Броненосец «Потемкин» / Panzerkreuzer Potemkin · PDF...

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Dr. Eva Binder Institut für Slawistik der Universität Innsbruck München, 05.05.09 Броненосец «Потемкин» / Panzerkreuzer Potemkin UdSSR 1925, Regie: Sergej Eisenstein

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Dr. Eva BinderInstitut für Slawistik der Universität InnsbruckMünchen, 05.05.09

Броненосец «Потемкин» / Panzerkreuzer PotemkinUdSSR 1925, Regie: Sergej Eisenstein

Gliederung des Vortrags

(1) Zum Regisseur Sergej Eisenstein

(2) Produktionsgeschichte

(3) Zur Konzeption und Komposition des Films

(4) Panzerkreuzer Potemkin im Kontext von Eisensteins Montagetheorie

(5) Eisensteins Panzerkreuzer im Kontext der sowjetischen Avantgarde

(6) Rezeption

(1) Zum Regisseur Sergej Eisenstein

DNEVNIK GLUMOVA • GLUMOVS TAGEBUCH • 1923STAČKA • STREIK • 1925BRONENOSEC „POTEMKIN“ • PANZERKREUZER POTEMKIN • 1925OKTJABR’ • OKTOBER • 1927STAROE I NOVOE (GENERAL’NAJA LINIJA) • DAS ALTE UND DAS NEUE (DIE

GENERALLINIE) • 1926–29FRAUENNOT – FRAUENGLÜCK • Ch 1930 (Co-Regie)ROMANCE SENTIMENTALE • F 1930 (Co-Regie)ZEMLETRJASENIE V OAXAKE • ERDBEBEN IN OAXACA • Mexiko 1931QUE VIVA MEXICO! • Mexiko 1932 (unvollendet)BEŽIN LUG • DIE BESHIN-WIESE • 1935–37 (unvollendet)ALEKSANDR NEVSKIJ • ALEXANDER NEWSKY • 1938IVAN GROZNYJ • IWAN DER SCHRECKLICHE • 1943–46 (Teil III unvollendet)

(2) Produktionsgeschichte

• Staatsauftrag: Beschluss der Jubiläumskommission unter Vorsitz von A.V. Lunačarskij, mit den Beisitzenden Malevič, Meyerhold, Michajlov, Pletnev und Šutko vom 17.3.1925

• Drehbuch „Das Jahr 1905“ von Nina Agadžanova-Šutko und auf Grundlage von Materialien von Vladimir Nevskij

• Im August verwirft Eisenstein die bisherigen Pläne und konzentriert sich auf die „Potemkin“-Episode.

• Dreharbeiten von September bis November in Odessa und Sevastopol’

• Premiere: 24.12.1925, Bol’šoj teatr• Filmstart: 18.1.1926, Chudožestvennyj kinoteatr in Moskau

(3) Zur Konzeption und Komposition des

Films

1. Akt: MENSCHEN UND MADEN Exposition der Handlung. Die Lage auf dem Panzerkreuzer. Madiges Fleisch. Erregung unter den Matrosen.

2. Akt: DAS DRAMA [IN DER BUCHT] VON TENDRA „Alle Mann an Deck!“ Die Weigerung der Matrosen, die Suppe mit dem madigen Fleisch zu essen. Die Szene mit der Zeltbahn. „Brüder!“ Die Weigerung zu schießen. Der Aufstand. Die Abrechnung mit den Offizieren.

3. Akt: EIN TOTER RUFT AUF Nebel. Die Leiche Vakulenčuks im Odessaer Hafen. Tränen über den Toten. Demonstration der Aufständischen. Die rote Fahne wird gehißt.

4. Akt: DIE ODESSAER HAFENTREPPE Verbrüderung zwischen Festland und Panzerkreuzer. Boote mit Lebensmitteln. Das Blutbad auf der Hafentreppe. Die Salve vom Panzerkreuzer auf den „Generalstab“.

5. Akt: DIE BEGEGNUNG MIT DEM GESCHWADERDie Nacht gespannter Erwartung. Die Begegnung. Die Maschinen. „Brüder!“ Die Weigerung des Geschwaders zu schießen. Der Panzerkreuzer fährt siegreich durch das Geschwader. (Schriften 2, 154 f.)

(3) Zur Konzeption und Komposition des

Films

„Es liegt auf der Hand, daß der besonderen, der unvergleichlichen Wirkungskraft des Goldenen Schnitts nichts „Mystisches“ zugrunde liegt. *…+ Mit allen Fasern, wenn nicht unserer Seele, so doch jedenfalls unseres Organismus sind wir in der einheitlichen Gesetzmäßigkeit der einfachsten Bewegung - des Wachstums - eins mit dem, was uns im Kunstwerk dargestellt wird.“

(Das Organische und das Pathos, Schriften 2, 164)

(3) Zur Konzeption und Komposition des

Films

„Pathos ist das, was den Zuschauer von seinem Sitz auffahren läßt; *…+ alles das, was den Zuschauer ,außer sich geraten‘ läßt.“ (Das Organische und das Pathos, Schriften 2, 172 f.)

„Das ,Außersichkommen‘ ist kein ,Herauskommen ins Nichts‘, sondern es ist unweigerlich ein Übergang in etwas anderes, in etwas qualitativ anderes, in etwas dem Ausgangszustand Entgegengesetztes (das Unbewegliche geht über ins Bewegliche, das Lautlose ins Tönende und so weiter).“ (Das Organische und das Pathos, Schriften 2, 173)

(3) Zur Konzeption und Komposition des

Films

„Denn der sprunghafte Übergang von Qualität zu Qualität ist nicht nur die Formel eines Wachstums, sondern auch schon die Formel einer Entwicklung; *…+ denn wir wissen, daß derselbe Sprung, von dem hier die Rede ist, ganz genau so auch im Bereich der gesellschaftlichen Erscheinungen vorkommt, in den Revolutionen, in denen sich gesellschaftliche Entwicklung und soziale Bewegung vollziehen.“ (184)

„So können wir sagen *…+, daß ein Aufbau dann pathetisch ist, wenn er uns zwingt, die Momente der Verwirklichung und der Entstehung der Gesetzmäßigkeiten dialektischer Prozesse zu erleben.Unter ,Moment der Verwirklichung‘ verstehen wir hier jenen Punkt, jenen Augenblick eines Prozesses, in dem das Wasser zu Dampf, das Eis zu Wasser, das Eisen zu Stahl wird.“ (185)

(5) Eisensteins Panzerkreuzer im Kontext der

sowjet. Avantgarde

„Und zwar deshalb, weil im ,Potemkin‘ eine umfassende Überprüfung der Attraktionen *…+ stattfindet und ein positiver Effekt (Pathos) – ein strikter Appell an die Aktivität – durch einen Einsatz aller ,negativen‘ Kunstmittel, bzw. sämtlicher Verfahrensweisen der passiven Kunst erreicht wurde – also mit Zaudern, Tränen, Sentimentalität, Lyrik, Psychologismus, Muttergefühl usw. *…+ D.h., diese Elemente einer ,rechtsgerichteten‘ Kunst wurden zergliedert und dann in ,sachbezogener‘ Weise und mit neuer Zielsetzung geordnet. Sie sind gleichsam die Bourgeoisie, die zur Subbotnik-Arbeit gezwungen wird.“ (Constanza, Schriften 2, 129 f.)

(6) Rezeption

„Der erste, allgemein zugängliche Sowjetfilm. Eine Gemeinschaftsarbeit – ohne Stars, von einer Gruppe Anonymer und Halb-Anonymer; die meisten nicht einmal Schauspieler; die Leitung in der Hand eines Stanislawsky-,Studios‘, Nummer soundsoviel, Filmfabrik Nummer soundsoviel. Sowjet-Amerikanismus. Der Regisseur irgendein Herr Eisenstein.Gewiß, so sind Filme zu machen.*…+ Dazu gehört allerdings zweierlei: Der gänzliche Verzicht auf die Anekdote, die nur Kunstschauspieler herausbringen können. Die strenge Festhaltung eines einzigen ganz allgemeinen, ganz allgemeinmenschlichen Motivs; aber nicht das, was die Amerikaner unter ,Motiv‘ verstehen, was ja doch wieder Erzählung, Anekdote ist; sondern eines ganz allgemein-menschlichen Gefühlsmotivs, das jedem, noch dem letzten Analphabeten, in Fleisch und Blut sitzt. Es heißt: die haßvolle Aufsässigkeit wider den Zwang, die Verbrüderung in dieser Ekstase gegen eine graue, gedrückte, gefesselte Existenz. Hat das noch etwas mit Kommunismus zu tun? Kaum. Kommunismus ist Disziplin.Man könnte das Wesentliche dieses Gefühlsmotivs genau so gegen den Kommunismus verwenden. Es ist sicher kein Sowjetpropagandafilm; und war er als solcher gedacht, dann ist er als solcher verfehlt. Er ist aus solchem Stoff, wie der, aus dem man jede Rebellion macht.“ (Willy Haas, Film-Kurier Nr. 101, 30.4.1926)

(6) Rezeption

„,Potemkin‘ ist ein großer, selten geglückter Film. Es gehört schon der Mut der Verzweiflung dazu, den Protest gerade hier anzusetzen. Schlechte Tendenzkunst gibt es sonst genug, darunter schlechte sozialistische Tendenzkunst. Solche Sachen sind vom Effekt her bestimmt, rechnen mit ausgeleierten Reflexen, benutzen Schablonen. Dieser Film aber ist ideologisch ausbetoniert, richtig in allen Einzelheiten kalkuliert wie ein Brückenbogen. Je kräftiger die Schläge darauf niedersausen, desto schöner dröhnt er. Nur wer mit behandschuhten Fingercher daran rüttelt, der hört und bewegt nichts.“ (Walter Benjamin: Erwiderung an Oscar A. H. Schmitz, in: Walter Benjamin: Gesammtelte Schriften II/2, Suhrkamp)

Literatur

Beilenhoff, Wolfgang (2004): Affekt als Adressierung: Figurationen der Masse in Panzerkreuzer Potemkin. In: montage/av, Zeitschrift für Theorie & Geschichte audiovisueller Kommunikation. 13/1, 50–71.

Eisenstein, Sergej (1973): Constanza. Wohin die Fahrt des ,Panzerkreuzer Potemkin‘ geht *1926+. In: Hans-Joachim Schlegel (Hg.): Sergej M. Eisenstein, Schriften 2: Panzerkreuzer Potemkin. München (= Reihe Hanser 135), 128–133.

Eisenstein, Sergej (1973): Das Organische und das Pathos in der Komposition des Filmes ,Panzerkreuzer Potemkin‘ (1939). In: Hans-Joachim Schlegel (Hg.): Sergej M. Eisenstein, Schriften 2: Panzerkreuzer Potemkin. München (= Reihe Hanser 135), 150–186.

Eisenstein, Sergej (1973): Über die Reinheit der Filmsprache (1934). In: Hans-Joachim Schlegel (Hg.): Sergej M. Eisenstein, Schriften 2: Panzerkreuzer Potemkin. München (= Reihe Hanser 135), 141–150.

Eisenstein, Sergej (1975): Dramaturgie der Film-Form (Der dialektische Zugang zur Film-Form (1929). In: Hans-Joachim Schlegel (Hg.): Sergej M. Eisenstein, Schriften 3: Oktober. Mit den Notaten zur Verfilmung von Marx’ Kapital. München (= Reihe Hanser 184), 200–225.

Eisenstein, Sergej (1984): Die vierte Dimension des Films [1929]. In: Hans-Joachim Schlegel (Hg.): Sergej M. Eisenstein, Schriften 4: Das Alte und das Neue (Die Generallinie). München, 234–253.

Engel, Christine (2009): Die Treppe von Odessa: Die Schlüsselszene in Eisensteins Panzerkreuzer Potemkin. In: Gerhard Paul (Hg.): Das Jahrhundert der Bilder. 1900 bis 1949. Göttingen, 316–323.

Panzerkreuzer Potemkin (Programmbroschüre zur Premiere der rekonstruierten Fassung). Stiftung Deutsche Kinemathek 2005.