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108 Auf Linien zum Quai Tour 6 Die Wassiljewski-Insel ist in erster Linie für die Strelka, ihre östliche Spitze, bekannt. Von dort hat man einen wunderbaren Blick auf die Paläste am linken Newa-Ufer und die Peter-Paul-Festung. D Di ie e zw wö ölf Ko olle llegien en S. 112 Kunstkamme Kunstkammer S. 115 Die Strelka Die Strelka S. 118 Erarta Erarta S. 120 Васильевский Остров Wassiljewskij- Insel Die Insel im Newa-Delta ist durch den südlichen Arm der Großen Newa (Bol- schaja Newa) und die Kleine Newa (Malaja Newa) vom Festland getrennt. Ursprünglich hatte Peter I. die Idee, die Wassiljewskij-Insel zum Zentrum sei- ner neuen Hauptstadt zu machen. Eine schnurgerade Hauptstraße und ein Ka- nal sollten von der Ostspitze, der Strel- ka, zum Finnischen Meerbusen führen, von diesem Prospekt aus dann Kanäle zu den beiden Newa-Armen abzweigen. An diesen ersten Plan erinnern heute noch das schachbrettförmige Straßen- muster der Insel und die „Linien“ ge- nannten Straßen, die dem einstigen Kanalplan entsprechen. Doch wurden die Kanäle, aus welchen Gründen auch immer, zu wenig breit ausgehoben. „Hol es der Teufel, alles ist verdorben“, kommentierte Peter die Panne, aber vermutlich hatte er zu diesem Zeitpunkt bereits die Meinung geändert und das Festland als den idealeren Ort für das Zentrum seiner Hauptstadt ausgemacht. Mit dem Ausbau der Admiralität auf der anderen Seite der Newa zu einem Gebäudekomplex, der als Werft, Fes- tung und Verwaltungsgebäude der Marine zugleich dienen sollte, war die Entscheidung dann zementiert. Ganz vergessen hat Peter die Wassiljewskij- Insel dennoch nicht. Er machte sie zu einem Zentrum der Wissenschaft und gründete hier mit der 1724 eröffneten Kunstkamera das erste Museum Russ- lands und noch im selben Jahr die Aka- demie der Wissenschaften. Letztere er- hielt 1785 einen von Architekt Qua- renghi entworfenen eigenen Bau gleich neben der Kunstkammer. Eigentlicher Herr der Wassiljewskij- Insel war aber bis kurz nach Peters Tod Tour Wass wskij Insel

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Auf Linien zum Quai

Tour 6Die Wassiljewski-Insel ist in ersterLinie für die Strelka, ihre östlicheSpitze, bekannt. Von dort hat maneinen wunderbaren Blick auf diePaläste am linken Newa-Ufer unddie Peter-Paul-Festung.

DDiiee zwwöölf KoollellegienenS. 112KunstkammeKunstkammerS. 115Die StrelkaDie StrelkaS. 118ErartaErartaS. 120

Васильевский Остров

Wassiljewskij-InselDie Insel im Newa-Delta ist durch densüdlichen Arm der Großen Newa (Bol-schaja Newa) und die Kleine Newa(Malaja Newa) vom Festland getrennt.Ursprünglich hatte Peter I. die Idee, dieWassiljewskij-Insel zum Zentrum sei-ner neuen Hauptstadt zu machen. Eineschnurgerade Hauptstraße und ein Ka-nal sollten von der Ostspitze, der Strel-ka, zum Finnischen Meerbusen führen,von diesem Prospekt aus dann Kanälezu den beiden Newa-Armen abzweigen.An diesen ersten Plan erinnern heutenoch das schachbrettförmige Straßen-muster der Insel und die „Linien“ ge-nannten Straßen, die dem einstigenKanalplan entsprechen. Doch wurdendie Kanäle, aus welchen Gründen auchimmer, zu wenig breit ausgehoben.„Hol es der Teufel, alles ist verdorben“,kommentierte Peter die Panne, abervermutlich hatte er zu diesem Zeitpunktbereits die Meinung geändert und dasFestland als den idealeren Ort für dasZentrum seiner Hauptstadt ausgemacht.Mit dem Ausbau der Admiralität aufder anderen Seite der Newa zu einemGebäudekomplex, der als Werft, Fes-tung und Verwaltungsgebäude derMarine zugleich dienen sollte, war dieEntscheidung dann zementiert. Ganzvergessen hat Peter die Wassiljewskij-Insel dennoch nicht. Er machte sie zueinem Zentrum der Wissenschaft undgründete hier mit der 1724 eröffnetenKunstkamera das erste Museum Russ-lands und noch im selben Jahr die Aka-demie der Wissenschaften. Letztere er-hielt 1785 einen von Architekt Qua-renghi entworfenen eigenen Bau –gleich neben der Kunstkammer.Eigentlicher Herr der Wassiljewskij-Insel war aber bis kurz nach Peters Tod

TourWasswskijInsel

Wassiljewskij-Insel

KarteS.112/113

Inselspaziergang 109

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(1825) dessen Ver-trauter AlexanderMenschikow, demder Zar in einergroßmütigen Gestepraktisch die ganzeInsel geschenkt hat-te. Menschikow, an-ders als Freund Pe-ter dem persön-lichen Luxus nichtabgeneigt, ließ sichin bester Lage ander Newa einenWohnpalast er-richten, der bisheute zu den im-posantesten Gebäu-den der Insel gehört.

AusgangspunktAusgangspunkt:Wassileostrowskaja

InselspaziergangAuf der 6. und 7. Liniezur NewaVon den Linien auf der Wassiljewskij-Insel, die jeweils paarweise eine Straßebilden, ist die Straße der 6. und 7. Liniedie lebendigste. In ihrem zentralen Teilist sie Fußgängerzone und damit dieFlaniermeile der Insel – für Fast-Food-Lokale ein idealer Standort.

Bevor man auf den Bolschoj-Prospekttrifft, steht links (6. Linie Nr. 13, heuteein Street-Food-Lokal) das Trojekurow-Haus; es stammt aus den 1720er Jahrenund zeigt trotz späterer Umbautennoch immer seine einfache, ursprüng-liche Architektur aus der Zeit Petersdes Großen. Gleich danach folgt dieDrei-Heiligen-Kirche, die etwas imSchatten der Nachbarin steht, der grö-ßeren, barocken Andreaskathedrale,die den Besucher mit einer wunder-schönen, holzgeschnitzten Ikonostaseaus dem 18. Jahrhundert erwartet. Bei-

de Kirchen dienen heute wieder demorthodoxen Gottesdienst.

Auf der anderen Seite des Bolschoj-Prospekts findet man leicht den Andre-asmarkt, wo zu Zeiten Katharinas derGroßen noch Gemüse abgewogen wur-de – er ist der älteste Markt der Insel.Die Gemüsehändler haben sich, nach-dem das Gebäude restauriert wurdeund Boutiquen Einzug hielten, im an-grenzenden Wassileostrowskij-Markteingerichtet. Im Innenhof dieses klei-nen, recht lebendigen Markts werdendie nicht mehr gebrauchten Gemüsekis-ten unter dem Schaschlik-Grill verheizt.

Das Haus Nr. 16�17 an der 7. Linie, einstattlicher Backsteinbau, wurde re-noviert, der alte Schrift aufgefrischt:Pharmacie Prof. Dr. de Poehl & Fils. Esist nicht nur die schönste Apothekevon ganz St. Petersburg, sondern auchdie geschichtsträchtigste. Die Apothe-ker-Dynastie deutschen Ursprungs war

110 Tour 6: Wassiljewskij-Insel

Einer der zahlreichen westlichen Spe-zialisten, die Peter I. für seine Haupt-stadtpläne gewinnen konnte, war derArchitekt Jean-Baptiste Alexandre Le-blond. Der Zar hatte den Franzosen, dernebenbei auch ein Meister der Garten-architektur war, im Frühjahr 1716 aufeiner Europareise kennengelernt; an-geblich sollen die beiden drei Tage unddrei Nächte lang die Köpfe zusammen-gesteckt haben. Fazit der Begegnung:Leblond bricht seine Zelte in Frank-reich ab und taucht schon im August1716 in St. Petersburg auf, wo er vonPeter gleich als neuer Chefarchitekteingesetzt wird. In einem Brief an sei-nen Freund Alexander Menschikowschreibt der Zar: „Dieser Mann hataußergewöhnliche Qualitäten und eingroßes Talent. (...) Deshalb sollen alleArchitekten der Stadt darüber in Kennt-nis gesetzt werden, dass künftig keinBau mehr in Angriff genommen wer-den darf, ohne dass die Pläne seine Un-terschrift tragen; das betrifft auch be-reits begonnene Bauten, sofern diesenoch korrigiert werden können.“

Im Januar 1717 entwirft Leblond einenStadtplan mit der Wassiljewskij-Insel

als Zentrum, unter Berücksichtigungder bereits existierenden Gebäude derPeter-Paul-Festung und der Admira-lität. Innerhalb einer starken Stadt-mauer, die mit ihren Bastionen dasZentrum wie einen ovalen Dornen-kranz umschließen sollte, plante ereine stattliche Zarenresidenz inmitteneiner quadratischen Parkanlage, anderen vier Ecken sich jeweils eine Ka-thedrale erheben sollte.Der Leblond'sche Stadtplan wurde nieumgesetzt – sei es, dass Peter I. mittler-weile die Schweden für nicht mehr sogefährlich erachtete und eine derartigeEinmauerung der Hauptstadt für nichtmehr nötig hielt, sei es, dass seinFreund Menschikow Einspruch einleg-te. Dessen Prunkpalast an der Newa –die Bauarbeiten waren bereits im fort-geschrittenen Stadium – war nämlichim Leblond'schen Vorschlag nicht vor-gesehen. Ein neuer Plan (Architekt un-bekannt) sah als Stadtzentrum weiter-hin die Insel vor, die nun mit zahlrei-chen Kanälen durchzogen werdensollte. Auch dieses Projekt wurdeschließlich verworfen, und Peter ent-schied sich für ein Zentrum auf der so-genannten „Großen Seite“.

St. Petersburg im KastenLeblonds Masterplan

1 Peters Palast. Die Diagonalen, die von ihm ausgehen, münden jeweils in einen Platz mitKathedrale 2Marktplätze 3Häfen und Lagerhäuser 4 Peter-Paul-Festung 5 Admiralität

Wassiljewskij-Insel

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Inselspaziergang 111seit der ersten Hälfte des 19. Jahrhun-derts Pillenlieferant für den Zarenhof.Zum pharmazeutischen Betrieb gehörteneben einer umfangreichen einschlägi-gen Bibliothek auch ein medizinischesForschungsinstitut mit dem Spezialge-biet Organotherapie. Die Poehls wirk-ten noch bis 1927 im Haus. Die Denk-malschutzbehörde führt das Haus inihrer „Roten Liste“ und will verhindern,dass seine Geschichte der Vergessen-heit anheimfällt. Zeitweilig war hierein kleines Museum eingerichtet, dasvielleicht dereinst wieder eröffnet wird.Bald hat man den Quai der Newa er-reicht und genießt den großartigenBlick auf die andere Seite mit dem Win-terpalast, der Admiralität und derIsaakskathedrale. Auf der Höhe derBlagoweschtschenskij-Brücke, vor dem„Trezzini Palace Hotel“, steht seit 2013der in Bronze gegossene DomenicoTrezzini eine Papierrolle in der rechtenHand, einen großen Zirkel in der linken.Trezzini war der Hofarchitekt Petersdes Großen bei der Gründung der Stadtund wohnte in einem bescheidenenHaus, exakt an der Stelle des heutigenLuxushotels. Die beiden Prachtexem-plare von Sphingen, denen man balddarauf am Quai begegnet, wurden 1820im ägyptischen Theben ausgegraben.Nikolaus I. erwarb sie 1832 und ließ siein die Hauptstadt verschiffen, wo sieseither etwas antikes Flair verbreiten.Die Entzifferung der Hieroglyphenüberlassen wir den Ägyptologen.

Gegenüber den Sphingen steht das mo-numentale Gebäude der Akademie derKünste, zu deren Schülern einst auchIlja Repin ( Ausflüge in die Umge-bung/Repino) zählte. Der berühmteMaler schloss sich später den sog. „Am-bulanten“ (Peredwischniki) an, die mitWanderausstellungen gegen den star-ren akademischen Betrieb der Akade-mie protestierten. Dass letztere langenach seinem Tod in „Repin-Kunstaka-demie“ umbenannt wurde, ist ein ironi-sches Augenzwinkern der Geschichte.

Einer Büste Repins begegnet der Fla-neur gleich darauf vor dem kleinen Ru-mjanzew-Park. Feldmarschall Pjotr Ru-mjanzew kämpfte für Katharina II. ge-gen die Türken und ganz nebenbeiauch um ihr Herz. Der von einem ver-goldeten Adler gekrönte Obelisk in derMitte des Parks erinnert an seine mili-tärischen Siege, seine amourösen Käm-pfe ehrte die Nachwelt nicht.

Дворец Меншикова

Menschikow-PalastWährend Peter der Große im Sommer-garten 1710–1714 einen relativen be-scheidenen Palast bauen ließ, dachtesein Busenfreund Alexander Mensch-ikow ( Kastentext „Aufstieg und Falldes Alexander Menschikow“) in grö-ßeren Maßstäben. Sein monumentalerockergelber Palast an der Newa (Bau-zeit 1710–1720) ist weitaus prachtvoller.Platz hatte er schließlich genug, derZar hatte ihm in einer großmütigen Ges-te praktisch die ganze Insel geschenkt.

Für den Besuch des Palasts stehen Be-gleitblätter in Englisch, Französisch unddürftig auch in Deutsch zur Verfügung.

Import aus Ägypten am Ufer der Newa

Inselszierg

112 Tour 6: Wassiljewskij-InselEine Alternative ist der Audio-Guide, fallsman Englisch oder Französisch versteht.Nach der geräumigen Küche wird derBesucher in die Drechselwerkstatt ge-führt, wo ihn ein Ungetüm von Ma-schine aus dem Jahr 1713 erwartet. Pe-ter der Große übte das Drechslerhand-werk höchstselbst aus und schenktegelegentlich die Produkte seinemFreund Menschikow.Das Vestibül ist im italienischen Barockgestaltet; in den Nischen stehen Origi-nalplastiken aus der Antike, denen einevom Barockarchitekten Rastrelli ge-schaffene Bronzebüste MenschikowsGesellschaft leistet.In der ersten Etage überraschen dreiRäume, deren Wände und Decken kom-plett mit handbemalten, meist hollän-dischen Fliesen gekachelt sind. Das an-schließende „Nussbaumkabinett“ istein Panoramazimmer mit Aussicht aufdrei Seiten; von hier konnte Menschi-kow sowohl die Peter-Paul-Festung wieauch die Admiralitätswerft sehen oderganz einfach den vorbeifahrenden Schif-fen auf der Newa hinterherträumen.Zu den Repräsentationsräumen gehör-en u. a. der schmucke Festsaal mit ei-ner kostbaren englischen Standuhr so-wie der Saal der Hausherrin, der kom-plett mit handbemalter chinesischerSeide ausgekleidet ist.Der Besuch führt insgesamt durchmehr als ein Dutzend Räume, die meis-ten ganz und gar herrschaftlich einge-richtet; nüchtern ist einzig das „Zim-mer der Kadetten“, wo eine Ausstellungdaran erinnert, dass nach Menschi-kows Sturz der ganze Palast an das Pe-tersburger Kadettencorps fiel.Di, Do, Sa, So 10.30�18 Uhr, Mi und Fr 10.30�21 Uhr. Eintritt 400 Rbl, Audio-Guide 100 Rbl.

Здание Двенадцати Коллегий

Die zwölf KollegienDie fast 400 Meter lange Gebäudefluchtmit zwölf Eingängen geht auf Peter den

Großen zurück, der hier seine Kollegien(Ministerien) nahe beieinander ver-sammeln wollte. Der von Peters Hofar-chitekt, dem Tessiner DomenicoTrezzini entworfene Bau wurde nachetlichen administrativen Querelen1722–1740 errichtet. Einen Bau längsder Newa soll Alexander Menschikowin Abwesenheit des Zaren verhinderthaben, er hätte sonst Teile seines an-grenzenden Grundstücks abtreten müs-sen. Peter ließ es angeblich bei einerkräftigen Ohrfeige für den Freund be-wenden und lenkte ein. 1819 wurden

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Wassiljewskij-Insel

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Inselspaziergang 113

die Ministerien ausgelagert und dasGebäude der benachbarten Akademieder Wissenschaften angegliedert. Heutesind hier neben einer großen Bibliothekdas Rektorat, die Biologische und dieGeographische Fakultät der UniversitätSt. Petersburg untergebracht.

Vor der Akademie steht am flussnahenEnde der Mendelejew-Linie die Statuevon Michail Lomonossow (1711–1765),dem Universalgelehrten und Vater derrussischen Wissenschaft. Auch DmitrijMendelejew (1834–1907), der hier stu-dierte, hat sein Denkmal bekommen:

Ein Relief am Haupteingang an derOstseite des Gebäudes erinnert an denGelehrten, dessen Periodensystem heu-te noch Schüler im Chemieunterrichtplagt. Dass derselbe Mendelejew sichauch für eine Verbesserung der Wodka-Qualität einsetzte, sei hier nur am Ran-de vermerkt.

Ein weiterer Student war der Verhal-tensforscher Iwan Pawlow (1849–1936,Nobelpreis 1904), der an seinen Hun-den den später nach ihm benanntenReflex entdeckte. Den Tieren lief dasWasser im Maul zusammen, wenn

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114 Tour 6: Wassiljewskij-InselPawlow eine Glocke anschlug. Sie hat-ten kapiert, dass darauf das Futter folgt,ohne dieses zu sehen oder zu riechen.Der Pawlowsche Reflex wird häufigauch bei Menschen diagnostiziert, z. B.in der Politik, wenn eine Partei einenVorschlag allein deshalb ablehnt, weil ervon der falschen Seite kommt – ein klas-sisches Phänomen der Konditionierung.

Nicht zu den Schülern der Akademie ge-hörte der Kernphysiker und Menschen-

rechtler Andrej Sacharow (1921–1989,Nobelpreis 1975), der erst unter Gorbat-schow aus der Verbannung zurück-kehren durfte. Sein Denkmal steht di-rekt hinter dem Bau der zwölf Kollegien.

Und schließlich findet der Spaziergän-ger, der unter den Arkaden der West-seite den Weg in Richtung Newa zu-rückgeht, (fast am Ende des langenBaus) auch noch ein eigenartiges klei-nes Denkmal: Es besteht aus fünf Paar

St. Petersburg im KastenAufstieg und Fall des Alexander MenschikowAls Alexander und der gleichaltrige Peter sich anfreunden, sind sie beide im Fle-gelalter, verkehren in denselben Moskauer Kreisen und durchzechen zusammenmanche Nacht – Petersburg gibt es noch nicht. Ihre Freundschaft wird durch dickund dünn bis zum Tod Peters halten. Alexander Menschikow begleitet Peter denGroßen auf seinen Reisen durch Europa, zieht für ihn in den Krieg gegen dieSchweden, in dem unter anderen eine hübsche, litauische Bauerntochter namensMartha Skavronska in russische Gefangenschaft gerät. Angeblich soll der reicheMenschikow sie dem stadtbekannten Scheremetjew abgekauft haben. Auch Peterfindet Gefallen an der schönen Frau, und sein edler Freund zögert nicht, sie ihmabzutreten. Sie wird später Peters zweite Frau und als Zarin Katharina I. in die rus-sische Geschichte eingehen.Der Mentor und Freund Peters des Großen wird vom Zaren mit Ländereien reich-lich beschenkt. Da ihm dies offenbar nicht genügt, hält er sich nicht selten an derStaatskasse schadlos. „Wer den Staat auch nur um eine Summe bestiehlt, die soviel wert ist wie ein Strick oder mehr, sei an eben diesem Strick aufgehängt“, ließPeter angesichts der damals schon allumfassenden Korruption verlauten. Über dieVeruntreuungen seines alten Freundes sieht er aber großzügig hinweg. Beim TodPeters des Großen sorgt Menschikow dafür, dass Katharina ihre Ansprüche gegen-über Peter II., einem Enkel aus Peters erster Ehe, durchsetzen kann. So ganz unei-gennützig ist sein Engagement natürlich nicht. Katharina I. – zeitlebens Analpha-betin – ist in politischen Dingen gänzlich unerfahren. Als ihr Vertrauter über-nimmt Alexander Menschikow faktisch die Macht im Staat. Um diese auch überden Tod der Zarin hinaus abzusichern, fädelt er die Hochzeit seiner eigenen Toch-ter mit Thronfolger Peter II ein. Katharina I. stirbt nach zwei Jahren Regentschaft,dann besteigt der noch nicht 13-jährige Peter II. den Thron.Doch Menschikows Kalkül geht nicht auf. Der Verlobungszeremonie folgt keineHeiratszeremonie. Stattdessen fällt der junge Zar unter den Einfluss der Menschi-kow-Gegner. Der Freund Peters des Großen wird 1727 des Hochverrats angeklagt,aber unschuldig gesprochen – und trotzdem nach Sibirien verbannt. Seine immen-sen Reichtümer, u. a. Ländereien in Polen, der Ukraine und im Baltikum, rund100.000 Leibeigene inbegriffen, werden von der Krone ebenso konfisziert wie seinePaläste in Moskau und in St. Petersburg. Alexander Menschikow stirbt zwei Jahrespäter in der Verbannung.

Wassiljewskij-Insel

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Inselspaziergang 115Füßen und gedenkt der „Studenten derUniversität, die der politischen Repres-sion zum Opfer fielen“. Welche Repres-sion gemeint ist, darf sich der Betrach-ter ausdenken …

Кунсткамера

KunstkammerDie Kunstkamera, wie die Kunstkam-mer auf Russisch heißt, hat nichts mitder Kamera zu tun, die Sie um den Halshängen haben. Immerhin erinnert derrussische Begriff daran, dass Kameraund Kammer den gleichen etymologi-schen Ursprung haben – da passiertetwas im Dunkeln. Tatsächlich wird inder Kunstkammer, diesem Kuriositä-tenkabinett Peters I., manchem etwasmulmig zumute. Der Ruf des Gruseli-gen ist auch dafür verantwortlich, dasssich vor dem Museum täglich Schlan-gen bilden.

Die von Peter dem Großen ins Lebengerufene Kunstkammer ist das ältesteMuseum ganz Russlands. Neben derberühmt-berüchtigten Kuriositäten-sammlung, die Peter erst in seinem Pa-last im Sommergarten, dann im Kikin-Palast der ängstlich staunenden Öffent-lichkeit präsentierte, beherbergt dergrün-weiße Bau aber auch noch andereAbteilungen.

An der Kasse und an zwei mythologi-schen Götterfiguren vorbei gelangtman in die ethnographische Abteilung,die sich in der ersten Etage fortsetzt. Sieist gleichsam die internationale Erwei-terung des Nationalen Ethnographi-schen Museums ( Tour 2). Nord-amerika ist mit der indianischen Kulturvertreten, Japan mit kunstvollen Fäch-ern und Masken des No-Theaters sowiefurchterregenden Samurai-Kriegern,Afrika mit allerlei Musikinstrumentenund magischen Objekten, die Mongoleimit einer kleinen Jurte, Korea miteinem wunderschön geschnitztenStuhl, Indochina mit einem Buddha im

Lotus-Sitz, und aus Indonesien kom-men die drei berühmten Affen, dienichts hören, nichts sehen, nichts sagen.

Sammlungen von in Alkohol konser-vierten Missgeburten und anderen ana-tomischen Abnormitäten gibt es einigeauf der Welt, doch die Kunstkamera Pe-ters des Großen ist vermutlich die äl-teste und vielleicht auch die umfang-reichste: missgebildete Kinderköpfe,siamesische Zwillinge, Kinder mit zu-viel Zehen, ein zweiköpfiges Schaf, dasnebenbei auch über zwei Rückgrateverfügt, ein Fötus mit nur einem Augeund so weiter. Peter der Große war ebenan allem interessiert – an Schiffsbauund Städteplanung wie auch an Zahn-heilkunst und anatomischen Abnormi-täten. Große Teile des Kuriositätenka-binetts kaufte er auf seinen Reisen querdurch Europa zusammen, zusätzlicherließ er einen Aufruf an seine Lands-leute, die er für interessante Missgebur-ten, die sein Kabinett bereichern könn-ten, in bar zu bezahlen versprach.

Und wer will das alles sehen? Heutestehen russische und ausländischeTouristen Schlange und bezahlen ander Kasse. Peter, der seinem Volk denAberglauben aus- und die Wissen-schaft eintreiben wollte, hielt es anders.Er legte darauf Wert, dass den Besuch-ern die Exponate erklärt wurden, undgerne führte er höchstpersönlich durchseine Sammlung. Wer den Mut auf-brachte, sein Museum zu besuchen,zahlte keinen Eintritt, sondern wurdemit einem Glas Wodka belohnt – Frau-en mit einer Tasse Tee plus Zuckerbrot.Dass bei seiner Sammeltätigkeit nichtnur wissenschaftliche Motive den gro-ßen Zaren bewegten, beweist der ein-gelegte Kopf von Willem Mons. DerMann war der Bruder von Peters Mä-tresse, stellte aber seinerseits der Zarinnach (ob mit Erfolg, ist umstritten). Pe-ter ließ ihn vierteilen und integrierteden Kopf kurzerhand in seine berühm-te Kollektion.