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1 Willkommen im medialen Wandel

Schon seit vielen Jahren befi ndet sich die Kommunikationslandschaft in einem kräftigen Wandel. Kaum ein anderer Bereich wurde vom Internet-Zeitalter so stark geprägt wie der Kommunikationssektor. Das Internet und die damit verbundenen neuen Medien schufen und schaffen beständig neue Instrumente für Öffentlichkeitsarbeiter und Kommunikations-manager. Technische Entwicklungen und leistungsstärkere Datennetze eröffnen immer schnellere, fl exiblere und vielfältigere Wege des wechselseitigen Austausches mit den ge-wünschten Zielgruppen. Auch wirtschaftliche Entwicklungen – Stichwort Globalisierung der Märkte und damit der Unternehmen – wirken sich unmittelbar auf den Kommunika-tionsbereich aus. Ist das Internet heute aus unserem privaten Alltag kaum mehr weg zu denken, so gilt dies für Unternehmen in einem noch viel ausgeprägteren Maße. Oder um es deutlicher zu sagen: Das Internet hat sich innerhalb von nur einer Dekade zur vierten Mediensäule neben TV, Radio und Print entwickelt – und dazu zu einer mächtigen Säule, die kontinuierlich weiter an Einfl uss gewinnt.

Die Kommunikationsbranche selbst muss auf diese Entwicklungen reagieren – und vor allem auch mit ihr Schritt halten. Sie muss sich auf die neuen Herausforderungen einstel-len, auf die daraus entstehenden Anforderungen reagieren, sich über Einsatzmöglichkeiten, Chancen wie Risiken, Vorteile wie Verantwortungen bewusst sein und adäquate Strategien und Konzepte dazu entwickeln. Jeder Kommunikationsverantwortliche – ob in Agenturen, Unternehmen oder Institutionen – muss sich dazu mit dem neuen Medium auseinander-setzen, das seine Arbeit verändert und prägt: Denn die Kommunikation erfolgt schneller und fl exibler, die Ansprache der gewünschten Zielgruppen genauer und vielfältiger, die eingesetzten Instrumentarien sind leichter messbar, die Kanäle und Formate umso inter-aktiver und dialogorientierter: Willkommen in der Welt der Online Relations.

Vorhandene Chancen nutzen

Online Relations1 – also die Kommunikation mit und über Online-Medien – haben sich mittlerweile zu einem Kerninstrument innerhalb des Kommunikations-Mix entwickelt. Kaum eine strategische und effi ziente PR oder Unternehmenskommunikation kommt an diesen Instrumenten vorbei, um in Dialog mit ihren Bezugsgruppen zu treten und sie an das Unternehmen, die eigenen Produkte und Leistungen zu binden. Dies gilt für interne Zielgruppen wie Mitarbeiter und Partner im selben hohen Maße wie für Kunden, Medien und Multiplikatoren auf der anderen, externen Seite.

Immer stärker verschwimmen bei der Ansprache die Grenzen zwischen den einzelnen klassischen Kommunikationsdisziplinen wie Public Relations, Werbung, Direktmarketing, Below-the-Line-Kommunikation. Denn Online Relations gehen weit über eine Pressearbeit im Netz hinaus. So stehen heute nicht nur der Online-Pressebereich, Pressekonferenzen im Internet oder Web-Monitoring auf der To-Do-Liste eines auf Online Relations speziali-sierten Beraters. Auch E-Mail-Kommunikation, Newsletter, Internet-Foren und Mailinglisten

1 Der Begriff Online Relations wird in diesem Buch als erweiterte Form der Online-PR verstanden, indem dieser Begriff auch Maßnahmen einschließt, die über das klassische Verständnis der PR hin-ausgehen und benachbarte Kommunikationsdisziplinen einschließen bzw. unmittelbar betreffen.

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zählen zu den Kernwerkzeugen seines täglichen Handwerks, die es zu konzipieren, zu schreiben, einzusetzen und zu überwachen gilt.

Und das ist noch nicht alles: Gerade die Diskussionen über die wachsende Relevanz von Suchmaschinenmarketing und von Google AdWords sowie die Macht von Blogs, Pod-casts und Communities symbolisieren die signifi kanten Veränderungen in der Welt der Medien und der Public Relations, auf die es adäquat zu reagieren gilt.

Gerade das seit 2006 viel diskutierte Thema »Web 2.0« ist ein gutes Beispiel für diese beständige Weiterentwicklung und – teils – Neufi ndung. Denn selbst wenn bereits heute eine Vielzahl an Kommunikationsinstrumenten und -medien existiert, so vereinte alle die-selbe Anspracherichtung: Vom Kommunikationsmedium zu den jeweiligen Zielgruppen, »one-to-many«. Das heißt: Bislang war eine klare Trennung von Sender und Rezipienten gegeben – mit Ausnahme von Foren und Newsgroups. Mit den Web 2.0-Anwendungen fi ndet eine deutliche Veränderung statt. Immer stärker beginnt sich das Internet zu einem globalen und sozialen Netzwerk zu entwickeln, in dem sich eine wachsende Zahl an Ak-teuren als souveräne Informationsproduzenten wie -rezipienten bewegt. In einer unaufhör-lichen und schnell fl ießenden Bewegung kommen sie, gestalten und konsumieren Inhalte, vernetzen sich und verschwinden teils wieder. Das Internet wird damit zu einer an Ver-knüpfungen reichen Meinungsplattform. Auf diese Veränderungen müssen professionelle Online Relations reagieren.

Intensive Auseinandersetzung gefragt

Schon heute zeigt sich: Das Interesse an Online Relations ist groß und wächst dazu konti-nuierlich. Mit Hilfe des weltweiten Netzes lässt sich eine neue Stufe der Kommunikation erreichen. Doch wer seine Zielgruppen im Netz erfolgreich ansprechen will, der muss die Eigenarten der einzelnen Instrumente kennen. Dazu muss er sich intensiv mit dem Thema auseinandersetzen, um ein Verständnis für das Medium Internet und seine Möglichkeiten der Information, der Kommunikation und der Interaktion zu entwickeln.

Er muss sich Fragen stellen lassen und beantworten können wie: Welche Bedeutung können Online Relations haben? Wie lässt sich das Internet als neues Medium für die Öffentlichkeitsarbeit nutzen? Worin bestehen die Chancen des Agierens in den neuen Öf-fentlichkeiten? Wo liegen die wirklichen Potenziale der Online-Medien für die Kommuni-kation? Für welche Ziele und Zwecke lassen sie sich einsetzen? Welche Zielgruppen lassen sich erreichen? Welche Grenzen und Risiken sind beim Einsatz zu berücksichtigen? Lohnen sich Online Relations aus wirtschaftlicher Hinsicht für mein Unternehmen? Und – letzt-endlich entscheidend – wie sind Online Relations schließlich in die bestehende Kommuni-kationsstrategie einzubetten? Erst mit dem Verständnis dieser Fragen kann es gelingen, die Chancen der neuen Medien- und Instrumentenvielfalt wirklich nutzen zu können und mit bestehenden wie neuen Bezugsgruppen innerhalb wie über das Medium Internet ge-zielt zu kommunizieren. Dies will dieses Buch unterstützen.

Die Welt des Internets wird sich künftig in hohem Tempo weiterentwickeln und neue Möglichkeiten zum Agieren, Kommunizieren und Beobachten offerieren. Es werden sich veränderte kommunikative Strukturen herausbilden, neue Verhaltensweisen, Gesetzmäßig-keiten und Regeln – praktisch eine neue Öffentlichkeit. Online Relations werden hier wei-ter an Bedeutung und an Eigenständigkeit gewinnen, um diese Entwicklungen kontinuier-lich zu beobachten, zu begleiten und in einem immer anspruchsvolleren und vielfältigeren Dialog mit Bezugsgruppen mit adäquaten Instrumenten darauf zu reagieren.

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Ein Leitfaden für die Praxis

Dieses Buch soll einen Überblick über die bestehenden Instrumente liefern und gleichzei-tig neue Ansätze auf ihren möglichen Einsatz für eine effektive Kommunikationsarbeit überprüfen. Dazu hat es den Anspruch, sowohl als Lesebuch als auch als praktisches Nachschlagewerk zu dienen, das bei der Bewältigung von einzelnen Herausforderungen und Fragestellungen individuell behilfl ich ist.

Nach einer kompakten Einführung in das Thema Online Relations ist das Buch als Praxisleitfaden mit konkreten Handwerkzeugen angelegt: Wie baue ich zielgerechte Online Relations auf? Wie versorge ich meine Zielgruppen im Netz optimal mit Informationen? Welche Risiken sind bei einer E-Mail-Kommunikation zu berücksichtigen? Worauf kommt es beim Suchmaschinen-Marketing an, um Websites sichtbar und auffi ndbar zu machen? Wie heißen die Erfolgsfaktoren bei E-Mail-Newslettern? Welche Bedeutung können Weblogs für die Unternehmenskommunikation haben? Diese Fragen werden analysiert und anschau-lich beantwortet. Beispiele, Checks, Infokästen, Ausfl üge, Fallstudien zeigen zudem Wege auf, wie sich das Internet gezielt zur professionellen internen wie externen Unternehmens-kommunikation einzusetzen lässt.

Zudem wurden elf Branchenexperten aus Agenturen, Institutionen und Unternehmen für Fachbeiträge gewonnen. Ihre kompakten, mal informativen, mal eher provokanten Kurz-analysen, Ideenstudien und Fallbeispiele zu Themen wie Usability, Newsletter, Blogs oder Suchmaschinenmarketing sind in den laufenden Text eingebunden, um den Praxisbezug weiter zu verstärken. Selbstverständlich ließen sich nicht alle Themen und Fragen zu dem großen Komplex Online Relations erörtern. Dies würde den Rahmen dieses Leitfadens deut-lich sprengen. Wer sich mit einzelnen Themen noch tiefer auseinandersetzen will, dem seien dafür die kommentierten Links und die Literatur am Ende des Buches ans Herz gelegt.

Zusammengefasst: Was ist dieses Buch? Ein Leitfaden, der die neuen Öffentlichkeiten und Instrumente als Kommunikationschance begreift, aktuell auf den neuesten Entwick-lungen aufbaut, einen umfassenden Überblick über die aktuell relevanten Online-Relations-Thematiken vermittelt und praxisnah in die einzelnen Instrumente einführt. Dies ist zumin-dest das Ziel dieses Buch. Ob es erreicht wird, müssen Sie als Leser selbst beurteilen.

Danksagung

An dieser Stelle möchte ich mich noch bei ein paar Wegbegleitern dieses Werkes bedanken: Bei den elf einzelnen Autoren für ihre spannenden Beiträge und die durchweg unkompli-zierte Zusammenarbeit, bei Volker Dabelstein vom Schäffer-Poeschel Verlag für die inten-siven und immer fairen Diskussionen während der gesamten Projektentwicklung und ganz besonders bei meinen Fachlektoren und Gesprächspartnern Jens Beutel, Oliver Jorzik, An-dreas Schöning und Albrecht Ude für ihre nützlichen Tipps und offenen Worte. Herzlichen Dank!

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2 Die Grundlagen von Online Relations

2.1 Das Internet als neues Medium

2.1.1 50 Jahre Geschichte

Das Internet hat in den letzten Jahren einen unglaublich schnellen Aufschwung erlebt und ist heute fester Bestandteil unseres Alltags. Bei der Betrachtung der gerade in den vergan-genen Jahren explosionsartigen Verbreitung wird oft übersehen, dass der Grundgedanke schon rund 50 Jahre alt ist. Blicken wir kurz auf die Geschichte des Internets zurück: Alles beginnt mit der militärischen US-Forschung während des kalten Krieges im Jahre 1957, als in den USA die Advanced Research Projects Agency (ARPA) gegründet wird. Ab Ende 1962 arbeitet die Abteilung Command and Research der ARPA an der Entwicklung eines Netzes, in dem der Computer nicht die Funktion der damaligen Rechenmaschine, sondern als dezent-rales Kommunikationsmedium zwischen Menschen einnimmt. Dies läutet die Entstehung des sogenannten ARPANET (Advanced Research Project Agency Network) ein, das direkt im amerikanischen Verteidigungsministerium angesiedelt ist. Im Herbst 1969 ist es schließlich soweit: An der University of California in Los Angeles, der University of California in Santa Barbara, der University of Utah und am Stanford Research Institute gehen die ersten vier Großrechner in Betrieb, die miteinander über Backbones verbunden sind. Der Startschuss zum Internet war endgültig gefallen. In diese Zeit fällt eine weitere bahnbrechende Entwick-lung, die heute den privaten wie berufl ichen Alltag entscheidend mitprägt: Der Ingenieur Ray Tomlinson erfi ndet 1971 die E-Mail, um kurze Nachrichten über das Netz zu verschicken.

Nachdem das bisherige ARPANET im Jahre 1983 in das zivile ARPANET und das mili-tärische MILNET (Movement Information Net) aufgespalten wird, dringt in den folgenden Jahren die elektronische Kommunikation gerade in die amerikanischen Universitäten vor. Die nächste entscheidende Entwicklung folgt 1990: Am Schweizer Kernforschungszentrum CERN entwickelt der Computertechniker Tim Berners-Lee ein Projekt zum Informationsaus-tausch zwischen Wissenschaftlern auf der Basis von Hypertexts. Damit läutet er das Zeit-alter des World Wide Web ein, als dessen Vater er bis heute gilt. Von dem Moment an dehnt sich das Internet erst allmählich und dann immer schneller auf kommerzielle und private Bereiche aus.

Zeittafel: Die wichtigsten Schritte zum WWW

1957 Gründung der Advanced Research Projects Agency (ARPA)1962 Arbeit an einem Netzwerk als Kommunikationsmedium1969 Die ersten vier Knotenrechner des ARPANET gehen in Betrieb1971 Ray Tomlinson verschickt die erste E-Mail1983 Trennung des ARPANET in ziviles ARPANET und militärisches MILNET1991 Die Tim Berners-Lee-Erfi ndung »World Wide Web« geht ins Netz

Mehr als nur Information

Vor allem ab Mitte der 90er-Jahre verzeichnet die Entwicklung enorme jährliche Wachstums-raten. Immer stärker wird das Internet als Kommunikationsinstrument genutzt. Wie schnell

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sich beispielsweise die Zahl der Websites von Mitte der 90er-Jahre bis heute erhöht hat, ver-deutlicht ein Beitrag in der Computerwoche vom 2. Februar 1996: Unter der Überschrift »Wie fi ndet sich der Anwender im Labyrinth des Internets zurecht?«, wird vor allem die Strategie des »Surfens« empfohlen: »Man startet an einer beliebigen Web-Page und klickt sich von Link zu Link, einfach so nach Lust und Laune. Nach einiger Zeit fi ndet sich mit Sicherheit etwas, wonach man eigentlich nicht gesucht hat, was aber interessant genug ist, um ein Weilchen zu verweilen.«2 Eine Art der Suche, die im heutigen Zeitalter der Suchmaschinen ausgedient hat.

Ein weiteres Beispiel: Waren bis Mitte der 90er-Jahre Unternehmen nur sehr vereinzelt im Internet präsent, befi ndet sich heute die Riege der deutschen Top500-Unternehmen geschlossen mit eigenem Auftritt im Netz. Auch für klein- und mittelständische Unterneh-men zählt die Internet-Präsenz inzwischen zur Basisausstattung ihrer kommunikativen Aktivitäten. Mit gutem Grund: Nur wer heutzutage sich sicher sein kann, dass er seine Zielgruppe nicht über das Internet erreicht und seine Geschäftsprozesse keinerlei Berüh-rungspunkte mit dem Internet aufweisen, könnte auf einen Internet-Auftritt verzichten. Alle anderen – und das ist die große Mehrzahl – defi nitiv nicht.

Stufenweise entwickelte sich das Internet weg von einem reinen Informationsmedium. Technologische Entwicklungen wie Shops, Anzeigen-Verwaltungen, CRM-Systeme sowie schnellere Verbindungen via DSL und WLAN veränderten und prägen Geschäftsprozesse und Einkaufsgewohnheiten. Die wachsende Zahl an Online-Käufern, der Erfolg von Internet-Kaufhäusern wie Amazon, von Versteigerungsplattformen wie eBay, von Suchmaschinen wie Google, von Social-Networking Plattformen wie MySpace beweisen dies. Zwar hat das Netz unsere Einkaufsgewohnheiten nicht komplett verändert, aber es hat in vielen Bran-chen neue, bislang unbekannte wie unerreichbare Möglichkeiten des Dialogs mit dem Kunden geschaffen.

Diese neu gewonnenen Chancen bedeuten jedoch nicht, dass die Unternehmen mit den Instrumenten der Online-Kommunikation perfekt umgehen können. Noch heute haben bei-spielsweise die meisten Internet-Auftritte mit Online Relations nicht wirklich etwas zu tun. Kaum wird die Chance ergriffen, auf der Basis des eigenen Internet-Auftritts funktionie-rende Beziehungen mit den eigenen Zielgruppen aufzubauen, einen wirklich Dialog mit diesen zu pfl egen. Dies zeigt sich in vielerlei Hinsicht. Ein paar Beispiele für die verge-benen Chancen:� Viele Internet-Auftritte wirken weiterhin wie 1-zu-1-Wiedergaben der Werbemedien und

Produktinformationen wie Broschüren, Folder, Produktkataloge etc.;� eine Pressearbeit im Internet scheitert schon am fehlenden oder fehlerhaften Online-

Pressebereich; Folge: Journalisten sind schnell wieder weg;� die Vorteile, aber auch Pfl ichten einer E-Mail-Kommunikation mit Kunden, Partnern,

Medien – wie z. B. schnelle Reaktionen auf Anfragen – werden nicht berücksichtigt;� innovative Elemente zur Kommunikation und Interaktion mit einzelnen Zielgruppen wie

Gewinnspiele, Newsletter, Corporate Blogs reduzieren sich auf ein Kontaktformular;� Online Relations sind rein auf die Firmenwebsite beschränkt; fl ankierende Maßnah-

men? Fehlanzeige;� Online Relations stehen für sich allein und sind nicht in die Gesamtkommunikation

integriert.

2 vgl. Computerwoche, Ausgabe vom 2. Februar 1996

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2.1.2 Prognose Zukunft

Um sich selbst die Bedeutung des Internets und der neuen Medien insgesamt für die Kommunikation bewusst zu machen, sollte man sich die aktuellen Zahlen und Daten vor Augen führen und daraus Schlussfolgerungen für die eigenen Chancen ziehen. Denn diese sind gewaltig. Hier ein paar Beispiele.

1. Der Medienkonsum wird weiter zunehmen

Die Situation: Laut ARD/ZDF-Studie 2006 sind rund 38,6 Millionen Menschen in Deutsch-land regelmäßig oder gelegentlich »drin«. Dies entspricht 59,5 Prozent der Bevölkerung über 14 Jahren3. Dass die Internet-Nutzung nicht zu Lasten der anderen Medien geht, belegt die Mediennutzungsstudie TimeBudget12 des Media-Vermarkter SevenOne Media von September 20054. Danach entfallen bei 14 bis 49-Jährigen täglich 168 Minuten auf das Fernsehen, 142 Minuten auf das Radio, 21 Minuten auf Zeitungen, 15 Minuten auf Zeit-schriften und 59 Minuten auf die Internet-Nutzung. Laut Studie hat damit die Internet-Nutzung zwar stark zugenommen, sie ist jedoch nicht zu Lasten der anderen Medien ge-gangen. Vielmehr hat die Internet-Nutzung das bisherige Medienangebot erweitert.

Zu demselben Ergebnis kommt die Markt-Media-Studie »internet facts 2006-II« der Ar-beitsgemeinschaft Online-Forschung (AGOF): Im Berichtszeitraum April bis Juni 2006 nutzten 57,2 Prozent der deutschen Wohnbevölkerung ab 14 Jahren (37,20 Millionen von 65,07 Millionen) das Internet, davon 63,2 Prozent bereits seit mehr als drei Jahren. Nach wie vor hätten die Männer im Netz mit 55,7 Prozent im Vergleich zu 44,3 Prozent bei den Frauen die Nase vorne, wobei in den jüngeren Altersklassen (14-39 Jahre) nahezu keine Unterschiede mehr festzustellen seien. Top-Aktivitäten im Internet seien E-Mail (86,7 Pro-zent), Informationsrecherche (85,6 Prozent), weltweite Nachrichten (60,1 Prozent) und On-line-Shopping (57,6 Prozent)5.

Dass Internet-Nutzer immer länger online sind, ist ein weltweites Phänomen. Dies belegt die von der EIAA (European Interactive Advertising Association), dem Branchenverband der pan-europäischen Online-Vermarkter, in Auftrag gegebene Mediascope Consumption Studie 20056. Die Befragung von 7.000 Internet-Nutzern in ganz Europa zu Medien-Nutzungszeiten und Internet-Gewohnheiten ergab, dass der durchschnittliche Internet-User 10 Stunden und 15 Minuten pro Woche online ist – eine Erhöhung um 17 Prozent im Vergleich zum Jahr 2004. Während die französischen Nutzer mit durchschnittlich 13 Stunden pro Woche im europaweiten Vergleich die meiste Zeit im Internet verbringen, lagen die Deutschen bei dieser Studie mit 9 Stunden leicht unterhalb des Durchschnittes.

Die Prognose: Das Internet hat sich als Informations-, Kommunikations- und Unterhal-tungsmedium fest etabliert. In den nächsten Jahren ist mit einem weiteren Anstieg der Nutzerzahlen und dem Angleich des Medienkonsums bei Männern und Frauen zu rechnen. Zwar hat sich die Wachstumsdynamik abgeschwächt. Eine Sättigung des Marktes ist jedoch nicht abzusehen, da vermehrt ehemals internetferne Bevölkerungsgruppen wie zum Bei-

3 Vgl. www.daserste.de/service/ 4 Vgl. www.sevenonemedia.de/research/newmedia/timebudget/index.php 5 Vgl. www.agof.de; »internet-facts 2006-II«6 Vgl. www.eiaa.net, Pressemitteilung vom 29.11.2005

6 Die Grundlagen von Online Relations

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spiel ältere Menschen den Weg ins Netz fi nden. So ist den Prognosen der Studien zu folgen, dass bis zum Jahr 2010 rund drei Viertel der bundesdeutschen Erwachsenen ab 14 Jahren online sein werden.

2. Internet wird zum täglichen Begleiter

Die Situation: In Deutschland – wie in anderen Ländern – macht der Bereich Internet nur einen kleinen Anteil am Gesamtmedienverbrauch aus. Gleichzeitig steigt die Internet-Nut-zung schneller als die aller anderen Medien. Während laut EIAA Mediascope Consumption Studie 2005 die Internet-Nutzung im Vergleich zum Vorjahr um 17 Prozent zunahm, er-höhte sich der TV-Konsum nur um 6 Prozent, Radio um 14 Prozent und Zeitungen um 13 Prozent. Der Zeitschriftenkonsum fi el sogar um 7 Prozent.7

Zu ähnlichen Ergebnissen kommt das Marktforschungsunternehmen Jupiter Research in seiner Untersuchung »European Media Consumption Consumer Survey 2006«8. Danach ver-bringen die Europäer immer mehr Zeit im Internet als mit der Lektüre von Zeitungen und Magazinen. Den Ergebnissen zufolge sei der Konsum von Printmedien 2005/2006 konstant bei drei Stunden pro Woche geblieben, der Fernsehkonsum legte von zehn auf vierzehn Stunden pro Woche zu, die Zeit für das Internet-Surfen verdoppelte sich von zwei auf vier Stunden. Auch nach diesen Zahlen ist der Anstieg des Internet-Konsums nicht zu Lasten der Printmedien und des Fernsehens gegangen – der Medienkonsum ist an sich gestiegen.

Die Prognose: Internet ist bereits heute der tägliche Begleiter für alle wichtigen Fragen und Themen. Angesichts immer erweiterter Online-Angebote sowie einer jungen Genera-tion, die mit dem Internet aufgewachsen ist und keinerlei Berührungsängste hat, wird es langfristig zu einer allmählichen Verschiebung von den klassischen Medien (TV, Radio, Zeitungen) hin zu den Online-Medien geben. Damit werden die Online-Medien – und nicht nur E-Mail und Internet-Recherche – zu einem immer festeren Bestandteil unseres täg-lichen Lebens.

3. Konsumenten nehmen neue Technologien schnell an

Die Situation: Die EIAA Mediascope Consumption Studie 2005 belegt, dass Konsumenten in Europa neue Technologien und Services im Internet schnell annehmen. Dabei hat bei-spielsweise die zunehmende Etablierung von Breitband-Zugängen deutliche Auswirkungen auf das Nutzungsverhalten bzw. die angebotenen Inhalte und Werbeformen. Mit stetig wachsender Bandbreite können auch immer komplexere Inhalte ohne Beeinträchtigung des Nutzungskomforts übertragen werden. Ein Studienbeispiel: In Verbindung mit Breitband-Zugängen laden 29 Prozent der Befragten mindestens einmal pro Monat Musik aus dem Internet herunter. Auch neue Technologien wie Voice over IP (VoIP), das Telefonieren über das Internet, sind beliebt: Bereits 10 Prozent der europäischen Konsumenten nutzen VoIP-Services.

Die Prognose: Neue Technologien, rasante Verbreitung von höheren Bandbreiten (DSL), die Überall-Erreichbarkeit (WLAN, UMTS) auch an Flughäfen, in Kaffees, Restaurants etc. sowie der Trend zu immer kleineren Endgeräten wird den Medienkonsum in allen Alters-gruppen weiter erhöhen.

7 Vgl. www.eiaa.net, Pressemitteilung vom 29.11.20058 Vgl. www.jupiterresearch.com

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4. Die Zahl der Internet-Präsenzen steigt weiter

Die Situation: Laut Netcraft (10/2006) existierten im November 2006 über 100 Millionen Websites (»In the November 2006 survey we received responses from 101,435,253 sites«9) – und damit 3,5 Millionen mehr als im Monat zuvor. Zu diesem enormen Wachstum ha-ben – so Netcraft – vor allem Blogs und kleine Business-Websites beigetragen, geschürt durch kostenlose Blog-Services von Google, Microsoft und anderen. Damit hat sich die Zahl der Websites seit Mai 2004 verdoppelt. Genau gesagt handelt es sich übrigens um 100 Millionen Hostnamen, von denen laut Schätzungen der Experten rund 50 Millionen aktiv und damit erreichbar sind.

Die Prognose: Angesichts neuer Trends und Technologien wie Blogs, immer geringerer Kosten für Websites, Redaktionssystemen und Internet-Hosting wird die Zahl der Internet-Präsenzen kontinuierlich weiter ansteigen. Abbildung 1 verdeutlicht das kräftige Wachstum seit 1997.

Abb. 1: Entwicklung Zahl der Websites in Mio. (Quelle: www.netcraft.com; 11/2006)

5. In Zukunft wird fast alles online gekauft

Die Situation: Laut einer Studie des Marktforschungsinstitutes European Information Tech-nology Observatory (EITO) im Auftrag des Branchenverbandes BITKOM (Bundesverband Informationswirtschaft, Telekommunikation und neue Medien e.V.) von April 2006 wird das Kaufen im Internet immer beliebter. So stieg in Deutschland insgesamt der Gesamt-umsatz des elektronischen Handels im Jahre 2005 um 58 Prozent auf 321 Mrd. Euro – mit Schwerpunkt auf Transaktionen zwischen Unternehmen (Business-to-Business). Bei den Verbrauchern (Business-to-Consumer) erhöhte sich der Anteil im Vergleich zum Vorjahr um 43 Prozent auf insgesamt 32 Mrd. Euro. Dies ist in Zusammenhang mit einer stei-genden Anzahl der Internet-Nutzer, erweiterten Angeboten, erhöhtem Kaufvertrauen durch

9 Vgl. www.netcraft.com

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Zahl der Websites

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verbesserte Sicherheitsstandards, neuen Zahlungsformen sowie einer online-affi nen jünge-ren Zielgruppe zu sehen. Laut den EITO-Marktforschern soll dieser Boom in den nächsten Jahren anhalten. Bis 2009 würde sich der Gesamtumsatz im deutschen Internet-Handel auf 694 Milliarden Euro mehr als verdoppeln, im Privatkundenmarkt auf 114 Milliarden Euro erhöhen. Der neue Verkaufskanal Handy – Zukunftsthema Mobile Commerce – sowie ein-heitliche und weiter verbesserte Zahlungsstandards würden dazu einen gewichtigen Beitrag leisten. Mit diesen Zahlen nimmt Deutschland eine Spitzenposition in Europa beim elek-tronischen Handel an. 30 Prozent aller in Westeuropa über das Internet gehandelten Waren und Dienstleistungen wurden in Deutschland verkauft.10

Gerade bei der kaufvorbereitenden Informationsrecherche spielt das Internet die zen-trale Rolle. Dies belegte auch die AGOF-Studie internet facts 2006-II: Danach informieren sich 94,3 Prozent der Onliner (33,92 Millionen) im Internet über Produkte vor dem Kauf, knapp drei Viertel der Internetnutzer (72,8 Prozent) kaufen online ein.11 Damit ist das Internet nicht nur Informationsmedium, sondern ist inzwischen auch ein Transaktionsme-dium für den Produktkauf.

Die Prognose: Angesichts steigender Angebote und der Verbreitung des E-Commerce wird die Kaufl ust im Internet in den kommenden Jahren weiter zunehmen. Dies gilt sowohl für die Unternehmensseite als auch für private Kunden. Dazu trägt bei, dass immer mehr Onliner bislang offl ine erledigte Geschäfte künftig im Internet abwickeln. Das Online-Shop-ping wird damit zur Selbstverständlichkeit – und dies nicht nur für bisherige Top-Produkte wie Bücher, Musik, Elektronik-Artikel und Reisen. Auch Dienstleistungsangebote und kom-merzielle Angebote werden davon maßgeblich profi tieren.

6. Die junge Generation setzt auf Social Networking

Die Situation: 16 bis 24-Jährige verbringen durchschnittlich knapp drei Stunden pro Woche in der virtuellen Welt. Dies ist das Ergebnis einer Studie von Ofcom zum Medienverhalten der Jugend, die die britische Regulierungsbehörde am 10. August 2006 bekannt gab. Dabei stellte Ofcom eine radikale Änderung im Medienkonsum fest. So stehen Social-Networking-Seiten, Blogs und Spiele ganz oben auf der Präferenzliste. Allein 70 Prozent der Befragten haben schon eine der sogenannten Social-Networking-Seite wie MySpace genutzt. In der britischen Gesamtbevölkerung sind dies im Vergleich dazu nur 41 Prozent. Jeder Fünfte in dieser jungen Altersgruppe hat ein eigenes Blog oder eine eigene Webseite. Dagegen spie-len klassische Medien wie Fernsehen, Radio und Zeitungen bei dieser Networking-Gene-ration eine deutlich geringere Rolle als in den älteren Altersgruppen.12

Die Prognose: Diese radikale Änderung des Medienkonsums, weg von klassischen Me-dien, hin zu den Online-Diensten und Web 2.0-Anwendungen, wird sich in der jungen Zielgruppe – und dies gilt nicht nur für Großbritannien – weiter verstärken. Dies betrifft insbesondere die Generation, die nie eine Zeit ohne Computer erlebt hat und damit neue Technologien und Ideen deutlich schneller als die restliche Bevölkerung aufnimmt.

10 Vgl. www.bitkom.org; Pressemitteilung vom 27. April 200611 Vgl. www.agof.de; »internet-facts 2006-II«12 Vgl. www.ofcom.org.uk/media/news/2006, Pressemitteilung vom 10.08.2006

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7. Im Internet entstehen neue Meinungsmacher

Die Situation: Mit Bloggern und Podcastern entstehen neue Kontaktpersonen, die in ihren Nischenthemen wachsenden Einfl uss gewinnen und eine breite Leserschaft erreichen. Di-ese Meinungsmacher produzieren und publizieren fast unkontrolliert, dafür umso besser vernetzt. Damit erhöht sich für Unternehmen und Medienarbeiter die Anzahl der Key-Per-sonen, die bei der Kommunikationsarbeit zu berücksichtigen sind.

Die Prognose: Neben den klassischen und vertrauten Medienkontakten werden einzel-ne Blogger zu neuen Opinion Leadern für eine erfolgreiche Unternehmenskommunikation. Diese gilt es frühzeitig zu erkennen, zu beobachten und zu kontaktieren.

8. Die bisherige Einbahnstraße wird zur Schnellstraße

Die Situation: Web.2.0-Anwendungen wie Blogs sind ein Symbol für neue Kommunikati-onsformen, für den Paradigmenwechsel von einseitigem zu wechselseitigem Informati-onsaustausch. In dieser neuen interaktiven Kommunikation bietet sich die Chance, die Adressaten im Rahmen eines wirklichen Dialogs zu erreichen, zu informieren, zu motivie-ren und damit an das eigene Unternehmen zu binden. Dieser Informationsaustausch ge-schieht innerhalb einer riesigen, in sich vernetzten Wissens- und Erfahrungs-Community, Blogosphäre genannt.

Die Prognose: Unabhängig davon, ob der Begriff »Web 2.0« überleben oder sich weiter-entwickeln wird: Das klassische Einbahnstraßen-Modell einer Kommunikation von wenigen zu vielen ( one-to-many), das Medien wie Unternehmen bis heute pfl egen, wird mehr und mehr aufgeweicht. Medien wie Blogs bedeuten enorme Chancen für die Unternehmens-kommunikation mit den wichtigsten Zielgruppen, die vom Unternehmen der Zukunft auch genutzt werden müssen.

9. Die Online-Kernzielgruppe der Zukunft heißt 50+

Die Situation: Laut den Internet-Strukturdaten der Forschungsgruppe Wahlen Online für das 3. Quartal 200613 haben heute rund 66 Prozent aller Deutschen einen Internet-Zugang. Auffällig ist, dass diese Zahlen seit rund zwei Jahren nur leicht steigen. Der Grund: Die Potenziale bei jüngeren Menschen gelten als ziemlich ausgeschöpft. Das heißt: Bis auf die sogenannten Internet-Verweigerer sind alle online. Dagegen zeigt sich bei den über 50-Jährigen ein deutlicher Nachholbedarf. Mehr Zeit im Alter, höhere Einkommen bzw. Renten, online-affi ne Kinder oder Enkel, gesteigerte und teils altersgerechte Online-Angebote sowie die neuen Möglichkeiten wie Online-Banking statt Bankbesuch, Online-Reisebuchung statt Reisebüro, Online-Shopping statt Real-Shopping sind einige der Erklärungen.

Gerade die Zielgruppe 50plus, die die Technik meist nicht mehr berufl ich benötigt, aber deren Vorteile im Alltag nutzt, wächst enorm. Dies belegt auch die AGOF-Studie »internet-facts 2006-II«: Fasst man die Altersgruppen 50-59 Jahre, 60-69 Jahre sowie 70+ zusammen, dann sind die sogenannten Silver Surfer mit 23,3 Prozent inzwischen auch im Internet die zahlenmäßig stärkste Altersgruppe (8,39 Mio.). Dies ist ein Beleg dafür, dass sich die On-line-Struktur allmählich der Gesamtbevölkerung annähert.14 Den Großteil machen die 50- bis 59-Jährigen mit heute 5,3 Millionen Internet-Nutzern aus. Aber auch bei der 60plus-

13 Vgl. www.forschungsgruppe.de; Strukturdaten 3. Quartal 2006 vom 5.10.200614 Vgl. www.agof.de; »internet-facts 2006-II«

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Zielgruppe ist laut ARD/ZDF-Online-Studie 2006 die Anzahl der Onliner von 4,4 Prozent (Jahr 2000) auf 20,3 Prozent (Jahr 2006) kräftig gewachsen.

Die Prognose: In der älteren Zielgruppe ist noch Luft nach oben. Um diese erreichen zu wollen, muss die 50plus- und vor allem auch die 60plus-Zielgruppe sowohl von Gestal-tung, Navigation, Inhalten und einfachen Zahlungsmechanismen altersgerecht angespro-chen werden. Hier besteht deutlicher Nachholbedarf. Vor allem muss bedacht werden, dass diese Zielgruppe das Wissen um den Umgang mit Internet und E-Mail nicht in der Schule erworben hat, sondern am Arbeitsplatz, über Kinder oder Enkel bzw. über Fortbildungen zum Beispiel an Volkshochschulen. Gleichzeitig werden all jene ins Abseits gedrängt – Stichwort digitale Kluft –, die nicht mithalten können und das Thema »lebenslanges Ler-nen« nicht für sich aufgenommen haben – ob nicht gekonnt oder nicht gewollt spielt nur eine nebensächliche Rolle.

10. Barrierefreiheit wird zu den Top-Themen

Die Situation: Neben den älteren zählen auch behinderte Nutzer zu den bislang wenig erreichten Randzielgruppen. Einschränkungen bei Seh- und Hörkraft sowie geringeres Lerntempo machen sie zu Außenseitern in der Online-Welt. Die neuen Medien können hier mehr Lebensqualität schaffen – ob durch den Einkauf vom Sessel aus, der einfachen E-Mail-Kommunikation mit Behörden und Kindern, der Online-Bereitstellung von wichtigen Dokumenten. Dazu sind beispielsweise die Internet-Seiten von Ämtern barrierefrei zu ge-stalten, indem die international anerkannten Zugänglichkeitsrichtlinien für Webinhalte15 umgesetzt werden. Barrierefreiheit ist seit 2002 auch eine zentrale Forderung des Behin-dertengleichstellungsgesetzes (BGG), welches das verfassungsrechtliche Gebot der Anti-Diskriminierung umsetzt. In Deutschland waren Bundesbehörden gesetzlich verpfl ichtet, bis Ende 2005 ihre Internet-Auftritte barrierefrei zu gestalten, auf Landes- und Kommunal-behörde gilt diese Soll-Vorschrift noch ohne zeitliche Fixierung.

Prognose: Online Relations können dazu beitragen, dass Behinderte oder ältere Men-schen an der Gesellschaft wieder stärker teilhaben. Mit der Alterung der Gesellschaft wird Barrierefreiheit ein Kernthema bleiben. Dies wird Agenturen und Dienstleistern neue und ertragreiche Beschäftigungsfelder eröffnen, wenn sie in der Konzeption, Planung und Um-setzung Kompetenzen vorweisen können.

2.1.3 Merkmale und Besonderheiten

Im Frühjahr 2006 führte die Online-Kommunikationsagentur A&B FACE2NET die Studie »Campaigning the brand« über die strategische Bedeutung der Online-Kommunikation in-nerhalb des Marketings von Fast Moving Consumer Goods (FMCG) durch, das heißt von Gütern wie zum Beispiel Lebensmittel, Waschmittel oder Getränke. Das Ergebnis: Online-Kommunikation nimmt derzeit den vierten Rang ein. Bereits in fünf Jahren wird sie aber auf den zweiten Platz vorgerückt sein – nach Verkaufsförderung/Point of Sale, aber noch vor klassischer Werbung und anderen Kommunikationskanälen. Der Grund dafür seien Faktoren wie Usability, Design, Interaktivität, Crossmedialität, Emotionalisierung, die kein

15 Mehr zu diesem Thema unter www.w3.org/WAI

Das Internet als neues Medium 11