1 Informationsgerechtigkeit – Informationsethik IW-Universität Hildesheim 19.11.2013 Rainer...

46
1 Informationsgerechtigkeit – Informationsethik IW-Universität Hildesheim 19.11.2013 Rainer Kuhlen Fachbereich Informatik und Informations-wissenschaft Universität Konstanz Informationsgerechtigkeit über virtuelle Lebenswelten? Eine Herausforderung an die Informationsethik Vorlesungsreihe Digitale Lebenswelten Chancen und Risiken für Bürger Universität Hildesheim Fachbereich 3 – Sprach- und Informationswissenschaften

Transcript of 1 Informationsgerechtigkeit – Informationsethik IW-Universität Hildesheim 19.11.2013 Rainer...

Page 1: 1 Informationsgerechtigkeit – Informationsethik IW-Universität Hildesheim 19.11.2013 Rainer Kuhlen Fachbereich Informatik und Informations- wissenschaft.

1Informationsgerechtigkeit – Informationsethik IW-Universität Hildesheim 19.11.2013

Rainer KuhlenFachbereich Informatik und Informations-

wissenschaftUniversität Konstanz

Informationsgerechtigkeit über virtuelle Lebenswelten? Eine Herausforderung an

die Informationsethik

Vorlesungsreihe Digitale Lebenswelten Chancen und Risiken für Bürger

Universität Hildesheim Fachbereich 3 – Sprach- und Informationswissenschaften

Page 2: 1 Informationsgerechtigkeit – Informationsethik IW-Universität Hildesheim 19.11.2013 Rainer Kuhlen Fachbereich Informatik und Informations- wissenschaft.

2Informationsgerechtigkeit – Informationsethik IW-Universität Hildesheim 19.11.2013

Gerechtigkeit – eine soziale und politische Kategorie

gerechte Löhne für gute Arbeit - flächendeckender gesetzlicher Mindestlohn

Gleichstellung von Frauen und Männern in allen Bereichen

Altersarmut dauerhaft verhindern

gleichberechtigte Teilhabe der Zuwanderer in unserer Gesellschaft

gleichberechtigten Teilhabe von Menschen mit Behinderungen

Bildungssystem stärken und mehr Chancengleichheit erreichen.

alle Staaten der EU eine nachhaltige Wachstumsstrategie und nachhaltige Finanzpolitik

Über die Ergebnisse der Koalitionsverhandlungen wird ein verbindliches Mitgliedervotum eingeholt, an dem alle Mitglieder beteiligt werden.

http://www.spd.de/presse/Pressemitteilungen/110748/20131020_beschluss_konvent.html

Page 3: 1 Informationsgerechtigkeit – Informationsethik IW-Universität Hildesheim 19.11.2013 Rainer Kuhlen Fachbereich Informatik und Informations- wissenschaft.

3Informationsgerechtigkeit – Informationsethik IW-Universität Hildesheim 19.11.20133

Gerechtigkeit – eine soziale und politische Kategorie

http://www.welt.de/print/die_welt/wirtschaft/article13946139/Soziale-Gerechtigkeit-ist-ein-CDU-Thema.html

http://www.welt.de/politik/deutschland/article114698739/Wir-Gruenen-wissen-wie-soziale-Gerechtigkeit-geht.html

http://www.merkur-online.de/aktuelles/politik/csu-soziale-gerechtigkeit-wichtiges-thema-2697369.html

https://www.piraten-osnabrueck.de/ich-bin-pirat-weil-ich-mir-mehr-gerechtigkeit-der-politik-wuensche

http://www.die-linke.de/wahlen/wahlprogramm-2013/wahlprogramm-2013/iii-friedlich-und-gerecht-in-der-welt-nein-zum-krieg/soziale-gerechtigkeit-weltweit/

Der sozialdemokratischen Gerechtigkeit durch Umverteilung setzt Westerwelle sein Modell der Leistungs- und Chancengerechtigkeit entgegen.

http://www.derwesten.de/politik/fdp-will-mit-gerechtigkeit-bei-waehlern-punkten-id7834965.htmlFDP.Die Liberalen

Page 4: 1 Informationsgerechtigkeit – Informationsethik IW-Universität Hildesheim 19.11.2013 Rainer Kuhlen Fachbereich Informatik und Informations- wissenschaft.

4Informationsgerechtigkeit – Informationsethik IW-Universität Hildesheim 19.11.2013

Gerechtigkeit – eine soziale und moralische Kategorie

Gerechtigkeit

Verteilungsgerechtigkeit

Suffizienzgerechtigkeit

Informationsgerechtigkeit

Soziale Gerechtigkeit – Bedingung für Vergesellschaftung

Kompensatorische Gerechtigkeit

Politische Gerechtigkeit

Moralische Gerechtigkeit

Verteilungsgerechtigkeit – Information for All

Kompensation für strukturelle Unterinformation

Informationelle Grundversorgung

Informationsfreiheit – informierte Teilhabe am öffentlichen Gechehen

Information als öffentliches Gut

Zugriff auf Information ein Menschenrecht

Page 5: 1 Informationsgerechtigkeit – Informationsethik IW-Universität Hildesheim 19.11.2013 Rainer Kuhlen Fachbereich Informatik und Informations- wissenschaft.

5Informationsgerechtigkeit – Informationsethik IW-Universität Hildesheim 19.11.2013

Drittes Gesetz zur Änderung hochschulrechtlicher Vorschriften (Drittes Hochschulrechtsänderungsgesetz – 3. HRÄG) - Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst Baden-Württemberg 15-10-2013

Ist das informationsgerecht?

warum? warum nicht?

Page 6: 1 Informationsgerechtigkeit – Informationsethik IW-Universität Hildesheim 19.11.2013 Rainer Kuhlen Fachbereich Informatik und Informations- wissenschaft.

6Informationsgerechtigkeit – Informationsethik IW-Universität Hildesheim 19.11.2013

Gerechtigkeit

Page 7: 1 Informationsgerechtigkeit – Informationsethik IW-Universität Hildesheim 19.11.2013 Rainer Kuhlen Fachbereich Informatik und Informations- wissenschaft.

7Informationsgerechtigkeit – Informationsethik IW-Universität Hildesheim 19.11.2013

John Rawl

„Nach Rawls hat eine Gesellschaft zwei Grundfunktionen: Die Förderung der Interessenharmonie und die Bewältigung von Konflikten. Um diese Aufgaben zu lösen, bedarf es der Gerechtigkeit”

Wikipedia: Gerechtigkeitstheorien

Rawl: „Der Gerechtigkeitsbegriff ist also für mich definiert durch

seine Grundsätze für die Zuweisung von Rechten und Pflichten

und die richtige Verteilung gesellschaftlicher Güter.“

(Eine Theorie der Gerechtigkeit 1975, 26)

Page 8: 1 Informationsgerechtigkeit – Informationsethik IW-Universität Hildesheim 19.11.2013 Rainer Kuhlen Fachbereich Informatik und Informations- wissenschaft.

88Informationsgerechtigkeit – Informationsethik IW-Universität Hildesheim 19.11.2013

John Rawl

Schleier der Unwissenheit – veil of ignorance – als Bedingung für Fairness

Eine Situation der vollkommenen Unwissenheit über die eigene und die Rolle aller anderen, die er/sie in der Gesellschaft spielen (werden).

A Theory of Justice, by John Rawls, The Belknap Press of Harvard University Press, 1971

Alle beteiligten Personen wissen,,

dass sie Interessen haben,

wissen aber nicht welche.

dass sie gewisse Positionen in der Gesellschaft wahrnehmen,

dass ihnen Ressourcen zur Befriedigung von Grundbedürfnisse zur Verfügung stehen,

in einem simulierten Urzustand - Modell der Vertragstheorien

Niemand wird sich zugunsten von Partikularinteressen entscheiden, da er/sie nicht, ob er/sie Begünstigter oder Benachteiligter der Regelungen zugunsten von Partikulargruppen ist.

Page 9: 1 Informationsgerechtigkeit – Informationsethik IW-Universität Hildesheim 19.11.2013 Rainer Kuhlen Fachbereich Informatik und Informations- wissenschaft.

9Informationsgerechtigkeit – Informationsethik IW-Universität Hildesheim 19.11.2013

John Rawl Gerechtigkeitsgrundsätze

1. Jede Person hat das gleiche Recht auf ein völlig adäquates System gleicher Grundfreiheiten, das mit einem gleichartigen System von Freiheiten für alle vereinbart ist.

2. Soziale und ökonomische Ungleichheiten müssen zwei Bedingungen genügen: a) erstens müssen sie mit Ämtern und Positionen verbunden sein, die allen unter Bedingungen fairer Chancengleicheit offen stehen; b) und zweitens müssen sie den größten Vorteil für die am wenigstens begünstigten Mitglieder der Gesellschaft bringen (Differenzprinzip).

A Theory of Justice, by John Rawls, The Belknap Press of Harvard University Press, 1971

Vorrang der Freiheit: Grundfreiheiten dürfen nur eingeschränkt werden, wenn diese Einschränkung die Freiheit im Gesamtsystem stärkt und alle dieser Einschränkung zustimmen können.

Page 10: 1 Informationsgerechtigkeit – Informationsethik IW-Universität Hildesheim 19.11.2013 Rainer Kuhlen Fachbereich Informatik und Informations- wissenschaft.

10Informationsgerechtigkeit – Informationsethik IW-Universität Hildesheim 19.11.2013

John Rawl Grundfreiheiten

politische Freiheit (das Recht zu wählen und öffentliche Ämter zu bekleiden) und die Rede- und Versammlungsfreiheit;

die Gewissens- und Gedankenfreiheit; die persönliche Freiheit, zu der der Schutz von psychologischer

Unterdrückung und körperlicher Mißhandlung und Verstümmelung gehört (Unverletzlichkeit der Person);

das Recht auf persönliches Eigentum und der Schutz vor willkürlicher Festnahme und Haft, wie es durch den Begriff der Gesetzesherrschaft festgelegt.

Diese Freiheiten sollen nach dem ersten Grundsatz für jeden gleich sein.

A Theory of Justice, by John Rawls, The Belknap Press of Harvard University Press, 1971 - Rawls 1979, 12.

Page 11: 1 Informationsgerechtigkeit – Informationsethik IW-Universität Hildesheim 19.11.2013 Rainer Kuhlen Fachbereich Informatik und Informations- wissenschaft.

11Informationsgerechtigkeit – Informationsethik IW-Universität Hildesheim 19.11.2013

John Rawls: Gleiche Verteilung der Ressourcen = Primärgüter = Grundfreiheiten = Grundrechte resources

approach

Alle Gerechtigkeitstheorien beruhen auf Vorstellungen von Gleichheit.Sie sind sich nur uneinig darin, was gleich zu verteilen ist

Amartya Sen: Möglichkeiten der Nutzung der Primärgüter für die jeweils eigenen Zwecke

capability approach

Recht auf Ressourcen

Recht auf kompetente Nutzung der Ressourcen

Konvertierung

Amartya Kumar Sen: Die Idee der Gerechtigkeit 2009

Page 12: 1 Informationsgerechtigkeit – Informationsethik IW-Universität Hildesheim 19.11.2013 Rainer Kuhlen Fachbereich Informatik und Informations- wissenschaft.

12Informationsgerechtigkeit – Informationsethik IW-Universität Hildesheim 19.11.2013

Recht auf Ressourcen

Recht auf kompetente Nutzung der Ressourcen

Recht auf Wissen

Recht auf Information durch Zugriff auf

Wissen

Konvertierung

Konvertierung

Page 13: 1 Informationsgerechtigkeit – Informationsethik IW-Universität Hildesheim 19.11.2013 Rainer Kuhlen Fachbereich Informatik und Informations- wissenschaft.

13Informationsgerechtigkeit – Informationsethik IW-Universität Hildesheim 19.11.2013

Karsten WeberReformulierung der Rawl´schen Gerichtigkeitsprizipien als

Prinzipien informationeller Gerechtigkeit

1. Jedermann soll gleiches Recht auf Zugang zum umfangreichsten System von Informationen und Wissen haben, das mit dem gleichen System für alle anderen vereinbar ist.

Karsten Weber: Informationelle Gerechtigkeit. In: Hermut. F. Spinner; Michael Nagenborg, Karsten Weber: Bausteine zu einer neuen Informationsethik. Philo Verlag: Berlin, Wien 2001, S. 168

2. Informationelle Ungleichheiten sind so zu gestalten, dass a) vernünftigerweise zu erwarten ist, dass sie zu jedermanns Vorteil dienen, und b) sie mit Positionen und Ämtern verbunden sind, die jedem offen stehen,

Page 14: 1 Informationsgerechtigkeit – Informationsethik IW-Universität Hildesheim 19.11.2013 Rainer Kuhlen Fachbereich Informatik und Informations- wissenschaft.

14Informationsgerechtigkeit – Informationsethik IW-Universität Hildesheim 19.11.2013

Wissen InformationTransformation

Information ist Wissen in Aktion

Pragmatischer Primat von Information

Recht auf WissenRecht auf Information durch

Zugriff auf WissenKonvertierung

Page 15: 1 Informationsgerechtigkeit – Informationsethik IW-Universität Hildesheim 19.11.2013 Rainer Kuhlen Fachbereich Informatik und Informations- wissenschaft.

15Informationsgerechtigkeit – Informationsethik IW-Universität Hildesheim 19.11.2013

Recht auf RessourcenRecht auf kompetente Nutzung

der Ressourcen

Recht auf Wissen Recht auf Information durch Zugriff auf Wissen

Recht auf Common Pool

Resources

Recht auf Commons (Gemeingüter)

Konvertierung

Konvertierung

Konvertierung

Reinterpretiert für eine informationsethisch begründete

Institutionenökonomik

Page 16: 1 Informationsgerechtigkeit – Informationsethik IW-Universität Hildesheim 19.11.2013 Rainer Kuhlen Fachbereich Informatik und Informations- wissenschaft.

16Informationsgerechtigkeit – Informationsethik IW-Universität Hildesheim 19.11.2013

Was ist Informationsethik?

Page 17: 1 Informationsgerechtigkeit – Informationsethik IW-Universität Hildesheim 19.11.2013 Rainer Kuhlen Fachbereich Informatik und Informations- wissenschaft.

17Informationsgerechtigkeit – Informationsethik IW-Universität Hildesheim 19.11.2013

Das Ethos der Schweine ist der Stall

Ort des Wohnens

Gewohnheit

Sitte

Brauch

Page 18: 1 Informationsgerechtigkeit – Informationsethik IW-Universität Hildesheim 19.11.2013 Rainer Kuhlen Fachbereich Informatik und Informations- wissenschaft.

18Informationsgerechtigkeit – Informationsethik IW-Universität Hildesheim 19.11.2013

Das Ethos der Schweine ist der Stall

Das Ethos der Informationsgesellschaft ist das InternetOrt des Wohnens

Gewohnheit

Sitte

Brauch

Page 19: 1 Informationsgerechtigkeit – Informationsethik IW-Universität Hildesheim 19.11.2013 Rainer Kuhlen Fachbereich Informatik und Informations- wissenschaft.

19Informationsgerechtigkeit – Informationsethik IW-Universität Hildesheim 19.11.2013

Das Ethos der Informationsgesellschaft ist das Internet

in elektronischen Räumen

neue Verhaltensformen

neue Normen, neue Werte

neue Moral

Moralmoralisches

Verhalten

Page 20: 1 Informationsgerechtigkeit – Informationsethik IW-Universität Hildesheim 19.11.2013 Rainer Kuhlen Fachbereich Informatik und Informations- wissenschaft.

20Informationsgerechtigkeit – Informationsethik IW-Universität Hildesheim 19.11.2013 20

Informationsethik in sich verändernden Umwelten

Informationsethik analysiert, welche über Raum und Zeit

variierende Annahmen, Regeln und Werte das Verhalten

der Menschen beim Umgang mit Wissen und Information

steuern.

Informationsethik stellt Argumente dafür bereit, wie

informationelle Grundfreiheiten zu aktiven Rechten

gemacht werden können -

wie ein gerechter, inklusiver und nachhaltiger Umgang mit

Wissen und Information gesichert werden kann.

Page 21: 1 Informationsgerechtigkeit – Informationsethik IW-Universität Hildesheim 19.11.2013 Rainer Kuhlen Fachbereich Informatik und Informations- wissenschaft.

21Informationsgerechtigkeit – Informationsethik IW-Universität Hildesheim 19.11.2013

Zur Sicherung informationeller Grundfreiheiten

Informationsgerechtigkeit

Informationelle Selbstbestimmung

Wir erweitern den durch das Bundesverfassungsgericht eingeführten

Begriffs der informationellen Selbstbestimmung als das Recht der

Verfügung über die eigenen Daten (Datenschutz).

In der erweiterten Bestimmung bedeutet informationelle

Selbstbestimmung, dass alle Menschen einen Anspruch darauf haben,

ihre privaten, professionellen und öffentlichen Angelegenheiten und

Handlungen informationell selbstbestimmt initiieren, planen und

durchführen zu können.

Page 22: 1 Informationsgerechtigkeit – Informationsethik IW-Universität Hildesheim 19.11.2013 Rainer Kuhlen Fachbereich Informatik und Informations- wissenschaft.

22Informationsgerechtigkeit – Informationsethik IW-Universität Hildesheim 19.11.2013

Ethische Begründung für feien Zugriff auf Wissen, um Information zu erarbeiten

Autonomie InformationsautonomieWissensautonomie

Informationelle Selbstbestimmung (oder auch Informationsautonomie) ist der mündige, selbstbestimmte Umgang mit Wissen und Information.

Das geht zusammen mit Art. 19 Allgemeine Menschenrechte oder auch Art. 5 des deutschen Grundgesetztes:

„Jeder hat das Recht auf Meinungsfreiheit und freie Meinungsäußerung; dieses Recht schließt die Freiheit ein,

Meinungen ungehindert anzuhängen sowie über Medien jeder Art und ohne Rücksicht auf Grenzen Informationen und Gedankengut

zu suchen, zu empfangen und zu verbreiten.“

Page 23: 1 Informationsgerechtigkeit – Informationsethik IW-Universität Hildesheim 19.11.2013 Rainer Kuhlen Fachbereich Informatik und Informations- wissenschaft.

23Informationsgerechtigkeit – Informationsethik IW-Universität Hildesheim 19.11.2013

Ist Wissen eines der Rawls´schen Ressourcen – eines der Grundfreiheiten?

Ist Zugriff auf Wissen zur Erarbeitung von Information einer der Sen´schen “Möglichkeiten” zur realen

Nutzung der Ressource Wissen?

Page 24: 1 Informationsgerechtigkeit – Informationsethik IW-Universität Hildesheim 19.11.2013 Rainer Kuhlen Fachbereich Informatik und Informations- wissenschaft.

24Informationsgerechtigkeit – Informationsethik IW-Universität Hildesheim 19.11.2013

in der Terminologie der Informationsökologie als Teil der Institutionenökonomie

Wissen ist Teil der Common Pool Resources

Information, realisierter Zugriff auf Wissen und Grundlage von akuellem Handeln, ist Teil der

Commons (GemeingüterI

Page 25: 1 Informationsgerechtigkeit – Informationsethik IW-Universität Hildesheim 19.11.2013 Rainer Kuhlen Fachbereich Informatik und Informations- wissenschaft.

25Informationsgerechtigkeit – Informationsethik IW-Universität Hildesheim 19.11.2013

Was sind Gemeingüter (Commons)?

Page 26: 1 Informationsgerechtigkeit – Informationsethik IW-Universität Hildesheim 19.11.2013 Rainer Kuhlen Fachbereich Informatik und Informations- wissenschaft.

26Informationsgerechtigkeit – Informationsethik IW-Universität Hildesheim 19.11.2013

Aus: Peter Barnes: Capitalism 3.0

Commons

➢ Wasser➢ Natürliche Ressourcen➢ Öffentliche Räume➢ Luft / der Himmel➢ Wissen….

Was sind Gemeingüter (Commons)?

Page 27: 1 Informationsgerechtigkeit – Informationsethik IW-Universität Hildesheim 19.11.2013 Rainer Kuhlen Fachbereich Informatik und Informations- wissenschaft.

27Informationsgerechtigkeit – Informationsethik IW-Universität Hildesheim 19.11.2013

Gemeingüter sind zum einen das Erbe, das uns die Natur ohne unser Zutun geschenkt hat.

natürlich

sozial

kulturell

Gemeingüter lassen überhaupt erst soziales Leben entstehen.

Sie organisieren das Zusammenleben der Menschen: der

öffentliche Raum, Plätze, Parks, Gesundheitsversorgung,

Mitbestimmung und ein stabiles Finanzsystem ….

Gemeingüter sind aber auch Ausprägungen des kulturellen Erbes,

das die Menschheit von Beginn an bis zur Gegenwart entwickelt

und an uns in der Gegenwart weitergegeben hat.

➢ Wasser➢ die Fische➢ natürliche Ressourcen➢ Luft ….

Wissen

Was sind Gemeingüter (Commons)?

Page 28: 1 Informationsgerechtigkeit – Informationsethik IW-Universität Hildesheim 19.11.2013 Rainer Kuhlen Fachbereich Informatik und Informations- wissenschaft.

28Informationsgerechtigkeit – Informationsethik IW-Universität Hildesheim 19.11.2013

Commons

➢Wasser➢ Natürliche Ressourcen➢ Öffentliche Räume➢ Die Luft➢ Das Klima➢Wissen….

Zugang zum Commons Wasser ist ein fundamentales menschliches Recht- Teil der Grundfreiheiten

Zugang zum Commons Wissen sollte ebenfalls als ein

fundamentales menschliches Recht explizit kodiert sein

knowledge is the water of the mind

Was sind Gemeingüter (Commons)?

Page 29: 1 Informationsgerechtigkeit – Informationsethik IW-Universität Hildesheim 19.11.2013 Rainer Kuhlen Fachbereich Informatik und Informations- wissenschaft.

29Informationsgerechtigkeit – Informationsethik IW-Universität Hildesheim 19.11.2013

Elinor Oström:

Gemeingüter (Commons) gibt es nicht als solche. Sie

werden aus dem allgemeinen Pool der natürlichen,

sozialen und immateriellen Ressourcen gebildet, wenn

sich Organisationsformen, auch Wertmuster für den

Umgang mit diesem Pool entwickeln und verfestigt, eben

institutionalisiert haben.

Ein Verständnis von Wissen als Commons

Page 30: 1 Informationsgerechtigkeit – Informationsethik IW-Universität Hildesheim 19.11.2013 Rainer Kuhlen Fachbereich Informatik und Informations- wissenschaft.

30Informationsgerechtigkeit – Informationsethik IW-Universität Hildesheim 19.11.2013

Common

Pool

ResourcesInstitutiona-

lisierungCommons

Kommunikation Konsensfindungsverfahren

VerpflichtungenVerträge

Regel, Gesetze, bindende VorschriftenKontrollmechanismen, Sanktionen

Prinzipien/Werte

VerfahrenSaubere Luft und

WasserRohstoffe

der öffentliche RaumGesundheit

FinanzenWissen

Commons als Institutionalisierungsformen von “common-pool-resources”

Page 31: 1 Informationsgerechtigkeit – Informationsethik IW-Universität Hildesheim 19.11.2013 Rainer Kuhlen Fachbereich Informatik und Informations- wissenschaft.

31Informationsgerechtigkeit – Informationsethik IW-Universität Hildesheim 19.11.2013

Wissens-

ressourcen

Prinzipien/Werte

Verfahren

KommerzialisierungPrivatisierung

„enclosure of the mind“Profitabilität

verknappte Ressource

Gerechtigkeit, FairnessInklusion

Nachhaltigkeit, Offenheit, Teilen

Kommunikation Konsens

VerpflichtungenVerträge

Regeln, Rechte, Gesetze, bindende Vorschriften

Kontrollmechanismen, Sanktionen

Institutiona-

lisierung

Institutionenökonomik - theoretische Grundlage für Wissensökonomie und -ökologie

Private Güter

GemeingüterCommons

Zugriff (access) zu Informations-

objekten (Produkten und

Dienstleistungen)

Page 32: 1 Informationsgerechtigkeit – Informationsethik IW-Universität Hildesheim 19.11.2013 Rainer Kuhlen Fachbereich Informatik und Informations- wissenschaft.

32Informationsgerechtigkeit – Informationsethik IW-Universität Hildesheim 19.11.2013

Handel mit Informations-

objekten

Objekte Exklusive Rechte für Verwertung/Nutzung

mit der Konsequenz, dass

Wissen ein knappes Gut wird

Transformation von Ver-werterrechten der Auto-

ren in Nutzungsrechte kommerzieller Verwerter

Urheber-recht

Vertragliche Vereinba-

rungenLizenzen

DRM

32

Kommerzielles Informationsmarktmodel für die Institutionalisierung von Wissen

2.000 wissenschaftliche

Zeitschriftenverlage

mehr als 3 Millionen Artikel

verarbeitet

etwa 1,5 Millionen durch peer reviewvalidierte Beiträge

über 40 Mio eArtikel für Recherchen und

Downloads

28,100 active scholarly peer-reviewed journals

in mid 2012

Page 33: 1 Informationsgerechtigkeit – Informationsethik IW-Universität Hildesheim 19.11.2013 Rainer Kuhlen Fachbereich Informatik und Informations- wissenschaft.

33Informationsgerechtigkeit – Informationsethik IW-Universität Hildesheim 19.11.2013

Auf der Grundlage der geltenden Informationspolitik und der

sie unterstützten Informationswirtschaft ist ein freizügiger

und offener Umgang mit Wissen und Information in der

Informationsgesellschaft für jedermann nicht kurzfristig zu

erreichen.

Aber die normativen Einstellungen haben sich

gewandelt Zuganga2k

Gesetz

Technik

Werte Markt

Page 34: 1 Informationsgerechtigkeit – Informationsethik IW-Universität Hildesheim 19.11.2013 Rainer Kuhlen Fachbereich Informatik und Informations- wissenschaft.

34Informationsgerechtigkeit – Informationsethik IW-Universität Hildesheim 19.11.2013

Open Access als Form der Institutionalisierung von

Wissen

Page 35: 1 Informationsgerechtigkeit – Informationsethik IW-Universität Hildesheim 19.11.2013 Rainer Kuhlen Fachbereich Informatik und Informations- wissenschaft.

35Informationsgerechtigkeit – Informationsethik IW-Universität Hildesheim 19.11.2013

Open Access ist eine Form der Institutionalisierung von

Wissen, durch die es zu einem Commons und zu einem

„common property“ mit freien Nutzungsregeln werden

kann.

Open Access als Institutionalisierung von Wissen

nachhaltig gerecht

ParadigmenwechselNicht Nutzer, sondern Autoren oder ihre Institutionen

zahlen

Page 36: 1 Informationsgerechtigkeit – Informationsethik IW-Universität Hildesheim 19.11.2013 Rainer Kuhlen Fachbereich Informatik und Informations- wissenschaft.

36Informationsgerechtigkeit – Informationsethik IW-Universität Hildesheim 19.11.2013

Formen der Verfügbarkeit durch OA-Publikationen

Publikationsmärkte - ansteigend durch das Open-Access-Paradigma bestimmt

OA-ZeitschriftenPrimärpublikation

„golden“

SekundärpublikationIn OA-Repositories

„green“

Directory of OA Journals7183 (7449) journals

650572 (745962) articles(19.10.2011) (31.1.2012)1,6% (18.6%) des komm.

Markteshttp://www.doaj.org/doaj?func=home&uiLanguage=en

OpenDOAR Database Worldwide ca. 80% Institutional OAR

http://www.opendoar.org/

zunehmend von Interesse für kommerzielle

AnbieterSpringerOpen

IEEE

“Ulrich’s Directory lists 4365 peer reviewed OA journals, or about 13% of the total number of peer reviewed journals included” “Scopus covers 18,500 peer-reviewed journals, of which 1800 or 9.7% are open access.”- STM report 2012

Page 37: 1 Informationsgerechtigkeit – Informationsethik IW-Universität Hildesheim 19.11.2013 Rainer Kuhlen Fachbereich Informatik und Informations- wissenschaft.

37Informationsgerechtigkeit – Informationsethik IW-Universität Hildesheim 19.11.2013

zunehmend von Interesse für kommerzielle Anbieter

kommerzielle Verwertung

durch Verlage

Open AccessPublizieren

goldener Ansatz

grüner Ansatz

Originale (erste) Publikation in einem

Open-Access-Medium (z.B. Zeitschrift)

ZweitpublikationSelbstarchivierung

in Open Access Repositorien

goldener Ansatz

finanziert durch die Öffentlichkeit

freiwillige Erlaubnis für die

Zweitpublikation

erzwungen durch das Urheberrecht

bzw.

Wissensobjekte Objekte

Exklusive Nutzungs-

rechte

Publikation in proprietären

Medien

Page 38: 1 Informationsgerechtigkeit – Informationsethik IW-Universität Hildesheim 19.11.2013 Rainer Kuhlen Fachbereich Informatik und Informations- wissenschaft.

38Informationsgerechtigkeit – Informationsethik IW-Universität Hildesheim 19.11.2013

Drittes Gesetz zur Änderung hochschulrechtlicher Vorschriften (Drittes Hochschulrechtsänderungsgesetz – 3. HRÄG) - Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst Baden-Württemberg 15-10-2013

Ist das informationsgerecht?

warum? warum nicht?

Page 39: 1 Informationsgerechtigkeit – Informationsethik IW-Universität Hildesheim 19.11.2013 Rainer Kuhlen Fachbereich Informatik und Informations- wissenschaft.

39Informationsgerechtigkeit – Informationsethik IW-Universität Hildesheim 19.11.2013

Modell zur Institutionalisierung von Wissen im Paradigma von „commons-basierten“ Informationsmärkten

default: Open Access mit freier Nutzbarkeit

Wissensobjekte

zugerechnet

dem Schöpfer von Wissen mit seinen Persönlichkeitsrechten

verwendet als

Mittel zur persönlichen und gesellschaftlichen

Entwicklung

39

Gebühren, Steuern, finanzielle Beteiligung

an der (primären) Wissensproduktion

Wissensobjekte

Eigentum der Menschheit

Einfache, nicht exklusive Verwertungs-/Nutzungsrechte

Open Access für jedermann ist garantiert

Kompensationsleistungen an die Öffentlichkeit erforderlich

unter der Bedingung

informationelle Mehrwertleistungen

gegenüber dem Ausgangs-produkt

als Ausnahme möglich: kommerzielle Verwertung

Page 40: 1 Informationsgerechtigkeit – Informationsethik IW-Universität Hildesheim 19.11.2013 Rainer Kuhlen Fachbereich Informatik und Informations- wissenschaft.

40Informationsgerechtigkeit – Informationsethik IW-Universität Hildesheim 19.11.2013

Was tun?

Offene Fragen

Page 41: 1 Informationsgerechtigkeit – Informationsethik IW-Universität Hildesheim 19.11.2013 Rainer Kuhlen Fachbereich Informatik und Informations- wissenschaft.

41Informationsgerechtigkeit – Informationsethik IW-Universität Hildesheim 19.11.2013 41

Wie dem Charakter von Wissen und Information als Commons Rechnung tragen ?

Öffentlichkeit sollte nicht länger auf mehrfache Weise für Wissen und Information zahlen

Zur Bewahrung, Nutzung und Entwicklung des Commons Wissen sind im Sinne der Institutionenökonomik gänzlich

neue Modelle, neue Institutionalisierungsformen vonnöten.

Page 42: 1 Informationsgerechtigkeit – Informationsethik IW-Universität Hildesheim 19.11.2013 Rainer Kuhlen Fachbereich Informatik und Informations- wissenschaft.

42Informationsgerechtigkeit – Informationsethik IW-Universität Hildesheim 19.11.2013

Ein neues Verständnis von (intellektuellem) Eigentum

benötigt

Wissen als Commons ist keinesfalls ein res nullius, dessen

sich jedermann nach Belieben für welchen Zweck auch

immer benutzen kann.

Wissen und die daraus abgeleiteteten Informationsobjekte können insbesondere nicht als exklusives privates Eigentum

reklamiert werden.

Paradigmenwechsel

Page 43: 1 Informationsgerechtigkeit – Informationsethik IW-Universität Hildesheim 19.11.2013 Rainer Kuhlen Fachbereich Informatik und Informations- wissenschaft.

43Informationsgerechtigkeit – Informationsethik IW-Universität Hildesheim 19.11.2013

Wohin geht die Reise? - Fazit

1. Auf „commons-based information markets“ soll zumindest das in öffentlicher Umgebungen überwiegend mit

Steuergeldern unterstützt produzierte und publizierte Wissen allen Menschen frei und möglichst ohne Verzögerung

zugänglich gemacht werden.

Das muss nicht im Widerspruch zu kommerziellen Verwertungsmodellen der Informationswirtschaft stehen.

Page 44: 1 Informationsgerechtigkeit – Informationsethik IW-Universität Hildesheim 19.11.2013 Rainer Kuhlen Fachbereich Informatik und Informations- wissenschaft.

44Informationsgerechtigkeit – Informationsethik IW-Universität Hildesheim 19.11.2013

Wohin geht die Reise? - Fazit

(2) Für commons-based information markets ist die Entwicklung und Anwendung von Modellen

erforderlich, auf deren Grundlage auch die ökonomische Nutzung

des Commons Wissen möglich ist.

aber

Exklusive Verwertungsrechte am Commons Wissen sind nicht mehr sinnvoll und nicht akzeptabel

Page 45: 1 Informationsgerechtigkeit – Informationsethik IW-Universität Hildesheim 19.11.2013 Rainer Kuhlen Fachbereich Informatik und Informations- wissenschaft.

45Informationsgerechtigkeit – Informationsethik IW-Universität Hildesheim 19.11.2013

Wohin geht die Reise? - Fazit

3. Geschäfts- und Organisationsmodelle der Informationswirtschaft werden im Bereich der

Wissenschaft nur unter Anerkennung des Open-Access-Paradigma möglich sein.

Je freier der Zugriff zu Wissen und Information gemacht wird, umso höher ist die

Wahrscheinlichkeit, dass auch weiterhin in der Wirtschaft damit verdient werden kann.

Page 46: 1 Informationsgerechtigkeit – Informationsethik IW-Universität Hildesheim 19.11.2013 Rainer Kuhlen Fachbereich Informatik und Informations- wissenschaft.

46Informationsgerechtigkeit – Informationsethik IW-Universität Hildesheim 19.11.2013