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Yoga in der Schule Ein Bericht von Jutta Leite

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Yogain derSchule

Ein Berichtvon

Jutta Leite

Viparîta kara~î

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Yoga für Kinder, sei es in der Kita, in Freizeitkursen oder auch in

der Grundschule, etabliert sich immer mehr. Yoga für Jugendliche

dagegen ist in der Öffentlichkeit nicht so präsent. Vor allem nicht an

der Schule. Dass gerade aber Jugendliche von Yoga profitieren kön-

nen, davon sind Anna-Leena Bahrmann und Michaela Görner über-

zeugt. Beide sind nicht nur Yoga - sondern auch Schullehrerinnen.

Sie bekommen die Nöte von den SchülerInnen hautnah mit. No-

tenstress, Prüfungsangst, ein engmaschig organisierter Schulalltag

und dazu noch der ganz normale Pubertätsstress - der Druck ist

groß. Jugendliche müssen viel leisten. Sie müssen in einer sich im-

mer schneller drehenden Welt und immer größeren Informations-

flut den Durchblick behalten. Viele sehnen sich da nach einer klaren

Struktur und wünschen sich einen Ort, an dem sie wenigstens mal

für kurze Zeit ihr Gefühls- und Gedanken-Karussell zur Ruhe kom-

men lassen können. Um Jugendlichen diesen Raum zu geben, haben

Anna-Leena Bahrmann in Berlin und Michaela Görner in Essen ange-

fangen, interessierte Schüler/innen in Yoga zu unterrichten.

tik an der Schule. Seit vier Jahren unter-richtet die 37jährige hier. Das Gymna-sium hat einen musikbetonten Zweig.Das kommt Anna-Leena Bahrmann, dieselber mehrere Instrumente spielt, undTeil des Schulorchesters ist, sehr entge-gen. Auf einer der Musikfahrten mitdem Schulorchester kam ihr die IdeeYoga anzubieten - was allen Teilneh-mern großen Spaß machte. Und sostand ihr Entschluss nach der Yoga Aus-bildung im Berliner Yoga Zentrum fest,in ihrer Schule einen regelmäßigenYogatermin anzubieten. Denn im nor-malen Schulalltag lernt sie die Schülerüber die Wissensvermittlung im Unter-richt kennen. Als LehrerIn weiß sie werwelche Interessen bezüglich des Unter-richtsstoffes hat, wer etwas schnellerlernt und wer ein bisschen mehr Zeitbraucht. Am Ende des Schuljahres wer-den dann die Schüler/innen für ihre Leis-tungen benotet. Anna-Leena Bahrmannsieht da eine große Lücke zur Wahrneh-mung der gesamten Person:

»Ich habe in meinem normalenUnterricht gemerkt, dass ich durch mei-

auf ihre Schülerinnen ausgerichtet. VomSchulhof hört man nur das Zwitschernder Vögel. Doch schon in der Anfangs-entspannungsübung, als alle Schülerin-nen auf ihrer Matte liegen, durchschnei-det ein dumpfes Dröhnen die ruhigeAtmosphäre. Vor dem Übungsraumzieht eine Bohnermaschine beständigihre Bahnen. Alle bleiben mit geschlos-senen Augen liegen, sie scheint das Ge-räusch nicht weiter aus der Fassung zubringen. »Ach komm, wir stellen unseinfach vor das ist Meeresrauschen«schlägt eine Teilnehmerin vor. Ja, sie las-sen sich wirklich nicht von ihrer Yoga-stunde abbringen. Unvorhergesehenes,das kann in dem Schulgebäude immerpassieren. Da ist die stündlich schrillelang anhaltende Pausenglocke noch daswenigste. » Da muss ich halt aufpassenund die Stunde so timen, dass dieSchulklingel nicht mitten in einer Ent-spannungsübung losgeht«, lacht Anna-Leena Bahrmann.

Seit November gibt es die Yoga AG.Eigentlich ist Anna-Leena BahrmannLehrerin für Latein, Geschichte und Poli-

FREITAGNACHMITTAG, EIN sonni-ger Tag. Die Schule ist aus. Wochenen-de für die Schüler des Rheingau Gymna-siums in Berlin. Die Schule ist leer, bisauf einen Klassenraum. Dort sind die Ti-sche zur Seite gerückt. In dem anson-sten schmucklosen Zimmer liegen Yoga-matten in lila, türkis, violett - bunteFarbflecken auf dem grünlichen Lino-leumboden. Auf den Matten übt eineGruppe Mädchen Yoga. Zwischen 15und 19 Jahre sind sie alt und anstatt dasbeginnende Wochenende zu genießenund den Schulalltag hinter sich zu las-sen, sind sie freiwillig länger gebliebenum an der Yoga AG teilzunehmen.Ganz konzentriert sind die Jugend-lichen bei der Sache. Sie lassen sichdurch die eher nüchterne Klassenzim-meratmosphäre überhaupt nicht stören.Ihre Yogalehrerin Anna-Leena Bahr-mann, eine sportliche junge Frau mithalblangen dunklen Haaren und wa-chem Gesichtsausdruck, steht vor ihnen.Mit souveräner, ruhiger Stimme führtsie ihre Gruppe durch die einzelnenÂsanas. Ihre Aufmerksamkeit ist ganz

Âsana

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nen Yogahintergrund die Schüler/innenauch noch mal auf eine ganz andere Artund Weise sehe. Im Unterricht und inder Schulhektik kann ich nicht, auchwenn ich mich noch so bemühe, derganzen Persönlichkeit gerecht werden.Am liebsten möchte ich ihnen indivi-duelle Pausen in einer Stunde gestattenund auch mehr auf ihr individuellesLerntempo eingehen, schließlich wollenwir die Individualität fördern, aber dasgeht im normalen Schulalltag nur sel-ten. Da ist mir die Idee gekommen überden Yoga den SchülerInnen mehr Acht-samkeit vermitteln zu können. Dass derYoga ein Weg ist, bei dem sie sich, ihreBedürfnisse, ihre Stärken, aber auch ihreSchwächen besser kennen lernen kön-nen.«

Bei ihrem Schulleiter stößt sie mit ih-rem Projekt SchülerInnen nach demUnterricht Yoga zu unterrichten auf of-fene Ohren. Er gibt ihr grünes Licht,Yoga für ein Schuljahr in einer AG aus-zuprobieren. Auch ihr Kollegium siehtdas Experiment Yoga in der Schule zumgrößten Teil positiv. Eine gute Voraus-setzung findet Anna-Leena Bahrmann.

»Es gibt viele offene Kollegen, diezum Teil selber Yogaerfahrung haben.Viele würden auch gerne zur Stundekommen, da sie auch Entspannungbräuchten. Das geht natürlich nicht. DieSchülerInnen sollen vom Yoga profitie-ren. LehrerInnen würden da nur stören.Einige Kollegen können mit Yoganichts anfangen. Für sie ist das eherGymnastik. Aber insgesamt herrscht Of-fenheit. Die allgemeine Auffassung vonYoga ist, dass er nicht nur den Körperbetrifft, sondern auch den Geist unddas finde ich gut. Ich habe keineSchwierigkeiten mit den Sportlehrern,ich kann mir die Matten von ihnen aus-leihen und darüber bin ich sehr froh«

Als freier Termin bietet sich der Frei-tagnachmittag an. Sie richtete ihr Ange-bot an alle Schüler ab der 9. Klasse. DieAltersgrenze hat sie mit Bedacht ge-wählt:

»Die ist von mir ganz bewusst ge-setzt. Natürlich würde ich auch mit jün-geren SchülerInnen üben. Ich will abernicht die Siebtklässler mit den Abiturien-ten zusammen in einem Kurs unterrich-ten. Die älteren SchülerInnen haben an-dere Bedürfnisse als jüngere. Für sie

müsste ich viel körperbetontere und dy-namischere Übungen machen. Deshalbhabe ich die Altersgruppe so gesetzt«.

Im November letzten Jahres startetedas Experiment. Anna-Leena Bahrmannist überrascht, wie viele Schüler undSchülerinnen sich für Yoga interessie-ren. Der ursprünglich gedachte Raum istzu eng und sie musste in einen größe-ren Klassenraum ausweichen. Die Grup-pe bestand anfangs aus 22 Jungen undMädchen, vor allem Schüler/innen, diekurz vor dem Abitur stehen, kommen.

Allerdings erweist sich der Unterrichtin dem Klassenraum, indem auch einigeSchüler normalen Unterricht haben, alsnicht besonders günstig.

Mit der Zeit ist die Gruppe kleinergeworden, vor allem die, die sich auf ihrAbitur vorbereiten mussten, sind ausZeitgründen nicht mehr Teil der Gruppe,die jetzt nur noch aus Mädchen besteht.Inzwischen gibt es für sie einen neutra-len Klassenraum, der nicht mit Noten-stress besetzt ist. Für die 16jährige Laris-sa aus der 10. Klasse wirkt sich das so-fort positiv auf die Yogastunden aus.

»Vorher war die AG in einem ande-

ren Raum, indem ich auch Klassenarbei-ten schreibe, dort konnte ich nicht sogut Yoga üben, weil ich dort nicht vomnormalen Unterricht abschalten konnteund das war für die Konzentration beimYoga nicht all zu gut. In diesem Zimmerhabe ich keinen Unterricht und hierkann ich auch viel besser entspannen.«

Anna-Leena Bahrmann ist auchfroh einen einigermaßen neutralenRaum gefunden zu haben. Sie mussständig zwischen ihrer Rolle als Latein-,Geschichts- und Politiklehrerin und derals Yogalehrerin wechseln. Das ist nichtimmer ganz einfach. Sie ist erstaunt wiegut es ihren Schülern gelingt, sie in denwechselnden Funktionen wahrzuneh-men.

»Selbst Schülerinnen, die ich kurzvorher unterrichtet habe und die dannauf der Yogamatte sich von mir durchdie Yogastunde führen lassen, sind oh-ne Scheu. Sogar wenn ich in der Stundevorher eine Note ausgeteilt habe, klapptes. Aber ich kann mir vorstellen, dassdas nicht immer so ist. Ich sehe da einegewisse Problematik. Schüler entwickelnim Yogakurs Vertrauen, erzählen Dinge,

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mit Noten beurteilt. Mit dem Yoga willich ihnen vermitteln, dass Noten nichtabsolut sind. Dass es nicht stimmt,wenn man in einem Fach nicht gut ist,auch als Mensch nicht gut ist. Das ist oftein Problem bei Jugendlichen. Sie bezie-hen in dieser Findungsphase ihre Notenganz stark auf sich selbst. Da kann ichmit dem Yoga sehr viel erreichen. Ichbringe ihnen bei, dass die Noten nur ih-re Leistungen bewerten und nichts dar-über aussagen wie viel sie als Menschwert sind«.

Ein Ansatz mit dem Anna-LeenaBahrman positives Feedback bekommt.Die Atmosphäre in der Gruppe ist ver-trauensvoll. Zu Beginn wirken die Ju-gendlichen erschöpft von der Schulwo-

Rücken anfängt zu ziepen, sie stellen ih-re eigene Grenze fest. Diese Grenzen zuakzeptieren ist schon für Erwachseneschwierig, für Jugendlich aber noch vielmehr. Außerdem befinden sie sich in ei-nem Alter wo der Körper und ihre Ge-fühle Dinge machen auf die sie keinenEinfluss haben. Die Struktur, die derYoga vorgibt kann da im positiven Sinnesehr hilfreich sein. In der Schule ist Ehr-geiz angesagt. Da geht es um gute No-ten. Das ist Konkurrenzkampf pur. Des-wegen bietet der Yoga mit Jugend-lichen in der Schule einen guten Aus-gleich zu dem eigenen Ehrgeiz und demKonkurrenzkampf dem die Schüler/in-nen ausgesetzt sind. Der Yoga teilt nichtin Kategorien ein. Hier werden sie nicht

zum Beispiel, was sie körperlich oder ineiner Meditation erlebt haben, was sieeiner Lehrerin nicht erzählen möchten.«

Die Lehrerin möchte ihren Schülerneine gute Einstellung zu ihrem Körper,zu ihrem Geist, zu ihrem Leben zu ver-mitteln. Und ihnen einen Weg zeigen,wie sie sich den Anforderungen desSchulalltags stellen können:

»Jugendliche befinden sich in Über-gangsphase, sie wissen oft nicht wohines geht. Ich kann ihnen mithilfe desYoga eine Struktur bieten an der sie sichentlang hangeln und ausprobieren kön-nen. Sie können feststellen das sie kör-perliche Stärken und Schwächen haben.Sie merken, sie können ein Âsana nursoweit machen, bis es zum Beispiel im

Âsana

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che. Und es ist zu spüren wie sie sichauf die Stunde freuen.

Sie bringen auch gleich einenWunsch hervor. Sie wollen Triko›âsanaüben aber ansonsten auf keinen Fall zuviele anstrengende Âsanas Das habensie auch gleich zu Beginn der AG zumAusdruck gebracht. Bloß keine Verren-kungen und körperlich sehr forderndeÜbungen. Dann könnten sie auch gleicheinen Sportkurs besuchen, so die Schü-ler. Anstrengen müssen sie sich schonden ganzen Tag. Im Yoga suchen siehauptsächlich Entspannung auf körper-licher und auf geistiger Ebene. Dasbringt die 15jährige Jessica aus der9.Klasse noch mal zum Ausdruck:

»Ich habe drei mal in der WocheLeistungssport als Schwimmerin. DurchYoga werden alle Muskeln entspannt,die vom Training oft angespannt sind.Ich werde einerseits beweglicher durchdie Übungen und andererseits kann ichnach der Yogastunde viel entspannter

an die Dinge heran gehen, die ich nochzu tun habe. Vor dem Yoga geht mirnoch der Schulalltag durch den Kopf,nach dem Yoga geht es mir viel besser.Ich merke jetzt auch schneller, wenn ichverspannt bin.« Das kann Laura, die ge-rade mitten im Abitur steckt bestäti-gen. »Während des Abistresses tut mirYoga total gut. Ich mache inzwischensogar neben der AG auch noch einenYoga Kurs mit meiner Mutter zusam-men bei Anna-Leena. Ich habe seit 2-3Jahren Rückenprobleme. Inzwischengeht es meinem Rücken viel besser.Yoga ist ein toller Ausgleich. Ich kommeviel zu selten zur Ruhe und nehme mirkaum Zeit zum Abzuschalten. Irgendwieist immer was los. Jugendliche sindständig unterwegs und immer in Ak-tion. Ich nehme mir selten Zeit malnichts zu machen. Yoga hilft mir dabeisehr.«

Die Stunde an diesem Nachmittagbesteht ungefähr zur Hälfte aus Ent-

spannungsübungen im Liegen. die an-dere Hälfte sind körperbetonte Âsanas.Heute übt Anna-Leena sogar einen klei-nen Sprung im Sonnengruß. Es gibt vielGelächter, weil dies für die Schülerinneneine große Herausforderung ist. Nachzwei Versuchen liegen auch schon allewieder auf der Matte. Anna-Leena ar-beitet daran, den Jugendlichen beizu-bringen, dass sie sich nicht nur auf demRücken liegend entspannen können:»Sie haben es noch nicht verstanden,dass sie auch in einer körperlich an-spruchsvollen Übung Entspannung fin-den können. Wir sind erst auf dem Wegmehrere Arten von Entspannung auszu-probieren. Ich würde mir mehr Körper-lichkeit für die Jugendlichen wünschen,weil es ihnen gut täte. Leider müssen sieim Schulalltag sehr viel sitzen. Ich mussdie SchülerInnen da abholen wo siesind. Ich glaube schon, das sie innerlichein Bedürfnis nach Bewegung haben,sie haben auch Lust auf witzigere Übun-

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so gut. Jetzt sollen sie auf ihre Ein-undAusatmung achten, um sich zu konzen-trieren.«

Die Yoga AG gibt es seit November,aber nicht immer regelmäßig, denn dieSchule hat natürlich Vorrang mit Klas-senfahrten oder Wandertagen. Abermanchmal sind die Jugendlichen aucheinfach zu k.o. um zum Yoga zu kom-men. Dies macht eine kontinuierlicheArbeit, anders als in normalen Yoga-gruppen, schwierig. Anna-Leena mussihr Konzept immer wieder neu überprü-fen.

» Mein Ziel ist es meinen SchülerIn-nen soweit einen Einblick im Yoga zugeben, dass sie sich ein Urteil bildenkönnen ob sie ein weiteres Schuljahr imKurs bleiben wollen oder nicht. Ich den-ke sie wollen alle bleiben. Nun arbeite

Aber weil sie sowieso so viel in derSchule sitzen müssen, will ich ihnenbeibringen, dass es 3.000 verschiedeneArten zu sitzen gibt.«

Die Lehrerin muss lachen und er-zählt von ein paar Tricks, die sie auf La-ger hat, damit die Jugendlichen dieStunde über mit ihrer Aufmerksamkeitnicht wegdriften.

»Ich setze einfache Übungsabläufeein um die Stunden interessant zu ge-stalten. Ich probiere jetzt Âsanas die siekönnen, intensiver zu gestalten und ha-be dafür Ujjâyî ins Atmen eingeführtdamit sie sich besser ausrichten. Dennwenn sie denken, sie würden eineÜbung beherrschen, neigen sie dazu,diese mechanisch zu wiederholen. Armehoch, Arme runter. Ich habe es erst mitZählen ausprobiert. Das fanden sie nicht

gen, aber sie sind so erschöpft wenn siein die Stunde kommen, weil ihr Druckim Schulalltag so groß ist, dass ich an ei-nem ruhigen Punkt ansetzen muss.

Um ihnen den Spaß nicht zu neh-men darf ich die Stunde nicht so an-strengend gestalten und nur hin undwieder mal was ausprobieren, wie heu-te den kleinen Sprung. Ich möchte ih-nen aber zeigen, dass es Spaß machtsich körperlich anzustrengen. Sie sind jaalle sehr sportlich und könnten das auchalle sehr gut leisten. Auf der anderenSeite ist ihre Wahrnehmung noch nichtso gut geschult. Das sehe ich bei ihrenVor- und Rückbeugen. Deshalb würdensie von anspruchsvollen Übungen auchnoch nicht profitieren. Ich will da keineDinge rein bringen, die nicht zu Ihnenpassen.

Âsana

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ich daran Âsanas und Atem so aufzu-bauen, das sie anfangen können denYoga richtig für sich zu nutzen.

Sie kennen inzwischen den Ablaufeinzelner Übungen, wissen wo ihreGrenzen sind. Und spüren was ihnengut tut oder auch nicht.«

Auch die Jugendlichen sehen beisich erste Fortschritte. Sie haben größ-tenteils ihr Lieblingsâsana gefunden –die Vorbeuge aus dem Cakravâkâsana.Diese Position genießt Gina aus der 9.Klasse sehr:

»Meine Lieblingsübung ist, vomVierfüßlerstand in die Embryohaltung zugehen. In dieser Position fühle ich michgeschützt und total entspannt.«

Chiara ist 15, besucht die 9. Klasseund ist über ihre Fortschritte, obwohl sieerst seit gut einem halben Jahr Yogapraktiziert, begeistert: »Nach der Yoga-stunde bin ich noch das ganze Woche-nende entspannter und kann so amWochenende auch viel besser für dieSchule lernen.« Gina geht es ähnlich:«Ich bin ein sehr quirliger Mensch undkomme selten mal zur Ruhe. Seit ichYoga kennen, kann ich am Wochenen-de auch mal sagen, stopp Gina ent-spann dich mal.«

Offensichtlich profitieren die Schüle-rinnen auf mehreren Ebenen von ihrerYoga AG. Es gibt während der Stundekeinen Leistungsstress, sie können sosein wie sie sich gerade fühlen und wer-den von ihrer Lehrerin als ganzerMensch wahrgenommen. Das regelmä-ßige Üben hilft den Schüler/innen sichauch besser im Schulalltag zu konzen-trieren. Bei manchen Schüler/innengeht das Interesse auch noch weiter.Wenn Anna-Leena Bahrmann Vertre-tungslehrerin im Fach Ethik ist, disku-tiert sie mit den Schüler/innen Begriffeaus dem Yoga Sûtra. Zum Beispiel überYama und Niyama. Das sind spannendeThemen bei denen alle mit diskutierenkönnen. Obwohl die Lehrerin sieht, wiedie Schüler/innen vom Yoga profitieren,findet sie nicht das alle Schüler/innenYoga machen sollten.

» Schüler sollten immer freiwilligentscheiden, ob sie Yoga machen wol-len.Wenn jemand Yoga blöd findet, istdas auch in Ordnung. Ein Schüler solltesich gut überlegen, ob er Yoga ma-chen möchten. Vielleicht findet er auch

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Ein

Aus

Ein

Aus

1 Atem-zug

im Wechsel

rechterlinkerArm

Fokus auf die Ein-und Ausatmung.Wann beginnt dieAtembewegung?Dynamisch undstatisch

3 Runden dynamisch, Fokusauf fließender Bewegung,dann: Beginn der Ein- undAusatmung bewusst wahr-

nehmen. Dann Atemund Bewegung gleich -zeitig beginnen lassen.Dynamisch/statisch.

Fokus: Beginn der Ein- und Ausatmungbewusst wahrnehmen. Atem und Bewe-gung beginnen gleich zeitigDynamisch/statisch

Aufrechte, angenehme Sitzposition. 1) Atem frei fließen lassen, 2)Gleichmäßigkeit in die Ein- und Ausatmung bringen, 3) Einatmung ru-hig und gleichmäßig, Ausatmung intensivieren, aktive Bauchbewe-gung, 4) Wie 3, Ein- und Ausatmung bewusst wahrnehmen, wannbeginnt die Atembewegung, wann endet sie?5) Pause, 6) freier Atem, Atem beobachten 7) Abschluss

Gleicher Fokus

Pause

Pause

ca. 2 Minuten

beideArme

Ein

Aus

Ein

Aus

Ein

Aus

Ein

Aus

Aus

Aus

Aus

Ein

Ein

Aus

Ein Ein

Zum Beispiel: Ein Kurs der Yoga AG von Anna-Leena Bahrmann

ruhig. Niemand quatscht, wie es im nor-malen Unterricht gang- und gebe ist.Nur manchmal bekommen sie einenLachanfall, wenn ihnen eine Übung zufremd ist.

Glaubst du, dass der Stress für dieSchüler/innen in der Schule und in ih-rem Leben gestiegen ist?

Es werden von allen Seiten Ansprü-che an sie gestellt. Außerdem setzen siesich ihrem selbst gewählten medialenEinfluss aus. Viele Schüler kommennach Hause, schalten den Fernseher inihrem Zimmer ein, der läuft bis in dieNacht hinein. Parallel dazu surfen sie imInternet, chatten und spielen mit ihrerPlaystation. Das machen viele Schülerum von der Schule Abstand zu gewin-nen. Deshalb ist es besonders wertvoll,wenn sie ein anderes Mittel an die Handbekommen, bei dem sie selber aktivwerden können. Zum Beispiel wenn sieam nächsten Tag eine Arbeit schreiben,und sie nervös sind, dass sie dann nichtzur Ablenkung Computerspiele spielen,sondern sich hinsetzen und vielleicht einpaar Atemübungen machen.

Leiden die Schüler/innen auch ankörperlichen Beschwerden?

Ja, die Schüler/innen sitzen von achtUhr morgens bis kurz vor vier haupt-sächlich auf Stühlen. Ganz viele Schü-ler/innen haben auch Rückenschmerzen,Kopfschmerzen und Haltungsprobleme.Mit dem Yoga kann ich ihnen zeigenwas sie tun können, wenn sie Rücken-schmerzen oder Kopfweh haben. Ichwill ihnen beibringen, dass es andereMittel gibt als eine Tablette zu nehmen.

Hast du in deinem Kurs bei deinenSchüler/innen Fortschritte feststellenkönnen?

Was mir am meisten auffällt ist dieBereitschaft aufrecht zu sitzen. Es gibtvor allem Jungens, die lassen, wennman sie auf einen Hocker setzt, denOberkörper zusammenfallen. Sie sitzenmit einem sehr gerundeten Rücken.Wenn ich ihnen sage sie sollen sich auf-recht hinsetzten, dann machen sie esmaximal für eine Minute. Dann ist ihnendas zu anstrengend und sie sacken wie-der zusammen. Das ist mir besondersam Anfang des Kurses aufgefallen. Ich

darüber, dass sie teilgenommen haben.In diesem Schuljahr konnten die Acht-klässler zum ersten mal Yogaunterrichtwählen. Sie sind im Durchschnitt 14Jahre alt und in der Gruppe sind etwagleich viele Jungen und Mädchen.«

Wie viele Schüler/innen sind in dei-nem Kurs?

Im 1. Halbjahr waren es 14Schüler/innen. Jetzt im 2.Halbjahr sindes 9. Aber meistens ist die Stunde trotz-dem voll. Yoga ist so unbekannt für dieSchüler/innen, dass wenn woandersStunden ausfallen, die Schüler/innen zumir kommen. Ich habe in meiner Stundealso oft Gäste. Ich unterrichte Yogaauch nicht im Klassenzimmer, sondernin einem wunderschönen Übungsraummit großen Fenstern.

Wie bist du auf die Idee gekommenYoga für die Schüler/innen anzubieten?

Ich habe im Unterricht festgestellt,dass die Schüler oft so sehr weit wegvon sich sind. Sie haben unheimlich vielzu tun für die Schule und auch nachmit-tags haben sie meist ein volles Pro-gramm. Ich sehe, dass sie sehr wenig insich ruhen. Sie haben kaum Möglichkei-ten mit sich selber Zeit zu verbringen.Ich wollte einen Rahmen schaffen indem sie sich mit sich selber in vielfältig-ster Form auseinandersetzen. Außerdemkönnen sie mit Hilfe des Yoga für ihrenSchulalltag profitieren. Beim Yoga er-fahren sie sich in einer Situation, in dersie sehr konzentriert sind. Im Unterrichtfällt es vielen sehr schwer sich zu kon-zentrieren. Das ist auch noch mal einUnterschied zum Gymnasium, da hierein breites Spektrum von Schülern mitunterschiedlichsten Fähigkeiten zusam-men lernt. In einer Klasse haben dreiSchüler richtig schwere Konzentrations-störungen. Wenn sie im Yogaunterrichtdie Erfahrung machen, dass sie sichkonzentrieren können, hoffe ich, dassdas eine Langzeitwirkung hat.

Wenn so viele deiner Schüler/innenim normalen Unterricht Probleme habensich zu konzentrieren, wie geht dasdenn beim Yoga?

Sie lassen sich ganz auf den Unter-richt ein. Sie sind uneingeschränkt offenfür Yoga und sind im Unterricht ganz

in einem anderen Bereich seine Struk-tur. Ich freue mich mehr, wenn ich esfreiwillig anbieten kann und viele kom-men. Oft verbinden Schüler den Yogamit komischen Körperübungen oderdenken, dass ist eine Art indische Reli-gion. Und Junges sagen oft, das ist janur was für Mädchen. Ich sage ihnen,das sie Yoga einfach mal ausprobierensollen und versuche ihnen zu vermitteln,dass ich keine absolute Lehre vertrete.«

Anna-Leena Bahrmann strahlt Of-fenheit und Toleranz aus. Sie möchtemit ihrer Gruppe auch im nächstenSchuljahr weitermachen und wird allesdafür tun, ihren Schulleiter zu überzeu-gen, dass die Yoga AG auch im näch-sten Schuljahr stattfindet. Vielleichtkann sie dann neben ihrer bestehendenGruppe auch noch einen neuen Kurs fürAnfänger anbieten. Damit alle, die Inter-esse haben vom Yoga profitieren kön-nen.

MICHAELA GORNER unterrichtetan der Gesamtschule Essen-Holsterhau-sen. An ihrer Schule gibt sie ihren Schü-lern ein mal in der Woche Yogaunterr-richt. Ihre Ausbildung zur Yogalehrerinhat sie im Berliner Yoga Zentrum ge-macht. Hier nimmt sie auch an einerFortbildung für individuelle Begleitungdurch Yoga und Yogatherapie teil.

Michaela, du bietest Yoga nicht wieAnna-Leena außerhalb des Unterrichtsin einer AG an, bei Dir in der Gesamt-schule in Essen läuft es ein bisschen an-ders.

In welchem Rahmen bietest duYogaunterricht an deiner Schule an?

Michaela Görner: »In allen Gesamt-schulen in Nordrhein Westfalen gibt esErgänzungsstunden. Wir können Wahl-pflichtfächer anbieten. Es gibt nicht nurklassische Module, wie Deutsch oderMathematik, sondern auch extravagan-te Sachen, die die persönlichen Interes-sen der Schüler/innen treffen. Sie kön-nen den Babysitter-Führerschein ma-chen, Sport- oder Sanitätshelfer werdenund eben auch Yoga lernen. Zu Beginnjeden Halbjahres bekommen die Schülereinen Katalog und können sich einWahlpflichtfach auswählen. Am Endedes Kurses bekommen sie ein Zertifikat

Âsana

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beobachte wie die Schüler im Laufe derZeit, ohne groß darüber zu reden, bes-ser und aufrechter sitzen können. Siegenießen es, mal nicht so zusammenge-sunken auf einem Stuhl zu sitzen.

Was für Âsanas mögen sie denngerne?

Sie lieben die Vorbeuge aus Cakra-vâkâsana, auf dem Rücken liegen undApânâsana, das mögen sie auch sehr.Manchmal dürfen sie sich eine Abfolgeaus Âsanas auswählen oder ein kleinesVinyâsa Es gibt dann vielleicht drei, dieein körperlich anspruchsvollere Übungs-abfolge wählen. Die anderen wählendann lieber Âsanas, wo sie in eine einfa-che Haltung reingehen und dann wie-der wieder hinaus. Schulterbrücke indrei Varianten oder die Kobra wählensie, ‡alabhâsana finden viele dannschon wieder viel zu anstrengend. Siewollen lieber etwas zum Entspannen

Warum legen die Schüler/innen so-viel Wert auf Entspannung und habennicht soviel Freude an dynamischerenÜbungen?

Die längeren Übungsabfolgen (Viny-âsas) sind ja sehr anspruchsvoll. DerKörper von Jugendlichen befindet sichaber in einem ständigen Wandlungspro-zess. Oft sind sie sich selber ein bisschenfremd. Wenn ich sage, dass sie die Ar-me über vorne nach oben nehmen undsich dabei strecken sollen, können dasnur wenige Schüler/innen von sich ausmachen. Es fällt ihnen schwer ihren Kör-per zu öffnen. Gerade in dem Alter beiden 14jährigen stößt man da auf eineHemmschwelle. Sie fühlen sich einfachnoch nicht richtig wohl mit ihrem Kör-per. Vinyâsas erfordern auch eine großeKoordinationsfähigkeit. Wenn der Kör-per wächst, sind die Arme zu lang imVerhältnis zu den Beinen. Die komplexe-ren Übungsabläufe üben sie schnell,weil sie sich nicht so wohl in den Übun-gen fühlen. Bei einfachen Übungen sindsie in der Lage ihren Körper ganz klar zusteuern.

Sie haben eine große Sehnsuchtnach Ruhe. Das können sie in den einfa-chen und ruhigen Übungen am bestenfür sich erfahren. Sie können ganz klarihren Fokus auf den Atem legen undmüssen sich nicht auf so viele Sachen

konzentrieren. Nach ihrem Schulalltagwollen sie nicht noch mehr Input, son-dern Ruhe.

Hast du erwartet, dass dieSchüler/innen hauptsächlich zur Ruhekommen wollen?

Das war für mich ganz überra-schend, das hatte ich überhaupt nichterwartet. In der letzten Stunde vorWeihnachten durften sie sich was wün-schen und das hat mich fast umgehau-en. Dreiviertel der Teilnehmer/innen ha-ben gesagt, dass sie sich eine Medita-tion wünschen.

Was für Meditationen machst dumit deinen Schüler/innen?

Sie mögen es sehr, wenn ich sieganz eng angeleitet durch den Körperführe. Das mache ich aber nicht so oft,weil die Jugendlichen dabei wenig ei-gen-aktiv sind. Ich bringe Karten mitschönen Motiven mit. Dann können siesich ein Bild auswählen und sich danndarauf ausrichten. Einmal habe ich Obstmitgebracht. Einen Apfel, eine Orangeund eine Mandarine und sie sollten überdie verschiedene Sinneskanäle das Obstwahrnehmen. Die meisten haben zudem Apfel gegriffen. Zuerst sollten sieihn anschauen und das Bild in sich auf-nehmen, dann mit geschlossenen Au-gen befühlen und dann riechen. Nach

der Meditation haben sie den Apfel ge-gessen. Das war ein ganz normaler Ap-fel, kein Bioapfel. Alle meinten hinter-her, das sie noch nie einen so guten Ap-fel gegessen hätten. Das war spannend,denn sie hatten bis dahin noch nie sobewusst einen Apfel wahrgenommen.

Was für Erfahrungen nehmen deineSchüler/innen aus dem Yoga mit?

Sie nehmen die Erfahrung mit, dasssie selber etwas tun können, um inner-lich ruhiger zu werden. Sie sind in ei-nem Alter, in dem sich ihre Persönlich-keit noch mal auf eine neue Art festigt .Sie sind kurz davor erwachsen zu wer-den. Die Erfahrungen, die sie jetzt imYoga erleben, können sie hoffentlichmitnehmen für ihr späteres Leben.«

Michaela Görner bekommt im Sep-tember ihr erstes Kind und zieht von Es-sen nach Jena. Dort will sie natürlichauch wieder Yoga in der Schule anbie-ten. Ihr Traum: Einzelunterricht fürSchüler, denen Lehrer/innen im norma-len Unterricht nicht gerecht werdenkönnen, weil sie zum Beispiel unterADHS leiden. t

Jutta Leite ist freie Journalistin und ar-beitet unter anderem für das ZDF.

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Anna-Leena Bahrmann (37)unterrichtet Latein, Geschichteund Politik an der Rheingau-Oberschule in Berlin. Davor warsie einige Jahre als Lehrerin inHongkong.

Michaela Görner (37) unter-richtet an der Gesamtschule Es-sen-Holsterhausen. Sie ist dortLehrerin für Biologie, Physik und Chemie.