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Arbeitsblätter „Tensegrity“ Stand Juni 2002 Technische Universität München Fakultät für Architektur Lehrstuhl für Hochbaustatik und Tragwerksplanung Dipl.Ing.Christoph Gengnagel

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Arbeitsblätter „Tensegrity“ Stand Juni 2002

Technische Universität München Fakultät für Architektur Lehrstuhl für Hochbaustatik und Tragwerksplanung Dipl.Ing.Christoph Gengnagel

Arbeitsblätter Leichtbau Seite 1

Flächen- und Raumtragwerke Lehrstuhl für Hochbaustatik und Tragwerksplanung ⋅ TUM 01_02_leichtbau 14.06.2002

Leichtbau

Luftschiff „Hindenburg“ in Bau 1935

Barnes Wallis Wellington Bomber 1936

EXPO Pavillion 1970, Osaka

Entwicklung Bei Konstruktionen großer Spannweiten oder großer Höhe ist die Reduktion des Eigengewichts ein ökonomischer Zwang, bzw. die Vorraussetzung für die Realisierbarkeit einer Lösung. Leichtbau bedeutet materialsparsames und in der Regel reversibles Bauen. Die Notwendigkeit, die zu bewegenden Massen zu minimieren, führte im Flugzeugbau, Fahrzeugbau und Schiffsbau im Gegensatz zum Bauwesen zu einem hohen Entwicklungsstand der Leichtbautechnik. Probleme des Leichtbaus im Bauwesen sind seine Verformungsempfindlichkeit unter asymmetrischen Wind- und Schneelasten, Schwingungsanfälligkeit und die hohen Lohnkosten bei der Herstellung. Der Leichtbau kann in drei Kategorien unterschieden werden, die beim Entwerfen auf verschiedene Weise kombiniert werden: Materialleichtbau; Strukturleichtbau; Systemleichtbau. Materialleichtbau Unter Materialleichtbau versteht man die Verwendung von Baustoffen mit einem günstigen Verhältnis von Gewicht zu ausnutzbarer Festigkeit, Dehnung oder Steifigkeit. Systemleichtbau Die Überlagerung von Funktionen der Bauteile einer Struktur wird als Systemleichtbau bezeichnet. Das heißt, die Konstruktionselemente übernehmen nicht nur tragende Funktionen, sondern sind auch noch Raumabschluß, Wärmedämmung etc. Strukturleichtbau Strukturleichtbau bedeutet Entwurf von räumlichen Kräftepfaden mit dem Ziel eine Belastung mit einem Minimum an Eigengewicht der Konstruktion zu den Auflagerpunkten zu leiten. Zum Entwerfen von gewichtsarmen Tragsystemen sind verschiedene "Formfindungsmethoden" entwickelt worden. Nachdem zu Beginn nur experimentelle Methoden zur Verfügung standen, gewinnen durch die rasche Entwicklung der Computertechnik mathematisch- numerische Methoden eine immer größere Bedeutung. Prinzipiell können alle experimentelle Modelle mit einer höheren Genauigkeit in Bezug auf Kraft und Geometrie in mathematisch numerischen Modellen abgebildet werden. Dafür besitzen experimentelle Methoden eine höhere Anschaulichkeit und werden deshalb in der Regel in der ersten Phase des Entwurfes eingesetzt.

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Die Zielstellung eine lastabtragende Konstruktion minimalen Gewichtes zu entwerfen, kann aber auch schon auf qualitativer Ebene durch das Beachten der Regeln des Strukturleichtbaus verfolgt werden.

Riesenrad, Wiener Prater 1873

Regeln Strukturleichtbau - Vermeidung von Biegebeanspruchungen - Zugkräfte können über lange Wege eigengewichtsarm geführt werden - Druckkräfte sind über kurze Wege abzuleiten, ansonsten führen die Stabilitätsprobleme zu materialintensiven Lösungen - Druckkräfte, die über lange Wege abgeleitet werden , sind in selbststabilisierende Systeme einzubinden - Ein "Kurzschließen" von Kräften innerhalb eines Tragsystemes ist anzustreben, um Gewicht zu sparen und aufwendige Auflagerkonstruktionen zu vermeiden

Millenium Dome London, 2000

Arbeitsblätter Tensegrity Seite 1

Flächen- und Raumtragwerke Lehrstuhl für Hochbaustatik und Tragwerksplanung ⋅ TUM 01_02_tensegrity 14.06.2002

1. Tensegrity

Modell 1959 Southern Illiinois University

RBF mit Tensegrity Modellen an der Southern Illiinois University 1958

Definition Tensegrity sind Tragstrukturen, die aus einem kontinuierlichen System von Zugelementen und einem diskontinuierlichen Subsystem von Druckelementen bestehen. Die Struktur bedarf zu ihrer Stabilisierung einer ausreichenden Vorspannung. „small islands of compression in a sea of tension“ Buckminster Fuller Der Begriff "Tensegrity" wurde von Richard Buckminster Fuller einem amerikanischen Architekten und Ingenieur (1895 - 1983) aus den Wörtern "tensional" und "integrity" geprägt.

Speichenrad

Das Speichenrad Das "Speichenrad" mit tangential verspannten Speichen wird von RBF als erste Tensegrity Struktur identifiziert Das „Speichenrad“ ist ein selbststabilisierendes System. Ein druckbeanspruchter Ring (Felge) wird durch ein radiales System von Zugseilen (Speichen) gegen zwei zentrale Ringseile (Nabe) vorgespannt. Die Vorspannung erlaubt auch die Übertragung von Druckkräften durch dünne Zugglieder. Die kontinuierlich angeordneten Speichen geben dem Druckring die erforderliche Stabilität.

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Detail Mastkopf

Montage 1

Montage 2

Montage 3

Montage 4

Montage 5

Wichita House 1927 RFB Rundbau aus vorfabrizierten Teilen aus Aluminium, Stahl und Plexiglas, wird durch einen zentralen Mast mit Spannseilen getragen und im Boden verankert. RFB nutzte konsequent die Fortschritte der Legierungschemie und Metallurgie um das Eigengewicht der Konstruktion zu minimieren. Der zentrale 6,71m hohe Schaft aus sieben gebündelten rostfreien Stahlrohren wog nur 32,7 kg und konnte das Gewicht der ganzen Konstruktion zuzüglich einer Verkehrslast von 120 Personen tragen. Der Innenraum im Hauptgeschoß war in zwei Schlafräume mit Bädern, Wohnzimmer, Küche und Flur unterteilt. Das Wohnzimmer, das zwei Balkone und rundherum Plexiglas-Doppelfenster hatte, war rhombusförmig. Seine lange Diagonale maß 8,5 Meter. Die Türen waren faltbar und alle Schränke in die Trennwände eingebaut. Die Versorgungs-einrichtungen waren um den Mast herum angeordnet. Die natürliche Klimatisierung, eine für damalige Verhältnisse sehr leistungsfähige Dämmung und die Verwendung von Baustoffen mit nicht oxydierenden Oberflächen sollten die Betriebs- und Instandhaltungskosten des Hauses außerordentlich niedrig halten. Bei begrenzter Massenherstellung würde das ganze Haus ungefähr 6500 Dollar gekostet haben. Bei voller Produktion wären die Kosten bis auf 3700 Dollar gesunken. Die Struktur bestand nur aus 200 Teilen. Die Häuser sollten fertig verpackt vom Herstellungsband kommen und für nur 100 Dollar an jeden beliebigen Ort des Landes versandt werden können.

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2. Geschichtliche Entwicklung

Karl Ioganson, Gleichgewichtsstudie 1920

Karl Ioganson Ein erstes Beispiel für eine Tensegrity Struktur ist die Skulptur des russischen Künstlers Karl Ioganson. In einer Studie von 1920 brachte er 3 Druckstäbe durch eine kontinuierliche Verbindung mit Seilen ins Gleichgewicht. 1921 beschreibt er seine Motivation mit folgenden Worten: “ From painting to sculpture, from sculpture to construction, from construction to technology and invention – this is my chosen path, and will surely be the ultimate goal of every revolutionary artist”. Robbin, Tony ; A new ArchitectureYale University Press, 1996

Kenneth Snelson , „x-piece“ 1948

Kenneth Snelson Der amerikanische Architekt Kenneth Snelson hatte während seiner Studienzeit bereits kleine Skulpturen nach dem Tensegrity-Prinzip gebaut, bevor der Begriff Tensegrity überhaupt geboren war. Unter diesen Modellen befand sich auch das „X-Piece“. Die Arbeit erregte das Interesse von RFB, bei dem Kenneth Snelson damals studierte. Snelson verfogte im weiteren eher künstlerische Anwendungen. Er realisierte Strukturen in größeren Maßstäben. Eine der schönsten ist der Needle Tower im Smithsonian Institute in Washington D.C. Er ist ca. 30 m hoch und besteht aus einer Art Addition von 3-Eck Prismen-Elementen, bei der kein Druckstab einen anderen berührt. Ein weiteres Beispiel, die Skulptur „easy landing“ in Baltimore besteht aus einer Kombination von Twistelementen und ist nur auf drei Stützen aufgelagert.

Needle Tower 1968

easy landing 1977

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Twistelement 1958

RFB mit geodätischer Kuppel

"geodesic tensegrity dome" 1953 Abbildung Patentschrift 1962

Buckminster Fuller RFB erkannte das Potential der Skulpturen von Snelson und entwickelte in der Folgezeit eine Vielzahl weiterer Basissysteme mit dem Ziel einer Anwendung im Leichtbau. In der Folgezeit entwickelte RFB eine Vielzahl von Strukturen nach diesem Prinzip und suchte nach Anwendungen auf dem Gebiet des Leichtbaus. Das "X-Piece" von Snelson inspirierte RFB in der Folgezeit zur Entwicklung einer Vielzahl von Strukturen nach diesem Prinzip. Das Ziel seiner Forschung war ihre auf dem Gebiet des Leichtbaus . Geodätische Kuppeln Neben vielen weiteren Entwicklungen versuchte RFB die Kuppel als Halbkugel aus möglichst vielen gleich langen Stäben und kongruenten Flächen zu beschreiben. Durch die Zentralprojektion eines Ikosaeder auf einer Kugel erhielt er ein Dreiecksnetz, aus 20 gleichen Dreiecken, deren Knotenpunkte immer genau auf der Kugeloberfläche liegen. Eine weitere Unterteilung ermöglicht immer kleinere Basiselemente eines geodätisches Netzes mit sphärischen Dreiecken. Netzkuppeln dieser Art ermöglichen eine räumliche Lastabatragung über ein Tragsystem ohne Hierarchie. Aus der Überlagerung dieses Grundgedankens und dem Prinzip der Tensegrity entstanden die faszinierenden Figuren der "geodesic tensegrity domes". Patent Tensegrity 1962 meldete RFB ein Patent auf das Prinzip "Tensegrity" an. Grundgedanke war eine räumliche Struktur aus Zuggliedern, die durch Druckstäbe gegeneinander ausgesteift sind. Mit seinem zweiten Patent 1964 "Apsension Dome" entwickelte RFB die erste Anwendung des Tensegrity Prinzips für Konstruktionen mit großen Spannweiten. Hierbei handelt es sich um eine Konstruktion aus Ringen, abgestuften Durchmessers, die in ansteigender Reihenfolge aneinander aufgehängt sind. Jeder Ring wird mit seiner Unterseite an der Oberseite des darunterliegenden größeren Ringes aufgehängt. Dadurch ergibt sich mit jeder Aufhängung ein Höhengewinn. Die Druckkraft zwischen den sich kreuzenden Seilen übernimmt entweder der Ring selbst oder seine Druckstäbe. Zur Erreichung des Kräftekurzschlusses ist das System auf einen Druckring in seiner untersten Ebene angewiesen.

Abbildung Patentschrift 1964 -

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Kombination von Twistelementen von Emmerich

Untersuchung am ebenen System von Hanaor

Tensegrity-Tragwerk von René Motro

David G. Emmerich Emmerich fand als erster die Möglichkeiten aus Twistelementen zweilagige Tensegrity-Strukturen zu bauen. Ausgehend von einem französischen Patent von 1964, hatte Emmerich die Verwendung von Tensegrity- Prismen zur Konstruktion von zwei- oder mehrlagigen Netzen formuliert. Er führte außerdem Untersuchungen zu einem möglichst effizienten Einsatz von Druckelementen und deren Längenoptimierung durch. Ariel Hanaor Hanaor untersuchte geschlossene zweilagige Tensegrity-Konstruktionen als Alternative zu zweilagigen ebenen Fachwerken und zu Fachwerkkuppeln. Er fand heraus, daß konventionelle zweilagige Fachwerksysteme steifer als jedes untersuchte Tensegrity-System sind, aber daß Tensegrity-Kuppelsysteme aus Oktaeder-Einheiten beinahe so steif sind, wie herkömmliche Fachwerkkuppeln. Ebene Tensegrity-Systeme aus Twistelementen sind am wenig effizient, auch wenn sie die kleinste Anzahl von Seilen haben und optisch optimiert wirken. Um Beanspruchungen weiterleiten zu können benötigen sie eine sehr große Vorspannung. Daraus resultieren sehr hohe Kräfte in den Druckstäben. Rene Motro Motro entwickelte ein Tensegrity-Tragwerk aus zwei übereinander liegenden Netzen aus Zugelementen gleicher Länge. Das obere Netz liegt verdreht zum unteren Netz. Die beiden Netze sind durch diagonale Druckelemente gleicher Länge miteinander verbunden. Auf der unteren Seite treffen je vier Druckstäbe auf einen Knoten und auf der oberen Seite je zwei Druckstäbe auf einen Knoten. So ergeben sich zwei gedreht zueinander verlaufende Fachwerke aus Druckstabdiagonalen. Ein Vorteil der Konstruktion liegt darin, daß sie strukturierter und geordneter ist, als es oft bei geschlossenen Systemen der Fall ist. Gernot Minke Minke unterteilte die Tensegrity-Strukturen in offene und geschlossene Systeme. Das Charakteristikum des geschlossenen Systems war, daß sich die diskontinuierlich angeordneten Druckstäbe in jeder beliebigen Projektion überlappen und das System unabhängig von seiner Lagerung in sich stabil ist.

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3. Klassifizierung

Tensegrity-Systeme werden in offene und geschlossene

Systeme unterteilt. Offene Tensegrity Systeme Offene Tensegrity-Systeme müssen, um stabil zu sein, Kräfte an den Baugrund oder an Sekundärkonstruktionen abgeben, die über die aus ihrem Eigengewicht und den äußeren Lasten resultierenden Kräfte hinausgehen. Offenen Systeme besitzen den Vorteil, daß die Druckelemente nicht wie bei geschlossenen Systemen als Diagonalen eingesetzt werden müssen. Dadurch sind bei offenen Systemen kürzere Druckstablängen möglich, die mit einem kleineren Querschnitt ausgeführt werden können.

Geschlossene Tensegrity Systeme Geschlossene Systeme sind, unabhängig von ihrer Lagerung, in sich stabil. Die geschlossenen Systeme zeichnen sich außerdem dadurch aus, daß sich die Druckstäbe in jeder Projektion schneiden, soweit eine “druckstabkontaktfreie” Konstruktion vorliegt. Man spricht bei „druckstabkontaktfreien“ Systemen von „echten“ Tensegrity Sytemen

Typ A

Ebene offene Tensegrity Systeme Ebene offene Tensegrity Systeme werden vor allem als Seilbinder eingesetzt. Typ A ist der einfachst mögliche Tensegrity-Seilbinder. Zwei Seile werden durch einen einzelnen Druckpfosten verspannt. Man unterscheidet die beiden Seile in Tragseil und Spannseil. Bei vertikaler Belastung des Pfostens wird die Last im Tragseil erhöht, während im Spannseil die Vorspannkraft abgebaut wird.

Typ B

Typ B besitzt vier Druckpfosten unterschiedlicher Länge, die zwischen zwei Seilen verspannt sind. Wie bei dem System Typ A verteilen die Pfosten eine vertikale Belastung den Steifigkeiten entsprechend auf beide Seile. Typ B zeigt bei nicht geometrieaffinen Belastungen starke Verformungen, die Vierpunktfelder sind verschieblich

Typ C

Typ C Bei diesem System werden die viereckigen Felder zusätzlich durch Seile ausgekreuzt. Diese Maßnahme verbessert das Verformungsverhalten unter nicht geometrieaffiner Last erheblich, da das System jetzt auf dreieckigen (unverschieblichen) Maschen aufgebaut ist.

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Räumliche offene Tensegrity Systeme

Typ A

Typ A ist ein einfaches räumliches Tensegrity System, bestehend aus vier Seilen, die durch einen Druckpfosten zu vier Festpunkten hin verspannt werden. Wie beim entsprechenden zweidimensionalen System, werden auch hier bei vertikaler Belastung des Pfostens die Kräfte in den Tragseilen erhöht, während im Spannseil die Vorspannkraft abgebaut wird.

Typ B

Typ B ist ein System das aus vier Druckpfosten besteht, die durch zwei Ringseile und jeweils zwei Diagonalseile gehalten werden. Ersetzt man die Auflagerpunkte durch einen Druckring und führt weitere Grat- und Diagonalseile ein erhält man das „Speichenrad“ als geschlossene Tensegrity Struktur 1.Ordnung.

Typ C

Typ C Werden die Auflagerpunkte durch Druckpfosten eines „umfassenden“ Systems ersetzt, ergibt sich eine Pyramide, die bei einer kreisförmigen Anordnung mehrerer Druckpfosten eine kuppelförmige Struktur ergibt, das Basismodul der sogenannten „Cable Domes“.

Typ D

Typ D ist ein räumliches Fachwerk bei dem Ober- und Untergurt sowie die Diagonalen aus vorgespannten Seilen bestehen.

Ebene geschlossene Tensegrity Systeme

Typ A Typ B

Die Systeme A - B entstehen durch das Auskreuzen einfacher geometrischer Formen. Die Eckpunkte der Geometrie werden durch die Enden der Druckstäbe beschrieben

Typ C Typ D

Die Systeme C- D stellen keine reinen Tensegrity-Systeme im ursprünglichen Sinne dar, da sie in einer Art „Druckring“ Kontakte unter Druckstäben aufweisen, in denen eine Kraftübertragung stattfindet. Sie besitzen also kein „diskontinuierliches Subsystem aus Druckstäben“. Aus Gründen der Vollständigkeit sollen diese Systeme hier aber trotzdem aufgezeigt werden.

Arbeitsblätter Tensegrity Seite 8

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Räumliche geschlossene Tensegrity Systeme

Die Lage der Druckelemente ist ein strukturelles Merkmal der räumlichen Tensegrity-Systeme. Tensegrity Systeme 1.Ordnung - sind Systeme bei denen zwei oder mehrere Druckstäbe in einer Ebene liegen - räumliche Tensegrity Systeme entstehen durch Auskreuzung von geometrischen Körpern mit Druckstäben - die Druckelemente verlaufen im Inneren des Körpers, die Zugelemente bilden die Kanten des Körpers - die Figuren werden durch die Geometrie der Ausgangskörper bestimmt, symmetrische Systeme entstehen bei gleicher Vorspannung zusammengehöriger Seile

Typ A Typ B

Typ C Typ D

Bei den Systemen Typ C - D treten Kontakte zwischen einzelnen Druckstäben auf. Aus diesem Grund sind sie keine Tensegrity-Systeme im eigentlichen Sinne. Tensegrity Systeme 2.Ordnung - sind Systeme bei denen jedes Druckelement einer Tensegrity -Einheit in einer anderen Ebene liegt.

3-Eck Prisma 4-Eck Prisma

- Sind die Druckelemente innerhalb einer Einheit in einer Drehrichtung einander zugeordnet, so daß nie zwei oder mehrere Elemente in einer Ebene liegen, wird dies als „Twistlage“ bezeichnet,

7-Eck Prisma 3-Eck Pyramide

Twistelemente sind aus zwei gegenüberliegenden gleichmäßigen Polygonflächen wie 3-, 4-, 5-, 6 Eck usw. aufgebaut. Sie sind eine der Grundformen der geschlossenen räumlichenTensegrity Strukturen. Die Kanten der Körper bestehen aus Zugelementen, die zueinander verdreht sind. Man unterscheidet prismen- und pyramidenförmige Körper, je nachdem ob die erzeugenden Polygone unterschiedlich groß sind. Die dargestellten Grundelemente sind nicht weiter teilbar

Bildungsgesetz: - bei gleich großen Polygonen läßt ein Polygon sich durch Parallelverschiebung(Translation) in die Grundrißebene und einer Verdrehung (Rotation) in der Polygonebene in das jeweils andere Polygon abbilden. - bei Polygonen unterschiedlicher Größe ist zudem eine Ausdehung (Dilatation) erforderlich - bei der Verdrehung der beiden Polygone gibt es eine einzige Stelle, an der die die Polygonpunkte verbindenden Zugelemente ihre minimale Länge erreichen - in dieser Stellung ist das Element vorspannbar und damit stabil

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Statische Beurteilung von Twistelementen

Einzelne Twistelemente oder einlagige Additionen von Twistelementen sind nicht leistungsfähiger als konventionelle Systeme, wie Fachwerkträger, Biegeträger oder Stützen Twistelemente lassen keine eindeutigen Lastpfade erkennen und können nur über Anwendung EDV gestützter nummerisch- mathematischer Methoden berechnet.

Zusammenfassung Die baupraktische Anwendung von Tensegrity Systemen ist durch den komplizierten Kraftabtrag, die große Anzahl von Knoten, die aufwendige Detailausbildung und Montage eingeschränkt. Für kleinere Bauten können Tensegrity-Systeme dann wirtschaftlich sein, wenn es darum geht, leicht montierbare und demontierbare Bauwerke zu schaffen. Die Addition von Tensegrity Grundelementen zu Gesamtragwerken und die Kombinationsmöglichkeiten von Tensegrity-Systemen mit anderen Tragsystemen zu hybriden Strukturen bietet ein großes Feld von Entwurfs- und Entwicklungsmöglichkeiten. Derzeit werden bei extremen Spannweiten erfolgreich offene Tensegrity Systeme in Kombination mit textilen Membranen als Überdachung verwendet. Die größten Überdachungen der Welt die sogenannten „Cable Domes“, sind Anwendungen offener räumlicher Tensegrity Systeme. Eine weitere Anwendung ist das „Speichenradprinzip“, als selbststabilisierndes System für eine Vielzahl von Stadionüberdachungen.

Art dergleichmäßigen

Belastung

3-Eck-Prisma

Rundrohreingespannt

3-Profileingespannt

Fachwerk alsDreigurt

Vertikal 1,00 0,33 0,60 0,73Horizontal 1,00 1,58 1,23 0,84

Torsion 1,00 0,22 2,88 0,63

Diplomarbeit Peters Stuttgart 1998

Arbeitsblätter Tensegrity Seite 11

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4. Cable Domes

Definition „Cable Domes“ sind vorgespannte räumliche Seiltragwerke, deren wichtigstes Merkmal die Auflösung des inneren Zugringes ist. Durch die Addition von hochgehängten Zugringen werden die Lasten von innen nach außen abgetragen. Dieses System bildet die Grundlage für eine Vielzahl von räumlichen Überdachungen, die durch Anzahl und Anordnung der Pfosten und der Gratseile variiert werden können.

System Geiger Kuppel

Geiger Kuppeln David H. Geiger (1935 - 1989) verband das Prinzip der Tensegrity-Systeme mit tragenden Membranflächen und erreichte damit maximale Spannweiten bei einem Minimum an Konstruktionsgewicht. Die radial angeordneten unterspannten Gratseile werden durch die dazwischen gespannte Membran stabilisiert. Die Membranfläche in Kett- und Schußrichtung radial bzw. tangential ausgerichtet übernimmt die Funktion des Ringseiles. Bezieht man den Druckring mit in das System ein, gehören die Seilkuppeln zu den geschlossenen Tensegrity Systemen. In der Regel werden die Membranflächen durch Kehlseile (Valley Cables) vorgespannt und gegen Windsog stabilisiert. Seine Kuppelkonstruktion beschrieb Geiger als eine Ansammlung radial angeordneter Kragarme, die sich im Scheitelpunkt der Kuppel nicht berühren. Diese Kragarme werden von einer Kette von Dreiecken, die von den Ringseilen bzw. von Membranflächen im Gleichgewicht gehalten werden gebildet. Das Tragverhalten dieser Systeme ist unter ungleichmäßigen Lasten nichtlinear, sie besitzen eine elastische und geometrische Steifigkeit. Das bedeutet, daß die Steifigkeit des Systems bei zunehmender Verformung ansteigt. Bindergeometrie und geometrische Ausbildung der Ringseilsysteme beeinflussen fast unabhängig voneinander das Tragverhalten dieser Seilkuppeln.

Georgia Dome Atlanta USA 1992 Weidlinger Associates Spannweite ca.240 x 210 m

Tao- Yuan County Arena Taoyuan Taiwan 1993 Geiger Engineers Spannweite ca. 120m

Redbird Arena Normal USA 1988 Geiger Associates Spannweite ca. 95m erste ovale Überdachung

Two Venues Olympics Seoul Südkorea1986,GeigerAssociates Spannweite ca. 90 und 120m

Florida Suncoast Dome St.Petersburg USA 1988 Geiger Associates Spannweite ca.220m

Arbeitsblätter Tensegrity Seite 12

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Radial angeordneter Kragarm

Kräfte im Ringelement unter sym. Last

Kräfte im Ringelement unter Vorspannung

Kräfte im Ringelement unter unsym. Last

Tragverhalten der Geiger Kuppeln Wichtige Grundprinzipien der Lastabtragung lassen sich am vereinfachten ebenen System erläutern. Zwei starren Dreiecke werden durch zwei Zugseile gekoppelt. Es liegt ein kinematisches System vor, das durch Vorspannung stabilisiert und tragfähig wird. Bei symmetrischer Belastung durch Schnee und Eigengewicht wird die kinematische Verformbarkeit nicht angesprochen. Das Tragverhalten ist bis zum Ausfall eines Gratseiles streng linear. Die Vorspannung ist notwendig um in den Seilen ansonsten auftretende Druckkräfte zu kompensieren. Unter unsymmetrischer bzw. zur Geometrie nicht-affiner Belastung ist das System einfach statisch überbestimmt und damit beweglich. Im Unterschied zu den statisch bestimmten Tragwerken haben damit die geometrischen Verformungen einen großen Einfluß auf die inneren Beanspruchungen des Systems. Unter Last bewirkt die Änderung der Geometrie einen Anstieg der Kräfte in den einzelnen Elementen zum Herstellen eines Gleichgewichtszustands. Das Tragverhalten unter unsymmetrischen Lasten ist nichtlinear. Das Tragverhalten der Geiger Kuppeln als räumliche Tensegrity Struktur mit hoher statischer Unbestimmtheit hängt sehr von der Höhe der Vorspannung ab. Montage Die Montage dieser Systeme erfolgt ringweise am Boden. Danach wird die Konstruktion hochgezogen und positioniert. Die endgültige Höhe der Vorspannung muß im Voraus bestimmt werden und auf geometrische Längenangaben gespannt werden. Ein Nachstellen der verschiedenen Längen zum späteren Ausgleich der Vorspannung ist sehr schwierig und zeitaufwendig.

Montageprozess in Seoul

Arbeitsblätter Tensegrity Seite 13

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Modell RFB

Modell RFB

Aspension Dome 1964 patentierte Fuller seine Konstruktion eines “aspension dome” (von “ascending suspension”). RFB erfand diese räumliche Struktur auf der Suche nach Anwendungen der Tensegrity- Systeme zur Überbrückung großer Spannweiten. Im Unterschied zu den Geiger Kuppeln besitzt dieses System eine rautenförmige Ausbildung der Gratseile. Um eine zu große Knicklänge der Duckpfosten zu vermeiden wurden die Zugringe in einem geringen Abstand angeordnet, was dem Aspension Dome eine relativ hohe Steifigkeit verleiht. Unsymmetrischen Lasten gegenüber werden keine geometrischen Steifigkeiten aktiviert. Die dafür hohe elastische Steifigkeit der Kuppel führt zu einer großen Empfindlichkeit gegenüber Längenfehlern, Temperatureinflüssen und ungleichmäßiger Vorspannung.

System Geiger Kuppel

Durch die diagonale Grundstruktur der Aspension Dome Lösung können die Binder miteinander gekoppelt werden. Sind obere Ringseile vorhanden ist die Bildung von Dreiecksmaschen möglich, die sich im vorgespannten Zustand wie eine Schalenfläche verhalten. Ohne oberes Ringseil bilden die Rauten eine bewegliche Netzfläche mit Vierecksmaschen. Für den Georgia Dome wurde dieses System in Verbindung mit vorgespannten aussteifenden Membransattelflächen in den Rauten verwendet.

System Aspension Kuppel

Arbeitsblätter Tensegrity Seite 14

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Literaturverzeichnis Bücher Publikationen (1) Baldwin, J. ; Bucky works, Buckminster Fuller´s ideas for today, New York, Wiley, 1996 (2) Krause, Joachim und Lichtenstein Claude; Your Private Sky - R.Buckminster Fuller Verlag Larrs Müller 1999 (3) S.Peters; tensional integrity, Diplomarbeit; Universität Stuttgart, Institut für Tragwerksentwurf und –konstruktion, 1998 (4) Gabriel, K.; Wagner, R.; Vorlesungsskript „Bauen mit Seilen“, Universität Stuttgart, Institut für Tragwerksentwurf und –konstruktion, 1997 (5) Pugh, Antony ; An introduction to tensegrity; Berkeley, University of California Press, 1976 (6) W. Sobek; Leichtbau und selbstanpassende Systeme - Ansätze zu einer Bautechnik des 21. Jahrhunderts; Bauen mit Stahl; Dokumentation 656; Vortragsreihe III Düsseldorf 2000 (7) R.Bergermann, K.Göppert; Das Speichenrad - ein Konstruktionsprinzip für weitgespannte Dachkonstruktionen; Stahlbau

69, 2000 Heft 8, Ernst & Sohn (8) Tensegrity; U.S.Patent - 3.063.521; Application - August 31.1959; Serial No.-837.073, Patented - November 13.1962 Links, Webadressen (9) http://www.CJFearnley.com/fuller-faq.html [Fuller, Tensegrity, Geodesic Domes....] (10) http://www.columbia.edu/cu/gsapp/BT/DOMES/domes.html [Datenbank Domes, University of Columbia] (11) http://www.teleport.com/~pdx4d/snelson.html [Hompage Kenneth Snelson] (12) http://www.channel1.com/users/bobwb/synergetics/bucky/index.html [Einiges über RFB, Tensegrity..] (13) http://www.sciam.com/1998/0198issue/0198ingber.html [Scientific American online -Tensegrity..] (14) http://www.teleport.com/~pdx4d/docs/rmoto.html [Brief v.Snelson an Motro über Tensegrity...] (15) http://www.nous.org.uk/BFMAP.html [Wissenspeicher über RFB] (16) http://www.bfi.org/index.html [Buckminster Fuller Institut ]

Arbeitsblätter Tensegrity Seite 15

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