“… betreffend die Gründung einer Chemischen Gesellschaft …”

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S Die Geschichte der GDCh und ihrer Vorgängerorganisationen, der Deutschen Chemischen Gesell- schaft DChG und des Vereins Deut- scher Chemiker VDCh, sind gut er- forscht. 1,2) Im Gegensatz dazu ist über die Entwicklung der Chemi- schen Gesellschaft der DDR (CG), die vor 60 Jahren gegründet wurde und bis ins Jahr 1990 existiert hat, bisher so gut wie nichts publiziert. Mit dem Zusammenbruch des Deutschen Reiches im 2. Weltkrieg hatten auch die DChG, gegründet 1867, und der VDCh, gegründet 1896, praktisch aufgehört zu exis- tieren. Weder für DChG noch für die VDCh gab es die Alternative, einfach weitergeführt zu werden. Dafür gab es drei Gründe: Die Satzungen beider Organisa- tionen waren in der nationalso- zialistischen Diktatur „gleichge- schaltet“ und derart angepasst worden, dass sie demokrati- schen Grundsätzen widerspra- chen und antisemitische Klau- seln enthielten. Ein Großteil der Führungsper- sonen von DChG und VDCh war Mitglied der nationalsozia- listischen Partei gewesen; bis zum Abschluss des Entnazifizie- rungsverfahrens hatten diese Personen alle Ämter verloren. In jeder Besatzungszone galten eigene, unterschiedliche Bestim- mungen zur Wiederaufnahme der Vereinstätigkeit. Die DChG und der VDCh konn- ten sich jedoch auch nicht ein- fach auflösen, denn dazu hätte es eines gesamtdeutschen Auflö- sungsbeschlusses bedurft. Dem stand die Zonenteilung entgegen (Kasten S. 1218). In der sowjetischen Besatzungs- zone regelte die Sowjetische Mili- täradministration (SMAD) den Be- ginn des Neuaufbaus. Als oberste Regierungsgewalt erließ sie in Form von „Befehlen“ Rechtsnor- men für die Erneuerung der Hoch- schulen, Akademien und wissen- schaftlichen Einrichtungen (Tabel- le rechts unten). Der SMAD-Befehl Nr. 50 „Vor- bereitung der Hochschulen auf den Beginn des Unterrichts“ vom 4. September 1945 regelte die Neueröffnung von Universitäten und Hochschulen. Die Umsetzung oblag der Deutschen Zentralver- waltung für Volksbildung, an de- ren Spitze Paul Wandel stand. Richtungsweisende Bedeutung kam dem SMAD-Befehl Nr. 124 vom 21. Mai 1947 zu: Er regelte die „Organisation der deutschen wis- senschaftlichen medizinischen Ge- sellschaften”. Diesen Befehl nah- men die ostdeutschen Chemiker zum Anlass, sich für die Gründung auch einer chemischen Gesell- schaft einzusetzen. „Im Anschluss ... soll der Antrag auf Zulassung gestellt werden“ S Zum führenden Kopf der Neu- gründung wurde Erich Thilo. Er hatte Chemie an der Berliner Uni- versität studiert und dort im Jahr 1925 promoviert. Nach seiner Ha- bilitation erhielt er 1932 einen Lehrauftrag und war ab 1938 au- ßerordentlicher Professor am Che- mischen Institut. Von 1943 bis 1945 hatte er eine ordentliche Pro- fessur für anorganische Chemie in Graz inne. Im Jahr 1946 übernahm er in Berlin das Ordinariat am völ- lig zerstörten Chemischen Institut der Humboldt-Universität. Thilo hatte nie der NSDAP oder einer ih- rer Gruppierungen angehört und Renate Kießling 11. Mai 1953: Im Physikalisch-Chemischen Institut der Universität Leipzig gründet sich die Chemische Gesellschaft der DDR. Wie entstand eine der größten wissenschaftlichen Gesellschaften der DDR? „ ... betreffend die Gründung einer Chemischen Gesellschaft ...“ BChemiegeschichteV Einladung zur Gründung der Chemischen Gesellschaft in der DDR. (Quelle: Otto Wienhaus) Nachrichten aus der Chemie| 61 | Dezember 2013 | www.gdch.de/nachrichten 1216

Transcript of “… betreffend die Gründung einer Chemischen Gesellschaft …”

S Die Geschichte der GDCh und ihrer Vorgängerorganisationen, der Deutschen Chemischen Gesell-schaft DChG und des Vereins Deut-scher Chemiker VDCh, sind gut er-forscht.1,2) Im Gegensatz dazu ist über die Entwicklung der Chemi-schen Gesellschaft der DDR (CG), die vor 60 Jahren gegründet wurde und bis ins Jahr 1990 existiert hat, bisher so gut wie nichts publiziert.

Mit dem Zusammenbruch des Deutschen Reiches im 2. Weltkrieg hatten auch die DChG, gegründet 1867, und der VDCh, gegründet 1896, praktisch aufgehört zu exis-

tieren. Weder für DChG noch für die VDCh gab es die Alternative, einfach weitergeführt zu werden. Dafür gab es drei Gründe:• Die Satzungen beider Organisa-

tionen waren in der nationalso-zialistischen Diktatur „gleichge-schaltet“ und derart angepasst worden, dass sie demokrati-schen Grundsätzen widerspra-chen und antisemitische Klau-seln enthielten.

• Ein Großteil der Führungsper-sonen von DChG und VDCh war Mitglied der nationalsozia-listischen Partei gewesen; bis zum Abschluss des Entnazifizie-rungsverfahrens hatten diese Personen alle Ämter verloren.

• In jeder Besatzungszone galten eigene, unterschiedliche Bestim-mungen zur Wiederaufnahme der Vereinstätigkeit.

Die DChG und der VDCh konn-ten sich jedoch auch nicht ein-fach auflösen, denn dazu hätte es eines gesamtdeutschen Auflö-sungsbeschlusses bedurft. Dem stand die Zonenteilung entgegen (Kasten S. 1218).

In der sowjetischen Besatzungs-zone regelte die Sowjetische Mili-täradministration (SMAD) den Be-ginn des Neuaufbaus. Als oberste Regierungsgewalt erließ sie in Form von „Befehlen“ Rechtsnor-men für die Erneuerung der Hoch-schulen, Akademien und wissen-schaftlichen Einrichtungen (Tabel-le rechts unten).

Der SMAD-Befehl Nr. 50 „Vor-bereitung der Hochschulen auf den Beginn des Unterrichts“ vom 4. September 1945 regelte die Neueröffnung von Universitäten und Hochschulen. Die Umsetzung oblag der Deutschen Zentralver-waltung für Volksbildung, an de-ren Spitze Paul Wandel stand.

Richtungsweisende Bedeutung kam dem SMAD-Befehl Nr. 124 vom 21. Mai 1947 zu: Er regelte die „Organisation der deutschen wis-senschaftlichen medizinischen Ge-sellschaften”. Diesen Befehl nah-men die ostdeutschen Chemiker zum Anlass, sich für die Gründung auch einer chemischen Gesell-schaft einzusetzen.

„Im Anschluss ... soll der Antrag auf Zulassung gestellt werden“

S Zum führenden Kopf der Neu-gründung wurde Erich Thilo. Er hatte Chemie an der Berliner Uni-versität studiert und dort im Jahr 1925 promoviert. Nach seiner Ha-bilitation erhielt er 1932 einen Lehrauftrag und war ab 1938 au-ßerordentlicher Professor am Che-mischen Institut. Von 1943 bis 1945 hatte er eine ordentliche Pro-fessur für anorganische Chemie in Graz inne. Im Jahr 1946 übernahm er in Berlin das Ordinariat am völ-lig zerstörten Chemischen Institut der Humboldt-Universität. Thilo hatte nie der NSDAP oder einer ih-rer Gruppierungen angehört und

Renate Kießling

11. Mai 1953: Im Physikalisch-Chemischen Institut der Universität Leipzig gründet sich die Chemische

Gesellschaft der DDR. Wie entstand eine der größten wissenschaftlichen Gesellschaften der DDR?

„ ... betreffend die Gründung einer Chemischen Gesellschaft ...“

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Einladung zur Gründung der Chemischen Gesellschaft in der DDR.

(Quelle: Otto Wienhaus)

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war Ende der 1940er Jahre einer der aktivsten und einflussreichsten Chemiker.

Bereits im November 1946 lud Thilo seine Chemikerkollegen zu einer ersten Chemiedozententa-gung in der sowjetischen Besat-zungszone ein. Diese fand im Mai 1947 statt. Dort beschlossen die Teilnehmer, möglichst schnell wie-der eine chemische Gesellschaft ins Leben zu rufen. Die Bekanntga-be des SMAD-Befehls Nr. 124 nutzte Thilo, um seine Bemühun-gen zur Gründung der Chemi-schen Gesellschaft zu vertiefen. Am 17. Dezember 1947 wandte er sich mit dem „Rundschreiben Nr. 1 – betreffend die Gründung ei-ner wissenschaftlichen Chemischen Gesellschaft im sowjetisch-besetz-ten Sektor Berlins und der sowje-tisch-besetzten Zone Deutsch-land”3) an einige, als mögliche Vorstandsmitglieder in Aussicht genommene Chemikerkollegen. Als Vorstand schlug er vor: Erich Thilo (Vorsitzender; Anorganiker, Berlin); Arthur Lüttringhaus (Stellvertreter des Vorsitzenden; Organiker, Halle), Franz Hein (Schriftführer; Anorganiker, Jena); Günther Rienäcker (stellvertreten-der Schriftführer; Anorganiker, Rostock), Otto Liebknecht (Schatzmeister; Organiker, Ber-lin), F. Just (Bibliothekar, Berlin), Karl Friedrich Bonhoeffer (1. Bei-sitzer; Physikochemiker, Berlin), Karl Lohmann (2. Beisitzer; Bio-chemiker, Berlin), Arthur Simon (3. Beisitzer, Anorganiker, Dres-den). Bis auf zwei Ausnahmen – Lüttringhaus und Hein – sagten alle Vorgeschlagenen ihre Mitar-beit zu. Am 22. Dezember 1947 schrieb Lüttringhaus: „Da ich es für wichtig erachte, dass an der Spitze der Gesellschaft nach Mög-lichkeit völlig unbelastete Herren stehen, wäre es mir lieb, wenn ich aus der Liste abgesetzt würde. Ich bin zwar nicht Mitglied der NSDAP gewesen, habe aber kurz-zeitig unter nachfolgendem Aus-tritt z. B. einmal der SA ange-hört ...“ Er schlägt vor, Rienäcker als stellvertretenden Vorsitzenden

und Lohmann als stellvertreten-den Schriftführer einzusetzen.4)

Auch Hein lehnte am 9. Januar 1948 die Mitarbeit ab: „Bitte sehen Sie davon ab, mich als Schriftführer zu erküren, ich muss das in aller Bestimmtheit ablehnen, da ich die damit verbundenen Verpflichtun-gen nicht übernehmen kann ...“5) Er nennt als Gründe den sehr schwierigen Aufbau der chemi-schen Institute in Jena und seine Schwerbehinderung.

Dem 1. Rundschreiben angefügt war ein Entwurf von Thilo für ein Statut der „deutschen wissen-schaftlichen chemischen Gesell-schaft“. Zu diesem gingen auch Än-

derungsvorschläge ein. Ein Vor-schlag war beispielsweise, auch Studenten der Chemie als Mitglie-der aufzunehmen.

Nach Auswertung der Antwort-schreiben verfasste Thilo am 26. Januar 1948 ein Rundschreiben Nr. 2, in dem er zwei neue Vor-standsmitglieder vorschlug:6) Heinz Chomse (Analytiker, Berlin) und Ernst Kordes (Physikochemiker, Jena). Beide sagten jeweils am 30. Januar 1948 ihre Mitarbeit zu.

Diese Rundschreiben wurden auch an die deutsche Verwaltung für Volksbildung sowie an Robert Rompe (II. Physikalisches Institut

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Der erste Vorstand der Chemischen Gesellschaft der DDR (v.o. und v.l.):

Erich Thilo (1898 – 1977), Heinrich Bertsch (1897 – 1981), Hans Heinrich Franck (1888 – 1961),

Walter Heyder (1903 – 1994), Wolfgang Schirmer (1920 – 2005), Arthur Simon (1893 – 1962),

Wilhelm Treibs (1890 – 1978). (Fotos: Bildarchiv der CG im Archiv der GDCh)

Wichtige Befehle der Sowjetischen Militäradministration (SMAD).

SMAD-Befehl Inhalt

Nr. 50 vom 4.9.1945 „Vorbereitung der Hochschulen auf den Beginn des Unterrichts“: Der Befehl regelt die Neueröffnung von Universitäten und Hochschulen.

Nr. 187 vom 1.7.1946 Wiedereröffnung der Deutsche Akademie der Wissenschaften als Nachfolgeorganisation der 1700 von Gottfried Wilhelm Leibniz gegründeten Kurfürstlich Brandenburgischen Sozietät der Wissenschaften zu Berlin. Die Akademie soll künftig als „höchste wissenschaftliche Institution“ Forschungsinstitute gründen und betreiben.

Nr. 309 vom 18.10.1946 Angliederung der ersten Forschungseinrichtungen an die Deutsche Akademie der Wissenschaften. Ende 1949 unterhält die Akademie bereits 23 Institute und 4 Laboratorien.

Nr. 124 vom 21.5.1947 „Organisation der deutschen wissenschaftlichen medizinischen Gesellschaften“: Dem Befehl ist ein verbindliches Rahmenstatut für die Tätigkeiten der Gesellschaften beigegeben.

der HU Berlin) und Hans Stille (Geologisches Institut der HU Ber-lin) geschickt, da sowohl die Phy-siker als auch die Geologen die Gründung einer wissenschaftli-chen Gesellschaft auf ihrem Fach-gebiet vorantrieben. Die Physika-lische Gesellschaft der DDR wurde am 26. September 1952 gegrün-det, die Gesellschaft für Geologi-sche Wissenschaften der DDR am 7. Mai 1954.

Am 23. Februar 1948 fand im Chemischen Institut der Univer-sität in Berlin eine Vorbespre-chung statt, an der alle vorgesehe-nen Vorstandsmitglieder teilnah-men.

Das Protokoll zeichnete unter anderem folgendes auf:7) „Sodann wurde an Hand des vorgeschlage-nen Statuts der „Deutschen Che-mischen Gesellschaft“ und unter Einbeziehung der von den einzel-nen Herren bereits schriftlich ein-gereichten Abänderungsvorschlä-

ge das Statut paragraphenweise durchberaten. ... Das in der Sitzung beschlossene Statut wird nochmals allen Vorstandsmitgliedern zuge-sandt zur endgültigen Zustim-mung. Im Anschluss daran soll der Antrag auf Zulassung gestellt wer-den.“

Die Neufassung wurde mit dem Rundschreiben Nr. 3 verschickt.8)

Thilo richtete am 24. März 1948 an die Zentralkommandantur der sowjetischen Militäradministration in der sowjetisch-besetzten Zone Deutschlands den Antrag zur Gründung der Deutschen Chemi-schen Gesellschaft. Kopien des An-trags gingen an die Deutsche Ver-waltung für Volksbildung und an Rompe. Weitere Schriftwechsel oder Zusagen konnten bisher nicht gefunden werden.

„Der Antrag muss von drei Personen unterschrieben sein ...“

S Nach Gründung der DDR am 7. Oktober 1949 verschickte Thilo am 18. November 1949 das Rund-schreiben Nr. 4 an seine Kollegen.9) Dieses beginnt mit dem Satz: „Nachdem alle Verwaltungsge-schäfte im ostdeutschen Raum an die provisorische Regierung der Deutschen Demokratischen Repu-blik übergegangen sind, besteht, wie mir Herr Prof. Rompe mitteilt, nun die Möglichkeit, mit Aussicht auf Erfolg erneut die Genehmi-gung zur Gründung einer Deut-schen Chemischen Gesellschaft

beim Herrn Minister für Volksbil-dung zu beantragen. Der Antrag muss von drei Personen unter-schrieben sein ...“

Da dieser Antrag möglichst schnell gestellt werden sollte, hatte Thilo die notwendigen Unter-schriften bereits im Vorfeld von sei-nen Professorenkollegen Lohmann und Chomse eingeholt und den Antrag gestellt. Er bittet mit dem Rundschreiben Nr. 610) seine Kolle-gen um nachträgliche Genehmi-gung seines „Antrages auf Geneh-migung, die seit dem Jahre 1945 suspendierte Deutsche Chemische Gesellschaft wieder ins Leben ru-fen zu dürfen”. Den Antrag hatte er am 15. November 1949 an den zu-ständigen Minister für Volksbil-dung, Paul Wandel, gerichtet.

Nach dieser Zeit großer Aktivität wird es fürs Erste still um die Gründung der Chemischen Gesell-schaft. Unterlagen aus der nachfol-genden Zeit konnten bisher nicht gefunden werden.

Im Oktober 1951 fand in Leipzig der erste Chemikerkongress auf dem Gebiet der DDR statt. Feder-führend waren das Staatssekretari-at für das Hochschulwesen (Ger-hard Harig, Hans-Joachim Bit-trich), die Deutsche Wirtschafts-kommission, Hauptabteilung Che-mie (Heinrich Bertsch) und die Or-dinariate für Chemie der Universi-tät Leipzig (Wilhelm Treibs, Leopold Wolf, Eberhard Leibnitz). Etwa 1000 Chemiker aus der In-dustrie und den Forschungs- und

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Mitgliedsausweis der Chemischen Gesellschaft der DDR.

. (Quelle: Hans Georg Struppe)

S Neuanfang im Westen

Das Bedürfnis nach einem Chemi-

kerverband war auch im Westen

präsent, und so diskutierten Che-

miker bereits auf einer Tagung im

September 1946 in Göttingen un-

ter anderem über Möglichkeiten

zur Neugründung einer wissen-

schaftlichen Vereinigung. Am

20. September 1946 erfolgte die

erste Teilgründung der „Gesell-

schaft Deutscher Chemiker in der

Britischen Zone“ (GDChidbZ). Vor-

wahrscheinlich kam es im Jahr

1948 auch zu einer Gründung in

Südbaden, doch darüber fehlen

genauere Quellen.

Nachdem sich der Westteil

Deutschlands als Bundesrepublik

Deutschland konstituiert hatte,

vereinigten sich die lokalen

Gesellschaften am 20. September

1949 in München schließlich zur

gesamtwestdeutschen GDCh.

Vorsitzender wurde Karl Ziegler.

sitzender wurde Karl Ziegler, die

Geschäftsführung übernahm

Rudolf Wolf.

Am 22. Januar 1947 gründete

sich die „Gesellschaft Deutscher

Chemiker in Hessen“. Vorsitzender

wurde Hans Popp, die Geschäfts-

führung übernahm auch hier

Rudolf Wolf.

Am 16. April 1947 gab es eine

weitere Teilgründung in Nord-

Württemberg/Nord-Baden;

Lehreinrichtungen nahmen teil. Seit diesem Kongress entwickelten insbesondere Thilo und Bertsch Initiativen, um endlich eine wis-senschaftliche Chemikerorganisa-tion gründen zu können.

Im Jahr 1951 wurde die erste Hochschulreform in der DDR durchgeführt; alle Fachgebiete soll-ten unter anderem neue Rahmen-studienpläne aufstellen. Thilo war Vorsitzender der Kommission für Chemie, der unter anderen Simon, Treibs, Rienäcker und Bertsch an-gehörten. Bei den Beratungen im Staatssekretariat stimmte der da-malige Abteilungsleiter für das Hochschulwesen, Gerhard Harig, der Gründung einer Chemischen Gesellschaft zu.

Auf einer Besprechung am 10. Februar 1952, an der Thilo, Maxi-milian Pflücke und Anneliese Kai-ser (später Greiner) teilnahmen, werden folgende Aktivitäten und Maßnahmen vorgeschlagen:11)

• Berichte der Chemischen Gesell-schaft in der DDR herauszuge-ben. Diese sollen nur Originalar-beiten aufnehmen und an die Mitglieder der Gesellschaft ver-billigt abgegeben werden.

• Herausgabe gedruckter Mittei-lungsblätter.

• Die Bibliothek des Chemischen Zentralblattes allen Mitgliedern kostenlos zur Verfügung zu stel-len.

• Die Räume der Gesellschaft in die unmittelbare Nähe des Zen-tralblattes zu verlegen.

Am 15. November 1952 ergeht durch das Staatssekretariat für Hochschulwesen eine Einladung an Thilo zu einer Besprechung über die Gründung einer Chemi-schen Gesellschaft. Diese Bespre-chung findet am 24. Januar 1953 statt.12) Es wird beschlossen, ein Initiativkomitee zu bilden, dem zwölf Chemiker angehören. Das Komitee arbeitet das Statut aus, schlägt den Namen „Chemische Gesellschaft in der DDR” vor und benennt mögliche Mitglieder für den ersten Vorstand.

Über die Unterbringung der CG gibt es noch keine Einigkeit. Vor-

erst soll der Wissenschaftliche Se-kretär – in heutiger Terminologie der Geschäftsführer – in den Räu-men des 1. Chemischen Instituts der Humboldt-Universität bleiben. Seine Aufgaben werden wie folgt formuliert:• Aufstellung und Einreichung

des Haushaltsplans der Gesell-schaft,

• Verhandlungen wegen der Räu-me,

• Vorbereitung der Tagung.In Unterlagen des Bundesarchivs findet sich eine „Beschlussvorlage zur Gründung der chemischen Ge-sellschaft“ des Zentralkomitees der SED vom 2. Februar 1953.13) In dieser wird die Gründung der Che-mischen Gesellschaft genehmigt. Interessant sind darin insbesondere folgende Sätze:• „Das Staatssekretariat für Hoch-

schulwesen übernimmt in Zu-

sammenarbeit mit dem Zentral-amt für Forschung und Technik von Regierungsseite Anleitung und Kontrolle.“

• „Die Gründung der Chemischen Gesellschaft geht ohne Verbin-dung mit den entsprechenden westdeutschen Gesellschaften vor sich. Spätere wissenschaftli-che, nicht organisatorische Zu-sammenarbeit wird nur auf gleichberechtigter Basis durch-geführt.“

Das Initiativkomitee bestätigt am 30. April 1953 die vorgeschlage-nen Wissenschaftler für den Vor-stand. Weiter regt es an, in der Woche vom 19. bis zum 25. April 1953 eine Arbeitstagung in Leip-zig abzuhalten, veranstaltet vom Staatssekretariat für Chemie, Stei-ne und Erden, der Deutschen Aka-demie der Wissenschaften, dem Staatssekretariat für Hochschul-

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wesen und der Kammer der Tech-nik. Das Hauptthema der Tagung soll lauten: Verwendung elektri-scher Energien in der chemischen Industrie.

„... der Entfaltung des wissen-schaftlichen Lebens dienen“

S Am 11. Mai 1953 tagt im Physi-kalisch-Chemischen Institut der Universität Leipzig die Gründungs-versammlung der Chemischen Ge-sellschaft in der DDR. Etwa 90 Chemiker sind anwesend. Als Mit-glieder des 1. Vorstands werden ge-wählt: Heinrich Bertsch, Staatsse-kretariat für Chemie; Hans Hein-rich Franck, Institut für Silikatche-mie der Humboldt-Universität Ber-lin und Präsident der Kammer der Technik; Walter Heyder, Hauptdi-rektor des Elektrochemischen Kombinats Bitterfeld; Wolfgang Schirmer, Hauptdirektor der Leu-na-Werke; Arthur Simon, Direktor des 1. Chemischen Instituts der TH Dresden; Erich Thilo, Direktor des 1. Chemischen Instituts der Hum-boldt-Universität Berlin (Vorsitzen-der); Wilhelm Treibs, Direktor des Organischen-Chemischen Instituts der Universität Leipzig. Wissen-schaftlicher Sekretär (= Geschäfts-führer) der Chemischen Gesell-schaft wurde Anneliese Kaiser.

Die Zusammensetzung zeigt das Bemühen, für den Vorstand gleich-berechtigt Vertreter der Hochschu-len, später auch der Akademie der Wissenschaften und Vertreter aus der Industrie zu gewinnen. Auch der Vorsitz der Chemischen Gesell-schaft wechselt fortan im vierjähri-gem Rhythmus zwischen diesen drei Bereichen.

Am 3. Juni 1953 bestätigt der da-malige Minister für Volksbildung Paul Wandel den Antrag und das vorgelegte Statut und damit die Gründung der „Chemischen Ge-sellschaft in der DDR“. Am 13. Juli 1953 bestätigt Gerhard Harig, Staatssekretär für Hochschulwesen, ebenfalls die Gründung der Chemi-schen Gesellschaft.

In der Präambel des Statuts heißt es, die Chemische Gesell-

schaft werde gegründet „... zur Pflege der besten Traditionen der chemischen Wissenschaft, zur Förderung und Entfaltung der chemischen Wissenschaft, die dem Frieden und der Einheit Deutschlands dient.” In „§ 2 Auf-gaben“ wird formuliert: „Die Ge-sellschaft soll der Entfaltung des wissenschaftlichen Lebens und der Förderung des wissenschaftli-chen Meinungsaustausches die-nen. Sie wird diese Aufgaben er-füllen durch wissenschaftliche Ta-gungen, Beratungen und Kollo-quien, Aufnahme von Beziehun-gen zu den wissenschaftlichen Ge-sellschaften auf dem Gebiet der Chemie außerhalb der DDR ... Ein-flussnahme auf das wissenschaftli-che Publikationswesen und auf Unterrichtsfragen auf dem Gebiet der Chemie, durch die Herausgabe wissenschaftlicher Zeitschriften und die Verleihung von Ehrungen. Eine der wichtigsten Aufgaben der Gesellschaft ist ferner die Förde-rung der engen Zusammenarbeit zwischen Chemikern aus For-schung, Lehre und Technik …“

§ 3 regelt die Details zur Mit-gliedschaft. Hier zeigt sich ein gro-ßer Unterschied zur damaligen Satzung der GDCh, denn es heißt: „Ordentliches Mitglied kann jede Person werden, die eine abge-schlossene Hochschul- oder Fach-schulausbildung auf dem Gebiet der Chemie besitzt oder eine Tä-tigkeit ausübt, die der von Absol-venten solcher Ausbildungsstätten gleichkommt.“ Letzteres wurde in der GDCh erst viel später, nämlich mit einer Änderung des Statuts im Jahr 2006, möglich.

In § 4 wird unter anderem be-schlossen, regionale und fachlich orientierte Gruppen zu gründen.

Als Jahresbeitrag werden 20 Mark für Vollmitglieder und 5 Mark für außerordentliche Mitglieder und Studenten festgelegt. An diesem Betrag hatte sich bis zur Auflö-sung der Chemischen Gesell-schaft im Jahr 1991 nichts geän-dert.

Sitz der Gesellschaft wird Ber-lin. Zunächst befand sich die Ge-

schäftsstelle in den Räumen Unter den Linden 68–70, im Jahr 1964 zog sie in die Clara-Zetkin-Str. 105 (heute Dorotheenstr. 99) um. Dieses Gebäude steht unter Denk-malschutz und wurde nach der Wende in die Neugestaltung des gesamten Areals um das Branden-burger Tor einbezogen.

Mit der Gründung der Chemi-schen Gesellschaft in der DDR hat-ten damit auch die Chemiker in der DDR die Möglichkeit, auf Tagun-gen andere Wissenschaftler zu tref-fen, sich auszutauschen und in Zeitschriften zu publizieren. Die Chemische Gesellschaft in der DDR hatte ausschließlich wissen-schaftliche Ziele, für Berufsfragen war die Gewerkschaft zuständig. Ein halbes Jahr nach Bestehen der Gesellschaft hatten sich bereits über 800 Mitglieder eingetragen, zum Zeitpunkt der Auflösung hatte sie über 4500 Mitglieder und ge-hörte damit zu den größten wissen-schaftlichen Gesellschaften in der DDR.

Literatur

1) Walter Ruske, 100 Jahre Deutsche Che-

mische Gesellschaft, Verlag Chemie,

Weinheim, 1967.

2) Gesellschaft Deutscher Chemiker (Hrsg.),

Chemie erlebt – 50 Jahre GDCh, Frank-

furt am Main, 1999.

3) Unterlagen der Chemischen Gesellschaft

der DDR; im Archiv der GDCh.

4) Schreiben A. Lüttringhaus an E. Thilo

vom 22.12.1947, aus den Unterlagen der

CG der DDR; im Archiv der GDCh.

5) Schreiben A. Hein an E. Thilo vom

9.1.1948, aus den Unterlagen der CG der

DDR; im Archiv der GDCh.

6–10) Unterlagen der CG der DDR; im Archiv

der GDCh.

11) Aktennotiz in den Unterlagen der CG der

DDR; im Archiv der GDCh.

12) Protokoll in den Unterlagen der CG der

DDR; im Archiv der GDCh.

13) BArch DR3 1671.

Renate Kießling managte

als letzte Geschäftsführe-

rin der Chemischen Gesell-

schaft der DDR die Integra-

tion der CG-Mitglieder in

die GDCh. Seit dem Jahr

1991 ist sie in verschiedenen Aufgabenberei-

chen für die GDCh tätig – auch über ihren Ru-

hestand im Jahr 2012 hinaus.

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