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1 § 5 Verbraucherschutz im Schuldrecht I. Überblick: 1. BGB um 1900: kannte keinen Verbraucherschutz; Privat-autonomie bedeutete Selbstbestimmung, aber auch (fast) vollkommene Selbstverantwortung 2. Immerhin: AbzG aus dem Jahre 1896 schützte wirtschaftlich abhängige Kleinunternehmer, Heimarbeiter („Singer“ –Nähmaschinen) –jetzt § 503 II 4 BGB. 3. Seit 1969 zunehmender Ausbau des Verbraucherschutzes, zunächst in Sondergesetzen (AGBG, HWiG, VerbKrG), seit 2002 im BGB selbst.

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§ 5 Verbraucherschutz im Schuldrecht

I. Überblick:

1. BGB um 1900: kannte keinen Verbraucherschutz; Privat-autonomie bedeutete Selbstbestimmung, aber auch (fast) vollkommene Selbstverantwortung

2. Immerhin: AbzG aus dem Jahre 1896 schützte wirtschaftlichabhängige Kleinunternehmer, Heimarbeiter („Singer“ –Nähmaschinen) –jetzt § 503 II 4 BGB.

3. Seit 1969 zunehmender Ausbau des Verbraucherschutzes, zunächst in Sondergesetzen (AGBG, HWiG, VerbKrG), seit2002 im BGB selbst.

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a) §§ 13, 14 (Grundbegriffe): Verbraucher, Unternehmer

b) § 241a (unbestellte Leistungen) Fall 7

c) §§ 305 ff. (AGB-Kontrolle); 310 III (Inhaltskontrolle von Verbraucherverträgen)

d) Widerrufsrechte: §§ 312, 312a (Haustürwiderruf) – Fall 5, 312 d (Fernabsatz) – Fall 6, 355 – 359 (allgemeine Vorschriften für den Widerruf), 495 (Verbraucherkredit)

e) §§ 474-479 (Verbrauchsgüterkauf) – dazu Kaufrecht

f) §§ 481-487 (Teilzeitwohnrechte)

g) §§ 495, 499, 503, 505 (Verbraucherdarlehen, Finanzierungshilfen, Ratenkauf)

h) Reisevertrag (§§ 651 a –m)

i) § 661 a (Gewinnzusagen)

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4. Grundgedanken

a) Verbraucher regelmäßig strukturell unterlegen; daher Inhaltskontrolle von Verbraucherverträgen (§§ 305, 310 III).

b) Besondere Gefährdung bei bestimmten Vertragsarten, bei denen der Verbraucher der Gefahr der Überrumpelung und mangelnder

Information ausgesetzt ist (vertrags- und situationssspezifischeGefährdungslagen):

- Informationspflichten des Unternehmers: zB §§ 312c, 492 BGB

- Widerrufsrechte für Verbraucher: zB § 312 I, 312 d, 495 BGB.

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II. Verbraucherschützende Widerrufsrechte

§§ 312, 312a (Haustürwiderruf)§§ 312 d (Fernabsatz)§§ 495 I, 501 (Verbraucherdarlehen; Finanzierungshilfen)§§ 355 – 359 (allgemeine Vorschriften für den Widerruf)

1. § 312 BGB (Haustürgeschäfte und ähnliche Geschäfte)

a) Ratio legis: - Schutz vor den Gefahren des Direktmarketings (Überrumpelung)

- bei Haustürgeschäften fehlt die für den Kauf in Ladengeschäften typische Umkehrmöglichkeit und Überlegungszeit

b) Voraussetzungen

aa) Vertrag über eine entgeltliche Leistung:

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ab) Der Verbraucher muss zu dem Vertragsschluss bestimmt worden sein

ac) durch mündliche Verhandlungen an seinem Arbeitsplatz oder im Bereich einer Privatwohnung, § 312 I Nr. 1 BGB

ad) anlässlich einer vom Unternehmer oder von einem Dritten zumindest auch im Interesse des Unternehmers durchgeführten Freizeitveranstaltung (§ 312 I 1 Nr. 2)

Fall 5:

K 433 V

Tagesreise (Sachsen)

R

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Lösung Fall 5:

Widerrufsrecht gem. § 312 I Nr. 2 BGB:

K müsste anlässlich einer vom Unternehmer oder von einem Dritten zumindest auch im Interesse des Unternehmers durchgeführten Freizeitveranstaltung zum Abschluss des Kaufvertrages bestimmt worden sein.

1. Freizeitveranstaltungen

a) Definition: Veranstaltungen, bei denen der Verkehr nach dem von der Ankündigungund Durchführung geprägten Gesamtbild von einem Freizeiterlebnisausgeht und die gewerbliche Zielsetzung weniger im Vordergrund steht.

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b) Ratio legis:

Gefahr, dass Kunde durch das Freizeitangebot vom eigentlichen Zweck derVeranstaltung abgelenkt und für die Verkaufsabsichten des Veranstaltersgewogen gemacht wird.

c) Fallbezogen:

Bei dem Tagesausflug nach Meißen durfte A aufgrund der Ankündigung voneinem Freizeiterlebnis ausgehen.

In der Manufaktur fand eine kostenlose Bewirtung mit Tee und Gebäck statt.

Nach alledem blieb die gewerbliche Zielsetzung des Ausflugs im Hintergrund. Es handelt sich daher um eine Freizeitveranstaltung.

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2. Freizeitveranstaltung wurde allerdings nicht von dem Unternehmer (= Vertragspartner; Porzellanmanufaktur), sondern von einem Dritten ( R) durchgeführt.

a) Gem. § 312 I Nr. 2 genügt es, wenn der Dritte zumindest auch im Interesse des Unternehmers tätig geworden ist. b) Beispiele:

(1) Vereinbarung oder jedenfalls „Abstimmung“ zwischen Reisever- anstalter und Unternehmer

Indiz: Begleitung der Reise durch Mitarbeiter des Unternehmers

(2) BGH NJW-RR 1991, 1523, 1524: es genügt sogar, wenn der Veranstalter lediglich weiß, dass der Unternehmer im Rahmen derFreizeitveranstaltung Werbe- und Verkaufsbemühungen entfaltet:

Vorgesehener Besuch einer Teppichknüpferei in Anatolien

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(3) Hier: vergleichbarer Fall

Ergebnis: Tagesausflug ist zumindest auch im Interesse der Manufaktur durchgeführt worden; L steht somit gem. § 312 I Nr. 2 BGB ein Widerrufsrecht zu.

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c) Ausschluss des Widerrufsrechts:

aa) wenn die Vertragsverhandlungen in der Wohnung des Verbrauchers auf vorhergehende Bestellung des Verbrauchers geführt worden sind (§ 312 III Nr. 1)

Voraussetzung: freie und durch den Unternehmer unbeeinflusste Entscheidung; nicht bei provozierten Bestellungen durch den Unternehmer.

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Weitere Ausschlussgründe:

bb) wenn das Entgelt sofort erbracht wurde und 40 € nicht übersteigt, sog. Bagatellfall ( § 312 III Nr. 2 BGB)

cc) wenn die Willenserklärung des Verbrauchers von einem Notarbeurkundet worden ist (§ 312 III Nr. 3)

dd) bei Versicherungsverträgen, § 312 III, Einl. BGB

d) Widerrufserklärung, § 355 I BGB

Widerruf = einseitige, empfangsbedürftige Willenserklärung

Form: Textform (§ 126 b) oder durch Rücksendung der Sache.Nicht erforderlich ist die Benutzung des Wortes „Widerruf“.

e) Widerrufsfrist, § 355 II BGB

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aa) Beginn: Die Widerrufsfrist beginnt grundsätzlich erst ab Belehrung zu laufen.

Es gelten drei unterschiedliche Fristen:

▪ Belehrung bei Vertragsschluss: 2 Wochen (§ 355 I 2)▪ Belehrung nach Vertragsschluss: 1 Monat (§ 355 II 2)▪ keine Belehrung: unbefristetes Widerrufsrecht (§ 355 III 3)

bb) Erlöschen

(1) Gem. § 355 III 1 BGB erlischt das Widerrufsrecht spätestens 6 Monate nach Vertragsschluss

(2) gem. § 355 III 3 BGB gilt dies jedoch nicht, wenn der Verbrauchernicht ordnungsgemäß über sein Widerrufsrecht belehrt worden ist.

§ 355 III 1 BGB hat daher nur Bedeutung, wenn Unternehmer zusätzliche (Informations-)Pflichten verletzt hat, deren Erfüllung Voraussetzung für den Beginn der Widerrufsfrist ist, zB § 312d II, 312e I, III 2 (Palandt/Grüneberg, § 355 Rn. 22).

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a) Verbraucherdarlehen (§ 495 BGB)

b) Fernabsatzvertrag, § 312 d BGB

Fernabsatzverträge sind Verträge, die ausschließlich über Fern-kommunikationsmittel abgeschlossen werden, also zB Brief, e-

mail,Telefon, Telefax.

Ausnahmen bestehen gem. § 312 d IV BGB für bestimmte Vertragstypen.

Wichtig Nr. 5: Kein Widerruf bei Versteigerungen (§ 156 BGB); gilt dies

auch bei Internetversteigerungen?

Fall 6: V „Angebot“ (Internet) gegen Höchstgebot

Höchstgebot KWiderruf

2. Weitere Widerrufsrechte:

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Fall 6: Widerruf bei Internetversteigerung

Anspruch V – K auf Kaufpreiszahlung

I. Vertragsschluss im Internet:

Angebot des Einlieferers und Annahme durch Höchstgebot (vgl. BGHZ 149,129 = NJW 2002, 363 – ricardo.de)

1. Angebot V als „invitatio ad offerendum“ ; problematisch Rechtsbindungswille

- anders als bei Anzeigen oder Annoncen keine Gefahr vielfacher Verpflichtungen

- nur ein Vertragsschluss: mit Höchstgebot

2. Annahme K durch höchstes Kaufgebot: (+)

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3. Inhaltskontrolle AGB § 307 II Nr. 1: Abweichung vom Leitbild des § 156 (= Vertragsschluss durch Zuschlag)

BGHZ 149, 129, 137:

Vertragsschluss selbst unterliegt keiner Inhaltskontrolle;Vertrag kommt durch individuelle Erklärungen zustande.

AGB eBay geben WE des V keinen anderen Inhalt als diese

„aus sich selbst heraus hat“ (nicht konstitutiv).

Ergebnis: Vertrag V – K zustande gekommen

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II. Widerruf des Gebots durch K?

1. Widerrufserklärung: § 355 I

a) Empfangsbedürftige Willenserklärung: § 355 I 2b) Form: Textform oder Rücksendung der Sache: § 355 I 2c) Frist: 2 Wochen (rechtzeitige Absendung genügt)d) Fristbeginn: mit – ordnungsgemäßer - Belehrung, spätestens Monate nach Vertragsschluss (§ 355 II, III)

Frist läuft nicht, wenn keine technischen Mittel zur Korrektur von Eingabefehlern bereitgestellt (§ 312 e I Nr. 1; III 2)

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2. Widerrufsrecht (§ 312 d I)

a) Fernabsatzvertrag: § 312 b I

aa) Vertrag zwischen Unternehmer (§ 14) und Verbraucher (§ 13) (+)

bb) unter ausschließlicher Verwendung von Telekommunikations- mitteln:

Vertragsschluss ohne körperliche Anwesenheit (Briefe, Telefon,E-Mails, ...)

H.M: Internetversteigerung (+)

cc) Ausnahme: Vertragsschluss nicht im Rahmen eines Fernabsatz- Vertriebssystems (§ 312b I 1, 2.Hs.)

Bsp.: gelegentliche Ausführung telefonischer Bestellungen

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b) Kein Widerrufsrecht bei Fernabsatzverträgen „in Form von Versteigerungen (§ 156)“ (§ 312d IV Nr. 5)

aa) Bedingungen e-bay: § 156 abbedungen;

Wortlaut des § 312d IV Nr. 5: Ausnahme gilt nur für Versteigerungen im Rechtssinne (Zuschlag)

BGH NJW 2005, 53: Vertragsschluss nicht durch Zuschlag, sondern durch Angebot und Annahme,

Zeitablauf ist keine Willenserklärung; die WEen sind bereits vor Zeitablauf – innerhalb der Frist - abgegeben

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bb) Zweck des Widerrufsrechts: Schutz des Verbrauchers vor Fehlentscheidungen, weil er Ware nicht besichtigen kann und auch

sonst kein Kontakt zum Verkäufer besteht

Schutzbedürfnis besteht auch bei Internetversteigerungen der vorliegenden Art

Ergebnis: Nach BGH NJW 2005, 53 Widerruf berechtigt; K muss nicht zahlen! -------------------------------------------------------------------------------------------------

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B S

Lieferung (Schweigen = Zustimmung)

Schweigen

433 II ?

Lösung Fall 7:

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III. Verbraucherschutz bei unbestellten Leistungen (§ 241 a BGB)

Lösung Fall 7:

a) Ausgangsfall

I. Anspruch B – S gem. § 433 II BGB

Voraussetzung: wirksamer Kaufvertrag

1. Angebot: Zusendung der Ware durch B 2. Annahme durch S:

a) Ausdrückliche Annahmeerklärung: (-)

b) Annahme durch Schweigen:

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aa) Schweigen bedeutet grundsätzlich keine Zustimmung

bb) Ausnahme: Treu und Glauben (§ 242 BGB)

Beispiele:

- § 362 HGB: Schweigen auf einen Antrag zur Geschäftsbesorgung- § 346 HGB: Schweigen auf ein kaufmännisches Bestätigungsschreiben- Vereinbarung, dass Schweigen Zustimmung bedeutet- wenn die Annahme für den Schweigenden lediglich rechtlich vorteilhaft ist (Wertung des § 516 Abs. 2 Satz 2 BGB)

cc) Verpflichtung des S, binnen 14 Tagen zu widersprechen?

Keine Vereinbarung! Verpflichtung zum Widerspruch kann nicht einseitig einer Partei auferlegt werden; arg. § 311 Abs. 1 BGB; Vertragsfreiheit (-)

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c) Zustandekommen des Vertrages gem. § 151 BGB

aa) Voraussetzungen:

- Verzicht des Antragenden auf Zugang der Annahmerklärung oder

- Zugang nach der Verkehrssitte nicht zu erwarten

Beispiel (für Zugangsverzicht kraft Verkehrssitte): Zusendung unbestellter Waren.

arg.: Zusender hat kein Interesse, über das Zustande-kommen des Vertrages informiert zu werden.

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bb) Annahme des Antrags?

Tatbestand: „Manifestation des Annahmewillens“, zB

- wenn Empfänger seinen Namen in das Buch einträgt-

- bei sonstigen An- und Zueignungshandlungen (Ge- und Verbrauch der Ware, Weiterveräußerung).

Nicht ausreichend: Auspacken, Ausprobieren oder Behalten der Ware.

cc) Aber: abweichend von § 151 S. 1 BGB darf dies im Anwendungsbereich des § 241 a BGB nicht gelten, da der Empfänger unbestellter Ware mit den Sachen machen kann was er will (Palandt/Heinrichs, § 241a Rn. 6; str.).

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3. Ausschluss von Ansprüchen des B gem. § 241 a Abs. 1 BGB:

a) Voraussetzungen:

- Lieferung unbestellter Ware- von einem Unternehmer (§ 14 BGB)- an einen Verbraucher (§ 13 BGB).

Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt.

b) Rechtsfolge: keine Ansprüche des Zusenders gegen den Empfänger; kein Anspruch auf Bezahlung des Kaufpreises.

Ergebnis: § 433 II BGB B – S (-), auch bei Aneignung!

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II. Gesetzliche Ansprüche B – S:

1. § 985: B = Eigentümer des Buches;

Übereignung B-S: - Angebot B: Übersendung Ware- Annahme S: Behalten ? – keine Zueignung

Folge: § 985 (+)

2. Jedenfalls § 812 I 1 BGB: Rückübereignung und /oder Rückgabe des Buches (+)

3. Aber § 241 a Abs. 1 BGB:

H.M. Ausschluss sämtlicher Ansprüche des Zusenders gegen Empfänger-Herausgabe der Sache gem. §§ 985, 812 BGB- Herausgabe der gezogenen Nutzungen gem. §§ 987, 990; 812 I,

818 I BGB- Schadensersatzansprüche gem. §§ 989, 990; 823 BGB.

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Variante b): Lieferung einer mangelhaften Sache

Bei der Lieferung einer mangelhaften Sache hat Käufer die Möglichkeit, zum einen Gewährleistungsrechte geltend zu machen, zum anderen die Rechte aus § 241 a BGB.

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I. Rechte des S bei mangelhafter Lieferung

Sachmangel bei unvollständigem Schönfelder: § 434 I 2 Nr. 2: übliche Beschaffenheit ist Vollständigkeit

Rechtsfolgen:

1. §§ 434, 437 Nr. 1 – 3, 439 BGB: Nacherfüllung, Rücktritt, Minderung, Schadensersatz (jeweils nach Fristsetzung).

2. Falls B zur Nacherfüllung bereit ist, hat dieser einen Kaufpreisanspruch gem. § 433 Abs. 2 BGB; falls nicht, hat S Leistungsverweigerungsrecht gem. § 320 BGB

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II. Rechte des S aus § 241 a BGB:

1. Lieferung unbestellter Ware?

Gattungskauf: Schuldner muss Sachen mittlerer Art und Güte liefern (§ 243 Abs. 1 BGB); mangelhafte Sachen = nicht Lieferung der bestellten Sache?

2. Konsequenz: mangelhafte Lieferung = glücksfal für Käufer; darf sache behalten, V verliert Kaufpresianspruch gem. § 241a

Lösung: §§ 434 ff = leges speciales zu § 241a BGB; sonst verliert Verkäufer Recht zur 2. Andienung (Nacherfüllung)

3. Im Regelfall dürfte auch bei mangelhafter Lieferung eine erkennbar irrtümliche Lieferung unbestellter Sachen vorliegen, die nicht zum Anspruchsverlust führt (§ 241 a Abs. 2 BGB), aber zwingend ist das nicht.

Ergebnis: S hat nur die Gewährleistungsrechte aus §§ 434 ff. BGB, kann sich also nicht auf § 241 a Abs. 1 BGB berufen.

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Variante Fall 7 c)

c) Lieferung einer „anderen“ Sache (aliud)

Bei der aliud-Lieferung (Palandt statt Schönfelder) liegt dagegen Annahme nahe, dass Zusender unbestellte Ware geliefert hat, so dass hier § 241 a BGB anwendbar ist.

H.M.: auch hier Vorrang der §§ 434 ff.;

arg. Falschlieferung = Sachmangel (§ 434 III); Normzweck des § 241a (Sanktion wettbewerbswidrigen Verhaltens) nur bei absichtlicher Falschlieferungerfüllt

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4. Rechtsfolgen:

a) Falls S den Palandt sich angeeignet haben sollte, müsste er ihn auch bezahlen

arg.: kein Fall des § 241a BGB, sondern Zustandekommen des Vertrages gem. § 433.

b) Falls keine Aneignung durch S:

Herausgabeanspruch des B gem. §§ 985, 812 I 1 BGB, ggf. Schadensersatz- und Nutzungsherausgabeansprüche gem. §§ 987, 989, 990 BGB.-------------------------------------------------------------------------