiegend der Fall ist – den Gewinnabfüh-rungsvertrag als Unternehmensvertrag nicht kennt. Insoweitwird seit längerem diskutiert, ob eine „schuldrechtlicheNachmodulierung“ eines solchen GAV für die Anerkennungder ertragsteuerlichen Organschaft ausreicht. Im Ergebnis istdies streitig. Im Übrigen gilt: Sofern ein GAV nichtig oderschwebend unwirksam ist, entfaltet er keine ertragsteuerli-chen Organschaftswirkungen. Der in § 301 AktG definierteHöchstbetrag der Gewinnabführung darf nicht überschrittenwerden. Die Verlustübernahme gem. § 302 AktG muss mitdynamischem Verweis mit allen seinen Bestandteilen erfülltwerden, so dass etwa die Verwendung einer Kapitalrücklagezum Ausgleich eines sonst entstehenden Jahresfehlbetrags dieOrganschaft „verunglücken“ lässt.13 Die durch das BilMoGvom 25.5.2009 begründeten Abführungssperren (§ 301 AktGi.V.m. § 268 Abs. 8 HGB) sind zu beachten.14 Die Ausschüt-tungssperre des § 253 Abs. 6 HGB, die im Zusammenhangmit der Verlängerung des Abzinsungszeitraums für Pensions-rückstellungen von sieben auf zehn Jahre vom Handelsgesetz-geber geschaffen wurde, löst nach Meinung der Finanzver-waltung allerdings keine „parallele Abführungssperre“ aus.15

Zudem wird der GAV erst mit der Eintragung im Handels-register der abhängigen Gesellschaft wirksam (§ 294 Abs. 2AktG). Steuerlich wirkt dies dann auf den Beginn des Wirt-schaftsjahres zurück (§ 14 Abs. 1 S. 2 KStG). Auch eine un-terjährige Kündigung (§ 297 AktG) oder Aufhebung desGAV (§ 296 AktG) wirkt – ungeachtet ihrer gesellschafts-rechtlichen Unterschiede – auf den Beginn des Wirtschafts-jahres zurück.

– Bei außerhalb des Unternehmensverbundes stehenden Min-derheitsgesellschaftern müssen angemessene Ausgleichs- undAbfindungszahlungen gem. §§ 304, 305 AktG vereinbart sein,die gem. § 16 KStG stets bei der Organgesellschaft zu versteu-ern sind (zu einem entsprechenden Betriebsausgabenabzugs-verbot s. auch § 4 Abs. 5 Nr. 9 EStG). Fehlt es daran, wird dieertragsteuerliche Organschaft nicht anerkannt. Als Aus-gleichszahlungen an Minderheitsgesellschafter kommen ne-ben Festbeträgen auch ergebnisabhängige Elemente in Be-tracht, die aber nach Meinung des BFH bei einer Ausrichtungam Ergebnis der abhängigen Tochtergesellschaft organ-schaftsschädlich sind.16 Da die Finanzverwaltung vor allemim Hinblick auf kommunale Unternehmen in der Vergan-genheit stets eine großzügigere Auffassung17 hinsichtlich va-riabler Ausgleichszahlungen an Minderheitsgesellschaftervertreten hat, wird nun der Steuergesetzgeber tätig. Im derzeitin den parlamentarischen Beratungen befindlichen „Entwurfeines Gesetzes zur Vermeidung von Umsatzsteuerausfällenbeim Handel mit Waren im Internet und zur Änderung wei-terer steuerlicher Vorschriften“ ist nunmehr eine rückwir-kend für alle offenen Jahre geltende Korrekturregelung in§ 14 Abs. 2 KStG – nicht im eigentlich „näherliegenden“ § 16KStG – geplant, die variable Ausgleichszahlungen an Minder-heitsgesellschafter einer Organgesellschaft in bestimmtenGrenzen – über den Mindestbetrag nach § 304 Abs. 2 S. 1AktG hinausgehend; Vorliegen einer vernünftigen kaufmän-nischen Beurteilung – anerkennt. Im Übrigen ist festzustel-len: Im Zusammenhang mit Ausgleichszahlungen an Minder-heitsgesellschafter sind komplexe Anfechtungsklagen undSpruchstellenverfahren in den Hauptversammlungen abhän-giger Aktiengesellschaften zu beobachten. Der aktienrecht-liche Minderheitenschutz spielt insoweit für die Praxis trotz

komplett eigenständiger Gesetzesteleologie auch im steuerli-chen Organschaftsrecht eine besondere Rolle.

3. Bilanzrecht der Organschaft

Die in einen ertragsteuerlichen Organkreis einbezogenen Un-ternehmen behalten ihre rechtliche Selbständigkeit mit eigen-ständigen Rechnungslegungspflichten, autonomen steuerlichenGewinn-, Einkommens- und Gewerbeertragsermittlungsfolgensowie haftungsrelevanten Konsequenzen diverser Art für Or-ganträger und Organgesellschaft. Dies gilt für „schlichte“ ein-stufige Organschaftsverbindungen zwischen Mutter- undTochtergesellschaft gleichermaßen wie für mehrstufige Organ-schaftsketten (etwa Mutter-, Tochter- und Enkelgesellschaft).Ungeachtet der Einbindung in einen Organkreis erwirtschaftetund ermittelt das abhängige Unternehmen Gewinn/Einkom-men selbst. Ein einheitliches Unternehmen entsteht durch dieertragsteuerliche Organschaft nicht. Der organschaftserforder-liche GAV führt aber stets zu einem „phasengleichen Ergebnis-transfer“ von der Organgesellschaft zum jeweiligen Organträ-ger mit Poolungswirkungen nach dem Zurechnungs-/Betriebs-stättenkonzept, also ohne jegliche Konsolidierungsmaßnahmenim Organkreis. Hinsichtlich der Höhe des vermögensmäßigenErgebnistransfers bestehen nicht zuletzt seit dem BilMoG vom25.5.2009 üblicherweise Unterschiedsbeträge zwischen handels-bilanzieller und steuerlicher Rechnungslegung. Dies nimmtdem GAV „als steuerpolitischem Grunderfordernis einer Or-ganschaft“ deutlich Überzeugungskraft. Wegen der Erstreckungder Gewinnabführung auf das „gesamte Ergebnis“ des Tochter-unternehmens wird dort – vorbehaltlich etwaiger Rücklagendo-tierung, Rücklagenverwendung und Rücklagenauflösung –zwingend ein Nullergebnis ausgewiesen. Die ertragsteuerlicheOrganschaft mit ihrer handelsrechtlichen Gewinnabführungs-verpflichtung weist deshalb bei Begründung, Durchführungund Abwicklung eine Reihe bilanzieller Besonderheiten auf, dieunter der Bezeichnung „Bilanzrecht der Organschaft“ thema-tisch zusammengefasst werden können.18

13 Vgl. FG Düsseldorf v. 17.4.2018 – 6 K 2507/17 K, rkr., DStR 2018, 1857im 2. Rechtsgang zu BFH v. 10.5.2017 – I R 19/15. Ergänzend OFD Nord-rhein-Westfalen, Vfg. v. 11.7.2018 – S 2770 - 2018/0013 - St 131, DStR2018, 1869.

14 Vgl. ausdrücklich etwa BFH v. 3.3.2010 – I R 68/09, BFH/NV 2010, 1132.Zu den Abführungssperren gem. § 301 AktG auch BMF v. 14.1.2010 – IVC 2 - S 2770/09/10002 – DOK 2009/0861137, BStBl. I 2010, 65.

15 So BMF v. 23.12.2016 – IV C 2 - S 2770/16/10002 – DOK 2016/1157209,BStBl. I 2017, 41. Kritisch dazu Hageböke/Hennrichs, DB 2017, 18; Kess-ler/Egelhof, DStR 2017, 998; Prinz, BetrAV 2017, 334, 337; Prinz, WiSt 11/2017, 46.

16 Vgl. BFH v. 10.5.2017 – I R 93/15, DStR 2017, 2429 in Bestätigung desSenatsurteils v. 4.3.2009 – I R 1/08, BStBl. II 2010, 407 = FR 2009, 1110.Zu den aktuellen Gesetzgebungsplänen vgl. Nürnberg, NWB 2018, 2856;Ortmann-Babel/Bolik, DB 2018 1876 (1878); Weiss/Brühl, BB 2018, 2135(2138).

17 BMF v. 20.4.2010 – IV C 2 - S 2770/08/10006 – DOK 2010/0216002,BStBl. I 2010, 372 = FR 2010, 490.

18 Zu weiteren Details vgl. Prinz, NWB Handbuch Bilanzsteuerrecht,3. Aufl. 2018 Rz. 1610-1745. Siehe ergänzend auch Petersen, WPg 2018,659.

FR 20/2018 Aufsätze 919Prinz – Ertragsteuerliche Organschaft – Bestandsaufnahme, Systematik, Problembereiche

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Handelsbilanzielle Besonderheiten in der Organ-schaft

Bei der abhängigen Tochtergesellschaft setzt die handelsrecht-liche Gewinnabführungsverpflichtung gem. § 301 AktG beimJahresüberschuss, der handelsrechtliche Verlustausgleichs-anspruch gem. § 302 AktG beim Jahresfehlbetrag mit verschie-denen, vor allem im Gläubigerschutzinteresse liegenden Kor-rekturen (etwa Rücklagendotierungen, Abführungssperrenoder Garantiedividenden) an. Im Ausgangspunkt macht dieseine „übliche Jahresabschlusserstellung“ durch eine Organge-sellschaft erforderlich, wobei § 277 Abs. 3 S. 2 HGB sowohlbeim Organträger als auch bei der Organgesellschaft einen G+V Sonderausweis verlangt. Konkret sind Erträge bzw. Auf-wendungen aus Verlustübernahme sowie aufgrund eines Ge-winnabführungsvertrages erhaltene bzw. abgeführte Gewinnejeweils gesondert unter entsprechender Bezeichnung auszuwei-sen. Bei der Muttergesellschaft ist dies üblicherweise Teil desFinanzergebnisses, bei der betroffenen Tochter erfolgt meistein Ausweis vor dem Posten Jahresüberschuss/Jahresfehlbetrag,um den Charakter der Vertragsverpflichtung als Ergebnisver-wendung zum Ausdruck zu bringen. Für bestimmte Tochter-kapitalgesellschaften sieht § 264 Abs. 3 HGB allerdings Erleich-terungen bei der Rechnungslegung vor, die die Aufstellung vonAnhang- und Lagebericht, die Beachtung ergänzender Ansatz-,Bewertungs- sowie Gliederungs- und Ausweisvorschriften undschließlich die Prüfung und Offenlegung betreffen. Diese durchdas BilRUG vom 17.7.2015 modifizierten Rechnungslegungs-erleichterungen setzen neben der Einbeziehung der Tochter-unternehmen in einen Konzernabschluss vor allem eine „Ver-pflichtungserklärung“ des Mutterunternehmens (insbesonderefür Verluste der Tochtergesellschaft) voraus, was vor allemdurch abgeschlossene Gewinnabführungsverträge begründetwerden kann.19

Steuerbilanzielle Besonderheiten in der Organschaft

Schaut man auf die steuerliche Rechnungslegung in der Organ-schaft, so ist bei der Organgesellschaft ein zweistufiges Vor-gehen festzustellen: Auf der ersten Gewinnermittlungsstufewird bei der Organgesellschaft ein steuerbilanzieller Gewinnoder Verlust – unter Berücksichtigung der Maßgeblichkeit (§ 5Abs. 1 EStG) – ermittelt, der in den meisten Fällen von derhandelsrechtlichen Gewinnabführungsverpflichtung abweicht.Im Übergang vom Jahresüberschuss/Jahresfehlbetrag zum Bi-lanzgewinn/Bilanzverlust sind gem. § 14 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 KStGbegrenzte Rücklagenbildungen und -auflösungen nach ver-nünftiger kaufmännischer Beurteilung erlaubt (s. auch R 14.5Abs. 5 Nr. 3 KStR 2015). Auf der zweiten Stufe erfolgt danneine Fortentwicklung zum positiven/negativen steuerlichenEinkommen der Organgesellschaft, das dem Organträger unterBeachtung außerbilanzieller Korrekturen von Doppel- oderNichterfassungen zugerechnet wird. Für Gewerbesteuerzweckewird das steuerliche Einkommen der Organgesellschaft zu ei-nem Gewerbeertrag umgerechnet und ebenfalls dem Organträ-ger bei „Stornierung von Doppel- oder Nichterfassungen“ alsBetriebsstätteneinkommen zugeordnet. Ziel ist die Sicherstel-lung einer ertragsteuerlichen Einmalbelastung im Organkreis,die dem Zurechnungskonzept ohne umfassende Konsolidie-rungsmaßnahmen folgt. Handelsrechtliche Ergebnisabführun-gen mit Abgrenzung zur Ausschüttung vororganschaftlicherRücklagen/organschaftlicher Kapitalrücklagen auf der einen

Seite und steuerliche Gewinnermittlung, Einkommens- undGewerbeertragsermittlung und -zurechnung bei Organgesell-schaft und Organträger auf der anderen Seite müssen deshalbsorgsam unterschieden werden. Sofern organschaftlich begrün-dete Unterschiede in Gestalt von Minder- oder Mehrabführun-gen entstehen, sind beim Organträger (zunächst erfolgsneutral)aktive/passive Ausgleichsposten in der Steuerbilanz entspre-chend seiner Beteiligungsquote zu bilden (§ 14 Abs. 4 KStG),was für die Praxis eine Vielzahl von Fragen aufwirft.

Bei der ertragsteuerlichen Anerkennung von Organschaftenspielen häufig auch bilanzielle Zeitaspekte eine Rolle. So wer-den des Öfteren in Umstrukturierungs- und TransaktionsfällenRumpfwirtschaftsjahre zur zeitnahen Herstellung einer Organ-schaft gebildet, um eine finanzielle Eingliederung vom Beginndes Wirtschaftsjahres an zu erreichen. Bei Anwendung der sog.Mitternachtsregelung (R 14.4 Abs. 2 KStR 2015) bei Trans-aktionen mit Organgesellschaftsanteilen muss ebenfalls auf diesachgerechte wirtschaftliche Zugehörigkeit der Anteile für Bi-lanzierungszwecke geachtet werden. Ein Ausweis der Betei-ligung an der Organgesellschaft in der Schlussbilanz des betref-fenden Wirtschaftsjahres beim veräußernden Organträger istfür die Anwendung der organschaftsspezifischen Mitternachts-regelung allerdings nicht zwingend.

4. Organschaft ist kein Steuerprivileg

Durch eine ertragsteuerliche Organschaft soll der wirtschaftli-chen Einheit eines Unternehmensverbunds (in Grenzen) Rech-nung getragen werden.20 Für ertragsteuerliche Zwecke ist Maß-stab der Leistungsfähigkeit – jedenfalls wirtschaftlich betrachtet– das (inlandsbegrenzte) Gesamtergebnis des Unternehmens-verbunds. Das einzelne Konzernunternehmen verfügt dagegenwegen einer Einbindung in die betriebswirtschaftlichen Kon-zernabläufe nur über eine Art „künstliche Leistungsfähigkeit“,die über Verrechnungspreise, verdeckte Gewinnausschüttun-gen, verdeckte Einlagen und anderweitige Arm’s Length-Testsnötigenfalls korrigiert werden muss. Sofern der Konzernver-bund grenzüberschreitend tätig ist, müssen die einzelnen Steu-erjurisdiktionen an den jeweiligen Ergebnissen der konzern-gebundenen Legaleinheiten angemessen beteiligt werden. DieEU-gemeinschaftsrechtliche Diskussion, ob die Ermöglichungeiner grenzüberschreitenden Verlustverrechnung eine beihilfe-relevante Steuervergünstigung darstellt, verkennt meines Er-achtens dieses wirtschaftliche Grundphänomen des Konzerns.Denn die Leistungsfähigkeit bemisst sich auch bei subtil mit-einander vernetzten Wertschöpfungsketten letztlich nach demKonzernergebnis, nicht nach dem Ergebnis jedes einzelnen„Steuerpflichtigen“ in seiner lokalen Besteuerungssituation.Eine Organschafts- oder Gruppenbesteuerung nach Maßgabeeiner „Verbundleistungsfähigkeit“ muss allerdings stets fakulta-tiv sein, da der einzelne Rechtsträger seine Steuerpflicht –rechtlich gesehen – nicht ohne seine Zustimmung verlierenkann. Es ist deshalb wichtig zu erkennen: Organschaft ist keinSteuerprivileg.

19 Vgl. zum Kriterium der Verpflichtungserklärung der Muttergesellschafteingehend Stöber in Hachmeister/Kahle/Mock/Schüppen, Bilanzrecht,2018, § 264 HGB Rz. 88-91; Oser, WPg 2017, 691 (692-696).

20 Vgl. dazu Prinz, Beihefter zu DStR 30/2010, 67 (69).

920 Aufsätze FR 20/2018Prinz – Ertragsteuerliche Organschaft – Bestandsaufnahme, Systematik, Problembereiche

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5. Haftungsverbund der Organschaft

Aus der vertraglichen Ergebnisübernahme- bzw. Verlustaus-gleichsverpflichtung des herrschenden Unternehmens im Ver-hältnis zur abhängigen Gesellschaft entsteht naturgemäß einHaftungsverbund, der für die Entscheidungsfindung pro/contraeiner Organschaft sehr wichtig ist. Darüber hinaus bleibt bei ei-ner ertragsteuerlichen Organschaft eine subsidiäre Haftung derOrgangesellschaft gem. § 73 AO bestehen. Auch wenn die Steu-erschuld via Organschaft auf den Organträger übergeht, bleibtdie Organgesellschaft für solche Steuern des Organträgers Haf-tender, für welche die Organschaft zwischen ihnen steuerlichvon Bedeutung ist. Für den Fall einer mehrstufigen Organ-schaftskette hat der BFH in seinem Judikat vom 31.5.201721

eine hoch praxisrelevante Haftungsbegrenzung entschieden,die aus der notwendigen „Zweierbeziehung“ zwischen abhängi-ger und herrschender Gesellschaft resultiert und sich stark amWortlaut der Haftungsnorm des § 73 AO orientiert. Danach istder Gegenstand der Haftung für eine körperschaftsteuerrecht-liche Organschaft auf solche Steueransprüche beschränkt, diegegen den durch das konkrete Organschaftsverhältnis be-stimmten Organträger gerichtet sind. Eine Enkelgesellschaft,die sich in einem Organkreis mit der Tochtergesellschaft befin-det, ist deshalb nach Meinung des BFH für ertragsteuerlicheOrganschaftsschulden des letztendlichen Mutterorganträgersnicht haftbar zu machen. Entsprechendes gilt für etwaige Steu-ererstattungsansprüche. Bei einer Insolvenz des Organträgersoder einem Ausscheiden der Organgesellschaft aus dem Organ-kreis – etwa im Fall von Akquisitionsmaßnahmen – könnendie durch § 73 AO begründeten Haftungsrisiken bei der Or-gangesellschaft große Bedeutung haben und sollten deshalbdurch entsprechende Vertragsklauseln in Transaktionsfällenoder durch andere Gestaltungen (etwa Drittschuldbegleichungdurch die OG) abgedeckt werden. Der aus § 73 AO bei der um-satzsteuerlichen Organschaft resultierende Haftungsumfangder Organgesellschaft ist wegen der insoweit geltenden Ein-heitsbetrachtung eines inländischen Organkreises deutlich wei-terreichend als im Ertragsteuerrecht.22 Im Übrigen versucht diePraxis, die Haftung der Organgesellschaft bei Akquisitions-maßnahmen gestalterisch zu begrenzen, etwa durch Durchfüh-rung eines Asset Deals anstelle eines Share Deals (dann aller-dings unter Inkaufnahme von § 75 AO). Der vertraglich odergesetzlich entstehende Haftungsverbund ist in der Praxis mit-unter entscheidend für den „Verzicht“ auf eine steuerliche Or-ganschaft, da gerade in Insolvenzsituationen möglicherweiseDoppelinanspruchnahmen einer Organgesellschaft drohenkönnen.

II. Ausgewählte Einzelfragen zum Bilanzrecht der Or-ganschaft

1. GAV-Durchführungsfiktion des § 14 Abs. 1 Nr. 3KStG für fehlerhafte Jahresabschlüsse

Durch die sog. Kleine Organschaftsreform vom 20.2.2013 hatder Steuergesetzgeber rückwirkend für alle offenen Fälle einegesetzlich fingierte Richtigkeitsgewähr der Gewinnabführung/Verlustübernahme bei Organschaften trotz fehlerhaften Jahres-abschlusses eingeführt (§ 14 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 S. 4 und 5 KStG).Dies macht den Kernbereich des „Bilanzrechts der Organ-schaft“ aus. Der Hintergrund dieses „gesetzlichen Novums“ ist:

Laut BGH-Rechtsprechung muss der „richtige Gewinn/Ver-lust“ nach Maßgabe der Handelsbilanz abgeführt werden; an-sonsten wird der GAV nicht ordnungsgemäß durchgeführt.Die steuerliche Rechtsänderung soll deshalb gescheiterte Or-ganschaften wegen bilanziellen Durchführungsfehlern beimGAV rückwirkend vermeiden, ohne die Verbindung zum Han-delsbilanzrecht und zum unternehmensvertraglichen GAV auf-zugeben. Die neue steuergesetzliche Fehlerberichtigungsmög-lichkeit sollte von der Betriebsprüfung aufgegriffene Durchfüh-rungsfehler einer ertragsteuerlichen Organschaft in der Mehr-zahl der Fälle deutlich „entschärfen“.

Die gesetzlich fingierte „Richtigkeitsgewähr“ verlangt kumula-tiv:23

– Der von einem fehlerhaften Bilanzansatz (unter Einschlussvon Bewertungsfehlern) betroffene Jahresabschluss musswirksam festgestellt sein. Es darf sich nicht um einen gem.§ 256 AktG (analog) nichtigen Jahresabschluss handeln. Diegesetzliche Heilung der Nichtigkeit (§ 256 Abs. 6 AktG) giltauch für Organschaftszwecke. Die Feststellung als Rechtsaktsollte dokumentiert sein. Das Nichtigkeitskriterium spielt inder „Heilungspraxis von Organschaften“ eine eher unterge-ordnete Rolle.

– Die Fehlerhaftigkeit des Jahresabschlusses hätte bei dessenErstellung unter Anwendung der Sorgfalt eines ordentlichenKaufmanns nicht erkannt werden müssen. Der Steuergesetz-geber stellt insoweit ausdrücklich auf den subjektiven Fehler-begriff für Rechts- und Tatsachenfragen ab. Dies entsprichtdem subjektiven Fehlerbegriffsverständnis im handelsrecht-lichen Jahresabschluss und weicht deshalb vom Großen Se-natsbeschluss des BFH vom 31.1.2013 ab.24 Zur Vermeidungvon Unschärfen hinsichtlich der Beurteilung des Sorgfalts-maßstabs besteht gem. § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Satz 5 KStGeine zwingende gesetzliche Richtigkeitsvermutung, sofern dervermeintlich fehlerhafte Jahresabschluss mit einem uneinge-schränkten Bestätigungsvermerk (§ 322 Abs. 3 HGB) oder ei-ner qualifizierten Erstellungsbescheinigung durch einen Steu-erberater/Wirtschaftsprüfer versehen wurde. Etwaige Bilan-zierungs- und Bewertungsfehler sind bei „erteiltem Testat“organschaftsunschädlich. Dies gilt auch für den Fall, dass eintestierter Konzernabschluss vorliegt, in den der handelsrecht-liche Jahresabschluss der Organtochter einbezogen ist. NachMeinung der FinVerw. sollen wohl IFRS-Konzernabschlüsseim EU/EWR-Bereich entgegen § 315a HGB nicht zur „Feh-lerheilung“ akzeptiert werden. Sofern nachträglich eine Ein-schränkung oder gar Versagung des Testats erfolgt, entfälltdie Richtigkeitsgewähr rückwirkend mit der etwaigen Folgeeiner gescheiterten Organschaft.

21 Vgl. BFH v. 31.5.2017 – I R 54/15, BStBl. II 2018, 54 = FR 2018, 141 m.Anm.Marx.

22 Vgl. FG Düsseldorf v. 22.2.2018 – 9 K 280/15 H(U), GmbHR 2018, 442.Dazu auch Streit/Dachauer, Der Konzern 2018, 305.

23 Zu im Einzelnen disparaten Äußerungen einzelner Finanzverwaltungenvgl. insb. OFD Frankfurt, Vfg. v. 30.5.2016 – S 2770 A - 55 - St 51, DStR2016, 1375; FinMin. Schleswig-Holstein, Kurzinfo v. 22.6.2016, GmbHR2016, 560; OFD Karlsruhe, Vfg. v. 16.1.2014 – S 2770/52/2 - St 221, FR2014, 434. Ergänzend auch Petersen, WPg 2018, 659.

24 BFH v. 31.1.2013 – GrS 1/10, BStBl. II 2013, 317 = FR 2013, 699 m. Anm.M. Prinz. Zur Erläuterung vgl. Prinz, WPg 2013, 650.

FR 20/2018 Aufsätze 921Prinz – Ertragsteuerliche Organschaft – Bestandsaufnahme, Systematik, Problembereiche

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– Schließlich muss ein von der FinVerw. beanstandeter Fehlervorliegen, der bei handelsbilanzieller Korrekturnotwendigkeitspätestens im nächsten, nach dem Zeitpunkt der Beanstan-dung aufzustellenden Jahresabschluss von OG und OT mitAbführungs- und Ausgleichsfolgen berichtigt wird (Korrek-tur in laufender Rechnung). Dadurch soll eine nachträglicheÄnderung der Handelsbilanz ausschließlich zur Rettung dersteuerlichen Organschaft vermieden werden, die allerdings inZweifelsfällen weiterhin zulässig sein dürfte. Das für denSteuerpflichtigen bestehende „Berichtigungszeitfenster“ isteng, so dass die Fehlerbeanstandung üblicherweise durch dieBP zeitlich lokalisiert werden sollte. Abzustellen ist dabei aufdie nach außen erkennbare abschließende Willensbildungder FinVerw. Im Übrigen kann eine durch die Betriebsprü-fung ausgelöste handelsbilanzielle Korrekturnotwendigkeit zuKonflikten mit dem Abschlussprüfer führen, die im Ergebnisbei Nichtanerkennung der Organschaft zu Lasten des Steuer-pflichtigen gehen könnte. Erkennt der Steuerpflichtige selbsteinen Bilanzierungsfehler, sollte ebenfalls eine Korrektur-möglichkeit in laufender Rechnung bestehen. Die Nicht-berücksichtigung vororganschaftlicher Verlustabzüge beimHöchstbetrag der Gewinnabführung (§ 301 AktG) wird alsAnwendungsbereich des § 14 Abs. 1 Nr. 3 S. 4 KStG von derFinanzverwaltung anerkannt. Bei fehlerhafter Rücklagenbil-dung ist die Korrekturmöglichkeit gem. § 14 Abs. 1 Satz 1Nr. 3 Satz 4 Buchst. c KStG dagegen streitig.

2. Teilwertabschreibung auf Anteile an einer Organ-gesellschaft wegen voraussichtlich dauernder Wert-minderung

Sinkt der Ertrags- oder Substanzwert einer Tochtergesellschaftnachhaltig unter ihre Anschaffungskosten, so kann das Mutter-unternehmen bei einer „voraussichtlich dauernden Wertmin-derung“ nachweisgebunden eine Teilwertabschreibung auf denBeteiligungsansatz in seiner Steuerbilanz geltend machen. Eshandelt sich um ein steuerliches Wahlrecht gem. § 5 Abs. 1Satz 1 EStG, das unabhängig von der handelsbilanziellenHandhabung ausgeübt werden kann.25 Korrespondierend ent-steht ein latentes Wertaufholungspotential. Nur bei „willkürli-cher Gestaltung“ mit einem „Wechselspiel“ zwischen Geltend-machung der Teilwertabschreibung und (ganz oder teilweise)entsprechender Wertaufholung erkennt die Finanzverwaltungdas Wahlrecht nicht an. Außerbilanziell (2. Stufe der Gewinn-ermittlung) ist die Teilwertabschreibung allerdings für Körper-schaften als Organträger gem. § 8b Abs. 3 KStG vollständig zu„stornieren“, wobei Wertaufholungen ungeachtet dessen der5 %-Besteuerung nichtabziehbarer Betriebsausgaben unterlie-gen. Bei Personengesellschaften als Organträger mit natürli-chen Personen als Mitunternehmern bleiben 60 % der steuerli-chen Teilwertabschreibung steuerwirksam (§ 3c Abs. 2 EStG).Insoweit behalten Teilwertabschreibungen vor allem bei Or-ganträger-Personengesellschaften aus Sicht betroffener Unter-nehmen ihren Reiz. Bei Körperschaften als Mitunternehmer ei-ner Personengesellschaft gilt über § 8b Abs. 6 KStG wiederumein vollständiges außerbilanzielles Korrekturgebot.

Allerdings gelten für Organschaftszwecke beim Ansatz einervoraussichtlich dauernden Wertminderung diverse Restriktio-nen. Denn trotz steuerbilanzieller Anerkennung werden ver-lustbedingte Teilwertabschreibungen aufgrund der „gebroche-

nen“ Einheitstheorie im gewerbesteuerlichen Organkreis unab-hängig vom „Steuerstatus“ des OT „zurückgedreht“ (= neutra-lisiert). Für Körperschaftsteuerzwecke gilt Entsprechendes. Esbesteht eine „Rechtsvermutung“, dass eine Identität der (abzu-führenden) Verluste der OG mit den (abschreibungsbedingten)Verlusten der Beteiligung des OT besteht. Selbst wenn eineTeilwertabschreibung nicht vorgenommen wurde, die OG-Be-teiligung später allerdings zu einem entsprechend geringerenVerkaufspreis veräußert wird, soll bei der Ermittlung des Ge-werbeertrags ein Betrag in Höhe des bei der Zusammenrech-nung der Gewerbeerträge berücksichtigten Verlustes der OGhinzuzurechnen sein (so R 7.1 Abs. 5 Satz 9 GewStR). Schließ-lich mindern Teilwertabschreibungen aufgrund einer Gewinn-abführung ebenso wenig den Gewerbeertrag der Muttergesell-schaft wie ausschüttungsbedingte Teilwertabschreibungen.26

Selbst außerhalb der Organschaft besteht ein ergänzend wir-kendes spezielles Hinzurechnungsgebot gem. § 8 Nr. 10GewStG, das auch für vororganschaftlich begründete Gewinn-minderungen gilt. Das gewerbesteuerliche Gewinnminderungs-verbot gilt lt. BFH-Rechtsprechung auch für Darlehensforde-rungen des OT gegen die Organgesellschaft, soweit die Teil-wertabschreibung zumindest auch auf einer Verlustsituationder OG beruht (Neutralisationsgebot zur Verhinderung einesDoppelabzugs); spätere Wertaufholungen müssen systement-sprechend steuerlich irrelevant bleiben. Dokumentation undNachweis der Verlustquellen im Einzelfall kann schwierigsein.27

Verluste der Tochtergesellschaft kein steuerbilanziel-ler Teilwertabschreibungsgrund

Die Finanzverwaltung stellt – gestützt durch die Rechtspre-chung – hohe Anforderungen an eine dauerhafte Wertmin-derung bei Anteilen an einer Organgesellschaft. Gemäß R 14.7Abs. 3 KStR 2015 gelten zwar die allgemeinen Teilwertkrite-rien. Eine Abschreibung auf den niedrigeren Teilwert kann al-lerdings nicht auf das Erwirtschaften ständiger Verluste ge-stützt werden. Dies liegt darin begründet, dass der Organträgerselbst zur Deckung der Fehlbeträge in der Organgesellschaftverpflichtet ist; die Substanz der Organgesellschaft bleibt häufigerhalten (Ausnahme etwa: Abführung von Altrücklagen). DerBFH geht insoweit bei Mehrheitsbeteiligungen an der Organge-sellschaft typisierend von einer „unwiderlegbaren Teilwertver-mutung“ in Höhe der Anschaffungskosten aus. Neumannspricht anschaulich von einem „erstarrten Teilwertansatz derOrgangesellschaft“ während der Organschaftszeit.28 Dahinterverbirgt sich die Überlegung der Vermeidung einer doppeltenVerlustnutzung; dieselben Verluste sollen nicht einerseits über

25 Vgl. BMF, Schr. v. 12.3.2010 – IV C 6 - S 2133/09/10001, BStBl. I 2010,239 = FR 2010, 398, Rz. 14, 15.

26 Vgl. R 8.6 GewStR sowie H 7.1 Abs. 5 GewStR: Teilwertabschreibungenbei Organschaft, mit Hinweis auf BFH, Urt. v. 19.11.2003 – I R 88/02,BStBl. II 2004, 751 = FR 2004, 588.

27 Vgl. BFH, Urt. v. 5.11.2009 – IV R 57/06, BStBl. II 2010, 646 = FR 2010,279 m. Anm. Wendt (Streitjahr 2000; kein GAV-Erfordernis für Ge-werbesteuer); dazu auch Behrens/Renner, BB 2010, 486.

28 Vgl. Gosch/Neumann, KStG, 3. Aufl. 2015, § 14 Rz. 430. Siehe aber auchbereits BFH, Urt. v. 17.9.1969 – I 170/65, BStBl. II 1970, 48 unter Bezug-nahme auf Rose, DB 1960, 1164 f. Ergänzend BFH, Urt. v. 6.11.1985 – I R56/82, BStBl. II 1986, 73 = FR 1986, 216; v. 26.1.1977 – I R 101/75,BStBl. II 1977, 441 f. = FR 1977, 634.

922 Aufsätze FR 20/2018Prinz – Ertragsteuerliche Organschaft – Bestandsaufnahme, Systematik, Problembereiche

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die Ergebnisabführung beim Organträger steuerwirksam wer-den und dann „zum zweiten Mal“ über eine Teilwertabschrei-bung Berücksichtigung finden. Auch wenn dieser Gedankeletztlich seit Abschaffung des körperschaftsteuerlichen Anrech-nungsverfahrens und der vollständigen „Stornierung“ von Teil-wertabschreibungen über § 8b Abs. 3 KStG bei Organträger-körperschaften nicht mehr einschlägig ist, erscheint eine sub-stanzverzehrlose Verlusterzielung der Organgesellschaft richti-gerweise nicht ausreichend für eine Teilwertabschreibung.

Steuerlich anerkannte Abschreibungsgründe

In anderen Konstellationen kommt auch bei Organgesellschaf-ten – entsprechend allgemeinen Kriterien – eine wahlweiseTeilwertabschreibung in Betracht, wobei der Steuerpflichtigedie Feststellungslast für die voraussichtlich dauernde Wertmin-derung trägt. Bei der Geltendmachung der Teilwertabschrei-bung handelt es sich um eine Prognoseentscheidung des Steu-erpflichtigen aus der Sicht des Bilanzstichtags, die das nachhal-tige Absinken des Beteiligungswerts unter die Anschaffungs-kosten aufgrund objektiver Anzeichen untersucht. Durch dieTeilwertabschreibung soll der Verlust an wirtschaftlicher Leis-tungsfähigkeit periodengerecht erfasst werden.29 Dabei müssenmehr Gründe für als gegen die Teilwertabschreibung sprechen.Anerkannt wird die Teilwertabschreibung etwa im Fall einerFehlmaßnahme, weil die Beteiligung von vornherein oder auf-grund ihrer funktionalen Bedeutung im Konzern nachhaltig inihrem Wert gesunken ist. Gleiches gilt, falls der Organträgerfür die Organgesellschaftsanteile einen Firmenwert „bezahlt“hat, der wegen nachhaltig sinkender Ertragskraft eine Wertein-buße erlitten hat.30 Letztlich wird man stets für Zwecke derTeilwertabschreibung prüfen müssen, ob der Wert der Betei-ligung trotz der bestehenden Verlustübernahmeverpflichtungder Muttergesellschaft nachhaltig gesunken ist. Dafür kanneine Reihe von Gründen ursächlich sein, die zu dokumentierensind. Im Übrigen sind meines Erachtens Gesellschafterdarlehenhinsichtlich ihres Teilwerts im Grundsatz losgelöst von demBeteiligungswert der Organgesellschaft selbst zu würdigen. Beieiner Organträgerkapitalgesellschaft ist allerdings auf der zwei-ten Gewinnermittlungsstufe § 8b Abs. 3 Satz 4-6 KStG zu be-achten. Nur bei einem wirksam geführten Drittvergleich wirddie Teilwertabschreibung steuerwirksam. Bei Personengesell-schaften als Darlehensgeber mit natürlichen Personen als Mit-unternehmern findet § 3c Abs. 2 Sätze 2-5 EStG mit seiner ab-zugsbegrenzenden Wirkung ab VZ 2015 Anwendung. Insoweitsind Substanzverluste von bestimmten Darlehens- und Rück-griffsforderungen teilabzugsgesperrt. § 3c Abs. 2 Sätze 2-5EStG und § 8b Abs. 3 Sätze 4-6 KStG sind tatbestandsähnlichformuliert.

3. Ausgleichsposten bei innerorganschaftlichenMehr- oder Minderabführungen

§ 14 Abs. 4 KStG sieht für Mehr- und Minderabführungen, dieihre Ursache in organschaftlicher Zeit haben, die Bildung einesbesonderen aktiven oder passiven Ausgleichspostens in derSteuerbilanz des Organträgers (also nicht außerbilanziell) vor.Es handelt sich um zunehmend bedeutsame Bilanzposten im„Leben“ ein- oder mehrstufiger Organschaftskonzerne. Sie dür-fen nur quotal entsprechend dem Verhältnis der Beteiligungdes Organträgers am Nennkapital der Organgesellschaft in An-satz gebracht werden. Solche Mehr- oder Minderabführungen

liegen insbesondere dann vor, wenn der an den Organträgerabgeführte handelsbilanzielle Gewinn vom Steuerbilanzgewinnder Organgesellschaft abweicht und diese Abweichung ihre Ur-sache in organschaftlicher Zeit – also während des Bestehensder Organschaft – hat (§ 14 Abs. 4 S. 6 KStG). Allerdings han-delt es sich bei der Fall-enumeration des § 14 Abs. 4 Satz 6KStG nicht um eine abschließende Legaldefinition, sondern le-diglich um eine Umschreibung der Regelcharakteristika einerMehr- oder Minderabführung im Sinne eines Typusbegriffs.Beurteilungsmaßstab für das Vorliegen von organschaftlichenMehr-/Minderabführungen ist vielmehr letztlich das Grund-anliegen des Gesetzgebers, „die Einmalbesteuerung der organ-schaftlichen Erträge beim Organträger sicherzustellen“.31 Han-delsbilanziell gibt es solche Ausgleichsposten nicht. WährendAusgleichsposten zunächst einmal erfolgsneutral, d.h. ohne Ge-winnauswirkungen gebildet werden, sind sie bei einer späterenVeräußerung der Organbeteiligung mit einkommensver-ändernder Wirkung aufzulösen. Dabei führt die Auflösung ak-tiver Ausgleichsposten zu Aufwand, die Auflösung passiverAusgleichsposten zu Ertrag. Den Grundfall definiert § 14Abs. 4 S. 2-4 KStG: Im Zeitpunkt der Veräußerung der Organ-beteiligung erfolgt eine erfolgswirksame Verwendung der Aus-gleichsposten zugunsten oder zu Lasten des Organträgerein-kommens; wegen der „Beteiligungsnähe“ der Ausgleichspostensind – abhängig vom Steuerstatus des Organträgers – für dasverbleibende Nettoveräußerungsergebnis außerbilanziell ent-weder die Teileinkünfteregelungen der §§ 3 Nr. 40, 3c Abs. 2EStG (natürliche Personen/Personengesellschaften mit natürli-chen Mitunternehmern) oder die Beteiligungsertragsbefreiungmit entsprechenden Verlustabzugsverboten gem. § 8b KStG(bei Körperschaften) anzuwenden. Ohne Veräußerung sindAusgleichsposten nicht erfolgswirksam aufzulösen. R 14.8.Abs. 3 KStR 2015 erwähnt deshalb nur klarstellend, dass dieBeendigung eines GAV keine Ausgleichspostenauflösung ver-langt. Des Weiteren sind einer Veräußerung gleichgestellt ins-besondere (keine abschließende Regelung) die Umwandlungder Organgesellschaft auf eine Personengesellschaft oder einenatürliche Person (mit Rechtsform begründeter Zwangsbeendi-gung der körperschaftsteuerlichen Organschaft), die verdeckteEinlage der Beteiligung an der Organgesellschaft und schließ-lich die Auslösung der Organgesellschaft. Steuerunschädlichsind dagegen Einbringungen der Organgesellschaft zu Buch-werten gem. § 21 UmwStG im Wege eines Anteilstauschs sowiedie buchwertverknüpfte Verschmelzung der Organgesellschaftauf eine andere Kapitalgesellschaft (Ausgleichsposten bleibtbeim Organträger bestehen). Besonderheiten gibt es bei Aus-gleichspostenkonstellationen in mehrstufigen Organschafts-strukturen.32

29 Vgl. eingehender Gosch/Neumann, KStG, 3. Aufl. 2015, 14 Rz. 429-434.Ergänzend auch BFH, Urt. v. 18.6.2015 – IV R 6/11, GmbHR 2015, 1058.

30 Vgl.Müller/Stöcker/Lieber, Die Organschaft, 10. Aufl. 2017, Rz. 566.

31 So ausdrücklich BFH v. 15.3.2017 – I R 67/15, BFH/NV 2017, 1276. ZurEinordnung Gosch/Adrian, GmbHR 2017, 965; von Freeden/Lange, DB2017, 2055; kritisch Dötsch/Pung, DB 2018, 1424.

32 Vgl. Dötsch/Pung, Der Konzern 2018, 293.

FR 20/2018 Aufsätze 923Prinz – Ertragsteuerliche Organschaft – Bestandsaufnahme, Systematik, Problembereiche

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Folgewirkungen organschaftlicher Mehr- und Minder-abführungen bei der Organgesellschaft

Folgewirkungen organschaftlicher Mehr- und Minderabfüh-rungen sind bei der abführungsverpflichteten/verlusterzielen-den Organgesellschaft zu berücksichtigen. Dies beschreibt § 27Abs. 6 KStG dahingehend: Minderabführungen erhöhen,Mehrabführungen mindern das Einlagekonto einer Organge-sellschaft, wenn sie ihre Ursache in organschaftlicher Zeit ha-ben. Im Übrigen kann sich daraus nach § 27 Abs. 1 S. 4 KStGausnahmsweise ein negatives Einlagekonto ergeben. Die Ein-lagewirkungen sind stets mit 100 % der Mehr- oder Minder-abführungen zu berücksichtigen, also nicht quotal wie bei derAusgleichspostenbildung selbst. Im Übrigen dürfen aktive undpassive Ausgleichsposten nicht saldiert werden. Der Betei-ligungsbuchwert an der Organgesellschaft bleibt beim Organ-träger von Mehr- oder Minderabführungen unberührt; diesefinden nur in den Ausgleichsposten ihren Ausdruck.

Abgrenzung zu vororganschaftlichen Abführungen

Vororganschaftliche sind von innerorganschaftlichen Mehr-und Minderabführungen zu unterscheiden. Abgestellt wird da-bei auf den Zeitpunkt der Begründung der Abweichung zwi-schen Handels- und Steuerbilanz innerhalb oder außerhalb derOrganschaftszeit, wobei eine geschäftsvorfallbezogene Kausal-analyse nach zeitlichem Trennungsmerkmal durchgeführt wer-den muss. Gemäß § 14 Abs. 3 KStG gelten vororganschaftlicheMehrabführungen als Gewinnausschüttungen der Organgesell-schaft an den Organträger, die zum Entstehen von Kapital-ertragsteuer gem. § 44 Abs. 7 EStG spätestens 8 Monate nachAblauf des Wirtschaftsjahres der Organgesellschaft führen.Vororganschaftliche Minderabführungen sind als Einlagendurch den Organträger in die Organgesellschaft zu behandeln.Eine Ausgleichspostenproblematik besteht insoweit nicht. We-gen der unterschiedlichen Rechtsfolgen ist eine Unterscheidungzwischen vororganschaftlichen und innerorganschaftlichenMehr- und Minderabführungen zwingend. Im Einzelfall tau-chen vielschichtige, komplexe Abgrenzungsfragen auf, die sichzudem auf außer- und nachorganschaftlcihe Mehr-/Minder-abführungen erstrecken können. Um die mitunter unübersicht-lichen Fallkonstellationen praktikabel zu handhaben, solltenbetroffene Unternehmen deshalb poolgestützte Instrumentezur Erfassung/Nachverfolgung organschaftlicher und vor-organschaftlicher Mehr-/Minderabführungen einsetzen. Der-artige Erfassungstools können in das Rechnungswesen inte-griert werden.

III. Gebot der Stunde: Modernes Gruppenbesteue-rungssystem ohne GAV-Notwendigkeit

Das zentral an den GAV als Kernkriterium anknüpfende er-tragsteuerliche Organschaftsrecht wird in der Besteuerungspra-xis zunehmend als veraltet und reformierungsbedürftig emp-funden. Die Gründe dafür sind vielfältig. Die vor allem im Hin-blick auf den Gewinnabführungsvertrag stark formalisiertenOrganschaftskriterien mit ihrem Spannungsverhältnis zu denrein gesellschaftsrechtlichen Erfordernissen führen vermehrt zusog. verunglückten Organschaften. Des Weiteren hat sich diehandelsbilanzielle Anknüpfung des Gewinnabführungsvertra-ges spätestens seit dem BilMoG v. 25.5.2009 von den steuerlich

an den Organträger zuzurechnenden Einkommensteilen ent-fernt mit der Folge nur schwierig zu handhabender vor- undinnerorganschaftlicher Mehr- und Minderabführungen (§ 14Abs. 3 und 4 KStG). Das zunehmend IFRS-geprägte deutscheHandelsbilanzrecht hat sich von dem früheren Konzept vonsog. Einheitsbilanzen, bei denen Handels- und Steuerbilanzüber die Maßgeblichkeit eng verknüpft waren, zwischenzeitlichgelöst. Schließlich wird der hierarchische Ausgangspunkt derertragsteuerlichen Organschaft mit seinem strikten Unter- undÜberordnungsverhältnis den zunehmend virtuell ausgestaltetenKonzernrealitäten häufig nicht mehr gerecht. Auch bei einemRechtsvergleich internationaler Gruppenbesteuerungssystemeist festzustellen, dass die Anbindung an einen Gewinnabfüh-rungsvertrag in anderen Ländern ganz überwiegend nicht be-steht.33

Trotz drängender besteuerungspraktischer Unzulänglichkeitenkonnte sich der Steuergesetzgeber allerdings bislang vor allemaus Fiskalgründen (Sicherung inländischen Steuersubstrats)nicht zu einer Umgestaltung der ertragsteuerlichen Organ-schaft nach Maßgabe eines modernen Gruppenbesteuerungs-konzepts durchringen, bei dem auf den Gewinnabführungsver-trag verzichtet wird und die diversen auslandsrelevanten Ver-lustabzugsgrenzen konzeptionell neu geordnet werden. DerGAV stellt aus Fiskalsicht vielmehr eine Art „Bollwerk“ gegeninternational begründete Erosionen inländischer Steuerbemes-sungsgrundlagen dar. Umgesetzt wurde vom Steuergesetzgeberin diesem Bereich bislang lediglich die sog. Kleine Organ-schaftsreform vom 20.2.2013, die – neben partiellen Rechtsver-schärfungen (etwa § 14 Abs. 1 Nr. 5 KStG) – zu zwar wichti-gen, aber nur punktuell wirkenden Entlastungen für nationalund international tätige Konzerne sowie mittelständische Un-ternehmensgruppen geführt hat (insb. § 17 Abs. 1 Nr. 2 KStGmit dynamischem Verlustübernahmeverweis). Im damaligenGesetzgebungsverfahren finden sich allerdings Hinweise, dassdas Ziel eines modernisierten Gruppenbesteuerungssystemsauch nach der Kleinen Organschaftsreform weiter verfolgt wer-den soll, sobald sich dafür finanzielle Spielräume eröffnen. VonSeiten des Steuergesetzgebers ist aber insoweit bislang nichtsweiter geschehen. Schließlich: Entsprechende Modernisie-rungsanregungen und Erfahrungen vermitteln die seit 2005 inÖsterreich bestehenden Regeln zur Gruppenbesteuerung.

Diskussionsimpulse für ein modernisiertes Konzernbesteue-rungskonzept ergeben sich auch aus dem europäischenCCCTB-Richtlinienvorschlag der Europäischen Kommission(zuletzt Richtlinienentwürfe v. 25.10.201634 mit dem Primärzieleiner Bemessungsgrundlagenvereinheitlichung, CCTB). . Imdeutschen Sprachgebrauch ist von der GK(K)B die Rede (Ge-

33 Vgl. als Überblick zu den Kriterien einer Konzernbesteuerung in wichti-gen Industriestaaten Kahle/Schulz in Prinz/Witt (Hrsg.), Steuerliche Or-ganschaft, 2. Aufl. 2018, Kapitel 9. Den gesellschaftsrechtlichen Vertrags-typus eines GAV kennen neben Deutschland nur Österreich, Portugal,Kroatien und Slowenien. Ungeachtet dessen erfordert das österreichischeGruppenbesteuerungssystem aber keinen GAV-Abschluss. Vgl. speziellfür den Fall eines grenzüberschreitenden GAV mit einer ausl. GmbH dieRechtsvergleichungen bei Koehler, Der Konzern 2018, 325.

34 Vgl. zu den verschiedenen Entwicklungsständen eines europäischenCCCTB-Richtlinienvorschlags als Überblick Scheffler/Köstler, Richtlinieüber eine gemeinsame Körperschaftsteuer-Bemessungsgrundlage – mehrals eine Harmonisierung der steuerlichen Gewinnermittlung, ifst-Schrift518 (Juni 2017); Kraus, IStR 2017, 479; Benz/Böhmer, DB 2016, 2800; Ja-kob/Fehling, IStR 2017, 290.

924 Aufsätze FR 20/2018Prinz – Ertragsteuerliche Organschaft – Bestandsaufnahme, Systematik, Problembereiche

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meinsame Konsolidierte Körperschaftsteuer Bemessungsgrund-lage). Auch Deutschland und Frankreich streben in ihren Ver-handlungen über eine gemeinsame Unternehmensbesteuerungeine solche Vereinheitlichung der Bemessungsgrundlage inRichtung der GKB-Richtlinie an, wobei der Ausgang der Be-mühungen noch offen ist.35 Darüber hinaus wurden mit wis-senschaftlicher Unterstützung verschiedene Gruppenbesteue-rungsmodelle vorgestellt und evaluiert.36 Sollte der Steuerge-setzgeber auf das Erfordernis eines Gewinnabführungsvertrageszukünftig verzichten, so wird sich zum einen die Frage stellen,ob dies in der Praxis zu einem Bedeutungsverlust des GAV alsUnternehmensvertrag auch im Gesellschaftsrecht führen wirdmit einer gleichzeitigen Stärkung des „faktischen Konzern-rechts“. Auf jeden Fall wird sich das Recht der Unternehmens-verträge dann wieder mehr auf seine eigenständige Teleologiekonzentrieren müssen, ohne „unbotmäßigen“ steuerlichen Ein-fluss. Auf der anderen Seite werden steuerliche Gruppen-besteuerungskonzepte ohne GAV vermutlich zu einer Bedeu-tungszunahme anderweitiger Steuerumlageverträge führen.Denn die Eigenständigkeit der jeweiligen Rechtsperson wird esnicht ohne weiteres zulassen, seine Steuerpflichten bzw. Steuer-chancen bei einem anderen Rechtsträger zu allokieren; vor al-lem Steuerumlageverträge dürfen wegen § 76 AktG insb. füreine AG als abhängige Gesellschaft erforderlich sein. Insoweitwird der steuerliche Verzicht auf einen GAV zu bedeutsamengesellschaftsrechtlichen Folgewirkungen führen müssen.

Prof. Dr. Ulrich Prinz

Diplom-Kaufmann, Wirtschaftsprüfer und Steu-erberater, Partner Of Counsel

WTS Steuerberatungsgesellschaft mbH, Köln

Schwerpunkt: Konzernsteuerrecht, Bilanzsteuer-recht, Gestaltung und Durchführung von Um-strukturierungen

[email protected]

www.wts.de

Richter am BFH Dr. Jens Reddig, München

Zum 11-jährigen Geburtstag des Investitionsabzugs-betrags – Zeit für eine Bestandsanalyse

Nicht nur die Finanz-Rundschau, auch der Investitionsabzugs-betrag feiert(e) Geburtstag – wenn auch erst den beschaulich elf-ten. Eingeführt durch das Unternehmensteuerreformgesetz 2008(UntStRefG v. 14.8.2007, BGBl. I 2007, 1912), ist die seinerzeitvöllig neu gefasste Vorschrift des § 7g EStG für alle nach dem17.8.2007 endende Wirtschaftsjahre anwendbar (§ 52 Abs. 23Satz 1 EStG i.d.F. des UntStRef)G; der Schritt ins „Teenager“-Zeitalter ist demnach kein weiter mehr. Der Verf. unterzieht denInvestitionsabzugsbetrag einer eingehenden praktischen Analyseund bezieht zu den noch verbliebenen Zweifelsfragen Stellung.

I. Einführung

Die mit dem Investitionsabzug bezweckte Verbesserung der Li-quidität, Eigenkapitalausstattung sowie Investitions- und Inno-vationsbereitschaft kleinerer und mittlerer Betriebe1 war aller-dings keine originäre Errungenschaft des UntStRefG. Bereitsgut zwölf Jahre vorher – mit Wirkung ab dem Jahr 1995 – hatteder Gesetzgeber mit dem Standortsicherungsgesetz (StandOG)

vom 13.9.19932 die Vorgängerregelung, die sog. Anspar-abschreibung, eingeführt. Hiernach konnten – bei letztlich glei-chem Förderzweck – die Inhaber von Betrieben bestimmterGrößenklassen für die künftige Anschaffung oder Herstellungbeweglicher Anlagegüter eine Rücklage von maximal 45 % dervoraussichtlichen Erwerbskosten zu Lasten des Gewinns in Ab-zug bringen. Die Rücklage war sodann im Zeitpunkt der Inves-tition, ansonsten nach Ablauf der zweijährigen Investitionsfristgewinnerhöhend3 aufzulösen.4 Durch die „Vorwegabschrei-bung“ in der Ansparphase sollte ein gewisser Steuerstundungs-effekt erreicht und folglich die Liquidität für die anstehende In-

35 Zum Stand der Verhandlungen über eine gemeinsame deutsch-französi-sche Unternehmensbesteuerung vgl. die Antwort der Bundesregierungauf die Kleine Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen v. 18.5.2018,BT-Drucks. 19/2218.

36 Vgl. zu einer Bestandsaufnahme und einem Reformvorschlag ifst-SchriftNr. 471 (Juni 2011) mit dem Titel: Einführung einer modernen Gruppen-besteuerung – ein Reformvorschlag. Die ifst-Arbeitsgruppe stand unterder Leitung von Johanna Hey, deren Mitglieder stammten aus Wissen-schaft, Finanzverwaltung sowie Unternehmens- und Beratungspraxis.Vgl. weiterhin v. Wolfersdorff, ifst-Schrift Nr. 481 (September 2012); Is-mer, BFH v. 18.7.2012 – X R 41/11, DStR 2012, 821; Lüdicke, van Lishaut,Herzig, Krebühl sowie Carl-Heinz Witt, FR 2009, 1025-1049. Vgl. ergän-zend auch den BMF-Bericht der Facharbeitsgruppe „Verlustverrechnungund Gruppenbesteuerung“ v. 15.9.2011, in dem verschiedene Gruppen-besteuerungsmodelle evaluiert und stets unter Hinweis auf erhebliche Fis-kalgefahren abgelehnt wurden. Zu einer – schon deutlich älteren – Be-standsaufnahme vgl. auch Müller-Gatermann in FS für Wolfgang Ritter,Köln 1997, 457-473.

1 BT-Drucks. 16/4841, 51.

2 BGBl. I 1993, 1569.

3 Im Falle der Nichtinvestition war die Rücklage (Ansparabschreibung) zu-dem mit einem Gewinnzuschlag von 6 % je Jahr zu verzinsen (§ 7g Abs. 5EStG a.F.).

4 Vgl. hierzu § 7g Abs. 3 bis 6 EStG i.d.F. des StandOG.

FR 20/2018 Aufsätze 925Reddig – Zum 11-jährigen Geburtstag des Investitionsabzugsbetrags – Zeit für eine Bestandsanalyse

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vestition gestärkt werden.5 Nachdem der Förderhöchstbetragfür die Ansparabschreibung zwischenzeitlich auf sogar 50 %der voraussichtlichen Kosten angehoben worden war,6 wurdeer durch das Steuersenkungsgesetz (StSenkG)7 beginnend abdem Jahr 2001 auf den auch heute noch aktuellen Satz von40 % abgeschmolzen.8

Erst sieben weitere Jahre später entschloss sich der Gesetzgeber– womöglich motiviert durch die Sorge vor missbräuchlichenInanspruchnahmen der Vorschrift9 – zu einer grundlegendenReform des § 7g EStG und tauschte die Ansparabschreibungdurch einen außerbilanziell zu vollziehenden10 Investitions-abzugsbetrag aus.11 Geschaffen wurde ein „steuerlicher Drei-klang“ aus Investitionsabzug, einer gewinnerhöhenden Hin-zurechnung bei Erwerb des begünstigten Anlageguts sowie ei-nem – wahlweise möglichen – Ausgleich dieser Gewinnerhö-hung durch Inanspruchnahme einer Herabsetzung der An-schaffungs-/Herstellungskosten des Wirtschaftsguts.12 Die In-vestitionsfrist verlängerte sich auf drei Jahre. Neu (und im Sin-ne der beabsichtigten Missbrauchsvermeidung auch elementar)war zudem, bei nicht erfolgter Investition nicht – wie zuvor –der Gewinn des Steuerjahres des Fristablaufs zu erhöhen, son-dern rückwirkend denjenigen des Abzugsjahres.

Die bislang letzte einschneidende Änderung „auf dem Weg insJugendalter“ erfolgte durch das Steueränderungsgesetz(StÄndG) 2015.13 Zum einen verzichtet das Gesetz nunmehrauf den Nachweis (bzw. sogar das Vorliegen) der Investitions-absicht, so dass ein Abzug nach § 7g Abs. 1 EStG für nach dem31.12.2015 endende Wirtschaftsjahre losgelöst von einem kon-kreten Anschaffungsvorhaben, sondern bereits im Hinblick aufeine offenbar gesetzlich unterstellte, jedenfalls generell jederzeitbestehende Investitionsbereitschaft gebildet werden kann. Ausdiesem Grund wird die Neuausgestaltung des Investitions-abzugs zum Teil als „Fiskalkredit“ tituliert.14 Zum anderen istdie gewinnerhöhende Hinzurechnung nunmehr ausdrücklichals Wahlrecht konzipiert.

Begleitet wurde der Schaffens- und Entwicklungsprozess desInvestitionsabzugs durch mittlerweile drei ausführliche Anwen-dungsschreiben des BMF, zuletzt aus März 2017.15

Der nachfolgende Beitrag zeigt geklärte und die noch wenigenungeklärten Fragen aus dem Kernbereich des § 7g EStG auf.

II. Betriebsbezogene Förderung/Förderhöchstgrenze/Betriebsgrößengrenzen

§ 7g Abs. 1 EStG gestattet sowohl für Gewerbetriebe als auchfür der selbständigen sowie der land- und forstwirtschaftlichenTätigkeit dienenden Unternehmen für die künftige Anschaf-fung/Herstellung abnutzbarer beweglicher Wirtschaftsgüter desAnlagevermögens eine Gewinnminderung durch einen Investi-tionsabzug i.H.v. maximal 40 % der voraussichtlichen Erwerbs-kosten, sofern im Abzugsjahr die in § 7g Abs. 1 Satz 2 Nr. 1EStG genannten Betriebsgrößengrenzen nicht überschrittenwerden. Gefördert werden soll das Mittelstandsunternehmen.16

Die Anschaffung von Umlaufvermögen ist nicht begünstigt,ebenso wenig der Erwerb von steuerlichem Privatvermögen,das zur Einkünfteerzielung eingesetzt wird.

Obwohl § 7g Abs. 1 Satz 1 EStG tatbestandlich an den „Steuer-pflichtigen“ anknüpft, ist geklärt, dass die Förderung – andersals z.B. § 6b EStG – nicht personen-, sondern betriebsbezogen

ausgerichtet ist.17 Aus diesem Grund kann ein Steuerpflichti-ger, der mehrere selbständige Gewerbebetriebe führt, den Ma-ximalförderbetrag von 200.000 € (= 500.000 € Investitionsvolu-men) nicht nur einmal, sondern je Betrieb beanspruchen (vgl.§ 7g Abs. 1 Satz 4 EStG). Anderes gilt für unselbständige Be-triebsstätten bzw. zumindest organisatorisch selbständige Teil-betriebe. Entscheidend ist, ob im ertragsteuerlichen Sinne nureine oder aber mehrere Gewinnermittlungseinheiten vorliegen.Dass hierbei ein Einzelunternehmer, der verschiedene Betriebeunterhalten und damit die Förderhöchstgrenze des § 7g EStGmehrfach nutzen kann, gegenüber einer Personengesellschaft,die wegen § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG auch bei verschiedenartigenTätigkeiten stets nur einen Betrieb führt, steuerlich privilegiertist, hält der BFH für verfassungsrechtlich unbedenklich.18

Jedenfalls der Wortlaut des § 7g Abs. 1 Satz 1 EStG scheint dieBildung des Investitionsabzugs zudem davon abhängig zu ma-chen, dass bereits im Abzugsjahr prognostisch eine (fast) aus-schließliche betriebliche Nutzung des Wirtschaftsguts bis min-destens zum Ende des auf den Erwerb folgenden Wirtschafts-jahres absehbar ist. Dieser Schein trügt: Der Abzug wird inso-weit zunächst bedingungslos gewährt. Werden die Nutzungs-und Verbleibensvoraussetzungen retrospektiv nicht erfüllt,wird nach § 7g Abs. 4 EStG rückabgewickelt.19

Bei Gewerbebetrieben und Betrieben mit Einkünften nach § 18EStG, die entweder gesetzlich verpflichtend oder freiwillig bi-lanzieren, knüpft die Betriebsgrößengrenze nach § 7g Abs. 1Satz 2 Nr. 1a EStG an das Betriebsvermögen an. Maßgeblich istdas in der Steuerbilanz ausgewiesene Kapitalkonto zum Schlussdes Wirtschaftsjahres, in dem der Abzug gebildet werden soll.20

5 BT-Drucks. 12/4487, 33.

6 Missbrauchsbekämpfungs- und Steuerbereinigungsgesetz (StMBG) vom21.12.1993, BGBl. I 1993, 2310.

7 Vom 23.10.2000, BGBl. I 2000, 1433.

8 Der Regierungsentwurf zum StSenkG sah mit Blick auf die mit jenem Ge-setz geplante (und auch vollzogene) Absenkung der Einkommen- undKörperschaftsteuersätze sogar eine gänzliche Abschaffung von § 7g EStGvor (BT-Drucks. 14/2683, 113 sowie 14/3074, 4). Erst auf Initiative desVermittlungsausschusses wurde die Ansparabschreibung beibehalten undals Kompromiss lediglich der Förderhöchstsatz gesenkt (BT-Drucks. 14/3760, 2).

9 Bei ausbleibender (ggf. von Anfang an nicht beabsichtigter) Investitionwaren dem Steuerpflichtigen aufgrund der seinerzeitigen Berichtigungs-technik die Vorteile aus einer Gewinnverlagerung und Progressionsglät-tung zu belassen. Der X. Senat des BFH spricht in seiner Entscheidungvom 20.6.2012 (X R 42/11, BStBl. II 2013, 719) insoweit von „Konstrukti-onsmängeln“ des § 7g EStG.

10 BT-Drucks. 16, 4841, 51.

11 UnStRefG vom 14.8.2007, BGBl. I 2007, 1912.

12 Die Sonderabschreibung nach § 7g Abs. 5 EStG blieb beibehalten.

13 Vom 2.11.2015, BGBl. I 2015, 1834. Zu weiteren Hinweisen auf die ge-setzliche Entwicklung von § 7g EStG vgl. Meyer in Herrmann /Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 7g EStG Rz. 2.

14 Vgl. Korn/Strahl, KÖSDI 2016, 20037, 20042; Wendt, FR 2016, 1102,1103, der die Gefahr einer „Besteuerung nach Wahl“ aufzeigt.

15 BMF, Schr. v. 8.5.2009, BStBl. I 2009, 633; vom 20.11.2013, BStBl. I 2013,1493 sowie vom 20.3.2017, BStBl. I 2017, 423.

16 Ausführlich hierzu Roland in Bordewin/Brandt, EStG, § 7g Rz. 4 ff.

17 BFH, Urt. v. 19.3.2014 – X R 46/11, BStBl. II 2017, 291; vom 13.7.2016 –VIII R 56/13, BStBl. II 2016, 936, FR 2017, 153; Blümich/Brandis, EStG,§ 7g Rz. 57.

18 BFH, Urt. v. 13.7.2016 – VIII R 56/13, BStBl. II 2016, 936, FR 2017, 153.

19 Siehe hierzu unten VI.

20 BFH, Urt. v. 3.8.2017 – IV R 12/14, BStBl. II 2018, 20.

926 Aufsätze FR 20/2018Reddig – Zum 11-jährigen Geburtstag des Investitionsabzugsbetrags – Zeit für eine Bestandsanalyse

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Mit vorausschauendem Weitblick besteht insoweit Gestaltungs-potential, sei es durch rechtzeitige Entnahmen oder – bei Kapi-talgesellschaften – durch ebenso rechtzeitige Ausschüttungenbzw. zumindest bis zum Abschlussstichtag gefasste Ausschüt-tungsbeschlüsse.21 Der Investitionsabzug mindert wegen dessenaußerbilanzieller Wirkung das bilanzielle Kapitalkonto nicht;umgekehrt erhöht die Hinzurechnung nach § 7g Abs. 2 Satz 1EStG das Betriebsvermögen nicht. Der Anspruch auf Investiti-onszulage nach dem InvZulG gehört zwar nicht zu den steuer-pflichtigen Einkünften (§ 12 Satz 1 InvZulG), wohl aber zählter zum steuerlichen Betriebsvermögen, so dass hierdurch dieBetriebsgrößengrenze überschritten werden kann.22 Die Ge-werbesteuerrückstellung ist als bilanzieller Minderungspostenzu berücksichtigen; das seit dem Jahr 2008 geltende steuerlicheAbzugsverbot für den Gewerbesteueraufwand gem. § 4 Abs. 5bEStG greift lediglich außerbilanziell.23 Systematisch nicht nach-vollziehbar ist dagegen die Vorgabe der Finanzverwaltung,Körperschaft- und Gewerbesteuerrückstellungen könnten – ob-wohl in der Bilanz anders erfasst – für Zwecke der Grenz-betrachtung nach § 7g Abs. 1 Satz 2 Nr. 1a EStG sogar in derHöhe mindernd berücksichtigt werden, die sich ergäbe, wennder Investitionsabzug nicht (steuersenkend) gebildet würde.24

Bei Betrieben der Land- und Forstwirtschaft gilt als Grenzwertein nach den Vorschriften des BewG ermittelter Wirtschafts-wert bzw. – bei Betrieben im Beitrittsgebiet – Ersatzwirtschafts-wert i.H.v. 125.000 € (§ 7g Abs. 1 Satz 2 Nr. 1b EStG).

Für Gewerbebetriebe, Betriebe i.S.v. § 18 EStG und auch land-und forstwirtschaftliche Betriebe, die ihren Gewinn durch Ein-nahmen-Überschuss-Rechnung ermitteln, findet eine Gewinn-grenze von 100.000 € Anwendung, § 7g Abs. 1 Satz 2 Nr. 1cEStG. Unerheblich ist, ob der Wert des Betriebsvermögens denGrenzwert des § 7g Abs. 1 Satz 2 Nr. 1a EStG überschreitet;Nr. 1c EStG ist insofern lex specialis.25 Gewinn i.S.d. Vorschriftist grundsätzlich derjenige, der auch der Besteuerung zugrundezu legen ist;26 nichtabzugsfähige Betriebsausgaben (z.B. die ge-zahlte Gewerbesteuer, § 4 Abs. 5b EStG) bleiben somit auch fürdie Bestimmung der Betriebsgrößengrenze außen vor. Eine ge-setzliche Ausnahme hiervon gilt indes: Die 100.000 €-Grenzeist frei von dem beanspruchten Investitionsabzug zu ermitteln,dieser kann somit nicht als Gestaltungsmittel für die Eröffnungseines eigenen sachlichen Anwendungsbereichs genutzt wer-den. Über den deutlichen Wortlaut der Vorschrift („... ohneBerücksichtigung der Investitionsabzugsbeträge ...“) hinauswollen die Finanzverwaltung27 und auch das überwiegendeSchrifttum28 spiegelbildlich auch die gewinnerhöhend wirken-de Hinzurechnung nach § 7g Abs. 2 Satz 1 EStG nicht in dieGrenze einbeziehen. Zwingend ist dies m.E. nicht, da sich dieHinzurechnung nach dem jüngsten Verständnis des BFH nichtals bloßer actus contrarius zum Investitionsabzug darstellt,sondern vordergründig an die Investition in ein begünstigtesWirtschaftsgut anknüpft.29 Ein Bedürfnis hierzu besteht auchnicht, da der Steuerpflichtige durch eine Herabsetzung der Er-werbskosten die Hinzurechnungs-Gewinnerhöhung vollständigkompensieren kann (§ 7g Abs. 2 Satz 2 EStG). In der Über-gangszeit zwischen der (alten) Ansparabschreibung und demInvestitionsabzugsbetrag waren zudem Erträge aus der Auf-lösung jener – ungenutzt gelassenen – Ansparabschreibung beider Bestimmung der 100.000 €-Gewinngrenze einzubeziehen.30

Auch gewerbliche, freiberufliche oder land- und forstwirt-schaftliche Personengesellschaften können Investitionsabzüge

beanspruchen. Dies gilt – mangels Vorliegens von Betriebsver-mögen – nicht für rein vermögensverwaltende Gesellschaften,wohl aber für gewerblich infizierte bzw. gewerblich geprägtePersonengesellschaften i.S.v. § 15 Abs. 3 Nr. 1 und 2 EStG. Be-günstigt werden sowohl Investitionen im Gesamthandsbereichals auch solche im Sonderbetriebsvermögen.31 Die betriebs-bezogene Wirkung der Vorschrift zeigt sich daran, dass nach§ 7g Abs. 7 EStG anstelle des „Steuerpflichtigen“ die „Gesell-schaft“ tritt. Gerade deswegen kommt es für die Betriebsgrö-ßengrenze nach § 7g Abs. 1 Satz 2 Nr. 1a EStG bei bilanzieren-den Personengesellschaften auf den Gesamtwert des steuerli-chen Betriebsvermögens an. Maßgebend ist das konsolidierteErgebnis aus Gesamthands- und etwaigen Sonder- bzw. Ergän-zungsbilanzen.32 Bei Gewinnermittlung durch Einnahmen-Überschuss-Rechnung (z.B. Freiberufler-Personen-gesellschaften) bezieht sich die 100.000 €-Grenze des § 7gAbs. 1 Satz 2 Nr. 1c EStG auf das addierte Ergebnis aus demGesamthandsbereich zzgl. der Sonder- und Ergänzungsrech-nungen. Der Maximalförderbetrag von 200.000 € umfasst ne-ben den im Gesamthandsvermögen gebildeten Abzugsbeträgenauch die Sonderbetriebsabzugsbeträge.33 Hohe Investitionsvor-haben im Bereich des Sonderbetriebsvermögens der Gesell-schafter können somit Investitionsabzugsbeträge im Gesamt-handsbereich beschränken oder womöglich ganz sperren.

III. Bildung des Investitionsabzugs

1. Grundsätze – Neues durch das StÄndG 2015

Während für Investitionsabzüge, die für bis zum 31.12.2015endende Wirtschaftsjahre beansprucht wurden, Voraussetzungwar, dass der Unternehmer das zu erwerbende Wirtschaftsgutgegenüber dem Finanzamt „seiner Funktion nach benennt“34

21 Schmidt/Kulosa, EStG, 37. Aufl., § 7g Rz. 15; BFH, Beschl. v. 25.2.2014 – IB 133/13, BFH/NV 2014, 860 .

22 BFH, Urt. v. 3.8.2017 – IV R 12/14, BStBl. II 2018, 20; kein Verstoß gegendie Totalgewinngleichheit im Vergleich zur Gewinnermittlung nach § 4Abs. 3 EStG.

23 Schmidt/Loschelder, EStG, 37. Aufl., § 4 Rz. 618.

24 BMF, Schr. v. 20.3.2017 – IV C 6 - S 2139-b/07/10002-02 – DOK 2017/0202664 – IV C 6 - S 2139-b/07/10002-02 – DOK 2017/0202664 – IV C 6- S 2139-b/07/10002-02 – DOK 2017/0202664, BStBl. I 2017, 423 = FR2017, 447 = FR 2017, 447= FR 2017, 447 Rz. 13; kritisch Schmidt/Kulosa,EStG, 37. Aufl., § 7g Rz. 15.

25 Meyer in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 7g EStG Anm. 30.

26 BMF, Schr. v. 20.3.2017 – IV C 6 - S 2139-b/07/10002-02 – DOK 2017/0202664 – IV C 6 - S 2139-b/07/10002-02 – DOK 2017/0202664, BStBl. I2017, 423 = FR 2017, 447 = FR 2017, 447 Rz. 17.

27 BMF, Schr. v. 20.3.2017 – IV C 6 - S 2139-b/07/10002-02 – DOK 2017/0202664 – IV C 6 - S 2139-b/07/10002-02 – DOK 2017/0202664, BStBl. I2017, 423 = FR 2017, 447 = FR 2017, 447 Rz. 13.

28 Wendt, FR 2015, 1031; Schmidt/Kulosa, EStG, 37. Aufl., § 7g Rz. 17; Mey-er in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 7g EStG Anm. 30.

29 BFH, Beschl. v. 15.11.2017 – VI R 44/16, BFHE 260, 131 = FR 2018, 600.

30 BFH, Urt. v. 15.4.2015 – VIII R 29/13, BStBl. II 2015, 832, FR 2015, 1030;v. 27.1.2016 – X R 2/14, BStBl. II 2016, 534.

31 „Sonderbetriebsabzugsbetrag“, vgl. BMF, Schr. v. 20.3.2017 – IV C 6 - S2139-b/07/10002-02 – DOK 2017/0202664, BStBl. I 2017, 423 = FR 2017,447 Rz. 4.

32 BFH, Urt. v. 2.8.2012 – IV R 41/11, BFHE 238, 135, FR 2012, 1113; Kirch-hof/Pfirrmann, EStG, 18. Aufl., § 7g Rz. 51.

33 Schmidt/Kulosa, EStG, 37. Aufl., § 7g Rz. 24.

34 Vgl. § 7g Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 EStG a.F.

FR 20/2018 Aufsätze 927Reddig – Zum 11-jährigen Geburtstag des Investitionsabzugsbetrags – Zeit für eine Bestandsanalyse

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und demzufolge auch dementsprechend investitionsbeabsich-tigt sein musste,35 haben sich die gesetzlichen Anforderungenab dem Jahr 201636 insoweit elementar reduziert: Investitions-abzüge nach § 7g Abs. 1 EStG können nunmehr „ohne weitereAngaben“ und „ohne Nachweis oder die Glaubhaftmachungvon Investitionsabsichten“ in Anspruch genommen werden.37

Der Steuerpflichtige kann einen Abzug selbst dann vornehmen,wenn er hinsichtlich einer künftigen Anschaffung noch keinekonkreten Vorstellungen hat oder ggf. gar nicht investitions-bereit ist. Der Gesetzgeber begründete seine Lockerungen zumeinen mit Vereinfachungs- und Bürokratieabbaubestrebungen.Zum anderen würde missbräuchlichen Gestaltungen bereits da-durch hinreichend vorgebeugt, dass bei ausbleibenden Investi-tionen das Abzugsjahr rückwirkend geändert wird.38

Der Steuerpflichtige muss somit den Abzugsbetrag nicht mehreiner einzelnen Investition individuell zuordnen. Er kann – un-ter Beachtung des 200.000 €-Maximalbetrags – letztlich „aufZuruf“ die Steuerlast des Abzugsjahres reduzieren. Dies magaus Steuersparmotiven heraus zunächst vordergründig äußerstreizvoll klingen, fordert aber auch den Weitblick, dass die Fi-nanzverwaltung diesen Steuervorteil bei ungenutzter Inan-spruchnahme nur zeitlich befristet gewährt und sich die fehlen-de Besicherung durch eine Verzinsung von (derzeit noch)39

6 % pro Jahr ausgleichen lässt. Das Insolvenzrisiko des mit ei-ner hieraus resultierenden Rückforderung belasteten Steuer-pflichtigen hat der Gesetzgeber insoweit wohl bewusst in Kaufgenommen.40

Leichtere Verschärfungen gelten insoweit lediglich bei erst inGründung befindlichen Betrieben: Insoweit fordert das BMFwohl zur Vorbeugung vor ungerechtfertigten und später ggf.nicht mehr korrigierbaren Steuervorteilen – m.E. zu Recht –zumindest die Glaubhaftmachung einer Betriebseröffnungs-absicht, die z.B. durch eine Gewerbeanmeldung und/oder be-reits beantragte Kredite indiziert sein soll.41 Nicht mehr not-wendig ist die noch unter Geltung des Regimes für Anspar-abschreibungen erforderliche verbindliche Bestellung des Wirt-schaftsguts42 bzw. der später vom BFH geforderte Nachweis be-reits geführter konkreter Verhandlungen über den Erwerb desWirtschaftsguts.43

2. Künftige Investition

Gebildet werden kann der Investitionsabzug ausweislich § 7gAbs. 1 Satz 1 EStG nur für „künftige“, d.h. in nachfolgendenWirtschaftsjahren zu vollziehende Investitionen. Abzüge fürunterjährige Anschaffungen sind weder vom Gesetzeswortlautnoch vom Förderzweck gedeckt. Allerdings kann insoweit dieSonderabschreibung nach § 7g Abs. 5 EStG helfen.

Für bis zum 31.12.2015 gebildete – einem konkreten Anschaf-fungsvorhaben zugeordnete – Investitionsabzüge wurde kon-trovers diskutiert, ob ein im Erstjahr bereits abgezogener Betragim Folgejahr (noch vor dem Investitionsjahr) innerhalb derFördergrenzen des § 7g Abs. 1 Satz 1 EStG gewinnminderndaufgestockt werden konnte. Die Finanzverwaltung hatte dieszunächst verneint,44 wurde später insoweit aber durch denBFH „ausgebremst“, der diese Einschränkung als nicht mitdem Wortlaut des § 7g EStG vereinbar ansah.45 Für ab dem1.1.2016 zu bildende Investitionsabzüge stellt sich die Aufsto-ckungs-Problematik nicht mehr. Der Unternehmer kann man-gels Erfordernisses einer wirtschaftsgutbezogenen Investitions-

absicht jederzeit innerhalb des Maximal-Förderbetrags von200.000 € weitere, d.h. letztlich neue Abzugsbeträge bilden unddamit zumindest faktisch aufstocken.

3. Zeitpunkt der Geltendmachung

Das Gesetz gibt in § 7g EStG nicht vor, bis zu welchem Zeit-punkt der Investitionsabzug gegenüber dem Finanzamt geltendzu machen ist. Die Finanzverwaltung lässt neben einem Abzugim Rahmen der Steuererklärung auch einen späteren Antrag –z.B. im Rechtsbehelfs- oder Klageverfahren – zu.46 Dies istauch zutreffend, handelt es sich beim Investitionsabzug dochum ein steuerliches Wahlrecht, das ausgeübt und geändert wer-den kann, solange der zugrunde liegende Steuerbescheid nochnicht formell und materiell bestandskräftig ist.47 Ggf. sind dieSchranken des § 351 Abs. 1 AO zu beachten. Keine Beschrän-kungen ergeben sich bei bilanzierenden Unternehmen aus § 4Abs. 2 Satz 2 EStG; wegen der außerbilanziellen Wirkung desInvestitionsabzug handelt es sich eben nicht um eine Bilanz-änderung.

Als geklärt dürfte inzwischen anzusehen sein, dass der Anlassfür eine erst spätere Geltendmachung des Investitionsabzugsunbeachtlich ist. Geschützt ist selbst das Motiv der Kompensa-tion nachträglicher Gewinnerhöhungen, z.B. nach einer Be-triebsprüfung.48 Während hierfür für die bis zum 31.12.2015 zubeachtende Rechtslage die neuere BFH-Rechtsprechung ange-führt werden konnte, wonach zwischen der Bildung des Inves-titionsabzugs und der späteren Anschaffung kein Finanzie-rungszusammenhang (mehr) bestehen musste und daher auchdas bloße Streben nach Steuerersparnis zum nachträglichenAbzug berechtigte,49 hat sich die Rechtslage durch das StÄndG

35 Vgl. § 7g Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 EStG a.F.: „...[wenn] der Steuerpflichtige be-absichtigt, ...“.

36 Zum inzwischen grundsätzlich geltenden Erfordernis einer Datenfern-übertragung nach § 7g Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 EStG und Härtefallregelungenhierzu vgl. BMF, Schr. v. 20.3.2017 – IV C 6 - S 2139-b/07/10002-02 –DOK 2017/0202664, BStBl. I 2017, 423 = FR 2017, 447 Rz. 24-26.

37 BMF, Schr. v. 20.3.2017 – IV C 6 - S 2139-b/07/10002-02 – DOK 2017/0202664, BStBl. I 2017, 423 = FR 2017, 447 Rz. 5.

38 BT-Drucks. 18/4902, 42; vgl. auch Blümich/Brandis, EStG, § 7g Rz. 36.

39 Vgl. BFH, Beschl. v. 25.4.2018 – IX B 21/18, BStBl. II 2018, 415.

40 Schmidt/Kulosa, EStG, 37. Aufl., § 7g Rz. 19.

41 BMF, Schr. v. 20.3.2017 – IV C 6 - S 2139-b/07/10002-02 – DOK 2017/0202664, BStBl. I 2017, 423 = FR 2017, 447 Rz. 3.

42 Vgl. hierzu u.a. BFH, Urt. v. 25.4.2002 – IV R 30/00, BStBl. II 2004, 182,FR 2002, 885.

43 BFH, Urt. v. 20.6.2012 – X R 42/11, BStBl. II 2013, 719.

44 BMF, Schr. v. 20.11.2013 – IV C 6 - S 2139-b/07/10002 – DOK 2013/1044077, BStBl. I 2013, 1493 = FR 2014, 200 Rz. 6.

45 BFH, Urt. v. 12.11.2014 – X R 4/13, BStBl. II 2016, 38 = FR 2015, 1032;nachfolgend auch BMF, Schr. v. 15.1.2016 – IV C 6 - S 2139-b/13/10001 –DOK 2016/0020329, BStBl. I 2016, 83 = FR 2016, 149.

46 BMF, Schr. v. 20.3.2017 – IV C 6 - S 2139-b/07/10002-02 – DOK 2017/0202664, BStBl. I 2017, 423 = FR 2017, 447 Rz. 21.

47 Vgl. BFH, Urt. v. 9.12.2015 – X R 56/13, BStBl. II 2016, 967, FR 2016, 628– zur antragsabhängigen Tarifermäßigung nach § 34 Abs. 3 EStG.

48 Anders noch BMF, Schr. v. 20.11.2013 – IV C 6 - S 2139-b/07/10002 –DOK 2013/1044077, BStBl. I 2013, 1493 = FR 2014, 200 Rz. 24 ff., unver-ständlicherweise auch die Begründung zum StÄndG 2015 (BT-Drucks.18/4902, 42).

49 BFH, Urt. v. 20.3.2016 – IV R 9/14, BStBl. II 2017, 295 = FR 2016, 1097;ebenso BFH, Urt. v. 6.4.2016 – X R 15/14, BStBl. II 2017, 298, FR 2017,276; vgl. auch Wendt, FR 2016, 1102; nachfolgend auch anerkannt durch

928 Aufsätze FR 20/2018Reddig – Zum 11-jährigen Geburtstag des Investitionsabzugsbetrags – Zeit für eine Bestandsanalyse

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2015 insoweit zugunsten des Steuerpflichtigen deutlich verein-facht: Fordert nämlich das Gesetz keine Investitionsabsichtmehr, kann der Abzug ohne weiteres zum Ausgleich von nach-träglichen Gewinnerhöhungen ins Feld geführt werden. Ins-besondere stellt sich für den Steuerpflichtigen nicht mehr dieNot, für einen bereits (länger) zurückliegenden Stichtag seine(vermeintliche) Investitionsabsicht für ein bestimmtes Wirt-schaftsgut gegenüber dem Finanzamt nachzuweisen.50

IV. Investition – Wahlrechte des Unternehmers

1. Keine Hinzurechnungspflicht (mehr)

Bei Investitionsabzügen, die für bis zum 31.12.2015 endendeWirtschaftsjahre gebildet wurden, bestand die Pflicht, den Ab-zugsbetrag im Investitionsjahr i.H.v. (maximal) 40 % der An-schaffungs-/Herstellungskosten des erworbenen Wirtschafts-guts gewinnerhöhend hinzuzurechnen (§ 7g Abs. 2 Satz 1EStG a.F.). Diese Hinzurechnungspflicht war Ausfluss der sei-nerzeit noch streng auf ein konkretes Wirtschaftsgut bezogenenBetrachtung der steuerlichen Förderung nach § 7g EStG. Wur-de jenes Wirtschaftsgut erworben, musste die durch die Bil-dung des Investitionsabzugs geschaffene Liquiditätserhöhungin Gestalt einer vorgezogenen Steuerstundung gegenläufig aus-geglichen werden.

Die Hinzurechnungspflicht ist mit dem StÄndG 2015 einemWahlrecht gewichen: In § 7g Abs. 2 Satz 1 Halbs. 1 EStG heißtes nunmehr, im Erwerbsjahr „können“ bis zu 40 % der An-schaffungs-/Herstellungskosten hinzugerechnet werden. Dieseröffnet diverse – insbesondere unter Berücksichtigung derProgression und Verzinsungseffekten zu beachtende – Wahl-möglichkeiten:

• Erwirbt der Unternehmer innerhalb der Investitionsfrist einbegünstigtes Wirtschaftsgut, für dessen Anschaffungskostener einen Investitionsabzug gebildet hat, kann er – wie zuvorauch in voller Höhe gewinnwirksam nach § 7g Abs. 2 Satz 1EStG hinzurechnen.

• Alternativ kann er nunmehr auf eine Hinzurechnung in Gän-ze verzichten.

• Wiederum alternativ ist es möglich, die Hinzurechnung aufunter 40 % der Anschaffungskosten zu beschränken, sog.Teilhinzurechnung („... können bis zu 40 % der Anschaf-fungs- oder Herstellungskosten ...“).51 Der noch nicht durchHinzurechnungen verbrauchte Teil des Investitionsabzugskann dann – sofern die Dreijahresfrist noch nicht abgelaufenist – vorgetragen werden oder aber (ebenfalls freiwillig) durcheinen Antrag auf Änderung der Steuerfestsetzung des Ab-zugsjahr rückwirkend aufgelöst werden. Das Gesetz lässtnunmehr in § 7g Abs. 3 Satz 1 Halbs. 2 EStG explizit einevorzeitige (Teil-)Auflösung zu. Dies mindert die Verzin-sungslast nach § 233a AO.

• Macht der Unternehmer von seinem Wahlrecht Gebrauch,trotz Investition keine Hinzurechnung vorzunehmen, währtder Steuervorteil nicht zeitlos. Nach Ablauf der Dreijahres-frist ist zwingend der Bescheid des Abzugsjahres in Höhe desnoch offenen Abzugsbetrags gewinnerhöhend nach § 7gAbs. 3 EStG zu ändern.

2. Kompensationswahlrechte durch Herabsetzungder Erwerbskosten

Wird hinzugerechnet, kann der Steuerpflichtige den hierdurchentstehenden Gewinn durch eine Herabsetzung der Erwerbs-kosten mindern (§ 7g Abs. 2 Satz 2 EStG). Die Herabsetzungmindert das weitere Abschreibungspotential (§ 7g Abs. 2 Satz 2Halbs. 2 EStG). Im Hinblick auf die mit der Herabsetzung be-zweckte Kompensation des steuerlichen Mehrgewinns infolgeder Hinzurechnung52 setzt die Herabsetzung zwingend voraus,dass im Erwerbsjahr auch hinzugerechnet wird. Zur Vermei-dung einer Überkompensation stellt das Gesetz zudem klar,dass die Herabsetzung die Hinzurechnung betragsmäßig nichtüberschreiten kann.53 Ebenso wenig kann – wie sich deutlichaus § 7g Abs. 2 Satz 2 Halbs. 1 EStG ergibt – die Herabsetzungin einem dem Investitionsjahr nachfolgenden Wirtschaftsjahrnachgeholt werden.

Noch nicht abschließend geklärt ist, ob eine zunächst nicht inAnspruch genommene Herabsetzung der Erwerbskosten fürdas Investitions- und Hinzurechnungsjahr noch nachgeholtwerden kann. Sofern der Bescheid jenes Jahres verfahrensrecht-lich noch änderbar ist,54 ist die nachträgliche Geltendmachungder Herabsetzung jedenfalls bei einer Gewinnermittlung nach§ 4 Abs. 3 EStG möglich. Zu ändern ist in diesem Fall lediglichdas sog. besondere, laufend zu führende Verzeichnis i.S.v. § 4Abs. 3 Satz 5 EStG. Bilanziert der Steuerpflichtige, stellt sichdie nachträgliche Inanspruchnahme der Herabsetzung aller-dings als Bilanzänderung dar, die nur unter den zusätzlichenVoraussetzungen des § 4 Abs. 2 Satz 2 EStG möglich ist. An-ders als der Investitionsabzug und auch die Hinzurechnung hatdie Herabsetzung wegen deren unmittelbarer Einwirkung aufdie Anschaffungs-/Herstellungskosten nämlich innerbilanzielleWirkung.55 Gerade weil dies so ist und die Begehr dahingeht,einen zunächst zulässigen Bilanzierungsansatz durch einen an-deren zulässigen auszutauschen, fordert das Gesetz, dass die Bi-lanzänderung – was vorliegend nicht der Fall wäre – in einemengen zeitlichen und sachlichen Zusammenhang mit einer Bi-lanzberichtigung gem. § 4 Abs. 2 Satz 1 EStG steht. Das FGMecklenburg-Vorpommern entschied kürzlich, dass die Bilanz-änderungsgrundsätze auch dann gelten, wenn der Steuerpflich-tige neben der Handelsbilanz keine gesonderte Steuerbilanz,sondern lediglich eine steuerliche Anpassungsrechnung nach§ 60 Abs. 2 Satz 1 EStDV und nur diese Anpassungsrechnungzu späterer Zeit durch Inanspruchnahme des Herabsetzungs-

die Finanzverwaltung (BMF, Schr. v. 20.3.2017 – IV C 6 - S 2139-b/07/10002-02 – DOK 2017/0202664, BStBl. I 2017, 423 = FR 2017, 447Rz. 60).

50 Vgl. hierzu BFH, Urt. v. 6.4.2016 – X R 15/14, BStBl. II 2017, 298 = FR2017, 276.

51 Vgl. BMF, Schr. v. 20.3.2017 – IV C 6 - S 2139-b/07/10002-02 – DOK2017/0202664, BStBl. I 2017, 423 = FR 2017, 447 Rz. 28.

52 BT-Drucks. 16/4841, 52.

53 Plakativ Schmidt/Kulosa, EStG, 37. Aufl., § 7g Rz. 28: „Die Vornahme ei-nes Mini-Investitionsabzugs von 1 € ermöglicht also später keinen 40 %-Abzug von den tatsächlichen Anschaffungskosten/Herstellungskosten.“

54 Die erstmalige Wahlrechtsausübung nach § 7g Abs. 2 Satz 2 EStG stelltallerdings weder eine neue Tatsache i.S.v. § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO noch einrückwirkendes Ereignis gem. § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO dar.

55 Schmidt/Kulosa, EStG, 37. Aufl., § 7g Rz. 28; Meyer in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 7g EStG Anm. 106.

FR 20/2018 Aufsätze 929Reddig – Zum 11-jährigen Geburtstag des Investitionsabzugsbetrags – Zeit für eine Bestandsanalyse

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betrags ändert.56 Dies dürfte zutreffen, da zur Vermögensüber-sicht (Bilanz) i.S.v. § 4 Abs. 2 Satz 2 EStG nicht nur die eigent-liche Steuerbilanz, sondern ebenso die Handelsbilanz zzgl. dersteuerlichen Anpassungsrechnung gem. § 60 Abs. 2 Satz 1EStDV zählt.57 Das derzeitige Revisionsverfahren wird unterdem Az. XI R 12/18 geführt.

V. Folgen unterbliebener Investition oder Nichthin-zurechnung trotz Investition

1. Rückwirkende Gewinnerhöhung und Verzinsung

Investiert der Steuerpflichtige innerhalb von drei Jahren nachBildung des Investitionsabzugs nicht bzw. – seit Geltung desStÄndG 2015 gesetzestreuer formuliert – nimmt er trotz Er-werb eines begünstigten Wirtschaftsguts innerhalb dieser Fristkeine Hinzurechnung vor, wird die Steuerfestsetzung des Ab-zugsjahres rückwirkend gewinnerhöhend geändert (§ 7g Abs. 3Satz 1 EStG). Der Verwaltung steht mit § 7g Abs. 3 Sätze 2 und3 EStG eine bestandskraftdurchbrechende Änderungsvorschriftzur Seite. Die Steuernachforderung ist zu verzinsen (§ 233aAO), und zwar ohne Inanspruchnahme der insoweit zinsgüns-tigen Regelungen für rückwirkende Ereignisse nach § 233aAbs. 2a AO. Anlass für die Erweiterung des § 7g Abs. 3 EStGum einen Satz 4, durch den die Nichtanwendung der Zins-regeln bei rückwirkenden Ereignissen für unanwendbar erklärtwurde,58 war die BFH-Entscheidung vom 11.7.2013,59 wonachdie Rückgängigmachung eines Investitionsabzugs ein rückwir-kendes Ereignis i.S.v. § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO sei und da-her die spezielle Verzinsungsregel nach § 233a Abs. 2a AO fak-tisch die Nichtverzinsung zur Folge hatte.

2. Betriebsveräußerung bzw. -aufgabe während desInvestitionszeitraums

Veräußert der Unternehmer während der Dreijahresfrist des§ 7g Abs. 3 Satz 1 EStG sein Unternehmen, rechtfertigt sicheine Aufrechterhaltung des Investitionsabzugs nicht mehr. DerFörderungszweck der Vorschrift kann sich in seinem Unter-nehmen nicht mehr realisieren.60 Gleiches gilt bei einer – ggf.auch insolvenzbedingten – Betriebsaufgabe i.S.v. § 16 Abs. 3EStG. Der noch bestehende Investitionsabzug ist daher rück-wirkend im Abzugsjahr wieder aufzulösen. Die Vergünstigun-gen nach § 16 Abs. 4, § 34 EStG greifen nicht, da sich die Ge-winnerhöhung eben sich nicht im Veräußerungs- bzw. Auf-gabejahr vollzieht.61

VI. Verstoß gegen Nutzungs- und Behaltensfristen

1. Allgemeines

Die betriebsbezogene Ausrichtung von § 7g EStG ergibt sichauch aus den Regelungen zu den Nutzungs- und Behaltensfris-ten des erworbenen Wirtschaftsguts: Wird das Wirtschaftsgutnicht bis zum Ende des demWirtschaftsjahr des Erwerbs folgen-den Jahres in einer inländischen Betriebsstätte des Unterneh-mers (fast) ausschließlich betrieblich genutzt, erweist sich eineFörderung nach § 7g EStG rückwirkend als nicht gerechtfertigt.Sowohl der Investitionsabzug als auch etwaige Hinzurechnun-gen und Herabsetzungen sind gem. § 7g Abs. 4 Satz 1 EStGrückgängig zu machen. Bereits bestandskräftige Bescheide sind

insoweit über die eigenständige Korrekturnorm des § 7g Abs. 4Satz 2 EStG zu ändern. Die Verzinsung der Nachforderung er-gibt sich aus § 233a AO (vgl. § 7g Abs. 4 Satz 4 EStG).

2. Schädliches und Unschädliches

In seinem aktuellen Anwendungsschreiben hat das BMF unterBerücksichtigung der bisherigen BFH-Rechtsprechung Fall-gruppen aufgezeigt, in denen von einer für Zwecke des § 7gEStG schädlichen bzw. unschädlichen Nutzung des erworbenenWirtschaftsguts auszugehen ist.62 Als schädlich gelten hiernachfolgende, innerhalb der Fristen des § 7g Abs. 4 Satz 1 EStG aus-gelöste Ereignisse:

• Der Betrieb wird veräußert oder aufgegeben.63

Setzt dagegen der Erwerber die Nutzung des vom Betriebs-veräußerer erworbenen Wirtschaftsguts fort und werden aufdiese Weise die fortlaufenden Mindestnutzungs- und Ver-bleibensfristen zusammengerechnet erfüllt, bleibt der Ver-äußerer nach Ansicht der Finanzverwaltung von der rückwir-kenden Versagung der § 7g-Förderung verschont.64 Auf-grund der betriebsbezogenen Auslegung erscheint diese Aus-nahme sachgerecht und ergibt sich letztlich auch aus demWortlaut von § 7g Abs. 4 Satz 1 EStG: Denn das Wirtschafts-gut muss innerhalb der dort genannten Frist lediglich „in ei-ner inländischen Betriebsstätte des Betriebes“ genutzt wer-den; ein personeller Bezug zum Betriebsinhaber (Steuer-pflichtigen) wird nicht gefordert.

• Das Wirtschaftsgut wird veräußert oder ins Privatvermögenentnommen.

Die Rückabwicklung nach § 7g Abs. 4 EStG bleibt allerdingsaus, wenn das Wirtschaftsgut aus nicht vorhersehbaren Um-ständen (z.B. Totalschaden) vorzeitig aus dem Betriebsver-mögen ausscheidet.

• Das Wirtschaftsgut wird nach einer Selbstnutzungsphaseoder unmittelbar nach Erwerb für mehr als drei Monate aneinen Dritten vermietet.65

56 FG Mecklenburg-Vorpommern, Urt. v. 21.2.2018 – 3 K 329/15, EFG2018, 1272 mit Anm. Pfützenreuter.

57 Stapperfend in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 4 EStGAnm. 400; Seiler in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 4 Rz. B 160.

58 Eingefügt durch das Amtshilferichtlinie-Umsetzungsgesetzes (Amtshil-feRLUmsG) vom 26.6.2013 (BGBl. I 2013, 1809); erstmals anwendbar fürInvestitionsabzugsbeträge, die für nach dem 31.12.2012 endende Wirt-schaftsjahre in Anspruch genommen werden (vgl. hierzu BMF, Schr. v.15.8.2014 – IV C 6 - S 2139-b/07/10002, IV A 3 - S 0460a/08/10001 –DOK 2014/0694271, BStBl. I 2014, 1174 = FR 2014, 867).

59 BFH v. 11.7.2013 – IV R 9/12, BStBl. II 2014, 609 = EStB 2013, 367.

60 Zu den Sondertatbeständen des § 6 Abs. 3 Satz 1 EStG bzw. §§ 20, 24UmwStG vgl. unten VIII.

61 BFH, Urt. v. 27.4.2016 – X R 16/15, BFH/NV 2016, 1444; anders noch beieiner betriebsaufgabebedingten Auflösung einer Ansparabschreibungnach § 7g EStG a.F., vgl. BFH, Urt. v. 10.11.2004 – XI R 69/03, BStBl. II2005, 596 = FR 2005, 488.

62 BMF, Schr. v. 20.3.2017 – IV C 6 - S 2139-b/07/10002-02 – DOK 2017/0202664, BStBl. I 2017, 423 = FR 2017, 447 Rz. 37 ff.

63 Ausnahmen s. unter VIII.

64 BMF, Schr. v. 20.3.2017 – IV C 6 - S 2139-b/07/10002-02 – DOK 2017/0202664, BStBl. I 2017, 423 = FR 2017, 447 Rz. 40.

65 BFH, Urt. v. 28.2.2013 – III R 6/12, BFH/NV 2013, 1268 – zur Investiti-onszulage.

930 Aufsätze FR 20/2018Reddig – Zum 11-jährigen Geburtstag des Investitionsabzugsbetrags – Zeit für eine Bestandsanalyse

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Gehört das Wirtschaftsgut allerdings zu einem Betrieb, der imGanzen an einen Dritten verpachtet wird, ist die dauerhafteVermietung/Verpachtung für Zwecke des § 7g EStG dann un-schädlich, wenn es bereits vor Verpachtungsbeginn zum Be-triebsvermögen zählte.66 Bei einer Betriebsaufspaltung ist ausSicht des Besitzunternehmens die Nutzungs- und Verbleibens-voraussetzung des § 7g Abs. 4 Satz 1 EStG selbst dann als er-füllt anzusehen, wenn das Wirtschaftsgut zwar vom Besitzun-ternehmen erworben, allerdings nicht von diesem genutzt, son-dern an die Betriebsgesellschaft vermietet und ausschließlichvon dieser genutzt wird. Tragender Gesichtspunkt hierfür istdie für eine Betriebsaufspaltung typische Aufteilung der Funk-tionen eines einheitlichen Betriebs auf zwei Betriebe.67

• Das Wirtschaftsgut wird in einen anderen Betrieb des Steuer-pflichtigen68 oder in eine ausländische Betriebsstätte über-führt.69

Wegen der konsolidierenden Betrachtung bei Personengesell-schaften führt dagegen die Übertragung eines Wirtschaftsgutsvom Gesamthands- in das Sonderbetriebsvermögen eines Ge-sellschafters bzw. umgekehrt (§ 6 Abs. 5 Satz 3 Nr. 2 EStG)oder die Übertragung zwischen der Sonderbetriebsver-mögensbereichen mehrerer Gesellschafter innerhalb dersel-ben Mitunternehmerschaft (§ 6 Abs. 5 Satz 3 Nr. 3 EStG)nicht zur Sanktionierung nach § 7g Abs. 4 EStG.

• Das Wirtschaftsgut wird in das Umlaufvermögen überführt.

Hiergegen wird zwar eingewandt, § 7g Abs. 4 Satz 1 EStG set-ze nur die betriebliche Nutzung an sich, nicht dagegen einesolche im Anlagevermögen voraus.70 Allerdings knüpft dieFörderung nach § 7g EStG an den Erwerb eines Wirtschafts-guts des Anlagevermögens an, so dass es folgerichtig er-scheint, auch für die betriebliche Mindestnutzungszeit eineZuordnung zum Anlagevermögen zu verlangen.

• Das Wirtschaftsgut wird nicht (mehr) zu mindestens 90 %für betriebliche Zwecke genutzt.71

Maßgeblich sind die Verhältnisse des gesamten Mindestzeit-raums. Bei einer auch-privaten Nutzung eines betrieblichenPkw indiziert die Anwendung 1 %-Regelung72 eine schädli-che, nämlich mehr als 10-prozentige außerbetriebliche Nut-zung;73 der Unternehmer muss ein Fahrtenbuch führen.

3. Mehrfachnutzungen

Die betriebsbezogene Auslegung von § 7g EStG hat zur Folge,dass eine schädliche Verwendung gem. § 7g Abs. 4 Satz 1 EStGauch dann vorliegt, wenn das Wirtschaftsgut – auch ohne pri-vaten Nutzungsanteil – zu mehr als 10 % in einem anderen Be-trieb74 desselben Steuerpflichtigen zum Einsatz kommt. Ande-res hat die Rechtsprechung ausnahmsweise für den Fall ent-schieden, wenn ein grundsätzlich einheitliches Unternehmenaus ertragsteuerlichen Gründen funktionell in zwei Betriebeaufgeteilt wurde, z.B. bei der Ausgliederung eines Lohn-unternehmens aus einem land- und forstwirtschaftlichen Be-trieb.75 Im Gegenzug zwingt dies zu einer konsolidierten Be-trachtung der Betriebsgrößen- und Höchstbetragsgrenzen gem.§ 7g Abs. 1 EStG für beide Unternehmen.76

4. Folgerungen und Technik

Im Falle einer schädlichen Verwendung des Wirtschaftsguts istder Investitionsabzug grundsätzlich rückwirkend aufzuheben.Der Steuerpflichtige ist hierzu allerdings nicht gezwungen,wenn zu diesem Zeitpunkt die dreijährige Investitionsfrist nochnicht abgelaufen ist. Der Abzugsbetrag kann für künftige Inves-titionen genutzt werden.77 Soweit der Steuerpflichtige im An-schaffungsjahr eine Hinzurechnung vorgenommen hat, ist dieszu korrigieren. Gleiches gilt für gegenläufige Herabsetzungen,so dass sich folglich auch die laufenden Abschreibungen erhö-hen.78 Allerdings steht es dem Steuerpflichtigen grundsätzlichfrei, die Hinzurechnung auf zwischenzeitlich andere erworbeneWirtschaftsgüter zu „übertragen“.79

VII. Sonderfall: Investitionswechsel bei Personenge-sellschaften

Die gebotene Einheitsbetrachtung bei Personengesellschaftenzeigt sich insbesondere bei einem Investitionswechsel zwischenGesamthands- und Sonderbetriebsvermögen. In dem der BFH-Entscheidung vom 15.11.201780 zugrunde liegenden Sachver-halt hatte eine Ehegatten-GbR für die beabsichtigte Anschaf-fung von Anlagevermögen einen Investitionsabzug in An-spruch genommen – steuerlich erfasst zu Lasten des Gesamt-handsgewinns. Die spätere Investition erfolgte allerdings nichtdurch die GbR selbst, sondern durch deren Mehrheitsgesell-schafter, der die Wirtschaftsgüter sodann der GbR zur Nutzungüberließ. Die GbR nahm im Sonderbetriebsvermögen des Ge-

66 Dagegen gehören Wirtschaftsgüter, die der Verpächter zeitlich nach derBetriebsverpachtung angeschafft hat, zwar zu dessen (ruhendem) Be-triebsvermögen; mangels Führung eines aktiven, d.h. werbenden Betriebskann die Förderung nach § 7g EStG allerdings nicht in Anspruch genom-men werden (vgl. BFH, Urt. v. 27.9.2001 – X R 4/99, BStBl. II 2002, 136 =FR 2002, 339).

67 BFH, Urt. v. 19.3.2014 – X R 46/11, BStBl. II 2017, 291.

68 BFH, Urt. v. 29.3.2011 – VIII R 28/08, BStBl. II 2014, 299 = FR 2011, 993.

69 FG Schleswig-Holstein, Beschl. v. 4.9.2008 – 5 V 10067/08, EFG 2009, 98;offen gelassen dagegen in BFH, Urt. v. 11.7.2007 – I R 104/05, BStBl. II2007, 957 = FR 2008, 184; zu europarechtlichen Bedenken im Hinblickauf die Förderbegrenzung für inländische Betriebe (Betriebsstätten) vgl.Hinweise bei Schmidt/Kulosa, EStG, 37. Aufl., § 7g Rz. 10.

70 Schmidt/Kulosa, EStG, 37. Aufl., § 7g Rz. 8.

71 Vgl. hierzu auch BT-Drucks. 16/4841, 52; BFH, Urt. v. 6.4.2016 – X R 28/14, BStBl. II 2017, 291, FR 2017, 280; Meyer in Herrmann/Heuer/Rau-pach, EStG/KStG, § 7g EStG Anm. 85.

72 BFH, Urt. v. 13.12.2012 – VI R 51/11, BStBl. II 2013, 385 = FR 2013, 670.

73 BFH, Beschl. v. 3.1.2006 – XI B 106/05, BFH/NV 2006, 1264.

74 Die Nutzung des Wirtschaftsguts in mehreren – unselbständigen – Be-triebsstätten desselben Steuerpflichtigen ist dagegen unschädlich.

75 BFH, Urt. v. 19.3.2014 – X R 46/11, BStBl. II 2017, 291.

76 Aus Vereinfachungs- und offenbar auch aus Billigkeitsgründen verzichtetdie Verwaltung auf eine Zusammenrechnung, wenn das Wirtschaftsgutjedenfalls zu mindestens 50 % in dem Betrieb zum Einsatz kommt, derdie Anschaffung/Herstellung vorgenommen hat (BMF, Schr. v. 20.3.2017– IV C 6 - S 2139-b/07/10002-02 – DOK 2017/0202664, BStBl. I 2017, 423= FR 2017, 447 Rz. 49).

77 BMF, Schr. v. 20.3.2017 – IV C 6 - S 2139-b/07/10002-02 – DOK 2017/0202664, BStBl. I 2017, 423 = FR 2017, 447 Rz. 52.

78 BMF, Schr. v. 20.3.2017 – IV C 6 - S 2139-b/07/10002-02 – DOK 2017/0202664, BStBl. I 2017, 423 = FR 2017, 447 Rz. 50.

79 BMF, Schr. v. 20.3.2017 – IV C 6 - S 2139-b/07/10002-02 – DOK 2017/0202664, BStBl. I 2017, 423 = FR 2017, 447 Rz. 51.

80 BFH v. 15.11.2017 – VI R 44/16, BFHE 260, 131 = FR 2018, 600.

FR 20/2018 Aufsätze 931Reddig – Zum 11-jährigen Geburtstag des Investitionsabzugsbetrags – Zeit für eine Bestandsanalyse

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sellschafters eine Hinzurechnung vor, das Finanzamt ändertedagegen den Gewinnfeststellungsbescheid des Jahres der Inan-spruchnahme des Investitionsabzugsbetrags und begründetedies damit, dass die Investition eben nicht im Gesamthandsver-mögen vollzogen wurde. Anders der BFH: Gerade wegen derbetriebsbezogenen Einheitsbetrachtung und § 7g Abs. 7 EStGsei es unerheblich, ob die Investition tatsächlich in dem Ver-mögensbereich erfolge, für den zuvor auch der Investitions-abzug gebildet wurde. Gesamthands- und Sonderbetriebsver-mögen sind insoweit als Einheit anzusehen. Zu berücksichtigenist allerdings, dass bei dieser Betrachtung die aus dem Investiti-onsabzug resultierende Gewinnminderung quotal von allen Ge-sellschaftern beansprucht werden kann, die gewinnerhöhendeHinzurechnung dagegen ausschließlich den investierenden Ge-sellschafter trifft. Der BFH hält diese Folge allerdings – m.E. zuRecht – für folgerichtig, da die Hinzurechnung nicht lediglichein actus contrarius zur Bildung des Investitionsabzugsbetragssei, sondern vordergründig an den Erwerb des begünstigtenWirtschaftsguts anknüpfe. Der Steuervorteil aus dem Investiti-onsabzug verbleibt damit quotal bei allen Gesellschaftern. Derinvestierende Gesellschafter kann die Gewinnerhöhung in sei-nem Sonderbetriebsvermögen durch eine ebenfalls dort vor-zunehmende Herabsetzung kompensieren. Würde man dage-gen die Hinzurechnung in dem Vermögensbereich vornehmenwollen, in dem der Investitionsabzugsbetrag gebildet wordenwar,81 hätte dies zur Folge, dass eine wahlweise Herabsetzungbilanziell gar nicht abbildbar wäre.

VIII. Schicksal des Investitionsabzugs bei Unterneh-mensnachfolge

Ein Investitionsabzug ist – wie oben ausgeführt – rückwirkendaufzulösen, wenn es in dem vom Steuerpflichtigen geführtenBetrieb nicht mehr zu einer Investition kommen kann, weil derbetriebliche Organismus erlischt.82 Hiervon abzugrenzen sindunentgeltliche Betriebsübertragungen nach § 6 Abs. 3 Satz 1EStG. Besonderheiten gelten zudem bei gesellschaftsrechtlichenEinbringungen, die steuerlich nach § 24 UmwStG bzw. § 20UmwStG zu beurteilen sind.

1. Betriebsnachfolge nach § 6 Abs. 3 Satz 1 EStG

Inzwischen als geklärt angesehen werden darf das steuerlicheSchicksal eines Investitionsabzugsbetrags bei unentgeltlicherÜbertragung eines Einzelunternehmens auf einen Dritten gem.§ 6 Abs. 3 Satz 1 EStG. Anknüpfend an die BFH-Rechtspre-chung83 billigt es die Verwaltung, wenn der bisherige Inhaberin Wirtschaftsjahren vor einer unentgeltlichen Betriebsübertra-gung einen Investitionsabzug in Anspruch nimmt, selbst wennzum Zeitpunkt der Geltendmachung84 davon auszugehen ist,dass er vor der Übertragung keine begünstigten Investitionenmehr tätigt.85 Denn der Rechtsvorgänger wird – bei typisieren-der Betrachtung in Fällen der Generationennachfolge – diedurch den Investitionsabzug gewonnene Liquidität weiterhin inGestalt geringerer Entnahmen zur Finanzierung der Einkom-mensteuer im Betrieb belassen. Der Liquiditätsvorteil kommtsomit dem Nachfolger, der die Investition tätigen soll, zu Gu-te.86 Da er in die Rechtsposition seines Vorgängers eintritt,führt er folglich auch die Pflichten aus dem gebildeten Investi-tionsabzug fort;87 ein Neubeginn der dreijährigen Investitions-bzw. Hinzurechnungsfrist scheidet aus.88

2. Einbringung nach § 24 UmwStG

Das Fortführungs-Privileg gilt nach BMF-Ansicht auch für In-vestitionsabzüge, die in einem Wirtschaftsjahr vor Einbringungeines Betriebs in eine Personengesellschaft nach § 24 UmwStGgebildet werden.89 Anders als bei § 6 Abs. 3 Satz 1 EStG han-delt es sich bei Betriebseinbringungen in Personengesellschaf-ten allerdings nicht um unentgeltliche Vorgänge. Die Gegen-leistung besteht – losgelöst davon, mit welchem Wert das ein-gebrachte Betriebsvermögen dort bilanziert wird – in der Ge-währung von Gesellschaftsrechten (veräußerungsähnlicherVorgang).90

Ob die Auffassung der Finanzverwaltung trägt, brauchte derBFH bislang nicht zu entscheiden – jedenfalls nicht unter Gel-tung des Regimes des Investitionsabzugs. Zu § 7g EStG a.F. inder bis einschließlich 2006 geltenden Rechtslage (Anspar-abschreibung) hat der BFH bei Buchwerteinbringungen nach§ 24 UmwStG eine Begünstigung beim Rechtsvorgänger abge-lehnt, sofern zum Zeitpunkt deren Geltendmachung beim Fi-nanzamt die Einbringung bereits feststand. Zutreffendes Argu-ment war, dass selbst bei Buchwerteinbringungen in eine Per-sonengesellschaft ein Veräußerungsvorgang vorliegt.91

3. Einbringung nach § 20 UmwStG

Eine konträre Position hierzu vertritt das BMF bei Einbringun-gen in eine Kapitalgesellschaft nach § 20 UmwStG: Weder dieBildung noch die Fortführung eines Investitionsabzugs sollmöglich sein. Sofern im Zeitpunkt der Betriebseinbringung ineine Kapitalgesellschaft noch Investitionsabzüge für nicht mehrrealisierbare Investitionen vorhanden sind, ordnet die Verwal-tung die rückwirkende Korrektur nach § 7g Abs. 3 EStG an.92

Die Differenzierung zwischen Einbringungen nach § 24UmwStG und solchen nach § 20 UmwStG überzeugt nicht.Zwar mag, anders als in den Konstellationen des § 6 Abs. 3EStG, bei einer Einbringung nach § 20 UmwStG nicht unter-stellt werden können, dass der ursprüngliche Betriebsinhaberden § 7g-Förderbetrag der Kapitalgesellschaft „zur Verfügungstellt“. Dies folgt nach der BFH-Rechtsprechung daraus, dass

81 So die Entscheidung des FG Münster v. 28.6.2017 – 6 K 3183/14 F, EFG2017, 1597. Die hiergegen zunächst geführte Revision IV R 12/17 wurdezwischenzeitlich zurückgenommen.

82 Siehe oben unter V.2.

83 BFH, Urt. v. 10.3.2016 – IV R 14/12, BStBl. II 2016, 763 = FR 2016, 893.

84 Einreichung des Jahresabschlusses beim Finanzamt.

85 BMF, Schr. v. 20.3.2017 – IV C 6 - S 2139-b/07/10002-02 – DOK 2017/0202664, BStBl. I 2017, 423 = FR 2017, 447 Rz. 22.

86 BFH, Urt. v. 10.3.2016 – IV R 14/12, BStBl. II 2016, 763 = FR 2016, 893.

87 Vgl. Schmidt/Kulosa, EStG, 37. Aufl., § 7g Rz. 12.

88 Die Dreijahresfrist des § 7g Abs. 3 Satz 1 EStG knüpft an den Begriff desWirtschaftsjahres an. Zur Vermeidung von unbilligen Härten sieht dieFinanzverwaltung insoweit das (ggf. unterjährig vollzogene) Wirtschafts-jahr der Betriebsübertragung nicht als Rumpf-Wirtschaftsjahr an, vgl.BMF, Schr. v. 20.3.2017 – IV C 6 - S 2139-b/07/10002-02 – DOK 2017/0202664, BStBl. I 2017, 423 = FR 2017, 447 Rz. 32.

89 BMF, Schr. v. 20.3.2017 – IV C 6 - S 2139-b/07/10002-02 – DOK 2017/0202664, BStBl. I 2017, 423 = FR 2017, 447 Rz. 22.

90 BFH, Urt. v. 27.1.2016 – X R 31/11, BFH/NV 2016, 1032.

91 BFH, Urt. v. 27.1.2016 – X R 31/11, BFH/NV 2016, 1032.

92 BMF, Schr. v. 20.3.2017 – IV C 6 - S 2139-b/07/10002-02 – DOK 2017/0202664, BStBl. I 2017, 423 = FR 2017, 447 Rz. 33.

932 Aufsätze FR 20/2018Reddig – Zum 11-jährigen Geburtstag des Investitionsabzugsbetrags – Zeit für eine Bestandsanalyse

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die Investitionsentscheidungen in Fällen der Einbringung künf-tig nicht mehr durch den (einbringenden) Steuerpflichtigen ge-troffen werden, sondern durch die Organe des neuen Rechts-trägers. Der bisherige Betriebsinhaber wird nur Gesellschafterdes neuen Rechtsträgers.93 Dieselben Bedenken gelten aller-dings ebenso für Einbringungen nach § 24 UmwStG. Der BFHhat die Versagung einer Ansparabschreibung nach § 7gEStG a.F. bei einer Buchwerteinbringung gem. § 24 UmwStGzum einen darauf gestützt, dass derartige Einbringungen –ebenso wie solche nach § 20 UmwStG – veräußerungsähnlicheVorgänge darstellten. Zum anderen sei zu bedenken, dass dieaufnehmende Personengesellschaft trotz ertragsteuerlicherTransparenz selbst Subjekt der Gewinnerzielung und Gewinn-ermittlung sei und – auch über das Gesellschaftsrechtsverhält-nis hinaus – in Rechtsbeziehungen zu ihren Gesellschaftern tre-ten könne, so dass es sich um einen eigenständigen, von denGesellschaftern losgelösten Rechtsträger handele.94 Gerade we-gen dieser Vergleichbarkeit der Einbringungen nach § 20UmwStG und § 24 UmwStG erscheint es angezeigt, beide Kon-stellationen für Zwecke der Bildung und Fortführung des In-vestitionsabzugs auch gleich zu behandeln. Im Schrifttum wirddaher davon ausgegangen, dass auch unter Geltung der Rechts-lage des Investitionsabzugs bei Buchwerteinbringungen in einePersonengesellschaft im Einzelunternehmen gebildete Abzugs-

beträge durch die aufnehmende Personengesellschaft nichtmehr fortgeführt werden können.95

4. Korrekturbescheid

Nimmt in den von der Finanzverwaltung als § 7g-begünstigtenFällen des § 6 Abs. 3 Satz 1 EStG und § 24 UmwStG der Einzel-rechtsnachfolger bzw. die nachfolgende Personengesellschaftkeine fristgerechte Hinzurechnungen nach § 7g Abs. 2 EStGvor, sind die Rechtsfolgen – rückwirkende Gewinnerhöhungnach § 7g Abs. 3 EStG – in der Steuerfestsetzung des Rechts-vorgängers vorzunehmen.

Dr. Jens Reddig

Richter

Bundesfinanzhof (X. Senat)

Prof. Dr. Andreas Musil, Potsdam

Die ATAD-Richtlinien – Ein Paradigmenwechsel in derSteuerpolitik der EU?

Der Verfasser setzt sich mit der rechtlichen und steuerpolitischenBedeutung der beiden ATAD-Richtlinien auseinander. Die inden Richtlinien enthaltenen Regelungen formulieren Mindest-standards für mitgliedstaatliche Regelungen, die deren Steuer-substrat sichern sollen. Im Einzelnen finden sich Vorgaben zurZinsschranke, zur Hinzurechnungsbesteuerung, zur Wegzugs-und Entstrickungsbesteuerung sowie zu hybriden Gestaltungen.Auch ein allgemeiner Missbrauchsvorbehalt wird normiert. ImZuge der Umsetzung in nationales Recht stellt sich die Frage, in-wieweit die EU noch an ihrem bisher dominierenden Schutzkon-zept für von nationalen Steuernormen betroffene Steuerpflichtigefesthält. Dieses insbesondere vom EuGH auf der Grundlage derGrundfreiheiten entfaltete Konzept wird durch die genanntenRichtlinien kontrastiert. Der Beitrag versucht, das Verhältnisvon Rechtssetzung und Rechtsprechung im Rahmen der EU aus-zuloten und einen Ausblick auf die künftig zu erwartende Steu-erpolitik der EU zu geben.

I. Einleitung

Die EU hat in den Jahren 2016 und 2017 zwei Richtlinien erlas-sen, die der Umsetzung des BEPS-Maßnahmenpakets dienenund gegen Steuerumgehung durch grenzüberschreitend tätige

Unternehmen gerichtet sind.1 Die wesentlichen Bestimmungender Richtlinien sind bis Ende 2018 bzw. 2019 in nationalesRecht umzusetzen, teilweise gelten auch längere Fristen. Die inden Richtlinien enthaltenen Regelungen formulieren jeweilsMindeststandards für bestimmte Missbrauchsvermeidungs-instrumente wie Zinsschranke und Hinzurechnungsbesteue-rung. Auch ein allgemeiner Missbrauchsvorbehalt wird nor-miert.

Die beiden Richtlinien, die als ATAD I und II oder auch alsAnti-BEPS-Richtlinien bezeichnet werden,2 markieren eineneue Entwicklung in der Steuerpolitik der EU und werfen unterverschiedenen Gesichtspunkten Fragen auf. Schon allein dieGeschwindigkeit, in der sich die Mitgliedstaaten einstimmigauf ihre Verabschiedung einigen konnten, ist bemerkenswert.Aber auch inhaltlich wird Neuland betreten. Erstmals be-

93 BFH, Beschl. v. 14.4.2015 – GrS 2/12, BStBl. II 2015, 1007 = FR 2015,1082.

94 BFH, Urt. v. 27.1.2016 – X R 31/11, BFH/NV 2016, 1032.

95 Kulosa, HFR 2016, 509.

1 RL (EU) 2016/1164 des Rates vom 12.7.2016, geänd. d. RL (EU) 2017/952des Rates vom 29.5.2017, ABl. Nr. L 144 S. 1.

2 Es hat sich noch keine einheitliche Terminologie herausgebildet. ATAD Iund II wurden zwar zu einer konsolidierten Lesefassung zusammenge-fasst, gleichwohl wird im Folgenden der Plural verwandt und der bes-seren Lesbarkeit wegen das Wort „Richtlinie“ angefügt.

FR 20/2018 Aufsätze 933Musil – Die ATAD-Richtlinien – Ein Paradigmenwechsel in der Steuerpolitik der EU?

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schränkt sich die EU nicht darauf, im Rahmen ihrer Steuerpoli-tik Hindernisse für grenzüberschreitende Wirtschaftstätigkeitvon Steuerpflichtigen abzubauen, sondern verpflichtet die Mit-gliedstaaten, Eingriffstatbestände zum Schutz gegen steuerli-chen Missbrauch zu schaffen oder zumindest an einen be-stimmten Mindeststandard anzupassen.3 Bisher hatte derEuGH sich im Bereich der direkten Steuern als Integrations-motor verstanden und mit seiner Rechtsprechung begrenzendauf entsprechende Eingriffstatbestände eingewirkt. Die Fragenach einer Änderung des steuerpolitischen Paradigmas der EUsteht damit im Raum. Gleichzeitig wird auch die rechtliche Fra-ge nach der Vereinbarkeit der neuen Richtlinien mit dem unio-nalen Primärrecht aufgeworfen. Es nimmt nicht wunder, dassdie ATAD-Richtlinien in der Literatur auf ein geteiltes Echogestoßen sind.

Schon diese kurze Einleitung zeigt, dass sich der Erlass derATAD-Richtlinien in einem Spannungsfeld zwischen den Inte-ressen der Steuerpflichtigen an einer möglichst steuergünstigengrenzüberschreitenden Wirtschaftstätigkeit und den Interessender beteiligten Mitgliedstaaten am Erhalt von Steuersubstratbewegt.4 Dabei gerät die Bedeutung und Bewertung von steuer-lichem Missbrauch in den Fokus der Auseinandersetzung. Glo-baler kann auch von einer Kontroverse um die Voraussetzun-gen und Folgen schädlichen Steuerwettbewerbs gesprochenwerden. All diese kontrovers bewerteten Phänomene und Be-griffe werden auch die nachfolgenden Ausführungen prägen.

Im Folgenden soll dementsprechend ausgelotet werden, wiesich die ATAD-Richtlinien in die Steuerpolitik der EU einord-nen und ob sie rechtlich tragfähig sind. Zu diesem Zweck wirdzunächst die bisherige Steuerpolitik in ihren Grundlinien skiz-ziert (Abschn. II.). Auf dieser Grundlage werden die aktuellenAktivitäten des EU-Gesetzgebers im Kontext des BEPS-Prozes-ses nachgezeichnet, die auch den Erlass der ATAD-Richtlinienbeinhalten. Diese werden mit aktuellen Entscheidungen desEuGH zum Recht der direkten Steuern kontrastiert(Abschn. III.). Sodann kann eine rechtliche Bewertung derATAD- Richtlinien vorgenommen werden. Es wird sich zeigen,dass sie einer Prüfung am Maßstab des Primärrechts standhal-ten (Abschn. IV.). Schließlich wird in einem Ausblick zu fragensein, wie sich die Steuerpolitik der EU möglicherweise fortent-wickeln wird und sollte (Abschn. V.).

II. Entwicklung des Europäischen Steuerrechts biszum BEPS-Prozess

1. Steuerpolitik als Stiefkind der Verträge

Trotz seiner Bedeutung für die grenzüberschreitende Wirt-schaftstätigkeit war und ist das Steuerrecht im europäischenPrimärrecht nur lückenhaft geregelt. Während das Zollrechtvollständig europarechtlich überformt ist, gibt es echte und ex-plizite Harmonisierungskompetenzen im AEUV nur für dasRecht der indirekten Steuern. Die direkten Steuern und damitdas gesamte Unternehmenssteuerrecht sparten die Mitglied-staaten bewusst aus dem Kreis zu verfolgender Unionspolitikenaus. Für den Unionsnormgeber bleibt im Bereich der direktenSteuern im Wesentlichen nur Art. 115 AEUV, der allerdingsEinstimmigkeit bei der Beschlussfassung voraussetzt und einendirekten Binnenmarktbezug fordert.5 Im Gegenteil wurde sei-tens der Mitgliedstaaten sogar versucht, im Rahmen der

Grundfreiheiten Bereichsausnahmen für das Steuerrecht zunormieren, um es dem Zugriff insbesondere des EuGH zu ent-ziehen. Allerdings hat der EuGH diesen Versuch etwa beiArt. 65 AEUV nicht zur Entfaltung kommen lassen, indem erdie entsprechende Vorschrift in die auch sonst geltende Recht-fertigungsdogmatik eingepasst hat.6 Generell lässt sich konsta-tieren, dass die primärrechtliche Ausgangslage für die Entwick-lung eines „Europäischen Steuerrechts“ zumindest für dasRecht der direkten Steuern – und auf dieses konzentriert sichdie nachfolgende Untersuchung – nur ein dürftiges Entwick-lungspotential enthält.

Aufgrund dessen erscheint es als nicht verwunderlich, dass dieAktivitäten des EU-Normgebers im Bereich der direkten Steu-ern überschaubar geblieben sind. Jenseits der Fusions- und derMutter-Tochter-Richtlinie wurden nur wenige Richtlinien mitBezug zum Recht der direkten Steuern erlassen. AnspruchsvolleNormierungsprojekte wie die Schaffung einer gemeinsamenKörperschaftsteuer-Bemessungsgrundlage (GKKB) scheitertenzunächst am Widerstand einiger Mitgliedstaaten.7

2. Die Rolle des Europäischen Gerichtshofs

Vor diesem Hintergrund war die Rolle des EuGH umso be-deutsamer. Seit Ende der 1980er Jahre begann der Gerichtshofdamit, mitgliedstaatliche Steuernormen am Maßstab derGrundfreiheiten zu messen.8 Zunächst war die Rechtsprechungin einer für die Steuerpflichtigen sehr günstigen Weise akzentu-iert. Der EuGH sah sich als Integrationsmotor und erblickteseine Aufgabe insbesondere darin, mitgliedstaatliche Restriktio-nen für grenzüberschreitende Wirtschaftstätigkeiten abzubau-en. Rechtfertigungsmöglichkeiten für die Mitgliedstaaten wur-den nur in begrenztem Umfang anerkannt, so dass insbesonde-re mitgliedstaatliche Vorschriften zur Sicherung von Steuersub-strat, die grenzüberschreitende Aktivitäten steuerlich andersbehandelten als reine Inlandssachverhalte, als europarechtswid-rig eingestuft wurden.9

Beginnend mit der Entscheidung in der Rechtssache Marks &Spencer10 ging der Gerichtshof zu einem ausgewogeneren

3 Dies betonend Staringer in Lang u.a. (Hrsg.), Die Anti-Tax-Avoidance-Richtlinie, 2017, S. 1 (11 f.).

4 Ausführlich hierzu Hey, DStJG 41 (2018), S. 9 ff.

5 Dazu Schaumburg in Schaumburg/Englisch, Europäisches Steuerrecht,2015, Rz. 1.18.

6 Der Gerichtshof (EuGH v. 24.11.2016 – C-464/14 – SECIL, ECLI:EU:C:2016:896, Rz. 54) führt in ständiger Rechtsprechung aus : „Die nachArt. 65 Abs. 1 Buchst. a AEUV zulässigen Ungleichbehandlungen müssendaher von den durch Art. 65 Abs. 3 AEUV verbotenen Diskriminierungenunterschieden werden. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs kanneine nationale Steuerregelung wie die, um die es im Ausgangsverfahrengeht, aber nur dann als mit den Vertragsbestimmungen über den freienKapitalverkehr vereinbar angesehen werden, wenn die von ihr vorgeseheneUngleichbehandlung Situationen betrifft, die nicht objektiv miteinandervergleichbar sind, oder durch einen zwingenden Grund des Allgemeininte-resses gerechtfertigt ist.“

7 Zur Entwicklung ausführlich Fehling in Schaumburg/Englisch, Europäi-sches Steuerrecht, 2015, Rz. 18.1. ff.

8 Beginnend mit EuGH v. 28.1.1986 – Rs. 270/83 – Kommission/Frank-reich, ECLI:EU:C:1986:37 – zum avoir fiscal.

9 Siehe hierzu Musil, DB 2009, 1037 ff.; Musil/Fähling, DStR 2010, 1501 ff.;Weber-Grellet, StJB 2009/2010, S. 43 ff.

10 EuGH v. 13.12.2005 – C-446/03 – Marks & Spencer, ECLI:EU:C:2005:763= FR 2006, 177.

934 Aufsätze FR 20/2018Musil – Die ATAD-Richtlinien – Ein Paradigmenwechsel in der Steuerpolitik der EU?

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Rechtsprechungskonzept über. Indem er die Aufteilung der Be-steuerungsbefugnisse sowie die Kohärenz und damit Aspekteder Territorialität in stärkerem Umfang als bisher als für einemitgliedstaatliche Rechtfertigung tragfähig ansah, hielten mit-gliedstaatliche Vorschriften in stärkerem Maße einer Überprü-fung am Maßstab der Grundfreiheiten stand als zuvor. Keinenennenswerten Abstriche machte der Gerichtshof allerdingsbei den Anforderungen an die mitgliedstaatliche Missbrauchs-abwehr. Diese folgte seit der Entscheidung Cadbury Schwep-pes11 einem engen Konzept, das nur rein künstliche Gestaltun-gen als Grundlage für eine Missbrauchsabwehr zuließ. DieseKonzeption hat der Gerichtshof erst kürzlich bei der Bewertungdes deutschen § 50d Abs. 3 EStG bestätigt und neu akzentu-iert.12

Bis heute unterliegt die grundfreiheitliche Rechtsprechung desEuGH zu den direkten Steuern gewissen Schwankungen.13 AlsBeispiel mag die Behandlung der sog. finalen Verluste dienen.14

Hier hatte der EuGH lange Zeit vertreten, aus Gründen derVerhältnismäßigkeit müsse der Herkunftsmitgliedstaat die Ab-ziehbarkeit finaler Verluste zulassen, wenn im anderen Mit-gliedstaat keine Verlustnutzung mehr möglich sei. In der Folge-zeit entwickelte sich eine ausführliche Diskussion zu der Frage,in welchen Fällen eine solche Finalität zu bejahen sei.15 Schließ-lich schien der EuGH diese Figur in seiner Rechtsprechung fak-tisch wieder aufgeben zu wollen.16 Dem trat er aber nunmehrin einer kürzlich ergangenen Entscheidung entgegen, die denfinalen Verlusten wieder einen signifikanten Anwendungs-bereich eröffnet.17

Die sog. negative Integration durch die Rechtsprechung desEuGH hat im Ergebnis für die Verwirklichung des Binnen-markts in den vergangenen Jahrzehnten viel erreicht, aber auchihre eigenen Grenzen aufgezeigt. Integration durch Rechtspre-chung muss notwendig lückenhaft und fallabhängig bleiben.Sie hängt auch in starkem Maße von den handelnden Richter-persönlichkeiten ab. Letztlich kann eine negative Integrationeine positive Rechtsangleichung nicht ersetzen.

III. Konturen und Zweifelsfragen der ATAD-Richtlinien

1. Die ATAD-Richtlinien als Ergebnis des BEPS-Pro-zesses

Die beiden ATAD-Richtlinien sind Teil des Maßnahmenpaketsder EU-Kommission zur Bekämpfung von Steuervermeidung.18

Dieses wiederum steht in engem Zusammenhang mit dem sog.BEPS-Prozess. BEPS bedeutet „base erosion and profit shifting“und bezeichnet Unternehmenspraktiken zur Steuervermei-dung, die von vielen Staaten als unangemessen angesehen wer-den. Deshalb wurde im Rahmen der OECD nach der Wirt-schafts- und Finanzkrise 2007/2008 eine entsprechende Initiati-ve zur Eindämmung schädlicher Steuerpraktiken gestartet. DieEU war von Beginn an in den BEPS-Prozess involviert. AmEnde wurde von den beteiligten Akteuren ein Aktionsplan ver-abschiedet, der 15 Aktionspunkte enthält.19 Drei dieser Akti-onspunkte werden durch die ATAD näher aufgegriffen. Dabeierfolgte die Rechtssetzung in zwei Schritten. Zunächst wurdedie erste Anti-BEPS-Richtlinie (ATAD I) nach einstimmigemBeschluss am 12.7.2016 erlassen.20 Sie wurde ungefähr ein Jahrspäter durch die zweite Anti-BEPS-Richtlinie (ATAD II) er-

gänzt, die vor allem hybride Gestaltungen zum Gegenstandhat.21

Beide ATAD-Richtlinien sind auf Art. 115 AEUV gestützt. Bei-de Richtlinien bilden nunmehr ein zusammengehörendes Re-gelungswerk. Dieses enthält zunächst Regelungen zu Anwen-dungsbereich und Begriffen. Erfasst werden alle Steuerpflichti-gen, die in einem Mitgliedstaat körperschaftsteuerpflichtig sind.Zudem wird in Art. 3 ATAD klargestellt, dass nur Mindest-standards festgelegt werden, die Mitgliedstaaten mit ihrenMaßnahmen also über die Richtlinienbestimmungen hinaus-gehen können. In den Art. 4 ff. ATAD werden sodann entspre-chende Einzelmaßnahmen zur Eindämmung von Steuerver-meidung normiert. Art. 4 ATAD enthält Regelungen zu Zins-abzugsbeschränkungen, Art. 5 ATAD zur Wegzugsbesteue-rung. Die Hinzurechnungsbesteuerung ist in den Art. 7 und 8ATAD enthalten, in Art. 9–9b ATAD finden sich ausführlicheRegelungen zu hybriden Gestaltungen. Art. 6 ATAD schließ-lich enthält eine allgemeine Missbrauchsklausel, die auch eineDefinition von Missbrauch beinhaltet. Regelungen über Umset-zungsfrist und Inkrafttreten schließen das Regelwerk ab.

2. Regelungen im Einzelnen

Im Folgenden soll ein kurzer Überblick über die relevantenRichtlinienbestimmungen im Einzelnen gegeben werden. Die-ser soll als Grundlage für die anschließende rechtspolitischeund rechtliche Bewertung dienen.

Art. 4 ATAD enthält Regelungen zur Begrenzung der Abzugs-fähigkeit von Zinszahlungen. Diese auch als Zinsschranke be-kannte Regelung beruht auf Aktionspunkt 4 des BEPS-Maß-nahmenpakets und ähnelt in ihrer konkreten Ausgestaltungsehr stark der Zinsschranke nach dem deutschen § 4h EStG.Unterschiede bestehen insoweit, als die Richtlinie von einemerweiterten Zinsbegriff ausgeht. Weiterhin sieht die Richtlinieeinen Freibetrag, keine Freigrenze für eine Ausnahme vom An-wendungsbereich vor.22

Art. 5 ATAD hat die Wegzugs- und Entstrickungsbesteuerungzum Gegenstand. Der Tatbestand erfasst sowohl Fälle, in denen

11 EuGH v. 12.9.2006 – C-196/04 – Cadbury Schweppes, ECLI:EU:C:2006:544 = FR 2006, 987.

12 Dazu EuGH v. 20.12.2017 – C-504/16 u. C-613/16 – Deister Holding undJuhler Holding, ECLI:EU:C:2017:1009.

13 Hierzu die ausführliche Analyse von Englisch, DStJG 41 (2018), S. 273 ff.

14 Siehe zusammenfassend Oellerich in Schaumburg/Englisch, EuropäischesSteuerrecht, 2015, Rz. 8.99 ff.; auch Ribbrock, BB 2018, 1702.

15 DazuMusil, DB 2011, 2451 ff.

16 Vgl. EuGH v. 17.7.2014 – C-48/13 – Nordea Bank, ECLI:EU:-C:2014:2087; EuGH v. 17.12.2015 – C-388/14 – Timac Agro, ECLI:EU:C:2015:829 = FR 2016, 386; dazu BFH v. 22.2.2017 – I R 2/15, BStBl. II 2017, 709,Rz. 38; Schlücke, FR 2017, 837 ff.; Mitschke, FR 2017, 839 ff.

17 EuGH v. 12.6.2018 – C-650/16 – Bevola, ECLI:EU:C:2018:424 = FR 2018,643 m. Anm. Schlücke.

18 Vgl. Mitteilung der Kommission, COM(2016) 23 final v. 28.1.2016, S. 1 ff.

19 Der Maßnahmenkatalog ist in deutscher Fassung abrufbar unter http://www.bundesfinanzministerium.de/Content/DE/Downloads/Abt_7/2013-07-22-Aktionsplan-D.pdf?__blob=publicationFile&v=1.

20 RL (EU) 2016/1164 des Rates vom 12.7.2016, ABl. Nr. L 193, 1.

21 RL (EU) 2017/952 des Rates vom 29.5.2017, ABl. Nr. L 144, 1.

22 Zu Einzelheiten s. Musil in Musil/Weber-Grellet, Europäisches Steuer-recht, Anti-BEPS-RL, Art. 4 Rz. 1 ff. (im Erscheinen).

FR 20/2018 Aufsätze 935Musil – Die ATAD-Richtlinien – Ein Paradigmenwechsel in der Steuerpolitik der EU?

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Wirtschaftsgüter grenzüberschreitend übertragen werden, alsauch Fälle, in denen der gesamte Steuersitz in einen anderenStaat verlegt wird. Für diese Fälle sieht die Vorschrift Regelun-gen vor, die weitgehend der Rechtsprechung des EuGH zurWegzugs- und Entstrickungsbesteuerung entsprechen.23 Ins-besondere die Grundsätze aus der EuGH-Entscheidung Natio-nal Grid Indus und der Folgerechtsprechung werden umge-setzt.24 Allerdings enthält Art. 5 Abs. 2 ATAD den Umfangvon fünf Jahren als verbindliche Festlegung für den Zeitraumetwaiger Ratenzahlungen, so dass insoweit über die Vorgabe ei-nes Mindeststandards hinausgegangen wird.

Die Art. 7 und 8 ATAD enthalten Regelungen über beherrschteausländische Unternehmen (sog. CFC). Diese Hinzurech-nungsbesteuerung steht seit Langem im Fokus der Diskussionum Vorschriften zur Eindämmung von Steuervermeidung.25

Die Richtlinienvorschriften enthalten hierzu ein Konzept, dassich an Aktionspunkt 3 des BEPS-Aktionsplans anlehnt. An-ders als im deutschen Recht werden die hinzuzurechnendenEinkünfte einerseits nach einem Katalog passiver Einkünfte,andererseits danach ermittelt, ob sie aus unangemessenen Ge-staltungen stammen. Auch hier wird nur ein Mindeststandardnormiert, allerdings müssen alle Mitgliedstaaten nun sog. CFC-Regeln einführen.

Die Art. 9 ff. ATAD normieren Vorschiften über hybride undumgekehrt hybride Gestaltungen.26 Die einzelnen Tatbeständesind den unterschiedlichen Gestaltungsformen, die in der Pra-xis gewählt werden, gewidmet. So werden etwa Double deducti-on, Deduction/Non-Inclusion und importierte hybride Gestal-tungen einer Basisregelung unterzogen. Auch umgekehrt hybri-de Gestaltungen finden in Art. 9a ATAD eine Regelung. Art. 9bATAD schließlich widmet sich Inkongruenzen bei der Steuer-ansässigkeit.

3. Insbesondere: Die allgemeine Missbrauchsklausel

Von besonderem Interesse ist die allgemeine Missbrauchsklau-sel in Art. 6 ATAD. Diese lautet:

„Artikel 6 Allgemeine Vorschrift zur Verhinderung von Miss-brauch

(1) Liegt unter Berücksichtigung aller relevanten Fakten undUmstände eine unangemessene Gestaltung oder eine unange-messene Abfolge von Gestaltungen vor, bei der der wesentlicheZweck oder einer der wesentlichen Zwecke darin besteht, einensteuerlichen Vorteil zu erlangen, der dem Ziel oder Zweck desgeltenden Steuerrechts zuwiderläuft, so berücksichtigen die Mit-gliedstaaten diese bei der Berechnung der Körperschaftsteuer-schuld nicht. Eine Gestaltung kann mehr als einen Schritt oderTeil umfassen.

(2) Für die Zwecke von Absatz 1 gilt eine Gestaltung oder eineAbfolge solcher Gestaltungen in dem Umfang als unangemessen,als sie nicht aus triftigen wirtschaftlichen Gründen vorgenom-men wurde, die die wirtschaftliche Realität widerspiegeln.

(3) Bleiben Gestaltungen oder eine Abfolge solcher Gestaltungengemäß Absatz 1 unberücksichtigt, so wird die Steuerschuld imEinklang mit nationalem Recht berechnet.“

Nach dem Wortlaut ist entscheidend, ob eine unangemesseneGestaltung vorliegt, deren Zweck in der Erlangung eines nichtanerkennenswerten steuerlichen Vorteils liegt. Als unangemes-

sen gelten hierbei Gestaltungen, die nicht aus triftigen wirt-schaftlichen Gründen vorgenommen wurden. Mit diesen Kon-turen weicht die allgemeine Missbrauchsklausel erheblich vonbestehenden Definitionen ab.

Dies allein müsste noch kein Grund zu vertiefter Betrachtungsein, wenn die Klausel nur eine begrenzte Bedeutung hätte.Ausweislich des 11. Erwägungsgrundes der Richtlinie dient dieallgemeine Missbrauchsklausel allerdings dazu, bei der Miss-brauchsabwehr bestehende Lücken zu schließen. Sie ist also alsGeneralklausel gedacht, der ein weiter Anwendungsbereich zu-kommen soll. Damit erlangt sie auch steuerpolitisch eine er-hebliche Bedeutung.27 Zudem fragt sich, wie eine allgemein zuverstehende Missbrauchsklausel zu anderen sekundärrecht-lichen Missbrauchsklauseln und zum Primärrecht steht.28 Diepolitische Brisanz der ATAD-Richtlinien rührt zu einem gutenTeil auch aus der Formulierung und der Struktur der allgemei-nen Missbrauchsklausel her. Es ist deshalb nicht verwunder-lich, dass die Diskussion in der Literatur vor allem auch diesenAspekt aufgreift.

4. Bewertung in der Literatur

In der Literatur ist das Richtlinienwerk auf ein geteiltes Echogestoßen. Mit Blick auf die steuerpolitische Bewertung über-wiegt allerdings die Skepsis.29 Teilweise wird gewarnt, ein Vo-ranschreiten des europäischen Normgebers auf dem mit denATAD-Richtlinien betretenen Weg könne Fragen nach der de-mokratischen Legitimation der EU und der Kompetenzvertei-lung zu den Mitgliedstaaten aufwerfen.30 Deshalb sei ein ent-sprechendes Tätigwerden der EU zu überdenken. Weiterhinwird eingewandt, die EU könne sich zwar im Rahmen des Ab-baus eines schädlichen Steuerwettbewerbs betätigen, jedoch sei-en die in den ATAD-Richtlinien gewählten Mittel zweifelhaft.31

Diese wendeten sich ausschließlich gegen die Steuerpflichtigenund markierten somit eine Abkehr der EU von ihrer bisherigenSteuerpolitik, die vor allem die Stärkung der Rechte der Markt-bürger im Auge gehabt habe.

Zu diesen übergreifenden Erwägungen kommen Kritikpunkteim Einzelnen. So wird bezweifelt, dass Art. 115 AEUV eine hin-reichende Ermächtigungsgrundlage zum Erlass der ATAD-

23 Dazu im Überblick Oellerich in Schaumburg/Englisch, EuropäischesSteuerrecht, 2015, Rz. 8.75 ff.

24 EuGH v. 29.11.2011 – C-371/10 – National Grid Indus, ECLI:EU:C:2011:785; EuGH v. 23.1.2014 – C-164/12 – DMC, ECLI:EU:C:2014:20 = FR2014, 466 m. Anm. Musil; EuGH v. 21.5.2015 – C-657/13 – Verder LabTec, ECLI:EU:C:2015:331.

25 Grundlegend Schönfeld, Hinzurechnungsbesteuerung und EuropäischesGemeinschaftsrecht, 2005, passim.

26 Dazu ausführlich Allram/Hörtenhuber in Lang u.a. (Hrsg.), Die Anti-Tax-Avoidance-Richtlinie, 2017, S. 131 ff.

27 Siehe auch Hey, StuW 2017, 249 (258).

28 Noch weitergehend fragt Haarmann, IStR 2018, 561 ff., nach dem Ver-hältnis verschiedener Missbrauchsvermeidungsnormen unterschiedlicherProvenienz. Insbesondere geht es um die Abgrenzung von § 42 AO,Art. 7 MLI und Art. 6 ATAD, aber auch um speziellere Missbrauchsklau-seln.

29 Kühbacher, SWI 2017, 362 ff., spricht vom Unsinn einer Harmonisie-rung; kritisch auch Staringer in Lang u.a. (Hrsg.), Die Anti-Tax-Avoidan-ce-Richtlinie, 2017, S. 1 ff.

30 So deutlichMellinghoff, DStJG 41 (2018), S. 1 (4 f.).

31 So Hey, DStJG 41 (2018), S. 9 (28).

936 Aufsätze FR 20/2018Musil – Die ATAD-Richtlinien – Ein Paradigmenwechsel in der Steuerpolitik der EU?

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Richtlinien biete.32 Deren Regelungen seien nicht geeignet, denBinnenmarkt weiterzuentwickeln. Zudem sei die Vereinbarkeiteiniger Regelungen mit den Grundfreiheiten und der dazu er-gangenen EuGH-Rechtsprechung zweifelhaft. Es wird resü-miert, die Regelungen der ATAD seien entweder rechtswidrigoder überflüssig.33

Andere Stimmen in der Literatur versuchen demgegenüber, dieRechtsprechung des EuGH und die erlassenen Richtlinien alsBausteine einer Gesamtarchitektur europäischer Steuerpolitikzu sehen. Insbesondere könne eine übergreifende Agenda derMissbrauchsbekämpfung und der Schaffung von Fairness iminternationalen Steuerwettbewerb identifiziert werden.34

Im Folgenden wird es darum gehen, die Bedeutung der ATAD-Richtlinien zwischen den aufgezeigten Diskussionspunkten zubestimmen.

5. EuGH und Richtliniengeber im Widerspruch?

Bevor dies allerdings geschieht, sei noch kurz ein Blick auf diejüngste Rechtsprechung des EuGH geworfen. Im vorliegendenZusammenhang sind vor allem diejenigen Entscheidungen in-teressant, die einen Bezug zur Thematik der ATAD-Richtlinienaufweisen.

Zu allererst ist hier die Entscheidung in den verbundenenRechtssachen Deister Holding und Juhler Holding zu nennen.35

Der Gerichtshof hat in dieser Entscheidung sein seit vielen Jah-ren angewandtes Konzept der Verhinderung von Steuerhinter-ziehungen und Missbräuchen bestätigt und bekräftigt. Dieseshatte er insbesondere in der Entscheidung Cadbury Schweppesentfaltet.36 In diesem Sinne wird nun im Hinblick auf § 50dAbs. 3 EStG a.F. ausgeführt:37

„Der Gerichtshof hat entschieden, dass eine nationale Regelungnur dann die Verhinderung von Steuerhinterziehungen undMissbräuchen bezweckt, wenn ihr spezifisches Ziel in der Ver-hinderung von Verhaltensweisen liegt, die darin bestehen, reinkünstliche, jeder wirtschaftlichen Realität bare Konstruktionenzu dem Zweck zu errichten, ungerechtfertigt einen Steuervorteilzu nutzen.“

Weiter wird bemängelt, die Vorschrift des deutschen Einkom-mensteuerrechts begründe bei Vorliegen bestimmter Tat-bestandsmerkmale eine unwiderlegbare Missbrauchs- oderHinterziehungsvermutung. Dies sei europarechtlich unzulässig.Vielmehr verlange die Feststellung einer künstlichen Konstruk-tion entgegen der im Ausgangsverfahren streitigen Vorschrift,dass in jedem Einzelfall eine umfassende Prüfung der betreffen-den Situation vorgenommen werde, die sich auf Gesichtspunk-te wie die organisatorischen, wirtschaftlichen oder sonst be-achtlichen Merkmale des Konzerns, zu dem die betreffendeMuttergesellschaft gehört, und die Strukturen und Strategiendieses Konzerns erstrecke.38

Im vorliegenden Zusammenhang aufschlussreich können auchdie Ausführungen des Gerichtshofs in der Rechtssache Horn-bach-Baumarkt sein. Im zugrunde liegenden Fall ging es umdie Normierung des Fremdvergleichsgrundsatzes als Maßstabzur Beurteilung von Verrechnungspreisen in § 1 AStG. Der Ge-richtshof billigte die Anwendung des Fremdvergleichsgrundsat-zes grundsätzlich. Allerdings müsse dessen Anwendung aucherforderlich sein. Konkret wird ausgeführt:39

„In dieser Hinsicht hat der Gerichtshof festgestellt, dass eine na-tionale Regelung, die eine Prüfung objektiver und nachprüfbarerUmstände vorsieht, damit festgestellt werden kann, ob ein ge-schäftlicher Vorgang eine rein künstliche Konstruktion zu steu-erlichen Zwecken darstellt, nicht über das hinausgeht, was zurErreichung der Ziele der Notwendigkeit, die Ausgewogenheit derAufteilung der Besteuerungsbefugnis zwischen den Mitgliedstaa-ten zu wahren, und der Notwendigkeit, Steuerumgehungen zuverhindern, erforderlich ist, wenn erstens in jedem Fall, in demder Verdacht besteht, dass ein geschäftlicher Vorgang über dashinausgeht, was die betreffenden Gesellschaften unter Markt-bedingungen vereinbart hätten, dem Steuerpflichtigen, ohne ihnübermäßigen Verwaltungszwängen zu unterwerfen, die Mög-lichkeit eingeräumt wird, Beweise für etwaige wirtschaftlicheGründe für den Abschluss dieses Geschäfts beizubringen. Zwei-tens muss sich die steuerliche Berichtigung gegebenenfalls aufden Teil beschränken, der über das hinausgeht, was die betref-fenden Gesellschaften unter Marktbedingungen vereinbart hät-ten.“

Sei bspw. eine Tochtergesellschaft für die Erweiterung ihres Ge-schäftsbetriebs auf die Zuführung von Kapital angewiesen, weilsie über kein ausreichendes Eigenkapital verfüge, so könntenwirtschaftliche Gründe die Überlassung von Kapital durch dieMuttergesellschaft unter nicht fremdüblichen Bedingungenrechtfertigen.40

In beiden Entscheidungen wird deutlich, dass der Gerichtshofdie Prüfung der Verhältnismäßigkeit stark akzentuiert und denSteuerpflichtigen in weitem Umfang Nachweismöglichkeitenim Hinblick auf das Vorliegen wirtschaftlicher Gründe zubil-ligt. Diese Rechtsprechung kann durchaus als steuerpflichtigen-freundlich bezeichnet werden. Daraus könnte geschlossen wer-den, dass sie in einem gewissen Spannungsverhältnis zu denMissbrauchsvermeidungs-Richtlinien stehe oder sogar ein Wi-derspruch zu erkennen sei. Ein solcher Widerspruch könnteauch rechtliche Relevanz besitzen. Insoweit ist zu prüfen, wiedie ATAD-Richtlinien im Verhältnis zu primärrechtlichenVorgaben in der Auslegung durch den EuGH zu beurteilensind.

32 Eilers/Oppel, IStR 2016, 312 (313).

33 Kühbacher, SWI 2017, 362 (375 f.).

34 So etwa Kokott, ISR 2017, 395 ff.

35 EuGH v. 20.12.2017 – C-504/16 u. C-613/16 – Deister Holding und JuhlerHolding, ECLI:EU:C:2017:1009.

36 EuGH v. 12.9.2006 – C-196/04 – Cadbury Schweppes, ECLI:EU:C:2006:544 = FR 2006, 987.

37 EuGH v. 20.12.2017 – C-504/16 u. C-613/16 – Deister Holding und JuhlerHolding, ECLI:EU:C:2017:1009, Rz. 60.

38 EuGH v. 20.12.2017 – C-504/16 u. C-613/16 – Deister Holding und JuhlerHolding, ECLI:EU:C:2017:1009, Rz. 74.

39 EuGH v. 31.5.2018 – C-382/16 – Hornbach-Baumarkt, ECLI:EU:C:2018:366, Rz. 49.

40 EuGH v. 31.5.2018 – C-382/16 – Hornbach-Baumarkt, ECLI:EU:C:2018:366, Rz. 54.

FR 20/2018 Aufsätze 937Musil – Die ATAD-Richtlinien – Ein Paradigmenwechsel in der Steuerpolitik der EU?

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IV. Rechtliche Bewertung der ATAD-Richtlinien

1. Prüfung von Richtlinienrecht und umsetzendemnationalen Recht am Maßstab von Primärrecht

Richtlinienrecht muss sich als Sekundärrecht am unionsrecht-lichen Primärrecht messen lassen. Insoweit können die einzel-nen Richtlinienbestimmungen am Maßstab der Grundfreihei-ten und der europäischen Grundrechte, aber auch der Kom-petenzvorschriften des Primärrechts gemessen werden.41 Dabeiist allerdings zu beachten, dass der EuGH bei der Prüfung har-monisierender Rechtsakte eine größere Zurückhaltung übt, alswenn es um mitgliedstaatliche Normen geht.42 Dies lässt sichdamit rechtfertigen, dass die EU nach wie vor auf Integrationangelegt ist und damit die der Integration dienenden Rechtsset-zungsakte als grundsätzlich den Zielen der EU dienlich anzuse-hen sind.43 Gleichwohl wurden bereits Sekundärrechtsakte we-gen Verstoßes gegen Primärrecht aufgehoben. Grundsätzlichwird Primärrecht auch nicht durch Sekundärrechtsakte kon-kretisiert oder ausgefüllt. Es kann aber in Bereichen, in denennoch keine gefestigte Rechtsprechung des EuGH existiert, zueiner gewissen inhaltlichen Vorprägung von Primärrecht durchSekundärrecht kommen, die dann auch die Auslegung durchden EuGH bestimmt.44

Prozessual fragt sich, in welchen Konstellationen es überhauptzu einer Überprüfung von Sekundärrecht, hier der ATAD-Richtlinien, am Maßstab von Primärrecht kommen kann.45 Dadie Richtlinien einstimmig erlassen wurden, ist nicht davonauszugehen, dass es zu Vertragsverletzungsverfahren kommt.Damit bleibt im Wesentlichen nur das Vorabentscheidungsver-fahren auf Vorlage nationaler Gerichte. Gegenstand ist hieraber vor allem das umsetzende nationale Recht. Erst im Rah-men eines dieses betreffenden Verfahrens kann sich auch dieFrage nach der Vereinbarkeit des umgesetzten Sekundärrechtsmit Primärrecht stellen. Da die ATAD-Richtlinien nur Min-deststandards formulieren, ist eine Überprüfung in diesemKontext aber eher unwahrscheinlich.46 Vor diesem Hinter-grund ist nicht zu erwarten, dass es zu einer Aufhebung einzel-ner Richtlinienvorschriften durch den EuGH kommt. Gleich-wohl ist die Vereinbarkeit im Folgenden zu prüfen, um hieraussteuerrechtspolitische Schlussfolgerungen ableiten zu können.

Nach wie vor von Bedeutung bleibt die Prüfung umsetzendennationalen Rechts am Maßstab des Primärrechts. Da das Richt-linienrecht nur Mindeststandards vorgibt, kann eine überschie-ßende Umsetzung nach wie vor gegen Grundfreiheiten oderauch Grundrechte der EU verstoßen.47 Hier gelten dann die be-reits bekannten Maßstäbe. Insbesondere der Grundrechts-schutz durch den EuGH könnte in Zukunft hier eine stärkereBedeutung gewinnen, weil der nationale Grundrechtsschutz imAnwendungsbereich der ATAD-Richtlinien gegenüber natio-nalen Umsetzungsmaßnahmen grundsätzlich zurückzutretenhat.48

2. Ausreichende Ermächtigungsgrundlage

Die nachfolgende Prüfung ist also immer eingedenk des soebenskizzierten materiell-rechtlichen und prozessualen Normgefü-ges vorzunehmen. Zunächst wird in der Literatur behauptet,die Richtlinien seien nicht von der Ermächtigung des Art. 115AEUV gedeckt.49 Dem kann nicht gefolgt werden.

Nach Art. 115 AEUV können einstimmig Richtlinien zur An-gleichung solcher Rechts- und Verwaltungsvorschriften derMitgliedstaaten erlassen werden, die sich unmittelbar auf dieErrichtung oder das Funktionieren des Binnenmarkts auswir-ken.50 Die Anwendung von Art. 115 AEUV steht zudem unterder Voraussetzung des Subsidiaritätsprinzips (Art. 5 Abs. 3EUV). Insoweit müssen die Ziele der Richtlinie auf Unionsebe-ne besser zu verwirklichen sein.

Die Vorschriften der ATAD-Richtlinien halten sich innerhalbdieses Rahmens. Der Kommission ist dahingehend zuzustim-men, dass es auch durch einen schädlichen Steuerwettbewerbzu einer Einschränkung der Funktion des Binnenmarktskommt.51 Zwar erfolgt keine Vollharmonisierung mitglied-staatlicher Vorschriften, so dass die Differenzen zwischen denmitgliedstaatlichen Regelungen zur Vermeidung von Steuer-umgehung partiell erhalten bleiben. Stattdessen werden Min-deststandards normiert, die den Mitgliedstaaten ein strengeresVorgehen erlauben. Diese Regelungstechnik steht aber einerEignung zur Verwirklichung des Binnenmarkts nicht ent-gegen.52 Durch ein gemeinsames Vorgehen aller Mitgliedstaa-ten und die Vereinbarung von Mindeststandards erhält derSteuerwettbewerb der Mitgliedstaaten einen Rahmen, der einunerwünschtes „race to the bottom“ verhindern helfen kann.Auf der Basis von Art. 115 AEUV ist auch eine solche nur teil-weise Harmonisierung möglich.

Auch die Tatsache, dass die Richtlinien die Mitgliedstaatenu.U. zur Schaffung oder Verschärfung von Eingriffstatbestän-den gegenüber ihren Steuerpflichtigen verpflichten, sprichtnicht gegen die Harmonisierungskompetenz. Zwar mag dieseRegelungstechnik im Rahmen des Ertragsteuerrechts ein No-vum in der Steuerpolitik der EU darstellen.53 In anderen Sach-bereichen ist es hingegen völlig unbestritten, dass ein vergleich-bares Schutzniveau und damit ein Abbau von Hemmnissen fürden Binnenmarkt nur durch Schaffung belastender mitglied-staatlicher Regelungen erreichbar ist.54

41 Grundlegend Streinz, Europarecht10, Rz. 448 ff.; Herdegen, Europarecht19,§ 8 Rz. 4 ff.; speziell zu den Grundfreiheiten s. Zazoff, Der Unionsgesetz-geber als Adressat der Grundfreiheiten, 2011, passim, sowie Reimer inSchaumburg/Englisch, Europäisches Steuerrecht, 2015, Rz. 7.19.

42 Dazu Hey, StuW 2017, 248 (254).

43 Dazu Herdegen, Europarecht19, § 8 Rz. 87 ff.; s. auch EuGH v. 15.6.1994 –C-137/92 P – BASF, ECLI:EU:C:1994:247, Rz. 48.

44 Reimer in Schaumburg/Englisch, Europäisches Steuerrecht, 2015,Rz. 7.21, spricht von umgekehrter Maßgeblichkeit.

45 Dazu Hey, StuW 2017, 248 (254).

46 Hey, StuW 2017, 248 (256 ff.).

47 Zum Verhältnis von Unionsrecht zum nationalen Recht s. grundlegendDittert, Europarecht5, S. 70 ff.

48 Hey, DStJG 41 (2018), S. 9 (31).

49 So Eilers/Oppel, IStR 2016, 312 (313).

50 Im Einzelnen Classen in von der Groeben/Schwarze/Hatje, EuropäischesUnionsrecht7, Art. 115 AEUV Rz. 8 ff.

51 Vgl. COM(2015) 302 final v. 17.6.2015, S. 3 f.

52 So aber z.B. Eilers/Oppel, IStR 2016, 312 (313); zweifelnd auch Staringerin Lang u.a. (Hrsg.), Die Anti-Tax-Avoidance-Richtlinie, 2017, S. 1 (11).

53 Dies betonend Hey, DStJG 41 (2018), S. 9 (28); Staringer in Lang u.a.(Hrsg.), Die Anti-Tax-Avoidance-Richtlinie, 2017, S. 1 (11 f.).

54 So etwa im Bereich des Umweltrechts; zu den damit verbundenen Fragender Rechtsgrundlage s. etwa Dittert, Europarecht5, S. 325.

938 Aufsätze FR 20/2018Musil – Die ATAD-Richtlinien – Ein Paradigmenwechsel in der Steuerpolitik der EU?

Page 37: 20_2018_Jubilaeums-Heft.pdf

Die ATAD-Richtlinien verstoßen auch nicht gegen die Vor-gaben des Subsidiaritätsprinzips gem. Art. 5 Abs. 3 EUV. Eineinzelstaatliches Vorgehen könnte das Ziel der Gewährleistungeiner fairen und wirksamen Besteuerung und der Stärkung derResilienz des Binnenmarktes55 nicht in demselben Ausmaß er-reichen, wie es durch die Regelung eines Mindestschutzniveausmöglich ist.56

3. Normierung spezieller Eingriffstatbestände durchdie ATAD

Weiterhin könnte die Normierung spezieller Eingriffstatbestän-de in den ATAD-Richtlinien gegen Vorgaben der Grundfrei-heiten verstoßen, wie in der Literatur teilweise behauptetwird.57 Betrachtet man die Mindestvorgaben der Richtlinien in-des näher, so lässt sich im Ergebnis kein Verstoß feststellen.Die Vorgaben sind zum Teil so formuliert, dass sie sich eng andie Rechtsprechung des EuGH zu entsprechenden mitglied-staatlichen Vorschriften anlehnen, so etwa bei den Vorschriftenzur Wegzugs- und Entstrickungsbesteuerung in Art. 5 ATAD.Die Vorschriften zur Zinsschranke berühren nicht den Anwen-dungsbereich der Grundfreiheiten, soweit grenzüberschreiten-de und rein inländische Sachverhalte gleichbehandelt werden.Die Konzepte zur Hinzurechnungsbesteuerung und zu hybri-den Gestaltungen lassen sich in verhältnismäßiger Weise durchdie Mitgliedstaaten umsetzen. Eine andere Frage ist indes, obund inwieweit mitgliedstaatliche Umsetzungsmaßnahmen eineüberschießende Tendenz besitzen.

4. Allgemeiner Missbrauchstatbestand und Miss-brauchskonzept des EuGH

Besonderes Augenmerk verdient schließlich das Verhältnis desallgemeinen Missbrauchstatbestands des Art. 6 ATAD zurMissbrauchskonzeption des EuGH. Es wurde deutlich, dass beiüberblicksartiger Betrachtung zwischen beidem ein Spannungs-verhältnis, wenn nicht gar ein Widerspruch zu bestehenscheint. Um das Verhältnis genauer bestimmen zu können,müssen Anwendungsbereich und Regelungsinhalt von Art. 6ATAD näher betrachtet werden.

Zunächst ist festzuhalten, dass Art. 6 ATAD einen allgemeinenMissbrauchstatbestand normiert. Eine entsprechende General-klausel, wie sie Art. 6 ATAD enthält, weicht zwar signifikantvon der sonstigen Regelungstechnik der ATAD-Richtlinien ab.Gleichwohl ergibt sich aus dem 11. Erwägungsgrund, dass einsolcher allgemeiner Missbrauchsvorbehalt und nicht bloß eineErgänzungsregelung für die speziellen Tatbestände gewolltwar.58 Art. 6 ATAD soll sich zudem nicht nur auf grenzüber-schreitende Fälle innerhalb der EU, sondern auch auf rein in-nerstattliche Fälle und Drittstaatskonstellationen erstrecken.Sachlich ist der Missbrauchstatbestand ausdrücklich auf dieKörperschaftsteuer begrenzt.

Nach Art. 6 Abs. 1 ATAD liegt Missbrauch im Fall einer unan-gemessenen Gestaltung oder einer unangemessenen Abfolgevon Gestaltungen vor, bei der der wesentliche Zweck oder einerder wesentlichen Zwecke darin besteht, einen steuerlichen Vor-teil zu erlangen, der dem Ziel oder Zweck des geltenden Steuer-rechts zuwiderläuft. Die Formulierung von Art. 6 Abs. 1 ATADmacht deutlich, dass das Vorliegen von Missbrauch von einemobjektiven und einem subjektiven Test abhängig gemacht

wird.59 Objektiv geht es um die Unangemessenheit der Gestal-tung, in subjektiver Hinsicht muss der wesentliche Zweck inder Erzielung von Steuervorteilen liegen. Was unter einer un-angemessenen Gestaltung zu verstehen ist, formuliert Art. 6Abs. 2 ATAD näher aus. Danach gelten Gestaltungen in demUmfang als unangemessen, als sie nicht aus triftigen wirtschaft-lichen Gründen vorgenommen wurden, die die wirtschaftlicheRealität widerspiegeln. Der Missbrauchstatbestand des Art. 6ATAD arbeitet mit vielen Blankettbegriffen und bedarf deshalbder Ausfüllung durch den Rechtsanwender. Insbesondere derRechtsprechung kommt die Aufgabe zu, die allgemeine Miss-brauchsvorschrift praktisch handhabbar zu machen.60

Die Ausfüllung des allgemeinen Missbrauchstatbestands istvom zugrunde liegenden Missbrauchskonzept abhängig. Eswurde bereits gezeigt, dass der EuGH bisher im Zusammen-hang mit den Grundfreiheiten, aber auch den Missbrauchstat-beständen der Harmonisierung-Richtlinien ein enges Miss-brauchsverständnis verwendet. Eine mitgliedstaatliche Miss-brauchsabwehr ist danach nur zulässig, soweit sie darauf aus-geht, Verhaltensweisen zu verhindern, die darin bestehen, reinkünstliche, jeder wirtschaftlichen Realität bare Gestaltungen zudem Zweck zu errichten, der Steuer zu entgehen, die normaler-weise für durch Tätigkeiten im Inland erzielte Gewinne ge-schuldet wird.61

Die Formulierung des Art. 6 ATAD spricht dafür, dass dieseVorschrift der engen Konzeption der rein künstlichen Gestal-tung nicht gänzlich folgt.62 So wird der Begriff der künstlichenGestaltung nicht erwähnt. Zudem wird in Art. 6 Abs. 2 ATADeine Gestaltung bereits dann als unangemessen bewertet, wennsie nicht aus triftigen wirtschaftlichen Gründen vorgenommenwurde, die die wirtschaftliche Realität widerspiegeln. Miss-brauch kann also auch bei Vorliegen wirtschaftlicher Gründeangenommen werden, wenn diese nicht triftig genug erschei-nen. Grundlage der Beurteilung muss eine Gesamtschau allerUmstände sein. Die Zukunft muss zeigen, welche Gestaltungenvor diesem Hintergrund als unangemessen bewertet werdenund welche nicht. Bemerkenswert ist weiterhin, dass der Tat-bestand eine subjektive Komponente enthält. Generell kann ge-sagt werden, dass der Tatbestand des Art. 6 ATAD eher demdeutschen Verständnis zu § 42 AO entspricht als der Vorstel-lung des EuGH von der Verhinderung rein künstlicher Gestal-tungen.63

Dieser Befund führt zu der Frage, wie diese unterschiedlichenKonzepte zueinander stehen. Da das Missbrauchskonzept desEuGH auch zum Primärrecht entwickelt worden ist, könnteman der Ansicht sein, Art. 6 ATAD verstoße gegen Primär-

55 Dazu Erwägungsgründe 2 u. 16 der ATAD.

56 Zweifelnd insoweit Hey, StuW 2017, 248 ff.

57 Siehe etwa Kühbacher, SWI 2017, 362 ff.

58 So auch Hey, StuW 2017, 248 (258).

59 Vgl. Langer/Orzechowski in Lang u.a. (Hrsg.), Die Anti-Tax-Avoidance-Richtlinie, 2017, S. 79 (82 f.).

60 Ebenso Hey, StuW 2017, 248 (258).

61 EuGH v. 12.9.2006 – C-196/04 – Cadbury Schweppes, ECLI:EU:C:2006:544 = FR 2006, 987, Rz. 55; s. auch bereits Abschn. III.5.

62 Hey, StuW 2017, 248 (259 f.).

63 Eine vergleichende Betrachtung findet sich bei Haarmann, IStR 2018, 561(565).

FR 20/2018 Aufsätze 939Musil – Die ATAD-Richtlinien – Ein Paradigmenwechsel in der Steuerpolitik der EU?

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recht. Eine solche Überlegung griffe indes zu kurz. Das Primär-recht enthält keine eigenständige Normierung eines Miss-brauchstatbestands. Vielmehr begrenzt der EuGH in engenAusnahmekonstellationen die grundfreiheitlichen Gewährleis-tungen durch einen allgemeinen Missbrauchsvorbehalt. Gleich-wohl erscheint es nicht sachgerecht, den verschiedenen unions-rechtlichen Missbrauchsvorbehalten unterschiedliche Konzeptezugrunde zu legen. Dies könnte zu Widersprüchen führen,wenn ein Lebenssachverhalt zum einen unter das Richtlini-enrecht, zum anderen unter die Grundfreiheiten zu subsumie-ren wäre. Dementsprechend scheint es geboten, eine kohärenteMissbrauchskonzeption zu entwickeln.64

Den Weg dorthin weisen möglicherweise die Schlussanträgevon Generalanwältin Kokott zu den verbundenen RechtssachenC-115–119/16 und C-299/16.65 Dort wird ausgeführt, dass ne-ben der Fallgruppe der rein künstlichen Gestaltung noch wei-tere Fälle denkbar seien, in denen Missbrauch anzunehmen sei.Insbesondere eine aggressive subjektive Zielrichtung einerMaßnahme, die erkennbar auf reine Steuerersparnis ausgerich-tet sei, könne die Annahme von Missbrauch begründen. ZuArt. 6 ATAD wird ausdrücklich ausgeführt:66

„(62) Darüber hinaus definiert Artikel 6 in der – für die streitbe-fangenen Jahre noch nicht anwendbaren – Richtlinie mit Vor-schriften zur Bekämpfung von Steuervermeidungspraktiken (imFolgenden: Richtlinie 2016/1164) den Begriff des Missbrauchs.Danach ist entscheidend, ob eine unangemessene Gestaltungvorliegt, bei der der wesentliche Zweck oder einer der wesentli-chen Zwecke darin besteht, einen steuerlichen Vorteil zu erlan-gen, der dem Ziel oder Zweck des geltenden Steuerrechts zuwi-derläuft. Nach Absatz 2 gilt eine Gestaltung in dem Umfang alsunangemessen, als sie nicht aus triftigen wirtschaftlichen Grün-den vorgenommen wurde, die die wirtschaftliche Realität wider-spiegeln.

(63) Nicht zuletzt hat der Gerichtshof mehrfach entschieden,dass eine Beschränkung der Niederlassungsfreiheit sich nurdann mit Gründen der Bekämpfung missbräuchlicher Praktikenrechtfertigen lasse, wenn das spezifische Ziel der Beschränkungdie Verhinderung von Verhaltensweisen ist, die darin bestehen,rein künstliche, jeder wirtschaftlichen Realität bare Konstruktio-nen zu dem Zweck zu errichten, die Steuer zu umgehen, die nor-malerweise auf die durch Tätigkeiten im Inland erzielten Gewin-ne zu zahlen ist. Wie der Gerichtshof mittlerweile auch mehr-fach entschieden hat, reicht es dafür aus, wenn mit der Kon-struktion nicht ausschließlich, sondern im Wesentlichen einSteuervorteil erlangt werden soll.

(64) Diese Rechtsprechung des Gerichtshofs beinhaltet zwei Ele-mente, die sich gegenseitig bedingen. Zum einen wird rein künst-lichen Gestaltungen, die im Ergebnis nur auf dem Papier statt-finden, von vornherein die Anerkennung versagt. Darüber hi-naus kommt der Umgehung des Steuergesetzes entscheidende Be-deutung zu, die auch mit Hilfe von in der wirtschaftlichen Reali-tät existierenden Konstruktionen erreicht werden kann. LetztereFallgruppe dürfte die häufigere sein und wird in dem neuen Ar-tikel 6 der Richtlinie 2016/1164 nunmehr ausdrücklich erfasst.Auch der Gerichtshof selbst sieht in einer jüngeren Entscheidungin dem rein künstlichen Charakter nur einen Umstand dafür,dass im Wesentlichen die Erlangung eines Steuervorteils ange-strebt wird.“

Diesen Ausführungen lässt sich das Bestreben entnehmen, dasKonzept der künstlichen Gestaltung mit den Formulierungenvon Art. 6 ATAD zu harmonisieren. In diesem Bestreben istder Generalanwältin beizupflichten.

Im Einzelnen sind noch viele Fragen zu klären. Allerdings lässtsich schon jetzt sagen, dass ein kohärentes Missbrauchskonzepteher nicht durch Anwendung des bisherigen Konzepts desEuGH auf Art. 6 ATAD entstehen kann. Hierfür ist die Formu-lierung der Richtlinienvorschrift zu weit. Vielmehr wird sichdie Rechtsprechung in Richtung der Anerkennung weitererMissbrauchstatbestände öffnen müssen, wie es die Schluss-anträge der Generalanwältin nahelegen.

V. Ausblick: Die ATAD-Richtlinien als Teil eines Para-digmenwechsels

Die bisherigen Ausführungen zeigen, dass die ATAD-Richtlini-en tatsächlich einen steuerpolitischen Paradigmenwechsel derEU markieren. Die Mitgliedstaaten haben durch ihren Erlasseinstimmig zum Ausdruck gebracht, dass sie den Abbau steuer-licher Handelshemmnisse auch durch die Schaffung von Min-destanforderungen an mitgliedstaatliche Eingriffstatbeständefür missbräuchliche Gestaltungen erreichen wollen. Darin liegtdie Verabredung zwischen den Mitgliedstaaten, gegenüber deneigenen Steuerpflichtigen konsequenter als bisher gegen Miss-bräuche vorzugehen. Dieses Vorgehen ist in dieser Form einNovum und wäre vor einigen Jahren noch nicht denkbar gewe-sen. Weitere Gesetzgebungsakte der EU zeigen, dass die Schaf-fung der ATAD-Richtlinien kein Einzelfall ist. Insbesondere imBereich des grenzüberschreitenden Informationsaustauschswurden bereits Richtlinien erlassen oder verschärft, die eineähnliche Zielrichtung verfolgen.67 Es lässt sich konstatieren,dass die Bekämpfung von schädlichem Steuerwettbewerb mitt-lerweile fest in der Steuerpolitik der EU verankert ist. In der Li-teratur wird aber zu Recht konstatiert, dass die Bekämpfungvon schädlichem Steuerwettbewerb bisher nur indirekt, näm-lich im Wege eines Vorgehens gegen die Steuerpflichtigen, ver-folgt wird. Ein direkter Abbau solcher Wettbewerbsanreizemüsste über eine Angleichung der Steuerrechtsvorschriftenauch im Bereich der direkten Steuern erfolgen.68 Hier scheintdie Bereitschaft der Mitgliedstaaten zu einem gemeinsamenVorgehen noch nicht so stark ausgeprägt zu sein. Möglicher-weise wird hier die neue Initiative der Kommission zur Ver-abschiedung der GKKB-Richtlinie den Durchbruch bringen.

Der konstatierte Paradigmenwechsel wird aber die steuerpoliti-sche Agenda der EU nicht vollständig modifizieren. Die jüngsteRechtsprechung des EuGH zeigt, dass dieser an seiner bisheri-gen Linie festhalten will und wird. Im Wege der negativen Inte-

64 In diesem Sinne auch Kokott, ISR 2017, 395 ff.

65 EuGH, Schlussanträge der Generalanwältin Kokott v. 1.3.2018 – verb. Rs.C-115–119/16 u. C-299/16 – N, T, Y, X, C und Z, ECLI:EU:C:2018:143 =ISR 2018, 207 ff. m. Anm. Lampert.

66 EuGH, Schlussanträge der Generalanwältin Kokott v. 1.3.2018 – C-299/16 – Z, ECLI:EU:C:2018:148, Rz. 62 ff.

67 Vgl. RL (EU) 2018/822 des Rates vom 25.5.2018 zur Änderung der Richt-linie 2011/16/EU bezüglich des verpflichtenden automatischen Informati-onsaustauschs im Bereich der Besteuerung über meldepflichtige grenz-überschreitende Gestaltungen, ABl. Nr. L 139, 1.

68 Ausführlich Hey, DStJG 41 (2018), S. 9 (39 ff.).

940 Aufsätze FR 20/2018Musil – Die ATAD-Richtlinien – Ein Paradigmenwechsel in der Steuerpolitik der EU?

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gration hat der Gerichtshof beharrlich und kontinuierlich be-stehende steuerliche Barrieren für den Binnenmarkt abgebaut.Hierbei berücksichtigt er mittlerweile stärker als früher auchfiskalische Interessen der Mitgliedstaaten, indem bestehendeRechtfertigungsmöglichkeiten ausgebaut und neue Rechtfer-tigungsgründe geschaffen wurden.

Die bereits erwähnten Schlussanträge69 von GeneralanwältinKokott weisen den Weg für die künftige Entwicklung. Die aufden ersten Blick nicht deckungsgleichen Integrationswege vonEuGH und Richtliniengeber können zu einem steuerpolitischenAusgleich gebracht werden. Dies wird aber nur gelingen kön-nen, wenn sich der EuGH noch weiter auf die Mitgliedstaatenzubewegt. Das mag man aus Sicht der betroffenen Unterneh-men bedauern. Gleichwohl ist der Weg vorgezeichnet. Die der-zeitigen Entwicklungen haben viel damit zu tun, dass mitglied-staatliche Interessen in der größer gewordenen und weltpoli-tisch stark unter Druck stehenden Union derzeit stärker akzen-tuiert werden als eine voranschreitende Integration. Dies giltinsbesondere auch in steuer- und finanzpolitischen Bereichen.

Gleichwohl kann der bestehende Zustand auf Dauer nicht be-friedigen. Die EU-Steuerpolitik müsste tatsächlich in Richtungeiner direkten Harmonisierung der mitgliedstaatlichen Steuer-rechtsordnungen auch im Bereich der direkten Steuern weiter-entwickelt werden. Die Verabschiedung der GKKB-Richtliniekönnte hier ein erster wichtiger Schritt sein. Jedenfalls solltesich der EU-Gesetzgeber künftig wieder stärker auf positive

Maßnahmen zum Abbau von steuerlichen Handelshemmnis-sen konzentrieren, als den Blick allein auf gestaltungsintensiveund missbrauchsanfällige Steuerpflichtige und ihre Berater zurichten.

Prof. Dr. Andreas Musil

Universitätsprofessor

Inhaber des Lehrstuhls für öffentliches Recht,insbesondere Verwaltungs- und Steuerrecht, ander Juristischen Fakultät der Universität Pots-dam

Schwerpunkte: Ertragsteuerrecht, EuropäischesSteuerrecht, Gemeinnützigkeitsrecht, Besteue-rung der Öffentlichen Hand

[email protected]

www.uni-potsdam.de/verwaltungs_und_steuer-recht

Dr. Björn Heidecke / Dr. Andreas Mammen, Hamburg

Konvergenz um jeden Preis? Die Zukunft national-staatlicher Steuerpolitik

Der vorliegende Beitrag zeichnet zunächst die Harmonisierungs-tendenzen im Bereich der Steuerpolitik mit einem Fokus auf dieEU nach. Im Anschluss daran wird aus verschiedenen Blickwin-keln das „Für und Wider“ einer Steuerharmonisierung erörtert.Steuerharmonisierung bedeutet eine Angleichung insbesonderehinsichtlich der Gestaltung des Steuersystems, der Bemessungs-grundlagen, Steuersätze und Ausnahmetatbestände. Hierbeiwird auf volkswirtschaftliche, EU-historische und unternehmeri-sche Aspekte eingegangen. Die Verf. kommen zu folgendem Er-gebnis: Konvergenz um jeden Preis scheint aktuell weder recht-lich durchsetzbar, noch volks- und betriebswirtschaftlich ratsam.Die gleichwohl aktuell vorfindliche Diskussion um eine GKKBund die Vielzahl an OECD- sowie EU-Papieren mit dem Zieleben jener Konvergenz scheint sich nur vor dem Hintergrund ei-nes politischen und medialen Willens um eine Beseitigung vonSteuervermeidung und konsensuale Sichtweisen zu erklären.

1. Problemstellung

Seit geraumer Zeit sind sowohl auf supranationaler als auch aufeuropäischer Ebene Bestrebungen für ein konvergentes Steuer-system zu konstatieren.1 Die Harmonisierungsbestrebungen

sind dabei die Konsequenz eines „Gemeinsamen Marktesbzw. [...] Binnenmarktes“2, um hierdurch „steuerliche Ineffi-zienzen und Hindernisse [...] abzuschaffen.“3 Insbesondere„hohe Befolgungs- und Verwaltungskosten“, fehlende grenz-überschreitende ertragsteuerliche Verlustausgleichsmöglichkei-ten – abgesehen von vereinzelten existierenden länderspezi-fischen Gruppenbesteuerungssystemen4 – sowie mögliche Dop-

69 EuGH, Schlussanträge der Generalanwältin Kokott v. 1.3.2018 – verb. Rs.C-115–119/16 u. C-299/16 – N, T, Y, X, C und Z, ECLI:EU:C:2018:143 =ISR 2018, 207 ff. m. Anm. Lampert.

1 Hier etwa der Entwurf für eine gemeinsame konsolidierte Körperschaft-steuerbemessungsgrundlage (GKKB), Spengel, IStR 2008, 556 ff.; zurKomplexität auch Kahle/Lipp, DStR 2013, 1205 ff.; Scheffler/Köstler, DStR2013, Teil 1, 2190 ff.; Scheffler/Köstler, DStR 2013, Teil 2, 2235 ff.; jüngstbasierend auf den beiden EU-Richtlinienvorschlägen v. 25.10.2016,Krauß, IStR 2017, 479 ff.; zu Einzelaspekten auch Spengel/Stutzenberger,IStR 2018, 37 ff.

2 Waldhoff in Calliess/Ruffert (Hrsg.), EUV/AEUV, Kommentierung zuArt. 113, 2016, Rz. 1.

3 Förster/Krauß, IStR 2011, 607; zur Notwendigkeit auch zustimmend Ja-cobs/Endres/Spengel in Jacobs et al. (Hrsg.), Internationale Unterneh-mensbesteuerung, 2016, S. 176.

4 Wie etwa Italien mit dem sog. „all in-all out“ principle , Deloitte, Interna-tional Tax Italy Highlights 2018, abrufbar unter: https://www2.deloitte.com/content/dam/Deloitte/global/Documents/Tax/dttl-tax-italyhigh-

FR 20/2018 Aufsätze 941Heidecke / Mammen – Konvergenz um jeden Preis? Die Zukunft nationalstaatlicher Steuerpolitik

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pelbesteuerungsrisiken sind auf den ersten Blick – ungeachtetanderer Effekte – nachvollziehbare Gründe für die Etablierungeines konvergenten globalen Steuersystems. Wenngleich dieseBestrebungen für den EU-Raum nicht neu sind5 und Teilberei-che auch bereits erfolgreich umgesetzt wurden,6 erfährt derWunsch nach einem konvergenten Steuersystem – insbesonde-re durch die anhaltende gesellschaftliche und politische Diskus-sion über die als „unfair“ wahrgenommene Ertragsteuerbelas-tung einzelner medienwirksam gewordener US-amerikanischerIT-Konzerne7 – zunehmend Aufwind. Die OECD hat sich –basierend auf 15 Aktionspunkten – indem Base Erosion ProfitShifting-Projekt (BEPS) dieser Problematik angenommen undEmpfehlungen „zur Sicherstellung einer fairen Unternehmens-besteuerung“ ausgesprochen.8 Die Vorgaben der OECD wur-den bzw. werden durch etliche Staaten in nationale Gesetzeübernommen. Die einzelnen Regelungen fördern damit zumin-dest eine „Angleichung“ der Steuersysteme innerhalb der EU.9

Neben dieser „schleichenden“ Harmonisierung sind mit denVorschlägen für eine gemeinsame Konzernbesteuerungsbemes-sungsgrundlage (GKB) sowie – langfristig – für eine gemein-same konsolidierte Konzernbesteuerungsbemessungsgrundlage(GKKB)10 für den EU/EWR-Raum konkrete Empfehlungen fürein konvergentes Steuersystem entwickelt worden. Die Beson-derheiten digitaler Geschäftsmodelle werden nach Ansicht eini-ger in den gegenwärtigen Steuersystemen gar nicht oder nurunzureichend abgebildet11 und sollen – im Rahmen einer lang-fristigen Lösung – auch Einzug in die Entwürfe zur GKB bzw.GKKB der europäischen Kommission finden.12 Dadurch wer-den ggf. zukünftig – für bestimmte Unternehmen innerhalbdes EU-Raums verpflichtend und für andere optional – „natio-nale Körperschaftsteuersysteme“ vollständig verdrängt13 undinsoweit die Steuersouveränität der Mitgliedstaaten aufgege-ben14 oder zumindest eingeschränkt. Der vorliegende Beitragliefert zunächst eine Nachzeichnung der Harmonisierungsten-denzen im Bereich der Steuerpolitik mit einem Fokus auf dieEU. Im Anschluss daran wird aus verschiedenen Blickwinkelndas „Für und Wider“ einer Steuerharmonisierung erörtert.Steuerharmonisierung bedeutet insbesondere hinsichtlich derGestaltung des Steuersystems, der Bemessungsgrundlagen,Steuersätze und Ausnahmetatbestände eine Angleichung. Hier-bei wird auf volkswirtschaftliche, EU-historische und unter-nehmerische Aspekte eingegangen.

2. Nachzeichnung der Harmonisierungstendenzen

Harmonisierungen haben sich auf EU- und/oder OECD-Ebenefür die Bereiche der indirekten und direkten Steuern bereitsmit unterschiedlicher Intensität vollzogen.

2.1 Indirekte Steuern

Verschiedene Abgabensysteme, wie etwa der Zoll15 und speziel-le Verbrauchsteuern, wie die Tabak-, Alkohol-, Mineralöl- so-wie Energiesteuer wurden durch entsprechende EU-Richtlinieninnerhalb der EU weitestgehend angeglichen. Auch die Um-satzsteuer unterliegt diesem Harmonisierungsprozess.

Die Umsatzsteuersysteme der EU/EWR-Mitgliedstaaten – so-wie z.T. auf Grundlage einer freiwilligen Adaption auch die derDrittstaaten16 – wurden nach Maßgabe der Mehrwertsteuersys-tem-Richtlinie17 – legitimiert auf Basis des Art. 113 AEUV –nahezu harmonisiert. Vereinzelte Freiheitsgrade verbleiben den

Staaten – abgesehen von den vorgeschriebenen Mindeststeuer-sätzen18 für die regulären und ermäßigten Umsatzsteuersätze –so etwa bei der Festlegung der Höhe des Steuersatzes.

2.2 Direkte Steuern

Für die direkten Steuern hat sich eine derartige umfassendeHarmonisierung der Unternehmensbesteuerung für den EU-Raum noch nicht etablieren können. Dies liegt sicherlich zumeinen daran, dass der AEUV für den Bereich der direkten Steu-ern anders als für die indirekten Steuern keine explizite Har-monisierungsbefugnis enthält. Eine globale Steuerharmonisie-rung – abgesehen von eintretenden Wirkungen infolge punk-tueller Änderungen auf Basis des BEPS-Projektes – wird sich inabsehbarer Zeit nicht realisieren lassen. Lediglich unter „Rück-griff auf Art. 115 AEUV“ lässt sich eine Angleichung auch fürden Bereich der direkten Steuern durch entsprechende Richt-

lights-2018.pdf?nc=1 (Abruf: 01.10.2018); in Österreich etwa die Grup-penbesteuerung nach Maßgabe des § 9 Abs. 2 KStG-Ö.

5 Etwa Seiler, der von einer bereits erfolgten „punktuellen Harmonisierungdurch Richtlinien“ spricht, Seiler in Das Recht der Europäischen Union,Kommentierung zu AEUV Art. 113 Harmonisierung der indirekten Steu-ern, 2018, Rz. 50 ff.; für den Bereich der direkten Steuern Waldhoff inCalliess/Ruffert (Hrsg.), EUV/AEUV, Kommentierung zu Art. 113, 2016,Rz. 19 ff.

6 Vgl. hierzu etwa die für die Umsatzsteuer eingetretene Harmonisierungin Europa, anstatt vieler Kahle/Lipp, DStR 2013, 1208; als Beispiele dieFusionsrichtlinie, die Mutter-Tochter-Richtlinie, die Zins- und Lizenz-richtlinie, m.w. Ausführungen Kamann in Streinz (Hrsg.), EUV/AEUV,Kommentierung zur AEUV Art. 113, 2018, Rz. 30 f.

7 Vgl. hierzu stellvertretend Jacobs/Endres/Spengel in Jacobs (Hrsg.), Inter-nationale Unternehmensbesteuerung, Maßnahmen zur Vermeidung vonMinderbesteuerungen, 8. Aufl. 2016, S. 96. Die Steuerquoten können derim IFRS-Anhang beigefügten steuerlichen Überleitungsrechnung nachIAS 12.81 (c) entnommen werden, m.w. Ausführungen Mammen, PiR2007, 110 ff. bezugnehmend hier auf Adrian, Tax Reconciliation im HGBund IAS/-IFRS Konzernabschluss, Frankfurt 2005, zur Entscheidungs-nützlichkeit jüngst Sturm/Ertel, WPg 2016, 755 ff.; zur Bedeutung derKonzernsteuerquote Mammen, Die Konzernsteuerquote als Lenkungs-instrument im Rahmen des Risikomanagemtsystems börsennotierterMuttergesellschaften, Wiesbaden 2010; zu deren Höhe auch Jonas, BB2013, 1112.

8 Zu den jeweiligen Inhalten anstatt vieler etwa Bannes/Cloer, BB 2016,1047f.; Benz/Eilers, IStR-Beih. 2016, 1-16; Blumenberg/Kring, BB 2017,151-158; Dissen/Riedl/Uzeirovski, IStR 2017, 555-559; Fehling, FR 2015,817-823.

9 Zu den „Nebenwirkungen“ auch Oppel, IStR 2016, 797 ff. Waldhoff inCalliess/Ruffert (Hrsg.), EUV/AEUV, Kommentierung zu AUEVArt. 113, 2016, Rz. 2.

10 Siehe hierzu den veröffentlichten Vorschlag der Europäischen Kommis-sion v. 16.3.2011, Europäische Kommission, KOM (2011) 121/4,16.3.2011.

11 Vgl. zum Meinungsstreit auch Benz/Böhmer, DB 2018, 1233 ff.

12 Zu den Problemen der Besteuerung digitaler Geschäftsmodelle auch an-statt vieler etwa Pinkernell, Ubg 2018, 139 ff.; Roderburg, Ubg 2018,249 ff.; Haase, Ubg 2018, 259; Kahle/Braun, Ubg 2018, 365; Rasch, FR2018, 441. Zur Kritik im Hinblick auf die Bestrebungen der EU Spengel,DB 2018, M4.

13 Eine Verdrängung findet bereits gegenwärtig durch die Inhalte der EU-Richtlinien statt, zustimmend auch Seiler in Das Recht der EuropäischenUnion, Kommentierung zu AEUV Art. 113, 2018, Rz. 50 ff.

14 Krauß, IStR 2017, 480.

15 Vgl. hierzu etwa den Zollkodex der Europäischen Union (kurz Unions-zollkodex, UZK).

16 Siehe so etwa z.B. die Schweiz in einzelnen Bereichen.

17 Richtlinie 2006/112/EG des Rates v. 28.11.2006.

18 Zu den Harmonisierungsschritten vgl. MwSt-RL v. 11.4.1967; SechsteMwSt-RL v. 17.5.1977; MwSt-RL v. 19.10.1972; Binnenmarktrichtlinie v.16.12.1991 sowie MwSt-Systemrichtlinie v. 28.11.2006.

942 Aufsätze FR 20/2018Heidecke / Mammen – Konvergenz um jeden Preis? Die Zukunft nationalstaatlicher Steuerpolitik

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linien in den Steuergesetzen der Mitgliedstaaten erreichen,„wenn und soweit sich [...] -Steuern unmittelbar auf die Errich-tung oder das Funktionieren des Binnenmarktes auswirken.“19

Darüber hinaus muss der Richtlinie einstimmig durch die Mit-gliedstaaten zugestimmt werden (sog. Einstimmigkeitserforder-nis).20

Dennoch sind zunehmende Harmonisierungstendenzen – u.a.verbunden mit dem Ziel legale Steuervermeidungs- und -umge-hungspraktiken international agierender Unternehmen, die zu-meist auf der bestehenden Heterogenität der Steuersysteme derMitgliedstaaten basieren zu unterbinden, festzustellen.

Parallel zu dem Richtlinienentwurf der EU-Kommission ausdem Jahr 2011 für eine GKKB und dem erneuten Wiederauf-leben dieser „langfristigen Idee“ 2016 sind punktuelle Rechts-angleichungen bereits vollzogen oder werden in absehbarer Zu-kunft verpflichtend durch die EU-Mitgliedstaaten umzusetzensein (vgl. 2.2.1). Ausgehend von dieser „schleichenden“21 An-gleichung der Steuersysteme der EU-Mitgliedstaaten in Folgevon auf Richtlinien durchgeführten punktuellen Änderungenkönnte auf EU-Ebene eine konzeptionelle Angleichung inForm der GKB und darauf aufbauend unter Berücksichtigungder Konsolidierungsmethodik der EU-Kommission auf Grund-lage einer GKKB innerhalb der EU langfristig möglich sein (vgl.2.2.2).

2.2.1 Punktuelle Rechtsangleichungen

„Punktuelle Rechtsangleichungen“ haben sich bereits vor demOECD-BEPS-Projekt für den EU-Raum mit der Fusionsricht-linie, der Mutter-Tochter-Richtlinie sowie der Zins- und Li-zenzgebührenrichtlinie ergeben.22 Zugleich wurde und wird dieinternationale Zusammenarbeit – gerade im Rahmen der Steu-erermittlung, der Verständigung23 sowie der Vollstreckung vonSteuerforderungen durch entsprechende Richtlinienerlasse in-tensiviert und damit das aufgrund von divergierenden Steuer-systemen resultierende Doppelbesteuerungsrisiko reduziert.

Eine „schleichende“ Harmonisierung der Steuersysteme derNationalstaaten hat sich darüber hinaus durch die bereits selek-tive Umsetzung der OECD-BEPS-Aktionspunkte auf EU-Ebe-ne – mit z.T. Wirkung gegenüber Drittstaaten – über den Erlassder Anti-Tax-Avoidance Directives (ATAD 1 und ATAD 2) er-geben. Die OECD hat i.R. des BEPS-Projektes Empfehlungen„zur Sicherstellung einer fairen24 Unternehmensbesteuerung“ausgesprochen. Die in insgesamt 15 Aktionspunkten verdichte-ten Maßnahmen orientieren sich an den zu beobachtenden ein-gesetzten Parametern internationaler Steuerplanungsstruktu-ren.25 Systematisieren lassen sich die einzelnen Aktionspunkteanhand der identifizierten Ursachen für legale Steuervermei-dungs- bzw. -umgehungspraktiken. Zu differenzieren ist zwi-schen drei übergeordneten Kategorien,26 betreffend (1) Maß-nahmen zur Erhöhung der Kohärenz zwischen den Steuersyste-men der Staaten27, (2) Maßnahmen zur Sicherstellung einerBesteuerung am Ort der Wertschöpfung28 sowie (3) Maßnah-men zur Erhöhung der Steuertransparenz.29 Insgesamt sollendiese Maßnahmen ein gewisses Mindestschutzniveau in deneinzelnen Staaten sicherstellen. Mittelbar kommt es dadurchkurz- bzw. mittelfristig – in Abhängigkeit vom konkreten Rege-lungsinhalt – zu einer sukzessiven Angleichung der national-staatlichen steuerlichen Gewinnermittlungskonzeptionen.30

Zur Transformation der o.g. Regelungsinhalte in die jeweiligen

Steuergesetze der Nationalstaaten stehen den Staaten unter-schiedliche Umsetzungsvehikel zur Verfügung. Mit Wirkungfür und gegen die beteiligten Staaten können die einzelnen Re-gelungsinhalte so etwa auf der Grundlage bi- oder multilatera-ler Verträge oder für den EU-Raum – legitimiert über Art. 115AEUV – durch entsprechende Richtlinienerlasse umgesetztwerden31

Maßnahmen betreffend bestehender Doppelbesteuerungs-abkommen32 können mithilfe des Multilateralen Instruments(MLI) Wirkung entfalten, soweit die beteiligten Staaten ihrer-seits diese gleichsam als „covered tax agreement“ klassifiziertund die Vorbehalte des MLI identisch ausgeübt haben (sog.„matching“).

Für Deutschland ergeben sich für die bestehenden Doppel-besteuerungsabkommen – betreffend der Verständigung – mitAusnahme der völkerrechtlichen Vereinbarungen zwischen

19 Seiler in Das Recht der Europäischen Union, Kommentierung zu AEUVArt. 113, 2018, Rz. 50f.

20 Art. 115 AEUV.

21 Seiler in Das Recht der Europäischen Union, Kommentierung zu AEUVArt. 113, 2018, Rz. 50f.

22 Seiler in Das Recht der Europäische Union, Kommentierung zu AEUVArt. 113, 2018, Rz. 50.

23 Zu den Instrumenten einer internationalen Verständigung vgl. auch Ra-sche/Mammen/Jansen, Instrumente der Verständigung im internationa-len Steuerrecht: Bestandsaufnahme, Anwendungsfragen, Konfliktpoten-tiale und Reformbedarf, working paper 2018; jüngst etwa für den EU-Raum Richtlinie des Rates (EU) 2017/1852 v. 10.10.2017 über Verfahrenzur Beilegung von Besteuerungsstreitigkeiten in der Europäischen Kom-mission, abrufbar unter: https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:32017L1852&from=DE (Abruf: 29.9.2018).

24 Rechtsdogmatisch hat ein „faires“ Steuersystem eine gleichmäßige Be-steuerung i.S.d. in § 85 AO postulierten Grundsätze sicherzustellen.

25 Anstatt vieler vgl. etwa bezüglich der eingesetzten Parameter Sandel, TNI2002, 867 ff.; Richter/Hontheim, DB 2013, 1260 ff.; Pinkernell in ifst-Schrift 2014, S. 135; Pinkernell, StuW 2012, 369 ff.; Sokatch, The Interna-tional Lawyer 2012, S. 725 ff.

26 Zur Strukturierung anstatt vieler so auch bereits Oppel, SteuK 2016, 54.

27 Hierunter fallen die Maßnahmen zur Vermeidung hybrider Gestaltungen(Aktionspunkt 2), Maßnahmen zur Einführung flächendeckender Hin-zurechnungsbesteuerungssysteme (Aktionspunkt 3) und die Maßnahmenzur Begrenzung des Fremdkapitalzinsabzugs (Aktionspunkt 4).

28 Hierunter werden Maßnahmen betreffend der Transparenz und der Sub-stanz (Aktionspunkt 5), Maßnahmen zur Vermeidung des Abkommens-missbrauches durch Einführung eines Principle Purpose Tests (sog.PPT)(Aktionspunkt 6) und Maßnahmen zur Ausweitung des abkommens-rechtlichen Betriebsstättenbegriffs (Aktionspunkt 7) sowie betreffend derWertschöpfung (Aktionspunkte 8-10) subsumiert.

29 Hierunter werden Maßnahmen zur Offenlegung aggressiver Steuerpla-nungsmodelle (Aktionspunkt 12) sowie betreffend der Verrechnungs-preisdokumentation (sog. Country by Country Reporting, Aktionspunkt13) sowie zur Streitbeilegung (Aktionspunkt 14) erfasst.

30 Vgl. in diesem Zusammenhang etwa die Regelungen zur Abzugsfähigkeitvon Zinszahlungen sowie zur Hinzurechnungsbesteuerung, zu den Inhal-ten: Richtlinie EU 2016/1164 des Rates vom 12.7.2016; Richtlinie EU2017/952 des Rates vom 29.5.2017; zum Abbau von steuerlichen Informa-tionsasymmetrien im Rahmen der Verrechnungspreisbestimmung unddamit Gewinnabgrenzung zwischen Betriebsstätte und Stammhaus sowiezwischen den involvierten Konzerngesellschaften durch das Country byCountry Reporting auch grundlegend Laux, Zfbf 1972, 784; Laux, TheRAND Journal of Economics, 2001, S. 514 ff., Laux, Journal of FinancialEconomics 2012, S. 513 ff., Lehner in FS‚ R. Wendt, Berlin 2015, S. 861 ff.sowie Jost, Die Prinzipal-Agenten-Theorie in der Betriebswirtschaftsleh-re, Stuttgart 2001, S. 11 ff.

31 M.w. Ausführungen hierzu auch Benz/Böhmer, IStR 2015, 382 ff.; Fischer/Pitzer, IStR 2017, 804 ff.

32 So etwa die BEPS-Maßnahmen betreffend hybrider Gestaltungen, zumAbkommensmissbrauch und zur Umgehung des Betriebsstättenstatus.

FR 20/2018 Aufsätze 943Heidecke / Mammen – Konvergenz um jeden Preis? Die Zukunft nationalstaatlicher Steuerpolitik

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Deutschland und Neuseeland sowie Deutschland und Mauriti-us – keine signifikanten Änderungen.33 Die infolge der BEPS-Diskussion mittels des MLI theoretisch einführbaren Sonder-regelungen betreffend der Ausweitung des abkommensrecht-lichen Betriebsstättenbegriffs für deutsche Doppelbesteue-rungsabkommen ist weitestgehend nicht relevant.34

„Durch die Anti Tax Avoidance Directives (ATAD 1, ATAD 2)sind [...] Maßnahmen zur Begrenzung der Abzugsfähigkeit vonZinszahlungen, Regelungen zur Exit-Besteuerung, eine allgemei-ne Missbrauchsabwehrvorschrift, Regelungen zur Hinzurech-nungsbesteuerung sowie [solche] zur Vermeidung von Steuer-ausfällen infolge der Nutzung hybrider Gestaltungen durch dieMitgliedstaaten [zu erlassen bzw. erlassen worden].“35 Danebenwurde mit der geänderten EU-Amtshilferichtlinie36 eine län-derbezogene steuerliche Berichterstattung (sog. Country byCountry-Reporting) in die Steuergesetze der EU-Mitgliedstaa-ten transformiert37 – mit deren Hilfe die Fremdüblichkeit derder grenzüberschreitenden Gewinnabgrenzung zugrunde lie-genden Verrechnungspreise überprüft werden soll. Weiterhinkönnten aus dem Richtlinienvorschlag zur Offenlegung (grenz-überschreitender) aggressiver Steuerplanungsmodelle und dendadurch mithin aufgedeckten verbleibenden ‚Steuerschlupf-löchern‘ weitere Steuerrechtsharmonisierungspotentiale identi-fiziert und umgesetzt werden.38

Ungeachtet der Ergebnisse des Zwischenberichtes der OECDzum Aktionspunkt 1 vom 16.3.2018at die EU-Kommission am21.3.2018 zwei Richtlinienvorschläge zur Besteuerung digitalerGeschäftsmodelle veröffentlicht. Die EU-Kommission sieht alsmittel- bzw. langfristige Lösung die „Etablierung einer signifi-kanten digitalen Präsenz“ vor, mittels derer Staaten auch ohnephysische Präsenz einen Steueranspruch im Hinblick auf dieWertschöpfung digitaler Geschäftsmodelle begründen können.Als Interims-Lösung liefert der Richtlinienentwurf Vorschlägefür eine Digitalsteuer, die bereits gegenwärtig – in z.T. unter-schiedlicher Ausprägung – in einigen Ländern existieren.39 Diefolgende Tabelle gibt einen Überblick über die Richtlinien so-wie deren Umfang. Es zeigt sich, dass im Bereich der direktenSteuern zunehmend auf EU-Ebene eingegriffen und die natio-nalstaatliche Steuerpolitik beeinflusst wird.

1. Mutter-Tochter-Richtlinie 90/435/EWG v. 23.7.1990, letzte Änderungdurch Richtlinie 2006/98/EG v. 20.11.2006.

2. Fusionsrichtlinie 90/434/EWG v. 23.7.1990, letzte Änderung durchRichtlinie 2005/19/EG v. 17.2.2005.

3. Zins- und Lizenzrichtlinie 2003/49/EG v. 3.6.2003, letzte Änderung2004/66/EG v. 26.4.2004.

4. Richtlinie 2011/16/EU des Rates v. 15.2.2011 über die Zusammen-arbeit der Verwaltungsbehörden im Bereich der Besteuerung undzur Aufhebung der Richtlinie 77/799/EWG.

5. Beitreibungsrichtlinie Richtlinie 2010/24/EU des Rates v. 16.3.2010.

6. Richtlinie „mit Vorschriften zur Bekämpfung von Steuervermei-dungspraktiken mit unmittelbaren Auswirkungen auf das Funktio-nieren des Binnenmarktes“ (ATAD 1). Richtlinie 2016/1164/EU desRates v. 12.7.2016.

7. Richtlinie „zur Änderung der Richtlinie 2016/1164/EU“ (ATAD 2).Richtlinie 2017/952/EU des Rates v. 29.5.2017.

8. Richtlinie 2014/107/EU des Rates v. 9.12.2014 zur Änderung derRichtlinie 2011/16/EU bezüglich der Verpflichtung zum automati-schen Austausch von Informationen im Bereich der Besteuerung(DAC2).

9. Richtlinie 2015/2376/EU des Rates v. 8.12.2015 zur Änderung derRichtlinie 2011/16/EU bezüglich der Verpflichtung zum automati-schen Austausch von Informationen im Bereich der Besteuerung,

hier betreffend grenzüberschreitender Vorabescheider sowie Vor-abverständigungen über Verrechnungspreise (DAC3).40

10 Richtlinie 2016/881/EU des Rates v. 25.5.2016 zur Änderung derRichtlinie 2011/16/EU bezüglich der Verpflichtung zum automati-schen Austausch von Informationen im Bereich der Besteuerung(sog. Country by Country Reporting, DAC4).

11. COM (2016) 198, Vorschlag für eine Richtlinie des EuropäischenParlaments und des Rates zur Änderung der Richtlinie 2013/34/EUim Hinblick auf die Offenlegung von Ertragsteuerinformationendurch bestimmte Unternehmen und Zweigniederlassungen v.12.4.2016.

12 Richtlinie des Rates zur Änderung der Richtlinie 2011/16/EU bezüg-lich des verpflichtenden automatischen Informationsaustauschs imBereich der Besteuerung über meldepflichtige grenzüberschreiten-de Modelle wurde am 25.5.2018 formal verabschiedet (DAC6).

13. Richtlinie EU 2017/1852 vom 10.10.2017 über Verfahren zur Beseiti-gung von Besteuerungsstreitigkeiten in der Europäischen Union.

14. COM (2018) 147, Vorschlag für eine Richtlinie des Rates zur Fest-legung von Vorschriften für die Unternehmensbesteuerung einerdigitalen Präsenz v. 21.3.2018.

15. COM (2018) 148, Vorschlag für eine Richtlinie des Rates zum ge-meinsamen System einer Digitalsteuer auf Erträge aus der Erbrin-gung bestimmter digitaler Dienstleistungen v. 21.3.2018.

16. COM (2016) 685, Vorschlag für eine Richtlinie des Rates über eineGemeinsame Körperschaftsteuer-Bemessungsgrundlage v.25.10.2016 (GKB).

17. COM (2016) 683, Vorschlag für eine Richtlinie des Rates über eineGemeinsame Konsolidierte Körperschaftsteuer-Bemessungsgrund-lage v. 25.10.2016 (GKKB).

Neben der positiven Integration auf EU-Ebene durch Richtlini-en ist zudem eine sogenannte negative Integration durchRechtsprechung festzustellen. Hierbei wird die nationale Kom-petenz beschränkt, wenn Grundfreiheiten des AEUV verletztwerden. Beispielhaft sei das EuGH-Urteil zur Rs. HornbachBaumarkt AG gegen Finanzamt Landau auf die Feststellungder Fremdvergleichskonformität von Verrechnungspreisen undden ggf. hieraus resultierenden steuerlichen Korrekturbedarfnach Maßgabe des § 1 AStG genannt.41. Die folgende Tabellegibt eine Übersicht über EuGH-Urteile im Bereich der direktenSteuern (eigene Darstellung). Sie zeigt eine deutliche Zunahmenegativer Integration.

33 Vgl. hierzu Rasche/Mammen/Jansen, Instrumente der Verständigung iminternationalen Steuerrecht: Bestandsaufnahme, Anwendungsfragen,Konfliktpotentiale und Reformbedarf, working paper 2018 sowie Hei-decke/Lappé/Linn, IWB 2017.

34 Hierzu auch Reimer, Das Multilaterale Übereinkommen. Deutsche DBAim Umbruch, IFA, 2017, S. 17, aufgeführt hier etwa die Sonderregelungzu den Kommissionärsstrukturen (Art. 12 MLI); die Antifragmentie-rungsregel zu den Betriebsstätten-Ausnahmen (Art. 13 Abs. 4 MLI) sowiedie Antifragmentierungsregel zu den Bau- und Montagetätigkeit (Art. 14MLI).

35 Mammen, working paper, 2018.

36 Richtlinie EU 2016/881 vom 25.5.2016.

37 National über § 138a AO.

38 Änderung der Richtlinie 2011/16/EU v. 21.6.2017; zudem soll eine ent-sprechende Regelung – in Anlehnung an den damaligen § 15b EStG –auch für rein nationale Steuerplanungsmodelle eingeführt werden, vgl.hierzu den am 21.6.2018 auf der Finanzministerkonferenz erlassenen Ge-setzesentwurf; m.w Ausführungen zu den Inhalten auch Beuchert/Oster-loh-Konrad, IStR 2014, 643 ff.; Heber, IStR 2017, 565 ff.; Debus, DStR2017, 8 ff.

39 Vgl. hierzu m.w. Ausführungen Jochimsen/Zinowsky/Schraud, IStR 2017,593 ff.; zu den bereits existierenden unilateralen Konzepten Sinnig, IStR2017, 408 ff.

40 Zu den Entwicklungen der Amtshilferichtlinie hier Czakert, IStR 2016,986.

41 EuGH-Urt. v. 31.5.2018 – C-382/16 – Baumarkt-Hornbach, FR 2018, 596.

944 Aufsätze FR 20/2018Heidecke / Mammen – Konvergenz um jeden Preis? Die Zukunft nationalstaatlicher Steuerpolitik

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Quelle: https://ec.europa.eu/taxation_customs/sites/taxation/fi-les/20171116_court_cases_direct_taxation_en.pdf, S. 1-21, letz-ter Abruf 29.9.2018.

Eine weitere negative Integrationund damit Angleichung dernationalstaatlichen Regelungen erfahren die Mitgliedstaatenmithin auch über das Beihilferecht nach Maßgabe des Artikels107f. AEUV. Hiernach können nationalstaatliche Regelungen,infolge derer, „bestimmte Unternehmen oder Produktionszwei-ge“ begünstigt werden und damit „den Wettbewerb verfälschenoder zu verfälschen drohen“ einen Beihilfeverstoß begründen,mit der Folge, dass die unionsrechtswidrigen Verschonungenund damit Steuereinsparungen nacherhoben werden und diegesetzlichen Regelungen gestrichen werden.42 Besondere Rele-vanz entfaltet das Beihilferecht im Zusammenhang mit i.R. vongrenzüberschreitenden Transaktionen eingeholten Tax Rulings,z.B. „Vorabverständigungen über Verrechnungspreise.“43 Aberauch die Anwendung von Doppelbesteuerungsabkommen44

oder nationale Regelungen zur steuerlichen Nutzung von Ver-lustvorträgen45 können zum Gegenstand des Beihilferechtswerden. Das Beihilferecht verhindert damit selektive, wett-bewerbsbeeinflussende Vergünstigungen. Gleichzeitig ist demBeihilferecht in Bezug auf die Anwendung des geltenden natio-nalen Steuerrechts, getroffenen – zu meist unilateralen - Vor-abverständigungen zur Steigerung der Rechts- und Planungs-sicherheit ein nicht zu unterschätzendes Rechtsunsicherheits-moment immanent, das mithin signifikante Auswirkungen aufInvestitionen und Umstrukturierungen entfalten kann.46 Inten-siviert wird dieses Risiko mithin durch die geänderte Amtshil-ferichtlinie, nach der auch „grenzüberschreitende Vorabbe-scheide sowie Vorabverständigungen über Verrechnungsprei-se“ Gegenstand des automatischen Informationsaustausches in-nerhalb der EU sind.47

2.2.2 Konzeptionelle Angleichung durch Bestrebun-gen für eine konvergente (konsolidierte) Konzern-besteuerungsbemessungsgrundlage

Neben den unter 2.2.1 aufgeführten Maßnahmen hatte die EU-Kommission bereits am 16.3.2011 einen „Richtlinienentwurfzur Einführung einer GKKB zur Harmonisierung der steuerli-chen Gewinnermittlung in der EU vorgelegt.“48 Der damaligeRichtlinienentwurf fand – aufgrund der geäußerten Kritik vonMitgliedstaaten – keine Zustimmung. Durch die am 25.10.2016von der Europäischen Kommission veröffentlichten neuerli-chen Richtlinienvorschläge soll die Angleichung der Körper-schaftsteuerbemessungsgrundlagen und langfristig die Auftei-lung des konsolidierten steuerlichen Ergebnisses innerhalb derEU sukzessive erfolgen. Basierend auf dem Richtlinienvor-schlag zur GKB soll in einem ersten Schritt die Gewinnermitt-lungsmethodik – losgelöst von der deutschen Maßgeblichkeitder Handelsbilanz über die Steuerbilanz49 und unter Beachtungder bereits installierten Missbrauchsvermeidungsvorschriften –innerhalb der EU angeglichen werden.50 In einem darauf fol-genden Schritt soll die Konsolidierung und Aufteilung der steu-erlichen Bemessungsgrundlage – nach Maßgabe eines vorherdefinierten Verteilungsschlüssels – auf die einzelnen Mitglied-staaten erfolgen.51 Ob die Verabschiedung einer Richtlinie innächster Zeit erfolgt, ist fraglich. Ein jüngst veröffentlichtes Po-sitionspapier Deutschlands und Frankreichs52 greift dennochden Gedanken auf und stellt zumindest zwischen Deutschland

und Frankreich Anpassungen der Steuersysteme etwa im Be-reich der Abschreibungen sowie einer Minimumbesteuerung inAussicht.

3. Volkswirtschaftliche Perspektive

Die Volkswirtschaftslehre untersucht die Konsequenzen einerSteuerharmonisierung unter der Frage „Steuerharmonisierungvs. Steuerwettbewerb“.53 Im Folgenden werden wesentliche Ar-gumente für die jeweiligen Positionen zusammengefasst.

Eines wenn nicht das wesentlichste Argument für eine Harmo-nisierung ist die sog. „Race to the bottom“ Argumentation.54

Demnach unterbieten sich die Staaten in einem Steuerwett-bewerb mit Blick auf die Steuersätze im Bemühen um Attrakti-vität für Investoren. In so einem Gefangendilemma ergibt sichein Nash-Gleichgewicht bei Steuersätzen, die nicht mehr hin-reichend sind, um die Staatsausgaben zu finanzieren. Der Staat

42 Art. 107 Abs. 1 AEUV.

43 Czakert, IStR 2016, 985. Vgl. hierzu etwa die medienwirksamen „Verfah-ren der Kommission in Sachen Apple, Amazon, McDonald´s u.a.“, Blu-menberg, Aktuelle Entwicklungen des EU-Beihilferechts im Bereich derdeutschen Unternehmensbesteuerung, ifst-Schrift, 2017, S. 4, abrufbarunter: https://www.ifst.de/wp-content/uploads/2017/03/516.pdf (Abruf:2.10.2018).

44 Vgl. hierzu etwa die Kommissionsentscheidung zu McDonald´s im Zu-sammenhang mit der Anwendung des DoppelbesteuerungsabkommensUSA und Luxemburg, abrufbar unter: https://ec.europa.eu/germany/news/20180919donald_de (Abruf: 2.10.2018).

45 Vgl. hierzu etwa die Sanierungsklausel nach § 8c Abs. 1a KStG, EuGH v.28.6.2018, C-203/16 P, C-208/16 P, C-209/16 P und C-291/16 P.

46 Vgl. hierzu etwa die geführte Diskussion um den § 6a GrEStG, Schönfeld/Ellenrieder, IStR 2018, 682 ff.

47 Czakert, IStR 2016, S. 986.

48 Vgl. zu den Inhalten m.w. Ausführungen anstatt vieler Kahle/Lipp, DStR2013, 1205 ff.; Förster/Krauß, IStR 2011, 607 ff.; Spengel, IStR 2008,556 ff.; Scheffler/Köstler, DStR 2013, Teil I, 2190 ff.; Scheffler/Köstler,DStR 2013, Teil II, 2235.

49 § 5 Abs. 1 S. 1 HS. 1, 2 EStG.

50 Vgl. hierzu Krauß, IStR 2017, 481 ff.

51 Vgl. hierzu auch Deloitte, EU Kommission: Veröffentlichung der aktuali-sierten Richtlinienvorschläge zur gemeinsamen konsolidierten Körper-schaftsteuerbemessungsgrundlage, abrufbar unter: https://www.deloitte-tax–news.de/transfer-pricing/eu-kommission-veroeffentlichung-der-ak-tualisierten-richtlinienvorschlaege-zur–gemeinsamen-konsolidierten-ko-erperschaftsteuer-bemessungsgrundlage.html (Abruf: 29.9.2018). Kritikwird an der „starren“ Verteilungsformel geäußert, Deloitte, EU Kommis-sion: Veröffentlichung der aktualisierten Richtlinienvorschläge zur ge-meinsamen konsolidierten Körperschaftsteuer–Bemessungsgrundlage,abrufbar unter: https://www.deloitte-tax-news.de/transfer-pricing/eu–kommission-veroeffentlichung-der–aktualisierten-richtlinienvorschlaege-zur-gemeinsamen-konsolidierten–koerperschaftsteuer–bemessungs-grundlage.html (Abruf: 29.9.2018).

52 Vgl. Bundesfinanzministerium (2018) im Rahmen des deutsch-französi-schen Ministertreffens in Meseberg, abrufbar unter https://www.bundes-finanzministerium.de/Content/DE/Standardartikel/Themen/Europa/2018-06-20-Meseberg-Anl2.pdf?__blob=publicationFile&v=1.

53 So z.B. expressis verbis formuliert bei Steidel/Wigger (2013), Steuerwett-bewerb vs. Steuerharmonisierung und die Zukunft der Steuerpolitik inEurop, Working Paper, abgerufen unter: http://www.wiwi.uni -muenster.de/06/nd/fileadmin/vfs/2013/Wigger.pdf oder Boss, (2003), Steuerharmo-nisierung oder Steuerwettbewerb?, Kieler Arbeitspapier, Nr. 1178, Institutfür Weltwirtschaft.

54 Vgl. etwa in Deutschland Sinn, Journal of Public Economics (1997), 250ff.; Sinn, Perspektiven der Wirtschaftspolitik (2004), 29 ff. oder schon län-ger angelsächsischer Provenienz Wildasin, Journal of Public Economics(1988), 229 ff. oder Oates und Schwab, Journal of Public Economics(1988), 333 ff.

FR 20/2018 Aufsätze 945Heidecke / Mammen – Konvergenz um jeden Preis? Die Zukunft nationalstaatlicher Steuerpolitik

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würde zum sogenannten „Liliput“, der nicht mehr agierenkann.

In der Tat finden sich bei längerer Zeitbetrachtung rückläufigeSteuersätze zwischen den Staaten. Es fehlt allerdings an empiri-scher Evidenz, dass das aktuelle Steuersatzniveau weiter zu-rückgeht. Zudem gelingt es der Literatur nicht, den Zusam-menhang zwischen Steuerwettbewerb und Steuersatzsenkungenzu zeigen. Aktuell gibt es mithin keine Anzeichen für einenschädlichen Steuersenkungswettlauf um jeden Preis. Ob diesauch in Zukunft trägt, wird sich im Blick der aktuellen Post-BEPS Entwicklungen noch zeigen. So hat die USA in Folge derSteuerreform 2018 bei Nutzung von Steuervorteilen relativ ge-ringe Steuersätze angeboten, um das Investitionsklima in denUSA zu verbessern.55 Dieses Problem mag in den USA in Folgeder jüngsten Steuerreform entstehen, wenn die Staatseinnah-men nicht mehr hinreichend sind, um die Staatsausgaben zufinanzieren.56

Neben der mangelnden empirischen Evidenz wird auch dasModell eines Steuerwettbewerbs als zu eindimensional kriti-siert. Vielmehr stehen die Staaten nicht per se in einem Steuer-,sondern in einem Standortwettbewerb. Hierbei betrachten Un-ternehmen nicht nur die Ausgabenseite, sondern auch die Ge-genleistungen. Dem „Value for money“-Konzept folgend wäreein Staat mit geringen Steuersätzen nicht zwangsläufig zu be-vorzugen, wenn die gebotene Infrastruktur im Verhältnisschlechter ausgestattet ist.57

Ein weiteres Argument für einen Steuerwettbewerb geht davonaus, dass sich ein Steuerwettbewerb zwischen den Staaten dis-ziplinierend auf die Staatsausgaben auswirkt. Er schützt dieBürger vor einem zu gierigen Staat, der als „Leviathan“ auftrittund seine Staatsaktivität maximiert. Bei einem Steuerwett-bewerb muss er indes die Ausgaben im Blick haben und kannnicht ungebremst Aktivitäten entfalten.58

In Folge der Anpassung einer zentralisierten Geld- und Zins-politik sowie der Abschaffung der Wechselkurse innerhalb derEU haben die Staaten nur noch wenig Freiheitsgrade auf ma-kroökonomischer Ebene innerhalb der EU. Die Ausgabenpoli-tik (Budget) und Einnahmenseite (Steuern- und Abgaben) sinddie letzten verbleibenden Regler. Wenn dem Staat in Folge ei-ner Harmonisierung diese Anpassungsmechanismen nichtmehr zur Verfügung stehen, sind ihm die Freiheitsgrade mitBlick auf makroökonomische Entwicklungen genommen. Dieskann Spillover-Effekte auf den Arbeitsmarkt und die Preisent-wicklungen haben.59

Überdies vernachlässigt eine zu stark harmonisierte Steuerpoli-tik regionale Unterschiede im Konsum etwa durch Nachfragee-lastizitäten aber auch mit Blick auf Infrastrukturausgabendurch unterschiedliche Level an Infrastruktur und unterschied-liche Aufwendungen, etwa abhängig davon, ob ein Flächenstaatvorliegt. Ferner berücksichtigt eine einheitliche Steuerpolitikkeine Unterschiede mit Blick auf staatliche Umverteilung.60

Abschließend fordern etwa Lipatov und Alfons (2016), gemäßdem Subsidiaritätsprinzip nur die Aufgaben auf EU-Ebene zuübernehmen, die die Staaten nicht ausüben können. Bei denSteuereinnahmen indes wären die Staaten besser positioniertzu entscheiden, wie der Beitrag zum europäischen Haushaltaufgebracht werden kann und welche Steuern sie zu demZweck einsetzen.

Diese Argumente zeigen, dass ein Zusammenhang zwischenEinnahmen und Ausgaben besteht. Eine losgelöste Steuerein-nahmenpolitik von der Ausgabenseite vernachlässigte lokaleBesonderheiten. Überdies wird das Äquivalenzprinzip verletzt.Dies drückt aus, dass die Steuerzahler auch die Nutzenden seinsollten. Argumente, dass das Äquivalenzprinzip in der EU oh-nehin verletzt sei durch grenznahe Spillover-Effekte, Steuerver-schiebung durch Verrechnungspreise und Steuersubventionenfür nicht Inländer, schränkt Heinemann (1999) insofern ein,als dass erste nicht zu beobachten seien und ungleiche Steuer-subventionen etwa durch Beihilferecht, nicht aber durch Steu-erharmonisierung gelöst werden sollten.61

4. EU Perspektive

Mit dem Vertrag von Maastricht wurde am 7.2.1992 derGrundstein der Europäischen Union gelegt. Aus der Europä-ischen Gemeinschaft wurde die Europäische Union. Ziel desVertrages war die Europäische Währungsunion vorzubereitenund Elemente einer politischen Union (Bürgerschaft, gemein-same Außen- und Innenpolitik) einzuführen.62 Schon zuvorwurde mit der Einheitlichen Europäischen Akte vom 1.7.1987die Umsetzung des Europäischen Binnenmarktes zum 1.1.1993forciert.63 Dort wurde programmatisch ein Raum ohne Binnen-grenzen gefordert. Die vier Freiheiten (Freiheit des Personen-,des Waren-, des Dienstleistungs- sowie des Kapitalverkehrs)wurden zwar schon in den Römischen Verträgen von 1957 re-klamiert, aber in der Praxis zuvor nur unzureichend umgesetzt.Mit Blick auf die Steuerpolitik wurden mit dem Vertrag vonLissabon (Inkrafttreten 1.12.2009)64 in den Art. 110 ff. Vor-gaben mit Blick auf die Steuerpolitik erlassen. Vor dem Hinter-grund des Funktionierens des Binnenmarktes wurden im Be-reich der indirekten Steuern Gesetzgebungskompetenzen ein-geräumt.

Die Gesetzgebungskompetenz für den Bereich der direktenSteuern wurde indes nicht auf die EU übertragen. Lediglich un-ter Rückgriff auf Art. 115 AEUV können die EU Richtlinien –unter Beachtung der „Subsidarität und Verhältnismäßigkeit“„zur Angleichung der mitgliedstaatlichen Rechts- und Verwal-tungsvorschriften erlassen [werden], [sofern diese] sich unmit-

55 Vgl. etwa Trump in der Rede zur Steuerreform am 5. April 2018, abrufbarunter https://www.wowktv.com/news/politics/watch-live-as-president-trump-hosts-round-table-in-west-virginia-on-tax-reform/1103128847.

56 Vgl. zur US-Steuerreform und den makroökonomischen Konsequenzenetwa Mintz, ifo Institute, Leibniz Institute for Economic Research at theUniversity of Munich (2018), 22 ff.

57 Vgl. etwa Heinemann (1999).

58 Maßgeblich Brennan und Buchanan, Cambridge University Press (1980),13 ff. oder Frey, CESifo Working Paper Series (2002), 11 ff.

59 Vgl. Heinemann (1999).

60 Vgl. Heinemann (1999) oder Lipativ und Alfons, (2016) im Rahmen einesSymposiums der EU zur „Future of Europe“ abrufbar unter: https://www.bundesfinanzministerium.de/Content/DE/Monatsberichte/2016/02/In-halte/Kapitel-3-Analysen/3-2-symposium-future-eu-finances.html.

61 So auch Albouy (2009).

62 Vgl. https://europa.eu/european-union/sites/europaeu/files/docs/body/treaty_on_european_union_en.pdf.

63 Vgl. https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:11986U/TXT&from=EN.

64 Vgl. https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=OJ:C:2007:306:FULL&from=DE.

946 Aufsätze FR 20/2018Heidecke / Mammen – Konvergenz um jeden Preis? Die Zukunft nationalstaatlicher Steuerpolitik

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telbar auf die Errichtung oder das Funktionieren des Binnen-marktes auswirken.“65 Die Richtlinien sind einstimmig zu ver-abschieden.

Die Richtlinieninhalte begrenzen den nationalen Gesetzgeberinsoweit, als dass die innerstaatlichen Regelungen die Richtlini-eninhalte – i.S.v. Mindeststandards – zu berücksichtigen bzw.existierende unilaterale Regelungen, die unter dem von der EUanvisierten Schutzniveau liegen, anzupassen haben.66 Regelun-gen mit darüber hinaus gehender Wirkung können erlassenwerden, soweit sie keinen Verstoß gegen die in Art. 45 ff. desAEUV kodifizierten Grundfreiheiten begründen.67 Ferner dür-fen nationale Regelungen keine selektive Beihilfe i.S.d.Art. 107 ff. des AEUV darstellen.68

Eckpfeiler der EU sind die vier Grundfreiheiten, die bereits inden Verträgen von Rom festgehalten wurden. Eine Konkretisie-rung ergab sich durch die Schaffung des europäischen Binnen-marktes in Folge der Einheitlichen Europäischen Akte. Vordem Hintergrund ist die Gesetzgebungskompetenz im Bereichder indirekten Steuern nachvollziehbar. Mit Blick auf die direk-ten Steuern können lediglich Richtlinien nach Art. 115 AEUVerlassen werden, wenn sie sich unmittelbar auf die Errichtungoder das Funktionieren des Binnenmarkts auswirken. Dies setzteine einstimmige Entscheidung des Rates voraus. Der national-staatlichen Steuerpolitik wird mithin Raum gegeben und derEU-Steuerpolitik mit Blick auf eine Konvergenz ein enger Rah-men gesteckt. Die Richtlinien vornehmlich aus den 1990er Jah-ren (Fusionsrichtlinie, Zins- und Lizenzrichtlinie sowie Mutter-Tochter-Richtlinie die Rede) erscheinen dem Funktionierendes Binnenmarktes unmittelbar dienlich. Ob sich die aktuellennachgezeichneten Entwicklungen (ATAD 1 und 2, digitale Be-triebsstätten und digitale Steuer) unmittelbar auf das Funktio-nieren des Binnenmarktes auswirken, ist indes fraglich.

5. Unternehmerische Perspektive

Die Harmonisierungsprozesse können unterschiedliche Aus-wirkungen auf die einzelnen Tätigkeitsbereiche der Steuerabtei-lung haben. Empirisch belastbare Studien – wie etwa basierendauf den Erkenntnissen der Experimentalforschung zur Prog-nose zukünftiger Kostenentwicklungen infolge von Gesetzes-reformen – liegen für die aus den punktuellen Änderungen derATAD-Richtlinien für die Tätigkeitsbereiche der Steuerbera-tung möglicherweise resultierenden Auswirkungen auf den Ar-beitsaufwand der Steuerabteilung bislang nicht vor. Die nach-folgenden Ausführungen sind damit empirisch nicht belegt,sondern zeigen nur die auf Grundlage der Reformen prognosti-zierten voraussichtlichen Entwicklungen innerhalb der Tätig-keitsbereiche der Steuerabteilung auf. Um die Wirkungen derHarmonisierungsprozesse darstellen zu können, wird die Tätig-keit der Steuerabteilung – nach Maßgabe der aus der Steuer-controlling-Literatur69 vorgenommenen Systematisierung – indie Funktionsbereiche „Steuerverwaltung, Steuerplanung undSteuerkontrolle“70 zerlegt. Innerhalb der Steuerverwaltungs-funktion hat die Steuerabteilung „[alle] dem Steuerpflichtigenvom nationalen sowie internationalen Gesetzgeber auferlegtenMitwirkungspflichten sicherzustellen (sog. Tax Compliance).“71

Hierunter werden etwa die „zeitgerechte Erfüllung sämtlicherSteueranmeldungs- und -deklarationspflichten [sowie die gene-relle] Erfüllung der allgemeinen Mitwirkungspflichten“ sub-sumiert.72 Gegenstand der Steuerplanungsfunktion ist u.a. die

Identifizierung und Umsetzung legaler Steuerplanungsstruktu-ren – unter Abwägung aller relevanten Chancen- und Risiko-potentiale – zur nachhaltigen Absenkung der (Konzern-) steu-erbelastung.73 Mit der Einhaltung der der Steuerplanung zu-grunde liegenden Parameter beschäftigt sich die Steuerabtei-lung i.R.d. ihr zugewiesenen Steuerkontrollfunktion.74

Die bislang vorgenommenen punktuellen Rechtsangleichungenwerden insbesondere durch das mithin verpflichtend zu erstel-lende Country by Country Reporting nach Maßgabe des § 138aAO zu einem Anstieg der Kosten innerhalb der zu erfüllendenSteuerverwaltungsfunktion führen. Gleiches gilt für die flächen-deckende verpflichtende Einführung einer CFC-Legislation(Hinzurechnungsbesteuerung) – zumindest für die Mitglied-staaten, in denen bislang eine solche Regelung nicht etabliertworden ist.75 Auch die Regelungen zu den Hybrid-Mismatchesund die Reformen zur Beschränkung des Zinsausgabenabzugeswerden so ggf. den Prozess der Steuerdeklaration erschwerenund damit den Arbeitsaufwand erhöhen. Analoge Entwicklun-gen sollten sich für die Funktionsbereiche der Steuerplanungund -kontrolle abzeichnen.76 Durch die Entwicklungen insb. inden 90er Jahren des 20. Jahrhunderts (Mutter-Tochter-Richt-linie sowie Zins- und Lizenzrichtlinie) sind indes die langwieri-gen Erstattungsverfahren für Quellensteuerbelastungen zurück-gegangen. Diese positiven Effekte für das Funktionieren desBinnenmarktes haben zu einer Kostenreduktion geführt. DieInhalte der ATAD-Richtlinien sowie die infolge des MLI ggf.eintretenden DBA-spezifischen Aspekte des BEPS-Projekteswerden die Rechtsunsicherheit erhöhen77 und zu einem An-

65 Oppel, IStR 2016, 798.

66 Vgl. Oppel, IStR 2016, 799.

67 Vgl. m.w. Ausführungen auch Reimer, Europäisches Steuerrecht, 2016,hier verweisend auf das EuGH-Urteil v. 12.6.2003 – Rs. C-234/01 – Ger-ritse, FR 2003, 779 (Diskriminierung aufgrund der Ansässigkeit); v.21.9.1999 – Rs. C–207/97 – Saint Gobain, FR 1999, 1138 (Diskriminie-rung von Betriebsstätten); v. 12.12.2002 – C-324/00 – Lankhorst Hohorst,FR 2003, 182 (Diskriminierung von Tochtergesellschaften); v. 15.5.2008 –C-414/06 – Lidl Belgium, FR 2008, 831 (Steuerliche Beschränkungen desSitzstaates); vgl. zum Erlass strikterer Regelungen auch Oppel, IStR 2016,798.

68 Vgl. etwa zunächst die Feststellung der EU-Kommission zur Sanierungs-klausel i.S.d. § 8c (1a) KStG sowie jüngst die Verabschiedung des § 3aEStG bezüglich der steuerlichen Behandlung von Sanierungsgewinnen.

69 Vgl. hierzu etwa Freidank, Zeitschrift für Controlling 1996, 148 ff.; Frei-dank in Schulte (Hrsg.), Lexikon des Controllings, 1996, S. 702 ff.; Kamp,Steuercontrolling im internationalen Konzern, 2011.

70 Freidank in Schulte (Hrsg.), Lexikon des Controllings, 1996, S. 702.

71 Endert/Mammen, Zur (zukünftigen) Bedeutung von Hybrid Mismatchesfür das Steuercontrolling in Velte et al. (Hrsg.), Rechnungslegung, Steu-ern, Corporate Governance, Wirtschaftsprüfung und Controlling, 2018,S. 255.

72 Endert/Mammen, Zur (zukünftigen) Bedeutung von Hybrid Mismatchesfür das Steuercontrolling in Velte et al. (Hrsg.), Rechnungslegung, Steu-ern, Corporate Governance, Wirtschaftsprüfung und Controlling, 2018,S. 257.

73 Vgl. Endert/Mammen (Fn. 67), S. 256.

74 Vgl. Endert/Mammen (Fn. 67), S. 256.

75 Im EU/EFTA-Raum haben von 30 Staaten lediglich 14 ein Hinzurech-nungsbesteuerungssystem etabliert, basierend auf der IBFD-Datenbank(Stand: 4.8.2016).

76 Vgl. zustimmend zu den negativen Auswirkungen auch Spengel/Stutzen-berger, IStR 2018, 43.

77 Vgl. hierzu etwa die Folgen aus der Einführung eines PPT in die Doppel-besteuerungsabkommen, Fischer/Pitzer, IStR 2017, 804.

FR 20/2018 Aufsätze 947Heidecke / Mammen – Konvergenz um jeden Preis? Die Zukunft nationalstaatlicher Steuerpolitik

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stieg des Komplexitätsgrades der Tätigkeiten der Steuerabtei-lung führen.

Weiterhin erschweren Anwendungsfragen sowie Rangverhält-nisse den Prozess der Steuerplanung, wie etwa Fragen zumVerhältnis von § 42 AO „zu speziellen Vorschriften zur Miss-brauchsabwehr.“78 Mit einer Zunahme der Komplexität – gera-de in den Bereichen der Steuerplanung und -kontrolle – ist vorallem aus den bis zur vollständigen Etablierung eines Besteue-rungskonzeptes für digitale Geschäftsmodelle erlassenen – teil-weise konträren unilateralen Digitalsteuerkonzeptes zu rech-nen.79 Aber nicht nur bei den unilateralen Modellen ist mit ei-ner Zunahme der Kosten zu rechnen; auch die Einführung ei-nes europaweiten Systems, wie etwa einer Digital Services Tax,kann zu zusätzlichem Compliance-Aufwand führen, nämlichinsbesondere dann, wenn das System nicht in sich abgestimmtist. Eine lediglich in einigen Ländern eingeführte unilateraleMaßnahme wie etwa die jüngst implementierte Steuer in Italienauf Onlinewerbung ließe sich besser handhaben, weil sie nur ineinem Staat mit klaren Erstattungsverfahren vorfindlich ist.

Für den Eintritt der langfristigen Lösung – einer konvergentenkonsolidierten Konzernbesteuerungsbemessungsgrundlage –ergeben sich Einsparungen für die Funktionsbereiche der Steu-erverwaltung, -planung und -kontrolle. Diese sind etwa zurück-zuführen auf die fortan gegenüber EU-Mitgliedstaaten nichtmehr durchzuführende Dokumentation und Prüfung von Ver-rechnungspreisen.80 Durch die auf der 1. Stufe durchzuführen-de harmonisierte Gewinnermittlung sinkt die aktuell noch be-stehende Komplexität. Auch Streitfragen im Zusammenhangmit der konzerninternen Verlustverrechnung gehören zumin-dest für den EU-Raum der Vergangenheit an und sollten damitden Arbeitsaufwand reduzieren. Zugleich sollte sich der Auf-wand im Zusammenhang mit der Ermittlung der in der Han-delsbilanz ggf. vorzunehmenden Steuerabgrenzung – infolge„eines“ einheitlichen steuerlichen Gewinnermittlungskonzeptesreduzieren. Ein Großteil des Tätigkeitsumfangs der Steuerpla-nungsfunktion wird sich fortan mit der möglichen Beeinflus-sung des Verteilungsschlüssels, der der Aufteilung des konsoli-dierten steuerlichen Konzernergebnisses zugrunde gelegt wird,widmen. Die Tätigkeiten der o.g. Funktionsbereiche der Steuer-abteilung werden sich gegenüber Geschäftsbeziehungen zuDrittstaaten voraussichtlich nicht wesentlich reduzieren.

Zusammenfassend sind die Entwicklungen, die Erstattungsver-fahren obsolet machen, aus unternehmerischer Sicht zu begrü-ßen. Eine Vereinfachung des Funktionierens des Binnenmark-tes kann die Folge sein und entspricht damit dem Gedankender Einheitlichen Europäischen Akte sowie den Verträgen vonRom. Die Entwicklungen zu ATAD 1 und 2, CbC-Reportingoder etwa zu Anzeigepflichten für Steuergestaltungen führenindes deutlich zunehmenden Compliance Aufwendungen. Zu-dem sind Steuerplanungskonzepte schwieriger umzusetzen.Mag letzteres genau die Intention der Richtlinien sein, soscheint es nicht durch die Legitimation für Eingriffe im Bereichder direkten Steuern in der AEVU gedeckt.

6. Fazit

Der ehemalige Vorsitzende des Sachverständigenrates undChef des renommierten Kieler Institutes für WeltwirtschaftHerbert Giersch schrieb 2001 den Sammelband „Abschied vonder Nationalökonomie. Wirtschaften im weltweiten Wett-

bewerb“. Er hält ein Plädoyer für die Globalisierung und siehtdie Nationalökonomie als gestrig an. Die EU mit ihrem Bin-nenmarkt ausgehend von den Verträgen von Rom vor gut60 Jahren sowie den prägenden Freiheiten ist Symbol einer glo-balisierten Welt. Die Förderung des Binnenmarktes über Steu-erpolitik ist volkswirtschaftlich zu begrüßen, führt zu unterneh-merischer Prosperität und ist letztlich fest in den Leitgedankender EU verankert. Vor dem Hintergrund mag die Frage „Kon-vergenz [der Steuerpoltik] um jeden Preis?“ rhetorisch sein.Die aktuellen Tendenzen auf EU aber auch auf OECD-Ebeneim Bereich der Steuerpolitik markieren ohnehin in schnellenSchritten den Weg hin zu einer Steuerharmonisierung, unbe-nommen davon, ob eine GKKP flächendeckend oder zumin-dest EU-weit eingeführt wird. Das Ende nationalstaatlicherSteuerpolitik scheint mithin ausgemacht. Doch bei genauererBetrachtung hat die Konvergenz auch ihren Preis.

Aus EU-Perspektive ist zumindest fraglich, ob eine einheitlicheSteuerpolitik im Bereich der direkten Steuern im AEUV ange-dacht war. Auch die negative Integration über die EuGH-Rechtsprechung soll nur sicherstellen, dass die vier Grundfrei-heiten der EU auch in der Steuerpolitik gelebt werden. EineSteuerharmonisierung ist auch hier nicht angedacht. Die impe-rativ formulierte Feststellung des wissenschaftlichen Dienstesdes EU Parlaments mag vor dem Hintergrund fraglich erschei-nen: „Der Fokus hat sich von der Beseitigung der Steuerhinder-nisse auf die Bekämpfung von schädlichem Steuerwettbewerb,Steuerbetrug und Steuerhinterziehung erweitert. Dies erforderteine umfangreichere Konvergenz in der Steuerpolitik“81 So gutund wichtig diese Themen sind, so ist zu fragen, ob der aktuelleRechtsrahmen (positive Integration durch Richtlinien bzw. ne-gative Integration durch Rechtsprechung) derartige Forderun-gen umsetzen lässt. Zumindest fehlt es an empirischen Studien,die den Zusammenhang zwischen diesen Themen und der un-mittelbaren Förderung des Binnenmarktes zeigen. Auch dievolkswirtschaftliche Perspektive stellt eine vollständige oder zu-mindest weitgehende Harmonisierung in Frage. Vielmehr wirdkonstatiert, dass die Staaten unterschiedliche Schwerpunkteund Ausgaben haben. Die Steuerpolitik ist Teil der Standort-politik, wonach die Staaten das optimale Gleichgewicht zwi-schen Investitionen und Steuereinnahmen wählen sollten. DieSteuerpolitik ist eine der letzten makroökonomischen Stell-schrauben nach Abschaffung einer atmenden Zins- und Wech-selkurspolitik. Wenn die Steuerpolitik vereinheitlich werdensoll, so müsste man auch konsequent die Ausgabenseite verein-heitlichen. Dies erscheint weder politisch durchsetzbar, nochoperativ handhabbar. Auch aus unternehmerischer Perspektiveist zu fragen, welches Maß an Harmonisierung wünschenswertist. Ein Rückgang an Steuercompliance etwa durch vereinfachteoder wegfallende Erstattungsverfahren im Bereich der Quellen-steuer oder einheitliche Deklarationspflichten führt zu Kosten-

78 Oppel, IStR 2016, 803.

79 Vgl. so etwa für Indien Ruh/Bairagra, IWB 2018, 24 ff.; für Japan Becker,Journals IBFD, 2018; Piscitelli/Canen, Journals IBFD, 2018; Godoi, Jour-nals IBFD, 2018; zur „Google Tax“ etwa Uslu, Journals IBFD, 2018; zugrundsätzlichen unilateralen Lösungsansätzen Sarfo, Journals IBFD, 2018sowie rechtsvergleichend auch Sinnig, ISR 2017, 408 ff.

80 Vgl. anstatt vieler Förster/Krauß, IStR 2011, 614.

81 Vgl. http://www.europarl.europa.eu/RegData/etudes/IDAN/2015/549001/EPRS_IDA(2015)549001_DE.pdf.

948 Aufsätze FR 20/2018Heidecke / Mammen – Konvergenz um jeden Preis? Die Zukunft nationalstaatlicher Steuerpolitik

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senkungen. Die Harmonisierung begrenzt indes steuerplaneri-sche Räume, die im Sinne der unternehmerischen Dispositions-freiheit möglich sein sollte. Sofern die politische Agenda Ver-zerrungen durch Wettbewerbsvorteile für einzelne Unterneh-men einschränken möchte, hat sie mit dem europäischen Bei-hilferecht ein ordnungspolitisches Instrument zur Hand, wasgezielt einseitige Maßnahmen einzelner Staaten angeht, ohnedas gesamte System in Frage zu stellen.82

Konvergenz um jeden Preis scheint aktuell weder rechtlichdurchsetzbar, noch volks- und betriebswirtschaftlich ratsam.Die gleichwohl aktuell vorfindliche Diskussion um eine GKKBund die Vielzahl an OECD- sowie EU-Papieren mit dem Zieleben jener Konvergenz scheint sich nur vor dem Hintergrundeines politischen und medialen Willens um eine Beseitigungvon Steuervermeidung und konsensuale Sichtweisen zu erklä-ren. Die Absicht einer Umverteilung von Steuersubstrat zwi-schen den Staaten durch derartige Maßnahmen mag zudem Er-klärung für derartige Diskussionen und Entwicklungen bieten.Letzteres wäre ein Trittbrettfahrerverhalten nationalstaatlicherEinnahmeninteressen auf dem Wagon der Harmonisierung.

Im Sinne einer weiteren konstruktiven Diskussion um daswünschenswerte Maß an Steuerharmonisierung und Steuer-wettbewerb ist es ratsam, den Dreiklang aus Intention der EUund dem aktuellen Rechtsrahmen, volkswirtschaftlichen Folgenund unternehmerischen Implikationen in den Blick zu neh-men.

Dipl.-Volkswirt Dr. Björn Heidecke

Senior Manager Transfer Pricing bei DeloiotteGmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Hamburg

Schwerpunkte: Verrechnungspreise, Bewertungvon immateriellen Wirtschaftsgütern wie Markenund Technologien

[email protected]

www2.deloitte.com/de/de.html

Dipl.-Kfm., Dipl.-Oec., Dr. AndreasMammen, M.I.Tax

Steuerberater; Fachberater für InternationalesSteuerrecht

Senior Manager im Bereich Internationales Steu-errecht bei nbs partners Hamburg

Schwerpunkte: Beurteilung von Inbound- undOutboundtransaktionen aus ertragsteuerlicherPerspektive; Stellungnahmen zu Themen desnationalen und internationalen Ertragsteuer-rechts.

[email protected]

www.nbs-partners.de/personen/dr-andreas-mammen/

Ceterum censeo

Das Steuerrecht in 100 Jahren

FCK – Nachdem Cato mit seinem genialen Einsteuer-Vorschlagdurchgedrungen ist und die übergroße Koalition endlich alle Steuer-arten bis auf eine abgeschafft hat, ist in Deutschland ein zeitgemäßesBesteuerungssystem eingeführt worden: Jeder Roboter zahlt entspre-chend seines Stromverbrauchs 12 Witcoins pro 100 Kilowattstunden.Die lästigen Einkommen-, Körperschaft-, Gewerbe-, Hunde-, Bier-und Schaumweinsteuern sind abgeschafft. Die Steuer wird nachScannen der IMEI des Roboters und dessen Verbrauchs allabendlichabgerufen und sodann automatisch erhoben.

Der 12. Wechsel bei der Umsatzsteuer zwischen Ursprungs- und Be-stimmungslandprinzip hat die OECD, deren Trägerschaft fest in chi-nesischer Hand liegt und die weltweit die einzige globale Gesetz-gebungshoheit erhielt, bewogen, nur noch Karusselfahrten von Chi-

nesen umsatzsteuerlich zu belasten. Die Umsätze werden weltweitvom Satelliten Sentinel-15 beobachtet und erfasst. Umsatzsteuer-bescheide ergehen darauf monatlich durch Posts bei Instragram, et-waige Remonstrationen dagegen können nach wie vor lediglich alsTweeds mit maximal 280 Unicode-Zeichen abgesandt werden.

Als die Steuerrechts-Streitigkeiten immer weiter zurückgegangen wa-ren, da einfach keine unrichtigen Algorithmen mehr zur Anwendungkamen, konnten die Finanzgerichte zügig in Flüchtlingsheime für diezahlreichen Amerikaner umgebaut werden, die nach Revision derjahrzehntelangen Steuersenkungspolitik einer Steuernachbelastungdurch die amerikanischen Präsidenten entgehen wollten. Die deut-schen Finanzämter konnten ohne großen Aufwand in deutsche Steu-erflüchtlingsheime umfunktioniert werden. Das Anzeigegebot fürsämtliche Steuersparmodelle war ohnehin in die maximale Selbst-veranlagung durch die Roboter selbst überführt worden. So konntenalle Dialoge über die Steuern weitgehend abgeschafft werden.

82 Vgl. Haucap (2010), abgerufen unter: http://www.dice.hhu.de/fileadmin/redaktion/Fakultaeten/Wirtschaftswissenschaftliche_Fakultaet/DICE/Ordnungspolitische_Perspektiven/009_OP_Haucap.pdf.

FR 20/2018 Aufsätze 949Heidecke / Mammen – Konvergenz um jeden Preis? Die Zukunft nationalstaatlicher Steuerpolitik

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Kurzbeiträge

Lebensdaten Deutsches Steuerblatt/Finanz-Rundschau1918-2018Okt. 1918 Gründung Deutsches Steuerblatt – Monatsschrift für Wissenschaft und Praxis der direkten Reichs-, Staats- und Gemeindesteuern sowie verwandter

Gebiete. Erste Beiträge von Hans Arlt, Wilhelm Boethke, Fritz Haußmann, Alfons Mrozek, Johannes Popitz und Georg Strutz, s. das Titelblatt auf derUmschlagseite 4 dieses Heftes

1918-1930 Verantwortlicher Schriftleiter Alfons Mrozek (gestorben 15.9.1930)

1918-1932 Rubrik „Anfragen und Antworten“ (Kurzinformationen auf Fragen der Leser zu steuerlichen Themen) mit Antworten z.B. von Johannes Popitz und WalterHübschmann

Jan. 1919 Erste Veröffentlichung einer RFH-Entscheidung

1921-1930 Beirat der Schriftleitung: Hans Arlt, Carl Becher, Wilhelm Boethke und Johannes Popitz

1930-1934 Verantwortlicher Schriftleiter Wilhelm Boethke (gestorben 28.1.1934)

1934-1944 Verantwortlicher Schriftleiter Otto Schmidt d. J.

1935-1944 Zeitschrift für das gesamte Steuerrecht, ausgestaltet als Praktischer Steuerdienst in Schnellkarteiform

ab 1936 2mal monatliches Erscheinen

1938 Eintritt von Helmut Simons in die Schriftleitung

15.10.1944 Schließung des Verlags Dr. Otto Schmidt KG aus „kriegswirtschaftlichen Gründen“

1946 Erscheinen der Finanz-Rundschau, zunächst einige Monate als Amtsblatt der Finanzverwaltung, dann als Zeitschrift für das gesamte Steuerwesen

1946-1949 Herausgeber – bis 1948 mit Genehmigung der Militärregierung im Auftrag des Oberfinanzpräsidenten Köln – Werner Aprath

1946-1973 Verantwortlicher Schriftleiter Helmut Simons unter Mitwirkung von Arnold Heining, Heinz Lüthgen, Hans Kempf, Georg Hübner, Gerhard Schmidt undGerhard Fleddermann

ab 1948 2mal monatliches Erscheinen

ab 1951 Herausgeber Verlag Dr. Otto Schmidt KG in Verbindung mit dem Fachinstitut der Steuerberater, bis 1975 Untertitel „Deutsches Steuerblatt“

ab 1951 Veröffentlichung von BFH-Entscheidungen in Leitsätzen und Anmerkungen von BFH-Richtern, z.B. Walter Hübschmann, Fritz Hoffmann und Paul Kaatz

ab 1951 Leitartikel zu Beginn des Heftes von prominenten Autoren, z.B. Karl Bräuer, Ottmar Bühler, Otto Schmidt, Günter Schmölders und Gerhard Wacke

ab 1953 Aufteilung in Ausgabe A (einschl. Umsatzsteuer-Rundschau) und Ausgabe B (ohne Umsatzsteuer-Rundschau)

ab 1959 Glossen-Spalte Ceterum censeo

1959-1974 Beilage bzw. Rubrik „Die Steuer-Diskussion – Kritische Informationen zum steuerlichen Schrifttum“, bearbeitet von Günther Felix, Brigitte Gast und HeinzKalbhenn, später auch von Ernst Peter Heinemann und Heinz Richter

1968 Beitrag Alfons Pausch in FR 1/1968: Deutsches Steuerblatt durch 50 Jahre deutscher Steuergeschichte

1970-1975 Verantwortlicher Schriftleiter Herbert Ziemer

ab 1973 Rubriken „Diskussionsbeiträge“ und „Meine Meinung“; Sonderpreis für Bezieher des „Herrmann/Heuer/Raupach, Kommentar zum EStG und KStG“

ab 1974 Regelmäßige Urteilsanmerkungen von BFH-Richtern, z.B. Ludwig Schmidt, Günter Söffing, Walter Drenseck, Hans-Joachim Kanzler und Michael Kemper-mann

ab 1974 Zeitschriften-Umschau – Ausgewählte Informationen zum steuerlichen bzw. ertragsteuerlichen Schrifttum, bearbeitet von Günther Felix, Ernst PeterHeinemann und Heinz Richter, ab 1978 bearbeitet von Brigitte Gast-de Haan

1975-1986 Verantwortlicher Schriftleiter Erich Bender

ab 1977 Titelzusatz „(insbesondere) für Einkommensteuer und Körperschaftsteuer“

1978 FR-Festheft 24/1978 Gerhard Heuer 70 Jahre

1980 FR-Festheft 20/1980 75 Jahre Verlag Dr. Otto Schmidt KG

ab 1986 Verantwortliche Schriftleiterin Mechthild Lopau

ab 1991 Haupttitel „Finanz-Rundschau für Einkommensteuer“, Untertitel „mit Körperschaftsteuer und Gewerbesteuer“

Okt. 1993 FR-Festheft 20/1993 75 Jahre Finanz-Rundschau/Deutsches Steuerblatt

ab Apr. 1997 Verantwortlicher Schriftleiter Dr. Wolfgang Lingemann

1998 FR-Festheft 6/1998 Manfred Groh 65 Jahre

Ab 2000 Haupttitel „Finanz-Rundschau“, Untertitel „Ertragsteuerrecht“

Ab Sept. 2005 Bereitstellung von FR-Archivdaten in der Legios-Datenbank

2007 FR-Festheft 11/2007 Peter Fischer 65 Jahre

2007-2013 Archiv-CD-ROM zur Zeitschrift zweimal jährlich

Mai 2011 Aufnahme der Archivdaten der FR zusammen mit dem HHR in das Fachmodul Ertragsteuerrecht bei juris

2015 FR-Festheft 3-4/2015 Franz Wassermeyer 75 Jahre

2016 FR-Festheft 12/2016 Arndt Raupach 80 Jahre

Ab 2018 Veröffentlichung von FR-Archivdaten in der Internetdatenbank Otto Schmidt Online

– Red. –

950 Kurzbeiträge FR 20/2018Lebensdaten Deutsches Steuerblatt/Finanz-Rundschau 1918-2018

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Rechtsprechung

Personengesellschaften

Wirtschaftliches Eigentum an einem Mitunterneh-meranteil

AO § 39 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1; EStG § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, § 16 Abs. 1Nr. 2

Dem Erwerber eines Anteils an einer Personengesellschaft kann dieMitunternehmerstellung bereits vor der zivilrechtlichen Übertragungdes Gesellschaftsanteils zuzurechnen sein. Voraussetzung dafür ist,dass der Erwerber rechtsgeschäftlich eine auf den Erwerb des Ge-sellschaftsanteils gerichtete, rechtlich geschützte Position erworbenhat, die ihm gegen seinen Willen nicht mehr entzogen werden kann,und Mitunternehmerrisiko sowie Mitunternehmerinitiative vollstän-dig auf ihn übergegangen sind (Anschluss an BFH, Urt. v. 22.6.2017– IV R 42/13, BFHE 259, 258 = FR 2018, 312 m. Anm. Wendt). (amtl.)

BFH, Urt. v. 1.3.2018 – IV R 15/15(FG Hamburg v. 2.2.2015 – 6 K 277/12)

Sachverhalt:

1 Die ehemalige A-GmbH & Co. KG (A-KG) mit Sitz in X be-trieb im Streitjahr (2000) die Herstellung und den Vertrieb ver-schiedener ... Nach Maßgabe des Beschlusses ihrer Gesellschaf-terversammlung vom ... 2002 wurde die A-KG im Wege desFormwechsels in die H-GmbH umgewandelt. Im Jahr 2004wurde deren Sitz nach B verlegt, die Firma in I-GmbH geän-dert und diese als übertragender Rechtsträger mit der I-Verwal-tungsgesellschaft mbH mit Sitz in B verschmolzen. Letzt-genannte GmbH wiederum wurde als übertragender Rechtsträ-ger aufgrund Verschmelzungsvertrags vom ... 2004 mit der K-AG mit Sitz in B verschmolzen. Diese wurde schließlich alsübertragender Rechtsträger aufgrund Verschmelzungsvertragsvom ... 2014 mit der Beigeladenen, der L-GmbH mit Sitz in B,verschmolzen. Die Firma der Beigeladenen wurde zwischen-zeitlich in P-GmbH geändert.

2 Komplementärin der A-KG war im Streitjahr die V-GmbH.Kommanditisten waren die B-KG, die im Jahr 2008 auf die Klä-gerin (Klägerin zu 1.), die C-GmbH & Co. KG, verschmolzenwurde, der Kläger zu 2. (D), die Klägerin zu 3. (E) sowie F undG. Die Kommanditisten waren mit Anteilen in entsprechenderHöhe als Gesellschafter an der selbst nicht am Kapital und Ver-mögen der A-KG beteiligten V-GmbH beteiligt. Geschäftsjahrder A-KG war der Zeitraum vom 1. Oktober bis 30. September.

3 Die A-KG verfügte über einen Verwaltungsrat. § 7 des Gesell-schaftsvertrags der A-KG lautet:

„(1) Der Verwaltungsrat bestimmt die Richtlinien der Ge-schäftspolitik der Gesellschaft. Die [V-GmbH], die die laufen-den Geschäfte führt, ist an Richtlinien und Weisungen des Ver-waltungsrats gebunden. Der Verwaltungsrat kann insbesondereGeschäfte und Maßnahmen bezeichnen, die nur mit seiner Zu-stimmung vorgenommen werden dürfen. Die [V-GmbH] ist injedem Fall verpflichtet, Geschäfte, die über den gewöhnlichenBetrieb des Handelsgewerbes der Gesellschaft hinausgehen, so-

wie solche Geschäfte, die mit einem außergewöhnlichen wirt-schaftlichen Risiko verbunden oder sonst nach Inhalt, Zweckoder Umfang für die Gesellschaft von außergewöhnlicher Be-deutung sind, nicht ohne die vorherige Zustimmung des Ver-waltungsrats vorzunehmen.

(2) Der Verwaltungsrat kann in entsprechender Anwendungvon § 90 Abs. 3 AktG von der [V-GmbH] jederzeit einen Be-richt verlangen über Angelegenheiten der Geschäftsführung so-wie in entsprechender Anwendung von § 111 Abs. 2 AktG dieBücher und Schriften der Gesellschaft einsehen.“

4Die Übertragung von Gesellschaftsanteilen war in § 13 des Ge-sellschaftsvertrags der A-KG wie folgt geregelt:

„(1) Jeder mit einer Kapitaleinlage beteiligte Gesellschafterkann seinen Gesellschaftsanteil (Kapitalkonto, Reservekontound Verlustvortragskonto in ihrem jeweiligen Stand) ohne Zu-stimmung der Gesellschafterversammlung ganz oder teilweiseauf seinen Ehegatten oder einen Abkömmling oder – wenn derGesellschafter zur Familie ... gehört – auf ein anderes Mitgliedder Familie ... übertragen. ...“

5Mit notariell beurkundetem Vertrag vom 13.1.2000 (Anteils-veräußerungsvertrag – AV –) erwarb die K-AG „zeitversetzt“(Präambel P.2 des AV) sämtliche Kommanditanteile der A-KGund sämtliche Geschäftsanteile der V-GmbH. In einem erstenSchritt erwarb die K-AG Zug um Zug gegen Zahlung des Kauf-preises per 31.1.2000 75 % des Kommanditkapitals der A-KG(Abschn. I des AV). Im Zusammenhang damit wurden Ände-rungen zum Gesellschaftsvertrag vereinbart (Abschn. II desAV). Der korrespondierende Erwerb von 75 % des Stammkapi-tals der V-GmbH wurde in Abschn. III des AV geregelt. Dierestlichen Kommanditanteile i.H.v. 25 % des Kommanditkapi-tals der A-KG gingen zum 31.1.2001 über (Abschn. IV desAV). Der damit korrespondierende Erwerb der restlichen 25 %des Stammkapitals der V-GmbH wurde in Abschn. V des AVgeregelt.

6Bei Vertragsschluss wurden die B-KG, F und G sowie die V-GmbH jeweils durch D vertreten. Im Einzelnen regelten dieVertragsparteien des AV Folgendes:

„Abschnitt I

Veräußerung von 75 % des Kommanditkapitals der [A-KG] (1.KG-Tranche)

...

§ 2

Kaufgegenstand, Übertragung zum Übertragungsstichtag I

2.1 Mit wirtschaftlicher Wirkung vom Ablauf des 31.1.2000(im Folgenden kurz „Übergangsstichtag I“ genannt) verkaufendie Verkäufer ... folgende jeweils 75%igen Kommanditanteile(1. KG-Tranche) ... an [die K-AG]: ...

2.1.1 [D] eine Kommanditeinlage i.H.v. DM ...

2.1.2 die [B-KG] eine Kommanditeinlage i.H.v. DM ...

FR 20/2018 Rechtsprechung – Personengesellschaften 951

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2.1.3 [E] eine Kommanditeinlage i.H.v. DM ...

2.1.4 [F] eine Kommanditeinlage i.H.v. DM ...

2.1.5 [G] eine Kommanditeinlage i.H.v. DM ...

Übertragen werden mithin 75 % des DM ... betragenden Kom-mandithaftkapitals, mithin Gesellschaftsanteile i.H.v. insgesamtDM ...

...

2.3 Der auf die veräußerten Kommanditanteile bis zum Über-gangsstichtag I entfallende Anteil am Gewinn oder Verlust ...steht den Verkäufern zu bzw. ist von ihnen zu tragen, und zwarjeweils im Verhältnis der von ihnen gegenwärtig gehaltenenKommanditanteile zueinander. Die hieraus resultierenden For-derungen sind mit Wirkung vom 1.2.2000 mit 6 % p.a. zu ver-zinsen ... Mit Rücksicht darauf und unter Berücksichtigungdessen, dass die Verkäufer ab dem 1.2.2000 eine Verzinsungdes Kaufpreises für die 2. Tranche erhalten, treten die Verkäu-fer den mit ihren vollständigen Kommanditanteilen verbunde-nen Gewinnanteil für die Zeit vom 1.2.2000 bis zum Über-gangsstichtag II an [die K-AG] ab, die die Abtretungen an-nimmt. Die Abtretungen werden dinglich wirksam, sobald diean [die K-AG] veräußerten Kommanditanteile der 1. Tranchedinglich auf sie übergegangen sind (vgl. nachstehend Abs. 2.4).

2.4 Die Verkäufer treten hiermit jeweils ihre im Rahmen der 1.KG-Tranche verkauften 75%igen Kommanditanteile an [die K-AG] ab. Allerdings stehen diese Abtretungen unter vier auf-schiebenden Bedingungen, nämlich:

2.4.1 Die Abtretungen stehen unter der ersten Bedingung, dass[die K-AG] den für die verkauften Kommanditanteile gemäßnachstehend § 3 zu zahlenden Kaufpreis auf die dort genann-ten Konten kosten- und spesenfrei zugunsten der Verkäuferüberwiesen hat. ...

2.4.2 Die Abtretungen stehen unter einer zweiten Bedingung,die näher in Abschnitt VI Ziff. 3 dieser Urkunde geregelt wor-den ist (Nichtuntersagungsverfügung des BKartA).

2.4.3 Die Abtretungen stehen unter der dritten Bedingung, dass[die K-AG] die in Abschnitt IV Ziff. 6 dieser Urkunde einge-gangene Verpflichtung, die dort näher behandelte Bürgschaftden Anwälten der Verkäufer auszuhändigen, erfüllt. ...

2.4.4 Die Abtretungen stehen schließlich unter der vierten Be-dingung, dass [die K-AG] als Kommanditist kraft Sonder-rechtsnachfolge in die hiernach gekauften Kommanditteilantei-le im Handelsregister der [A-KG] eingetragen wird. In der Pha-se zwischen der Freigabe des Zusammenschlussvorhabensdurch das BKartA und handelsregisterlicher Eintragung der[K-AG] halten die Verkäufer die veräußerten Gesellschafts-anteile jeweils treuhänderisch für die [K-AG].

2.5 Der amtierende Notar wird parallel hierzu von allen Partei-en beauftragt und unwiderruflich angewiesen, die im Anschlusshieran von ihm notariell beglaubigte und von den Verkäufernsowie [der K-AG] unterzeichnete Handelsregisteranmeldungfür die 1. KG-Tranche in Verwahrung zu nehmen und – frü-hestens am Übergangsstichtag I – zum Handelsregister ein-zureichen, sobald folgende Voraussetzungen erfüllt sind:

2.5.1 Vorliegen des Nichtuntersagungsbescheids des BKartA

...

2.5.2 Nachweis der Bezahlung des Kaufpreises gemäß vorste-hend Abs. 2.4.1.

2.5.3 Eingang der Quittung über die Leistung der Bürgschaftgemäß vorstehend Abs. 2.4.3.

...

2.7 Die [K-AG] nimmt den Verkauf und die Abtretungen an.Die Komplementär-GmbH stimmt dem Verkauf und der Ab-tretung zu.

§ 3

Kaufpreis für die 1. Tranche, Fälligkeit; Entnahmerechte

...

3.3 Der Kaufpreis ist mit Wirkung vom Übergangsstichtag I biszur tatsächlichen Bezahlung zu verzinsen mit 6 % p.a.

3.4 Er ist fällig binnen zwei Wochen nach Eintritt der in Ab-schnitt VI Ziff. 3 dieser Urkunde genannten Bedingung (Nicht-untersagungsverfügung des BKartA) ...

§ 11

Fortwirkende Haftungen, Verwaltungsrat

...

11.2 [D] bleibt auf ausdrücklichen Wunsch [der K-AG] Mit-glied des Verwaltungsrates der [A-KG] bis zum 31.1.2001, umauf diese Weise die Kontinuität der unternehmerischen Ver-antwortung zu dokumentieren. [E] wird ihr Verwaltungsrats-mandat zum 31.1.2000 niederlegen.

Abschnitt II

Änderungen des Kommanditgesellschaftsvertrags der [A-KG]und

ergänzende Beschlüsse

...

1. Wirksamwerden der Beschlüsse

Die folgenden Beschlüsse treten mit Wirkung vom Eintritt derin Abschnitt VI Ziff. 3 dieser Urkunde genannten Bedingung(Nichtuntersagungsverfügung des BKartA) in Kraft, wobei sichdie Gesellschafter und [die K-AG] im Innenverhältnis zueinan-der so zu stellen haben, als sei die [K-AG] bereits in diesemAugenblick dinglich der Gesellschaft beigetreten, was tatsäch-lich erst mit handelsregisterlicher Eintragung des Erwerbs dervon ihr gem. Abschnitt I dieser Urkunde gekauften Komman-ditanteile geschieht (vgl. Abschnitt I § 2 Abs. 2.4 dieser Urkun-de).

2. Geschäftsführung

Die Verkäufer und [die K-AG] werden sodann alleinige Gesell-schafter der Komplementär-GmbH sein. Insoweit verpflichtensich die Verkäufer, ihr dortiges Stimmrecht in Übereinstim-mung mit [der K-AG] auszuüben bzw. nicht gegen den Mehr-heitsgesellschafter [K-AG] zu stimmen.

3. Änderungen des Kommanditgesellschaftsvertrags

Der in der Fassung vom ..., ergänzt durch Nachtrag vom ...,gültige Kommanditgesellschaftsvertrag wird wie folgt geändertbzw. ergänzt:

952 Rechtsprechung – Personengesellschaften FR 20/2018

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...

3.2 §§ 6 bis 8 KG-Vertrag

Die Bestimmungen werden zu einer Vorschrift mit folgendemInhalt zusammengefasst:

(1) Den Gesellschaftern und der Geschäftsführung der persön-lich haftenden Gesellschafterin steht ein Verwaltungsrat zurSeite, dessen Mitglieder nach folgender Maßgabe von den Ge-sellschaftern entsandt werden: Die [K-AG] ist berechtigt, dreiVerwaltungsratsmitglieder zu bestimmen. Den übrigen Kom-manditisten steht gemeinsam das Recht zu, zwei Verwaltungs-ratsmitglieder zu bestimmen, ...

3.5 § 12 KG-Vertrag

Diese Bestimmung wird mit schuldrechtlicher Innenwirkungvom 1.2.2000 wie folgt neu gefasst: ‚Das anfallende Ergebnissteht allein der [K-AG] zu, so dass die übrigen Gesellschafterweder an einem Gewinn noch an einem Verlust teilnehmen.‘

3.6 § 13 KG-Vertrag

‚... (2) Will die [K-AG] ihren Kommanditanteil ganz oder teil-weise vor Ablauf des 28.2.2001 an einen Dritten abtreten, be-darf sie hierzu vorab der schriftlichen Zustimmung aller übri-gen Kommanditisten.‘

...

5. Verwaltungsratsmitglieder

Mit Rücksicht auf die Neufassung der §§ 6 bis 8 des Komman-ditgesellschaftsvertrages (vgl. vorstehend Ziff. 3.2) nehmen dieParteien zur Kenntnis, dass die gegenwärtigen Verwaltungs-ratsmitglieder der [A-KG] ausweislich der als Anlage 11 bei-gefügten Erklärung ihr Amt als Verwaltungsratsmitglied nie-dergelegt haben mit Wirkung vom Eintritt der in Abschnitt VIZiff. 3 dieser Urkunde genannten Bedingung (Nichtuntersa-gungsverfügung des BKartA). Mit Rücksicht darauf machendie Verkäufer und [die K-AG] von ihrem dann gem. §§ 6 bis 8Kommanditgesellschaftsvertrag bestehenden Recht zur Benen-nung von Verwaltungsratsmitgliedern wie folgt Gebrauch:

5.1 Die Verkäufer benennen zu Verwaltungsratsmitgliedern dieHerren [D], den Erschienenen zu 1/, und [M]. ...

Abschnitt III

Veräußerung von 75 % des Stammkapitals der Komplementär-GmbH (1. GmbH-Tranche)

Sodann schließen die Verkäufer und [die K-AG] den folgendenGeschäftsanteilkauf- und -abtretungsvertrag in Form einesRechtskaufs, aufgrund dessen die Verkäufer insgesamt 75 %des vorhandenen Stammkapitals der Komplementär-GmbH andie [K-AG] veräußern:

...

§ 2

Kaufgegenstand, Übertragung zum Übertragungsstichtag I

2.1 Die Verkäufer verkaufen von ihren in § 1 Abs. 1.1 genann-ten Geschäftsanteilen der Komplementär-GmbH jeweils einen75%igen Teilanteil mit allen Rechten und Pflichten einschließ-lich des anteiligen Gewinnbezugsrechts mit Wirkung vom

Übergangsstichtag I an [die K-AG]. [Die K-AG] nimmt denVerkauf der Geschäftsanteile an.

... 2.3 Schuldrechtlicher Übergangsstichtag ist der Übergangs-stichtag I. Damit steht der Gewinn für das laufende Geschäfts-jahr, der auf die veräußerten Teilgeschäftsanteile entfällt, biszum Übergangsstichtag I den Verkäufern zu. Dieser anteiligeGewinn wird den Verkäufern, sobald er ermittelt worden ist,aufgrund einer Abschlagsdividende ausgeschüttet werden. ...

... 2.5 Die Verkäufer treten hiermit die von ihnen veräußertenGeschäftsanteile bzw. Teilgeschäftsanteile an die [K-AG] ab,die die Abtretung annimmt. Die Abtretung steht unter zwei Be-dingungen, worauf die in Abschnitt I § 2 Abs. 2.4.1 und 2.4.2dieser Urkunde getroffenen Vereinbarungen entsprechendeAnwendung finden.

2.6 Die Verkäufer treten ferner mit schuldrechtlicher Wirkungzum Übergangsstichtag I das gesamte Gewinnbezugsrecht hin-sichtlich ihrer gesamten in § 1 Abs. 1.1 genannten Beteiligun-gen an der Komplementär-GmbH an die [K-AG] ab, also auchdasjenige Gewinnbezugsrecht, was auf die noch nicht veräußer-ten Beteiligungen i.H.v. 25 % am Stammkapital der Komple-mentär-GmbH entfällt. [Die K-AG] nimmt diese Abtretungenan. Die Abtretungen werden wirksam, sobald [die K-AG] diehiernach veräußerten 75%igen Teilgeschäftsanteile dinglich er-worben hat.

§ 3

Kaufpreis für die 1. Tranche, Fälligkeit

3.1 Der Kaufpreis für die veräußerten Teilgeschäftsanteile gem.§ 2 beträgt insgesamt DM ... und entspricht damit dem Nomi-nalwert.

...

Abschnitt IV

Veräußerung von 25 % des Kommanditkapitals der [A-KG] (2.KG-Tranche)

Sodann schließen die Verkäufer und die [K-AG] mit Zustim-mung der Komplementär-GmbH den folgenden Kommandit-anteilkauf- und -abtretungsvertrag in Form eines Rechtskaufs,der die jeweils 25%igen Kommanditanteile der Verkäufer ander [A-KG] betrifft (2. KG-Tranche), die den Verkäufern ver-bleiben, sobald die Veräußerung von 75 % des Kommandit-kapitals gem. Abschnitt I dieser Urkunde nach Eintritt der inAbschnitt VI Ziff. 3 dieser Urkunde genannten Bedingung(Nichtuntersagungsverfügung des BKartA) wirksam gewordenund im Handelsregister eingetragen worden ist. Demgemäßwerden die folgenden Vereinbarungen wirksam, sobald die inAbschnitt VI Ziff. 3 dieser Urkunde genannte Bedingung(Nichtuntersagungsverfügung des BKartA) eingetreten ist. ImÜbrigen wird im Folgenden sprachlich unterstellt, dass die Ver-käufer jeweils nur noch 25 % ihrer gegenwärtigen Kommandit-anteile halten. ...

Im Einzelnen gilt:

1. Die Verkäufer werden sodann an der [A-KG] mit folgendenKommanditeinlagen beteiligt sein:

1.1 [D] mit einer Kommanditeinlage i.H.v. DM ...

1.2 Die [B-KG] mit einer Kommanditeinlage i.H.v. DM ...

FR 20/2018 Rechtsprechung – Personengesellschaften 953

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1.3 [E] mit einer Kommanditeinlage i.H.v. DM ...

1.4 [F] mit einer Kommanditeinlage i.H.v. DM ...

1.5 [G] mit einer Kommanditeinlage i.H.v. DM ...

2. Die Verkäufer verkaufen die vorgenannten Kommanditeinla-gen an [die K-AG] und treten sie an [die K-AG] ab. Der Ver-kauf und die Übertragung umfassen die korrespondierendenGuthaben der Verkäufer an ihren Kapitalkonten und den Re-serve- und Gewinnvortragskonten sowie sämtliche mit den ver-äußerten Kommanditbeteiligungen verbundenen Rechte undPflichten, ausgenommen die Ansprüche oder Verbindlichkei-ten des jeweiligen Verkäufers aus dem für ihn geführten Privat-konto.

3. Schuldrechtlicher Übergangsstichtag ist der Ablauf des31.1.2001 ... („Übergangsstichtag II“).

4. Der Kaufpreis ... ist am 31.1.2001 fällig und bis zur tatsäch-lichen Bezahlung ab dem Übergangsstichtag I, mithin mit Wir-kung vom 1.2.2000, mit 6 % p.a. zu verzinsen.

...

6. [Die K-AG] ist verpflichtet, den Verkäufern ... nach Eintrittder in Abschnitt VI Ziff. 3 dieser Urkunde genannten Bedin-gung (Nichtuntersagungsverfügung des BKartA) zur Absiche-rung des vorgenannten Kaufpreisanspruches sowie zur Absi-cherung des sich aus Abschnitt V dieser Urkunde ergebendenKaufpreisanspruches eine selbstschuldnerische und unbefristeteBürgschaft ... zu übergeben. ...

7. Die Abtretung der veräußerten Kommanditanteile ist auf-schiebend bedingt von der handelsregisterlichen Eintragung[der K-AG] als Sonderrechtsnachfolgerin in die hierdurch er-worbenen Kommanditanteile. Ab dem Übergangsstichtag II biszum Eintritt dieser Bedingungen halten die Verkäufer die ver-äußerten Kommanditanteile treuhänderisch für [die K-AG].

8. Der amtierende Notar wird parallel hierzu von allen Parteienbeauftragt und unwiderruflich angewiesen, die im Anschlusshieran von ihm notariell beglaubigte und von den Verkäufernsowie [der K-AG] unterzeichnete Handelsregisteranmeldungfür die 2. KG-Tranche in Verwahrung zu nehmen und – frü-hestens am Übergangsstichtag II – zum Handelsregister ein-zureichen, sobald folgende Voraussetzung erfüllt ist:

Vorliegen des Nichtuntersagungsbescheids des BKartA ...

Abschnitt V

Veräußerung von 25 % des Stammkapitals der Komplementär-GmbH (2. GmbH-Tranche)

Sodann beschließen die Verkäufer und [die K-AG] den folgen-den Geschäftsanteilkauf- und -abtretungsvertrag in Form einesRechtskaufs, der die jeweils 25%igen Geschäftsanteile der Ver-käufer an der Komplementär-GmbH betrifft (2. GmbH-Tranche), die den Verkäufern verbleiben, sobald die Veräuße-rung von 75 % des Stammkapitals der Komplementär-GmbHgem. Abschnitt III dieser Urkunde nach Eintritt der in Ab-schnitt VI Ziff. 3 dieser Urkunde genannten Bedingung (Nicht-untersagungsverfügung des BKartA) wirksam geworden ist.Demgemäß werden die folgenden Vereinbarungen wirksam,sobald die in Abschnitt VI Ziff. 3 dieser Urkunde genannte Be-dingung (Nichtuntersagungsverfügung des BKartA) eingetretenist. Im übrigen wird im Folgenden sprachlich unterstellt, dass

die Verkäufer jeweils nur noch 25 % ihrer gegenwärtigen Ge-schäftsanteile der Komplementär-GmbH halten. ...

2. Die Verkäufer verkaufen hiermit diese Geschäftsanteile an[die K-AG] und treten sie gleichzeitig an sie ab. Das auf dieseGeschäftsanteile entfallende Gewinnbezugsrecht steht [der K-AG] bereits aufgrund der in Abschnitt III § 2 Abs. 2.6 dieserUrkunde getroffenen Vereinbarungen zu.

3. Im Übrigen finden die in Abschnitt III dieser Urkunde ge-troffenen Vereinbarungen entsprechende Anwendung.

4. [Die K-AG] nimmt die Veräußerungen und Abtretungenan. ...“

7Im April 2000 beschloss das BKartA, das Zusammenschluss-vorhaben zwischen der A-KG und der K-AG nicht zu untersa-gen.

8Im Mai, September und Dezember 2000 fanden Sitzungen derVerwaltungsräte der A-KG und ihrer Komplementärin statt, andenen u.a. D und M teilnahmen.

9Im Juli 2000 wurde in das Handelsregister der A-KG die He-rabsetzung der Kommanditeinlagen auf insgesamt ... DM ein-getragen. Zugleich wurde eingetragen, dass die K-AG im Wegeder Sonderrechtsnachfolge stattdessen als Kommanditistin miteiner Einlage von insgesamt ... DM eingetreten sei.

10Im März 2001 wurden die Kommanditisten B-KG, D, E, F undG als ausgeschieden eingetragen. Zugleich wurde eingetragen,dass im Wege der Sonderrechtsnachfolge die Kommanditeinla-ge der K-AG um insgesamt ... DM auf ... DM erhöht wordensei.

11Mit unter dem Vorbehalt der Nachprüfung (§ 164 Abs. 1 AO)ergangenen Bescheid über die gesonderte und einheitliche Fest-stellung der Besteuerungsgrundlagen für 2000 vom 28.9.2001stellte das damals zuständige Finanzamt ... (FA A) für die A-KG erklärungsgemäß Gewinne aus der Veräußerung der Mit-unternehmeranteile der B-KG, D, E, F und G i.H.v. ins-gesamt ... DM fest. Die für die einzelnen Feststellungsbeteilig-ten festgestellten Veräußerungsgewinne entsprachen deren Be-teiligungsquoten. Dabei wurde die Veräußerung der Beteiligun-gen in vollem Umfang bereits als im Streitjahr vollzogen ange-sehen. Der Bescheid wurde den Feststellungsbeteiligten imRahmen der Einzelbekanntgabe übersandt. Hiergegen legtendie B-KG, D und E Einspruch ein u.a. mit der Begründung,dass bei der Ermittlung des Veräußerungsgewinns für das Jahr2000 von einer Veräußerung von nur 75 % der Anteile aus-zugehen sei.

12Mit nach § 164 Abs. 2 AO geändertem Gewinnfeststellungs-bescheid 2000 vom 1.7.2002 wurden die Veräußerungsgewinne(einschließlich steuerfreier Veräußerungsgewinne) auf ins-gesamt ... DM festgestellt.

13Mit erneut gem. § 164 Abs. 2 AO geändertem Gewinnfeststel-lungsbescheid 2000 vom 15.10.2002 stellte das FA A die Ver-äußerungsgewinne auf insgesamt ... DM fest.

14Mit gegenüber der Klägerin zu 1. als Rechtsnachfolgerin der B-KG sowie D und E ergangenen Einspruchsentscheidungen desBeklagten (FA B) vom 27.11.2012 wurden die Veräußerungs-gewinne auf insgesamt ... DM festgestellt. Im Einzelnen wurdenfür die B-KG ein Veräußerungsgewinn i.H.v. ... DM, für D einVeräußerungsgewinn i.H.v. ... DM und für E ein Veräuße-

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rungsgewinn i.H.v. ... DM festgestellt; im Übrigen wurden de-ren Einsprüche als unbegründet zurückgewiesen. Bei der Er-mittlung der Veräußerungsgewinne berücksichtigte das FA Bwegen einer Steuerklausel des AV eine Kapitalerhöhung voninsgesamt ... DM; die Summe der Veräußerungsgewinne wurdedamit wie folgt ermittelt: ...

15 Hiergegen erhoben die Kläger im Dezember 2012 Klage beimFG Hamburg , die Klägerin zu 1. unter dem Aktenzeichen – 6K 277/12, D unter dem Aktenzeichen – 6 K 278/12 und E unterdem Aktenzeichen – 6 K 276/12.

16 Zur Begründung führten die Kläger im Wesentlichen aus, we-der das zivilrechtliche noch das wirtschaftliche Eigentum anden verbleibenden 25 %-Anteilen der Altgesellschafter seienvor dem 31.1.2001 auf die K-AG übertragen worden, denn die-ses Datum werde im Übertragungsvertrag ausdrücklich als„Übergangsstichtag II“ bezeichnet. Zudem sei der dingliche Ei-gentumswechsel aufschiebend bedingt gewesen durch die Ein-tragung der Sonderrechtsnachfolge im Handelsregister. Auchseien die Altgesellschafter aufgrund ihrer gesellschaftsrecht-lichen Stellung bis zum 31.1.2001 Mitunternehmer der A-KGgeblieben, denn sie hätten in dieser Zeit Mitunternehmerinitia-tive entfaltet und auch Mitunternehmerrisiko getragen.

17 Das FA B führte unter Bezug auf seine Einspruchsentscheidun-gen u.a. aus, dass die Altgesellschafter aus der Beteiligung ander A-KG ab dem 1.2.2000 keine Einkünfte aus Gewerbebetriebbezogen hätten, weil sie keine Mitunternehmer mehr gewesenseien. Wegen fehlender Teilhabe am Erfolg oder Misserfolg desUnternehmens hätten die Altgesellschafter kein oder nur einsehr geringes Mitunternehmerrisiko getragen. Das schwacheMitunternehmerrisiko werde auch nicht durch eine starke Mit-unternehmerinitiative ausgeglichen.

18 Nach Verbindung der Verfahren zur gemeinsamen Verhand-lung und Entscheidung lud das FG mit Beschl. v. 28.11.2004 –6 K 277/12 die L-GmbH (jetzige Firma: P-GmbH) bei, nach-dem das FA B dies unter Hinweis auf § 174 Abs. 5 AO bean-tragt hatte.

19 Mit – durch FG-Beschluss vom 9.2.2015 hinsichtlich des Ru-brums berichtigtem – Urt. v. 2.2.2015 – 6 K 277/12 wies dasFG die Klage ab. Die B-KG, D und E hätten bereits im Streit-jahr kein Mitunternehmerrisiko mehr getragen, denn sie hättenihren Gewinnanteil für die Zeit vom 1.2.2000 bis zum31.1.2001 wirksam an die K-AG abgetreten.

27 Die Revision der Kläger war unbegründet und daher nach§ 126 Abs. 2 FGO zurückzuweisen.

Aus den Entscheidungsgründen:

28 1. Das FG hat zutreffend davon abgesehen, die weiteren imStreitjahr an der A-KG beteiligten Kommanditisten (F und G)bzw. deren Rechtsnachfolger zum Verfahren nach § 60 Abs. 3Satz 1 FGO notwendig beizuladen. (wird asugeführt)

30 2. Die Revision hat keinen Erfolg. FA B und FG sind im Ergeb-nis zutreffend davon ausgegangen, dass die von der B-KG, Dund E erzielten Gewinne aus der Veräußerung ihrer Mitunter-nehmeranteile an der A-KG bereits im Rahmen der Gewinn-feststellung für das Streitjahr vollständig als Veräußerungs-gewinne i.S.v. § 16 Abs. 1 Nr. 2 EStG zu erfassen sind. Denn

alle drei ehemaligen Kommanditisten der A-KG haben bereitsim Streitjahr nicht nur das Eigentum an ihren Mitunterneh-meranteilen zu 75 %, was insoweit zwischen Beteiligten nichtin Streit steht, sondern darüber hinaus das wirtschaftliche Ei-gentum an den restlichen 25 % ihrer Mitunternehmeranteile andie K-AG übertragen.

u Der steuerrechtlich maßgebliche Zeitpunkt der Veräußerungdes Anteils an einer Personengesellschaft kann bereits vor derzivilrechtlichen Übertragung liegen

31a) Der steuerrechtlich maßgebliche Zeitpunkt der Veräußerungdes Anteils an einer Personengesellschaft kann bereits vor derzivilrechtlichen Übertragung des Gesellschaftsanteils liegen,wenn der Erwerber aufgrund eines zivilrechtlichen Rechts-geschäfts bereits eine rechtlich geschützte, auf den Erwerb desRechts gerichtete Position erworben hat, die ihm gegen seinenWillen nicht mehr entzogen werden kann, und Mitunterneh-merrisiko sowie Mitunternehmerinitiative vollständig auf ihnübergegangen sind.

u Das insoweit mögliche frühere wirtschaftliche Eigentum …

32aa) Nach § 16 Abs. 1 Nr. 2 EStG gehören zu den Einkünftenaus Gewerbebetrieb auch Gewinne, die bei der Veräußerungdes Anteils eines Gesellschafters, der als Unternehmer (Mit-unternehmer) des Betriebs anzusehen ist (§ 15 Abs. 1 Satz 1Nr. 2 EStG), erzielt werden. Mitunternehmer i.S.d. § 15 Abs. 1Satz 1 Nr. 2 EStG ist, wer zivilrechtlich Gesellschafter einerPersonengesellschaft ist oder – in Ausnahmefällen – eine die-sem wirtschaftlich vergleichbare Stellung innehat, Mitunter-nehmerrisiko trägt und Mitunternehmerinitiative entfaltet so-wie die Absicht zur Gewinnerzielung hat (BFH, Urt. v.22.6.2017 – IV R 42/13, BFHE 259, 258 = FR 2018, 312 m.Anm. Wendt, Rz. 32, m.w.N.). Auch bei der Veräußerung einesMitunternehmeranteils kommt es folglich darauf an, wann dierechtliche oder wirtschaftliche Inhaberschaft an dem Mitunter-nehmeranteil übergeht (vgl. BFH v. 25.6.2009 – IV R 3/07,BFHE 226, 62 = FR 2010, 329 m. Anm. Kanzler = BStBl. II2010, 182, unter II.3.a; BFH, Urt. v. 30.8.2012 – IV R 44/10,Rz. 27). Auch wenn der Anteil an einer Personengesellschaftsteuerrechtlich kein eigenständiges Wirtschaftsgut ist, so ver-körpert er doch die Zusammenfassung aller Anteile an denWirtschaftsgütern, die zum Gesellschaftsvermögen einer Per-sonengesellschaft gehören und die dem betreffenden Gesell-schafter nach § 39 Abs. 2 Nr. 2 AO zuzurechnen sind (z.B.BFH v. 22.6.2017 – IV R 42/13, BFHE 259, 258 = FR 2018, 312m. Anm. Wendt Rz. 33, m.w.N.). Deshalb ist auch der Über-gang der Inhaberschaft an einem Mitunternehmeranteil grund-sätzlich nach zivilrechtlichen Maßstäben (§ 39 Abs. 1 AO) zubeurteilen. Die Veräußerung eines Mitunternehmeranteilskann aber auch vorliegen, wenn zum maßgeblichen Zeitpunktzwar (noch) nicht die rechtliche Inhaberschaft an dem Mit-unternehmeranteil, wohl aber die wirtschaftliche Inhaberschaft(§ 39 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 AO) auf den Erwerber übergegangenist (z.B. BFH, Urt. v. 30.8.2007 – IV R 22/06, BFH/NV 2008,109, unter II.2.b, m.w.N.). Denn auch die steuerrechtliche Zu-rechnung eines Gesellschaftsanteils kann nach den Maßstäbendes § 39 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 AO von der zivilrechtlichen Gesell-schafterstellung abweichen (BFH v. 22.6.2017 – IV R 42/13,BFHE 259, 258, = FR 2018, 312 m. Anm. Wendt Rz. 34).

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u … setzt neben anderem voraus, …

33 bb) Das wirtschaftliche Eigentum setzt nach ständiger Recht-sprechung voraus, dass der Erwerber aufgrund eines (bürger-lich-rechtlichen) Rechtsgeschäfts bereits eine rechtlich ge-schützte, auf den Erwerb des Rechts gerichtete Position erwor-ben hat, die ihm gegen seinen Willen nicht mehr entzogen wer-den kann (z.B. BFH v. 25.6.2009 – IV R 3/07, BFHE 226, 62 =FR 2010, 329 m. Anm. Kanzler = BStBl. II 2010, 182, unter II.3.a.; BFH, Urt. v. 27.10.2015 – VIII R 47/12, BFHE 252, 80 =BStBl. II 2016, 600 = FR 2016, 615, Rz. 38, jeweils m.w.N.). Er-füllt ein anderer als der zivilrechtliche Gesellschafter die Vo-raussetzungen eines Mitunternehmers, weil er anstelle des Ge-sellschafters vollständig dessen gesellschaftsrechtliche Positioneinnehmen kann, die es ihm ermöglicht, Mitunternehmerrisikozu tragen und Mitunternehmerinitiative zu entfalten, ist diesemder Anteil an der Personengesellschaft zuzurechnen. Denn erist in der Lage, den zivilrechtlichen Gesellschafter wirtschaftlichauf Dauer aus dessen Stellung zu verdrängen (BFH v. 22.6.2017– IV R 42/13, BFHE 259, 258, = FR 2018, 312 m. Anm. WendtRz. 34, m.w.N.). Dabei ist der Übergang des wirtschaftlichenEigentums nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnis-se im jeweiligen Einzelfall zu beurteilen; bei der Bestimmungdes wirtschaftlichen Eigentums ist nicht das formal Erklärteoder formal-rechtlich Vereinbarte, sondern das wirtschaftlichGewollte und das tatsächlich Bewirkte ausschlaggebend (z.B.BFH, Urt. v. 25.5.2011 – IX R 23/10, BFHE 234, 55 = BStBl. II2012, 3 = FR 2012, 83 m. Anm. Bode, Rz. 17, m.w.N.).

u … dass die Mitunternehmerinitiative übergeht

34 cc) Mitunternehmerinitiative bedeutet vor allem Teilnahme anunternehmerischen Entscheidungen, wie sie z.B. Gesellschaf-tern oder diesen vergleichbaren Personen als Geschäftsführern,Prokuristen oder anderen leitenden Angestellten obliegen (vgl.hierzu und zum Folgenden z.B. BFH, Urt. v. 13.7.2017 – IV R41/14, BFHE 258, 459 = BStBl. II 2017, 1133, Rz. 20, m.w.N.).Ausreichend ist indes schon die Möglichkeit zur Ausübung vonGesellschafterrechten, die wenigstens den Stimm-, Kontroll-und Widerspruchsrechten angenähert sind, die einem Kom-manditisten nach dem HGB zustehen oder die den gesell-schaftsrechtlichen Kontrollrechten nach § 716 Abs. 1 BGB ent-sprechen (BFH, Urt. v. 21.10.2015 – IV R 43/12, BFHE 252,193 = BStBl. II 2016, 517 = FR 2016, 683, Rz. 30). Mitunterneh-merrisiko trägt, wer gesellschaftsrechtlich oder diesem Statuswirtschaftlich vergleichbar am Erfolg und Misserfolg eines ge-werblichen Unternehmens teilnimmt. Dieses Risiko wird regel-mäßig durch Beteiligung am Gewinn und Verlust sowie an denstillen Reserven des Anlagevermögens einschließlich eines Ge-schäftswerts vermittelt (Beschluss des Großen Senats des BFHvom 25.6.1984 – GrS 4/82, BFHE 141, 405 = BStBl. II 1984,751 = FR 1984, 619, unter C.V.3.b cc und C.V.3.c; vgl. auchBFH, Urt. v. 30.6.2005 – IV R 40/03, BFH/NV 2005, 1994, un-ter 1.; in BFH v. 21.10.2015 – IV R 43/12, BFHE 252, 193 =BStBl. II 2016, 517, = FR 2016, 683 Rz. 30, und in BFHE 258,459 = BStBl. II 2017, 1133, Rz. 20). Die Merkmale der Mit-unternehmerschaft sind unter Berücksichtigung aller die recht-liche und wirtschaftliche Stellung einer Person insgesamt be-stimmenden Umstände zu würdigen (z.B. BFH, BFHE 258,459 = BStBl. II 2017, 1133, Rz. 20, m.w.N.).

u Der Veräußerungsgewinn entsteht – unabhängig vom Zeit-punkt der Kaufpreiszahlung – im Zeitpunkt der Übertragung deswirtschaftlichen Eigentums

35dd) Im Zeitpunkt der Übertragung des wirtschaftlichen Eigen-tums entsteht der Veräußerungsgewinn, und zwar unabhängigdavon, ob der vereinbarte Kaufpreis sofort fällig, in Raten zahl-bar oder langfristig gestundet ist und wann der Verkaufserlösdem Veräußerer tatsächlich zufließt (BFH v. 25.6.2009 – IV R3/07, BFHE 226, 62 = FR 2010, 329 m. Anm. Kanzler =BStBl. II 2010, 182, unter II.2.a aa, m.w.N.). Dieser Gewinn istbei Veräußerung eines gesamten Mitunternehmeranteils auchdann im Kalenderjahr des Ausscheidens des Mitunternehmerszu erfassen, wenn die Mitunternehmerschaft – wie im Streitfalldie A-KG – ihren Gewinn für ein abweichendes Wirtschafts-jahr (bei der A-KG die Zeit vom 1. Oktober bis 30. September)ermittelt, denn § 4a Abs. 2 Nr. 2 EStG ist auf den ausscheiden-den Mitunternehmer nicht anwendbar (BFH, Urt. v. 18.8.2010– X R 8/07, BFHE 230, 429 = BStBl. II 2010, 1043 = FR 2011,28 m. Anm. Kanzler, Rz. 29, 31). Der Zeitpunkt der Veräuße-rung eines gesamten Mitunternehmeranteils ist deshalb spätes-tens in dem Kalenderjahr anzunehmen, in dem der Erwerberin die Lage versetzt wird, den zivilrechtlichen Gesellschafterwirtschaftlich auf Dauer aus dessen Stellung zu verdrängen.

u Bei Berücksichtigung dieser Maßstäbe ist das Urteil des FGnicht zu beanstanden

36b) Nach diesen Maßstäben ist die Würdigung des FG, dass dieK-AG bereits im Laufe des Streitjahrs in der Lage gewesen sei,die B-KG, D und E (auch) hinsichtlich der streitbefangenen, ih-nen gemäß den Regelungen des AV bis zum sog. Übergangs-stichtag II verbleibenden 25 % ihrer ursprünglichen Komman-ditanteile aus ihrer insoweit noch fortbestehenden Stellung alszivilrechtliche Gesellschafter vollständig zu verdrängen, unddamit wirtschaftliche Eigentümerin (§ 39 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1AO) der streitbefangenen Anteile geworden sei, im Ergebnis re-visionsrechtlich nicht zu beanstanden. Zwar hat das FG denÜbergang des wirtschaftlichen Eigentums allein darauf gestützt,dass das Mitunternehmerrisiko im Streitjahr bereits vollständigauf die K-AG übergegangen sei (dazu aa). Insoweit hat es über-sehen, dass der Übergang des wirtschaftlichen Eigentums zu-dem voraussetzt, dass auch die Mitunternehmerinitiative imStreitjahr vollständig auf die K-AG übergegangen sein muss.Das FG hat aber alle dafür erforderlichen Tatsachen festgestellt,so dass es dem BFH ausnahmsweise möglich ist, diese Würdi-gung selbst zu treffen (vgl. BFH, Urt. v. 5.11.2013 – VIII R 20/11, BFHE 243, 481 = BStBl. II 2014, 275 = FR 2014, 426, dazubb).

u Das Mitunternehmerrisiko ist auf die Erwerber übergegangen

37aa) Das Mitunternehmerrisiko ist bereits im Streitjahr auf dieErwerberin übergegangen, die Altgesellschafter der A-KG, da-runter die B-KG, D und E, haben nach dem ÜbergangsstichtagI kein Mitunternehmerrisiko mehr getragen.

38(1) Die Altgesellschafter haben nach Abschn. I § 2 Abs. 2.3 desAV den mit ihren „vollständigen“ Kommanditanteilen verbun-denen Gewinnanteil für die Zeit vom 1.2.2000 bis zum Über-gangsstichtag II („Ablauf des 31.1.2001“) an die K-AG abgetre-ten, die die Abtretungen angenommen hat. Die Abtretungensollten zwar nach der genannten vertraglichen Regelung „ding-

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lich wirksam [werden], sobald die an [die K-AG] veräußertenKommanditanteile der 1. Tranche dinglich auf sie übergegan-gen sind (vgl. nachstehend Abs. 2.4)“. Dabei lautet Abschn. I§ 2 Abs. 2.4 des AV: „Die Verkäufer treten hiermit jeweils ihreim Rahmen der 1. KG-Tranche verkauften 75%igen Komman-ditanteile an [die K-AG] ab. Allerdings stehen diese Abtretun-gen unter vier aufschiebenden Bedingungen, nämlich: ...“. Kurzgefasst waren diese vier Bedingungen die Überweisung desKaufpreises für 75 % der Kommanditanteile, eine Nichtunter-sagungsverfügung des BKartA, die Aushändigung einer selbst-schuldnerischen Bürgschaft der K-AG (vgl. auch Abschn. IVZiff. 6 des AV) an die Anwälte der Verkäufer sowie die Eintra-gung der K-AG als Rechtsnachfolgerin bezüglich der 75%igenKommanditanteile im Handelsregister der A-KG. Das FG istjedoch im Ergebnis zutreffend davon ausgegangen, dass alle Be-dingungen bereits im Streitjahr erfüllt waren und somit die Ge-winnanteile für die Zeit vom 1.2.2000 bis zum Übergangsstich-tag II ebenfalls bereits im Streitjahr vollständig an die K-AGabgetreten waren.

39 Zwar hat das FG im Tatbestand seiner angefochtenen Entschei-dung nur den Eintritt von zwei der genannten Bedingungenschon im Streitjahr, nämlich die Nichtuntersagung eines Zu-sammenschlusses der A-KG mit der K-AG durch das BKartAim April 2000 sowie die Eintragung der K-AG im Handels-register im Juli 2000, ausdrücklich festgestellt. Die Umständedes Streitfalls legen es aber nahe, dass die Eintragung der K-AGzeitlich erst nach der vereinbarten Kaufpreiszahlung und derLeistung einer Bürgschaft erfolgt ist und somit alle vier auf-schiebenden Bedingungen für die Wirksamkeit der Abtretun-gen der mit den „vollständigen“ Kommanditanteilen verbunde-nen Gewinnanteile bereits im Streitjahr eingetreten sind. NachAbschn. I § 2 Abs. 2.5 des AV lautet nämlich der Auftrag derVertragsparteien an den amtierenden Notar, dass dieser dieHandelsregisteranmeldung für die 1. KG-Tranche erst – frü-hestens zum Übergangsstichtag I – zum Handelsregister einrei-chen solle, wenn u.a. die Bezahlung des Kaufpreises nachgewie-sen und die Quittung über die Leistung der Bürgschaft einge-gangen sei. Demzufolge müssen auch die beiden letztgenanntenBedingungen vor der Eintragung der K-AG ins Handelsregisterder A-KG erfüllt gewesen sein.

u Dieses gilt für die Gewinnansprüche ab dem 1.2.2000

40 (2) Die Altgesellschafter, darunter die B-KG, D und E, hattenihre vollständigen Gewinnansprüche schon im Streitjahr wirk-sam für die Zeit ab dem 1.2.2000 an die Erwerberin abgetretenund waren von diesem Zeitpunkt an nicht mehr an künftigenwirtschaftlichen Chancen und Risiken der A-KG beteiligt.

41 (a) Der Übergang der Gewinnbeteiligung ergibt sich daraus,dass die Abtretung ausdrücklich (Abschn. I § 2 Abs. 2.3 desAV) auch mit Rücksicht darauf erfolgt ist, dass die Verkäufer –erfolgsunabhängig – nach Abschn. IV Ziff. 4 des AV im Zugeder „Veräußerung von 25 % des Kommanditkapitals der [A-KG] (2. KG-Tranche)“ ab dem 1.2.2000 eine Verzinsung desKaufpreises für diese Tranche erhalten sollten. Anders als dieKläger meinen, begründet eine Teilhabe der Altgesellschafteram Erfolg der A-KG auch nicht der Vortrag der Kläger, dassdie Vertragsparteien die prognostizierten wirtschaftlichen Vor-teile der weiteren Tätigkeiten der Altgesellschafter für das Un-ternehmen bei der Kaufpreisbemessung pauschal berücksich-tigt hätten, was einer pauschalierten Beteiligung am laufenden

Gewinn gleichkomme. Denn der Kaufpreis für einen Mitunter-nehmeranteil, dessen Zahlung durch die erwerbende K-AGdurch verschiedene Maßnahmen (u.a. eine selbstschuldnerischeBürgschaft der Erwerberin) abgesichert war, vermittelt unge-achtet der Motive für seine Bemessung keine aktive Teilhabean künftigen wirtschaftlichen Chancen und Risiken der betref-fenden Mitunternehmerschaft. Ein solcher Kaufpreis wäreauch bei einer von den Vertragsparteien nicht erwarteten posi-tiven oder negativen Geschäftsentwicklung der A-KG unver-ändert geblieben. Und selbst wenn derartige Gesichtspunktebei der Bemessung der ab dem 1.2.2000 vereinbarten Festver-zinsung des auf die „2. Tranche“ entfallenden Kaufpreises eineRolle gespielt hätten, würde in einer im Voraus fest vereinbar-ten Verzinsung nicht der tatsächliche Erfolg oder Misserfolgdes gewerblichen Unternehmens der A-KG während des Zins-laufs abgebildet; vielmehr ist eine derartige Verzinsung typischfür einen Darlehensgeber (vgl. z.B. BFH, Urt. v. 28.10.1999 –VIII R 66-70/97, BFHE 190, 204 = BStBl. II 2000, 183 = FR2000, 254 m. Anm. Kempermann, unter II.1.a). In gleicherWeise vermitteln weder der vereinbarte Kaufpreis noch dessenfeste Verzinsung in der Zeit ab dem 1.2.2000 eine Beteiligungan konkreten Betriebsvermögensmehrungen bzw. den ab die-sem Zeitpunkt gebildeten stillen Reserven des Anlagever-mögens und/oder einem neu entstandenen Geschäftswert derA-KG.

42(b) Auch am Verlust nahmen die Altgesellschafter über denÜbergangsstichtag I hinaus nicht mehr teil. Durch Abschn. IIZiff. 3.5 des AV war § 12 des Gesellschaftsvertrags der A-KGmit Wirkung vom 1.2.2000 neu gefasst worden. Danach standdas anfallende Ergebnis allein der K-AG zu, so dass die übrigenGesellschafter – so die ausdrückliche Folgerung im AV – wederan einem Gewinn noch an einem Verlust teilnahmen.

u Zudem konnten die Altgesellschafter keine Mitunternehmer-initiative mehr entwickeln

43bb) Die Altgesellschafter konnten nach den vom FG festgestell-ten Regelungen des Vertragswerks über den ÜbergangsstichtagI hinaus in der A-KG auch keine Mitunternehmerinitiativemehr entwickeln. Vielmehr hat die K-AG als Erwerberin auchhinsichtlich der zivilrechtlich über den Übergangsstichtag I hi-naus fortbestehenden Kommanditanteile der Altgesellschafteran deren Stelle Mitunternehmerinitiative entfaltet.

44Zwar standen den Veräußerern über den Übergangsstichtag Ihinaus die ihren reduzierten Anteilen entsprechenden Mitwir-kungsrechte in der A-KG und der Komplementär-GmbH zu.Diese konnten jedoch faktisch nur noch zugunsten der K-AGausgeübt werden. Durch Abschn. II Ziff. 3.2 des AV sind näm-lich die §§ 6 bis 8 des Gesellschaftsvertrags der A-KG in einerBestimmung zusammengefasst worden. Die K-AG war danachberechtigt, drei der Mitglieder des Verwaltungsrats zu bestim-men, während den übrigen Kommanditisten gemeinsam dasRecht zustand, zwei Verwaltungsratsmitglieder zu bestimmen.Im Verwaltungsrat der A-KG verfügte die Erwerberin demnachfortan über eine Mehrheit der Stimmen, so dass keine Entschei-dung gegen die Erwerberin möglich war. Zudem war eine dem§ 7 Abs. 1 des Gesellschaftsvertrags der A-KG in seiner ur-sprünglichen Fassung entsprechende Regelung, wonach derVerwaltungsrat über die Richtlinien der Geschäftspolitik derGesellschaft zu bestimmen hatte und die geschäftsführende V-GmbH an dessen Richtlinien und Weisungen gebunden war,

FR 20/2018 Rechtsprechung – Personengesellschaften 957

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im geänderten Gesellschaftsvertrag der A-KG nicht mehr ent-halten. Der Verwaltungsrat hatte somit nicht mehr wie zuvordie Möglichkeit, auf die Geschäftsführung in der A-KG bestim-menden Einfluss zu nehmen.

45 Auch aus der über den Übergangsstichtag I hinaus bestehendenBeteiligung der Verkäufer an der Komplementär-GmbH ergabsich keine Mitunternehmerinitiative in Bezug auf die A-KG,nachdem sich die Altgesellschafter verpflichtet hatten, ihr dor-tiges Stimmrecht in Übereinstimmung mit der K-AG aus-zuüben bzw. nicht gegen den Mehrheitsgesellschafter K-AG zustimmen (Abschn. II Ziff. 2 des AV). Insoweit spricht der vomFG festgestellte Umstand, dass u.a. D im Mai, September undDezember 2000 an Sitzungen der Verwaltungsräte der A-KGund ihrer Komplementärin teilgenommen hat, nicht für einefortbestehende Mitunternehmerinitiative. Mit der vorgenann-ten Würdigung im Einklang steht auch die Regelung inAbschn. I § 11 Abs. 11.2 des AV, wonach D auf ausdrücklichenWunsch der K-AG Mitglied des Verwaltungsrats der A-KG biszum 31.1.2001 bleiben sollte, „um auf diese Weise die Kon-tinuität der unternehmerischen Verantwortung zu dokumen-tieren“. Diese auf die Außenwirkung der Übertragung des Be-triebs der A-KG auf die K-AG abzielende Regelung sagt nichtsdarüber aus, wer die Geschäfte der A-KG nach dem Über-gangsstichtag I (intern) maßgeblich bestimmen konnte.

46 Bei einer Gesamtwürdigung aller Umstände des Streitfalls mussdeshalb davon ausgegangen werden, dass nach dem Über-gangsstichtag I – innerhalb des Streitjahrs – auch die Mitunter-nehmerinitiative vollständig auf die erwerbende K-AG überge-gangen war.

u Somit war die Gesamtwürdigung des FG nicht zu beanstanden

47 cc) Nach alledem ist die Würdigung des FG, dass die Altgesell-schafter bereits im Streitjahr von der K-AG aus ihrer Stellungals Mitunternehmer der A-KG verdrängt worden sind, und derÜbergang des wirtschaftlichen Eigentums (§ 39 Abs. 2 Nr. 1Satz 1 AO) an den Mitunternehmeranteilen der B-KG, des Dund der E bereits vollständig im Streitjahr stattgefunden hat,obwohl in Abschn. IV Ziff. 3 des AV für 25 % dieser Anteile als„schuldrechtlicher Übergangsstichtag“ der Ablauf des31.1.2001 bestimmt war, revisionsrechtlich nicht zu beanstan-den. Dass die A-KG ihren Gewinn für ein abweichendes Wirt-schaftsjahr ermittelt hat, ist – wie oben ausgeführt – für die Be-stimmung des Zeitpunkts der Veräußerung eines Mitunterneh-meranteils nicht von Bedeutung. Folglich sind die Gewinne derB-KG sowie von D und E aus der Veräußerung ihrer Komman-ditanteile an der A-KG zu Recht insgesamt bereits im Rahmender Gewinnfeststellung für das Jahr 2000 erfasst worden. Nach-dem die Berechnung der streitbefangenen Veräußerungsgewin-ne im Übrigen zwischen den Beteiligten nicht im Streit steht,sieht der Senat von weiter gehenden Ausführungen ab.

– WK –

Anmerkung:

1. Schon der Leitsatz macht deutlich, dass die Entscheidung an dasBFH-Urteil v. 22.6.2017 – IV R 42/13 anknüpft, das bisher von der Fi-nanzverwaltung über den Einzelfall hinaus noch nicht allgemein ak-zeptiert worden ist. In jenem Fall hatte sich die Frage gestellt, wemder Anteil an einer Personengesellschaft zuzurechnen ist, wenn derAnteil nur zum Zweck des kurzfristigen Weiterverkaufs erworben und

tatsächlich nach wenigen Tagen und damit weit vor dem zivilrecht-lichen Vollzug des Gesellschafterwechsels wieder veräußert wordenist. Im jetzt entschiedenen Fall spielte die Dauer der Beteiligung keineRolle, wohl aber die Frage, ob der Anteil an einer Personengesell-schaft ertragsteuerlich einem Erwerber schon vor dem zivilrecht-lichen Übergang des Gesellschaftsanteils zuzurechnen sein kann.

Diese Frage hat der BFH in beiden Urteilen bejaht und von der Vor-aussetzung abhängig gemacht, dass der Erwerber rechtsgeschäftlicheine auf den Erwerb des Gesellschaftsanteils gerichtete, rechtlich ge-schützte Position erworben hat, die ihm gegen seinen Willen nichtmehr entzogen werden kann, und dass Mitunternehmerrisiko sowieMitunternehmerinitiative bereits vollständig auf den Erwerber überge-gangen sind. Der Übergang der Mitunternehmerstellung erfordert da-nach, dass der Erwerber anstelle des Gesellschafters aufgrund derschuldrechtlichen Vereinbarungen rechtlich und tatsächlich dessengesellschaftsrechtliche Position einnehmen kann, die es ihm ermög-licht, Mitunternehmerrisiko zu tragen und Mitunternehmerinitiative zuentfalten. Dann ist der Erwerber in der Lage, den zivilrechtlichen Ge-sellschafter wirtschaftlich auf Dauer aus dessen Stellung zu verdrän-gen, und erfüllt damit die Voraussetzungen des wirtschaftlichen Ei-gentümers i.S.d. § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO.

2. Das Erfordernis, dass Mitunternehmerrisiko und Mitunternehmer-initiative vollständig auf den Erwerber übergegangen sind, scheintdem Grundsatz zu widersprechen, dass diese beiden Elemente derMitunternehmerstellung „unter Berücksichtigung aller die rechtlicheund wirtschaftliche Stellung einer Person insgesamt bestimmendenUmstände zu würdigen“ sind, wie es in der Grundsatzentscheidungdes Großen Senats des BFH zur Mitunternehmerschaft heißt (BFH,Beschl. v. 25.6.1984 – GrS 4/82, BStBl. II 1984, 751 = FR 1984, 619). ImRahmen dieser Würdigung werden die Merkmale des Mitunterneh-merrisikos und der Mitunternehmerinitiative wertend betrachtet undgegeneinander abgewogen, wobei etwa ein geringeres Initiativrechtdurch ein besonders stark ausgeprägtes Mitunternehmerrisiko aus-geglichen werden kann und umgekehrt (ständige Rechtsprechung,aus neuerer Zeit etwa BFH, Urt. v. 3.11.2015 – VIII R 63/13, BStBl. II2016, 383 = FR 2016, 668 m. Anm. Kempermann). Auf diese Abwä-gung kommt es aber dann nicht an, wenn feststeht, dass ein Gesell-schafter nach der konkreten Ausprägung seiner gesellschaftsrecht-lichen Stellung die Voraussetzungen der Mitunternehmerstellung er-füllt, aber in Betracht zu ziehen ist, dass ein Anderer anstelle des Ge-sellschafters diese Mitunternehmerstellung einnimmt. Für diesen Fallverlangt der BFH, dass der Andere den Gesellschafter in Bezug aufMitunternehmerrisiko und Mitunternehmerinitiative vollständig ver-drängt. Bleibt auch nur ein kleiner Rest von Risiko oder Initiative beimGesellschafter zurück, fehlt es am verdrängenden wirtschaftlichen Ei-gentum des Anderen und der Gesellschaftsanteil wird nach demGrundsatz des § 39 Abs. 1 AO dem zivilrechtlichen Gesellschafter alsMitunternehmer zugerechnet. Hätten im Urteilsfall also die Altgesell-schafter etwa nach dem Übergang von 75 % der Anteile noch ein ge-sellschaftsrechtliches Verlustrisiko getragen, wären die restlichen25 % der Anteile ihnen weiter zuzurechnen gewesen. Dies war abernach der Änderung des Gesellschaftsvertrags im Zusammenhang mitdem ersten Übertragungsteil nicht mehr der Fall.

Dass im Fall einer Anteilsübertragung Risiken der Vertragsabwicklungbeim Altgesellschafter verbleiben, steht einer Zurechnung der Mit-unternehmerstellung beim Erwerber nicht entgegen. Denn „Mitunter-nehmerrisiko bedeutet gesellschaftsrechtliche oder eine dieser wirt-schaftlich vergleichbare Teilnahme am Erfolg oder Misserfolg“ desUnternehmens (so der Große Senat im erwähnten Beschl. v.25.6.1984 – GrS 4/82, BStBl. II 1984, 751 = FR 1984, 619). Es kann sich

958 Rechtsprechung – Personengesellschaften FR 20/2018

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beim Mitunternehmerrisiko also nur um das gesellschaftsrechtlicheRisiko handeln, nicht ein aus dem Übertragungsgeschäft folgendesRisiko.

Vors. RiBFH M. Wendt, München

Gewerbliche Einkünfte

Keine Abfärbung bei Verlusten

EStG § 15 Abs. 3 Nr. 1 Halbs. 1; FGO § 40 Abs. 2, § 118 Abs. 2; GewStG1984 § 2 Abs. 2 Nr. 1

Negative Einkünfte aus einer gewerblichen Tätigkeit führen nichtzur Umqualifizierung der vermögensverwaltenden Einkünfte einerGbR. (amtl.)

BFH, Urt. v. 12.4.2018 – IV R 5/15(FG Münster v. 9.12.2014 – 15 K 1556/11 F)

Sachverhalt:

1 Die Klägerin ist im Jahr 1999 als GbR durch einen Formwech-sel aus der X-GmbH hervorgegangen. An ihr sind zu jeweils50 % B und S beteiligt. B und S sind in gleicher Weise zu je50 % an der IM-GbR sowie an der B&S-GmbH beteiligt.

2 Die Tätigkeit der Klägerin beschränkt sich auf die Überlassungvon Wohn- und Geschäftsräumen. Der Geschäftszweck derIM-GbR besteht im Knüpfen von Geschäftskontakten und demVerwalten von Häusern; sie erzielte Einnahmen i.H.v. jährlich2.400 € aus der Vermietung von Büroausstattung an die B&S-GmbH. Gegenstand der B&S-GmbH ist der gewerbliche An-und Verkauf von bebauten Grundstücken.

3 Die Klägerin war Eigentümerin zweier Grundstücke in D. Daseine befand sich in der A-Straße, das andere in der C-Straße(Letzteres nachfolgend: das Grundstück C-Straße). Am19.3.1998 vermietete die Rechtsvorgängerin der Klägerin dasErdgeschoss des Hinterhauses in der C-Straße nebst zweierStellplätze an die IM-GbR einschließlich Nebenkosten für mo-natlich 1.984 DM.

4 Der Mietvertrag lautete auszugsweise:

㤠1 Gegenstand des Mietvertrages

(...)

2. Der Vermieter vermietet dem Mieter zur gewerblichen Nut-zung

a) die im Hofgebäude Erdgeschoss (...) gelegenen Flächen gem.beigefügtem Grundrißplan (...)

4. Der Mieter wird die angemieteten Räume als Büroräumenutzen. (...)

§ 3 Mietzeit

(...)

2. Die Laufzeit des Mietvertrages beginnt ab dem 1.4.1998. Abdem 1.4.1998 zahlt der Mieter erstmalig die im Mietvertrag ver-einbarte Miete.

3. Der Mietvertrag wird auf Dauer von 5 Jahren abgeschlossen.Dem Mieter wird eine Option für 2 x 5 Jahre auf der gleichenVertragsgrundlage eingeräumt. Der Mieter hat dem Vermieterspätestens 6 Monate vor Ablauf des Mietvertrages schriftlich zuerklären, ob er die Option ausübt.

§ 4 Miete und Mietnebenkosten

1. Der monatliche Mietzins für die Fläche gem. § 1 Abs. 2 be-trägt (...)

SummeDM 1.984,00

2. Der Mietzins ist jeweils bis zum 3. Werktag eines jeden Mo-nats im voraus kostenfrei auf das (...) Konto des Vermieters zuzahlen. (...)

§ 18 Schlussvorschrift

(...)

2. Nebenabreden bestehen nicht.

3. Änderungen und Ergänzungen dieses Vertrages bedürfender beiderseitigen schriftlichen Vereinbarung. Dies gilt auchfür die Aufhebung dieser Vorschrift. (...)“

5In den Streitjahren (2003 bis 2006) nutzten neben der IM-GbRauch die Klägerin und die B&S-GmbH die Räumlichkeiten imErdgeschoss des Hinterhauses in der C-Straße für eigenbetrieb-liche Zwecke. Im Februar 2004 erzielte die Klägerin für dieVermietung aller Flächen eine Gesamtmiete von 14.521,69 €.Im Jahr 2006 betrugen die gesamten durch die Klägerin erziel-ten Mieteinnahmen 157.943,66 €.

6In den Erklärungen zur gesonderten und einheitlichen Feststel-lung von Besteuerungsgrundlagen für die Einkommensbesteue-rung gab die Klägerin Einkünfte aus Vermietung und Verpach-tung i.H.v. 6.406 € (2003), ./. 14.932 € (2004), ./. 21.153 €(2005) und ./. 25.996 € (2006) an. Das FA stellte die Einkünftezunächst unter dem Vorbehalt der Nachprüfung erklärungs-gemäß fest.

7Nach Durchführung einer Außenprüfung ging der Prüfer da-von aus, dass zwischen der Klägerin und der B&S-GmbH eineBetriebsaufspaltung bestehe. Die Klägerin überlasse der B&S-GmbH unentgeltlich Büroräume im Erdgeschoss des Hinter-hauses in der C-Straße. Auf Grund der Betriebsaufspaltungwürden gewerbliche Einkünfte erzielt, die zur Abfärbung aufalle Tätigkeiten der Klägerin führten. In Höhe der Kosten fürdie an die B&S-GmbH überlassenen Büroräume setzte der Prü-fer – im Gegensatz zur eigenen Einkünfteermittlung der Kläge-rin – Betriebsausgaben an. Einkünfteerzielungsabsicht liegevor, obwohl die Büroräume unentgeltlich an die B&S-GmbHüberlassen worden seien. Denn die Anteile an der B&S-GmbHseien dem Sonderbetriebsvermögen der Klägerin zuzuordnengewesen, so dass sich durch die unentgeltliche Überlassung derBüroräume an die B&S-GmbH das Ausschüttungspotential derKlägerin erhöht habe.

8Ausweislich des Betriebsprüfungsberichts, dessen Inhalt vomFG festgestellt worden ist, hat die B&S-GmbH im Streitzeit-raum Gewinne zwischen 21.660 € und 279.647 € erzielt, dieseaber nicht ausgeschüttet.

9Das FA schloss sich der Auffassung des Prüfers an und änderteam 29.3.2010 unter Aufhebung des Vorbehalts der Nachprü-

FR 20/2018 Rechtsprechung – Gewerbliche Einkünfte 959

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fung die verfahrensgegenständlichen Feststellungsbescheide. Esstellte nunmehr Einkünfte der Klägerin aus Gewerbebetriebfest. Am 23.3.2011 erließ das FA weitere Änderungsbescheidefür die Jahre 2004 bis 2006, in denen die Einkünfte aus Gewer-bebetrieb geringfügig niedriger festgestellt wurden.

10 Der Einspruch der Klägerin blieb erfolglos.

11 Das FG wies die Klage als unbegründet ab. Die Einkünfte derKlägerin seien solche aus Gewerbebetrieb. Es habe zwischen ihrund der IM-GbR wie auch mit der B&S-GmbH jeweils eine Be-triebsaufspaltung bestanden. Der zwischen der Klägerin undder IM-GbR geschlossene Mietvertrag über die Räume in derC-Straße sei im Streitzeitraum durchgeführt worden. Die Klä-gerin habe lediglich ab dem Jahr 2000 auf die entstandenenMietforderungen verzichtet.

12 Auch im Verhältnis zu der B&S-GmbH habe eine Betriebsauf-spaltung bestanden. An der Gewinnerzielungsabsicht habe esnicht gefehlt. Denn die Anteile an der B&S-GmbH seien imSonderbetriebsvermögen der Klägerin zu bilanzieren gewesen.Über die zu erwartenden Ausschüttungen ergebe sich dann dieGewinnerzielungsabsicht der Klägerin.

13 Die gewerblichen Einkünfte färbten schließlich auf die gesamteTätigkeit der Klägerin ab. Die Abfärbung sei nicht unverhält-nismäßig. Die nicht erhobene Miete aus dem Mietvertrag derKlägerin mit der IM-GbR aus dem Jahre 1998 mache 6,53 %der monatlichen Umsätze der Klägerin im Februar 2004 und7,16 % im Jahr 2006 aus.

18 Die zulässige Revision der Klägerin war begründet. Sie führtezur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Stattgabe derKlage (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 FGO).

Aus den Entscheidungsgründen:

19 I. Die Revision ist zulässig.

20 Der Zulässigkeit steht nicht entgegen, dass die Klägerin dieFeststellung höherer Einkünfte begehrt. Denn sie strebt zu-gleich eine andere Qualifizierung der Einkünfte an, nämlichEinkünfte aus Vermietung und Verpachtung statt Einkünftenaus Gewerbebetrieb, woraus sich die für die Zulässigkeit desRechtsmittels erforderliche Beschwer i.S.v. § 40 Abs. 2 FGO er-gibt (vgl. Urteile des BFH v. 24.4.1991 – X R 84/88, BFHE 164,385 = BStBl. II 1991, 713 = FR 1991, 456, unter 1., und v.14.9.2017 – IV R 34/15, Rz. 24).

21 II. Die Revision ist begründet.

22 Zu Unrecht ist das FG davon ausgegangen, dass die Klägeringewerbliche Einkünfte aus Betriebsaufspaltungen mit der IM-GbR und der B&S-GmbH erzielt habe, die die Bagatellgrenzegem. § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG überstiegen und deshalb zur Ab-färbung auf sämtliche Einkünfte der Klägerin führten. Es fehltan einer Betriebsaufspaltung mit der IM-GbR (dazu unter 1.).Ob eine Betriebsaufspaltung mit der B&S-GmbH besteht, kanndahinstehen, da in den Streitjahren insoweit nur negative Ein-künfte erzielt worden sein könnten, die jedenfalls nicht zurUmqualifizierung der vermögensverwaltenden Einkünfte füh-ren (dazu unter 2.).

u Es lag im Streitjahr keine Betriebsaufspaltung mit der IM-GbRvor

231. Die Klägerin erzielt keine Einkünfte aus gewerblicher Tätig-keit auf Grund einer Betriebsaufspaltung mit der IM-GbR, weiles ihr an der dafür erforderlichen Gewinnerzielungsabsichtfehlt.

u Voraussetzung für das Vorliegen gewerblicher Einkünfte infol-ge einer Betriebsaufspaltung …

24a) Eine Betriebsaufspaltung i.S.d. von der Rechtsprechung auf-gestellten Grundsätze (Beschluss des Großen Senats des BFHvom 8.11.1971 – GrS 2/71, BFHE 103, 440 = BStBl. II 1972, 63,ständige Rechtsprechung) hat zur Folge, dass die Vermietungs-oder Verpachtungstätigkeit des Besitzunternehmens als ge-werblich i.S.v. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Abs. 2 EStG zu qualifi-zieren ist (BFH, Urt. v. 29.7.2015 – IV R 16/13, Rz. 13, und v.20.8.2015 – IV R 26/13, BFHE 251, 53 = BStBl. II 2016, 408 =FR 2016, 30 m. Anm. Wendt, Rz. 11).

u … ist die Absicht, Gewinn zu erzielen

Einen Gewerbebetrieb unterhält das Besitzunternehmen aller-dings nur dann, wenn auch die nach § 15 Abs. 2 EStG erforder-liche Gewinnerzielungsabsicht vorliegt (BFH, Urt. v. 13.11.1997– IV R 67/96, BFHE 184, 512 = BStBl. II 1998, 254 = FR 1998,316, unter 2.f).

u Daran fehlt es, wenn bei nicht kostendeckender Vermietungein höherer Gewinn der Betriebsgesellschaft nicht auf die Besitz-gesellschaft durchschlagen kann, weil es sich bei der Betriebs-gesellschaft um eine Personengesellschaft handelt

25Die Gewinnerzielungsabsicht des Besitzunternehmens fehltgrundsätzlich, wenn der mit Gewinnerzielungsabsicht tätigenBetriebsgesellschaft die wesentlichen Betriebsgrundlagen un-entgeltlich oder zu einem nicht kostendeckenden Entgelt über-lassen werden. Zwar kann in einem solchen Fall die Absichtzur Erzielung von Gewinnen bestehen, die nicht unmittelbaraus der Nutzungsüberlassung, sondern mittelbar aus der Erzie-lung höherer Beteiligungseinkünfte des Besitzunternehmensfolgen, wenn Betriebsgesellschaft eine Kapitalgesellschaft ist,die Beteiligung zum Betriebsvermögen des Besitzunternehmensgehört und infolge des unangemessen niedrigen Nutzungsent-gelts höhere Gewinnausschüttungen zu erwarten sind, die dieAusgaben des Besitzunternehmens übersteigen (BFH, Urt. v.2.9.2009 – I R 20/09, BFH/NV 2010, 391, und BFH, Beschl. v.17.1.2007 – IV B 38/05, jeweils m.w.N.). Ist Betriebsgesellschaftjedoch – wie im Streitfall – eine Personengesellschaft, der diewesentliche Betriebsgrundlage von einer Besitzpersonengesell-schaft unentgeltlich oder zu einem nicht kostendeckenden Ent-gelt überlassen wird, kann ein höherer Gewinn der Betriebs-gesellschaft nicht auf die Besitzgesellschaft durchschlagen.Denn die Einkünfte aus der Betriebspersonengesellschaft wer-den deren Gesellschaftern unmittelbar gem. § 15 Abs. 1 Satz 1Nr. 2 EStG als gewerbliche Beteiligungseinkünfte zugerechnet,auch wenn sie zugleich an der Besitzpersonengesellschaft betei-ligt sind.

u Im Streitfall lag eine unentgeltliche Überlassung vor

26b) Der Klägerin fehlte danach die Gewinnerzielungsabsicht inBezug auf die Überlassung der Räumlichkeiten in der C-Straße

960 Rechtsprechung – Gewerbliche Einkünfte FR 20/2018

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an die IM-GbR, denn diese erfolgte unentgeltlich. Die gegentei-lige Würdigung des FG, die Überlassung der Räumlichkeitensei entgeltlich erfolgt, ist für den BFH nicht bindend, denn sieist widersprüchlich (aa). Der BFH kann auf Grundlage derFeststellungen des FG in der Sache selbst entscheiden (bb).

u Die Auslegung des Vertrages durch das FG ist im Streitfall fürden BFH nicht bindend, …

27 aa) Die Auslegung von Verträgen gehört zum Bereich der tat-sächlichen Feststellungen und bindet das Revisionsgericht gem.§ 118 Abs. 2 FGO, wenn sie den Grundsätzen der §§ 133, 157BGB entspricht und nicht gegen Denkgesetze und Erfahrungs-sätze verstößt, d.h. jedenfalls möglich ist (ständige BFH-Recht-sprechung, vgl. BFH v. 21.10.2014 – VIII R 44/11, BFHE 247,308 = BStBl. II 2015, 593 = FR 2015, 558 m. Anm. Kanzler,und v. 28.5.2015 – IV R 3/13, Rz. 18). Ist die Würdigung desFG allerdings widersprüchlich, so ist diese für den BFH nach§ 118 Abs. 2 FGO nicht bindend. Es handelt sich insoweit umeinen materiell-rechtlichen Fehler, der auch ohne Rüge vondem Revisionsgericht zu beachten ist (vgl. BFH, Urt. v.22.4.1998 – X R 101/95, BFH/NV 1998, 1481, unter B.I.2.; v.3.8.2000 – III R 76/97, BFHE 194, 282 = BStBl. II 2001, 446 =FR 2001, 856, unter II.2.d, und v. 19.1.2017 – IV R 50/14,BFHE 257, 35 = BStBl. II 2017, 456 = FR 2017, 490, Rz. 46).

u … da sie widersprüchlich ist

28 Die Würdigung des FG, dass im Streitzeitraum eine entgeltlicheNutzungsüberlassung durch die Klägerin an die IM-GbR vor-gelegen habe, ist widersprüchlich. Zum einen geht das FG da-von aus, dass die Räume im Erdgeschoss des Hinterhauses inder C-Straße auf Grundlage eines (entgeltlichen) Mietvertragsvon der Klägerin der IM-GbR überlassen worden seien, sieaber auf den monatlichen Mietzins, nachdem dieser entstandensei, jeweils verzichtet habe. Im Rahmen der Prüfung des Vorlie-gens einer Betriebsaufspaltung mit der B&S-GmbH geht dasFG zum anderen aber davon aus, dass der Mietvertrag mit derIM-GbR steuerlich nicht vollzogen worden sei, die Hand-habung vielmehr dafür spreche, dass der B&S-GmbH die vonihr genutzten Räumlichkeiten direkt von der Klägerin unent-geltlich überlassen worden seien. Zudem hat das FG festgestellt,dass die Räumlichkeiten zur selben Zeit auch durch die Kläge-rin genutzt worden seien, was einer entgeltlichen Vermietungsämtlicher Räumlichkeiten an die IM-GbR ebenfalls wider-spricht.

u Die Auslegung lässt die Annahme einer steuerlich anzuerken-nenden entgeltlichen Vermietung nicht zu

29 bb) Nach den Feststellungen des FG kann nicht davon aus-gegangen werden, dass die Klägerin der IM-GbR die Räumlich-keiten in der C-Straße entgeltlich überlassen hat. Entweder istder Vertrag der Klägerin mit der IM-GbR geändert und eineunentgeltliche Überlassung vereinbart und anschließenddurchgeführt worden, oder der unveränderte Vertrag ist tat-sächlich nicht durchgeführt worden.

30 Anders als in den Vorjahren hat die Klägerin in den Streitjah-ren keine Mieteinnahmen aus der Vermietung der streitigenRäumlichkeiten erklärt. Konsequenterweise hat sie auch diemit diesen Räumlichkeiten in Zusammenhang stehenden Auf-wendungen nicht als Werbungskosten abgezogen. Die Einlas-

sung der Klägerin im Laufe des finanzgerichtlichen Verfahrens,dass eine Kündigung des Mietvertrags nicht erfolgt sei, sie le-diglich auf die Erhebung der Miete „verzichtet“ habe, kann ent-gegen der Ansicht des FG nicht dahin ausgelegt werden, dassdie Klägerin der IM-GbR die Mietforderungen nach ihrer Ent-stehung i.S.d. § 397 Abs. 1 BGB erlassen habe. Mit „Verzicht“sollte in diesem Zusammenhang ganz ersichtlich nur umschrie-ben werden, dass trotz fortbestehenden Mietvertrags eine Miet-zahlung im Streitzeitraum nicht mehr erfolgen sollte. DieseAuslegung der Einlassung drängt sich insbesondere deshalbauf, weil sie erfolgte, nachdem der Berichterstatter erstmals inseinem Aufklärungsschreiben von einer entgeltlichen Raum-überlassung ausgegangen war. Bis zu diesem Zeitpunkt warendie Beteiligten und auch die Betriebsprüfung übereinstimmendvon einer unentgeltlichen Überlassung ausgegangen.

31Selbst wenn man aber dem FG in seiner Auffassung folgenwollte, dass jeweils monatlich auf die entstandene Mietforde-rung im Rechtssinne verzichtet worden sei, könnte nicht voneiner entgeltlichen Überlassung ausgegangen werden. Denndann wäre der Vertrag nach den Grundsätzen für die Anfor-derungen an Rechtsgeschäfte zwischen nahestehenden Per-sonen schon mangels ordnungsgemäßer Durchführung ertrag-steuerlich nicht anzuerkennen.

u Mangels positiver Einkünfte aus gewerblicher Tätigkeit kommteine Umqualifizierung der übrigen Einkünfte in solche aus Ge-werbebetrieb nach § 15 Abs. 3 Nr. 1 Halbs. 1 EStG nicht in Be-tracht, …

322. Die Klägerin hat in den Streitjahren keine positiven Einkünf-te aus gewerblicher Tätigkeit auf Grund einer Betriebsaufspal-tung mit der B&S-GmbH erzielt, so dass auch eine Umqualifi-zierung der übrigen Einkünfte der Klägerin aus Vermietungund Verpachtung in solche aus Gewerbebetrieb nach § 15Abs. 3 Nr. 1 Halbs. 1 EStG nicht in Betracht kommt. Dabeikann der Senat dahinstehen lassen, ob eine Betriebsaufspaltungdem Grunde nach überhaupt zu bejahen wäre.

33a) Nach § 15 Abs. 3 Nr. 1 Halbs. 1 EStG gilt als Gewerbebetriebin vollem Umfang die mit Einkünfteerzielungsabsicht unter-nommene Tätigkeit einer OHG, KG oder anderen Personenge-sellschaft, wenn die Gesellschaft auch eine Tätigkeit i.S.d. § 15Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG ausübt (sog. Abfärbewirkung). Bei be-sonders geringfügiger gewerblicher Betätigung soll es nach derRechtsprechung des BFH aus Gründen der Verhältnismäßig-keit nicht zu einer Abfärbung auf die übrigen Einkünfte kom-men (grundlegend BFH, Urt. v. 11.8.1999 – XI R 12/98, BFHE189, 419 = BStBl. II 2000, 229 = FR 1999, 1182 m. Anm.Wendt, daran anschließend BFH, Urt. v. 29.11.2001 – IV R 91/99, BFHE 197, 400 = BStBl. II 2002, 221 = FR 2002, 536, unter3.b cc, und vom 28.10.2008 – VIII R 73/06, BFHE 223, 218 =BStBl. II 2009, 647 = FR 2009, 663 m. Anm. Kanzler, unter II.4.c bb (4)). Fortentwickelt wurde diese Rechtsprechung durchUrteile des VIII. Senats des BFH, wonach freiberufliche Ein-künfte einer GbR nicht insgesamt nach § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStGzu solchen aus Gewerbebetrieb umqualifiziert werden, wenndie daneben erzielten Nettoumsatzerlöse aus der gewerblichenTätigkeit 3 % der Gesamtnettoumsatzerlöse der Gesellschaftund den Betrag von 24.500 € im Veranlagungszeitraum nichtübersteigen (BFH, Urt. v. 27.8.2014 – VIII R 6/12, BFHE 247,513 = BStBl. II 2015, 1002, Rz. 53 ff., und VIII R 41/11, BFHE247, 506 = BStBl. II 2015, 999 = FR 2015, 512 m. Anm. Kanz-

FR 20/2018 Rechtsprechung – Gewerbliche Einkünfte 961

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ler, Rz. 25 ff.). Die restriktive Interpretation der Vorschriftdurch den BFH war im Übrigen auch ein Gesichtspunkt für dieEntscheidung des BVerfG (BVerfG), dass § 15 Abs. 3 Nr. 1EStG nicht den Gleichheitssatz verletze (BVerfG, Beschl. v.15.1.2008 – 1 BvL 2/04, BVerfGE 120, 1 = FR 2008, 818 m.Anm. Keß, BGBl. I 2008, 1006, unter C.II.3.).

u … denn allenfalls positive gewerbliche Einkünfte können zu ei-ner Abfärbung auf ansonsten vermögensverwaltende Einkünfteeiner GbR führen

34 b) Auf der Grundlage dieser Rechtsprechung können allenfallspositive gewerbliche Einkünfte zu einer Abfärbung auf ansons-ten vermögensverwaltende Einkünfte einer GbR führen.

35 aa) Mit der Typisierung des § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG verfolgt derGesetzgeber das Ziel, die Ermittlung der Einkünfte auch ge-werblich tätiger Personengesellschaften durch Fiktion nur einerEinkunftsart zu vereinfachen und das Gewerbesteueraufkom-men zu schützen (BVerfG-Beschluss in BVerfGE 120, 1,BGBl. I 2008, 1006, unter C.II.3.). Ist eine vermögensverwalten-de GbR u.a. auch in einer Weise tätig, die nach den Grundsät-zen des § 15 Abs. 2 EStG als gewerblich zu beurteilen ist, ohnedaraus aber positive Einkünfte zu erzielen, kann das Gewerbe-steueraufkommen dadurch nicht gefährdet sein. Da eine solchePersonengesellschaft handelsrechtlich nicht zur Führung vonBüchern und zur Aufstellung einer einheitlichen Bilanz ver-pflichtet ist, bedarf es einer einheitlichen Qualifikation der Ein-künfte auch nicht zur Vereinfachung der Gewinnermittlung.Ein Rechtfertigungsgrund für die Ungleichbehandlung gegen-über Einzelpersonen, die in gleicher Weise tätig werden undfür die das EStG eine Abfärbung gewerblicher Einkünfte nichtvorsieht, ist danach nicht ersichtlich. Bei verfassungskonformerAuslegung ist § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG auf derartige Fallgestal-tungen deshalb nicht anzuwenden.

u Offen bleiben kann, wie sich die Bagatellgrenze konkret be-stimmt

36 bb) In welcher Weise § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG bei geringfügigenpositiven gewerblichen Einkünften neben rein vermögensver-waltenden Einkünften auszulegen ist, bedarf im Streitfall keinerEntscheidung. Der Senat kann deshalb offen lassen, ob die fürdie Abfärbung auf freiberufliche Einkünfte entwickelte relativeBagatellgrenze von 3 % der schädlichen Nettoerlöse auch aufvermögensverwaltende Einkünfte übertragen werden kann, obdort das Überschreiten einer Bagatellgrenze erst nach einemlängeren Beobachtungszeitraum zur Abfärbung führen dürfteund welcher Einkunftsart die schädlichen Einkünfte bei Unter-schreiten einer Bagatellgrenze zuzuordnen wären.

u Bestehende Gestaltungsmöglichkeiten sind hinzunehmen

37 cc) Für die Frage, ob positive Einkünfte erzielt werden, ist aufdie nach den Vorschriften über die Einkünfteermittlung desEStG im jeweiligen Veranlagungszeitraum erzielten Einkünfteabzustellen. Dem steht nicht entgegen, wenn der Bezug derEinkünfte der Gestaltung des Steuerpflichtigen zugänglich ist.Werden positive Einkünfte nicht erzielt, weil der Steuerpflichti-ge Ausgaben nicht tätigt, die sonst zu Einnahmen bei der ver-mögensverwaltenden Personengesellschaft führen würden,kann das Gewerbesteueraufkommen durch die fehlende Ein-

nahme nicht gefährdet sein, weil zugleich auch keine den Ge-werbeertrag mindernde Ausgabe berücksichtigt wird.

u Die Klägerin erzielte aus ihrer Tätigkeit als Besitzgesellschaftnegative Einkünfte

38c) Danach würde auch eine Betriebsaufspaltung mit der B&S-GmbH nicht zur Abfärbung auf die vermögensverwaltendenübrigen Einkünfte der Klägerin führen. Denn die Klägerin hätteaus der Tätigkeit als Besitzgesellschaft in den Streitjahren nurnegative Einkünfte realisiert.

39aa) Wären die Voraussetzungen für eine Betriebsaufspaltungmit der B&S-GmbH erfüllt, würden neben dem Nutzungsent-gelt auch die an die Klägerin oder deren Gesellschafter aus-geschütteten Gewinne die Einkünfte der Klägerin aus Gewerbe-betrieb erhöhen, denn die GmbH-Anteile wären bei der Kläge-rin notwendiges Betriebsvermögen oder Sonderbetriebsver-mögen. Ohne Ausschüttung würden sich Gewinne der Be-triebsgesellschaft nicht auf die Einkünfte der Besitzgesellschaftauswirken.

40Dieser Würdigung steht nicht entgegen, dass die Fassung vonGewinnverteilungsbeschlüssen und das Ausschüttungsverhal-ten einer Betriebskapitalgesellschaft gesellschaftsrechtlich ge-steuert und somit die Abfärbewirkung gestaltet werden kön-nen. Denn gerade das Vorhandensein einer Möglichkeit zur al-ternativen, aber legalen Gestaltung trägt wesentlich dazu bei,dass die Abfärberegelung nicht verfassungswidrig ist, weil siewegen der Ausweichmöglichkeit keine übermäßige Belastungfür die betroffene Personengesellschaft entfaltet (vgl. BVerfG-Beschluss in BVerfGE 120, 1, BGBl. I 2008, 1006, unter C.II.3.dbb, zur Gründung einer zweiten personenidentischen Gesell-schaft).

41bb) Im Streitfall hat die Klägerin für die Überlassung derRäumlichkeiten an die B&S-GmbH kein Entgelt erhalten.Durch die Überlassung sind ihr lediglich Aufwendungen ent-standen, die insoweit zu negativen – im Fall des Bestehens einerBetriebsaufspaltung gewerblichen – Vermietungseinkünften ge-führt haben. Nach den unbestrittenen Feststellungen der Au-ßenprüfung, auf die das FG-Urteil Bezug genommen hat, hatdie B&S-GmbH in den Streitjahren auch keine Gewinne an dieGesellschafter der Klägerin ausgeschüttet. Vielmehr sind dieGewinne in eine Gewinnrücklage (Gewinnvortrag) bei derB&S-GmbH eingestellt worden. Dies steht zwischen den Betei-ligten nicht in Streit, so dass der Senat von weiteren Ausfüh-rungen absieht.

– WK –

Anmerkung:

Zur Gewinnerzielungsabsicht der Besitzgesellschaft in einer mit-unternehmerischen Betriebsaufspaltung und zur Anwendung derAbfärberegelung bei Verlusten aus der gewerblichen Betätigungeiner Personengesellschaft

1. Das Urteil grenzt die Wirkung der Abfärberegelung des § 15 Abs. 3Nr. 1 Halbs. 1 EStG weiter ein, nachdem die Rechtsprechung des BFHbereits eine Bagatellgrenze für die Annahme einer Infektion gewerb-licher Einkünfte nach § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG anerkannt hat. Es konkre-tisiert aber auch die Tatbestandsvoraussetzungen der Betriebsauf-spaltung, indem es den Nachweis einer Gewinnerzielungsabsichtbeim Besitzunternehmen fordert. Das FG ging noch von einer doppel-

962 Rechtsprechung – Gewerbliche Einkünfte FR 20/2018

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ten Betriebsaufspaltung zwischen der Klägerin, einer vermögensver-waltenden GbR, und einer GmbH sowie einer weiteren GbR (IM-GbR)aus, die Einkünfte aus der Vermietung von Büroausstattung an dieGmbH erzielte. Die beiden Gesellschafter der Klägerin waren an allenGesellschaften zu je 50 % beteiligt. Die IM-GbR nutzte ein Gebäudeder Klägerin aufgrund eines Mietvertrags, der aber mangels Mietzah-lungen nicht ernsthaft durchgeführt wurde; auch die GmbH nutztedasselbe Gebäude unentgeltlich. Die Klägerin hatte in den Streitjahrennur Verluste aus Vermietung und Verpachtung erklärt und die GmbHzwar Gewinne erzielt, diese aber nicht ausgeschüttet. Gleichwohl gingdas FG im Hinblick auf die zu erwartenden Gewinnausschüttungenvon einer Gewinnerzielungsabsicht der Klägerin aus und bejahte einesachliche Verflechtung. Aufgrund der Nutzungsüberlassung an dieIM-GbR nahm das FG ebenfalls eine sachliche Verflechtung zwischenbeiden Gesellschaften mit der Begründung an, die Klägerin habe le-diglich auf die entstandenen Mietforderungen verzichtet. Damit abersei die gesamte Tätigkeit der Klägerin gewerblich infiziert. DieseRechtsfolge sei nicht unverhältnismäßig, da der Mietzins, auf den dieKlägerin verzichtet habe, die Bagatellgrenze überschreite.

2. Die mitunternehmerische Betriebsaufspaltung zwischen der Kläge-rin und der IM-GbR lässt der IV. Senat des BFH an der fehlenden Ge-winnerzielungsabsicht des Besitzunternehmens scheitern und beruftsich dazu auf ein Urteil aus dem Jahre 1997.1 Er bestätigt damit erst-mals eine bisher schon vertretene Auffassung, nach der die unent-geltliche Nutzungsüberlassung an eine Betriebs-Kapitalgesellschaftzwar infolge der Erhöhung des Ausschüttungspotentials eine Gewinn-erzielungsabsicht begründet, eine solche Gewinnaussicht bei einermitunternehmerischen Betriebsaufspaltung aber nicht denkbar sei.2

In dem zitierten Urteil v. 13.11.19973 hatte der BFH die Gewinnerzie-lungsabsicht der Besitzgesellschaft vor allem aus der Aussicht aufBeteiligungserträge im Rahmen der Betriebsaufspaltung zwischen ei-ner Arztpraxis und einer Labor-GmbH bejaht. Die Erkenntnis, dass esbei der unentgeltlichen Nutzungsüberlassung im Rahmen einer mit-unternehmerischen Verflechtung an der erforderlichen Gewinnerzie-lungsabsicht fehlt, hatte das BMF bereits mit einem Schreiben zurVermietung zwischen Schwester-Personengesellschaften und zurmitunternehmerischen Betriebsaufspaltung aus dem Jahre 19984

mitgeteilt.

Nun hat der BFH im Streitfall die Gewinnerzielungsabsicht der Kläge-rin allein nach den Verhältnissen in den Streitjahren beurteilt, wäh-rend diese Prüfung ansonsten, nämlich in den Liebhabereifällen, aufeine längere Periode angelegt ist und auf einer sog. Totalgewinnprog-nose beruht. Eine solche Totalgewinnprognose hat der BFH indesnicht angestellt. Will man aber den Begriff der Gewinnerzielungs-absicht einheitlich sowohl auf Liebhabereifälle als auch auf die Beur-teilung der Geschäftstätigkeit einer Besitzgesellschaft anwenden,dann kann die Gewinnerzielungsabsicht nur bei einer auf Dauer an-gelegten unentgeltlichen Nutzungsüberlassung verneint werden.5

Dann aber stellt sich zwangsläufig die im Ergebnis auch zu bejahendeFrage, ob die „Besitzgesellschaft“ nicht als Liebhabereibetrieb mit al-len daran geknüpften Rechtsfolgen zu beurteilen ist.

3. Bei der Verflechtung der Klägerin mit der GmbH war die Betriebs-aufspaltung nicht von vornherein mit dem Argument fehlender Ge-winnerzielungsabsicht abzulehnen, weil diese Tatbestandsvorausset-zung selbst bei einer unentgeltlichen Nutzungsüberlassung sich ausdem Bestreben herleiten lässt, Beteiligungserträge in Form höhererAusschüttungen der Betriebs-GmbH zu erzielen.6 Da die Klägerin imStreitzeitraum keine positiven Einkünfte aus gewerblicher Betätigungauf Grund einer Betriebsaufspaltung mit der GmbH erzielt hatte, siehtder BFH von einer Umqualifizierung ihrer übrigen Einkünfte ab. Der

BFH weist diese Abweichung vom Wortlaut des § 15 Abs. 3 Nr. 1Halbs. 1 EStG als eine am Gleichheitssatz ausgerichtete verfassungs-konforme Auslegung aus (Rz. 35). Nachdem die Rechtsprechung desBFH bereits eine Bagatellgrenze für die Annahme einer Abfärbung ge-werblicher Einkünfte nach § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG anerkannt hatte, wardieser weitere Schritt, auch bei Verlusten aus einer gewerblichen Tä-tigkeit von einer Abfärbung abzusehen, vorgezeichnet. Der Regelungs-zweck einer Sicherung des Gewerbesteueraufkommens ist in solchenFällen nicht gefährdet. Aber auch der weitere Normzweck der Abfär-beregelung, die Vereinfachung der Einkunftsermittlung von Per-sonengesellschaften, sieht der BFH nicht vereitelt, da eine ver-mögensverwaltende Personengesellschaft nicht zur Führung von Bü-chern und zur Aufstellung einer einheitlichen Bilanz verpflichtet ist.

Im entschiedenen Fall erzielte die Klägerin in allen vier StreitjahrenVerluste, so dass der BFH auch der Frage nicht weiter nachgehenmusste, wie nachhaltig die Verlusterzielung gewesen ist, d.h. überwelchen Zeitraum die Einkünfte des Besitzunternehmens zu beob-achten sind. Die Voraussetzungen der Abfärbung sind zwar für jedenVZ gesondert zu prüfen, andererseits sollte vermieden werden, dassein ständiger Wechsel zwischen den verschiedenen EinkunftsartenVermietung und Verpachtung einerseits und Gewerbebetrieb ande-rerseits mit den Folgen einer Ver- und Entstrickung der stillen Reser-ven stattfindet.

Obwohl der BFH es in diesem Verlustfall dahinstehen lassen konnte,ob tatsächlich dem Grunde nach eine Betriebsaufspaltung zwischender Klägerin und der GmbH bestanden hat, schließt er auch eine Ab-färbung unter der Annahme einer Betriebsaufspaltung im konkretenFall aus. In diesem abschließend erörterten Fall würden zwar nebeneinem Nutzungsentgelt auch die ausgeschütteten Gewinne die Ein-künfte der Klägerin erhöhen, weil die GmbH-Anteile bei ihr notwendi-ges Betriebsvermögen oder Sonderbetriebsvermögen sind. Da dieNutzungsüberlassung aber unentgeltlich erfolgte und die Gewinneder Betriebsgesellschaft nicht ausgeschüttet wurden, war § 15 Abs. 3Nr. 1 EStG auch in diesem Fall nicht anzuwenden.

Schließlich geht der BFH auch noch auf den zu erwartenden Ein-wand ein, die Abfärbewirkung könne nun durch ein gesteuertes Aus-schüttungsverhalten der Betriebsgesellschaft – allerdings um denPreis einer unentgeltlichen Nutzungsüberlassung – gestaltet werden.Diese Möglichkeit – so der BFH – sei eine legale Gestaltung, die dazubeitrage, „dass die Abfärberegelung nicht verfassungswidrig“ sei.Dazu beruft sich der BFH auf die Kammerentscheidung des BVerfGzu § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG,7 in der das Gericht die Ausweichgestaltungdurch das Ausgliederungsmodell als das probate Mittel zur Beseiti-gung einer unverhältnismäßigen und unzumutbaren Belastung derBetroffenen dargestellt hat.8 Die verkürzte Darstellung dieser verfas-sungsgerichtlichen Ausführungen in den Entscheidungsgründen desBFH lassen aber nicht den Schluss zu, dass die Grundsätze der Be-

1 BFH v. 13.11.1997 – IV R 67/96, BStBl. II 1998, 254 = FR 1998, 316.

2 S. nur KSM/Desens/Blischke, § 15 B 139 m.w.N.

3 BFH v. 13.11.1997 – IV R 67/96, BStBl. II 1998, 254 = FR 1998, 316.

4 BMF v. 28.4.1998, BStBl. I 1998, 583 zu 1.

5 GlA KSM/Desens/Blischke, § 15 B 141.

6 So jedenfalls der BFH in ständiger Rechtsprechung, s. nur BFH v.13.11.1997 – IV R 67/96, BStBl. II 1998, 254 = FR 1998, 316 und BFH v.26.6.2007 – X B 69/06, BFH/NV 2007, 1707 m.w.N.; zu Recht a.A. HHR/Gluth, § 15 Anm. 812 m.w.N.

7 BVerfG v. 26.10.2004 – 2 BvR 246/98, FR 2005, 139.

8 Kritisch dazu Kanzler, FR 2005, 140.

FR 20/2018 Rechtsprechung – Gewerbliche Einkünfte 963

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triebsaufspaltung und die Regelung des § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG ohnedie Möglichkeit einer Ausweichgestaltung verfassungswidrig seien.Das BVerfG erlegt dem Steuerpflichtigen vielmehr Mitwirkungspflich-ten zur Verringerung der Steuerlast auf und bezeichnet dies als zu-mutbare Mitwirkungslasten. Danach handele es sich bei der Zulas-sung des Ausgliederungsmodells „um eine verfassungsrechtlich un-bedenkliche Auslegung des Steuergesetzes, die dem Gestaltungs-spielraum des Gesetzgebers bei der Berücksichtigung des Ziels einespraktikablen Gesetzesvollzugs durch Schaffung gesteigerter Mitwir-kungslasten der Steuerpflichtigen angemessen Rechnung“ trage.9

Abschließend wäre noch die Frage zu bejahen, ob die vom BFH indiesem Urteil entwickelten Grundsätze auch anzuwenden sind, wenndas Besitzunternehmen einen nichtgewerblichen Betrieb unterhält,also Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft oder selbständiger Ar-beit erzielt. Auch in diesen Fällen fehlt es bei unentgeltlicher Nut-zungsüberlassung im Rahmen einer mitunternehmerischen Ver-flechtung an der Gewinnerzielungsabsicht. Ist die Betriebsgesellschafteine GmbH, so würde es bei unentgeltlicher Nutzungsüberlassungund Verzicht auf Gewinnausschüttung ebenfalls nicht zu einer Abfär-bung kommen, denn auch in diesen Fällen ist das Gewerbesteuerauf-kommen nicht gefährdet und mangels handelsrechtlicher Buchfüh-rungs- und Bilanzierungspflichten des Besitzunternehmens eine ein-heitliche Qualifikation der Einkünfte zur Vereinfachung der Gewinn-ermittlung nicht geboten.

Vors. RiBFH a.D., RA, StB Prof. Dr. H.-J. Kanzler, Bad Kreuznach

Bilanzen

Bilanzierung von Provisionsvorauszahlungen und da-mit im Zusammenhang stehender Aufwendungen

BGB § 677, § 683; HGB § 266 Abs. 2 B.I.2., Abs. 3 C.3., § 252 Abs. 1Nr. 4, § 84 Abs. 1, § 87a Abs. 1 Satz 1, § 87d; EStG § 5 Abs. 1, Abs. 2, § 4Abs. 1; FGO § 118 Abs. 2, § 126 Abs. 2, § 135 Abs. 2

1. Solange der Provisionsanspruch des Handelsvertreters noch un-ter der aufschiebenden Bedingung der Ausführung des Geschäftssteht, ist er nicht zu aktivieren. Provisionsvorschüsse sind beimEmpfänger als „erhaltene Anzahlungen“ zu passivieren.

2. Aufwendungen, die im wirtschaftlichen Zusammenhang mit denProvisionsvorschüssen stehen, sind nicht als „unfertige Leistung“zu aktivieren, wenn kein Wirtschaftsgut entstanden ist. (alle amtl.)

BFH, Urt. v. 26.4.2018 – III R 5/16(FG Nds. v. 12.1.2016 – 13 K 12/15)

Sachverhalt:

1 Streitig ist, ob Aufwendungen eines Reisebüros, die im Zusam-menhang mit der Vermittlung von erst im Folgejahr angetrete-nen Reisen angefallen sind, zu aktivieren sind. Die Kläger sindEhegatten, die im Streitjahr (2010) zur Einkommensteuer zu-sammen veranlagt wurden. Der Kläger betrieb seit dem Jahr2003 in X ein Reisebüro und ermittelte seinen Gewinn durchBestandsvergleich. Er betrieb das Reisebüro als Franchiseun-ternehmen. Nach dem Agenturvertrag zwischen der Y-GmbH(GmbH) und dem Kläger vom Juli 2003 erhielt der Kläger für„alle zur Ausführung gelangten Buchungsgeschäfte“ eine Pro-vision (§ 4 Abs. 1 des Vertrags), die grundsätzlich 10 % des je-

weiligen Reisepreises betrug. Die GmbH erstellte monatlicheAgenturabrechnungen und zahlte bis Oktober 2010 die Pro-visionen erst ca. drei Wochen vor dem Reiseantritt des Kundenan den Kläger aus. Ab November 2010 stellte die GmbH dasVerfahren dahingehend um, dass die Agenturabrechnungenbereits in dem Monat nach der Festbuchung erstellt und dieProvisionen ausgezahlt wurden, sobald die Anzahlung oder dervollständige Reisepreis bei der GmbH oder dem jeweiligen Ver-anstalter eingegangen war. Alle bis zum 31.10.2010 getätigtenFestbuchungen, die noch nicht durchgeführt worden waren,wurden auf diesen Zeitpunkt mit dem Provisionsabschlagsatzvergütet. Bei einer nachträglichen Änderung der Buchung(Umbuchung/Stornierung) wurden die dadurch verändertenProvisionsansprüche mit der nächsten Abrechnung verrechnet.Im Falle der Nichtausführung der gebuchten Reise entfiel derAnspruch auf Provision, wenn die Nichtausführung nicht vonder GmbH zu vertreten war. Auch in diesem Fall wurde eineVerrechnung in der nächsten Abrechnung vorgenommen. DieGmbH aktivierte die geleisteten Provisionszahlungen für Rei-sen, die erst nach dem Abschlussstichtag angetreten wurden,als „Vorauszahlungen auf nicht begonnene Reisen“. Der Klägerbuchte die von der GmbH erhaltenen Provisionen zunächst aufdem Konto „passive Rechnungsabgrenzung“. Sie wurden zumReisedatum des Kunden auf das Erlöskonto umgebucht. In sei-ner Bilanz auf den 31.12.2010 wies der Kläger einen passivenRechnungsabgrenzungsposten für die Provisionen i.H.v.44.807,35 € aus.

6Nach einer Außenprüfung folgte das FA zwar der Ansicht desKlägers, wonach die gezahlten Provisionen für die erst im Fol-gejahr angetretenen Reisen passiv abzugrenzen seien. Das FAwar aber der Auffassung, dass die Betriebsausgaben, die mitdiesen Provisionen im Zusammenhang standen, als unfertigeLeistungen zu aktivieren seien. Es begründete diese Ansicht da-mit, dass sämtliche Leistungen des Klägers hinsichtlich derVermittlung oder des Verkaufs der Reise bereits im Zeitpunktder Buchung erbracht worden seien, so dass auch die damit zu-sammenhängenden Aufwendungen bereits entstanden seien.Um diese –ebenso wie den Ertrag aus den Aufwendungen– pe-riodengerecht zuzuordnen, seien die Aufwendungen ebenfallsaktiv abzugrenzen, soweit die Gewinnrealisation erst im Folge-jahr eingetreten sei. Der Prüfer ermittelte „unfertige Leistun-gen“ i.H.v. 26.974,03 € und erhöhte entsprechend den Steuer-bilanzgewinn. Das FA änderte daraufhin den Einkommensteu-erbescheid 2010 gem. § 164 Abs. 2 der Abgabenordnung. Dienach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobene Klage hatteErfolg. Die Revision des FA beim BFH blieb ohne Erfolg.

Aus den Entscheidungsgründen:

12Das FG hat zu Recht entschieden, dass für die geleisteten An-zahlungen auf die Provisionsansprüche keine Gewinne reali-siert wurden (1.) und dass die damit verbundenen Aufwendun-gen nicht als unfertige Leistungen zu aktivieren sind (2.).

9 BVerfG v. 26.10.2004 – 2 BvR 246/98, FR 2005, 139 Rz. 8.

964 Rechtsprechung – Bilanzen FR 20/2018

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u Für die geleisteten Anzahlungen auf die Provisionsansprüchewurden keine Gewinne realisiert

13 1. Wird der Gewinn – wie im Streitfall – durch Betriebsver-mögensvergleich ermittelt, ist für den Schluss des betreffendenWirtschaftsjahres das Betriebsvermögen anzusetzen, das nachden handelsrechtlichen Grundsätzen ordnungsmäßiger Buch-führung (GoB) auszuweisen ist (§ 5 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 4Abs. 1 EStG). Zu diesen GoB gehört das in § 252 Abs. 1 Nr. 4Halbs. 2 HGB geregelte Realisationsprinzip, demzufolge Ge-winne nur dann zu berücksichtigen sind, wenn sie am Ab-schlussstichtag schon realisiert waren (Urteil des BFH v.17.3.2010 – X R 28/08, BFH/NV 2010, 2033). Diese Vorausset-zung liegt vor, wenn eine Forderung entweder rechtlich bereitsentstanden ist oder die für die Entstehung wesentlichen wirt-schaftlichen Ursachen im abgelaufenen Geschäftsjahr gesetztworden sind und der Kaufmann mit der künftigen Entstehungder Forderung fest rechnen kann (vgl. BFH, Urt. v. 14.5.2014 –VIII R 25/11, BFHE 246, 155 = BStBl. II 2014, 968 = FR 2014,1136 m. Anm. Weber-Grellet, Rz. 10, m.w.N.). Nicht erforder-lich ist hingegen, dass die Forderung am Bilanzstichtag fällig ist(BFH, Urt. v. 6.10.2009 – I R 36/07, BFHE 226, 342 = BStBl. II2010, 232 = FR 2010, 173 m. Anm. Buciek, Rz. 14). Der Zeit-punkt, zu dem ein Anspruch auf die hier vorliegende Vermitt-lungsprovision realisiert ist, hängt von den Vertragsgestaltun-gen im Einzelfall ab (BFH-Urteil in BFH/NV 2010, 2033,Rz. 15). Steht dem Unternehmer hiernach ein prinzipiell un-entziehbarer Provisionsanspruch für seine Leistung zu, ist derGewinn realisiert (BFH, Urt. v. 29.11.2007 – IV R 62/05, BFHE220, 85 = BStBl. II 2008, 557 = FR 2008, 766 m. Anm. Kanzler).

u Zeitpunkt des Entstehens von Provisionsansprüchen nach§ 87a HGB

14 a) Bei dem zwischen dem Kläger und der GmbH bestehendenAgenturvertrag handelt es sich um einen Handelsvertreterver-trag nach § 84 Abs. 1 HGB. Provisionsansprüche des Handels-vertreters entstehen – wenn wie im Streitfall keine abweichendeVereinbarung (§ 87a Abs. 1 Satz 2 HGB) getroffen wurde –gem. § 87a Abs. 1 Satz 1 HGB erst dann, wenn der Unterneh-mer das Geschäft ausgeführt hat. Soweit die GmbH Provisio-nen schon vor der Ausführung der Reise an den Kläger gezahlthat, standen diese unter einer aufschiebenden Bedingung(§ 158 Abs. 1 BGB) der Ausführung der Reise und waren mit-hin stornobehaftet. Es liegen insoweit Provisionsvorschüsse imRahmen eines schwebenden Geschäfts vor. Zwar hatte der Klä-ger zu dem Zeitpunkt, zu dem er die Provisionsvorschüsse er-hielt, seine Leistungspflichten hinsichtlich der zugrunde liegen-den Vermittlungsgeschäfte erfüllt. Die Entstehung des Provisi-onsanspruchs knüpft aber gem. § 87a Abs. 1 Satz 1 HGB an dieVollendung des Leistungserfolgs durch Ausführung der Reisean. Diese war im Zeitpunkt der Zahlung der Provisionsvor-schüsse noch nicht eingetreten. Daher ist es gerechtfertigt, auchhier von Vorleistungen in Gestalt von Provisionsvorschüssenzu sprechen (vgl. BFH, Urt. v. 4.8.1976 – I R 145/74, BFHE119, 468 = BStBl. II 1976, 675).

u Durch die bestehende Bedingung fehlt es an einer Gewinnrea-lisierung

15 b) Soweit die Zahlungen daher als Provisionsvorschüsse zuwerten sind, fehlt es an einer Gewinnrealisierung (BFH-Urteilin BFH/NV 2010, 2033, Rz. 13). Denn erst durch die Ausfüh-

rung der Reise (Bedingungseintritt) wird der Gewinn durch dieEntstehung des Provisionsanspruchs realisiert. Solange derProvisionsanspruch noch der aufschiebenden Bedingung un-terliegt, kann er nicht aktiviert werden (vgl. BFH, Urt. v.26.4.1995 – I R 92/94, BFHE 177, 444 = BStBl. II 1995, 594 =FR 1995, 579 m. Anm. Groh; v. 28.10.2009 – I R 28/08, BFH/NV 2010, 432; vom 23.3.2011 – X R 42/08, BFHE 233, 398 =BStBl. II 2012, 188 = FR 2011, 1002 m. Anm. Bode).

u Die Provisionsvorschüsse sind als „erhaltene Anzahlungen“ zupassivieren

16c) Die Provisionsvorschüsse sind als „erhaltene Anzahlungen“nach § 266 Abs. 3 C.3. HGB zu passivieren; darin kommt dieVerpflichtung zum Ausdruck, die Beträge bei Nichtausführungder Reise zurückzahlen zu müssen (vgl. BFH, Urt. v. 3.7.1997 –IV R 49/96, BFHE 183, 513 = BStBl. II 1998, 244 = FR 1997,851; v. 17.3.2010 – X R 28/08, BFH/NV 2010, 865; Senats-beschluss BFH v. 13.2.2008 – III B 29-31/07, BFH/NV 2008,947).

u Die damit in Zusammenhang stehenden Aufwendungen sindnicht als „unfertige Leistungen“ zu aktivieren

172. Soweit bezüglich der erhaltenen Provisionen noch keine Ge-winnrealisierung eingetreten ist, hat das FG zu Recht entschie-den, dass die damit im Zusammenhang stehenden Aufwendun-gen nicht als „unfertige Leistungen“ zu aktivieren sind.

u Die Aktivierung von Aufwendungen setzt das Vorliegen einesWG voraus

18a) Nach § 5 Abs. 1 EStG hat der Kläger in seiner Bilanz zum31.12.2010 das Betriebsvermögen anzusetzen, das nach denhandelsrechtlichen Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchfüh-rung auszuweisen ist. Der BFH legt diese Vorschrift in ständi-ger Rechtsprechung so aus, dass die Aktivierung von Aufwen-dungen – von Rechnungsabgrenzungsposten abgesehen –grundsätzlich das Vorliegen eines Wirtschaftsguts voraussetzt,dass also Aufwendungen zum Erwerb eines Wirtschaftsguts(durch Anschaffung oder Herstellung) geführt haben müssen(BFH, Urt. v. 11.3.1976 – IV R 176/72, BFHE 119, 240 =BStBl. II 1976, 614; vom 18.6.1975 – I R 24/73, BFHE 116,474 = BStBl. II 1975, 809; vgl. BFH, Urt. v. 18.2.1993 – IV R40/92, BFHE 171, 422 = BStBl. II 1994, 224 = FR 1993, 839).

19Insoweit setzt nach Auffassung des Senats auch der Bilanzpos-ten „unfertige Leistungen“ gem. § 266 Abs. 2 B.I.2. HGB dieWirtschaftsguteigenschaft voraus (vgl. BFH, BFHE 116, 474 =BStBl. II 1975, 809; BFH v. 13.9.1989 – II R 1/87, BFHE 158,446 = BStBl. II 1990, 47, unter 2.c; Hick, NWB PraxishandbuchBilanzsteuerrecht, 2. Aufl., Rz. 4235; Wehner, BB 1984, 1133;vgl. Döllerer, BB 1974, 1541; vgl. Frotscher, § 5 EStG, Freiburg2011, Rz. 221c; vgl. Hüttemann/Meyer in Großkomm/HGB,5. Aufl., § 266 Rz. 34). Denn in Übereinstimmung mit der Vor-instanz ist der Rechtsprechung des BFH zu folgen, nach der essich bei dem Bilanzansatz der „unfertigen Leistungen“ nicht le-diglich um eine Bilanzierungshilfe handelt oder er als „ähnlicheinem Rechnungsabgrenzungsposten“ eingestuft werden kann(BFH, Urt. v. 7.9.2005 – VIII R 1/03, BFHE 211, 168 = BStBl. II2006, 298 = FR 2006, 227; dem folgend Reiners/Haußer inMünchKomm/HGB, 3. Aufl. 2013, § 266 HGB Rz. 60; a.A.Schulze-Osterloh in FS Forster, 1992, S. 653, 658).

FR 20/2018 Rechtsprechung – Bilanzen 965

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20 Der Senat folgt auch nicht der Ansicht, der Bilanzposten der„unfertigen Leistung“ diene vorrangig der Aufwandsstornie-rung im Rahmen der Erstellung von Dienstleistungen (FGMünster, Urt. v. 28.4.2016 – 9 K 843/14 K,G,F, Zerl, EFG 2016,1284; vgl. Blümich/Krumm, § 5 EStG Rz. 740 „Unfertige Leis-tungen und unfertige Erzeugnisse“; vgl. Schmidt/Weber-Grellet,EStG, 36. Aufl., § 5 Rz. 270 „Unfertige Erzeugnisse“). Denn essind nicht die Aufwendungen zu aktivieren, sondern lediglichdas durch die Aufwendungen erlangte Wirtschaftsgut. Ohnedie Entstehung eines entsprechenden Wirtschaftsguts ist eineGewinnrealisierung undenkbar (Wassermeyer, DB 2001, 1053,1054). Den Bilanzposten der „unfertigen Leistungen“ als reineAufwandsstornierung zu betrachten, widerspricht auch demVorsichtsprinzip (§ 252 Abs. 1 Nr. 4 HGB), nach dem alle Risi-ken, die hinsichtlich der künftigen Erstarkung zu einer Zivil-rechtsposition noch bestehen, zu berücksichtigen sind (vgl.BFH, Urt. v. 29.11.2012 – IV R 47/09, BFHE 239, 428 = FR2013, 458 m. Anm. Kanzler = BStBl. II 2013, 324, Rz. 33). Da-nach dürfen bloße Erwerbschancen, ebenso wenig wie Gewinn-chancen aus schwebenden Geschäften, auch nicht in Gestalt ei-nes Auftragsbestands, aktiviert werden (Hennrichs in Münch-Komm zum Bilanzrecht, Bd. 2, § 246 HGB, Rz. 29, m.w.N.).

u Begriff des Wirtschaftsguts

21 b) Der Begriff des Wirtschaftsguts wird im EStG nicht definiert;er ist eine Zweckschöpfung des Steuerrechts (Beschluss desGroßen Senats des BFH v. 7.8.2000 – GrS 2/99, BFHE 192,339 = BStBl. II 2000, 632 = FR 2000, 1126 m. Anm. Kemper-mann). Da im Rahmen des § 4 Abs. 1 EStG für buchführungs-pflichtige Kaufleute das Betriebsvermögen angesetzt wird, dasvon ihnen nach den handelsrechtlichen Grundsätzen ord-nungsmäßiger Buchführung auszuweisen ist, entspricht der inden §§ 4 ff. EStG verwendete Begriff des Wirtschaftsguts demhandelsrechtlichen Begriff des Vermögensgegenstandes (BFH,Beschl. v. 26.10.1987 – GrS 2/86, BFHE 151, 523 = BStBl. II1988, 348 = FR 1988, 160). Der BFH fasst den Begriff in ständi-ger Rechtsprechung weit (BFH, Urt. v. 8.4.1992 – XI R 34/88,BFHE 168, 124 = BStBl. II 1992, 883; v. 26.11.2014 – X R 20/12, BFHE 248, 34 = BStBl. II 2015, 325 = FR 2015, 803, Rz. 25,m.w.N.). Hierunter fallen Sachen, Rechte oder tatsächliche Zu-stände, konkrete Möglichkeiten oder Vorteile für den Betrieb,deren Erlangung der Kaufmann sich etwas kosten lässt, die ei-ner besonderen Bewertung zugänglich sind, in der Regel eineNutzung für mehrere Wirtschaftsjahre erbringen und zumin-dest mit dem Betrieb übertragen werden können (BFH, Urt. v.9.7.2002 – IX R 29/98, juris; in BFHE 239, 428 = BStBl. II 2013,324, Rz. 33; Beschluss des Großen Senats in BFHE 192, 339 =BStBl. II 2000, 632). Somit hat nicht jeder mögliche Vorteil füreinen Betrieb schon die Eigenschaft eines Wirtschaftsguts. Zumjeweiligen Stichtag muss ein wirtschaftlich ausnutzbarer Ver-mögensvorteil vorliegen, der als realisierbarer greifbarer Ver-mögenswert angesehen werden kann (vgl. BFH, Urt. v. 9.7.1986– I R 218/82, BFHE 147, 412 = BStBl. II 1987, 14 = FR 1986,624, unter 1.). Seine Greifbarkeit macht erst das Wirtschaftsgutaus; der Vermögenswert muss als Einzelheit ins Gewicht fallen,objektiv werthaltig und „selbständig bewertbar“ sein (BFH v.29.11.2012 – IV R 47/09, BFHE 239, 428 = BStBl. II 2013, 324= FR 2013, 458 m. Anm. Kanzler, Rz. 33; vgl. BFH v. 10.8.1989– X R 176/87, X R 177/87, BFHE 158, 53 = BStBl. II 1990, 15 =FR 1989, 718), sich also nicht ins Allgemeine verflüchtigen

(Tiedchen in Herrmann/Heuer/Raupach, § 5 EStG Anm. 561,m.w.N.).

u Nach diesen Maßstäben hat sich kein Wirtschaftsgut heraus-gebildet

22c) Ausgehend von diesen Grundsätzen hat sich durch die lau-fenden Betriebsausgaben kein Wirtschaftsgut herausgebildet,das als „unfertige Leistung“ zu aktivieren wäre.

u Nicht jede Ausgabe ist geeignet, ein WG oder einen Ver-mögenswert zu begründen

23aa) Selbst wenn für einen erlangten Vorteil die künftigen Erträ-ge ausreichten, fehlt es an der für die Aktivierung als unfertigeLeistung erforderlichen Voraussetzung, dass die Aufwendun-gen dem Kaufmann einen objektiv werthaltigen (greifbaren)Vermögenswert verschaffen. Nicht jede Ausgabe ist geeignet,ein Wirtschaftsgut oder einen Vermögensgegenstand zu be-gründen. Aufwendungen (laufende Betriebsausgaben) und zuaktivierende Posten ließen sich sonst nicht mehr trennen. Essind vielmehr ins Gewicht fallende, eindeutig und klar abgrenz-bare Ausgaben erforderlich, die sich von laufenden Ausgabenerkennbar unterscheiden (vgl. BFH, Urt. v. 29.10.1969 – I 93/64, BFHE 97, 350 = BStBl. II 1970, 178; Ballwieser in Münch-Komm/HGB, Bd. 4, 3. Aufl. 2013, § 246 Rz. 26, m.w.N.).

u Vorliegend ist kein aktivierungsfähiger Vorteil begründet wor-den

24bb) Ein solcher aktivierungsfähiger Vorteil, der sich bereits ver-selbständigt hat, ist durch den hier streitigen Aufwand des Klä-gers nicht begründet worden.

25Die hier vorliegenden Aufwendungen sind laufende Ausgaben,die ihrer Natur nach regelmäßig wiederkehren und sich auchin ihrer Höhe, wenn auch mit gewissen Schwankungen, imWesentlichen gleichmäßig entwickeln. Darüber hinaus sind dieAuswirkungen der einzelnen Betriebsfaktoren (z.B. Miet-/Per-sonalaufwand) auf einen möglicherweise aktivierungsfähigenVorteil nicht hinreichend objektivierbar. Sie lassen sich – wiedas FG für das Revisionsverfahren bindend (§ 118 Abs. 2 FGO)festgestellt hat – weder den einzelnen Vermittlungsleistungenzuordnen noch sind sie selbständig bewertungsfähig. LaufendeBetriebsausgaben, die sich aber nicht eindeutig bestimmtenAufträgen zurechnen lassen und sich nicht von den laufendenAufwendungen abheben, sind nicht geeignet, ein selbständigbewertungsfähiges Wirtschaftsgut zu begründen (vgl. Senats-urteile BFH v. 6.3.1970 – III R 20/66, BFHE 99, 50 = BStBl. II1970, 489; v. 2.6.1978 – III R 8/75, BFHE 126, 478 = BStBl. II1979, 235; so auch die ältere Rechtsprechung, die unabhängigvon der Entstehung eines Wirtschaftsguts, Aufwendungen nurdann für aktivierungsfähig hielt, wenn sie unmittelbar mit deneinzelnen Geschäften zusammenhingen – BFH, Urt. v.25.8.1955 – IV 510/53 U, BFHE 61, 284 = BStBl. III 1955, 307–, die von einigem Gewicht sind und die sich einem bestimm-ten Auftrag eindeutig zurechnen lassen –BFH, Urt. v. 28.1.1960– IV 226/58 S, BFHE 71, 111 = BStBl. III 1960, 291–). Sie sindvielmehr als Betriebsausgaben sofort abziehbar (Schiffers inKorn, EStG, § 5 Rz. 349).

26Zudem hat sich aufgrund der getätigten Aufwendungen keineobjektiv werthaltige Position für den Betrieb des Klägers gebil-det. Die Aufwendungen haben sich vielmehr zu einer endgülti-

966 Rechtsprechung – Bilanzen FR 20/2018

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gen „wirtschaftlichen Belastung verdichtet“ (Weber-Grellet, DB2002, 2180, 2182), da den Aufwendungen im Falle der Nicht-ausführung der Reise – worauf das FG zutreffend hingewiesenhat – kein Aufwendungsersatzanspruch nach § 670 oder§§ 677, 683 BGB (vgl. § 87d HGB) gegenübersteht. Insoweitkommen auch diejenigen, die den Bilanzposten der „unfertigenLeistung“ nicht vom Vorliegen eines materiellen Vermögens-gegenstandes abhängig machen, teilweise zu dem Ergebnis,dem Bilanzierenden für die bisher angefallenen Aufwendungennur dann eine Aktivierung der Aufwendungen zu ermöglichen,wenn ihm hierfür ein Vergütungsanspruch zusteht (Schubert/Roscher in BeckBilanzkomm, § 247 HGB, Rz. 66; Winnefeld,Bilanzhandbuch, 5. Aufl., Rz F 388; Tonner in Bordewin/Brandt, EStG, § 5 Rz. 232; vgl. Döllerer, BB 1974, 1541, 1546;a.A. Schulze-Osterloh in FS Forster, S. 653, 659).

u Eine Aktivierung als immaterielles WG scheidet ebenfalls aus

27 cc) Soweit das FA darauf hinweist, dass durch die Aufwendun-gen ein abstrakt aktivierungsfähiges Wirtschaftsgut in Form ei-nes Auftragsbestandes entstanden sei, braucht der Senat dieMerkmale des Auftragsbestandes als immaterielles Wirtschafts-gut (vgl. Breidenbach/Niemeyer, DB 1991, 2500) nicht im Ein-zelnen zu prüfen, denn eine Aktivierung kommt jedenfallsmangels entgeltlichen Erwerbs durch den Kläger nicht in Be-tracht (§ 5 Abs. 2 EStG).

– NL –

Anmerkung:

Die Entscheidung betrifft eine eher alltägliche bilanzsteuerrechtlicheFrage: Ein Reisebüro grenzte erhaltene Provisionszahlungen bis zumAntritt der Reise passiv ab (per Geld an Rechnungsabgrenzungspos-ten); die mit den erbrachten Leistungen in Zusammenhang stehen-den Aufwendungen wurden hingegen sofort abgezogen. Das Finanz-amt hingegen aktivierte die Aufwendungen als unfertige Leistungen.

Der BFH war – mit dem FG – der Auffassung, dass die Provisionsfor-derungen noch nicht realisiert seien; eine Aktivierung der Aufwen-dungen als unfertige Leistungen komme nicht in Betracht, weil inso-weit kein Wirtschaftsgut entstanden sei.

1. Realisierung der Provisionszahlungen

In Bezug auf die Frage der Realisierung ist dem BFH zu folgen. Soweitdie Zahlungen als Provisionsvorschüsse zu werten sind, fehlt es aneiner Gewinnrealisierung. Erst durch die Ausführung der Reise werdeder Gewinn durch die Entstehung des Provisionsanspruchs realisiert.Solange der Provisionsanspruch noch der aufschiebenden Bedingungunterliege, könne er nicht aktiviert werden.1

2. Aktivierung der Aufwendungen als unfertige Leistungen

Nicht gefolgt werden kann der Auffassung, dass der Bilanzposten ‚un-fertige Leistung‘ die Voraussetzungen eines Wirtschaftsguts erfüllenmüsse.

Folgte man der Auffassung des III. Senats, wäre der Bilanzposten ‚un-fertige‘ Leistungen obsolet. Unfertige Leistungen bilden niemals einWirtschaftsgut. Dass ein Bilanzposten ‚unfertige Leistungen‘ existiert,folgt unmittelbar aus § 266 Abs. 2 B I 2 HGB; dort wird dieser Postenneben dem Posten ‚unfertige Erzeugnisse‘ ausdrücklich aufgeführt.

Auch dürfte eine unterschiedliche bilanzsteuerrechtliche Behandlungunfertiger Leistungen und unfertiger Erzeugnisse kaum zu rechtfer-tigen sein.

a) Unfertige Erzeugnisse

Der VIII. Senat des BFH ist der Auffassung, dass teilfertige Bauten –

unabhängig davon, ob es sich um ein „unfertiges Erzeugnis“ oder umeine „unfertige Leistung“ handele – Vermögensgegenstände bzw.Wirtschaftsgüter im Sinne des Bilanzrechts seien; sie seien entspre-chend zu bewerten.2

b) Unfertige Leistungen

Unfertige Leistungen sind unvollständig erbrachte Dienst- und Werk-leistungen, die sich nicht in körperlichen Gegenständen niederschla-gen und die gegenüber dem Auftraggeber noch nicht als Teilleistun-gen abgerechnet werden können. Voraussetzung ist, dass sie im Hin-blick auf eine konkrete Leistungsverpflichtung erbracht worden sind.Die Aktivierung unfertiger Erzeugnisse und Leistungen beruht aufdem Grundsatz der Erfolgsneutralität des schwebenden Geschäfts.3

Der Posten „unfertige Leistungen“ ist m.E. nicht nur im Rahmen vonlangfristigen Aufträgen zu bilden.4 Für eine solche einengende Aus-legung bietet der Gesetzeswortlaut keine Handhabe. Aber auch derZweck des Bilanzpostens verlangt keine entsprechende Einschrän-kung. Ganz im Gegenteil – zu den unfertigen Leistungen gehören allein Ausführung befindlichen Aufträge von Dienstleistungsunterneh-men (z.B. Beratungsunternehmen); auch die Aufträge eines Reisbü-ros erfüllen diese Voraussetzungen.

Im handelsrechtlichen Schrifttum wird hervorgehoben, dass unfertigeLeistungen schon immer auszuweisen waren; die Ergänzung durchdas BiRiLiG habe nur klarstellenden Charakter.5 Würden Dienstleis-tungen erbracht, die am Abschlussstichtag noch nicht abgeschlossenseien, habe ein Ausweis unter „unfertige Leistungen“ zu erfolgen.6 InAbgrenzung dazu gehören zu den unfertigen Erzeugnissen noch nichtals Fertigerzeugnisse anzusehende Bestände, auf denen nach Be-oder Verarbeitung im eigenen Betrieb bereits Löhne und Gemeinkos-ten ruhten.7 Das gilt m.E. entsprechend für unfertige Leistungen.

Entgegen der herrschenden Meinung handelt es sich nach (handels-rechtlicher) Auffassung von Schulze-Osterloh8 bei der Aktivierung un-fertiger Leistungen nicht um den Ausweis einer (künftigen) Forde-rung, sondern um den Ansatz einer Bilanzierungshilfe, mit der Auf-wendungen den künftigen Erträgen zugeordnet werden.

1 BFH v. 17.3.2010 – X R 28/08, BFH/NV 2010, 2033; BFH v. 23.3.2011 – XR 42/08, BStBl. II 2012, 188 = FR 2011, 1002 m. Anm. Bode.

2 BFH v. 7.9.2005 – VIII R 1/03, BStBl. II 2006, 298 = FR 2006, 227, Rz. 29.

3 Baumbach/Hueck/Schulze-Osterloh, GmbHG, 18. Aufl. 2006, § 42Rz. 159.

4 A.A. die Vorinstanz FG Nds. v. 12.1.2016 – 13 K 12/15, EFG 2016, 1158,Rz. 50.

5 Adler/Düring/Schmaltz, Rechnungslegung und Prüfung der Unterneh-men, 6. Aufl. 1997, § 266 HGB, Rz. 98.

6 Adler/Düring/Schmaltz, Rechnungslegung und Prüfung der Unterneh-men, 6. Aufl. 1997, § 266 HGB, Rz. 109.

7 Adler/Düring/Schmaltz, Rechnungslegung und Prüfung der Unterneh-men, 6. Aufl. 1997, § 266 HGB, Rz. 107.

8 Schulze-Osterloh, Rechnungslegung und Prüfung der Unternehmen,6. Aufl. 1997, § 42 GmbHG, Rz. 159.

FR 20/2018 Rechtsprechung – Bilanzen 967

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c) Unfertige Leistungen als Abgrenzungsposten eigener Art

Der Posten ‚unfertige Leistungen‘ ist m.E. aus steuerlicher Sicht keinWirtschaftsgut, er ist auch keine Bilanzierungshilfe. Aus steuerlicherSicht ist der Posten ‚unfertige Leistungen‘ vielmehr ein Abgrenzungs-posten eigener Art.

aa) Es ist unbestritten, dass im Steuerrecht das Verbot der Bilanzie-rung schwebender Verträge gilt; das gilt sowohl für Ansprüche ausdem Vertrag, aber auch für entsprechende Verpflichtungen; derschwebende Vertrag ist in vollem Umfang nicht zu bilanzieren.9

bb) Mit Hilfe des Postens ‚unfertige Leistungen‘ werden Aufwendun-gen aus der GuV-Rechnung eliminiert, die noch nicht „realisiert“ sind.

cc) Ähnlichkeit hat der Posten ‚unfertige Leistungen‘ mit den aktivenRechnungsabgrenzungsposten (RAP) des § 5 Abs. 5 EStG.

Der III. Senat untersucht nicht näher, ob die „unfertigen Leistungen“ggf. aktiv abzugrenzen waren, sondern bezieht sich insoweit alleinauf eine Entscheidung des VIII. Senats zu den m.E. anders gelagertenteilfertigen Bauten.10 Der Satz, es seien nicht Aufwendungen zu akti-vieren, sondern lediglich das durch die Aufwendungen erlangte Wirt-schaftsgut, ist zumindest unvollständig, da er die Existenz von Ab-grenzungsposten nicht berücksichtigt.

Während die aktiven RAP typischerweise Zahlungen erfassen (Vo-rauszahlungen), erfasst der Posten ‚unfertige Leistungen‘ Vorausleis-tungen; der aktive RAP bezieht sich auf eine bestimmten Zeitraum,die unfertige Leistung (gegenstandsbezogen) auf ein bestimmtes,noch schwebendes Geschäft. Gegenstand des Postens ‚unfertige Leis-tungen‘ sind begonnene, aber noch nicht vollendete Dienstleistungs-aufträge.

dd) Im Hinblick darauf, dass der Posten ‚unfertige Leistungen‘ denGrundsatz des Verbots des Ausweises schwebender Geschäfts kon-kretisiert, ist der Ausweis dieses Postens selbst ein Grundsatz ord-nungsmäßiger Buchführung, der über § 5 Abs. 1 EStG auch in derSteuerbilanz zwingend auszuweisen ist.

ee) Die Zuordnung von Aufwendungen zu bestimmten Aufträgen istauch in anderen Fällen vorzunehmen. So ist mittlerweile in derRechtsprechung unstrittig, dass für Nachbetreuungsleistungen beiVersicherungsverträgen Rückstellungen zu bilden sind.11 Es handeltsich um den umgekehrten Fall: Realisierte Erträge sind noch mitkünftigen Arbeiten belastet, die – durch eine Rückstellung – bereitsden realisierten Erträgen zuzuordnen sind. Würde man die Maßstäbedes III. Senats zugrunde legen, dürfte insoweit keine Zuordnung statt-finden.

3. Fazit

Der III. Senat prüft ausschließlich und allein, ob die unfertigen Leis-tungen als Wirtschaftsgut zu qualifizieren sind (s. Rz. 18 – 27), gehtaber auf die (eigentlich naheliegende) Frage, ob evtl. ein Rechnungs-abgrenzungsposten in Betracht kommt, nicht näher ein.

Im Ergebnis beseitigt der III. Senat mit seiner allein auf das Wirt-schaftsgut fixierten Betrachtungsweise kurzerhand den Bilanzposten‚unfertige Leistungen‘ aus der Steuerbilanz.

Vors. RiBFH a. D. Prof. Dr. habil. H. Weber-Grellet, Münster

Kapitaleinkünfte

Ermittlung des Gewinns bei der Veräußerung vonjungen Aktien nach Ausübung von Bezugsrechtenaus sog. Altanteilen

EStG 2009 § 20 Abs. 4a Satz 4, § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1, § 20 Abs. 4Satz 1, § 52a Abs. 10 Satz 1 und 10, Abs. 11 Satz 4, EStG 2002 § 23Abs. 1 Satz 1 Nr. 2

Bei der Ermittlung des Veräußerungsgewinns einer Aktie, die durchdie Ausübung eines Bezugsrechts erworben wurde, das von einervor dem 1.1.2009 erworbenen und bereits steuerentstrickten Aktieabgespalten wurde, sind die Anschaffungskosten des Bezugsrechtsentgegen der Regelung des § 20 Abs. 4a Satz 4 EStG 2009 nicht mit0 €, sondern in der tatsächlichen Höhe anzusetzen. (amtl.)

BFH, Urt. v. 9.5.2017 – VIII R 54/14(FG Köln v. 23.10.2014 – 10 K 3473/12, EFG 2015, 209)

Beschränkte Steuerpflicht

Beschränkte Einkommensteuerpflicht: Arbeitnehmer-tätigkeit für ein privates Unternehmen zur Förderungder Entwicklungshilfe

EStG § 1 Abs. 4, § 49 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b, § 50d Abs. 7; DBA-KeniaArt. 18 Abs. 1, Prot. Nr. 5 zu Art. 18

Zum Besteuerungsrecht der Bundesrepublik Deutschland für Ein-künfte aus nichtselbständiger Arbeit, die der Kläger als Arbeitneh-mer eines privaten Unternehmens bezieht, das mit der Durchfüh-rung eines aus Mitteln der Bundesrepublik und der EU finanziertenEntwicklungshilfeprojekts (in Kenia) beauftragt ist. (amtl.)

BFH, Urt. v. 28.3.2018 – I R 42/16(FG Berlin-Brandenburg v. 12.5.2016 – 5 K 11136/13, EFG 2016, 1708)

Sachverhalt:

1Streitig ist, ob (und inwieweit) ein von seinem Arbeitgeber imZusammenhang mit einem aus öffentlichen Mitteln finanzier-ten Projekt in das Ausland entsandter Arbeitnehmer im Inlandbeschränkt steuerpflichtig ist.

2Der Kläger, ein bei der inländischen B-Partnerschaftsge-sellschaft angestellter Ingenieur, wurde im Rahmen seines An-stellungsvertrags für die Zeit vom 1.9.2008 bis zum 30.6.2011 –unter Aufgabe seines inländischen Wohnsitzes – für das Pro-jekt D nach Kenia entsandt. Grundlage dieser Tätigkeit war einConsulting-Vertrag zwischen seinem Arbeitgeber und derE GmbH (später: F GmbH), einem bundeseigenen privatrecht-lich organisierten, gemeinnützigen und weltweit tätigen Unter-

9 So auch FG Münster v. 28.4.2016 – 9 K 843/14 K, G, F, Zerl, EFG 2016,1284, Rz. 73 f. – Rev. XI R 32/16; Weber-Grellet, Steuerbilanzrecht, 1996,§ 5 Rz. 6.

10 BFH v. 7.9.2005 – VIII R 1/03, BStBl. II 2006, 298 = FR 2006, 227, Rz. 29.

11 BFH v. 19.7.2011 – X R 26/10, BStBl. II 2012, 856 = FR 2012, 33 m. Anm.Prinz; Schmidt/Weber-Grellet, EStG, 37. Aufl. 2018, § 5 Rz. 387.

968 Rechtsprechung – Kapitaleinkünfte FR 20/2018

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nehmen der internationalen Zusammenarbeit für nachhaltigeEntwicklung. In diesem Vertrag (dort „4. Personaleinsatz“) ist(u.a.) der Kläger namentlich angeführt „als Langzeitfachkraftim Einsatzland bis zu 15,000 FM“ (Fachkräftemonate), wobeiinsoweit (wie ebenso für die anderen dort angeführten Arbeit-nehmer) ein kalkulatorischer Pauschalbetrag (z.B. „Fachkraft-monat-Verrechnungssatz“ lt. „Preisblatt E GmbH Komponen-te“) in die Ermittlung der Honorarhöhe im Rahmen des Con-sulting-Vertrags eingeflossen ist. Das Projekt wurde aus Mittelndes Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeitsowie aus Mitteln der Europäischen Union – EU – (sog. EU-Komponente) finanziert. Seinen Arbeitslohn erhielt der Klägerausschließlich von seinem Arbeitgeber, der den Lohn wiede-rum aus den Vergütungen der E GmbH/F GmbH finanzierte.

3 Das FA sah den an den Kläger gezahlten Arbeitslohn als inlän-dische Einkünfte i.S.d. § 49 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b EStG in derin den Streitjahren 2009 und 2010 geltenden Fassung (EStG)an und setzte mit Bescheiden vom 12.10.2011 die Einkommen-steuer für die Streitjahre nach Maßgabe der beschränkten Steu-erpflicht fest.

4 Das Finanzgericht gab der dagegen erhobenen Klage statt (FGBerlin-Brandenburg, Urt. v. 12.5.2016 – 5 K 11136/13, EFG2016, 1708).

7 Die Revision war begründet und führte zur Aufhebung derVorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache zur an-derweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3Satz 1 Nr. 2 FGO).

Aus den Entscheidungsgründen:

Das FG hat im angefochtenen Urteil zu Unrecht dahin erkannt,dass der Kläger nicht beschränkt steuerpflichtig (§ 1 Abs. 4EStG) sei, weil er in den Streitjahren keine inländischen Ein-künfte i.S.d. § 49 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b EStG erzielt habe. DieFeststellungen des FG reichen allerdings nicht aus, den Umfangder inländischen Besteuerung – auch mit Blick auf abkom-mensrechtliche Maßgaben und § 50d Abs. 7 EStG – abschlie-ßend bestimmen zu können.

u Der Kläger hat inländische Einkünfte i.S.d. § 49 Abs. 1 Nr. 4Buchst. b EStG erzielt, …

8 1. Der Kläger ist beschränkt steuerpflichtig (§ 1 Abs. 4 EStG),weil er in den Streitjahren inländische Einkünfte i.S.d. § 49Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b EStG erzielt hat.

u … denn er hat als Arbeitnehmer …

9 a) Als inländische Einkünfte zu qualifizieren sind nach § 49Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b EStG auch Einkünfte aus nichtselbstän-diger Arbeit (§ 19 EStG), die aus inländischen öffentlichen Kas-sen einschließlich der Kassen des Bundeseisenbahnvermögensund der Deutschen Bundesbank mit Rücksicht auf ein gegen-wärtiges oder früheres Dienstverhältnis gewährt werden, ohnedass ein Zahlungsanspruch gegenüber der inländischen öffent-lichen Kasse bestehen muss.

u … Zahlungen aus einer inländischen öffentlichen Kasse erhal-ten

10b) Der Kläger hat im Zusammenhang mit dem projektbezoge-nen Einsatz im Ausland Zahlungen aus einer inländischen öf-fentlichen Kasse erhalten.

u Eine inländische öffentliche Kasse …

11aa) Eine inländische öffentliche Kasse ist die Kasse einer inlän-dischen juristischen Person des öffentlichen Rechts, zu derauch eine ausländische Zahlstelle gehört; darüber hinaus wirdunter den Begriff der inländischen öffentlichen Kasse jede Kas-se gefasst, die einer Institution angehört, die der Dienstaufsichtund der Prüfung ihres Finanzgebarens durch die öffentlicheHand – etwa durch die Rechnungshöfe des Bundes und derLänder – unterliegt (Urteil des BFH v. 7.8.1986 – IV R 228/82,BFHE 147, 365 = BStBl. II 1986, 848 = FR 1986, 658; Blümich/Wied, § 49 EStG Rz. 161; Anissimov in Lademann, EStG, § 49EStG Rz. 1653; H 3.11 „Öffentliche Kassen“ der Lohnsteuer-Richtlinien).

u … ist nicht gegeben, soweit Gelder aus dem Haushalt der EUbereitgestellt werden

12bb) Das FG hat die von der E GmbH/F GmbH an den Arbeit-geber des Klägers gezahlten Mittel als Zahlungen aus einer in-ländischen öffentlichen Kasse ohne Rücksicht darauf qualifi-ziert, dass die Mittel sowohl aus dem Bundeshaushalt als auch(zu einem nicht näher festgestellten Anteil) aus dem Haushaltder EU bereitgestellt worden sind. Darin ist dem FG nicht zufolgen.

13Anknüpfungspunkt für den Besteuerungstatbestand des § 49Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b EStG als sog. Inlandsbezug – zugleichdie Rechtfertigung des inländischen Besteuerungszugriffs (vgl.Senatsurteil vom 10.4.2013 – I R 22/12, BFHE 241, 251 =BStBl. II 2013, 728 = FR 2013, 956 m. Anm. Klein/Jacob) – istder Zahlungsvorgang zu Lasten der inländischen Volkswirt-schaft, insbesondere des Fiskus und Kassenstaates (sog. Kassen-staatsprinzip – z.B. Hidien in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff,EStG, § 49 Rz G 18). Zweck der Vorschrift ist es, Besteuerungs-lücken zu schließen, die entstehen, wenn ein Arbeitnehmernicht unbeschränkt einkommensteuerpflichtig i.S.d. § 1 Abs. 2und 3 EStG ist und Einkünfte mit einem entsprechenden In-landsbezug erzielt (Senat, BFH, Urt. v. 13.8.1997 – I R 65/95,BFHE 184, 98 = BStBl. II 1998, 21 = FR 1998, 110). Der Be-steuerungszugriff korrespondiert mit Zahlungen aus inländi-schen Haushaltsmitteln und der Belastung des inländischen öf-fentlichen Haushalts. Dies hat zur Folge, dass eine Besteuerungnicht in Betracht kommt, soweit die Arbeitsvergütung anteiligaus EU-Mitteln („EU-Komponente“ des Projekts) finanziertwird. Demgemäß wird das FG, das weder die vertraglicheGrundlage der EU-Finanzierung noch die anteilige Höhe derEU-Mittel festgestellt hat, den Sachverhalt insoweit im zweitenRechtsgang aufzuklären haben.

u Unerheblich ist, dass zwischen dem Kläger und dem Trägerder inländischen öffentlichen Kasse kein Dienstverhältnis be-standen hat

14c) Im Übrigen steht der Steuerpflicht des Klägers mit seinenEinkünften aus nichtselbständiger Arbeit nicht entgegen, dasszwischen dem Kläger und dem Träger der inländischen öffent-

FR 20/2018 Rechtsprechung – Beschränkte Steuerpflicht 969

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lichen Kasse kein Dienstverhältnis bestanden hat. Auch wenndie Zahlung nach dem Gesetzeswortlaut mit Rücksicht auf eingegenwärtiges oder früheres Dienstverhältnis gewährt werdenmuss, um die beschränkte Einkommensteuerpflicht zu begrün-den, wird ein Dienstverhältnis zum Kassenträger für die Steuer-pflicht nicht vorausgesetzt. Vielmehr kann das konkreteDienstverhältnis – wie § 49 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b Halbs. 2EStG bestätigt – auch zu einem privatrechtlich organisiertenund/oder ausländischen Arbeitgeber bestehen (SenatsurteilBFH v. 13.8.1997 – I R 65/95, BFHE 184, 98 = BStBl. II 1998,21 = FR 1998, 110; Senatsbeschluss BFH v. 23.9.1998 – I B 53/98, BFH/NV 1999, 458; s.a. BFH, Urt. v. 14.11.1986 – VI R209/82, BFHE 148, 460 = BStBl. II 1989, 351). Dies bedeutetzugleich, dass die Bezüge des Steuerpflichtigen diesem nichtunmittelbar von der öffentlichen Kasse gezahlt werden müssen(vgl. Senatsurteil v. 22.2.2006 – I R 60/05, BFHE 212, 468 =BStBl. II 2007, 106 = FR 2006, 933; FG Düsseldorf, Urt. v.31.1.2012 – 13 K 1178/10 E, EFG 2012, 1167; ebenso Bublitz,IStR 2007, 77, 79; Gosch in Kirchhof, EStG, 17. Aufl., § 49Rz. 65; Haiß in Herrmann/Heuer/Raupach, § 49 EStGAnm. 761; Anissimov in Lademann, a.a.O., § 49 EStGRz. 1654). Es reicht vielmehr aus, wenn das im Ausland gezahl-te Arbeitsentgelt der auszahlenden Stelle durch die öffentlicheKasse erstattet wird; diese Auslegung legen auch die Gesetzes-materialien (Zweiter Bericht des Finanzausschusses zu demEntwurf des Jahressteuergesetzes 1997, BT-Drucks. 13/5952,49) nahe, wenn dort ausgeführt wird, dass insbesondere Be-dienstete des Goethe-Institutes und des Deutschen Akademi-schen Austauschdienstes beschränkt steuerpflichtige Einkünftei.S.d. § 49 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b EStG erzielen.

u Erforderlich ist aber, dass die öffentlichen Mittel wirtschaftlichfür die dienstvertragliche Vergütung gezahlt werden

15 d) Die Einnahmen des Klägers wurden auch aus öffentlichenKassen „mit Rücksicht auf ein konkretes und gegenwärtigesoder früheres Dienstverhältnis gewährt“.

16 aa) Diese Voraussetzung ist nur dann erfüllt, wenn die öffent-lichen Mittel wirtschaftlich für die dienstvertragliche Ver-gütung gezahlt werden (vgl. zum Abkommensrecht Senats-beschluss vom 25.7.2011 – I B 37/11, BFH/NV 2011, 1879). Er-forderlich ist ein „konkreter Bezug“ (Schmidt/Loschelder, EStG,37. Aufl., § 49 Rz. 88), d.h. die Zahlung muss durch das Dienst-verhältnis als auslösendes Moment veranlasst sein (s.a. – imZusammenhang mit § 1 Abs. 2 EStG – das Senatsurteil BFH v.16.2.1996 – I R 64/95, BFHE 180, 104 = FR 1996, 423; so wohlauch Gosch in Kirchhof, a.a.O., § 49 Rz. 65). Ein solcher Zu-sammenhang ist (insbesondere) dann gegeben, wenn die öf-fentliche Kasse die an den konkreten Arbeitnehmer gezahlteVergütung nachträglich erstattet (Hidien in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, a.a.O., § 49 Rz G 161) oder die entsprechendenMittel im Vorhinein gewährt, um es dem Arbeitgeber zu er-möglichen, die Arbeitsvergütung zu bezahlen.

17 bb) Der Streitfall ist dadurch gekennzeichnet, dass zwischender Arbeitgeberin des Klägers und der E GmbH der projektbe-zogene Einsatz namentlich angeführter Personen vereinbartwurde, und eine Kürzung der Einsatzzeiten zu einer Kürzungdes Honorarvolumens geführt hätte.

18 cc) Bei einem solchen Sachverhalt steht entgegen der Ansichtdes FG nicht eine Projektleistung im Vordergrund, sondern

der konkrete Einsatz der Arbeitnehmer. Anderes ergibt sichauch nicht daraus, dass der Arbeitnehmereinsatz des Klägersals Pauschalbetrag in die Kalkulation des Honorarvolumenseingeflossen ist; vielmehr ist eine betragsmäßige Übereinstim-mung (i.S. einer Erstattung konkret angefallener Arbeitsver-gütungen) nicht erforderlich, um von einer (anteiligen) Zah-lung „mit Rücksicht auf ... ein Dienstverhältnis“ zu sprechen.Dass im Honorarvolumen neben den konkreten Arbeitsver-gütungen auch mit dem Dienstverhältnis im Zusammenhangstehende „Gemeinkosten“ vergütet werden, beeinträchtigt denBezug zu dem konkreten Dienstverhältnis – und damit zu denEinkünften des Steuerpflichtigen – nicht (so im Ergebnis auchGosch in Kirchhof, a.a.O., § 49 Rz. 65; a.A. Brettschneider, EFG2016, 1710; Schmidt/Loschelder, a.a.O., § 49 Rz. 88).

u Ob der Besteuerung das DBA-Kenia entgegensteht, kann derSenat nicht entscheiden

192. Ob der inländischen Besteuerung Abkommensrecht ent-gegen steht, kann der Senat nicht abschließend beurteilen.

u Zwar unterfällt die Vergütung Art. 18 DBA-Kenia, …

20a) Nach Art. 18 Abs. 1 des Abkommens zwischen der Bundes-republik Deutschland und der Republik Kenia zur Vermeidungder Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Ein-kommen und vom Vermögen vom 17.5.1977 (BGBl. II 1979,607, BStBl. I 1979, 338) – DBA-Kenia – können Vergütungen,die von einem Vertragsstaat oder einer seiner Gebietskörper-schaften unmittelbar oder aus einem von diesem Staat oder derGebietskörperschaft errichteten Sondervermögen an eine na-türliche Person für unselbständige Arbeit gewährt werden, nurin diesem Staat besteuert werden. Wird aber die unselbständigeArbeit in dem anderen Vertragsstaat von einer natürlichen Per-son ausgeübt, die weder Staatsangehörige des erstgenanntenStaates noch in dem anderen Staat lediglich zur Erbringungdieser Leistungen ansässig ist, so können die Vergütungen nurin dem anderen Staat besteuert werden.

21Nr. 5 des Protokolls zu Art. 18 DBA-Kenia bestimmt hierzu,dass Abs. 1 Satz 1 der Regelung entsprechend für Vergütungengilt, die im Rahmen eines Entwicklungshilfeprogramms einesVertragsstaats oder einer seiner Gebietskörperschaften aus Mit-teln, die ausschließlich von diesem Staat oder der Gebietskör-perschaft bereitgestellt werden, an einen Sachverständigen oderfreiwilligen Helfer gezahlt werden, der in den anderen Ver-tragsstaat mit dessen Zustimmung entsandt worden ist.

u … jedoch ist unklar, ob die Voraussetzungen für eine aus-schließliche Besteuerung im Kassenstaat im Streitfall erfüllt sind

22b) Ob die in Art. 18 Abs. 1 Satz 1 DBA-Kenia i.V.m. dem Pro-tokoll formulierten Voraussetzungen für eine ausschließlicheBesteuerung im Kassenstaat im Streitfall erfüllt sind, kann aufder Grundlage der bisherigen Feststellungen nicht entschiedenwerden.

23aa) Die dem Kläger zugeflossenen Zahlungen sind als Ver-gütungen für unselbständige Arbeit i.S.d. Regelung anzusehen(s. hierzu allgemein Senatsurteil BFH v. 7.7.2015 – I R 42/13,BFHE 250, 510 = BStBl. II 2016, 14, zu Art. 19 Abs. 1 Satz 1DBA-Indonesien).

970 Rechtsprechung – Beschränkte Steuerpflicht FR 20/2018

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24 bb) Dass die (Arbeits-)Vergütungen nicht i.S.d. Art. 18 Abs. 1Satz 1 DBA-Kenia unmittelbar von der BundesrepublikDeutschland (Deutschland) oder einem Sondervermögen ge-währt werden, schadet jedenfalls nach Maßgabe der durchNr. 5 des Protokolls angeordneten entsprechenden Anwendungdann nicht, wenn ein deutsches Entwicklungshilfeprogrammvorliegt und die Mittel „ausschließlich von diesem Staat oderder Gebietskörperschaft bereitgestellt“ werden (s.a. Müller inWassermeyer, Kenia Art. 18 Rz. 6). Das Tatbestandsmerkmalder „Ausschließlichkeit“ hat der Senat in seinem zu einer ver-gleichbaren Regelungslage ergangenen Urteil in BFHE 250,510 = BStBl. II 2016, 14 unter Hinweis auf den Regelungszweck(Erweiterung der Kassenstaatsklausel) dahin ausgedeutet, dasses sich auch auf Vergütungsteile beziehen kann und es in die-sem Sinne nicht schädlich ist, wenn sich die (vertikal) abspalt-baren Vergütungsteile auf ein konkretes Entwicklungshilfepro-jekt beziehen und die Mittel dafür ausschließlich aus dem fi-nanzierenden Vertragsstaat herrühren.

25 Daran ist festzuhalten. Allerdings lässt sich hieraus – anders alsdas FA meint – nicht ableiten, dass auch im Falle der „Misch-finanzierung“ eines einheitlichen Projekts das Kassenstaats-prinzip auf der Grundlage einer „horizontalen“ Teilung erhal-ten bleibt, da hierdurch das dem Wortlaut eindeutig zu entneh-mende „Ausschließlichkeitsgebot“ außer Kraft gesetzt würde(s.a. insoweit Senatsurteil BFH v. 7.7.2015 – I R 42/13, BFHE250, 510 = BStBl. II 2016, 14, Rz. 22 des juris-Nachweises).

u Das FG hat die notwendigen Feststellungen nachzuholen

26 cc) Die Feststellungen des FG im angefochtenen Urteil zumGegenstand und zu den vertraglichen Grundlagen des Projektsbzw. des Durchführungsauftrags zwischen E GmbH und derAuftragnehmerin (Arbeitgeberin des Klägers) reichen nichtaus, um abschließend darüber zu entscheiden, ob ein „misch-finanziertes“ einheitliches Entwicklungshilfeprojekt vorliegtoder ob die „EU-Komponente“ der Vereinbarung als eigen-ständiges Projekt qualifiziert. Im erstgenannten Fall wäre we-gen der abkommensrechtlichen Geltung des Ausschließlich-keitsprinzips das Kassenstaatsprinzip vorbehaltlich § 50dAbs. 7 EStG (s. nachfolgend) im Streitfall nicht anzuwenden,im zweiten Fall wäre das Kassenstaatsprinzip für den Ver-gütungsteil anzuwenden, der auf den aus dem Bundeshaushaltfinanzierten Teil entfällt.

u Zudem wäre bei einem inländischen Finanzierungsanteil von75 % der Tatbestand des § 50d Abs. 7 EStG erfüllt

27 dd) Aufgrund fehlender tatsächlicher Feststellungen kann derSenat schließlich auch nicht beurteilen, ob bei Vorliegen eines„mischfinanzierten“ einheitlichen Entwicklungshilfeprojektsdas Besteuerungsrecht Deutschlands durch die Bestimmungdes § 50d Abs. 7 EStG erweitert würde. Hiernach ist dann,wenn Einkünfte i.S.d. § 49 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b EStG aus ei-ner Kasse einer juristischen Person des öffentlichen Rechtsi.S.d. Vorschrift eines Abkommens zur Vermeidung der Dop-pelbesteuerung über den öffentlichen Dienst gewährt werden,diese Vorschrift bei Bestehen eines Dienstverhältnisses mit ei-ner anderen Person in der Weise auszulegen, dass die Ver-gütungen für der erstgenannten Person geleistete Dienste ge-zahlt werden, wenn sie ganz oder im Wesentlichen aus öffent-lichen Mitteln aufgebracht werden. Auch wenn die Vorschriftoffenkundig darauf zielt, den Tatbestand der abkommensrecht-

lichen Kassenstaatsklauseln bei mittelbaren Leistungen aus derKasse einer juristischen Person des öffentlichen Rechts unilate-ral zu erweitern, werden von ihr jedenfalls nicht die aus EU-Mitteln finanzierten Einnahmen erfasst. Demgemäß wäre dieRegelung auch im Streitfall nur dann anwendbar, wenn die in-ländische Finanzierung (Mittel aus dem Bundeshaushalt) soweit reicht, dass die Vergütungen „ganz oder im Wesentlichen“aus diesen Mitteln bestritten wurden. Da Letzteres – nach demunmittelbaren Wortsinn – aber einerseits mehr als das bloße„Überwiegen“ erfordert, anderseits aber auch eine „fast aus-schließliche (inländische) Finanzierung“ i.S. einer 90 %-Grenze(s. zu § 8 Abs. 2 Nr. 1 des Gesetzes über die Besteuerung beiAuslandsbeziehungen [Außensteuergesetz] Senatsurteil BFH v.30.8.1995 – I R 77/94, BFHE 179, 39 = BStBl. II 1996, 122 = FR1996, 178) nicht voraussetzt, ist ein inländischer Finanzie-rungsanteil von 75 % als ausreichend anzusehen (so im Ergeb-nis auch Blümich/Wagner, § 50d EStG Rz. 102; Klein/Hagenain Herrmann /Heuer/Raupach, § 50d EStG Anm. 102; Hahn-Joecks in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, a.a.O., § 50d Rz I 9).Auch dies wird das FG im zweiten Rechtsgang ggf. zu ermittelnhaben.

– WK –

Anmerkung:

1. Die Entscheidung des FG

Das FG vertrat in dem erstinstanzlichen Urteil die Auffassung, der Klä-ger sei in Deutschland nicht beschränkt steuerpflichtig gewesen, weildie Voraussetzungen des § 49 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b EStG nicht vor-gelegen hätten. Er habe seinen Arbeitslohn nicht – auch nicht mittel-bar – von einer inländischen öffentlichen Kasse, sondern von seinemArbeitgeber bezogen. Die öffentliche Kasse habe im Ergebnis vom Ar-beitgeber des Klägers eine Projektleistung und nicht Leistungen derArbeitnehmer erworben. Wolle man anders entscheiden, führe dasbei der Einschaltung von mehreren Subunternehmern und Arbeit-nehmern, die möglicherweise aus verschiedenen Drittländernstammten, zu der „bizarren Rechtsfolge“, dass Arbeitslohn inDeutschland zu versteuern sei, obgleich keiner der Akteure einen Be-zug zu Deutschland habe.

2. Beschränkte Steuerpflicht bei mittelbarer Finanzierung derVergütung für vertraglich bestimmte Entwicklungshelfer

Dieses Argument passt aber nicht, wenn es – wie hier – um die Aus-legung einer Vorschrift über die beschränkte Steuerpflicht geht. Diebeschränkte Steuerpflicht soll gerade auch dann eingreifen, wenn derausländische Bezieher inländischer Einkünfte (z.B. Dividenden) kei-nen persönlichen Bezug zu Deutschland hat. Entscheidend ist nur,dass die Einkünfte aus einer deutschen Quelle herrühren. Soweit fürsolche Einkünfte das Besteuerungsrecht letztlich dem Wohnsitzstaatzugewiesen ist, folgt das aus den in einem DBA enthaltenen Bestim-mungen (z.B. Art 10 OECD-MA). Wie der BFH in seinem Revisionsurteilzutreffend ausführt, rechtfertigt sich der in § 49 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. bEStG enthaltene Besteuerungszugriff aus dem Umstand, dass derZahlungsvorgang die inländische Volkswirtschaft, insbesondere dendeutschen Fiskus belastet. Diese Voraussetzung ist auch dann erfüllt,wenn das im Ausland gezahlte Arbeitsentgelt dem Arbeitgeber durcheine öffentliche Kasse erstattet wird. Der BFH folgt dem FG nicht da-rin, dass die öffentliche Kasse vom Arbeitgeber des Klägers lediglicheine Projektleistung erworben habe. Er schließt das daraus, dass zwi-schen der öffentlichen Kasse und dem Arbeitgeber des Klägers der

FR 20/2018 Rechtsprechung – Beschränkte Steuerpflicht 971

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Einsatz namentlich genannter Personen vereinbart wurde und eineKürzung der Einsatzzeiten zu einer Kürzung des Honorarvolumensgeführt hätte. Es bleibt demnach offen, wie der BFH entscheiden wür-de, wenn im Vertrag zwischen der öffentlichen Kasse und dem Ar-beitgeber (Consultingunternehmen) lediglich eine Projektleistung ver-einbart wurde, ohne dass bestimmte Arbeitnehmer und deren Ein-satzzeiten aufgeführt sind. In einem solchen Fall ließe sich zwarmöglicherweise noch die Auffassung vertreten, dass die Einkünftedes Arbeitnehmers aus einer öffentlichen Kasse herrühren, die be-schränkte Steuerpflicht nach § 49 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b EStG würdeaber jedenfalls daran scheitern, dass die Leistungen der öffentlichenKasse nicht mit Rücksicht auf ein Dienstverhältnis geflossen wären(im Ergebnis ebenso Bublitz, IStR 2007, 79).

3. Beschränkte Steuerpflicht auf Leistungen aus deutschen Mit-teln begrenzt, Zuweisung des Besteuerungsrechts nach dem DBAKenia nur bei ausschließlicher Finanzierung aus deutschen Mit-teln – vertikale Aufteilung

Bejaht man die Anwendbarkeit des § 49 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b EStG,so stellt sich zum einen die Frage, in welchem Umfang das Gehaltdes Klägers der beschränkten Steuerpflicht unterliegt, weil die ausEG-Mitteln herrührenden Gehaltsanteile nicht aus inländischen öf-fentlichen Kassen stammen. Zur Klärung dieser Frage musste derBFH die Sache an das FG zurückverweisen. Zum anderen war zu prü-fen, ob nicht Regelungen des mit Kenia geschlossenen DBA der Be-steuerung in Deutschland entgegen stehen. Hier ist Art. 18 DBA-Keniai.V.m. Nr. 5 des hierzu ergangenen Protokolls einschlägig. Das Pro-tokoll enthält eine Erweiterung des Kassenstaatsprinzips durch einesog. Entwicklungshelferklausel, wie sie in vielen deutschen DBA mitEntwicklungsländern vereinbart ist (Dürrschmidt in Vogel/Lehner,DBA, 6. Aufl. Art. 19 Rz. 41, mit einer Übersicht Rz. 36). Die Anwend-barkeit dieser Klausel setzt allerdings voraus, dass die Vergütungen„ausschließlich“ aus Mitteln des Kassenstaates oder einer seiner Ge-bietskörperschaften stammen. Hierzu hatte der Senat schon in sei-nem Urteil BFH v. 7.7.2015 – I R 42/13, BStBl. II 2016, 14, ausgeführt,dass die erweiterte Kassenstaatsklausel auch auf einzelne ausDeutschland stammende Vergütungsteile Anwendung finden kann,wenn sie sich (vertikal) abspalten lassen, weil sie sich auf ein konkre-tes Entwicklungsprojekt beziehen, wohingegen das Ausschließlich-keitsgebot die (horizontale) Aufteilung eines von mehreren Institutio-nen gemischt finanzierten einheitlichen Projektes ausschließt.

4. Erstes BFH-Urteil zu § 50d Abs. 7 EStG – Abweichung vom Er-lass des FinSen. Berlin vom 24.7.2006

Da das FG zu der Möglichkeit einer vertikalen Aufteilung des Entgeltskeine Feststellungen getroffen hatte, hat der BFH schließlich noch ge-prüft, ob nach § 50d Abs. 7 EStG die Regelung des Art. 18 DBA-Keniain der Weise auszulegen ist, dass die streitigen Vergütungen für vomKläger geleistete Dienste gezahlt werden. Es handelt sich soweit er-sichtlich um die erste Entscheidung des BFH zu § 50d Abs. 7 EStG,abgesehen von der beiläufigen – und insbesondere angesichts desBFH-Urteils v. 31.7.1991 – I R 47/90, BFHE 165, 392 = FR 1991, 754 nichtrecht verständlichen – Bemerkung, dass die Vorschrift als Klarstel-lung der bisherigen Rechtslage anzusehen sei (BFH, Urt. v. 13.8.1997 –

I R 65/95, BStBl. II 1998, 21 = FR 1998, 110). Der Senat geht ohne wei-tere Erörterung davon aus, dass die Anwendung des § 50d Abs. 7EStG nicht daran scheitert, dass die vom Arbeitgeber des Klägers ge-zahlten Vergütungen nur mittelbar aus einer öffentlichen Kasse ge-währt wurden. Das ist insoweit bemerkenswert, als die Gegenmei-nung immerhin in einer Verlautbarung der Finanzverwaltung vertre-

ten wird (FinSen. Berlin v. 24.7.2006 – III A - S 1311 - 2/2005, DB 2006,2153, zustimmend z.B. Loschelder in Schmidt, EStG, 37. Aufl., § 50dRz. 51; Jochum/Lampert in Schönfeld/Ditz, DBA, Art. 19 Art. 19 OECD-MA Rz. 29). Jedoch wäre eine andere Entscheidung des Senats inkon-sequent gewesen, nachdem er die Zwischenschaltung des Arbeit-gebers als unschädlich für die beschränkte Steuerpflicht und die Zu-weisung des Besteuerungsrechts nach der Entwicklungshelferklauselim Protokoll zum DBA Kenia angesehen hatte. Es ist davon auszuge-hen, dass die im Erlass des FinSen. Berlin v. 24.7.2006 geäußerteAuffassung von der Finanzverwaltung nicht weiter vertreten wird, zu-mal sie ohnehin nicht recht einleuchtend und möglicherweise daraufzurückzuführen war, dass dem damals zunehmend vertretenen Vor-wurf, die Vorschrift sei als treaty overriding verfassungswidrig, derWind aus den Segeln genommen werden sollte.

5. Wesentlich i.S.d. § 50d Abs. 7 EStG ist ein Finanzierungsanteilvon 75 v.H.

Die Zuweisung des Besteuerungsrechts an die BundesrepublikDeutschland nach § 50d Abs. 7 EStG ist zwar nicht davon abhängig,dass die Vergütungen ausschließlich vom deutschen Staat oder einerseiner Gebietskörperschaften stammen, sie müssen aber „ganz oderim Wesentlichen“ aus öffentlichen Mitteln aufgebracht werden. Obdas hier der Fall war, ließ sich aus den Feststellungen des FG eben-falls nicht beantworten. Der BFH gibt dem FG für seine neue Ent-scheidung Hilfestellung, indem er für die Wesentlichkeit einen Finan-zierungsanteil von 75 v.H. genügen lässt. Hierbei handelt es sich nurum ein obiter dictum, es ist aber nicht zu erwarten, dass diese Gren-ze in Zweifel gezogen wird, zumal sie auf der h.M. in der Literatur be-ruht. Abschließend ist noch darauf hinzuweisen, dass, falls sich einBesteuerungsrecht nach § 50d Abs. 7 EStG ergeben sollte, die Be-steuerung in Deutschland natürlich auf den Umfang der beschränk-ten Steuerpflicht (s.o. Nr. 3) begrenzt ist.

RiBFH a.D. Dr. M. Kempermann, Bonn

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972 Rechtsprechung – Beschränkte Steuerpflicht FR 20/2018

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