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11.06.22 / Folie 1 Lehrstuhl für Bürgerliches Recht, Arbeits- und Sozialrecht Prof. Dr. Burkhard Boemke Klausurenkurs zum Schwerpunktbereich Arbeitsrecht Arbeitsrecht WS 2014/15 Klausur 3 Klausur 3 - Lösung - - Lösung -

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Lehrstuhl für Bürgerliches Recht, Arbeits- und SozialrechtProf. Dr. Burkhard Boemke

Klausurenkurs zum Schwerpunktbereich

ArbeitsrechtArbeitsrechtWS 2014/15

Klausur 3Klausur 3- Lösung -- Lösung -

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A. Beantworten Sie nachstehende Fragen

Im Betrieb von Anton Artig finden Streikmaßnahmen statt. Da er sich zum ersten Mal mit einer solchen Arbeitskampfsituation konfrontiert sieht, stellen sich für ihn zahlreiche Einzelfragen, auf die er von Ihnen eine knappe, begründete Antwort haben möchte:

I. Die Betriebsratsvorsitzende Bettina-Beate Vorsitz nimmt an einem Streik teil.

1. Steht ihr ein Streikrecht zu?

Als Arbeitnehmer darf auch ein BRM am Streik teilnehmen; das grundrechtlich geschützte Streikrecht wird durch die Ausübung eines Betriebsratsmandats nicht begrenzt.

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Aufgabenteil A

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2. Wie wirkt sich die Streikteilnahme auf ihr Betriebsratsamt aus?

Das Amt des Betriebsrats wird durch die Streikteilnahme nicht berührt, diese suspendiert nur die Hauptleistungspflichten.

II.Während des laufenden Streiks möchte Artig einen Sachbearbeiter neu einstellen. Wie und, wenn ja, in welcher Form hat er seinen Betriebsrat zu beteiligen, wenn er den Mitarbeiter als Ersatz für

1. einen aus Altersgründen ausgeschiedenen Kollegen 2. als „Streikbrecher“

einstellen will?

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Aufgabenteil A

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Zu 1.) § 99 I BetrVG: Information und Zustimmung. Eine Einschränkung aus Gründen des Arbeitskampfes kommt nur bei arbeitskampfbedingten Maßnahmen in Betracht.

Zu 2.) Nach h. M. und Rspr. erfordert der grundrechtliche Schutz der Arbeitskampfmittelfreiheit eine Einschränkung der Beteiligungsrechte, soweit der BR durch diese auf Arbeitskampfmaßnahmen Einfluss nehmen könnte. Daher keine Zustimmung, die Informationsverpflichtung bleibt aber bestehen

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Aufgabenteil A

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III. Artig will an Mitarbeiter, die während eines Streiks ihre Arbeitsleistung weiterhin erbracht haben, eine Sonderzahlung leisten. Muss er seinen BR beteiligen, wenn er diese Prämie

1. bei Beginn des Streiks ausgelobt hat?

Nach h. M. und Rspr. nein, weil es sich um eine Arbeitskampfmaßnahme handelt, die mitbestimmungsfrei ist.

2. als nachträgliche Anerkennung zahlen will?

Nach h. M. und Rspr. ja, weil eine nachträglich ausgelobte Prämien keinen Einfluss mehr auf den Verlauf des Arbeitskampfs haben kann.

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Aufgabenteil A

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IV. Die Betriebsratsvorsitzende Bettina-Beate Vor-Sitz ruft die Arbeitnehmer des Betriebs zu einem Streik auf, bis der Arbeitgeber den Antrag des Betriebsrats auf Abschluss einer Betriebsvereinbarung über ein zusätzliches Weihnachtsgeld angenommen hat. An welche Reaktionsmöglichkeiten kann der Arbeitgeber denken?

1. Bzgl. Organstellung

§ 23 I BetrVG, Amtsenthebung

2. Bzgl. Arbeitsverhältnis

§ 626 BGB, außerordentliche Kündigung – aber § 103 BetrVG

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Aufgabenteil A

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B. Erstellen Sie ein Rechtsgutachten zu den aufgeworfenen Fragen

I. Mitbestimmung des Betriebsrats des Artig

Mitbestimmungsrecht gemäß § 87 I Nr. 3 BetrVG?

Voraussetzung:

- Anwendungsbereich: Arbeitnehmer i. S. v. § 5 I BetrVG

- Kollektiver Tatbestand- Mitbestimmungstatbestand § 87 I Nr. 3 BetrVG

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Aufgabenteil B

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1. Anwendungsbereich

Befugnisse des BR erstrecken sich ausschließlich auf betriebsangehörige AN

Problem: Betriebszugehörigkeit von Leih-AN im Entleiherbetrieb?

a) „Kumulationstheorie“ grds. AN nur betriebszu-gehörig, wenn AV zum Betriebsinhaber + AN tatsächlich in Betrieb eingegliedertaber: partielle Betriebszugehörigkeit der Leih-AN

b) EingliederungstheorieAN betriebszugehörig, wenn tatsächliche Eingliederung in Entleiherbetrieb + die weisungsabhängige Tätigkeit unter dem Direktionsrecht des Entleihers aber: eingeschränkte Anwendbarkeit der Vorschriften des BetrVG auf Leih-AN

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Aufgabenteil B

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c) Stellungnahme und Zwischenergebnis

Anwendungsbereich eröffnet (+)

2. Kollektiver Tatbestand (+), alle AN sind betroffen

3. Mitbestimmungstatbestand (§ 87 I Nr. 3 BetrVG)

Voraussetzungen:

- Verlängerung der Arbeitszeit- Vorübergehend- der betriebsüblichen Arbeitszeit- durch den Betriebsinhaber

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Aufgabenteil B

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a) Verlängerung der Arbeitszeit (+), von 40 auf 48 Std.

b) Vorübergehend (+), nur für eine Woche

c) der betriebsüblichen Arbeitzeit (+)

d) durch den Betriebsinhaber (+)

5. Ergebnis

Beteiligung des BR im Betrieb des A bei derÜberstundenanordnung gem. § 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG (+)

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Aufgabenteil B

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II. Mitbestimmung des BR des A bei Jahresarbeitszeit

1. § 87 I Nr. 3 BetrVG?

Problem: vorübergehende Verlängerung der betriebsüblichen Arbeitszeit auch, wenn die Arbeitsverteilung auf einzelne Wochen sich verändert, insgesamt aber das vereinbarte Arbeitszeitdeputat mit dem AN unverändert bleibt?

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Aufgabenteil B

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Problemlösung

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Maßgeblich für die Bestim-mung der betriebsüblichen Arbeitszeit ist die regel-mäßig vertraglich geschuldete Arbeitszeit

Berücksichtigung bei Bestim-mung der betriebsüblichen Arbeitszeit das mit dem AN vereinbarte Arbeitszeitdeputat, + ggf. auch eine Verteilung des Arbeitszeitdeputats auf einzelne Zeitabschnitte

Streitentscheid

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Aufgabenteil B

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2. § 87 I Nr. 2 BetrVG?

Mitbestimmung (+), weil zusätzlich Samstag gearbeitet werden soll, sodass die Verteilung der Arbeitszeit auf die einzelnen Wochentage berührt ist

III. Mitbestimmung nach § 111 BetrVG?

Voraussetzungen des Mitbestimmungsrechts:

- Unternehmen mit i. d. R. mehr als zwanzig wahlberechtigten AN- Geplante Betriebsänderung- Wesentliche Nachteile für die Belegschaft

oder erhebliche Teile davon

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Aufgabenteil B

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1. Mehr als 20 AN?

a) Stammkräfte

lediglich 20 eigene AN, auch Halbtagskräfte zählen pro Kopf, weil anders als z. B. § 23 I 4 KSchG keine abweichende Sonderbestimmung

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Aufgabenteil B

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b) Leiharbeitnehmeraa) Regelmäßig werden 3 eingesetzt

Problem: Zählen diese mit?

bb) Eingliederungstheorie (+) cc) Kumulationstheorie?

(1) Berücksichtigung (+),Soweit Abstellen aufWahlberechtigung + auffinanzielle Belastbarkeit des Unternehmen

(2) Berücksichtigung (-), weil LAN keine AN sind

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Aufgabenteil B

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2. Geplante Betriebsänderung?

Hier: § 111 S. 3 Nr. 1 BetrVG: Betriebseinschränkung?

Herabsetzung der Leistungsfähigkeit des Betriebs durch Einschränkung einer erheblichen Zahl der AN genügthier Personalabbau durch A (+)

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Aufgabenteil B

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3. Wesentliche Nachteile für die Belegschaft oder erhebliche Teile davon betroffen?

§ 17 KSchG maßgebend, sodass bei der vorliegenden Betriebsgröße mehr als 5 AN ihren Arbeitsplatz verlieren müssten

a) Stammkräfte

Hier will A jedoch nur 5 Arbeitsplätze bei Stammkräften abbauen

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Aufgabenteil B

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b) Berücksichtigung von LAN?

Berücksichtigung (-)

Soweit auf Beendigung des AV im Sinne der rechtlichen Leistungsverpflichtung abgestellt wird

Berücksichtigung (+)

Betriebsänderung liegt bereits vor, wenn wesentliche Nachteile bestehenDies ist bereits dann der Fall, wenn AN nach der unternehmerischen Planung aus betriebsbedingten Gründen aus dem Betrieb ausscheiden

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Aufgabenteil B

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4. Ergebnis

Mitbestimmung nach § 111 BetrVG (+)

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