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- 1 - Sonntag, 13. Oktober 2013 (20:05-21:00 Uhr), KW 41 Deutschlandfunk (Abt. Musik und Information) F R E I S T I L Bert Kaempfert: Vom Easy Listening zur Lounge-Musik Eine deutsch-amerikanische Musikerkarriere von Flora Jörgens und Stefan Wimmer Produktion: Deutschlandfunk 2013 Redaktion: Klaus Pilger M a n u s k r i p t O-Ton Jiggs Whigham: „Große Kunst sieht nie aus wie große Kunst.“ Pause! Dann Musik „Die kleine Nachtmusik“, zur Unterlegung unter den nächsten OT OT Jiggs Whigham: „Ich glaube, es gibt schon seit Jahrhunderten Easy-Listening-Musik, also, wenn man eine ‚Kleine Nachtmusik’ von Mozart beobachtet, das ist schon Easy Listening. Im Gegensatz zu Mozarts ‚Requiem’, das ist natürlich sehr

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Sonntag, 13. Oktober 2013 (20:05-21:00 Uhr), KW 41

Deutschlandfunk (Abt. Musik und Information)

F R E I S T I L

Bert Kaempfert: Vom Easy Listening zur Lounge-Musik

Eine deutsch-amerikanische Musikerkarriere

von Flora Jörgens und Stefan Wimmer

Produktion: Deutschlandfunk 2013

Redaktion: Klaus Pilger

M a n u s k r i p t

O-Ton Jiggs Whigham:

„Große Kunst sieht nie aus wie große Kunst.“

Pause! Dann Musik „Die kleine Nachtmusik“, zur Unterlegung unter

den nächsten OT

OT Jiggs Whigham:

„Ich glaube, es gibt schon seit Jahrhunderten Easy-Listening-Musik, also,

wenn man eine ‚Kleine Nachtmusik’ von Mozart beobachtet, das ist schon

Easy Listening. Im Gegensatz zu Mozarts ‚Requiem’, das ist natürlich sehr

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ernstes Zeug. Obwohl alle beide fantastisch sind, gab’s immer diese zu

entspannende Musik. (…) ich finde es aber sehr, sehr schade, fast

tragisch, dass das wird oft beobachtet als Zweite-Klasse-Musik. Und ich

bin ganz andere Einstellung. Ich habe ein Problem mit Leuten, die sagt,

das ist alles Schrott, das ist zu leicht. Entschuldige bitte! Dann sage ich:

dann schreiben Sie acht Takte, so halbwegs gut wie diese Musik.

In diese Musik gibt es schon einige Arrangements und Melodien, zum

Beispiel bei Kaempfert, die sind genial einfach. Wenn man die Musik vom

Kaempfert überlegt, ich bin auch dafür da, um über seine Musik zu

sprechen, (…) wenn einer es versucht, so simpel, so eine simple Melodie

zu schreiben, Ladadi-da-da (singt) aber es ist wahnsinnig schön, das ist

eine wunderbare Melodie, und das ist gar nicht 2. Klasse, das ist schon

Weltklassemusik.“

Atmo Büro, Redaktion, Dialog zwischen deutschem Redakteur und

seiner Mitarbeiterin

Redakteur (etwas zerstreut):

Ja, super. Nehmen Sie das rein, ist vielleicht ein Super-Anfang.

Mitarbeiter/in (bisschen patzig):

Nicht super! Ist schon wieder ein Amerikaner.

Redakteur:

Wieso nicht? Wer ist denn das überhaupt?

Mitarbeiterin:

Jiggs Whigham, der allererste Professor für Jazz an einer Hochschule in

Deutschland überhaupt, vor 1980 konnten Sie nur Klassik studieren, der

hat mit Bert Kaempfert gearbeitet, außerdem ist Professor Whigham...

Redakteur (ihr ins Wort fallend)

Ja, das muss rein!! Ist doch klar!

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Mitarbeiterin:

Weiß ich. Aber ich brauche mehr Deutsche! Zu Kaempfert wusste

keiner....

Redakteur (ins Wort fallend, forschend):

Was ist denn mit Ihrer Straßenumfrage? Immerhin: Caro Emerald, der

neue niederländische Star ist doch aktuell mit nem alten Bert-Kaempfert-

Titel in den Charts –

Mitarbeiterin: (fast schon überm letzten Satz)

Ach, da kam doch auch nicht viel bei rum. Die Leute wussten einfach

nicht....

Redakteur:

Spielen Sie mal vor.

Umfrage, OT-Mix:

„Nee, keine Ahnung.“ „Wer?“ „Bert Kaempfert?“ „Nie gehört.“ „Muss man

den kennen?“...

Redakteur (ungeduldig, schon drüber):

Also, das kann doch nicht sein! Außerdem sollten Sie denen doch die

beiden Musiktitel im Vergleich vorspielen, dann hätte das bestimmt...

Mitarbeiterin (patzig):

War aber so. Hab ich ja! Obwohl das technisch gar nicht so einfach war

mit der Reportageausrüstung....

Redakteur: (ärgerlich)

O.k., o.k., dann hören wir uns das jetzt mal an.

Musik startet, Caro Emerald „I belong to you“

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Dialog so darüber, dass die einzelnen Sätze die Musik nicht zu sehr

zudecken:

R: Also, das ist jetzt Caro Emerald.

M: Jaaaa. Chef.

R: Also: Light Jazz.

M: (zustimmend): Mhhhmmm.

R: Halt, halt, lassen Sie mal laufen... Das müssen die Leute doch erkannt

haben, das ist doch in den Charts.

M: Eigentlich nur einer, der hatte aber auch das Album „The Shocking

World of Caro Emerald“.

R: Na, also!

M: Aber der war über 50, und Sie wollten doch...

R: Wär’ ja vielleicht noch gegangen. Kannte der denn Bert Kaempfert?

M: Ja…. Aber eher vom Namen. Der hat dann wiederum das Original

nicht erkannt.

R: Was haben die Leute denn zum Original gesagt?

Musik „My Way Of Life“, Bert Kaempfert ist schon gestartet, OT-Mix

und Dialog darüber

O-Ton-Mix:

„Klingt wie Filmmusik.“ „Nee, kenne ich nicht.“ „Ist aber ganz schön.“ „Ich

find’ das sogar besser. Weil: irgendwas Fertiges nehmen und sich dann

einfach draufsetzen, find ich schon eher blöd.“

Musik kurz hoch

O-Ton Mary Roos:

„Bert Kaempfert hat einen eigenen Stil gehabt. Man wusste sofort nach

den ersten Tönen, das ist er!“

O-Ton Jiggs Whigham:

„Man hört in ein paar Millisekunden, ob das Bert Kaempfert oder

zumindest eine Kopie von Bert Kaempfert (…) man hört das sofort.

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Dialog:

R: Na, also! Das ist doch richtig gut.

M: Ja, Entschuldigung, die letzten beiden O-Töne sollten da nicht rein, das

waren Mary Roos und wieder Jiggs Whigham.

R: Ach, Mary Roos. Ich dachte, die singt nur Schlager.

M: No Sir, die hat mit Bert Kaempfert auf der Bühne gestanden und

L.O.V.E. gesungen und...

R: (wieder ins Wort fallend, äußerst ungeduldig) Ja, ja. Wie wollen Sie

denn jetzt anfangen?

M: Ja, so??

O-Ton Dirk Busch:

„Der Kaempfert-Sound war ja eine Soundrevolution. Diese angenehme,

auch sehr groß wirkende Produktionsweise, diese Arrangements, die er

da hatte. Wenn es schon losging: Dupp du dupp, du, dumm brachte

automatisch ne angenehme – jedenfalls in der damaligen Zeit! – eine ganz

angenehme Stimmung ins Wohnzimmer.“

O-Ton Mary Roos:

„Das war was ganz, ganz Besonderes. Und extrem modern damals.“

Mitarbeiterin, Text: (wie Beitragstext lesend)

Damals, damit meint Mary Roos die 1960er Jahre. 10 Jahre vor ihrer

Geburt, 1939, erklangen in Deutschland noch andere Töne.

Redakteur: (schon über die letzten Worte)

Halt, halt, halt, halt! Den Text wollen Sie ja wohl nicht so sprechen, viel zu

schnell. Außerdem haben Sie schon mal vergessen einzufügen, wie der

Typ da hieß, der vor Mary Roos...

M: Das war Dirk Busch, eigentlich Liedermacher, aber auch Professor für

Soziologie, der seit den 80er Jahren auch Light-Jazz mit amerikanischen

Top-Studio-Musikern produziert hat...

R: (gönnerhaft) Na, dann fangen Sie jetzt mal an. Und nehmen Sie nen

anständigen Sprecher dazu.

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Text:

Damals, damit meint Mary Roos die 1960er Jahre. 10 Jahre vor ihrer

Geburt, 1939, erklangen in Deutschland noch andere Töne.

R: So geht’s doch!!

Musik: Orchester Hans Busch „Komm mit nach Madeira“ startet

Text Sprecher:

Der talentierte, sechzehnjährige Berthold Kämpfert – zu der Zeit noch mit

„ä“ geschrieben – bricht die Musikschule in Harburg-Wilhelmsburg ab – für

ein Engagement als Saxophonist im Orchester Hans Busch. Dort

bekommt der schmächtige Junge den Spitznamen „Fips“ verpasst.

Das Orchester Hans Busch macht elegante Kaffeehausmusik. Etwas

Moderneres ist 1939 kaum möglich, denn Swing und Jazz sind von den

Nationalsozialisten als „entartete Negermusik“ verboten worden.

Wer sich nicht daran hält, wird bestraft. Am 1. September hat der Zweite

Weltkrieg begonnen.

Doch eine Menge junger Leute in Deutschland hört diese Musik heimlich.

Fips Kämpfert liebt Count Basie, Duke Ellington und Harry James.

Musik startet „Concerto for Trumpet“ – Harry James

„Concerto for Trumpet“ spielt Harry James 1942 mitsamt seinem

kompletten Orchester in Uniform, denn im Dezember 1941 waren die

„USA at war“, also in den Krieg eingetreten. Auch Fips Kämpfert ist

eingezogen worden, nach Sylt. Er hat Glück, tagsüber spielt er Märsche

im Musikkorps, und abends setzt er sich in Bars ans Klavier. Doch die

Situation verschärft sich.

Als Kämpfert – mittlerweile in Dänemark beim Nachtdienst in der Kaserne

– über Kurzwelle heimlich Swing auf BBC hört, und ertappt wird, bedeutet

das für ihn: Ostfront. Auf dem Weg dahin gerät er in ein Seegefecht, wird

zurückgeschickt und schließlich im März 1945 zur Flakabwehr nach

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Rendsburg abkommandiert.Die Alliierten dringen bereits von allen Seiten

nach Deutschland vor, die Amerikaner überqueren den Rhein.

O-Ton Jiggs Whigham:

„Es war Krieg, 2. Weltkrieg, mein Vater war hier in der Third Infanterie,

hier in Köln und hat Köln liberiert, und das war 1945 und da war so viel

Leben verloren gegangen, und Köln war eine Katastrophe wegen der

Bombardierung, und das fand ich schon immer eine Absurdität mit Krieg

und so (…) ich bin überzeugt, nein, das muss nicht sein.“

Text, Mitarbeiterin:

Musik-Professor Jiggs Whigham kommt genau 20 Jahre später als sein

Vater nach Köln.1965. Da ist er noch kein Professor, aber schon ein

gefragter Posaunist. Bereits mit 17 hatte er in New York als Solist beim

Glenn Miller Orchestra gespielt, und dann später eine Tournee mit Stan

Kenton durch England absolviert.

O-Ton Jiggs Whigham:

„Das war für mich natürlich auch eine Offenbarung, neue Kultur und

Englisch mit die englische Akzent, alles war anders. Knapp zwei Jahre

später habe ich diese Angebot, und: ich bin nie wieder nach New York.“

Mitarbeiterin:

Was für ein Deutschland hat er denn zwanzig Jahre nach Kriegsende

erlebt?

O-Ton Jiggs Whigham:

„Ich bin mit meine Frau hier her gekommen, immer noch die gleiche Frau

übrigens, und das war: ein totale Kulturschock.“

Musik startet: „The World We Knew“, Frank Sinatra, Zeilen frei: „Over

and over I keep going over the world we knew, once when you walked

beside me, that inconceivable, that unbelievable world we knew“….

Kann später übergehen in die instrumentale Version von Kaempfert

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Text Mitarbeiterin:

Bert Kaempferts Komposition aus dieser Zeit „The World We Knew“,

gesungen 1967 von Frank Sinatra und eigentlich ein Liebeslied, ist

durchtränkt von einer zur Verzweiflung anschwellenden Traurigkeit.

Text Sprecher:

„Die Welt, die wir kannten“ – diese Welt war untergegangen.

Text Mitarbeiterin:

1945: Bert Kämpfert ist 22 Jahre alt, der Anfang war schwer für ihn wie er

1979 in einem Interview mit dem WDR erzählte:

O-Ton Kaempfert

„Es gab weder Notenmaterial noch sonst etwas, und wir wollten natürlich

nach dem Krieg Musik machen und spielen, und so hab ich mich also

hingesetzt und fing an zu arrangieren.“

Text Sprecher:

Berthold Kämpfert hatte 1943 auf Sylt seine erste große Liebe kennen

gelernt, eine junge Dänin. Kurz nach der Verlobung war er dann an die

Ostfront strafversetzt worden. Seine Freundin Annelise war damals bereits

schwanger. Doch 1945 löst Annelise, mittlerweile junge Mutter eines

Mädchens, die Verlobung ohne Begründung. Sie bricht den Kontakt sogar

komplett ab, und Bert wird seine Tochter Renate erst 20 Jahre später das

erste Mal sehen.

Text Mitarbeiterin:

Aber dann lernt der junge Kämpfert noch im selben Jahr die

Zahnarzttochter Hannelore Winkler kennen, deren jüngere Schwester

Ruth auf einem Bauernhof in Süddeutschland den Einmarsch der US-

Army erlebt hat.

Musik: Zip-A-Dee-Doo-Dah

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Text Sprecher:

Die amerikanischen Soldaten waren mit Lautsprechern auf Lastwagen

durch die Dörfer gefahren und hatten dabei all die aktuellen

amerikanischen Hits gespielt. Note für Note muss Ruth Bert Kämpfert

diese Lieder vorsingen. Er schreibt sie mit, arrangiert sie für sein Sextett

und spielt sie abends vor Publikum. Die Zuschauer johlen vor

Begeisterung, denn es sind G.I.s, die bei den Konzerten ihr Heimweh

vergessen wollen.

Text Mitarbeiterin:

Fips neue Freundin Hannelore spricht ein ganz gutes Schulenglisch und

präsentiert die Musik auf der Bühne. Die Amerikaner nennen das Sextett

„Bert Kemp“. Alles wird immer abgekürzt.

Text Sprecher:

1946 heiraten Berthold und Hannelore, bald darauf wird die erste Tochter

Marion geboren. Das Geld ist knapp, oft wird die Gage in Zigaretten

ausbezahlt, eine Währung, die sich gut tauschen lässt. Auf der Suche

nach weiteren Einnahmequellen kommt Kämpfert jetzt zugute, dass die

Besatzungsmächte Rundfunkanstalten mit eigenen Orchestern gründen.

Text Mitarbeiterin:

Doris, die zweite Tochter, die 1951 geboren wird, beschreibt, wie sich ihr

Vater für einen Musiker einsetzt, den er kaum kennt, und zwar für Herbert

Rehbein.

Zitat Sprecherin:

„Der BFN suchte Musiker. Mein Vater hatte damals für den Sender

arrangiert und wusste deshalb, was als Nächstes geplant war. Er stand im

Besetzungsbüro mit einem Stapel Noten in der Hand, als Herbert

hereinkam. Sie suchten nur Saxophonisten und Herbert sagte, er spiele

Violine. Ohne jemals mit ihm zuvor gesprochen zu haben, stieß mein

Vater ihn an und sagte: „Aber du spielst doch auch Saxophon!“ und hat

ihm so aus der Bredouille geholfen. Herbert bekam den Job, und mein

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Vater hat ihm in kurzer Zeit das Nötigste beigebracht. Wenn die Stimme

zu kompliziert war, dann hat er sie einfach aus dem jeweiligen

Arrangement rausgenommen, so dass Herbert sie nicht mitspielen

musste. Sie haben sich sofort gemocht.“

Redakteur:

Haben Sie das nicht als O-Ton?

Mitarbeiterin:

Nein, steht aber so in der fantastischen Biografie von Marc Boettcher.

Leider absolut vergriffen in Deutschland.

Redakteur:

Na, meinetwegen. Nehmen Sie es als Zitat rein, das sagt ja auch viel über

Kaempfert als Menschen.

Musik: „Arizona Flip“ oder „Las Vegas“ wie für den weiteren Verlauf

Text Sprecher:

Es ist der Beginn einer Männerfreundschaft, die in eine beinahe

lebenslange Zusammenarbeit münden wird. Zunächst schließt Bert

Kämpfert in Hamburg einen Vertrag mit der Polydor ab. Da er Saxophon,

Klarinette, Piano und Akkordeon spielt, fällt ihm das Arrangieren leicht.

Tag und Nacht sitzt er über Notenblätter gebeugt, denn er hat Aufträge für

viele Produktionen zu erfüllen. 1952 legt er sich die Pseudonyme Mark

Bones, Raimondo und Bob Parker zu.

Text Mitarbeiterin:

Der Verleger Hans Wilfred Sikorski erklärt in der Kaempfert-Biografie

warum:

Text Sprecher:

„Man nahm sich ein Pseudonym, damit man nicht Neid erregte. Wir sind in

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Deutschland ein relativ missgünstiger Haufen im Gegensatz zu Amerika,

wo jeder sich freut, wenn der andere Erfolg hat.“

Text Mitarbeiterin:

Bei den Kollegen, den Musikern, den Sängern ist der introvertierte Bert

Kämpfert äußerst beliebt.

Musik: „Wenn es heut noch wahre Liebe gibt“ – Orchester Bob

Parker, Solistin Mona Baptiste

O-Ton Mary Roos:

„Ich hab ihn geliebt, ich hab ihn auch privat sehr gerne gemocht, er war

ein Gentleman, sehr großzügig, sehr humorvoll.“

O-Ton Jiggs Whigham:

„Bei Fips, diese Gelassenheit, einfach zu gucken, man spielt dann einfach

anders: Ich weiß, dass du spielen kannst, du weißt es vielleicht nicht so

sehr, aber ich schon.“

Text Sprecher:

Eine Haltung, die ihn in dieser Zeit in Deutschland keinesfalls üblich ist.

Viele der besten Komponisten und Dirigenten sind von den Nazis

umgebracht oder vertrieben worden.

Text Mitarbeiterin:

Mal ganz davon abgesehen, dass die junge Demokratie sich neuen

musikalischen Entwicklungen wie Jazz nur langsam annähert, fordern

viele Orchesterleiter von ihren Instrumentalisten notenblattgetreue

Wiedergabe, sture Umsetzung, pure Unterordnung. Statt Ideenreichtum

Kadavergehorsam. Wer dirigiert, diktiert.

O-Ton Jiggs Whigham:

„Das klingt eng, das ist schon gespannt, und bei Fips, das klingt easy, das

ist schon easy listening.“

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Text Sprecher:

Die Produktionen, die in den 50er Jahren in Deutschland entstehen, sind

alles andere als wegweisend. Kaempfert muss sich mit seinen

Arrangements dem Musikgeschmack der Auftraggeber unterordnen. Die

Polydor verpflichtet 1954 einen Sänger, der in Bars amerikanische

Countrymusik singt und sich auf der Gitarre dazu begleitet.

O-Ton Freddy Quinn (singend):

„I have the invitation that you sent me, you wanna me to see me change

your name, I couldn‘t stand to see you with another, but dear, I hope

you‘re happy just the same“

Bert Kaempfert war mein bester Freund auch privat, wir kannten uns seit

1953 und wir haben beide getingelt, wie man in Musikerkreisen sagt.

Er spielte in Bremerhaven in der Rio-Rita-Bar für Besatzungssoldaten, und

zwar die Schwarzen spielte er an, mit seinem Jazz.

Und ich hatte genau gegenüber ne Bar, die hieß Baby-Bar. Und da habe

ich mich mit Hillbilly verdingt. Und die Amerikaner waren natürlich total

ausgeflippt, wenn ich Hillbilly gesungen habe, nur Südstaaten. Und

Schwarze, die konnten natürlich – Hillbilly, das war so Bauernmusik für

die, und dann gab es fast alle Wochen eine Riesenschlägerei, und dann

wurde entweder Bert Kaempferts Bar, Rio-Rita-Bar, off-limits gesetzt, das

heißt, da durften keine Besatzungsleute rein, also keine Soldaten rein,

oder bei mir war dann off-limits. Wenn bei mir off-limits war, dann bin ich

rübergegangen und habe Bert Kaempfert bewundert, wie er gejazzt hat

und wie er gespielt hat, er war ein Super-Musiker und Bert Kaempfert

kam, wenn er nicht durfte für die Soldaten spielen, kam er zu mir in die

Baby-Bar und war also erstaunt und auch ein bisschen beeindruckt über

meine Hillbilly-Musik und vor allem über meine Kenntnisse der englischen,

der amerikanischen Sprache.“

Text:

Als Kind war dieser junge Sänger mit seinem irischen Vater John Quinn

nach West Virginia gezogen. Als die Polydor ihn unter Vertrag nimmt, soll

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er fortan deutsch singen. Das erzkonservative Lied „Heimweh“ ist

allerdings – beinahe ironischerweise – eine Coverversion des

amerikanischen „Memories are made of this“, und weil man im Presswerk

nicht weiß, wie der Name „Quinn“ geschrieben wird, steht auf dem roten

Plattenetikett einfach nur „Freddy“. Der Titel findet reißenden Absatz und

macht seinen Sänger über Nacht berühmt.

Musik nur kurz auftauchen lassen: „Heimweh“ und „die Gitarre und

das Meer“ – Freddy Quinn

Text Mitarbeiterin:

Bert Kämpfert arrangiert bald für den neuen Star Freddy Quinn. Gegen

den Trend in der Bundesrepublik lässt er beim Titel „Die Gitarre und das

Meer“ jeglichen triefenden Bombast weg und macht daraus eine ganz

sparsam instrumentierte Produktion, nur mit Akustik-Gitarre, Trompete

und ganz wenig Percussion.

Text Sprecher:

Ein Millionenseller, der sich 35 Wochen in der deutschen Hitparade hält.

Musik nur kurz auftauchen lassen: „Morgen“ Ivo Robic

Über die Arbeit am Titel „Morgen“ kommt es zu einem Zerwürfnis

zwischen Quinns Komponisten. Freddy muss sich für eine Partei

entscheiden: er singt das Lied nicht. Es wird schließlich, von Kaempfert

arrangiert, ein Riesenerfolg für Ivo Robic, einem bis dato hauptsächlich in

Jugoslawien bekannten Sänger.

Text Mitarbeiterin:

Neben einem Doo-Wop-Chor, wie man ihn aus der schwarzen Vokalmusik

der USA kennt, findet sich hier bereits ein weiteres, späteres

Markenzeichen Kaempferts: die hohe Solo-Frauenstimme. „Morgen“ und

„Die Gitarre und das Meer“ werden auch international veröffentlicht.

Kämpfert nutzt seine Chancen.

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OT Bert Kaempfert (aus Sendung 1979)

„Ich hab also seinerzeit auch noch als Produzent fungiert, ich hab einige

Künstler betreut, unter anderem Ivo Robic, falls sie sich an den erinnern,

der Erfolg „Morgen“ hatte, dadurch bin ich auch nach Amerika gekommen,

- er war sehr erfolgreich in Amerika, bekam eine Einladung von Perry

Como, und ich durfte also mitreisen, und hab natürlich ein paar Platten in

meinem Köfferchen mitgenommen, und ich hab die drüben dann bei

Verlegern und Schallplattenfirmen vorgespielt und so gelangte dann

"Wunderland bei Nacht" zum Beispiel in die US-Hitparade.“

Musik „Arizona Flip“ oder „Las Vegas“ im weiteren Verlauf des

ersten Absatzes unterlegen

Text Sprecher:

Tatsächlich waren zwei Kämpfert-Instrumental-Kompositionen schon 1956

über den Atlantik gelangt: „Arizona Flip“ und „Las Vegas“.

„Arrangement vorzüglich, könnte hier nicht besser gemacht werden“,

telegrafieren die amerikanischen Verleger, die vom Hamburger Alfred-

Schacht-Verlag darauf aufmerksam gemacht worden waren.

Text Mitarbeiterin:

Und da fällt die Entscheidung für den Namen: Bert Kaempfert in

internationaler Schreibweise mit „ae“. Bei den Pseudonymen Marc Bones

und Bob Parker winken die Amerikaner ab.

Text Redakteur:

Klingen so amerikanisch wie Jerry Cotton.

Musik „Midnight Blues“ exklusive Intro unter den folgenden

Absätzen

Text Sprecher:

Per Zufall hat Kaempfert dann aber noch einen Hit in Deutschland, mit der

Bearbeitung der Filmmusik „Mitternachtsblues“. Nun kann er finanziell

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etwas durchatmen. Seine Eigenkompositionen, die in den USA gelobt

worden sind, stoßen bei der Polydor auf wenig Interesse.

Der gleichnamige Kinofilm von Jürgen Roland, fällt 1959 in Deutschland

durch, die Musik beim Polydor-Chef Kurt Richter. Der Titel ist stark

beeinflusst von den persönlichen Erlebnissen Kaempferts in New York.

Text Mitarbeiterin:

Vor allem den Ehefrauen Kaempfert und Robic gehen die Augen über bei

so viel Geglitzer, Luxus, Überfluss. Ein Flug in die USA – das ist für einen

deutschen Normalbürger damals unerschwinglich, fast ein

Jahreseinkommen müsste man dafür aufbringen.

Hannelore übersetzt bei den Treffen mit einflussreichen Verlegern. Umso

mehr ärgert die ambitionierte, junge Frau das Desinteresse der deutschen

Polydor.

Musik: Intro „Midnight Blues“ dazwischen

Text Mitarbeiterin:

Allerdings ist zwischenzeitlich der „Mitternachtsblues“, auf den die

amerikanischen Verleger nur zögerlich reagieren, als „Midnight Blues“ die

Erkennungsmelodie des AFN geworden, des Radiosenders der

amerikanischen Streitkräfte in Europa.

Text Sprecher:

Als Elvis Presley ab 1958 eine längere Zeit seines Militärdienstes in

Deutschland ableisten muss, soll daraus auch ein Geschäft gemacht

werden.

Text Mitarbeiterin:

Bislang hatten die deutschen Radiostationen Elvis’ Musik nicht gesendet.

Er galt ihnen, wie auch vielen amerikanischen Sendern, als zu obszön, zu

rebellisch; Rock’n’Roll war absolut nicht gesellschaftsfähig.

Musik: „Muss i denn“ von Elvis Presley einspielen

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Text Sprecher:

Der spätere King soll für den Film „G.I. Blues“ eine deutsche Volksweise

singen, perfekt, um von den Rundfunksendern gespielt zu werden. Bert

Kaempfert arrangierte für ihn unter anderem „Muss i denn“. Das Lied wird

von Elvis 1960 aufgenommen und für den internationalen Markt dann in

„Wooden Heart“ umbenannt.

Text Mitarbeiterin:

Der SFB, der RIAS und der BR boykottieren in seltener Eintracht das

harmlos klingende Liedchen, das eigentlich Elvis cooles Image ernsthaft

gefährdet. Vermutlich weil sie es als das erkennen, was es in Wahrheit ist:

ein Marketing-Trick.

Redakteur:

Klug erkannt, dumm gehandelt: es wird ein Mega-Seller.

Text Mitarbeiterin:

Der Soundtrack zu „G.I. Blues“ bleibt 111 Wochen in der amerikanischen

Hitparade. In Deutschland ätzt das Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“

damals in einer Rezension über den Film:

Text Sprecher:

„Elvis Presley […] posiert in diesem Postkarten-Film erstmalig

verinnerlicht; er brüllt nicht mehr ekstatisch, sondern wimmert in GI-

Uniform heimelig ‚Muß i denn’ und ‚G'schichten aus dem Wiener Wald’.

Die Handlung, mit der die zehn Blubber-Nummern des Nato-Soldaten

garniert wurden, strotzt von rührenden Klischees: Frolleins, Kasperle-

Theater und Pumpernickel ergeben ein Bild deutscher ‚Gemütlichkeit‘, wie

es amerikanische Bilder-Blätter ihren Lesern beharrlich weiszumachen

versuchen.“

Text Mitarbeiterin:

Dass der zurückhaltende Kaempfert für „Muss i denn“ mitverantwortlich

ist, erfahren nur wenige. Weder Elvis noch Freddy Quinn, der zeitgleich für

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den Song „Unter fremden Sternen“ eine Goldene Schallplatte erhält,

erwähnen die Beteiligung des Hamburger Komponisten.

Musik: „Wonderland by Night“ – Bert Kaempfert, Trompetenstoß frei,

bleibt dann drunter

Umso überraschter sind die Reaktionen, als nur einige Wochen danach

das in Deutschland abgelehnte „Wunderland bei Nacht“ als „Wonderland

by Night“ am 22. August 1960 auf Platz 1 der US-Charts landet.

Das ist für einen Instrumentaltitel schon ungewöhnlich; und noch nie hat

ein Deutscher diese Spitzenposition erklommen, und das wird so schnell

auch nicht wieder passieren.

Text Mitarbeiterin:

Bert Kaempfert hat mit diesem Titel schon einen bestimmten Stil

gefunden. Leicht soll alles sein, in der Musik wie im Leben. Easy listening

und easy living. Etwas, für das man in Deutschland vor 50 Jahren

kämpfen muss.

OT Jiggs Whigham:

„Easy listening ist entspannend und auch gibt es Hoffnung, und das ist

alles nicht so ernst oder wie man hier in Deutschland sagt ‚das wird nicht

so heiß serviert wie gekocht’. Jeder hat Probleme (…) und manchmal man

muss auch die sonnige Seite vom Leben auszugucken. Das Leben ist

nicht so schwer…“

Text Sprecher:

Statt den Erfolg in den USA für Deutschland zu nutzen und Kaempfert

freie Hand zu lassen, besteht die Polydor auf der Einhaltung seines

Produzentenvertrags. Er soll die Studioarbeit mit anderen, Etablierten und

Neuentdeckungen, fortsetzen. Kaempfert beweist seine Fähigkeiten als

Talentscout.

Vor der Haustüre in Hamburg findet er die Begleitmusiker des Engländers

Tony Sheridan. Neben einigen Titeln mit Sheridan nimmt Kaempfert dann

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mit ihnen alleine auf. Doch die Polydor kann mit dieser Art von Musik

nichts anfangen, außerdem findet die Plattenfirma den Bandnamen

unverständlich: The Beatles.

Musik: „My Bonnie“ von Tony Sheridan... kurz auftauchen lassen

Text Mitarbeiterin:

Ein gemeinsamer Song – „My Bonnie (is over the ocean)“ – wird von der

Polydor als einzige Single veröffentlicht, unter dem Namen Tony Sheridan

and the Beat Boys. Vermutlich in der Hoffnung, dass sich ein Shanty in

der Hafenstadt Hamburg vielleicht verkaufen lässt. Dann verliert die

Plattenfirma das Interesse.

OT Bert Kaempfert aus Interview 1974

„My record company, they were not too happy with this, they didn’t like the

group too much.“ (Lachen) ... Later on I was very happy about their big

success they had, because I was right. (‚Yes, Yes, lovely story’,

Ansager)“

Musik im weiteren Verlauf „Afrikaan Beat“

Text Sprecher:

Unterdessen wird in den USA Bert Kaempfert 1961 von der Zeitschrift

„Cash Box“ zum „Up & coming Orchestra of the Year – the number one

band of the future“ gewählt, und „Billboard“, das Magazin, das die

wöchentlichen Hitparaden listet, führt seinetwegen die Kategorie „Easy

Listening Music“ ein.

Text Mitarbeiterin:

Dabei hat Bert Kaempfert in dem Sinne gar kein eigenes Orchester, er

spielt hauptsächlich mit Musikern, die in festen Engagements bei den

Rundfunksendern sind.

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Text Sprecher:

Bei den Aufnahmen nach 1962 ist Herbert Rehbein, zu dem der Kontakt

zwischenzeitlich abgerissen war, als Ko-Autor für Bert Kaempfert eine

wichtige Stütze. Er sitzt bei der Produktion auch mit im Studio.

OT Jiggs Whigham:

„Ja, der hat ein Konzert gefunden. Das war diese Knackbass mit Ladi

Geisler und soundmäßig und Chöre drauf, und das ist eine ganz klare

Konzept.“

Text Mitarbeiterin:

Klingen der prägnante Bass, den Ladislav Geisler mit einem

selbstgebauten Effektgerät ausgetüftelt hat, und die Chöre bereits

innovativ, so ist die Idee, afrikanische Metallflöten mit einzubringen ein

nochmaliger Aufmerksamkeitsfaktor.

Text Sprecher:

Mit dem Erfolg von „Afrikaan Beat“ in den USA wird man nun auch in

Europa auf Bert Kaempfert aufmerksam.

Text Mitarbeiterin:

Bert Kaempfert hat seinen Stil gefunden, den Professor Dirk Busch so

beschreibt:

OT Dirk Busch

„Es war ein sehr warmer und satter Sound (…) durch diese nicht

aggressiven Bläser, und dann auch durch die Doppelung mit den

Chorstimmen, selbst wenn sie keinen Text singen, klingt es einfach sehr,

sehr schön. Es ist einfach eine warme, wohlige Atmosphäre.“

Text Mitarbeiterin:

Bert Kaempfert hat seinen Klang gefunden. An dem ist der Toningenieur

Peter Klemt maßgeblich beteiligt. Ein Konzept, das Kaempfert später

einmal modernisieren will, da ist dann bereits Jiggs Whigham dabei:

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OT Jiggs Whigham:

„Wir waren, Mitte 70er Jahren, so 76, 77, ich weiß nicht ganz genau, es

gab diese Mehrspurtechnik vom Aufnahme, das war schon ein

Riesenapparat mit 32 Spuren, noch mehr. Und der Toningenieur hat für

jedes Instrument ein Mikrophon extra. Dass der das nachher

zusammenmischen. Und wir haben ein Take gemacht und das nachher

abgehört, nach dieser Aufnahme, und Fips hat gesagt ‚Nee!!’ Der hat ganz

klar Vorstellungen gehabt. Und hat gesagt ‚Total unmöglich!

Also, ich mach jede Pause, so 2, 3 Stunden, und sag: wir bauen alle

Mikrophone wieder ab, weg damit! Wir machen Sitzordnung wie damals

mit einem Mikrophon, aber links und rechts, das ist stereo.“

Text Mitarbeiterin:

Für den Toningenieur wären die separaten Aufnahmen einfacher zu

bearbeiten gewesen, er hätte die einzelnen Spuren leichter mischen

können. Auch Korrekturen wären dann natürlich viel einfacher. Aber Musik

lebt eben auch durch Unzulänglichkeiten.

OT Jiggs Whigham:

„Die Genie ist nicht nur, ein paar Noten zusammenzuschreiben. Es ist

einfach Klangkonzept, Ideen und so weiter und so fort, das ist eine

besondere Gabe. Und der Fips hat auch das gewusst. Und dann haben

wir ein Take gemacht, das gleiche Stück mit dieser neuen Formation, wir

haben im Kreis gesessen, die Band, die Streicher kamen später drauf,

aber die Band in ein Kreis, und das hat wie Bert Kaempfert geklungen,

genau, wie es klingen soll. Und das war’s!“

Text Mitarbeiterin:

Über Fehler und Patzer wollte Kaempfert hinweghören, wenn nur die

Emotion, die Hingabe, die Besonderheit des Moments stimmte.

OT Jiggs Whigham:

„Seine Spielatmosphäre war immer ganz locker, und oft war das so, wir

haben ein Take gemacht. Und einmal, ich hab 1. Posaune gespielt, und

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Fips hat gesagt im Studio, ach, wir brauchen das nicht zu üben, wir

spielen einmal Rotlicht und nehmen das gleich auf.’ Ja gut, und haben das

so aufgenommen, und im Mittelteil ist ein Posaunensolo, aber improvisiert,

wo die Changes, die Akkordwechsel stehen, und , so soll ich spielen, und

auf einmal, die ersten zwei Takte war nichts, die Noten, gar nichts, also

weder Pause noch Akkordwechsel, und ich hab nicht gespielt, weil ich

nicht wusste, was kommt drauf. Und Fips hat mich angeguckt: ‚und spiel

mal weiter, so einen Takt.’ Ja, o.k. und dann hab ich gespielt, und

anschließend hat er gesagt, ja, das ist in Ordnung, das nehmen wir so.’

Und ich: ‚Fips, Entschuldigung, aber ich habe im Mittelteil nicht gespielt, er

sagte, naja, das ist in Ordnung, da kommt ein Chor drauf und Streicher,

das merkt keiner.’ So war der! Ganz locker und das reflektiert sich in diese

Musik.“

Text Mitarbeiterin:

Dabei arbeitet Kaempfert wie besessen. Nach dem Erfolg des Albums

„Swinging Safari“ kommen viele Anfragen, auch wieder für Filmmusiken,

was er als Komponist gar nicht besonders schätzt.

Text Sprecher:

Mit seinem Freund Herbert Rehbein schließt sich der Komponist am

liebsten im kleinen Ferienhaus am holsteinischen Brahmsee ein. Dort wird

beinahe rund um die Uhr gearbeitet.

Text Mitarbeiterin:

Der einzige Luxus, den sich Fips leistet, ist Ausspannen beim Angeln;

auch an exotischen Orten.

OT Bert Kaempfert aus WDR-Interview bei 44:37 min.

„Dann geh ich erst mal fischen, das ist nämlich mein Hobby. Dazu fahre

ich meist auch nach Amerika, in die Everglades (…)“

Text Mitarbeiterin:

Er möge doch etwas in der Art von Kurt Weills „Mäckie Messer“, aus der

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Dreigroschenoper schreiben, fordert sein amerikanischer Verleger Milt

Gabler. Eine Art deutschen Blues.

Musik „Dankeschön“, instrumental

Text Sprecher:

Kaempfert versucht es. Er nennt das Stück zunächst „Candlelight Café“.

Text Mitarbeiterin:

Und spielt es einem alten Freund vor, mit dem er eigentlich über seine

immer schwieriger werdende Ehe sprechen will. Kurt Schwabach fängt

spontan zu singen an, zufälligerweise Worte, die, obwohl deutsch, fast

jeder in den USA kennt: „Dankeschön“.

Text Sprecher:

In der Version des Las-Vegas-Entertainers Wayne Newton erobert der

Song dort die Charts. In Deutschland verpasst die Plattenfirma Polydor

den Erfolg.

Kaempfert ist froh, als 1963 sein Vertrag ausläuft. In den USA, bei der

DECCA, ist er schon lange ein gefragter Mann, seine Alben verkaufen

sich millionenfach, berühmte Sänger wie Brenda Lee und Dean Martin

singen Kaempfert-Kompositionen.

Musik aus „Blue Midnight“: L.O.V.E.

Text Sprecher:

Das Album „Blue Midnight“, das im November 1964 erscheint, gelangt bis

auf Platz 3, bleibt 39 Wochen in den US-Charts und verkauft sich 800.000

mal, im Vergleich zu bescheidenen 10.000 Stück in Deutschland.

Der Titel „L.O.V.E.“ wird schließlich sogar von Nat King Cole interpretiert.

Text Mitarbeiterin:

Alles Umstände, die ungeahnte Folgen für den jungen Musiker Jiggs

Whigham haben werden und für seine amerikanische Schwiegermutter.

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OT Jiggs Whigham:

„Wie für viele Schwiegermutter (…) ist der Schwiegersohn natürlich nicht

gut genug für ihre Tochter. So, und wir waren, das war Osternsonntag vor

einige Jahre, so, wir kommen zusammen und wir waren zu viert. Ihr Mann

und meine Frau, und das war alles so – in Englisch natürlich es gibt nur

‚you’, aber wir haben uns schon fast gesiezt, das war so ein ‚you’ mit

Abstand. Ist in Ordnung. Und dann, wir sind beim Essen und smalltalk und

ja, und das Wetter wird kälter oder wärmer und das Essen schmeckt gut

usw., und dann kam die Frage, hat sie gefragt, ‚Du fliegst morgen nach

Deutschland wieder? Was machst du denn da?? Ich habe gesagt, ‚Ja ich

mache eine Aufnahme, vielleicht hast du mal gehört mit Bert Kaempfert?’

Sie sagte, ‚Wassss?? Bert Kaempfert, nein, nein!! Ich liebe Bert

Kaempfert, nein, du spielst mit? Kennst du ihn?’ ‚Ja, ich sag klar, wir sind

guten Kumpel und ich kenne ihm sehr gut.’ Nein!! Wirklich!! Nein, das darf

nicht wahr sein.“ Und auf einmal ist mein Wert in der stockmarket vom 1

auf 2000 gekommen, wow, und ich war großer Star.“

Musik kurz hoch

OT Jiggs Whigham weiter:

„Und dann bin ich nach Deutschland und hab aufgenommen und hat Fips

auch die Story erzählt, und der hat gelacht, und der hat - seine

Leidenschaft war Fischen. Und der war eine große Fischermann, und der

ist nach Everglades geflogen und hat gefischt, und der hat ein paar

Kumpels und hat gefischt. Und ich hab ihm gefragt,’ ja, kannste, wenn du

in Amerika bist, kannst du die Norma vielleicht auch anrufen? Das wird sie

bestimmt auch freuen.’ Ja, no problem!’ (…) und der hat einfach die

Norma angerufen. Der hat gesagt: ‚Norma? Ja? This is Bert Kaempfert.’

‚Ja, ja, o.k. who is this really? (lacht) ‚Ich bin wirklich Bert Kaempfert’, ‚Oh,

wow, how are you und so weiter.’ Und da hat sich eine

Telefonfreundschaft gebaut, die haben sich nie kennen gelernt, und er hat

immer pro Woche einmal angerufen, ‚Wie geht’s dir und so, ja gut’

irgendwie smalltalk, und dann waren wir schon in auf Tour in Berlin, waren

in ein Abend und nach dem Kozert Fips hat paar von uns eingeladen,

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Party und Essen und so, und Solisten und so, und ich saß neben

Hildegard Knef und das war toll. Und nach ein paar Gläschen, was weiß

ich, so ungefähr 2 Uhr morgens war das, der Fips sagte: ‚Let’s call

Norma!’.“

Text Mitarbeiterin:

Zwanzig Minuten haben die beiden gesprochen, Bert Kaempfert und Jiggs

Whighams Schwiegermutter – zwei Menschen, die mehr als nur einen

transatlantischen Draht zueinander fanden. Das ist typisch für den

bodenständigen Hamburger: Für seine Freunde nimmt er sich Zeit.

Musik „Moon Over Naples“ instr. startet unter dem nächsten, 2.

Absatz

Text Sprecher:

Als Kaempfert 1964 für das Album „The Magic Music Of Far Away Places“

zum Thema Italien „Moon Over Naples“ komponiert, wird dafür sogleich in

Amerika ein Text in Auftrag gegeben. „Spanish Eyes“ soll es heißen.

Kaempfert schlägt den Amerikanern seinen alten Weggefährten Freddy

Quinn als Sänger vor. Der ist sofort von der Idee angetan, will er doch

schon lange beweisen, dass er internationales Format besitzt.

OT Freddy Quinn:

„Aber Bert Kaempfert war bei Decca in Amerika, ich war Polydor und

zusätzlich war ein kleiner Haken da, zwei ganze Noten spaaa-nish zu

singen, das ist fast unmöglich, (singt) ‚spaaaaaa-nish eyes’, das klingt ja

nicht, und da rief ich den Textdichter an, Charly Singleton, der saß in New

York und sagte, ‚Hey Charly , I can’t sing this, das ist unmöglich’, da sagte

er (in Rolle) ‚maannn, I gonna call you up in a couple of minutes or so“ und

er war auch ein schwarzer, auch ein toller Mann, und in ungefähr 10

Minuten, sagte er: „ I gott it i got it, it’s blue spanish eyes“, ‚Oh’, sag ich,

‚hey charly, you are the greatest’. Und dann ging es natürlich (singt): „blue

spanish eyes…“

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Text Mitarbeiterin:

Dann kommen aus Deutschland Vorbehalte, was den Text angeht:

OT Freddy Quinn:

„Natürlich wusste dann irgendwann jemand nicht, weil er ein bisschen

schwer von Begriff war, das ‚blue’ nicht die Farbe der Augen war, sondern

ein Ausdruck der Sentimentalität, der Tristesse, ja. Denn Blues ist ein

Blues, und nicht die Augenfarbe. Der sagte aber, das ist doch Quatsch,

das ist doch kein gutes Lied, man weiß doch, die Spanier haben keine

blauen Augen, die haben braune Augen’, er hat’s nicht begriffen.

Und so haben Fips Kaempfert und ich entschlossen, dieses Lied doch

aufzunehmen. Aber leider bei einer Independent Company, also bei einer

Firma, die weder mit Decca noch mit Polydor was zu tun hatte.“

Musik „Spanish Eyes“ gesungen von Freddy Quinn startet

OT Freddy Quinn weiter:

„Wir haben es aufgenommen, und ein Discjockey hörte das in Chicago,

Lenny Sheers, das war einer der großen, der Top 40ties, einer der großen

40er in der Hitparade, und der kündigte an und sagte: ‚I don‘t know the

guy who sings it, but it’s a great song, listen to Freddy Quinn and ‚Blue

spanish eyes’ , also ‚Ich kenne ihn nicht, aber es ist ein großartiger Song,

hier Freddy Quinn mit ‚Blue spanish eyes’, und das wanderte von der

ersten Woche sofort nach oben, in der zweiten Woche war es in den Top

40 war es Nummer 8. Ich bekam einen Anruf, ich bin sofort wieder nach

Amerika geflogen um es zu propagieren. (…) dann sagte der Lenny

Sheers, ‚I’ m sorry Freddy, wir mussten das zurücknehmen, denn die

Plattenfirmen, die wollen sich verklagen, wollen streiten, und wir wollen da

nicht in der Mitte sein, und das geht uns nichts an. Schade, ja, ist ein

gutes Lied. Ja.“

Musik „Spanish Eyes“ von Al Martino startet

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OT Freddy Quinn weiter:

„Und dann hörte der Clan um Al Martino dieses Lied und hat’s

aufgenommen, und es hat die Bestätigung gebracht, dass es eben ein

Superlied war, der hat das so schnell aufnehmen müssen, dass er noch

einen Fehler, einen terminologischen Fehler gemacht hat, denn er hat

nämlich gesungen: ‚then you and (singend) your spanish eyes will waits

for me’ was natürlich völlig falsch ist: ‚will wait for me’.“

Musik „Spanish Eyes“, Refrainstelle hochziehen

Text Mitarbeiterin:

„Little Sinatra“, so wurde der Italo-Amerikaner bis dahin genannt, gelingt

damit ein Welthit. Erst als er in Deutschland in die Hitparade gelangt, gibt

die Plattenfirma eine übersetzte Version in Auftrag und bietet diese dann

dreist ausgerechnet Freddy Quinn an. Der lehnt den Text „Mond, guter

Freund“ als „idiotisch“ ab, er wird umgeschrieben und schließlich doch

noch ein Hit.

Musik: Rot ist der Wein

OT Bert Kaempfert (aus CD, track 14 bei 0:38 min.)

„Ja, ein alter Freund von mir, mit dem ich früher viele Aufnahmen gemacht

habe, der in der letzten Zeit nicht so erfolgreich war, Ivo Robic, hat durch

eine Instrumentalfassung von mir, die unter dem Titel ‚Moon Over Naples’

von mir aufgenommen ist, neuerdings einen Erfolg mit dem deutschen

Text „Rot ist der Wein“.

Text Sprecher:

Kurz darauf entsteht Kaempferts größter Hit. Über eine eher ungeliebte

Auftragsproduktion, der Arbeit an einer Filmmusik.

Text Mitarbeiterin:

Den Job nimmt der Komponist auch deshalb an, weil er zusammen mit

Herbert Rehbein für zwei Monate dem Winterwetter in Hamburg entgehen

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will. Außerdem sind sie auf die großen Filmstudios in Hollywood neugierig.

OT Bert Kaempfert:

„Der Film hieß ‚A Man could get killed’. Der Film wurde so gut wie kein

Erfolg, aber nachdem Sinatra die Score, sagt man drüben – den

Soundtrack gehört hatte, war Sinatra ganz wild drauf und wollte den Titel

singen. Und dann wurde es natürlich ein Riesenerfolg, so dass später

sogar die Plakate überklebt wurden von dem Filmtitel ‚inklusive ‚Strangers

in the Night’ obwohl Sinatra den Titel in dem Film gar nicht gesungen hat.“

Musik „Strangers in the Night“ instrumental startet und bleibt

Text Sprecher:

Charly Singleton schreibt den Text zu „Strangers in the Night“, das in der

Instrumentalversion das Liebesthema im Film war.

Kaempferts amerikanischer Verleger Hal Fein bietet das Lied Frank

Sinatras Produzenten an.

Text Mitarbeiterin:

Sinatra braucht dringend einen neuen Hit, ist sogar sauer, dass ihn seine

Tochter Nancy gerade überflügelt. Erst ist der launische Superstar nicht

wirklich interessiert. Doch als er hört, dass sein Rivale, der Grammy-

Gewinner Jack Jones, das Lied einsingen will, kommt er ihm zuvor. Das

Lied wird ein Riesenerfolg, Sinatras erster Nummer-Eins-Hit seit elf

Jahren, ein Evergreen bis heute.

Musik hoch

Text Sprecher:

Das Lied sorgt jedoch auch für viel Ärger: Die amerikanischen Verleger

streiten sich um die Rechte, Herbert Rehbein fühlt sich als Co-Autor nicht

ausreichend gewürdigt und Frank Sinatra hasst es, dass sein größter

Erfolgstitel von einem Deutschen geschrieben ist. Deshalb lässt er es im

Live-Repertoire meist aus. Und wenn eine Erwähnung sich gar nicht

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vermeiden lässt, nennt er weder den Komponisten noch den Songtitel.

Text Mitarbeiterin:

„One Song you all know as ‚dooby dooby doo’ ringt sich Sinatra in solchen

Fällen ab.

Im Heimatland des Komponisten ist es beinahe wie immer: die

Plattenfirma macht keinerlei Promotion, Kaempferts Instrumentalversion

bleibt fast unbeachtet, und auch Sinatras Megahit wird in Deutschland

zunächst kaum wahrgenommen. 1966 ticken die Uhren noch anders.

OT Jiggs Whigham:

„Wir vergessen, heute haben wir Mobiltelefone und ipads und alles, was

dazugehört, 5.000 Kanäle, das ist innerhalb von ein paar Millisekunden

überall, das geht sofort auf verschiedene Medien.“

Text Sprecher:

Es gibt noch mehr Streit um "Strangers in the Night": Mehrere

Komponisten behaupten, Urheber des erfolgreichen Songs zu sein, und

es wird sieben Jahre lang – bis 1972 – um die Rechte prozessiert, erst

dann bekommt Kaempfert Geld aus den ihm zustehenden Tantiemen.

Text Mitarbeiterin:

Die Anfeindungen der Urheber, die Lethargie der Schallplattenfirma, die

Tatsache, dass ihr Mann in Deutschland so wenig geachtet wird – all dies

bringt das Fass für die stolze Hannelore Kaempfert zum Überlaufen. Sie

drängt auf Auswanderung.

Text Sprecher:

1967 ziehen die Kaempferts nach Mallorca. Dort erreicht sie die Nachricht,

dass „Strangers in the Night“ den Golden Globe als bester Song des

Jahres gewinnt.

Text Mitarbeiterin:

Und langsam, ganz langsam setzt sich die Musik von Bert Kaempfert in

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Deutschland durch. Der Komponist hatte immer gerne im Studio

gearbeitet, sich auf der Bühne als Dirigent aber nie besonders wohl

gefühlt.

Text Sprecher:

Doch auf dem kurzen Zenit seiner Karriere gibt es neue Probleme. Dieses

Mal künstlerischer Art.

Text Mitarbeiterin:

Fips Kaempfert bekommt starke Konkurrenz. Durch einen Musiker, der

früher bei ihm Bass gespielt hatte, Hansi alias James Last. Der ist – außer

in den USA übrigens – mittlerweile so erfolgreich, dass ihm 1973 die

100. Goldene Schallplatte verliehen wird.

Text Sprecher:

Die beiden Bandleader sind gut befreundet, obwohl die Polydor sie so

ungleich behandelt hatte. Der extrovertierte James Last ist von Beginn an

massiv unterstützt worden. Kaempfert lässt sich zu mehr Auftritten im

Fernsehen und auf der Bühne überreden. Er hatte auch im Gegensatz zu

Last nie über ein eigenes Orchester verfügt. Ein weiterer Grund, warum

Bert Kaempfert nie zu längeren Gastspielreisen aufgebrochen war, lag

darin, dass seine favorisierten Musiker ihren festen anderen

Verpflichtungen nachkommen mussten.

Text Mitarbeiterin:

Eine Tournee will die Plattenfirma zunächst nicht finanzieren. 1977 kommt

die Tour dann doch – unter der Bedingung, dass Freddy Quinn die

Zugnummer und das Kaempfert-Orchester die Begleitung ist.

Das alles nimmt Fips mit Gleichmut hin, so lange man ihn in Ruhe

komponieren und im Studio tüfteln lässt.

Aber dann der Schock: 1979 stirbt sein Ko-Autor und langjähriger Freund

Herbert Rehbein unmittelbar nach gemeinsamen Aufnahmen mit

Hildegard Knef. Diagnose: Lungenkrebs, Er ist nur 57 Jahre alt geworden.

Ein harter Schlag für Kaempfert.

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Er flüchtet sich in Arbeit und es kommt sogar zu einer kleinen Tournee.

Musik: The World We Knew, instr. im weiteren Verlauf

OT Jiggs Whigham:

„Und wir waren, letzte Konzert war in Royal Albert Hall in London, und die

ganzen Oberetage von Polydor waren da. Extra eingeladen aus Hamburg

und weiß der Teufel wo geflogen, Berlin (…) die ganzen großen Indianer.

Und wir haben dort gespielt, und das war absolut ein Hit, ohne Ende, die

Leute sein getobt, total ausverkauft, und Standing Ovations ohne Ende,

ich glaube, wir haben schon, 4, 5, 6 verschiedenen Zugaben machen

müssen und wir haben kein Material mehr gehabt. Und da an diesem

Abend waren wir in Hotel, wir waren zusammen, und Fips saß zusammen

mit diese ganzen Polydor-Leute, und die haben genickt, der Plan war, Fips

auf Tour zu schicken. Mit alles, mit diese ganze Band, mit Streicher und

Welttournee machen, wie Hansi Last. Und Fips hat gesagt, ja, mittlerweile

macht mir ein bisschen Spaß, ja, kann mir gut vorstellen, dass es gut sein

wird, und kurz danach ist er dann verstorben.“

Text Sprecher:

Völlig unerwartet stirbt Bert Kaempfert am 21. Juni 1980 56-jährig auf

Mallorca an einem Schlaganfall. Seine Frau Hannelore und die beiden

Töchter verstreuen seine Asche dort, wo er sich am wohlsten gefühlt hat:

in den Everglades, den Sümpfen von Florida, seinem Angelparadies.

Musik hoch

Text Mitarbeiterin:

400 Kompositionen und über 750 Arrangements hat Bert Kaempfert

hinterlassen.

OT Dirk Busch:

„Ja Lounge-Musik ist eigentlich auch easy listening (…)

nur eben im modernen Gewand (…) hat die Funktion, dass die Leute sich

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wohl fühlen, dass sie nicht in ihrer Unterhaltung oder in ihrer Meditation

oder beim Abschalten, chillen usw. gestört werden.“

(Absage)

Das war „Bert Kaempfert: Vom Easy Listening zur Lounge-Musik“

von Flora Jörgens und Stefan Wimmer

Es sprachen: Janina Sachau, Matthias Ponnier, Bettina Schoolman und

Daniel Werner

Ton und Technik: Gunther Rose und Jutta Stein

Regie: Susanne Krings

Redaktion: Klaus Pilger

Produktion: Deutschlandfunk 2013

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