01: State of the Art der Leseförderung in Südtirol · 2016-11-23 · Klasse mitmachen, erlauben...

21
01: State of the Art der Leseförderung in SüdtirolPetra Eisenstecken Die Leseförderung hat in Südtirol eine lange Tradition Lesen bereichert das Leben und bietet Atempausen in einer immer hektischer werdenden Welt; ganz abgesehen davon, stellt das Lesen eine wichtige Kulturtechnik dar, die notwendig ist, um auch in der Medienvielfalt bestehen zu können.“ („Leseräume – Wörterträume, der Südtiroler Lesefrühling, 2008) In Südtirol nimmt die Leseförderung einen hohen Stellenwert ein. Seit Jahrzehnten bemühen sich Schulen und Bibliotheken um eine Sensibilisierung der Lehrpersonen und Bildungsverantwortlichen. Aber auch der Bevölkerung wird die Notwendigkeit guter Lesekompetenzen immer wieder aufgezeigt. Durch verschiedene Publikationen und Leseaktionen bzw. projekte wurde bzw. wird das Lesen häufig in den Mittelpunkt gerückt. Dabei ist auch die Einbeziehung öffentlicher Medien unabdingbar, damit viele Ideen verwirklicht und eine breite Menge an Lesebegeisterten erreicht wird. Leseräume-Leseträume (1998) 1 Diese Publikation stellt in einer Gesamtrückschau eine besonders attraktive und erfolgreiche Aktion zur Leseförderung in Südtirol dar. Aus der Fülle von eingegangenem Dokumentationsmaterial wurden Projekte ausgewählt, die innovativ waren, einen besonderen Akzent setzten oder zum Nachmachen anregten. Somit ist diese Broschüre einerseits Dokumentation des Geschehenen und andererseits Anregung für weitere Aktivitäten zur Leseförderung. Lese-Rezepte (1999) 2 Hierbei handelt es sich um ein Werkbuch für Pädagogen und Bibliothekare, welche die Bibliothek als Experimentier- und Erlebnisraum für erweitere Lernformen verstehen. Ziel des "literaturdidaktischen Kochbuches" ist es, vor allem den bisher vernachlässigten Bereich der Sachliteratur in spielerischer Form Kindern und Jugendlichen nahe zu bringen. Die Rezepte bieten genügend Freiraum für Kreativität, lassen alle Schüler einer Klasse mitmachen, erlauben Bewegung und Gruppenarbeit und machen den Bibliotheksbesuch zu einem "kleinen Festmenü mit Genussgarantie". Für jede Schulstufe ist etwas dabei. Viele Fotos beschreiben Schritt für Schritt wie in einem Kochbuch Vorbereitung und Durchführung der Aktionen.

Transcript of 01: State of the Art der Leseförderung in Südtirol · 2016-11-23 · Klasse mitmachen, erlauben...

01: State of the Art der „Leseförderung in Südtirol“

Petra Eisenstecken

Die Leseförderung hat in Südtirol eine lange Tradition

Lesen bereichert das Leben und bietet Atempausen in einer immer hektischer

werdenden Welt; ganz abgesehen davon, stellt das Lesen eine wichtige Kulturtechnik

dar, die notwendig ist, um auch in der Medienvielfalt bestehen zu können.“

(„Leseräume – Wörterträume, der Südtiroler Lesefrühling, 2008)

In Südtirol nimmt die Leseförderung einen hohen Stellenwert ein. Seit Jahrzehnten

bemühen sich Schulen und Bibliotheken um eine Sensibilisierung der Lehrpersonen

und Bildungsverantwortlichen. Aber auch der Bevölkerung wird die Notwendigkeit

guter Lesekompetenzen immer wieder aufgezeigt.

Durch verschiedene Publikationen und Leseaktionen bzw. –projekte wurde bzw. wird

das Lesen häufig in den Mittelpunkt gerückt. Dabei ist auch die Einbeziehung

öffentlicher Medien unabdingbar, damit viele Ideen verwirklicht und eine breite Menge

an Lesebegeisterten erreicht wird.

Leseräume-Leseträume (1998)1

Diese Publikation stellt in einer Gesamtrückschau eine besonders

attraktive und erfolgreiche Aktion zur Leseförderung in Südtirol dar.

Aus der Fülle von eingegangenem Dokumentationsmaterial wurden

Projekte ausgewählt, die innovativ waren, einen besonderen Akzent

setzten oder zum Nachmachen anregten. Somit ist diese Broschüre

einerseits Dokumentation des Geschehenen und andererseits

Anregung für weitere Aktivitäten zur Leseförderung.

Lese-Rezepte (1999)2

Hierbei handelt es sich um ein Werkbuch für Pädagogen und

Bibliothekare, welche die Bibliothek als Experimentier- und

Erlebnisraum für erweitere Lernformen verstehen. Ziel des

"literaturdidaktischen Kochbuches" ist es, vor allem den bisher

vernachlässigten Bereich der Sachliteratur in spielerischer Form

Kindern und Jugendlichen nahe zu bringen. Die Rezepte bieten

genügend Freiraum für Kreativität, lassen alle Schüler einer

Klasse mitmachen, erlauben Bewegung und Gruppenarbeit und

machen den Bibliotheksbesuch zu einem "kleinen Festmenü mit

Genussgarantie". Für jede Schulstufe ist etwas dabei. Viele Fotos beschreiben Schritt

für Schritt – wie in einem Kochbuch – Vorbereitung und Durchführung der Aktionen.

Kinder machen Bücher (2004)3

2004 fand das Projekt „Kinder machen Bücher“ statt. Im

Mittelpunkt standen Geschichten, die jedes Kind in Buchform

veröffentlichen konnte.

Schritt für Schritt konnten sie erleben, wie sich aus ihren Ideen

Geschichten entwickelten und aus den Geschichten Bücher

entstanden. Dabei wurden die Schülerinnen und Schüler von

einer Lektorin und zwei Illustratorinnen angeleitet.

In dieser „Bücherwerkstatt“ sind 90 Unikate entstanden, die am

Ende des Projektes (Mai 2004) in einer Ausstellung vorgestellt

wurden.

Lesen und Lernen in der Schulbibliothek (2004)4

Diese Publikation beinhaltet eine Vielzahl von Anregungen,

wie neue Formen des Unterrichts und Lernen in der

Schulbibliothek gut und erfolgreich umgesetzt werden können.

Die Beiträge geben einen Einblick in die vielfältigen

Tätigkeiten der Schulbibliothekarinnen und Schulbibliothekare,

vom Kindergarten bis zur Oberschule. Sie stellen unter

Beweis, welch wichtigen Beitrag die multimediale

Schulbibliothek zur Unterrichts- und Schulentwicklung leisten

kann.

Die Publikation ist in drei Abschnitte unterteilt:

Im ersten geht es um die Entwicklung von Konzepten und

Leitbildern, architektonische Planung und um die Organisation

und Durchführung von Projekten für die ganze Schule.

Im zweiten Abschnitt steht die Hauptaufgabe einer jeden Bibliothek im Mittelpunkt:

Zum Lesen motivieren. Die Praxisbeispiele reichen von Märchen als Einstieg in die

Lesewelt, über die Sogwirkung kreativer Buchvorstellungen bis zum von Schülerinnen

und Schülern selbst verwalteten Lesecafè.

Der dritte Abschnitt setzt sich mit dem Lernen in der Schulbibliothek auseinander. Das

Lernen erfährt durch Suchen und Verarbeiten von Informationen und durch den

Einsatz von offenen Lernformen in der Schulbibliothek eine neue Qualität. Die vielen

Bilder und die ansprechend gestalteten Arbeitsblätter sollen die Leserinnen und Leser

zur Umsetzung der vielfältigen Ideen und Möglichkeiten anregen.

Staatliche Schulreform (2005)

Das Schuljahr 2005/2006 war in Südtirol von der Erprobung der staatlichen

Schulreform geprägt. Diese betraf besonders die Grund- und Mittelschule. Das

Grundanliegen dieser Schulreform war es, die Kinder und Jugendlichen zu befähigen,

zunehmend Verantwortung für das eigene Lernen zu befähigen, dies bewusst zu

reflektieren und mitzugestalten. Im Mittelpunkt stand nun die Individualisierung des

Lernens. Weitere Kernpunkte waren die Einführung eines Kern-, Wahlpflicht- und

Wahlbereiches sowie die individuelle Lernberatung und die Dokumentation der

Lernentwicklung.

Netzwerk Schulbibliothek (2006)5

Südtirol kann auf eine enge Kooperation zwischen Schulen,

öffentlichen Bibliotheken, Schulbibliotheken und Fachbibliotheken

stolz sein.

Insbesondere die Schulbibliotheken haben sich in den letzten

Jahren stark gewandelt und sind von einem „Bücheraufbe-

wahrungsort“ zu einer multimedialen Lese- und Lernwerkstatt

geworden.

Leseförderung und Leseerziehung sind heutzutage ohne

Schulbibliothek kaum noch vorstellbar. Das reiche und vielfältige

Angebot in den Schulbibliotheken unterstützt individuelles und differenzierendes

Lernen. In Schulbibliotheken können verschiedene Unterrichts- und Lernformen

praktiziert werden. Sie sind der geeignete Ort für fächerübergreifenden,

projektorientierten Unterricht.

Die Leseförderung und die Vermittlung der Lese-, Recherche- und Methoden-

kompetenz sind Aufgabe der gesamten Schule.

Schulbibliothekarinnen und Schulbibliothekare sind Fachexperten für die Durchführung

von Leseprojekten, für Beratungstätigkeit bei der Informationsrecherche, für Unterricht

in der Bibliothek, für den Umgang mit Medien, für Einführungsstunden in der

Bibliotheks- und Mediennutzung, für die Ausarbeitung von Bestandskonzepten.

Seit Jahren werden in Südtirol für die Arbeit in den Schulbibliotheken eigene

Schulbibliothekarinnen und Schulbibliothekare ausgebildet.

LeseForum Südtirol (2006)

Das Pädagogische Institut für die deutsche Sprachgruppe (heutige Bezeichnung

Bereich Innovation und Beratung im Deutschen Bildungsressort), das Amt für

Bibliotheken und Lesen, das Jukibuz (Jugend-Kinderbuch-Zentrum) im Südtiroler

Kulturinstitut und die Drehscheibe haben sich im Herbst 2006 zum LeseForum Südtirol

zusammengeschlossen. Dieses Forum, das heute noch besteht, versteht sich als

offene Plattform für gemeinsame Projekte und für vernetztes Handeln im Bereich der

Leseförderung.

Erstes Ziel des LeseForums Südtirol war es, ein Leseprojekt zu initiieren, um die

Südtiroler Bevölkerung zum Lesen anzuregen. Landesweit wurden Leseaktionen wie

Lesefeste auf Schlössern, Lesenächte, Lesen im Zug, lesende Dörfer… durchgeführt.

Appetit auf Lesen (2006)6

In der Broschüre „Appetit auf Lesen – 125 Ideen zum

Südtiroler Lesefrühling“ wurden verschiedene Ideen

gesammelt, um aufzuzeigen, wie das Lesen in Schulen,

Kindergärten, Bibliotheken, Jugendzentren, Gemeinden,

Seniorenheimen, Seniorenclubs, Buchhandlungen,

Bildungshäusern, Vereinen, Ämtern und Institutionen zum

Thema gemacht werden kann.

Der Südtiroler Lesefrühling (2007)7

Zehn Jahre nach dem erfolgreichen Südtiroler Lesejahr „Leseräume – Leseträume“

wurden landesweit Aktionen organisiert, um das Thema Lesen in seiner ganzen

Bandbreite zu beleuchten.

Im Frühling 2007 fand in Südtirol dieses große Leseprojekt mit über 600

Veranstaltungen statt, dessen Ziel es war, junge und alte Menschen zum Lesen zu

verlocken.

Der Südtiroler Lesefrühling hat gezeigt, dass das Lesen

in den Kindergärten, in den Schulen – ergänzt durch

außerschulische Leseangebote in den vielen öffentlichen

Bibliotheken des Landes –sowie andere Leseangebote

eine große Breitenwirkung erzielt hat.

Viele Veranstaltungen waren Gemeinschaftsprojekte

verschiedener Menschen aus unterschiedlichen

Bereichen. Dadurch entstanden neue Netzwerke, die sich

nicht nur auf Schule oder Bibliothek konzentrierten,

sondern den Blick nach außen öffneten – ganz nach dem

Motto: Lesen geht uns alle an – und dadurch eine

gemeinsame Lesehaltung erkennen ließ.

Bookstart (2007)8

Der Südtiroler Lesefrühling war gleichzeitig ein passender Anlass, das Projekt

„Bookstart“ auch in Südtirol umzusetzen. Nach intensiver Vorarbeit konnte „Bookstart

– Babys lieben Bücher“ der Öffentlichkeit vorgestellt werden.

Was steckt hinter dieser Initiative?

In Großbritannien startete 1992 die

Aktion Bookstart mit Buch-

geschenken an Familien und

wurde begleitend evaluiert. Es

zeigte sich, dass die Haltung zu

Büchern und zum Lesen in den

Bookstart-Familien verändert hatte.

Als diese Babys später die Schule besuchten, zeigten die Bookstart-Kinder bessere

Leistungen sowohl in der Lese- und Sprachentwicklung als auch in der

schreibtechnischen, mathematischen und sozialen Entwicklung.

Diese Erfahrungen überzeugten auch Südtirol. Alle Väter und Mütter von Babys, die

nach dem 1. Jänner 2007 in Südtirol geboren wurden, hatten nun die Möglichkeit, an

diesem Projekt teilzunehmen.

Diese Aktion wird heute noch von der Autonomen Provinz Bozen/Südtirol gefördert

und finanziell unterstützt. Das erste Buchpaket (zwei Bilderbücher, ein Leseleitfaden

und eine Broschüre mit Leseempfehlungen) erhalten die Familien, wenn das Baby

sechs Monate alt ist. Das zweite Buchpaket erreicht die Familie, wenn ihr Kind 18

Monate alt ist.

Das Projekt hat in Südtirol großen Anklang gefunden. Bereits im ersten Jahr (2007)

nahmen über 75% aller Familien mit einem Neugeborenen an der Aktion teil. Bisher

haben in Südtirol mehr als 30.000 Familien dieses kostenlose Projekt genutzt. Partner

dieses Projektes sind die Geburtsabteilungen der Krankenhäuser, die Bibliotheken, die

Mütterberatungsstellen, die Kinderarztpraxen, die Tagesmütter, die Kindertagesstätten

und Kinderhorte, die Eltern-Kind-Zentren und andere Einrichtungen.

Lernwelten.net (2008)9

In dieser Publikation geht es in erster Linie um die Vermittlung der

Lernkompetenz in der Schulbibliothek. Es wird aufgezeigt, wie die

Vermittlung der Lesekompetenz und der Umgang mit Medien der

multimedialen Schulbibliothek verknüpft werden kann, damit die

Schülerinnen und Schüler eigenverantwortliches Arbeiten und

Lernen zunehmend in die eigene Hand nehmen.

Gibt es einen besseren Ort in der Schule, Lesekompetenz zu

fördern, sich Informationen zu beschaffen, sie zu verarbeiten und

zu präsentieren, als die multimediale Schulbibliothek? Lesen und

Lernen gehören untrennbar zusammen, denn: Nur wer gut lesen kann, kann auch gut

lernen. Eine professionell betreute Schulbibliothek ist der ideale Ort zum Aufbau von

Lernkompetenzen. Die Schulbibliothek, verstanden als Lese-, Lern- und

Informationszentrum, kann ein geeigneter Raum für die Entwicklung verschiedenster

Kompetenzen sein. Mit dieser praxisorientierten Handreichung wird der Aufbau von

Lernkompetenz gefördert und unterstützt: Fachkompetenz, Methodenkompetenz

(Lese-, Informations-, Recherche-, Medienkompetenz), Sozialkompetenz (Team- und

Kommunikationskompetenz) sowie persönliche Kompetenz. Das vorliegende Werk ist

in sechs Bausteine gegliedert: mit zahlreichen Übungen können Schülerinnen und

Schüler Lernkompetenzen aufbauen und einüben. Für jeden Baustein steht nach einer

kurzen Einführung mit einer übersichtlichen Mindmap eine Anleitung zu den

verschiedenen Aufgabenstellungen mit dem jeweiligen Zeitbedarf zur Verfügung.

Besonders hilfreich sind die vielen Arbeits- und Informationsblätter, welche teils direkt,

teils nach einer Anpassung an die Situation der jeweiligen Schulbibliothek für den

Unterricht übernommen werden können. Die Bausteine sind entweder allen Fächern

oder einzelnen Fächerkombinationen wie Mathematik/Physik bzw. Biologie

zugeordnet, können aber problemlos auch für andere Fächer umgearbeitet werden. Baustein 1: Einführung in die multimediale Schulbibliothek (Buch, Aufbau der Bibliothek, OPAC,

Ausleihe, Einführung ins Internet…)

Baustein 2: Sensibilisierung für das Thema „Lernen“ (Lerntypen, Lernstrategien, Lernberatung…)

Baustein 3: Recherchieren in den Medien der multimedialen Schulbibliothek (Lexika, OPAC, Internet,

Suchmaschinen…)

Baustein 4: Arbeitstechniken (Lesetechniken, Markieren, Exzerpieren, Strukturieren…)

Baustein 5: Gestalten und Visualisieren (Symbole, Tabellen, Diagramme, Heftseiten, Folien,

Lernplakate…)

Baustein 6: Vortragen und Präsentieren (freies Vortragen, themenzentrierter Vortrag, Rhetorik…)

Rahmenrichtlinien (2009)10

Die Rahmenrichtlinien sind mit dem Schuljahr 2009/2010

erstmals in Kraft getreten. Seitdem ersetzen sie die Lehrpläne

der Grund- und Mittelschule und bilden den verbindlichen

Bezugsrahmen für die Erstellung des Curriculums der Schule im

Hinblick auf jedes einzelne Fach und die fächerübergreifenden

Lernbereiche.

Vor Inkrafttreten wurden diese Rahmenrichtlinien vier Jahre

flächendeckend erprobt und aufgrund der Rückmeldungen

laufend überarbeitet. An der Ausarbeitung haben sich zahlreiche

Lehrpersonen, Beraterinnen und Berater des damaligen

Pädagogischen Instituts (heutige Bezeichnung Bereich Innovation und Beratung),

Inspektorinnen und Inspektoren des Deutschen Schulamtes beteiligt.

Die Rahmenrichtlinien sind das Ergebnis eines dialogischen Erarbeitungsprozesses, in

den unterschiedliche Expertisen, Kompetenzen und Erfahrungen eingeflossen sind.

Auch der Landesschulrat sowie der Oberste Schulrat in Rom haben die

Rahmenrichtlinien positiv begutachtet. Die Richtlinien knüpfen an europäische und

internationale Entwicklungen an. Sie sind auf ein Lernen nach Kompetenzen

ausgerichtet und schaffen Kontinuität in der Bildungsarbeit von der Grund- bis zur

Mittelschule. Dabei spiegeln sie ein neues Verständnis von Lernen wider. Im

Mittelpunkt aller Bildungstätigkeiten stehen die Kinder und Jugendlichen in ihrer

Einzigartigkeit und in ihrer Beziehung zu anderen und zur Mitwelt. Die

Individualisierung und die Personalisierung des Lernens spielen in diesem

Zusammenhang eine bedeutsame Rolle.

Diese Rahmenrichtlinien ermöglichen einen kohärenten Bildungsweg von der ersten

Klasse der Grundschule bis zur dritten Klasse der Mittelschule. Sie legen Wert auf

Kontinuität zwischen den verschiedenen Bildungsstufen und schaffen Anknüpfbarkeit

zu den Rahmenrichtlinien des Kindergartens und jenen des Pflichtbienniums der

Oberschule.

Die autonomen Südtiroler Schulen haben die Aufgabe, auf der Grundlage dieser

verpflichtenden Vorgaben ihr pädagogisches Konzept und ihr Bildungsangebot

selbstverantwortlich durch die curriculare Planung zu erarbeiten und sicherzustellen,

dass alle Kinder und Jugendlichen in allen Ortschaften vergleichbare Bildungschancen

vorfinden.

Die Schulen erhalten durch die Rahmenrichtlinien einen Orientierungsrahmen, der

einerseits die zu erreichenden Bildungs- und Kompetenzziele vorgibt, andererseits

aber genügend Freiraum lässt für die Gestaltung eines Bildungsangebotes, das den

Bedürfnissen vor Ort gerecht wird. Dadurch wird sichergestellt, dass alle Kinder und

Jugendlichen im Sinne der Chancengerechtigkeit die grundlegenden Fähigkeiten

erwerben, die sie brauchen, um in einer immer komplexer werdenden Welt ihr Leben

eigenverantwortlich und erfolgreich zu gestalten und am sozialen, kulturellen und

gesellschaftlichen Leben teilzunehmen.

Die Rahmenrichtlinien erfordern bei ihrer Umsetzung in die Praxis von den Schulen

ein hohes Maß an fachlicher und organisatorischer Professionalität: Aufgabe der

Schule ist es, durch die curriculare Planung die eigene Bildungsarbeit so zu gestalten

und Lernprozesse und Lernumgebungen zu schaffen, die es den Schülerinnen und

Schülern ermöglichen, auch auf individuellen Lernwegen die verbindlich vorgegebe-

nen Kompetenzziele zu erreichen.

Organisatorische Richtlinien

Gliederung der Unterstufe

Die achtjährige Unterstufe umfasst die fünfjährige Grundschule und die dreijährige

Mittelschule.

Sie gliedert sich in folgende didaktische Abschnitte:

Triennium: 1. Klasse, 2. Klasse und 3. Klasse

Biennium: 4. Klasse und 5. Klasse

Biennium: 1. Klasse und 2. Klasse Mittelschule

Monoennium: 3. Klasse Mittelschule

Die Einteilung in didaktische Abschnitte legt die Zeiträume fest, in denen die

Schülerinnen und Schüler die verbindlichen vorgegebenen Fertigkeiten und

Fähigkeiten, Haltungen und Kenntnisse erreichen. Innerhalb dieser didaktischen

Abschnitte hat die Schule die Möglichkeit, individuelle mehrjährige Lernprozesse bei

der curricularen Planung zu berücksichtigen.

Unterrichtszeit in der Unterstufe

Um die Wahrnehmung des Bildungsrechts und der Bildungspflicht zu gewährleisten,

fördern die Schulen im Rahmen ihrer Autonomie in Anwendung des Landesgesetzes

vom 29. Juni 2000 Nr. 12 und des Landesgesetzes vom 16. Juli 2008 Nr. 5 die

Individualisierung und die Personalisierung des Lernens der Schülerinnen und

Schüler.

Die Schulen definieren ein differenziertes und flexibles Curriculum mit dem Ziel,

Bildungswege zu verwirklichen, die den Bildungsbedürfnissen und Neigungen jeder

Schülerin und jedes Schülers entsprechen.

Gliederung des Curriculums

Die verpflichtende Unterrichtszeit umfasst die für alle Schülerinnen und Schüler

verbindliche Grundquote und die der Schule vorbehaltene Pflichtquote. Zusätzlich

haben die Schülerinnen und Schüler das Recht, Wahlangebote der Schule in

Anspruch zu nehmen.

Die Erstellung des Stundenplans und die zeitliche Verteilung der Unterrichtszeit

während des Schuljahres fallen in die organisatorische Autonomie der Schule. Die

Schule orientiert sich dabei an der Belastbarkeit, den Lernrhythmen und den

Arbeitsweisen der Schülerinnen und Schüler. Sie sorgt für eine ausgewogene

Verteilung der Unterrichtsstunden auf die Unterrichtswoche sowie auf Vormittage und

Nachmittage.

Zielsetzungen

Die verbindliche Grundquote hat die Erreichung der allgemeinen Bildungsziele und

den Erwerb der grundlegenden Kompetenzen durch die Schülerinnen und Schüler in

den einzelnen Fächern sowie in den fächerübergreifenden Lernbereichen zum Ziel.

Die der Schule vorbehaltene Pflichtquote dient der Vertiefung des verpflichtenden

curricularen Unterrichts, dem Aufholen von Lernrückständen, der Begabungs- und

Begabtenförderung und gewährleistet durch Wahlmöglichkeit für die Schülerinnen und

Schüler in besonderem Maße die Individualisierung und Personalisierung des

Lernens. Die Zielsetzungen der Pflichtquote der Schule können auch durch die

Bildung von Gruppen von Schülerinnen und Schülern aus verschiedenen Klassen

verwirklicht werden.

Der Wahlbereich trägt den Interessen, Neigungen und Bedürfnissen der Schülerinnen

und Schüler Rechnung und ergänzt das verpflichtende Unterrichtsangebot der Schule.

Unterrichtszeit in der Grundschule

Die verpflichtende Unterrichtszeit (verbindliche Grundquote und die der Schule

vorbehaltene Pflichtquote) umfasst ein Mindestjahresstundenkontingent von 850

Stunden in der ersten und von 918 Stunden in der zweiten bis zur fünften Klasse.

Unter Berücksichtigung der vorhandenen Ressourcen gewährleistet die Schule zudem

jeder Schülerin und jedem Schüler das Recht, im Wahlbereich Angebote im Ausmaß

von mindestens 34 bis maximal 102 Stunden in Anspruch zu nehmen.

Im Fach Deutsch sieht das Jahresstundenkontingent der verpflichtenden Grundquote

folgendermaßen aus:

Verbindliche

Grundquote

1.

Klasse

2.

Klasse

3.

Klasse

4.

Klasse

5.

Klasse

Fünfjahres-

stunden-

kontingent

Deutsch 204 170 170 136 136 816

Die Jahresunterrichtszeit der Schülerinnen und Schüler wird in Stunden zu 60 Minuten

berechnet, umfasst nicht die Pausen und gliedert sich nach dem geltenden

Schulkalender (derzeit 35 Schulwochen – ohne Ferienzeiten).

Möglichkeit von Verschiebungen der autonomen Schulen

Die Jahresstundenkontingente der einzelnen Fächer können innerhalb der fünf

Grundschuljahre als flexibel betrachtet werden, sodass Verschiebungen möglich sind.

Dabei ist zu gewährleisten, dass alle Fächer und fächerübergreifenden Lernbereiche

der fachlichen Richtlinien jährlich angeboten werden. Verbindlich sind das

Gesamtjahresstundenkontingent von 850 Stunden (für die 1. Klasse) und 915 Stunden

(für die zweite bis fünfte Klasse), sowie die Fünfjahresstundenkontingente der

einzelnen Fächer.

Zeitliche Ausmaße der Flexibilität der autonomen Schulen

Um curriculare Schwerpunktsetzungen, die Profilbildung der Schule und innovative

didaktische Vorhaben im Sprachenlernen zu realisieren, können die autonomen

Schulen die Jahresstundenkontingente der einzelnen Fächer und Tätigkeiten der

verpflichtenden Unterrichtszeit im Ausmaß von maximal 20 Prozent reduzieren.

Das Bildungsangebot der Schule muss so gestaltet sein, dass allen Schülerinnen und

Schülern das Erreichen aller Kompetenzen der fachlichen Richtlinien ermöglicht wird.

Schulcurriculum

Ausgehend von den Rahmenrichtlinien arbeitet jede Schule ein eigenes

Schulcurriculum aus, das sich unter anderem aus den einzelnen Fachcurricula

zusammensetzt.

In Anlehnung an das schulinterne Curriculum arbeitet der Klassenrat, der für die

Umsetzung verantwortlich ist, ein schülerbezogenes Curriculum aus. Dabei können

die Schülerinnen und Schüler ihre Begabungen im Unterricht einsetzen und

Lernschwache gezielt gefördert werden. Den Schülerinnen und Schülern sollen Wege

der Eigenverantwortung und Reflexion des eigenen Lernprozesses aufgezeigt werden.

Fachcurriculum – Didaktische Handreichungen11

Damit jede Schule ihre eigenen Fachcurricula erstellen kann, wurden für die einzelnen

Fächer „Didaktische Handreichungen“ ausgearbeitet, aus denen die Fachgruppen eine

Auswahl treffen können.

Südtirols Schulbibliotheken12

Die Rahmenrichtlinien für die Grund- und Mittelschule enthalten zahlreiche Hinweise

und Anknüpfungspunkte wie Südtirols Schulbibliotheken in den Lern- und

Unterrichtsprozess einbezogen werden können. Von besonderer Bedeutung ist in

diesem Zusammenhang, dass die Schulbibliothek im Schulprogramm verankert und

im didaktischen Gesamtkonzept der Schule integriert ist. Es folgt eine exemplarische

Auswahl zu den Fächern Deutsch, Italienisch, Geografie und Mathematik.

Deutsch: Umgang mit Texten/Lesen

1.Klasse Grundschule

Aufbau von Lesemotivation durch breites Buchangebot und andere Medien, häufiges

Vorlesen, Aufbau von Sinnerwartung, Nutzung der Bibliothek, freies Betrachten von

Büchern, Lesen zu zweit…

2. und 3. Klasse Grundschule

Ausbau der Lesemotivation durch vielfältigen Umgang mit Bilderbüchern,

Sachbüchern, erzählenden Büchern, Zeitschriften; freie Lesezeiten; Verbesserung der

Lesefertigkeit und Texterschließung…

4. und 5. Klasse Grundschule

Bibliothek als Lern- und Arbeitsraum: Orientierungshilfen im Buch- und

Medienangebot, Buchpräsentationen; Gestaltung von Leseerfahrungen mit

verschiedenen Ausdrucksmitteln; Informationsentnahme; das Markieren oder Notieren

wesentlicher Aussagen; Verarbeitung von Informationen…

1.und 2. Klasse Mittelschule

Eigene und unterschiedliche Lesebedürfnisse erkennen, Lektüre auswählen, sich

damit auseinandersetzen und Erfahrungen austauschen; die Bibliothek/Mediathek als

Ort des Lesens und Lernens nutzen, Zugang zu unterschiedlichen Texten finden;

verschiedene Lesetechniken und Lesestrategien beim stillen und lauten Lesen;

Strategien beim Erschließen von Texten (Visualisierung, Markieren, Randnotizen);

Erkundung der persönlichen Leseerfahrungen, Freude am Lesen…

3. Klasse Mittelschule

Altersgemäße Texte für die Erweiterung des eigenen Erfahrungshorizontes nutzen;

Strategien des stillen Lesens verfeinern. Belletristik und Sachbuch, Zeitschriften und

audiovisuelle Medien, Enzyklopädien und Internet als Quelle persönlicher

Bereicherung…

Italienisch:

Mittelschule

Beschreibende, erzählende, darlegende, normative Texte und Nachschlagewerke;

Lesestrategien, die dem Ziel und der Textsorte gerecht werden und auch Lesefreude

entwickeln; Informationen und Erklärungen in Sachtexten und Nachschlagewerken zu

Themen von persönlichem Interesse erfassen; beschreibende, erzählende,

darlegende, informierende (persönliche Mitteilungen, Notizen und Briefe…),

argumentative und normative Texte, Lexikonartikel und Webseiten…

Geografie

Mittelschule

Ein geografisches Thema und/oder ein Gebiet mit Hilfe verschiedener Instrumente

(Karten verschiedener Art, statistische Daten, Grafiken, Fotos, spezifische Texte,

Tageszeitungen und Periodika, Fernsehen, audiovisuelle Medien, Internet)

analysieren…

Mathematik

Grundschule

Daten aus verschiedenen Medien sammeln…

Mittelschule

Aus Sachtexten und anderen Darstellungen der Lebenswirklichkeit die relevanten

Informationen entnehmen. Überlegungen, Lösungswege bzw. Ergebnisse

dokumentieren, verständlich darstellen und präsentieren, auch unter Nutzung

geeigneter Medien…

Kompetenztests (2010)13

Im Mai 2010 beteiligten sich Südtirols Grundschulen erstmals flächendeckend an den

Vergleichsarbeiten (VerA 3). Die verpflichtende Teilnahme hatte der damalige

Landebeirat für Evaluation im September 2008 entschieden. Seitdem wird jedes Jahr

im Mai in den 3. Grundschulklassen dieser standarisierte Test, in Südtirol als

„Kompetenztests“ bekannt, durchgeführt. Im darauffolgenden Herbst werden, durch

die Evaluationsstelle für die deutsche Schule, die landesweiten Ergebnisse im

„Landesbericht Südtirol“ veröffentlicht und der Bildungswelt vorgestellt. Die Analyse

der Ergebnisse soll Impulse für die Verbesserung des Schulwesens bezwecken.

Diese Kompetenztests sind ein länderübergreifendes Projekt, an dem sich in

Deutschland alle Bundesländer, die deutschsprachige Gemeinde Belgiens und

Südtirol beteiligen. Die wissenschaftliche Projektleitung liegt bei IQB (Institut für

Qualitätsentwicklung im Bildungswesen) in Berlin. Die Datenauswertung übernimmt

die Universität Jena.

Die Teilbereiche die bei den Kompetenztests überprüft werden:

Lesen – mit Texten und Medien umgehen (wird jedes Jahr überprüft)

Der zweite Teilbereich wechselt jedes Jahr und wird aus folgenden ausgewählt:

Schreiben und Rechtschreiben

Sprache und Sprachgebrauch

Sprechen und Zuhören

Was zeigen uns die Ergebnisse im Einzelnen auf?

2010 - Grundschule:

Klassengröße: Der Einfluss der Klassengröße auf die Schülerleistungen ist ein

international viel diskutierter Aspekt, von dem neben didaktisch-organisatorischen

auch wirtschaftliche und politische Entscheidungen abhängen können. Es ist zunächst

festzustellen, dass es keineswegs geklärt ist, wie viele Schülerinnen und Schüler in

einer Klasse sind, wenn diese als groß bezeichnet wird. Das wird in jedem Bildungs-

system unterschiedlich betrachtet und hängt mit den rechtlichen Gegebenheiten der

Klassenbildung zusammen.

Die durchschnittliche Klassengröße von 11,51 in den deutschen Schulen in Südtirol ist

klein und wird durch die vielen kleinen Klassen in den Grundschulen mit

Abteilungsunterricht bestimmt, wobei diese häufig mit anderen Klassen zu

übergreifenden Verbänden zusammengefasst sind. Zwei Drittel der 347 beteiligten

Klassen haben eine Größe von 8 und 21 Schülerinnen und Schülern. Daraus folgt

nicht, dass in kleineren Klassen bessere Ergebnisse erzielt wurden.

Zu Hause gesprochene Sprache: Die Schülerinnen und Schüler wurden befragt,

welche Landessprache zu Hause gesprochen wird. Die Angaben wurden in Relationen

zu den in den Tests erreichten Punktezahlen gesetzt. Das Ergebnis dieser Analyse

kann Auskunft darüber geben, welchen Einfluss der sprachliche Hintergrund auf den

Erwerb von fachlichen Kompetenzen ausübt. Der überwiegende Teil der Schülerinnen

und Schüler der Grundschule spricht zu Hause Deutsch. Der Einfluss der zu Hause

gesprochenen Sprache ist am stärksten im Leseverständnis gegeben, wo der

Leistungsabfall der Schülerinnen und Schüler, die zu Hause nicht Deutsch bzw. noch

eine andere Sprache sprechen, gegenüber den ausschließlich Deutsch sprechenden

Schülerinnen und Schüler am deutlichsten ist.

Lesen: Im Jahr 2010 haben die Schülerinnen und Schüler der 3. Klasse 56% der

Aufgaben richtig gelöst. Deutlich bessere Ergebnisse erzielten sie damals im Bereich

der Rechtschreibung, dort lag der Durchschnitt bei 66%.

Es wurde sichtbar, dass die Mädchen insgesamt bessere Leistungen im

Leseverständnis als die Buben erbrachten. Bei den Buben ragten hingegen einzelne

Spitzenleistungen in auffälliger Anzahl hervor.

Es gab deutlich mehr Schulen, in denen die Gesamtleistung im Lesen bei den

Mädchen im Schnitt höher war, als bei den Buben.

(Hilpold, Franz und Hölzl, Bernhard: Kompetenztests 2010 – Landesbericht Südtirol)

2011 - Grundschule:

Unter den Schülerinnen und Schüler, die am Test teilnahmen, hatten 2,54% eine

diagnostizierte Lese- oder Rechtschreibschwäche. Sie erzielten deutlich niedrigere

Ergebnisse.

In der 3. Klasse Grundschule sind insgesamt nur sehr geringe Leistungsunterschiede

zwischen Schülerinnen und Schülern erkennbar. Zwar sind die Mädchen im Lesen und

im Schreiben besser und in Mathematik nicht ganz so gut wie die Buben, doch liegen

die Unterschiede im Dezimalbereich. In der Grundschule ergeben sich nur geringe

Unterschiede zwischen den Geschlechtern.

Lesen: In diesem Jahr lag die Höhe der richtig gelösten Aufgaben im Grundschul-

bereich bei 68%, das heißt deutlich höher als im Vorjahr.

(Hilpold, Franz und Hölzl, Bernhard: Kompetenztests 2011 – Landesbericht Südtirol)

2012 - Grundschule:

Beim Kompetenztest handelt es sich um eine Vollerhebung. Deshalb nehmen

grundsätzlich alle Schülerinnen und Schüler daran teil. Ausgenommen sind

Schülerinnen und Schüler, die nach dem Urteil der Lehrpersonen aufgrund von

Beeinträchtigungen nicht in der Lage sind, die Testaufgaben ohne Hilfe zu bewältigen.

Schülerinnen und Schüler mit Lese- und Rechtschreibschwächen, Rechenschwächen,

Aufmerksamkeitsdefiziten und anderen Teilleistungsstörungen nahmen am Test teil

und wurden bei der Berechnung des Klassen- wie auch des Landesdurchschnitts nicht

besonders berücksichtigt. Die Tests der vergangenen Jahre haben gezeigt, dass die

Ergebnisse der Schülerinnen und Schüler mit Teilleistungsschwächen keinen

bemerkenswerten Einfluss auf den Gesamtdurchschnitt haben.

Lesen: Wiederum konnten 68,35% aller Schülerinnen und Schüler der dritten Klasse

Grundschule die Aufgaben richtig lösen. Das Ergebnis entsprach demselben des

Vorjahres. Auch in diesem Jahr wurde ersichtlich, dass die Mädchen im sprachlichen

Bereich bessere Ergebnisse erzielten, während die Buben im mathematischen

Bereich.

(Hölzl, Bernhard: Kompetenztest 2012 – Landesbericht Südtirol, Ergebnisse der

Grundschule)

2013 – Grundschule:

Aufgrund eines Personalwechsels an der Evaluationsstelle, welche für die Erstellung

des Landesberichtes verantwortlich ist, liegt im Landesbericht 2013 leider nur ein

Gesamtergebnis für Deutsch vor, die Leseergebnisse wurden nicht getrennt erhoben.

(Hölzl, Bernhard und Ortler, Udo: Kompetenztest 2013 – Landesbericht Südtirol,

Ergebnisse der Grundschulen und Mittelschulen)

2014 – Grundschule:

Auch der Landesbericht 2014 ist nur in einer schmalen Form und in einer sehr

allgemeinen Ausführung erschienen.

Lesen: Der Durchschnitt der richtig gelösten Aufgaben lag bei den Schülerinnen und

Schülern der dritten Klasse Grundschule in diesem Jahr bei 64,81%. Es ist ein leichter

Rückgang erkennbar.

(Ortler, Udo: Kompetenztest 2014 – Landesbericht Südtirol, Ergebnisse der

Grundschulen und Mittelschulen)

2015 – Grundschule:

Auch in diesem Jahr wurde kein sehr ausführlicher Landesbericht erstellt.

Lesen: Dieses Jahr wurde der durchschnittliche Anteil der richtig gelösten Aufgaben

im Lesebereich wieder erhoben, er liegt bei 70%.

(Kompetenztests – Landesbericht Südtirol 2015, VerA 3 für die Grundschule, VerA 6

für die Mittelschule)

Leseförderung an den deutschen Schulen Südtirols (seit 2011)

An Südtirols Schulen wird im Bereich der Leseförderung viel unternommen. Lange Zeit

wurde der Schwerpunkt auf die Lesemotivation gelegt. Allerdings wurde in Südtirol

festgestellt, dass etlichen Schülerinnen und Schülern noch die nötigen

Voraussetzungen fehlen, um genau, schnell und Sinn erfassend zu lesen.

Deshalb organisiert der Bereich Innovation und Beratung seit Mai 2011 jährlich die

Kursfolge „Leseförderung leseschwacher Schülerinnen und Schüler“. Interessierte

Lehrpersonen der Grund- und Mittelschule lernen in dieser zweijährigen Ausbildung

Diagnoseverfahren (in pädagogischer Sicht) kennen, erarbeiten Fördermaßnahmen

und führen Lesetrainings durch, um Lesefertigkeiten, Lesegeläufigkeit und

Lesestrategien bei Schülerinnen und Schülern auszubauen. Die Lehrpersonen werden

dazu befähigt, Beratung und Begleitung für Kolleginnen und Kollegen und für

betroffene Schülereltern zu übernehmen und Fördermaßnahmen auf Sprengelebene

anzubieten. Bisher wurden 99 Lesetrainerinnen und Lesetrainer ausgebildet. Die 4.

Gruppe schließt im November 2016 ab.

Im August 2016 wurde mit der 5. Auflage dieser Kursfolge gestartet. Auch dieses Mal

war die Anzahl der Interessierten sehr groß, sodass wiederum über 40 Lehrpersonen

auf die Warteliste gesetzt werden mussten.

Südtirol investiert in die Leseerziehung (seit 2012)

Die Ergebnisse der Kompetenztests in der Grund- und Mittelschule, die Invalisi-Tests

am Ende der 3. Klasse Mittelschule (Staatsabschlussprüfung) und die Pisa-Tests

zeigten auf, dass in Südtirol 16% aller Schülerinnen und Schülern am Ende der

Pflichtschulzeit nicht Kompetenzstufe 2 erreichen. Um dem entgegenzuwirken und die

Zahl der leseschwachen Schülerinnen und Schüler zu reduzieren, setzte Südtirol im

Schuljahr 2012/13 erste Maßnahmen. In jenem Jahr wurde erstmals das Schweizer

Trainingsprogramm „Lesen. Das Training“ an 2.000 Schülerinnen und Schülern von

der 1. Klasse bis zur 8. Klasse erprobt.

Die Rückmeldungen der Lehrpersonen, welche sich bereit erklärt hatten, diese

Materialien konsequent im Unterricht einzusetzen, waren positiv und überzeugend.

Seit dem Schuljahr 2013/14 arbeiten nun in Südtirol jährlich ungefähr 3.500 - 3.800

Schülerinnen und Schüler der 2. Klasse Grundschule mit dem Trainingsprogramm

„Lesen. Das Training“. Um den Einsatz dieser Materialien zu ermöglichen, werden die

deutschsprachigen Schulen Südtirols beim Ankauf dieser Trainingshefte vom Bereich

Innovation und Beratung und dem Amt für Schulfürsorge finanziell unterstützt.

Ein gezieltes Lesetraining ist erforderlich (seit 2012)

Es ist wichtig, dass die Schule den Leselernprozess der Kinder von Anfang an

fachgerecht und unterstützend begleitet. Die Lesefertigkeiten müssen trainiert und

gefestigt werden.

Das schnelle Erfassen und Verstehen von Zeichen und Buchstaben, Wörtern und

Sätzen sowie die Verknüpfung von Satzfolgen fällt in den Bereich der Lesefertigkeiten.

Je besser ein Kind die Lesetechnik beherrscht, desto automatischer verläuft das Erlesen

von Texten und es kann sich besser auf den Inhalt eines Textes konzentrieren.

Je flüssiger ein Kind einen Text liest, umso schneller kann es sich durch einen Text

hindurch arbeiten, wobei auf das Sinnverständnis geachtet werden muss. Dies

bezeichnet man als Leseflüssigkeit, bekannt auch unter dem Begriff „Fluency“.

Allmählich entwickelt das Kind Arbeitsroutinen, so genannte Lesestrategien, wie es an

Texte herantritt und mit diesen umgeht. Je älter ein Kind wird, desto anspruchsvoller

werden auch die Texte und desto genauere Techniken benötigt es.

Wer sich um Leseförderung bemüht, darf das Gut-Lesen nicht außer Acht lassen und

nicht nur einseitig Akzente im Bereich der Lesemotivation setzen. Seit den 90er Jahren

des 20. Jahrhunderts sind Konzepte zur Leseanimation sehr populär. Auch bei uns in

Südtirol hat dieser Bereich in den letzten Jahren einen großen Stellenwert

eingenommen. Der offene, interessensgeleitete Vielleser-Unterricht rückte jahrelang in

den Mittelpunkt der Leseförderung. Doch es ist zu wenig, wenn Schülerinnen und

Schüler einzig und alleine durch tolle Projekte wie Lesenächte, Lesewettbewerbe oder

Autorenbegegnungen zum Lesen motiviert werden. Es muss gleichzeitig eine stabile

Lesehaltung aufgebaut werden. Zu lange stand die Förderung der Lesemotivation im

Vordergrund und wurde mit Leseförderung gleichgesetzt. Doch gezielte Leseförderung

ist weit mehr. Der Fokus muss nach dem abgeschlossenen Lese- und Schreiblehrgang

durch strukturierte Fertigkeitsübungen vermehrt auf das Lesenkönnen der Kinder

liegen. Nach einem gelungenen Schriftspracherwerb ist die Entwicklung der

Lesekompetenz keineswegs abgeschlossen. Je mehr ein Kind liest, desto besser

entwickelt es seine Lesetechnik. Tägliches Training ist notwendig und muss schon bei

den Kleinen ansetzen. Das korrekte Erlernen der Lesefertigkeiten ist erforderlich, denn

sie bilden die Basis der späteren Lesekompetenzen. Leseschwache Kinder meiden das

Lesen, wenn es mit großem Aufwand verbunden ist.

Lesen. Das Training14

Vielen Schülerinnen und Schülern fehlen trotz eines abgeschlossenen Leselehrgangs

oft noch die Voraussetzungen, um Texte genau, angemessen schnell und Sinn

verstehend lesen zu können. „Lesen. Das Training“ fördert systematisch und gezielt

Lesefertigkeiten, Lesegeläufigkeit und Lesestrategien.

Mit „Lesen. Das Training“ werden die Teilbereiche des Lesens eingeübt, die nötig sind,

um sowohl verstehend als auch mit Genuss lesen zu können. Es kann im regulären

Klassenunterricht eingesetzt werden, eignet sich aber auch für individualisierenden

(Einzel-)Förderunterricht. Das Trainingsprogramm richtet sich an die Schülerinnen und

Schüler der 2. Klasse Grundschule und wird in der 3. Klasse fortgeführt. Es wurde

vom Zentrum Lesen unter der Mitwirkung von Prof. Gerd Kruse der Pädagogischen

Hochschule – Fachhochschule NW-Schweiz entwickelt und beinhaltet

- strukturierte Fertigkeitsübungen, um das Lesenkönnen der Kinder (nach dem

Lese- und Schreiblehrgang) zu festigen,

- automatisiertes, genaues und flüssiges Lesens durch wiederholte Leseübungen

am gleichen Text,

- einen problemlösenden und sinnkonstruierenden Umgang mit Texten.

In erster Linie richtet es sich an leseschwache

Schülerinnen und Schüler, wird aber auch von

guten Leserinnen und Lesern gerne ausgeführt.

Das Trainingsprogramm umfasst vier Schülerhefte.

Das grüne Heft (Trainingsteil 1 – Lesefertigkeiten)

beinhaltet Übungen zum schnellen Erkennen von

Buchstaben, Wörtern und Sätzen und Übungen

zum Verstehen von kurzen Texten.

Die beiden blauen Hefte (Trainingsteil 2 –

Lesegeläufigkeit) gelten als Brücke zwischen

Lesetraining und Lesestrategie und befassen sich

mit dem flüssigen, deutlichen und genauen Lesen

in einem angemessenen Tempo. In diesem

Trainingsteil arbeiten die Kinder zu zweit in so genannten Lesetandems. Bevor mit

dem eigentlichen Vorlesen begonnen wird, lesen beide gemeinsam laut die Wörter der

Vorübung. Der Sinn dieses Chorlesens liegt darin, dass die Kinder lesen und

gleichzeitig die Wörter hören. Erst dann beginnt das laute Vorlesen des eigentlichen

Textes. Im Protokollheft werden die Lesefehler festgehalten. Gleichzeitig wird die

Lesezeit gestoppt. Es geht nicht um schnelles Lesen, sondern so nahe wie möglich an

die vorgegebene Richtzeit zu gelangen, denn flüssiges Lesen heißt genaues Lesen.

Im orangen Heft werden Lesestrategien erklärt und eingeübt. Damit wird erst in der 3.

Klasse begonnen. Hier erlernt das Kind die ersten vier wichtigsten Strategien, um

Texte besser zu verstehen.

Büchermärz (2013)15

Im Büchermärz 2013 drehte sich alles ums Vorlesen. Bibliotheken, Kindergärten,

Schulen, Buchhandlungen und alle Interessierten waren eingeladen, Initiativen zum

Vorlesen zu planen und durchzuführen, z.B. Vorlesestunden in Bibliotheken,

Vorlesepatenschaften, Vorleseolympiaden, Vorlesegeschenke der Schülerinnen und

Schüler in Altersheimen, auf öffentlichen Plätzen oder an ungewohnten Orten.

Für die Veranstaltungen im Büchermärz gab es einen eigenen Online-Kalender, in

dem die Bibliotheken, Kindergärten, Schulen, Buchhandlungen, Verlage, Museen usw.

ihre geplanten Veranstaltungen eintragen konnten.

Neben den traditionellen und überaus beliebten

Vorlesestunden in Schulen und Bibliotheken hatten auch

unkonventionelle „Vorleseereignisse“ an überraschenden

Örtlichkeiten stattgefunden. Aber auch im privaten Raum

sollte das Vorlesen intensiviert werden – ohne weiteres

ließe sich eine Geburtstagsfeier zur Vorlesefeier

aufwerten.

Alle Vorleserinnen und Vorleser – Kinder und

Erwachsene, Mütter, Väter, Tanten, Onkels,

Geschwister, Bibliothekarinnen und Bibliothekare, alle die

vorlasen – konnten an einem Gewinnspiel teilnehmen

und tolle Preise gewinnen, wenn sie ihre Vorleseaktion

auf der genannten Webseite beim Gewinnspiel

angemeldet hatten.

Der Aufruf zum Vorlesen durch die Aktion Büchermärz war ein Riesenerfolg. Mehr als

400 Veranstaltungen haben in der Zeit vom 1. bis 31. März 2013 in ganz Südtirol

stattgefunden.

Dabei waren der Kreativität keine Grenzen gesetzt. Schon die Orte, an denen Vorlese-

Aktionen stattgefunden haben, waren sehr originell: in Burgen und in Schlössern, in

einem Kloster, in einem Forstgarten, im ganzen Dorf, in der Kinderstation eines

Krankenhauses, an den Dorfbrunnen und auf den Parkbänken, in Museen,

Altersheimen und Buchhandlungen und nicht zuletzt in Bibliotheken, Schulen,

Kindergärten und Eltern-Kind-Zentren in ganz Südtirol. Auch inhaltlich gab es eine

Vielfalt, die ihresgleichen suchte: es gab Lesefrühstücke und Lesematinees,

Lesecafés, kulinarische Lesereisen, Lesenächte, Lesekinos und Lesetheater,

Vorlesekränzchen, einen Büchermarathon, mehrere Bücherrallyes und eine bärige

Lesewanderung. Schülerinnen und Schüler, haben ihre kreativ gestalteten

Schriftstücke vorgelesen und an Passanten verschenkt, außerdem gab es eine „For-

Boys-Only-Veranstaltung“ und „Gitschngschichtn im März“. Neben Autorinnen und

Autoren, professionellen Vorleserinnen und Vorlesern, Mamis, Papis, Omas und Opas

haben auch Bürgermeister und Väter vorgelesen und VIPs wie Denise Karbon und

Norbert Rier.

Das Organisatorenteam des Büchermärz, das LeseForum Südtirol (Amt für

Bibliotheken und Lesen, Bereich Innovation und Beratung, Jukibuz im Südtiroler

Kulturinstitut und die Drehscheibe) freuten sich über die große Beteiligung. Mit dieser

Aktion war es gelungen, das Vorlesen neu zu beleben, viel Aufmerksamkeit darauf zu

lenken und zu veranschaulichen, dass Vorlesen und die Beschäftigung mit Büchern

für alle Bevölkerungsschichten von großer Bedeutung ist.

Mit dem Büchermärz hat sich Südtirol am Vorlesejahr „Reading Aloud – Reading

Together“ beteiligt. Diese Aktion wurde vom europäischen Netzwerk für

Leseförderung EU READ ins Leben gerufen.

Literaturverzeichnis: 1 Leseräume-Leseträume (1998)

https://www.blikk.it/forum/lly.php?bn=leseblikk_books&mode=mlb_a&lang=de&key=1282564391 2 Lese-Rezepte (1999)

https://www.blikk.it/forum/lly.php?bn=leseblikk_books&mode=mlb_a&lang=de&key=1282563884 3 Kinder machen Bücher (2004)

https://www.blikk.it/forum/lly.php?bn=leseblikk_books&mode=mlb_a&lang=de&key=1282556736 4 Lesen und Lernen in der Schulbibliothek (2004)

https://www.blikk.it/forum/lly.php?bn=leseblikk_books&mode=mlb_a&lang=de&key=1282719860 5 Netzwerk Schulbibliothek (2006)

https://www.blikk.it/forum/lly.php?bn=leseblikk_books&mode=mlb_a&lang=de&key=1282555928 6 Appetit auf Lesen (2006)

https://www.blikk.it/forum/lly.php?bn=leseblikk_books&mode=mlb_a&lang=de&key=1282556228 7 Der Südtiroler Lesefrühling (2007)

https://www.blikk.it/forum/lly.php?bn=leseblikk_books&mode=mlb_a&lang=de&key=1282556228 8 Bookstart (2007)

http://www.provinz.bz.it/familie-soziales-gemeinschaft/familie/bookstart.asp 9 Lernwelten.net (2008)

https://www.blikk.it/forum/lly.php?bn=leseblikk_books&mode=mlb_a&lang=de&key=1282557035 10 Rahmenrichtlinien (2009)

http://www.bildung.suedtirol.it/files/4313/7706/6525/druckfassung_rahmenrichtlinien_gs-ms-dt09.pdf 11 Didaktische Handreichungen

http://www.schule.suedtirol.it/lasis/handreichung/deutsch.htm 12 Südtirols Schulbibliotheken

www.schule.suedtirol.it/blikk/angebote/schulegestalten/se_suedtirol/ses9005.htm 13 Kompetenztests

http://www.provinz.bz.it/evaluationsstelle-deutschsprachiges-bildungssystem/kompetenztest.asp 14 Lesen. Das Training

http://www.vpmonline.de/index.php/lesetraining_GS/rubrik/lesetraining_GS 15 Büchermärz 2013

http://www.biblio.at/blog/?p=581