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10 Jahre Projekt zur Kultur der Natur

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10 Jahre

Projekt zur Kultur der Natur

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Herausgegeben vom Bayerischen Staatsballettund dem Bayerischen Staatsministerium für

Umwelt und Verbraucherschutz

Titelbild: Erste Solistin Lisa-Maree Cullum

10 Jahre

Projekt zur Kultur der Natur

Idee und KonzeptTill Meyer

Eine Kooperation desBayerischen Staatsballetts

mit demBayerischen Staatsministerium für

Umwelt und Verbraucherschutz

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Matthew Cranitch

Inhalt

6 Prolog Ulrike Scharf, Ivan Liška 10 Auftakt Till Meyer, Ivan Liška 18 Ursprünge Bettina Wagner-Bergelt, Raoul Schrott 32 Geschichte, Religion und Kunst Angelika Schneider, Gerhard Haszprunar, Wolfgang Bischof 46 Naturschutz in Bayern Jörg Müller, Michael Vogel, Manfred Wölfl, Sabrina Reimann, Stefan Kluth 64 Psychologie und Gesellschaft Konrad Ott, Odile Rodríguez de la Fuente, Manfred Spitzer, Thomas Kirchhoff, Reinhold Messner 83 Kulturtechniken Konrad Ott, Beate Seitz-Weinzierl 90 Naturschutz in Europa Zoltan Kun, Hubert Faltermeier, Heinz Grunwald102 Internationale Stimmen Sabine Kuegler, Sharon Shay Sloan, Vance Martin, Liz Close, Wolfgang Schröder114 Schlussakkord Michael Apel, Gerhard Trommer, Vance Martin, Hubert Weinzierl, Hans-Dieter Schuster124 Anhang Making of, Danksagung, Autoren und Quellen, Bildnachweis, Impressum

Seite

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Prologvon Ulrike Scharf und Ivan Liška

Als der Journalist Till Meyer 2003 im Umweltmi nisterium anfragte, ob er Fotos von Tänzern des Bayerischen Staatsballetts präsentieren dürfe, die in der Wildnis des Nationalparks Bayerischer Wald aufgenommen worden waren, war das Erstaunen anfangs groß. Aber be reits auf den ersten Fotos, beeindruckend inszeniert vom Fotografen Berny Meyer, war die Faszina-tion “Ballett und Wildnis” spürbar, lösten sich die scheinbaren Gegensätze von Kunst und Natur in Wohlgefallen auf. Die Idee, mit dem Bayerischen Staatsballett eine Aufführung in der Wildnis auf einer Naturbühne durch-zuführen und damit gleichzeitig Wildnis auch als gesellschaftspolitische und naturschutzfachliche Aufgabe zu vermitteln, war geboren. Damit ver-bunden war auch der Wunsch, neue gesellschaftliche Zielgruppen für den Naturschutz zu interessieren und umgekehrt, Naturschutzinteressierte für das Bayerische Staatsballett.

10 Jahre besteht nun die Kooperation “Ballett und Wildnis” zwi-schen dem Bayerischen Staatsballett und dem Bayerischen Umweltmi-nisterium. Nach der ersten Aufführung 2004 im Nationalpark Bayerischer Wald folgten Aufführungen 2007 im Nationalpark Berchtesgaden und 2013 anlässlich “150 Jahre Befreiungshalle Kelheim” im Bereich des Natur-schutzgebiets Weltenburger Enge – vor mehreren Tausend Besuchern. Un-vergessliche Erlebnisse für alle Beteiligten wie auch für das Publikum.

Immer begleiteten Ausstellungen und Filme zum Projekt die Aufführungen. Während der aufführungsfreien Zeit wurden diese in-ternational zu gegebenen Anlässen in München, Augsburg, Bonn, Pots-dam, Prag, USA und Mexiko präsentiert. Vom Projekt angeregt, wurde 2005 in das Bayerische Naturschutzgesetz die Bestimmung aufgenommen “Geeignete Landschaftsräume sind der natürlichen Dynamik zu überlas-sen”. 2007 fand ein Kongress zum Thema “Wildnis-Werte-Wirtschaft” in München statt.

Ganz besonders stolz sind wir auf die Auszeichnungen, die das Projekt bisher erhalten hat. 2007 wurde das Bayerische Staatsballett als “weltweiter Botschafter der Wildnis” von der Wild Foundation ausgezeich-

net, 2014 folgte die Ehrung “Ausgezeichnetes Projekt der UN-Dekade Bio-logische Vielfalt”.

Die Ergebnisse jüngster Umfragen zum Thema Wildnis lesen sich wie eine Bestätigung für die Projektidee. Ein hoher Prozentsatz der Be-völkerung wünscht sich mehr vom Menschen möglichst nicht oder wenig beeinflusste Naturräume, auch außerhalb von Schutzgebieten. Ein gesell-schaftspolitscher Auftrag, über den gemeinsam nachzudenken lohnt.

Einen Beitrag dazu sollen auch die zum 10-jährigen Bestehen des Projekts entstandene Filmdokumentation und die dazugehörigen Beiträge von über 30 namhaften Autoren des umfangreichen Booklets leisten, die das Thema Kultur und Natur aus den unterschiedlichsten Blickwinkeln beleuchten und beschreiben.

Herzlichen Dank an die nahezu 100 Tänzer des Bayerischen Staats-balletts, die sich in diesen 10 Jahren auf das Wagnis “Ballett und Wildnis” so eindrucksvoll eingelassen haben. Danke auch an unsere Mitarbeiter, die sich für dieses Projekt enorm engagiert haben. Till Meyer für die Idee und seinen großen persönlichen Einsatz sowie Berny Meyer, der von Anfang an mit seiner Kamera in unnachahmlicher Weise und mit viel Gespür für Kunst und Natur die Fotos hat entstehen lassen. Last but not least: Danke an die Kelheimer Vereine Kelheim Zukunft e. V., den Kulturförderverein Kelheim und die Musikvereinigung Kelheim, ohne die die Erstellung von Film und Booklet nicht möglich gewesen wäre.

Ulrike Scharf MdLBayerische Staatsministerin für

Umwelt und Verbraucherschutz

Ivan LiškaDirektor desBayerischen Staatsballetts

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Geschichte, Religion und Kunst Geschichte, Religion und Kunst

Lucie Barthélémy, Claudine Schoch und Séverine Ferrolier im Nationalpark Berchtesgaden

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Auftakt

Ballett und Wildnis von Till Meyer

Am Anfang stand eine Idee: Ein Staatsballett, eine Staatsoper, ein Na-tionaltheater sind das Aushängeschild für die Leistungen, die in einem Bundesland auf dem Sektor der Hochkultur erbracht werden. Ein Natio-nalpark wiederum ist das Aushängeschild für die Leistungen eines Landes zum Schutz seiner Natur, zur Bewahrung seiner landestypischen Arten-ausstattung. Johann Wolfgang von Goethe wäre fasziniert von dieser Kombina-tion. Der Schriftsteller, Dichter, Naturforscher und herzogliche Minister schrieb: „Natur und Kunst, sie scheinen sich zu fliehen; und haben sich, eh man es denkt, gefunden.“ So brauchte es dann auch nicht lange, um Karl Friedrich Sinner, den vormaligen Leiter des Nationalparks Bayerischer Wald, von der Idee zu überzeugen: „Ein Ausflug des Bayerischen Staatsballetts in unseren Park? Klar, wir werden vorbereitet sein!“ Die Ballett-Company durfte kommen; Führungen und Übernachtung im Wildnis-Camp des Nationalparks inklu-sive. Aus der Direktion des Staatsballetts kam der Vorschlag, zu dem Ausflug in den Nationalpark ein paar Original-Kostüme mitzunehmen, darunter auch ein Solistinnen-Tutu aus dem Ballett „Schwanensee“. Das Programm war dicht: geführte Natur-Wanderungen, Foto-shooting, Gespräche am Lagerfeuer – alles begleitet vom Fotografen Berny Meyer. Um nur einen der fotografischen Höhepunkte zu beschreiben: an-getan mit dem wertvollen Schwanensee-Kostüm watete Lisa-Maree Cul-lum, Erste Solistin des Balletts, in einen Waldsee und führte – als sei nichts selbstverständlicher – verschiedene Ballettposen vor, darunter ein Cambré derrière, eine lyrische gen Himmel gerichtete Verbeugung rückwärts. Der Fotograf und sein Beleuchtungsassistent (und Verfasser dieser Zeilen) hat-ten Mühe, der mutigen Ballerina in den See zu folgen (siehe Titelbild).

Auftakt

Während sich einige Nationalparkbesucher über das Spektakel gehörig wunderten, war den Kennern klar, dass hier Ballettgeschichte in Szene gesetzt wurde, denn in vielen Balletten wuchern Wald, Wildnis und Natur. In „Giselle“ (1841) wird die Titelheldin zu einer Wili, einem über-irdisch-verwirrend schönen Wesen, welches die armen Burschen tief in den unheimlichen Wald lockt. Giselles Grab, so stellte die Ballettforscherin Marion Kant fest, lag mitten im Deutschen Wald. In Balletten wie „Sylvia“ (1877), „La Sylphide“ (1832) oder „Les Sylphides“ (1907) haben geheimnisvolle Sylphen (Waldnymphen) tragende Rollen. Kein Wunder, dass die Tänzerinnen und Tänzer mit Verve und Herzblut dabei waren und sich einige sogar wünschten, „auch einmal draußen in der Wildnis zu tanzen“.

Der Rest ist bekannt. Die Umsetzung dieses Tänzer-Wunsches führte – nach diversen technischen, bürokratischen und auch finanziellen Hürden – zu den viel beachteten Veranstaltungsreihen in den National-parks Bayerischer Wald, Berchtesgaden und schließlich in Kelheim an der Donau, im Naturschutzgebiet Weltenburger Enge. Die Aufführungen in Kelheim aus Anlass des 150-jährigen Beste-hens der Befreiungshalle legten weitere Dimensionen des Projekts „Ballett

Im Nationalpark Bayerischer Wald 2004

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Auftakt

und Wildnis“ frei. König Ludwig I. (1786–1868), Bauherr der Befreiungs-halle (eröffnet 1863), wurde 2013 zum „Spiritus rector“ – zum geistigen Direktor – des Projekts „Ballett und Wildnis“. Ludwig hätte wohl seine Freude daran gehabt! Er war Kunstkenner und Mäzen, Hobbydichter, Europapolitiker, Naturfreund – sowie skandalös verwickelt in eine Affäre mit der irisch-schottischen Tänzerin Lola Montez. Und wie jeder Romantiker war er so-wohl Traditionalist als auch Freigeist. Die Turbo-Aufklärung, die Napoleon Bonaparte den Europäern auferlegt hatte, schmeckte Ludwig gar nicht. Sein Bekenntnis hieß: „Fortschritt ja, aber nicht um jeden Preis“.

Damit nahm Ludwig das vorweg, womit Philosophen der „Frank-furter Schule“, Max Horkheimer und Theodor W. Adorno, in den vierziger Jahren des 20sten Jahrhunderts haderten: „Aber die vollends aufgeklärte Welt strahlt im Zeichen triumphalen Unheils. Das Programm der Aufklärung war die Entzauberung der Welt.“

Katja Geiger, Marc Geifes und Lukas Laux im Nationalpark Bayerischer Wald

Auftakt

Die Tänzerinnen und Tänzer des Bayerischen Staatsballetts sowie seine Junior Company konnten mit ihren Darbietungen zumindest kurz-fristig das Gegenteil bewirken: die Wiederverzauberung der Natur. Dass so ganz nebenbei die Natur auch bei den Tänzern und Tän-zerinnen einiges bewirkt hat, das zeigen die Wildnis-Zitate auf den folgen-den Seiten, die bei Interviews zumeist während der Exkursionen entstan-den. Die Tänzerin Pavla Micolavcic etwa verriet uns: „In der Natur kommen mir Fragen zum Leben, Fragen, die mir in der täglichen Routine des Stadtle­bens wohl gar nicht in den Sinn kommen würden.“ Die Tänzer-Zitate bilden den roten Faden zu den nachfolgenden Seiten: Eine Sammlung von Essays, Testimonials, Interviews und Informa-tionskästen zur Wirkung und Bedeutung von Wildnis auf und für Men-schen, garniert mit großartigen Bildern aus zehn Jahren „Ballett und Wild-nis“. Dass sich unter den renommierten Fachautoren auch zwei vor-malige Mitglieder der „Gruppe Ökologie“ (S. 112 und 119) befinden, der Generaldirektor der Staatlichen Naturwissenschaftlichen Sammlungen (S. 37), ein Philosoph der neuen Frankfurter Schule (S. 64, 84 und 87), macht die vorliegende Sammlung sicherlich zu einem besonderen Schatzkäst-chen. Kurz vor Drucklegung überraschte uns auch ein bayerischer Bischof (S. 41) und einer der berühmtesten Bergsteiger der Gegenwart, Reinhold Messner (S. 78), mit aufschlussreichen Aussagen zur Wildnis. Der vorerst letzte (aber sicher nicht allerletzte) Höhepunkt des Projekts „Ballett und Wildnis“ ist die Auszeichnung als „Projekt der UN-Dekade Biologische Vielfalt“ am 18. November 2014, zu der wir den Schriftsteller und Literaturwissenschaftler Raoul Schrott (S. 23) als Fest-redner gewinnen konnten. Auch aus seinen Ausführungen wurde deutlich: Die beiden so gegensätzlichen Aktionsräume Ballett und Wildnis haben viele Gemein-samkeiten, die tief in der Kulturgeschichte der Menschheit wurzeln. Durch die Ausflüge der Tänzerinnen und Tänzer werden die alten Verbindungen zu unserer Ur-Kultur nicht nur wiederbelebt, sondern auch reflektiert, be-wertet und hinterfragt.

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“Wir lieben die Natur. Die Wildnis ist für uns eine Quelle des Entdeckens und der Inspiration. Sie ist der Wille des Lebens, so wie die Menschheit es auch ist.” Norbert Graf (Deutschland), Valentina Divina (Italien)

Auftakt

Das Wilde Herz Europasvon Ivan Liška

Wilde Natur war immer Teil meines Lebens. Ich wuchs in Prag auf, aber in meinen Ferien durfte ich oft die Wildnis des Šumava-Gebirges er-leben. Als Erwachsener wurde ich Tänzer. Ich übte diesen Beruf über 30 Jahre lang aus, und immer wenn es Zeit war, meine Batterien wieder aufzu-laden, kehrte ich in die Wildnis zurück.

Deshalb freute ich mich sehr, als ich 2009 hörte, dass der Šumava und der Bayerische Nationalpark sich zusammenschließen würden, um ge-meinsam das Wilde Herz Europas zu bilden.

Ganz wie bei uns Menschen besteht dieses Herz aus zwei Kam-mern. Eine davon wird aus Deutschland versorgt, dem Land, in dem ich nun seit 42 Jahren lebe, die andere von der Tschechischen Republik, meinem Geburtsland. Ich habe hier Kindheit und Jugend bis zum Alter von 19 verbracht, sie ist mein „Vaterland“, wie es der tschechische Kom-ponist Bedřich Smetana in seinem berühmten Werk über die Moldau be-schrieb.

Natürlich hat es mich beunruhigt, als mir zu Ohren kam, dass die beiden Herzkammern plötzlich nicht mehr im Gleichtakt arbeiteten. Und dass meine Landsleute den Einsatz von Motorsägen und Baumernte-Maschinen mitten in der Wildnis befürworteten, machte mich richtig wü-tend.

Es kostete einige Jahre an Bemühungen, aber jetzt, so glaube ich, findet das Wilde Herz Europas wieder zu einem beständigen Rhythmus, dem einzigartigen Rhythmus des Böhmerwalds.

Als Künstler kann ich bloß staunen, welche Ansätze es gibt, die Schönheit der Natur zu bewahren und wieder herzustellen. Der Arbeit von ehrenamtlichen und staatlichen Naturschützern zolle ich größten Respekt. Deshalb wird unser Ensemble dem Projekt „Ballett und Wildnis“ noch viele Jahre lang treu bleiben.

Die Liebe zum Tanz und die Liebe zur Natur wurzeln in demsel-ben Boden: Beide entstanden in der Zeit der Romantik. Wobei Romantik nicht wirklich eine Zeit war, sondern vielmehr eine künstlerische, lite-rarische und intellektuelle Bewegung zwischen dem Ende des 18. und dem Anfang des 20. Jahrhunderts.

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Auftakt

Dass die Naturschutzbewegung und das klassische Ballett beide darauf zurückzuführen sind, ist kein Zufall. Romantisch zu sein gilt heute nicht unbedingt als cool. Man denkt dabei an Kerzenlicht, Kitsch, Nostal-gie und übermäßige Gefühlsduselei.

Im 19. Jahrhundert jedoch sah man das anders: Die roman-tische Bewegung war avantgardistisch, fast subversiv, da sie dem herr-schenden Zeitgeist völlig zuwider lief. Dieser befand sich auf dem Zenit der Aufklärung, die Wissenschaft und die industrielle Revolution waren auf dem Vormarsch, Schornsteine und Förderbänder machten sich breit. Die Menschen kamen in den Genuss neu errungener Freiheiten und Mobilität.

Romantiker waren nicht gegen den Fortschritt und sicher auch nicht gegen die Wissenschaft. Doch sie ahnten, dass weder die Forschung noch die Industrie alle Probleme lösen würden, und dass zu viel Fortschritt uns vielleicht einiger Werte berauben würde, die uns als Menschen aus-machen.

Dies war und ist kurz gesagt die wichtigste These der romanti schen Bewegung. Und hält man an dieser Definition fest, dann können wohl mit Fug und Recht noch heute die meisten Künstler und Naturschützer genau als das bezeichnet werden: als Romantiker.

RomantikEine Biographie über König Ludwig I. trägt den Titel: „Ein Romantiker auf Bayerns Thron“ (F. Herre). Dort heißt es: „Ludwigs gefühlsmäßige An­lagen entwickelten sich frühzeitig, während seine verstandesmäßige Heranbildung viel später einsetzte und stets im Hintertreffen blieb.“ Romantik steht also für einen Überschuss an Sentimentalität. Ein anderes Buch, „Romantik – Bayern für Liebhaber“ (H. Schin­dler), gibt dem Begriff eine komplexere Bedeutung: „Der Aufbruch zur Romantik um die Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert stellt das ele­mentarste Ereignis der deutschen Geistes­ und Kulturgeschichte dar. (...) Einer Bewegung, die von Deutschland aus ganz Europa erfasste und in Bayern eine durch die Vielfalt der Erscheinungen besonders interes­sante Rolle spielte.“ Zu einer Definition von „romantisch“ im Brockhaus: „stimmungsgetragenes Neuerleben von Landschaft“ gibt es noch eine etymologische Ergänzung. Deutsch ist die einzige Sprache, in der es das Wort wildromantisch gibt.

„Wildnis, das ist der Gegensatz, die Abwesenheit von Zivi­lisation. So gesehen gibt es eigentlich in Deutschland keine

Wildnis. Wildnis, so wie wir sie im Bayerischen Wald kennen gelernt haben, ist von den Menschen ge wollt. Und Kunst hat auch viel mit Wollen zu tun. Deswegen ist Wildnis ein Stück Kunst, vor allem auch, weil sie dem ästhetischen Bedürfnis der Zivilisationsmenschen entgegenkommt. Vor richtiger

Wildnis hätten die meisten sicher Angst.“Laure Bridel-Picq (Frankreich)

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Ursprünge

Eine andere Weltvon Bettina Wagner-Bergelt

Ich bin Lucia Lacarra. Ich bin Tänzerin. In dem Moment, in dem ich die Bühne betrete, tauche ich ein in eine andere Welt. Ich werde, was ich tanze.

Ursprünge

Ich gehe in die Maske, in die Garderobe. Ich prüfe meine Spitzen-schuhe, probiere aus, welche ich tragen werde. Ich gehe ins Studio, wärme mich auf, plié, …, … Konzentriere mich auf die Vorstellung, die vor mir liegt, gleite langsam hinüber in einen anderen körperlichen und geistigen Zustand. Die Kolleginnen helfen mir, mein Kostüm anzuziehen. Zuerst das der Prinzessin. Sie tanzt an einem unbestimmten Ort, in einer Zeit vor dieser Geschichte. Der Zauberer Rotbart, getanzt von meinem Mann Mar-lon Dino, wird mich beobachten.

Der Zauberer ist einsam, wie alle mächtigen Männer. In einem Augenblick wird er die Hände nach mir ausstrecken, die Augen schließen und seine ganze Kraft aufwenden, mich in einen weißen Schwan zu verzau-bern. Von nun an muss ich in Tiergestalt bei ihm bleiben – es sei denn, ein Mann verliebte sich in mich und bliebe mir treu – die alte Geschichte…

Da kommt Siegfried ins Spiel. Der junge Prinz, der keine Lust auf Machtspiele hat. Der nicht regieren will und noch weniger die Frau heiraten, die seine Königinmutter für ihn ausgesucht hat. Ein Träumer, ein Weltflüchtiger.

Nichts wie weg vom steifen Hofzeremoniell in die Natur, in eine Welt jenseits der Wirklichkeit! Ich erscheine ihm mit anderen weißen Schwänen am See. Und er verliebt sich in mich, die Schwanenprinzes-sin Odette, Inbegriff der Unschuld – Liebe auf den ersten Blick, der erste Schwur.

Ich bin schüchtern, aber ich vertraue dem Geliebten. Im weißen Akt, einem der schönsten der Ballettgeschichte, oszilliere ich zwischen dem weißen Schwan und der sich hingebenden Frau, die nichts als Sehn-sucht fühlt nach Liebe und Erlösung – endlich wieder ein Mensch sein dür-fen!

Mit Rotbarts Wut habe ich nicht gerechnet. Der Zauberer wird mich nicht gehen lassen. Über Siegfrieds Liebesschwur lacht er böse und …

Noch einmal lässt er seine magischen Kräfte walten: er verwandelt mich in den schwarzen Schwan Odile – ja, ich selbst muss unter Qualen Siegfried auf die Probe stellen, ihm begegnen als verführerische schwarze Schwanenfrau. Er soll auch der dunklen Welt seine Liebe schwören – und den weißen Schwan verraten. Im Schloss allein mit Siegfried, lässt der Zau-berer mich meine ganze Faszination aufbieten, um Siegfried zu betören. Die Variation des schwarzen Schwans – ein leidenschaftliches Glanzstück unter Marius Petipas Choreographien.

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Überwältigt von der erotischen Anziehungskraft Odiles hebt Siegfried erneut die Hand zum Treueschwur– und verrät seine Liebe zum weißen Schwan, zu mir. Fassungslos über seinen Verrat, stürzt er sich in den Tod und mich ins Unglück. Rotbart nimmt mich mit in sein Reich, ein weißer Schwan bis in alle Ewigkeit.

Ich bin Lucia Lacarra. Ich bin Tänzerin. In dem Moment, indem ich die Bühne betrete, tauche ich ein in eine andere Welt.

WaldgeisterOb Sylphiden, Wilis, Trolle, Pane, Faune, Feen, Hexen, Moosweib­chen: In den Märchen und Mythologien fast aller Völker gibt es allerlei seltsame Kreaturen, die weder zu den Tieren gehören noch zu den Menschen. Wie in dem Ballett “Schwanensee” ste­hen manche dieser Mischwesen für den Wunsch nach Erlösung in einer jenseitigen Welt. Oft verkörpern sie aber auch ein archai­sches Initiations­Muster: Junge Erwachsene müssen durch die Wildheit hindurch, um kulturfähig und reif zu werden für die Zivilgesellschaft. Den Eltern manch heutiger Teenager ist dieses Muster nicht unbekannt. Eine weitere Erklärung für die seltsamen Geschöpfe ist, dass sich Menschen in früheren Zeiten auf Dinge des Waldes und der Natur einen Reim zu machen versuchten, für die es da­mals noch keine Erklärung gab. Inzwischen, so scheint es, hat die Wissenschaft fast sämtliche Geister aus der Natur vertrieben. Die Forscher selber wissen freilich meistens nur zu gut, dass sie viele Zusammenhänge in der Natur kaum kennen, und dass es noch viel zu forschen gibt. Von den neuen Erkenntnissen (siehe S. 46 und 58) sind sie begeistert.

Ursprünge Ursprünge

Claudine Schoch, Ivy Amista und Magdalena Lonska im Nationalpark Berchtesgaden

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Ursprünge

Marc Geifes und Alexandre Vacheron im Nationalpark Bayerischer Wald

Ursprünge

Gehen und Stehenvon Raoul Schrott

Wir haben das aufrechte Stehen und Gehen in den Bäumen gelernt, uns mit Händen zu jenen Astspitzen hantelnd, wo unter dem Laub die sü-ßesten Früchte versteckt waren. Ist dies nicht bereits, was jedes Ballett zum Ausdruck bringt: unser vergebliches Emporrecken nach etwas Süßem, verlangend und verzehrend? Etwas, nach dem wir uns auf dem Boden des Irdischen vergeblich ausstrecken?

Unser Gehen besteht aus einer Abfolge von Bewegungen, durch die wir uns von der Stange der Äste wegzubewegen gelernt haben, einen Ablauf von seit Kindheit an trainierten Kunstgriffen, mit denen wir uns über das Fallen hinweg schwindeln. Tritt ein Bein nach dem anderen steif auf den Boden, verschiebt sich das ganze Gewicht des Körpers erst auf die Ferse, dann zum großen Zeh, der Spann als Stoßdämpfer, die Hüfte den Rückstoß auffangend.

Dieser aufrechte Gang brachte uns Leistenbrüche, Hämorrhoiden, kaputte Bandscheiben und Knie, Hammerzehen und Plattfüße ein, erspar-te im Vergleich zum Laufen auf vier Beinen jedoch genauso viel Energie wie unser großes Hirn nun verbraucht – während der Tanz des auf rechten Gangs Oberschenkel und Becken so veränderte, dass unsere Kinder zu früh geboren werden müssen, damit der Kopf noch durch das Schambein passt – was wiederum eine lange Zeit der Nachbetreuung bewirkte, die mittelbar zu Familienleben führte – während Schultern und Arme zugleich musku-löser wurden, um uns beim Gehen auszubalancieren – was die Vielseitig-keit der nunmehr freien Hände beförderte, die genug Kraft und Wendigkeit erhielten, um Steine abzuschlagen und sie zu schleudern – wobei Brustkorb und Hals eine freiere Aufhängung erfuhren, sodass Lungen und Kehlkopf leichter Laute hervorbringen konnten – was insgesamt jene erhöhte Mobi-lität und Kommunikationsfähigkeit bedingte, dank derer wir uns bald über die Erde ausbreiteten. Die Maschine Mensch – von zylin drischen Stößeln angetrieben, ihre Glieder und Gelenke ineinander verzahnt – ist nichts als ein Ballet Méchanique: überaktiv und verspielt, dazwischen melancholisch verlorenen Anfängen nachhängend, und letztlich selbstdestruktiv.

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Evolution und Tanz Der Mensch stammt vom Affen ab; er ge­hört wie Orang­Utan und Schimpanse zu den Menschenaffen (Primaten). Was ihn jedoch neben seiner Intelligenz von den anderen Pri­maten unterscheidet, ist sein aufrechter Gang. Möglich und nötig wurde diese Form der Fort­bewegung, als vor einigen Millionen Jahren aus klimatischen Gründen der angestammte Wald­Lebensraum der Primaten schrumpfte. Mehr und mehr Prima tenstämme verließen die Wälder, um in den Savannen nach Überle­bensmöglichkeiten zu suchen. Jetzt konnten sich die Tiere freilich nicht mehr so einfach von Baum zu Baum hangeln, sondern mussten lernen, auf den Hinterbeinen zu stehen und zu gehen. Nach und nach stellten diese Primaten ihre Nahrung auf fleischliche Zusatzkost um. Bei der Jagd war taktische Gruppenkommu­nikation wichtig und die Fähigkeit schnell und ausdauernd laufen zu können. Ein hierzu geeigneter Muskelapparat und vor allem die Fähigkeit, aufeinander abgestimmte Gruppen­bewegungen durchzuführen, wurde immer wichtiger. Höhlenmalerei mit Abbildungen von harmonisch angeordneten Menschen­gruppen, aber auch Instrumentenfunde wie Knochenflöten zeigen, dass Musik und Tanz bei der Kommunikation der frühen Menschen min­destens so wichtig war wie die gesprochene Sprache. Sicher ist: lange bevor die Menschen einander Briefe schrieben, tanzten sie mitein­ander!

Ursprünge

Marc Geifes

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Ursprünge

Tanz hat alles von Bettina Wagner-Bergelt

Tanz hat alles, was Menschen bewegt – ein schöner, überzeugender Slogan. Dennoch raten deutsche Väter ihren Söhnen, die den Wunsch äußern, zu tanzen oder gar ins Ballett zu gehen, bis heute verschwörer-isch, sich das besser noch einmal zu überlegen und lieber Fußball spiel-en zu gehen. Die Rollenzuschreibungen treiben in zeitgenössi schen Ac-tionfilmen immer monströsere Blüten, und sie gehen nicht nur auf das martialische, und heute in hohem Maße lächerlich scheinende Männer-bild von Kaiserzeit und Faschismus zurück, sondern – im weiblichen Gegenentwurf – auch auf das gleichermaßen abschreckende Klischee der ätherischen romantischen Ballerina, die nur noch mit der Spitze ihres Fußes die Erde berührend im besten Fall einer Elfe, im schlech-testen einer rachsüchtigen mordenden Wili gleich, die die dunklen Wälder der Romantik bevölkerte. Heute schiebt sich überdies die er-nährungsgestörte, selbstmordgefährdete Tänzerin vor das reale Bild der modernen Künstlerin, die in der Welt ihre Frau steht, ihre Tänzerin-nenkarriere von vornherein dual plant und auch für Mann und Kind schon Zeit und Ort im Lebenskalender freigehalten hat.

Tanz ist also noch immer suspekt, falsche, überkommene Bilder halten sich nicht nur als Inbegriff des Balletts, sondern des Weiblichen schlechthin, beharrlich gegen jede moderne Erscheinungsform des sportlich-durchtrainierten, gesunden Tänzer-Körpers, und das, obwohl seit den 70er Jahren – einer Volksbewegung gleich – Laien beiderlei Ge-schlechts in die Tanzstudios strömen, um sich mit klassischem Ballett fit zu halten und Expressivität auszuleben. Natürlichkeit und Gesund-heit der Bewegung, Hingabe, Emotion, Sinnlichkeit, die Vereinigung von Physis und Psyche, Achtsamkeit und Empathie – Tanz hat alles, was Menschen bewegt.

Ursprünge

„Um auf der Bühne zu überzeugen, muss ich an meine Grenzen gehen. Dazu ist viel Disziplin nötig,

aber auch Wildheit, ja sogar Aggression. In der Musik wie auch in der Wildnis gibt es vieles, was sich mit

dem Verstand nicht greifen lässt. Beides, Musik und Wildnis, sind für mich übersinnlich.“

Claudine Schoch (Schweiz)

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Lucia Lacarra und Marlon Dino in “Giselle” 2007 im Nationalpark Berchtesgaden

Ursprünge

Wildheit und Tanzvon Bettina Wagner-Bergelt und Thomas Mayr

Interview: Till Meyer

Meyer: Neben unseren intellektuellen Fähigkeiten unterscheiden wir Menschen uns von den anderen Menschenaffen durch den aufrechten Gang und ganz konkret den gut ausgebildeten Gesäßmuskel Gluteus maxi-mus, der ja bei den Pliés, den seitlichen Kniebeugen, eine wichtige Rolle zu spielen scheint. Warum sind die Pliés beim Tanztraining überhaupt so wichtig?

Mayr: Der Gluteus maximus ist einer der wichtigsten Außenrota-toren für die Auswärtsdrehung der Beine. Pliés braucht man, um zu sprin-gen, zu landen, aber auch Pirouetten einzuleiten und zu beenden, und die Frauen brauchen sie, um auf die Spitze und von der Spitze zu gehen.

Meyer: Der schwebende, romantische Effekt wird im klassischen Ballett durch das Tanzen auf den Fußspitzen erzielt. Offenbar haben aber auch die Arme Bedeutung, um diesen Effekt zu erzielen. Wie werden beim Ballett die Arme trainiert? Krafttraining mit Hanteln wäre da doch sicher fehl am Platz.

Mayr: Ausschlaggebend für die Armbewegung, das Ports de bras und das Épaulement, ist die Rückenmuskulatur, die die Arme stützt. Épaulement ist Zusammenspiel von Kopfhaltung, Schulter, Rücken, Ar-men, Hüften und Beinen. Das bestimmt die ganze künstlerische Linie und damit die Wirkung beim Publikum. Zum Training des Port de bras reicht das Eigengewicht der Arme in der Regel aus. Aber es gibt Tänzer, die beim Stangentraining kleine Gewichte benutzen.

Meyer: Bei den Aufführungen und sogar beim Training haben Tänzer häufig ein Lächeln im Gesicht. Ist das Lächeln nur aufgesetzt, eingeübt für das Publikum, oder haben die Tänzer wirklich Spaß an ihrer Arbeit?

Wagner-Bergelt: Tänzer lieben ihren Beruf. Sie sind keine ar-men malträtierten Seelen und Körper, die vor dem Publikum schnell ein Lächeln über ihre Schmerzen legen, auch keine Masochisten, die sie ge-

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nießen. Wenn man gute Proben hatte und dann auf der Bühne eine Rolle tanzt – oder auch nur eine Variation – die man gern tanzen wollte, dann machen eben nicht nur die modernen, organischen Bewegungen Freude, sondern gerade auch die klassischen. Da sagen der Körper, der Blick, der Gesichtsausdruck: Schaut her, schaut mich an, was ich hier mache, und wie großartig ich es kann – und ich tue es für Euch! Und natürlich lächeln die Tänzer dabei. Ansonsten lächeln sie hoffentlich nur, wenn es die Rolle erfordert, Dornröschen, wenn es die vielen Bewerber um ihre Hand sieht, die Kameliendame, als Armand ihr seine Liebe gesteht, und Julia, wenn Romeo sie in die Arme schließt…

Meyer: Claudine Schoch, eines ihrer ehemaligen Companymit-glieder, hat erklärt, dass für sie eine gewisse Wildheit und auch Aggres-sion zum Tanz dazu gehört. Brauchen gute Tänzerinnen und Tänzer ein gewisses emotionales Ungestüm, ein Quantum Wildheit, um ihre Darbie-tungen mit Bravour auszuführen?

Wagner-Bergelt: Die Wildheit, das Ungestüm, das Claudine Schoch meint, bezeichnet man als Attacke, das heißt, die Tänzer „greifen“ tatsächlich an. Sie fokussieren das Publikum, konzentrieren ihren Blick da-hin, schmeißen ihren Körper, sich selbst in den Tanz hinein, immer unter der Kontrolle und im Rahmen der vorgegebenen Choreographie – schwer zu beschreiben. Aber wenn ein Tänzer/eine Tänzerin keine Attacke hat, nicht mutig und mit dem Bewusstsein des unendlichen Raumes und der individuellen Empfindung der Zeit – also seiner eigenen Dynamik – in die Bewegung hineinginge, wäre es einfach nur langweilig.

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Im Nationalpark Bayerischer Wald 2004

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Geschichte, Religion und Kunst

Geschichte, Religion und Kunst

Natur und Malereivon Angelika Schneider

„Oh, Wildnis, oh Schutz vor ihr“ – in Elfriede Jelineks Titel zu einem Prosatext, in dem es um die Entmystifizierung esoterischer Natur-verehrung geht, klingt die alte Angst des Menschen, eine rechte Ur-Angst, vor ungezähmter Natur an. Ständig bedroht Wildnis den Menschen, der sich hinter Zäunen und in Hütten vor ihr in Sicherheit zu bringen sucht.

Leonardo da Vinci (1452-1519) kannte eine solche Angst nicht. Er wusste: „La pittura è partorita da essa natura.” – Die Malerei ist aus der Natur geboren.

In seiner Zeit, der florentinischen Renaissance, löste das Studium der Naturgesetze den mittelalterlichen Mystizismus ab. Der Toskaner Leo-nardo ging beherzt daran, der Natur ihre Geheimnisse zu entreißen, durch Frage und Experiment, Mathematik und Geometrie, durch das Sezieren von Leichen und die Konstruktion von Maschinen.

Leonardo hinterließ neben seinen Gemälden Tausende von Ar-beitsblättern, die Zeugen seines allumspannenden Geistes sind. Für ihn waren Kunst und Natur eins; die Inspiration des Künstlers musste an die Natur gebunden bleiben: „Der Maler muss mit seiner Kunst die Natur nachahmen, die Zierde der Welt“.

Auf seinem berühmtesten Gemälde, der Mona Lisa, in Italien La Gioconda (die Heitere) genannt, sind Kunst und Wissenschaft untrenn-bar miteinander verwoben. Hinter den Schultern der Lisa tut sich eine von Bergen umrahmte Flussebene auf. Es ist das toskanische Arnotal, östlich der Berge des Chianti gelegen. Leonardo malte sie dal vero, „nach der Wahrheit“; die Berge treten uns als Abbilder der Wirklichkeit entgegen, nicht als Symbol oder Metapher. Berge und Porträt waren für Leonardo gleich bedeutsam, er wählte zwei verschiedene Fluchtpunkte für die Frau im Vorder- und die Felsen im Hintergrund. Dies ruft im Betrachter eine unbewusste Irritation hervor, was zur Entstehung des Mythos des Bildes beitrug.

Die Einheit von Natur und Kultur zerbrach in der Philosophie mit dem von heutigen Naturschützern vielfach gescholtenen René Descartes (1596-1650), mit dessen Trennung von Geist und Natur (res cogitans,

res extensa). Ab dem 18. Jahrhundert be-schleunigte sich die in-dustrielle Revolution. Urbanisierung und in- dustrielle Landwirt-schaft vertrieben die Wildnis. Gleichsam als Kontrast und Ventil dazu häuften sich in der Malerei die künstle ri- schen Abbildungen der wilden Natur. Beson-ders die Berge wurden als Gegenden des lust-vollen Erschauderns ent - deckt, und die wilde Natur zum Quell „er-habener Gefühle“.

Etliche Bilder ei-ner Gruppe von Land-schaftsmalern fanden ihren Weg an die Wände des Kapitols in Washington. Dort sol-len sie einige Abgeord-nete entscheidend mit dazu motiviert haben, Naturlandschaften im Westen der USA als Na-tionalparks unter den

Schutz des Gesetzes zu stellen. Mit dem Yellowstone Nationalpark wurde 1871 der erste Nationalpark der Welt gegründet.

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Geschichte, Religion und Kunst Geschichte, Religion und Kunst

Ludwig und Lola König Ludwig I. von Bayern (1786–1868) liebte die Kunst und liebte die Natur. Wichtiges Anliegen waren ihm „die Einheit von Natur in der vorgegeben Kulturlandschaft“ sowie die „Ver­schwisterung von Geschichte und Natur“. Er reist nach Italien, wandert wochenlang durch die Schweizer Alpen. Landschafts­maler wie Carl Rottmann, Johann Georg von Dillis begleiten ihn. Was die Künstler im Auftrag von Ludwig schaffen, sind oft schroffe und wilde Landschaften. Damit werden sie zu Trend­settern in der Kunstgeschichte: weg von der Natur als Symbo­lik, Ornamentik und Staffage, weg von den lieblich­barocken Schäferidyllen – und hin zur Natur als Hort der schauerlichen Faszination. Die Bilder sollten die Menschen an die Großartig­keit und Erhabenheit der Schöpfung erinnern – und das eigene Dasein relativieren. Nicht nur die Verklärung der Natur, auch deren ak­tiven Schutz machte Ludwig zur Chefsache. 1835 verhindert er persönlich die Beseitigung einer Pappel in der Dachauer Straße in München. Im Jahr 1840 erlässt Ludwig ein Verbot gegen den Gesteinsabbau in der Weltenburger Enge. Das Dekret dürfte die wichtigste Voraussetzung für die Gründung eines der ersten Schutzgebiete in Bayern, dem Naturschutzgebiet „Weltenburger Enge mit Donaudurchbruch“ im Jahr 1938 gewesen sein. Ludwig war Romantiker. Er liebte die Schönheit, aber auch das Abgründige daran. Dass der König sich 1846 (im Al­ter von 60 Jahren) auf eine Affäre mit der Tänzerin Lola Montez einließ, die vorgab, „Balletttänzerin aus Andalusien“ zu sein, passt gut in dieses Bild. Mit königlichem Protektorat durfte sie sogar am Hof­ und Nationaltheater ein paarmal vor Publikum auftreten – und das, obwohl der damalige Intendant ihr zuvor die Tür gewiesen hatte.

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„Wildnis, das heißt Natur Natur sein lassen, das heißt auch als Mensch, sich in Bescheidenheit und Demut zu üben. Dazu müssen viele ihre Einstel­

lungen und Grundsätze ändern. Hier hat die Kunst eine Aufgabe. Kunst ist viel mehr als nur

Entertainment.“

Vance Martin (USA)

Wildnis und Schöpfungvon Gerhard Haszprunar

“Dann sprach Gott: Lasst uns Menschen machen als unser Abbild, uns

ähnlich. Sie sollen herrschen über die Fische des Meeres, über die Vögel des Himmels, über das Vieh, über die ganze Erde und über alle Kriechtiere auf dem Land. Gott schuf also den Menschen als sein Abbild; als Abbild Gottes schuf er ihn. Als Mann und Frau schuf er sie.” (Gen 1, 26–27).

Die Schöpfungserzählung der Bibel stellt nicht das Wie, sondern das innere Wesen der Schöpfung dar. Sie definiert den Menschen – wohlge-merkt, gleichwertig als Mann und Frau – als “Ebenbild Gottes”, der über die Erde herrschen soll. Selten ist ein Schriftwort in der Geschichte der-art verzerrt und missverstanden worden. Ein antiker Herrscher war näm-lich zuallererst ein Beschützer seines Volkes, nicht sein Ausbeuter. Und keineswegs ist damit gemeint, dass dieser Schöpfergott so aussieht wie ein Mensch oder umgekehrt – es gilt ja das 2. Gebot “Du sollst dir KEIN Bild von mir machen”. Nein, gemeint ist hier Funktionalität: Der Mensch bekommt die Aufgabe, die Schöpfung nun als “Abbild“, d.h. Stellvertreter Gottes zu bewahren.

In der Tat wird heute unter „Bewahrung der Schöpfung“ primär der Schutz der noch verbliebenen Naturräume, zunehmend aber auch von naturnahen Kulturen wie etwa einer Streuobstwiese als ethische Aufgabe verstanden. Bedeutet das aber auch, dass „die Wildnis“ – sofern sie insbe-sondere in unseren Breiten als solche überhaupt noch existiert – sich ganz selbst zu überlassen ist, der Mensch als Schädling am besten ganz ausge-sperrt werden sollte?

„Man kann nur schützen, was man kennt.“ heißt es vielfach. Aber viele Naturschützer sowie die Naturkundemuseen, für die ich hier schreibe, haben gelernt, dass die Sache ein bisschen komplexer liegt: „Man wird nur schätzen, was man kennt – und nur das schützen, was man zu schätzen gelernt hat.“ Was heißt das konkret? Einerseits sind die Anstrengungen der Bildungspolitik gerade im Bereich Naturkunde deutlich zu verstärken. In der Schule, an außerschulischen Lernorten wie Naturlehrpfaden oder Naturkundemuseen, in den gedruckten oder elektronischen Medien muss der naturkundlichen Bildungserosion wirksam entgegen getreten werden.

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Zugleich müssen wir aber auch die Wildnis erforschen, ihre Arten, ihre Strukturen, ihre Wechselwirkungen, ihre Funktionen und ihre Sukzes-sionsstufen. Wer weiß denn schon, dass Mangrovenwälder („Moskitobrut-stätten“) der effektivste Schutz vor Flutwellen und Wellenerosion sind, wer ahnt, dass gerade massives Totholz („Refugium der Forstschädlinge“) im Alpenwald die beste Bremse für Lawinen darstellt? Nicht den Menschen aussperren heißt die Devise, sondern behutsam und voller Staunen und Ehrfurcht die Natur kennen und dadurch schätzen lernen.

Unbestritten, auch das noch Unbekannte verdient unseren Schutz, unsere Fürsorge. Aber es wird umso leichter fallen, dieses Anliegen in der Gesellschaft durchzusetzen, je mehr wir darüber wissen und dieses Wis-sen auch vermittelt haben. Und mehr noch, nur intakte, aber erfasste Naturflächen, verstandene Wildnis also, können uns lehren, ob und wie weit Kulturflächen naturnah geblieben sind und wie gut verordnete Re-naturierungsmaßnahmen tatsächlich gegriffen haben – erst der Vergleich macht uns sicher.

„Wildnis wagen“ ist ein weiterer Gesichtspunkt. Gerade der deutschen Seele fällt es schwer, im Garten oder gar im Park ein „Gestrüpp“ oder gar ein „schlampiges Eck“ zu dulden. Aber wo sollen sich Igel, Spitz-maus und Äskulapnatter verkriechen, wo Tausendfüßer und Laufkäfer überleben, wenn nicht zumindest gelegentlich Holzschnitthaufen oder Grobkompost stehen bleiben? Bewahrung der Schöpfung heißt eben gele-gentlich auch mal einfach gewähren lassen.

Denn diese Wildnis, sei sie im eigenen Garten, im Nationalpark oder in fernen Ländern, nützt nicht nur der Natur und ihren Organismen, nein, sie macht auch Menschen glücklich – wenn sie wissen und erleben können, was sie schützen und bewahren. Dabei müssen Herz, Hirn und Hand zusammenspielen, Gefühl und Verstand das Tun anleiten. „Bal-lett und Wildnis“ sind daher keine Gegensätze, sondern notwendige An-tipoden des Seins, zusammengebracht zum Wohle der Schöpfung und ihrer Geschöpfe, einschließlich des Menschen.

Totholz im Naturschutzgebiet Weltenburger Enge

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Säkularisation und WildnisDie Auflösung von Kirchen und Klöstern (Säkularisation) in Deutschland als Folge der Französischen Revolution hatte einen denkwürdigen Nebeneffekt: Viele Menschen suchten jetzt Gott in der Natur. Der Philosoph Immanuel Kant glaubte, dass dem Menschen „ein Drang innewohnt, sich wilder Natur auszusetzen, um dadurch in sich ein Gefühl der Religiosität zu erzeugen.“ Künstler – wie die von Ludwig I. geförderten Landschaftsmaler – aber auch Dichter und Schriftsteller der Romantik stellen die wil-de und unbeherrschbare Natur oft dar als Quell von überwälti-genden Gefühlen (Erhabenheit) und innerer Einkehr (Katharsis). Die Dichter und Denker hatten recht. Heute wissen Psychologen und Soziologen, dass Wildnis auf Menschen einen reinigenden Effekt haben kann. Die Konfrontation mit einer nicht von Men-schen gestalteten und beherrschten Natur führt oft dazu, dass man moralisch auftankt, dass die inneren Werte gestärkt und Sozialgefühle geweckt werden.

Siting Qiu im Nationalpark Berchtesgaden

Kirche und Wildnisvon Wolfgang Bischof, Interview Till Meyer

Meyer: Was lernen angehende Priester heute über das Herr-schaftsgebot „Macht Euch die Erde untertan“?

Bischof: Unsere angehenden Priester und Mitarbeiter in der Seel-sorge lernen das, was heute auch Wissensstand in der Theologie ist. Wir dürfen nie vergessen, dass es eine Zeit gegeben hat, in der der Herrschafts-anspruch und manchmal auch der Ausbeutungsanspruch stark betont worden sind – aber diese Zeiten sind vorbei. Wir machen mittlerweile in der Theologie deutlich, dass der Mensch einen Gestaltungsauftrag hat. Dieser kommt auch vom biblischen Verständnis des Königtums: Der König hatte eine Hirtenaufgabe, eine sorgende Aufgabe, eine pflegende Aufgabe, letztendlich die Aufgabe, Leben zu ermöglichen. Diese Aufgabe verbindet sich mit dem Auftrag „Macht euch die Erde untertan“, aber im Sinn der Pflege, des schöpferischen Weiterentwickelns.

Meyer: Wilde Natur hat für viele Menschen auch spirituelle Be-deutung. Was sagt die Kirche dazu?

Bischof: Da muss man eines klarstellen: Wenn es um Pantheismus geht, um eine Vergöttlichung der Natur, eine Vergöttlichung von Natur-phänomenen, kann der christliche Glaube nicht mitmachen. Dass aber Natur den Menschen dem Schöpfer näherbringen kann, dass man in der Natur den Schöpfungsgedanken verinnerlichen und dadurch auch eine spirituelle Tiefe erreichen kann – da haben wir wieder eine Ebene, wo bei-des zusammengeht. Für die Kirche ist es wichtig, dass wir nicht in eine Vergöttlichung der Natur hineingeraten, sondern: Die Natur ist Geschöpf des Schöpfers, Geschöpf Gottes, sie ist uns zur Verfügung gestellt, damit wir mit seinem Heilsplan in Berührung kommen.

Meyer: Ist man in der Natur näher an Gott? Wie erleben Sie persönlich die Natur in Bayern?

Bischof: Bayern ist gesegnet mit einer Natur, die einem das Herz höher schlagen lassen kann. Wir erleben in manchen Bereichen unseres Landes eine sehr ursprüngliche Natur, eine sehr ursprüngliche Begegnung

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mit der Schöpfung Gottes. Das ist etwas Wunderbares. Wenn ich auf einen Berg steige, wenn ich auf einem See segle – da komme ich mit der Natur und mit der Schöpfung ganz unmittelbar in Berührung. Von daher kann man sagen, dass Bayern sicherlich ein ganz besonderes Herzstück der Schöpfung Gottes ist.

„Wildnis ist eine Reise zurück in die Kindheit. In der Jugend habe ich sehr viel Wildnis gesehen,

erlebt und erwandert. Dann war ich 30 Jahre auf der Bühne, und jetzt – die Konfrontation mit der Wildnis ist nicht nur wie ein Wiedersehen, es ist

wie ein Aufladen.“

Ivan Liška (Tschechien)

Gruppe Ökologie Am 13. Mai 1972 trifft auf dem Bauernhof von Hubert Weinzierl im bayerischen Heiligenstadt ein bunter Haufen prominenter Naturwissenschaftler, Forstleute, Naturschützer, Künstler und Publizisten zusammen, um die „Gruppe Ökologie“ aus der Taufe zu heben. Zu den 35 Gründungsmitgliedern gehören neben Weinzierl, Horst Stern, Wolfgang Schröder, Konrad Lorenz, Bern­hard Grzimek und Heinz Sielmann auch der Dirigent Enoch zu Guttenberg und der Zoologe Josef Reichholf. Mit der Forderung, in „einer offensiven Ausein­andersetzung Politiker zu zwingen, naturwissenschaftli­che Grundkenntnisse nachzulernen“ bringt es die Gruppe Ökologie in diesem Jahr sogar auf die Titelseite der Süddeutschen Zeitung. Die Stimmung, die in jenen Jahren von der Gruppe Ökologie ausgeht, macht selbst vor dem „Tier­professor“ Bernhard Grzimek nicht Halt, der sich von einer ungewohnt kämpferischen Seite zeigt und 1972 aus Enttäuschung über die Bonner Umweltpolitik sein Amt als Bundesbeauftragter für Naturschutz hinwirft. Für viel Munition in dieser Aufbruchstimmung hatte nur wenige Wochen vor der Gründung der Gruppe Ökologie der Report des „Club of Rome“ am 1. März 1972 in Washington gesorgt. Darin stellte der junge Wissenschaftler Dennis Meadows „Die Grenzen des Wachstums“ vor, ein Bericht, der viele liebgewonnene Gewissheiten der Konsumgesellschaft in Frage stellte und sich wie ein Lauffeuer in vielen Ländern verbreitete. Die Stimmung und die neuen Erkenntnisse trafen die Bayerische Staatsregierung nicht unvorberei­tet. In München war 1970 das „Bayerische Staatsmini­sterium für Landesentwicklung und Umweltfragen“ gegründet worden; nicht nur das erste Umweltministe­rium in Deutschland, sondern auch in Europa und welt­weit.

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Nationalpark Bayerischer WaldAls erster Nationalpark in Deutschland wurde der Nationalpark Bay­erischer Wald 1970 gegründet. Im Südosten Bayerns, an der Grenze zur Tschechischen Republik gelegen, erstreckt sich der Nationalpark über eine Gesamtfläche von rund 242 km2. Die drei Berggipfel Lusen (1373 m), Rachel (1453 m) und Falkenstein (1315 m) prägen das Gesi­cht des Nationalparks ebenso wie der nahezu die gesamte Fläche des Parks bedeckende, vielgestaltige Wald und die darin eingebetteten Schachten (Weideflächen) und Moore. Die Dynamik der Waldentwick­lung, die sich in der Naturzone des Parks seit mehr als vier Jahrzehn­ten entfaltet – frei von Nutzungen durch den Menschen, gelenkt allein

von den Gesetzen der Natur – ist immer aufs Neue atemberaubend. Mit seiner entstehen den Waldwildnis und seinem Reichtum an un­terschiedlichsten Biotopstrukturen bietet der Nationalpark vielen gefährdeten Tier­ und Pflanzenarten Zuflucht und neuen Lebens­raum. Luchs, Schwarzstorch, Auerhuhn, Wanderfalke und Fischotter haben hier ihre Heimat, genauso wie das Rotwild, viele Spechte und Eulen und unzählige weitere Arten. Gemeinsam mit dem unmittelbar angrenzenden tschechi­schen Nationalpark Šumava (Böhmerwald) bildet der Natio nalpark Bayerischer Wald das „Grüne Dach Europas“, eine von ihrer Größe und Naturausstattung wie auch von ihrer geschichtlichen und kul­turellen Vielfalt her einzigartige Landschaft im Herzen Europas.

Im Zusammenwachsen der beiden Nationalparks wird auch ein Stück der Wie dervereinigung Europas spürbar.

Pürstling im Nationalpark Šumava mit Blick zum Lusen, Nationalpark Bayerischer Wald

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Wildnis und Vielfalt von Jörg Müller / Interview: Till Meyer

Meyer: Mit dem Sonderband “Biologische Vielfalt im Natio-

nalpark Bayerischer Wald” haben Sie ein beeindruckendes Inventar der Pflanzen- und Tierarten im Gebiet des Nationalparks vorgelegt. In diesem Zusammenhang fallen immer wieder Fachausdrücke wie “strukturelle Komplexität” oder “funktionelle Struktur”. Was bedeuten diese Begriffe?

Müller: Bäume und Totholz bieten viele verschiedene Strukturen, je nach Art, Durchmesser, Feuchte und Zersetzungsgrad. Je mehr ver-schiedene Typen hier auftreten, desto mehr Lebensräume sind vorhanden. Je mehr Lebensräume vorhanden sind, desto mehr Arten können in einem Wald leben. Funktionale Strukturen sind Elemente, die mit bestimmten Ökosystemfunktionen eng verknüpft sind. So stellt eine Baumhöhle nicht einfach ein Loch im Holz dar, sondern bietet Nistlebensraum für Eulen oder auch Insektenarten.

Meyer: Sie hatten im Frühjahr Besuch von Daniel Donato, einem amerikanischen Forscherkollegen, der neue Erkenntnisse zur Entwicklung aus USA mitgebracht hat.

Müller: Seine Kernaussage zum Nationalpark war, dass nach Störungen vielfältigere Lebensräume entstehen können, wenn wir Men-schen uns nicht einmischen. Dabei ist entscheidend, dass die Waldverjün-gung zeitlich und räumlich sehr differenziert abläuft. Daraus entsteht über Zeiträume von 50 Jahren ein neuer heterogener Wald mit hohem Wert für den Naturschutz. Interessant war auch seine Feststellung, dass junge Sukzessionsstadien nach Käferbefall und Windwurf eine ganze Reihe von Eigenschaften alter Wälder aufweisen, wie z.B. Lücken, Totholz oder Wur-zelteller.

Meyer: In den Zeiten des Klimawandels kommt es weltweit ver-mehrt zu außergewöhnlichen Ereignissen wie großflächigen Windwür-fen und Waldbränden. In den Fernsehnachrichten heißt es dann, dass so Wälder “zerstört” oder “vernichtet” worden seien. Forscher im National-park sprechen dagegen nüchtern von “ Störungsereignissen”.

Naturschutz in Bayern

Müller: All unsere bisherigen Forschungen haben gezeigt, dass immer, wenn der Mensch das Wort Katastrophe in den Mund nimmt, die biologische Vielfalt einer Waldlandschaft gewinnt. Diese Störungs-ereignisse, insbesondere, wenn wir sie nicht gleich wieder aufräumen, schaffen wichtige und wertvolle Strukturen für viele Arten, die in unserer Kulturlandschaft gefährdet sind. Über alle taxonomischen Gruppen hin-weg hat sich der Borkenkäfer im Nationalpark als Schlüsselart erwiesen und die Artenvielfalt angehoben.

Meyer: Kann die Forstwirtschaft aus den Erkenntnissen im Na-tionalpark Bayerischer Wald lernen?

Müller: Die wichtigsten Erkenntnisse sind, dass Störungs-ereignisse, die man sowieso nicht verhindern kann, auch im Wirtschafts-wald zur Steigerung der Artenvielfalt genutzt werden können, selbst wenn dort klar ökonomische Ziele dominieren. Daneben deutet sich an, dass natürlich verjüngte Wälder strukturreicher und auch risikosicherer in der Zukunft werden. Die langen Gradienten im Nationalpark, z.B. bezüglich Totholzmengen, erlauben zusätzlich, Informationen zu bekommen, wo kritische Schwellenwerte für bedrohte Arten liegen. Diese Erkenntnisse werden aktuell genutzt, um integrative Naturschutzstrategien in genutzten Wäldern umzusetzen.

Carlos Salcedo de Zarraga

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Meyer: Welche Gebiete innerhalb der vom Menschen weitgehend ungenutzten Naturzonen sollten Besucher des Nationalparks als „Hot-spots der Artenvielfalt“ unbedingt kennenlernen? Können Sie bestimmte Führungen durch Ranger empfehlen?

Müller: Hier gibt es eine ganze Reihe an Highlights. Sicherlich ist eine Wanderung über den Rachel mit seinen totholzreichen Waldbeständen und vorbei am Urwald am Rachelsee eine Spezialität. Aber auch im Fal-kenstein-Gebiet kann man Urwaldbestände hinter dem Zwieslerwaldhaus und spannende, belassene Windwürfe hinter dem Ruckowitzschachten besuchen. Hochattraktiv ist auch das Gebiet ganz im Südosten zwischen Buchwaldstraße und Reschbachklause. Mit etwas Glück lassen sich hier Haselhuhn und Kreuzotter beobachten.

Prozessschutz Wildnis heißt, der Natur die Freiheit der unbeeinflussten Entwicklung zurückzugeben. „Prozessschutz“, so lautet die offizielle Bezeichnung für diese Naturschutzstrategie, die evolutionäre Prozesse zulassen soll. Was das bedeuten kann, wurde 1983 deutlich, als große Sturmwurf­flächen im Nationalpark Bayerischer Wald der natürlichen Entwicklung überlassen wurden. „Natur Natur sein lassen“, so nannte der damalige Nationalparkleiter Dr. Hans Bibelriether das, was viele als „verantwor­tungsloses Experiment“ bezeichneten. Heute ist klar, dass dieses Experiment ein Glücksfall war. An­gesichts des Klimawandels werden wir Zeuge, wie neue Lebensge­meinschaften entstehen und ungeahnte Beziehungsgeflechte zwi­schen Pflanzen und Tieren geknüpft werden. „Natur Natur sein lassen“ ist heute das Motto aller Nationalparks der Bundesrepublik. Allerdings gibt es einen Haken. „Prozessschutz“ bedeutet auch „das Aufrechterhalten von Veränderungen in Form von dynami­schen Erscheinungen auf der Ebene von Arten, Biozönosen, Bio­ oder Ökotopen, Ökosystemen und Landschaften.“ Mit anderen Worten: Die ökologische Veränderungsdynamik macht nicht Halt vor Nationalpark­ und auch nicht vor Ländergrenzen. Eine Erkenntnis, die natürlich auch für Borkenkäfer und Braunbären gilt. Die Strategie kann dann von der „Aufrechterhaltung“ durch Nicht­Eingreifen übergehen zum „Manage­ment“ durch Eingreifen.

Naturschutz in Bayern

“Wildnis heißt, sich an der Natur und den Dingen zu erfreuen, die sie uns schenkt. Wildnis genießt

man zwar am besten gemeinsam, aber auch allein ist Wildnis etwas Wunderbares. Allein zu sein in

der Wildnis heißt, eins zu sein mit der Erde. Wenn man dann flach auf dem Waldboden liegt und in

den Ster nenhimmel blickt, ist es, als ob Mutter Erde dich umarmt. Jeder sollte das mal erlebt haben.”

Ryan Ocampo (Philippinen)

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Wildnis und Klima von Michael Vogel

Im Jahr 1991 wurde in einem abschmelzenden Gletscher in Öster reich in 3210 Metern Höhe der mumifizierte Körper eines gut ausgerüsteten Hirten gefunden, dem die Medien den Spitznamen „Ötzi“ gaben. Ge-schätztes Alter etwa 5300 Jahre.

Der Fund belegt zwei Dinge: Zum einen zeigt sich der Klimawan-del in den Alpen deutlich früher und gravierender als andernorts. In der vertikalen Ausrichtung des Gebirges führt schon ein kleiner Temperatur-anstieg zu sichtbaren Veränderungen in der Zusammensetzung von Fauna und Flora sowie zur Verschiebung ganzer Biotope.

Zum anderen zeigte uns Ötzi, dass selbst das Hochgebirge schon vor 53 Jahrhunderten Lebensraum und Heimat von kultivierten Volksstäm-men war, die Formen der Landnutzung betrieben.

Landnutzung und der Klimawandel stellen für den modernen Naturschutz die größten Herausforderungen dar. Was bedeutet das für den Nationalpark Berchtesgaden?

Unsere Hauptaufgabe ist es, die Natur sich selbst zu überlassen. Dies gilt zumindest auf dem Großteil der Nationalparkfläche, der Kern-zone, wo auf menschliche Eingriffe vollkommen verzichtet wird und natür-liche Entwicklungen ungehindert ablaufen können. So dürfen zum Beispiel Wälder altern, zusammenbrechen und sich von selbst wieder verjüngen.

Für die Klimafolgenforschung, die bereits seit der Gründungs-phase des Nationalparks in den achtziger Jahren systematische Daten liefert, ist die Kernzone ein höchst ergiebiges Freiluft-Labor. Besonders spannend – auch für die Förster der benachbarten Wirtschaftswälder – ist dabei die Frage, wie schnell und mit welcher Artenzusammensetzung sich die örtlich zusammenbrechenden Bergwälder regenerieren.

Naturschutz in Bayern

Doch auch die Pflegezone – auf etwa einem Viertel des Parkgebiets – ist wichtig und alles andere als zweitrangig in der Klimafolgenforschung. Ötzis Nachfahren wandelten weite Teile der Alpen um in Kulturlandschaf-ten, die über Jahrhunderte ein wichtiger Bestandteil des Ökosystems der Berge wurden. Auf den Almen ist die Pflanzenvielfalt besonders groß. Arnika, Silberdistel oder Alpenrose („Almrausch“), deren Farbenpracht die Bergwanderer freut, haben ihre Existenz meist der extensiven Bewei-dung durch Rinder zu verdanken. Ihr Appetit hält die Flächen baumfrei und schafft damit für die bunten Blumen die wichtigste Voraussetzung: Freiflächen für Sonnenlicht. Nicht nur Blumen und Insekten profitieren von der Vorarbeit des Almviehs, auch Murmeltiere und Bergtouristen ge-nießen die freie Sicht und sonnenbeschienene Hänge.

Es ist absehbar, dass viele Almen klimabedingt zu Zufluchtsorten

für manche wilden Arten werden: für Vögel, Säugetiere, Insekten und Pflanzen. Hier interessiert die Forscher besonders, welche Wirtschafts-formen die Artenwanderungen und Verschiebungen der Biotope unter-stützen, und welche sie behindern oder unterbrechen.

Ein weiterer Aspekt der Klimafolgenforschung ist die langfristige Beobachtung von Quellen. Sie speisen die Bergbäche und sind durch spezi-fische Eigenschaften gekennzeichnet, die sie für die Forscher besonders in-teressant machen. An diese Bedingungen sind spezialisierte Tierarten an-gepasst, die als Zeiger für Klimaveränderungen genutzt werden können. In den insgesamt 60 untersuchten Quellen des Nationalparks wurden bisher mehr als 800 Tierarten nachgewiesen. Die Artenzusammensetzung insbe-sondere der wirbellosen Winzlinge wie Kleinkrebse, Wassermilben und Zuckmücken erlaubt Aussagen zur Qualität des Grundwassers und auch zur Frage, wie weit der Klimawandel schon jetzt die Wasserversorgung der Talgemeinden beeinflusst.

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NationalparkLaut Bundesnaturschutzgesetz sind Natio­nalparks Gebiete, die großräumig, weitge­hend unzerschnitten und von besonderer Eigenart sind, sich in einem überwiegenden Teil ihres Gebiets in einem vom Menschen nicht oder wenig beeinflussten Zustand be­finden und einen möglichst ungestörten Ab­lauf der Naturvorgänge in ihrer natürlichen Dynamik gewährleisten. Außerdem sollen sie der wissenschaftlichen Umweltbeobach­tung, naturkundlichen Bildung und dem Na­turerlebnis der Bevölkerung dienen. Die Nationalparkverwaltungen sind an Naturschutzgesetze des Bundes und der Länder gebunden. Die Schutzgebietska­tegorien der IUCN (Internationale Union zum Schutz der Natur) wie „Strenges Natur­schutzgebiet“, „Wildnis“, „Nationalpark“ sind als „Richtlinien“ zwar nicht rechtlich bin­dend, dienen aber auch im Sinne der inter­nationalen Vergleichbarkeit als Maßstab für die Naturschutzarbeit der Schutzgebietsver­waltungen. In allen von der IUCN anerkannten Nationalparks (Kategorie II) soll der un­gestörte Ablauf der Naturvorgänge auf Dreiviertel der Fläche gewährleistet sein. Eine weitere, in den Richtlinien der IUCN festgeschriebene Zweckbestimmung von Nationalparks sind „Bildungs­, Erho­lungs­ und Besucherangebote“, die den „umwelt­ und kulturverträglichen geistig­seelischen Erfahrungen“ der Besucher die­nen sollen.

“Ein Stück Wildnis trägt je der in sich. Unsere Instinkte werden von der modernen Zivilisation unterdrückt. Doch

je mehr wir sie unterdrücken, desto angestrengter ver­suchen wir sie wieder zu beleben. Natur ist wunderschön. Wir Tänzer möchten ein bisschen von dieser Schönheit zu den Menschen bringen. Die freie Natur lädt mich mit ihrer Kraft auf, lässt mich aber auch meine Grenzen erkennen.

Ohne Natur kann man nicht leben und nicht tanzen.” Filip Janda (Tschechien)

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Wilde Tiere in Bayernvon Manfred Wölfl

Biber gibt es in Bayern mittlerweile nahezu flächendeckend, Luchse haben sich im grenznahen Ostbayern etabliert, der Fischotter brei tet sich nach Westen aus, immer wieder tauchen Elche auf, wandernde Wölfe und auch schon ein Bär haben den Freistaat betreten.

Also alles klare Anzeichen für mehr Wildnis in Bayern!? Könnte man meinen – bei oberflächlicher Betrachtung allemal. Es lohnt sich je-doch, der Sache ein wenig tiefer auf den Grund zu gehen.

Alle oben genannten Arten teilen das gleiche Schicksal: Wir Menschen haben sie zurückgedrängt in letzte Rückzugsgebiete, entweder dorthin, wo wir nicht hin konnten oder nicht mehr hin wollten. Nur dort haben wir diese Arten überleben lassen. Das bedeutet aber im Umkehr-schluss nicht, dass Luchs & Co in diesen Rückzugsgebieten ihre optimalen Lebensräume hätten. In jedem Fall müssen wir darauf gefasst sein, dass diese Rückkehrer wesentlich anpassungsfähiger sind als wir meinen und durchaus mit unserer Kulturlandschaft zurechtkommen.

Beispiel Biber: Früher als Anzeiger für intakte Auenlandschaften gepriesen, kommt der fleißige Nager mittlerweile auch sehr gut in Entwäs-serungsgräben zurecht, wenn nur das Umfeld (hier im Sinne von wohl-schmeckenden Feldfrüchten) stimmt.

Beispiel Luchs: Als Hauptbeute gilt in Mitteleuropa das Reh, mit seinen bevorzugten Aufenthaltsräumen in den Grenzlinien von Wald zu Offenland. Als klassischer Waldrandbewohner hat es von der extensiven Kulturlandschaft mit ihrem Mosaik aus Wald, Wiesen und Feldern pro-fitiert. Ausgedehnte, auch naturnah bewirtschaftete Wälder bieten dagegen vergleichsweise suboptimale Voraussetzungen. Also wird der Luchs – zu-mindest für eine effiziente Nahrungssuche – bevorzugt diese Grenzlinien aufsuchen.

Natürlich brauchen Luchs & Co auch Rückzugsgebiete – vor uns Menschen. Dies müssen aber nicht die Kernzonen von Nationalparks sein. Auch eine Fichtendickung, die kaum einmal ein Schwammerlsucher durchdringt, bietet Ruhe und Deckung. Sogar ein Maisfeld im August ist ein gutes Tageslager – wenn nicht gerade die Wildschweine dort für Un-ruhe sorgen.

Naturschutz in Bayern

Was brauchen Luchse also wirklich? – Je mehr Beute, desto besser. Sie sollte am besten „wild“ sein (also

reh große Schalenwildarten), damit Übergriffe auf Nutztiere wie Schafe selten bleiben.

– Rückzugsmöglichkeiten, wo wir Menschen nicht zu jeder Tages- und Nachtzeit herumstolpern. Das muss aber keine Wildnis sein.

– Relative Unzerschnittenheit von Lebensräumen, also Gebiete, in denen unsere Verkehrsachsen aus Beton und Asphalt noch Möglichkeiten zum großräumigen Streifen lassen – nicht umsonst redet man in der Wis-senschaft beim Luchsrevier vom „Streifgebiet“. Als Intervalljäger muss der Luchs Jagdgebiete schnell wechseln, um seine auf Überraschung ausgelegte Jagdtaktik optimal umzusetzen.

– Und natürlich ausreichend Akzeptanz durch uns Menschen. Also keine Kugel und kein Gift.

Luchs

Wolf

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Die Akzeptanz ist ausschlaggebend für die Rückkehr dieser Ar-ten. Anstelle von Ausrottung sowie Verhinderung der Zuwanderung geht es um ein Zulassen der Wiederausbreitung und den langfristigen Erhalt bedrohter Arten auch in Mitteleuropa. Warum?

Weil Fischotter, Luchs, Wolf & Bär charismatische Arten sind. Weil wir „Wiedergutmachung“ an der Natur betreiben wollen für unseren Raubbau der vergangenen Jahrhunderte. Und es geht um die – zumindest ansatzweise – Wiederherstellung möglichst kompletter Ökosysteme mit all ihren Wechselwirkungen.

Dies sollte jedoch nicht nur für Prädatoren, also die Fleischfresser gelten, sondern auch für Pflanzenfresser. Sie haben genauso ihre dezidierte ökologische Rolle in der Nahrungspyramide und üben genauso Einfluss auf ihre Lebensräume aus. Über ihnen stehen die Fleischfresser, unter ihnen die Pflanzen, also die Landschaft. Was aus diesem Wechselspiel entsteht, ist nicht statisch, sondern immer in Bewegung und in Veränderung begriffen.

Das eigentliche Problem ist, dass in unserer Kulturlandschaft je-dem Quadratmeter eine bestimmte Rolle, eine bestimmte Nutzung zu-geschrieben wird. Diese muss dann auch noch planbar, nachvollziehbar und kontrollierbar sein. Selbst die Erhaltung naturschutzfachlich hoch-wertiger Flächen kommt ohne Pflege, Nutzung oder Aufrechterhalten des Status quo kaum aus.

Was schwer in das Korsett unserer derzeitigen Landnutzung passt, ist das Zulassen von natürlichen Prozessen. Dabei sind aber nicht nur die allgemein bekannten Sukzessionsstadien – von Brachfläche hin zum Hochwald – gemeint, sondern gerade auch das Vergehen, das Bremsen oder gar dauerhafte „Verhindern“ von vermeintlichen Endstufen.

Ergebnisoffene Entwicklung also, oder besser gesagt ein Prozess ohne „verpflichtendes Ergebnis“ – Wildnis im Sinne von „Zulassen“. Nicht gedacht und ausgerichtet auf feste Endstufen, sondern auf ein Zulassen von Entstehen und Vergehen. Eigentlich ganz im Einklang mit dem urbayer-ischen Motto „Schaun mer mal, dann sehn mer scho.“

Naturschutz in Bayern

“In meiner Kindheit in Shanghai haben mir meine Eltern immer gezeigt, wie wichtig Natur für die Seele

ist. Wenn ich in der Natur bin, ist es wie auf der Bühne: Blumen, Steine, Vögel, Schmetterlinge sind dann meine Kollegen. Ich bin eine von ihnen. Ich verschmelze dann richtig mit meiner Umgebung.”

Siting Qiu (China)

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Bayerns wilde Hühnervon Sabrina Reimann und Stefan Kluth

Interview: Till Meyer

Meyer: In Bayern gibt es sieben Arten von Wildhühnern. Laut At-las der Brutvögel in Bayern, an dem auch die Kollegen des Landesamtes für Umwelt mitgearbeitet haben, sind die meisten bayerischen Hühnerarten stark rückläufig. Was sind die Ursachen?

Reimann: Die Raufußhuhnarten – dazu gehören Auer-, Birk-, Ha-sel- und Alpenschneehuhn – und das Steinhuhn sind vor allem im baye-rischen Alpenraum und den Mittelgebirgen zu finden, wo sie mit Lebens-

raumverlust und menschlichen Störungen zu kämpfen haben. Die restlichen Hühner Bayerns – Fasan, Rebhuhn und Wachtel – sind als Arten des Offen-lands eher in tieferen Lagen anzutreffen und leiden ebenfalls unter Lebens-raumverlust, der vor allem mit intensiver Landnutzung einhergeht.

Meyer: Für Auerhuhn, Birkhuhn, Haselhuhn und Alpenschnee-huhn sind besonders die trendigen und naturnahen Wintersportarten wie Tourenskifahren und Schneeschuhwandern gefährlich, wegen ihres hohen Stör- und Vergrämungspotentials. Doch woher sollen die Naturnutzer wis-sen, wo sich die Tiere aufhalten?

Haselhuhn Alpenschneehuhn

Auerhahn Birkhahn

Naturschutz in Bayern

Reimann: Wenn man seinen Sport in der freien Natur ausübt, sollte man generell auf Hinweis- oder Verbotsschilder achten und diese berück-sichtigen. Skitourengeher und Schneeschuhwanderer sollten sich bereits bei der Planung einer Tour (z.B. im Internet) darüber informieren, welche Routen geeignet sind und nur geringe Störungen für Wildtiere bedeuten. Besonders empfehlenswert sind hierbei die Karten des Deutschen Alpenver-eins, in denen unbedenkliche Routenvorschläge und Schongebiete, die man nicht betreten sollte, markiert sind. Wenn man zusätzlich Wildruhezonen beachtet, Waldränder und schneefreie Flächen meidet und Hunde an der Leine führt, verhält man sich als Freizeitnutzer optimal.

Meyer: Gibt es überhaupt Möglichkeiten, diese Arten zu beobachten, oder nehmen die Vögel grundsätzlich sofort hysterisch Reißaus, wenn sich Menschen schon auf große Entfernung nähern?

Reimann: Gerade bei vielbegangenen bzw. -befahrenen Wegen und Strecken kann ein Gewöhnungseffekt der Tiere an die Freizeitnutzer erfol-gen. Ist die Störung für ein Wildtier kalkulierbar, kann es sich daran gewöh-nen und verliert teilweise auch seine Scheu. Naturschutzverbände, National-parks, Waldpädagogen oder Gebietsbetreuer bieten oft geführte Touren an, bei denen man die Tiere mit gutem Gewissen beobachten kann und zudem noch viel Wissenswertes über ihre Lebensweise erfährt. Besonders empfeh-lenswert sind die Angebote von BayernTourNatur (siehe S. 76).

Meyer: Bei den gefährdeten Birkhühnern wird behauptet, dass auch der Rückgang der Fuchsjagd eine Gefährdungsursache sei. Sollte man in Bayern Fuchspelze tragen, um Birkhühner zu retten?

Kluth: Den Rückgang von Birkhühnern an einem einzigen Einfluss-faktor festzumachen ist zu kurz gedacht. Es wirkt ein komplexes Gefüge: veränderter Lebensraum durch z.B. Aufgabe traditioneller Almwirtschaft, Klimawandel, Nährstoffeintrag, Tourismus und Störungen. Auch durch die weitgehende Ausrottung der Tollwut gibt es wieder mehr Füchse. Die Fuchs-jagd kann kurzfristig positive Effekte haben, jedoch ist das weit größere Problem in der Veränderung des Lebensraumes der Tiere zu sehen.

Meyer: Wildhühner ernähren sich ja vorwiegend vegetarisch, also von Beeren, Samen und Kräutern. Zu bestimmten Zeiten im Jahr sind aber auch Insekten wichtig. Die Wirbellosen können sogar zum begrenzenden Faktor der Verbreitung werden. Werden jetzt auch die Insekten seltener?

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Kluth: Insekten sind für die Kükenaufzucht essentiell, da die Kü-ken in ihren ersten Lebenswochen tierisches Eiweiß benötigen. Durch den intensiven Einsatz von Pestiziden in der Landbewirtschaftung werden Insek-ten vernichtet, welche dann den Hühnern des Offenlands als Kükennahrung feh len. Gleiches gilt auch für die Hühnerarten in den Wäldern. Hier liegt das Problem aber eher in dichten Monokulturen begründet, die nur sehr ein-geschränkt Insektenleben zulassen, einem geringen Anteil an Totholz, das Insekten als Nahrung und Entwicklungsstätte dient oder in der Bekämpfung von Forstschädlingen mit Mitteln, die unspezifisch wirken und den gesam-ten vorhandenen Insektenbestand schmälern können.

Meyer: Die Wachteln und Rebhühner werden durch die intensive Landbewirtschaftung bedroht. Gibt es da überhaupt Möglichkeiten, auf die Landwirte einzuwirken? Was kann der Verbraucher tun?

Reimann: Man sollte darauf achten, regionale Produkte aus extensi-ver Wirtschaft zu kaufen. Am besten unterstützt man Landwirte, die konse-quent auf Insektenvernichtungs- und Pflanzenbehandlungsmittel verzichten und Hecken und Feldraine unbewirtschaftet bzw. Streifen zwi schen den Fel-dern brach liegen lassen. Diese Streifen eignen sich nicht nur als Rückzugs-raum für Rebhühner und Wachteln, sondern helfen auch einer Reihe an-derer Tierarten, wie beispielsweise dem Feldhasen oder einer reichhaltigen Insektenwelt, die wiederum anderen Tierarten als Nahrung dient und auch uns bei der Bestäubung von Nutzpflanzen hilft. Auch der Freistaat Bayern unterstützt über Förderprogramme naturverträgliche Bewirtschaftungsfor-men.

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Biologische VielfaltBiologische Vielfalt – auch Biodiversität genannt – ist die Vielfalt des Lebens auf der Erde. Dazu gehören sowohl die Vielfalt der Arten als auch die Vielfalt der Lebensräume und die genetische Vielfalt. Die Feststellung etwa, dass es im bayerischen Karwendelgebirge noch Al­penschneehühner gibt, muss mit der Frage gekoppelt sein, ob sich die Tiere fortpflanzen. Fort-pflanzen heißt: Es müssen genug geeignete Lebensräume in größeren (aber erreichbaren) Entfernungen liegen, damit sich die Gene (Erbanlagen) der Art auch außerhalb der eigenen Verwandtschaft verbreiten können. Der Dreisatz „Arten – Lebensräume – Gene“ gilt für alle Tier­arten, für die Mopsfledermaus unter der Rinde eines alten Baumes ebenso wie für die Äsche in den naturbelassenen Flüssen, die Mond­Azurjungfer (eine Libellenart) in den Mooren, und auch für Wölfe, die nach Bayern einwandern. Er gilt aber auch für Pflanzenarten wie die Elsbeere, den Speierling oder die Wildbirne, um einige Baumarten zu nennen. Biodiversität ist auch Grundlage allen menschlichen Lebens. Wälder und Moore tragen entscheidend zu sauberem Wasser und sau­berer Luft bei. In vielen Ländern ist intakte Natur die wichtigste Tou­ristenattraktion und verlässlich fließende Devisenquelle. Biodiversität ist überall. Die Honigbiene bleibt noch immer der beste Garant dafür, dass das Obst – nicht nur in der Müsli­Schale – nie ausgeht. Um die Biodiversität zu bewahren und ihren Rückgang zu stoppen, ist internationale Zusammenarbeit erforderlich. Deshalb wurde 1992 in Rio de Janeiro das Internationale Übereinkommen für biologische Vielfalt beschlossen, dem sich inzwischen über 193 Ver­tragsstaaten angeschlossen haben. Viele dieser Staaten haben eine „Nationale Strategie zur biologischen Vielfalt“ (NSB) entwickelt, die regelmäßig überprüft wird. Die von der Bundesregierung im Novem­ber 2007 beschlossene Strategie enthält 330 Ziele und 430 Maßnah­men, darunter auch, „dass sich bis zum Jahr 2020 die Natur auf 2 % der Fläche Deutschlands wieder nach ihren eigenen Gesetzmäßigkeiten und ungestört entwickeln und Wildnis entstehen kann.“ Die Vereinten Nationen haben im Dezember 2010 die „UN­Dekade Biologische Vielfalt“ ausgerufen. Im Zeitraum von 2011 bis 2020 soll das gesellschaftliche Bewusstsein für den Wert der biolo­gischen Vielfalt entscheidend gefördert werden. „Ballett und Wildnis“ wurde am 18. November 2014 prämiert als „Ausgezeichnetes Projekt der UN­Dekade Biologische Vielfalt“.

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Naturschutz in Bayern Naturschutz in Bayern

Nationalpark BerchtesgadenDer Nationalpark Berchtesgaden, gegründet am 1. August 1978, ist der einzige alpine Na­tionalpark Deutschlands. Er liegt im Südosten Bayerns direkt an der Grenze zu Österreich. Seine einmalige Hochgebirgslandschaft zeich­net sich durch eine außergewöhnliche Vielfalt an Lebensräumen aus. Zwischen dem fjord­artigen Königssee (603 m ü. NN) und dem Watzmann­Gipfel (2713 m ü. NN) sind auf einer Fläche von rund 210 km² beinahe alle Vegeta­tionszonen von den gemäßigten Breiten bis zur Polarregion vertreten. In den unteren und mittleren Lagen des Nationalparks ist neben ausgedehnten Wäldern und blühenden Almweiden als Besonderheit das Wimbachgries zu nennen. Dabei handelt es sich um einen Gesteinsstrom, der durch Verwitterungsschutt aus den umlie genden Felswänden gespeist wird. Abfließendes Re­gen­ und Schmelzwasser transportiert hier jährlich 4500 Tonnen Lockergestein zu Tal. Da das Wimbachgries in ständiger Bewegung ist, können hier nur wenige Pflanzenspezialisten Fuß fassen. In höheren Lagen dominieren alpine Matten und La tschenfelder, die z.B. dem Al­penschneehuhn einen idealen Lebensraum bieten. Hohe Anpassungsfähigkeit erfordern die extremen klimatischen Bedingungen der kahlen Fels­ und Gi pfelregionen. Eine Vielfalt von Flechten und Polsterpflanzen erfüllt diese Ansprüche. Hier ist auch der Blaueisgletscher, der nördlichste Gletscher der Alpen, zu finden.

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Wildnis und Ästhetikvon Konrad Ott

Die ästhetische Erfahrung von belebter Natur, die sich spontan selbst organisiert, kann eine hohe Intensität annehmen. Der ästhetische Genuss von Wildnis mag nicht jedermanns Geschmack sein; wer jedoch entspre-chende intensive Erfahrungen gemacht hat, wird sie nicht mehr missen wollen. Die ästhetische Erfahrung von Natur, die sich spontan und ei-gengesetzlich entwickelt, ist häufig begleitet vom faszinierten Staunen darüber, welche emergenten Strukturen Lebewesen in ihren Interaktionen hervorzubringen vermögen (Ökosysteme). Gerade die (komplementäre) Verbindung von ökologischem Wissen und ästhetischer Anschauung in Ansehung ungestörter Eigenentwicklung kann einen intensiven Naturge-nuss gewähren (etwa in Mooren). Die Intensität dieser Erfahrung kann bis hin zu der Intuition führen, die Natur sei (irgendwie) mehr als nur schön. Die Bestimmung dieses „mehr“ führt dann in die Naturphilosophie, worauf hier nicht eingegangen werden kann.

Auch das sogenannte Differenz-Argument lässt sich vorbringen. Es besagt, dass die Erfahrung des Anderen der Zivilisation zu einem guten menschlichen Leben dazu gehört. Die moderne Zivilisation muss Räume gewähren für die Erfahrung dessen, was nicht zivilisatorisch überformt ist. Diese Erfahrungen der Natur als des Anderen bedürfen eines Abstandes zur Zivilisation und sie erweisen sich für viele Personen als heilsam, ent-spannend und erholsam in einem tiefen Sinne. Die eher kontemplativ-meditativen Erfahrungen von Distanz, Stille, Einsamkeit, Einkehr, Gestalt-wahrnehmung lassen sich in wildnisnahen Gebieten in besonderem Maße machen. Daher gibt es gute Gründe, Nationalparke gegen alle Tendenzen zu verteidigen, aus ihnen Rummelplätze und Kulissen für irgendwelche „events“ zu machen.

Außerdem wird es in der von Menschen wenig überformten Natur möglich, Schichten der eigenen Triebnatur aufzudecken, die in der Zivilisation eher verdrängt werden müssen. Die Natur „draußen“ er-

Psychologie und Gesellschaft

möglicht ein nicht-zensierendes Verhältnis zur Natur, die wir selbst sind, das heißt zu unserer Leiblichkeit. Naturerfahrungen vermitteln uns mit uns selbst in unserer Leiblichkeit. Ein ungezwungenes Verhältnis zum ei-genen Leib widersteht sowohl den Verlockungen der Bequemlichkeit wie dem Jugendlichkeitswahn oder der Jagd nach sportlichen Rekorden. Natur kann zu einer „großen“ Gesundheit beitragen, wie sie Friedrich Nietzsche vorschwebte. Der Schutz von großen, weithin ungestörten, aber prinzipiell zugänglichen Gebieten kann einen neuen Sinn dafür befördern, wie wir lieben und leben wollen.

Tiefere Naturerfahrungen vermitteln einen Sinn für die Vergäng-lichkeit des menschlichen Daseins und können dadurch die Einstellungen zum eigenen Leben und zu Mitmenschen wohltuend verändern. Natur-erfahrungen können den Egoismus, den Eigendünkel und all die Eitelkeiten dämpfen, die uns Wirtschaftsleben, Konkurrenzdruck und Me dienwelt aufnötigen. Die Natur gerade in ihrer Gleichgültigkeit gegen unsere zivi-lisatorischen Umtriebigkeiten wahrzunehmen, verschafft uns selbst eine Distanz hierzu. Ohne diese Distanz verlieren wir uns in den Mischungen aus kunterbunten Nichtigkeiten und ärgerlichen Sachzwängen, mit denen wir tagein, tagaus konfrontiert werden.

Im Nationalpark Berchtesgaden

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“Wildnis erleben heißt, in der Natur aufgehen; es be­deutet aber, dass man in sich geht. Man merkt, wie

es ist, wenn man mit und nicht gegen die Natur lebt. Alles, was man sieht, wird auf einmal zum Aben­

teuer. Auch die eigene körperliche Bewegung erlebt man hier draußen so völlig anders als im Ballettsaal.”

Matthew Cranitch (Irland)

Psychologie und Gesellschaft

Erinnerungen an die Wildnis von Odile Rodriguez de la Fuente

Was bedeutet mir die Natur, und warum widme ich mein Leben ihrem Schutz? Ich glaube, der Grund liegt nicht so sehr darin, dass ich mich als Teil von ihr ansehe, und dass ich mich für sie verantwortlich fühle, wie es ja die meisten Naturschützer tun. Vielmehr ist die Natur für mich etwas sehr Grundlegendes, eine Erweiterung meiner selbst.

Wenn ich draußen unterwegs bin und dort etwas Schönes erlebe, dann bin ich eins mit der Natur. Und ich finde durchaus, dass wir unserer Verantwortung gerecht werden sollten, aber in einem anderen Sinne: Näm-lich, weil wir das Produkt von Jahrmillionen der Evolution sind, und weil wir als einzige Art in der Lage sind, uns selbst, die Natur, das Leben und alle Zusammenhänge zu reflektieren.

Wenn ich also meiner Arbeit im Naturschutz nachgehe, dann ver-suche ich den Menschen zu vermitteln, dass das Gefühl, zu einem großen Ganzen zu gehören – das sich über die Natur hinaus erstreckt, nämlich auf das Universum, auf die Existenz insgesamt – dass dieses Gefühl ihr Leben verändern wird.

Viele glauben, dass sich das Leben beschränkt auf die Geburt, unsere kulturelle Identität, darauf, dass wir einen Job finden, uns durch-schlagen, Kinder kriegen und irgendwann sterben. Das stimmt nicht: Das Leben ist viel umfassender. Für mich gehört dazu das Gefühl, zu wissen, woher wir Menschen stammen und wohin wir gehen, unser Wissen, unser Mensch sein und das gesamte Dasein im Universum.

In meinen Augen werden wir unserem Potential nicht gerecht. Die menschliche Natur ist kooperativ, großzügig, absolut kreativ

– ganz wie die Natur selbst, aber noch besser. Aber um das ausleben zu können, muss man sich verbunden fühlen. Man muss eins werden mit al-lem um sich herum, man muss demütig sein und zugleich seiner Macht bewusst, dass man auf die Natur reflektieren kann. Deshalb würde ich je-dem raten: Entdecke Deine wahre Natur! Öffne Dein Leben für diese un-glaubliche Erfahrung, und lerne aus den unendlichen Lehren, die die Natur für uns bereithält.

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Psychologie und Gesellschaft

Und natürlich sollte die Menschheit als Art einen Schritt vorwärts tun und der Natur jenen Platz geben, der ihr gebührt, nämlich im Zentrum allen Seins. So würden wir unserem Potential gerecht. Dann haben wir eine Chance, im Gleichgewicht und in Harmonie zu leben und eine glückliche und erfüllte Spezies zu sein. Eine Spezies, die ihr ganzes, echtes Potential wirklich nutzt.

Funtensee im Nationalpark Berchtesgaden

Psychologie und Gesellschaft

BiophilieDie meisten Menschen lieben Natur, lieben das Leben. Dies ist aller­dings keine wissenschaftlich beweisbare Tatsache, sondern zum jetzi­gen Zeitpunkt nur Gegenstand einer gut begründeten Annahme (Hy­pothese). Die „Biophilie­Hypothese“ (altgriechisch bios „Leben“, philia „Liebe“) wurde von dem amerikanischen Soziobiologen Edward Wil­son entwickelt, der unter Biophilie „die angeborene Bereitschaft“ aller Menschen verstand, eine „Vorliebe zu entwickeln für viele Formen des Lebens, zu Lebensräumen und Ökosystemen“. Wilson und mit ihm viele andere sind davon überzeugt, dass diese Liebe zur Natur in der Entwicklungsgeschichte der menschlichen Spezies festgelegt ist. Eine Kernthese der Biophilie, die sogenannte Sa­vannen­Hypothese, besagt, dass die meisten Menschen eine Neigung haben zu savannenähnlichen, locker mit Bäumen bestandenen Natur­landschaften, dagegen aber geschlossene Wälder eher meiden. Wilson erklärt dies mit der entwicklungsgeschichtlichen Herkunft des Menschen aus Ostafrika, wo sich die speziellen Sinne und Fähigkeiten gebildeten hätten, die auch heute noch den Menschen ausmachen. Aufrechter Gang, Sehkraft, soziale Organisation (siehe Infokasten Evolution und Tanz S. 24), aber auch so manche Vorlieben und Abneigungen sind in unseren Genen angelegt. Im Großteil der Jahrmillionen, die seitdem vergangen sind, war die Beziehung der Menschen zu anderen Arten und Lebensformen immer überlebenswichtig. Das Ergrünen der Savanne nach der kargen Trockenzeit steht für das Ende der Entbehrungen. Die meisten Tiere der Savanne waren stets ein erfreulicher Anblick, weil sie dem jagen­den Homo erectus endlich wieder einen vollen Magen versprachen. Gelegentlich kann sich die Biophilie ins Gegenteil verkehren. Das zeigen die Urängste vieler heutiger Menschen vor Schlangen und Spinnen. Obwohl es in Deutschland keine für Menschen wirklich gefährliche Spinnen­ oder Schlangenarten gibt, haben hier viele Men­schen vor diesen Tieren eine tiefe Abneigung. Dass es in Afrika dage­gen gute Gründe gibt, sich vor hochgiftigen Spinnen und gefährlichen Schlangen in Acht zu nehmen, spricht für die unbewusste Erinnerung an unsere afri kanische Abstammung. Nachgewiesen ist inzwischen, dass die Natur (selbst in Form von Schnittblumen, Zimmerpflanzen und Fototapeten) eine positive Wirkung auf unsere geistige und seelische Gesundheit, Arbeitsleistung und Moral hat (siehe auch nachfolgenden Essay).

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Natur und Gemeinschaft von Manfred Spitzer

Geht es Ihnen auch zuweilen so wie mir: Sie leben und arbeiten in einer Stadt, und der Anblick von asphaltierten Straßen, Betonwänden und Steinmauern geht Ihnen irgendwann schrecklich auf die Nerven? Sie sehnen sich nach Wiesen, Bäumen, Bergen, Flüssen und Seen, nach Landschaft, nach Natur? Und sind Sie dann endlich entkommen und be-finden sich irgendwo in der Natur, dann spüren Sie, dass es Ihnen plötzlich irgendwie besser geht? Sie sind besser gelaunt, die Kleinigkeiten des Tages fallen irgendwie von Ihnen ab, und Ihnen wird plötzlich wieder klar, wo-rum es im Leben eigentlich geht?

Ganz allgemein lässt sich beobachten, dass sehr viele Menschen gerne hinaus in die Natur gehen bzw. sich die Natur zumindest nach Kräf-ten in ihre Wohnungen holen. Wir hängen Landschaftsbilder an die Wand, stellen Pflanzen im Zimmer auf und freuen uns über Blumen. Hin und wieder relativ versprengt publizierte Forschungsarbeiten haben entspre-chend gezeigt, dass die Menschen vom Kontakt mit der Natur profitieren: Sie fühlen sich wohler, energiegeladener, gesünder, ruhiger und haben weniger Stress.

Amerikanische Psychologen von der Universität Rochester inter-essierten sich für die Frage, welche Auswirkungen das Erleben von Natur auf die Motivationslage von Menschen und insbesondere deren Einstel-lung zu anderen Menschen hat. Sie unterschieden hierzu zunächst zwei generelle Lebensziele, intrinsische und extrinsische. Intrinsische Motive betrafen soziale Beziehungen und Gemeinschaft, wie beispielsweise „tiefe und andauernde Beziehungen haben“ oder „für die Verbesserung der Ge-sellschaft arbeiten“. Extrinsische Motive betrafen Geld und Ruf und wur-den beispielsweise mit „finanziell erfolgreich sein“ oder „von anderen Men-schen bewundert werden“ charakterisiert.

Die Leute waren stärker intrinsisch motiviert und verhielten sich entsprechend auch tatsächlich großzügiger, wenn sich Pflanzen im Raum befanden. „Die Immersion in ein (psychologisches) Labor voller Pflanzen verstärkt Großzügigkeit, wohingegen die Immersion in ein Labor ohne Pflanzen diese hemmt“ stellen die Autoren lapidar fest.

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Alisa Scetinina und Kateryna Kistol im Naturschutzgebiet Weltenburger Enge

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Was bedeutet das alles? – Man hat den ökonomischen „Wert“ der Natur längst berechnet. Sie versorgt uns mit sauberer Luft, sauberem Was-ser und jeder Menge Energie und Nahrung. Die psychologischen Effekte blieben dabei jedoch außen vor. Die vorliegende Studie zeigt aber, wie wichtig die Auswirkungen des Erlebens von Natur und nicht nur deren Verbrauch für uns sind. Das Erleben der Natur lässt unseren Egoismus schrumpfen, als würde unser Ego angesichts von Bergen und Tälern, Bäu-men und Flüssen kleiner, wie andere Studien zeigen konnten. Es ist daher nicht egal, ob der nächste Betriebsausflug in die Natur oder in die Stadt geht, und schon gar nicht, ob wir einen Park in der Stadt anlegen oder nicht.

Lassen wir abschließend noch einmal die Autoren der Studie zu Wort kommen: „Zusammen genommen legen unsere Befunde nahe, dass der Kontakt mit der Natur menschliche Auswirkungen auf uns hat und un-sere Authentizität und Verbundenheit stärkt, was zu einer Orientierung im Hinblick auf andere versus auf uns selbst führt, die zu deren Wertschätzung und zur Großzügigkeit ihnen gegenüber führt. [...] Unsere Daten legen nahe, dass wir in dem Maße, wie wir unsere Verbindung mit der Natur ver-lieren, auch unsere Verbindung zu anderen Menschen verlieren“. Stä dte- planer und Lehrer, Politiker und Eltern, nehmt das zur Kenntnis: Schafft Natur und geht hinein – für mehr Miteinander!

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“Wildnis ist ein Ort, wo ich mich physisch und vor allem geistig regenerieren kann. Die Wanderungen durch die

Wildnis sind sehr gut für den Gruppenzusammenhalt. In der Company, auf der Bühne, haben wir Jahre zusammen getanzt, aber in der Wildnis lernen wir uns neu kennen.”

Alexandre Vacheron (Schweiz)

Im Nationalpark Bayerischer Wald

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Sehnsucht nach Wildnisvon Thomas Kirchhoff (u.a.)

In der heutigen naturbezogenen Freizeitkultur gibt es einen deutli-chen Trend hin zu Wildnis: Extrembergsteigen im Karakorum und Schnee schuhwanderungen in den Voralpen, Kajakfahren im Eismeer oder auf mecklenburgischen Seen, Wüstentouren in der Sahara oder Pilgerwan-derungen durch die Pyrenäen – extreme und gemäßigte Aktivitäten, bei denen Natur gerade auch als Wildnis thematisiert wird, werden immer beliebter. Diese offenkundige Sehnsucht nach Wildnis analysieren wir aus kulturwissenschaftlicher Perspektive. Dabei nehmen wir an, dass „Wild-nis“ nicht etwa eine objektive, naturwissenschaftlich beschreibbare Natur bezeichnet, sondern Natur als Symbol mit bestimmten kulturell geprägten Bedeutungen.

Wildnis fungiert in den jeweiligen Auffassungen stets, aber nicht immer ausschließlich, als Gegenwelt zu je einem bestimmten kulturellen Ordnungsprinzip: So wurde sie im archaischen Naturverhältnis als ambi-valente Gegenwelt zum profanen Leben und im Mittelalter weitgehend als böse Gegenwelt zur christlichen Ordnung verstanden. Mit der Aufklärung wurde sie zunächst positiv umgedeutet und als Gegenwelt zum Absolutis-mus idealisiert. In der demokratietheoretischen Aufklärung avancierte sie zur ästhetischen Gegenwelt, die im Erhabenheitsgefühl der individuellen Bestätigung des Subjektes dient, während sie im Liberalismus als etwas galt und gilt, was einer materiellen Nutzung durch Erobern und Koloni-sieren zuzuführen sei. Aufklärungskritisch wird Wildnis als Gegenwelt zur Zivilisation aufgefasst und zumindest vordergründig positiv gedeutet, wenngleich in der romantischen Auffassung eine nie erfüllbare Sehnsucht nach Wildnis besteht, die ambivalente Züge aufweist.

Unser kulturelles Gedächtnis ist augenscheinlich von solch un-terschiedlichen, teilweise widersprüchlichen Wildnisideen geprägt. So erscheint Wildnis auch gegenwärtig z.B. als Ort der Erfahrung von Er-habenheit, von Ursprünglichkeit, von Zerrissenheit oder als Ort der Sym-bolisierung von Triebhaftigkeit. Der Wildnistyp Berg bietet, neben dem ästhetischen Erlebnis der Ferne, die Herausforderung, Grenzsituationen sowohl geistig als auch körperlich zu bewältigen. Der Dschungel ermög -licht es, sich seiner Triebe und Instinkte zu versichern. Der Wildfluss steht

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für eine sich selbst dynamisch verändernde Wildnis, deren bedrohliche Naturgewalt „durchschaut“ und körperlich bezwungen wird oder zum dis-tanzierten Erlebnis von dynamischer Erhabenheit veranlasst.

Unsere Untersuchungen lassen erkennen, dass sich die aktuelle Sehnsucht nach Wildnis wesentlich aus dem Wunsch nach einer Gegen-welt zu einer zunehmend als reglementiert erlebten gesellschaftlichen Re-alität speist. Deutlich geworden ist zudem, dass in der aktuellen Freizeit-kultur das unmittelbare körperliche Erleben wilder Natur hohe Bedeutung erlangt hat und dabei die von Wildnis ausgehenden Gefahren oftmals nicht als Bedrohung, sondern als positiver Reiz angesehen werden.

Nicha Rodboon und Carlos Salcedo de Zarraga

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BayernTourNaturAusflüge in die Natur gehören für die meisten Bundesbür­ger zu den belieb testen Freizeitbeschäftigungen. Wenn das Wandern, Radeln, Reiten und Paddeln auch noch mit einer spannenden Naturführung verbunden sein soll, kann es zwischen Mai und Oktober – neben dem Urlaub in den Nationalparks – eigentlich nur eine Empfeh lung geben: „BayernTourNatur“. Mit knapp 7000 Veranstaltungs terminen im Jahr ist „BayernTourNatur“ Deutschlands größte und erfolg­reichste Umweltbildungsaktion. Im vergangenen Jahr nahmen rund 80 000 Besucher an den geführten Natur­begegnungen teil. Auf dem Pferderücken zur Biberbeob­achtung, eine Bergtour in den Lebensraum der Steinadler, Alpenblumen fotografieren, Pilze sammeln, Höhlenexkur­sionen, Wildkräuter bestimmen, nach Flussperlmuscheln und Flusskrebsen tauchen. Ob eher erlebnisorientiert, sportlich, kreativ, ge­mütlich­genüsslich oder naturwissenschaftlich – die Bay­ernTourNatur hält für jede Vorliebe, Altersgruppe und kör­perliche Fitness etwas Passendes parat. Die BayernTourNatur wird seit 2001 jedes Jahr vom Bayerischen Umweltmi nisterium unter Beteiligung von Vereinen, Verbänden, Umweltbildungseinrichtungen, Kommunen und Einzelpersonen organisiert. 2007 war Ballett und Wildnis in Berchtesgaden Be­standteil von BayernTourNatur.

www.bayerntournatur.de

Psychologie und Gesellschaft

“In meinen Choreographien arbeite ich oft mit Beispielen aus der Natur, die Bewegungen müssen weich sein wie Wasser, sanft wie der Wind. Wenn man draußen in der

Natur tanzen kann und nicht durch Wände beengt wird, ist das eine besondere Form der Freiheit. Eine Choreo­

graphie ist ein lebendiger Prozess. Wie alles in der Natur verändern sich die Dinge während einer Choreographie fortwährend. In der Natur kommen mir Fragen zum Le­ben, Fragen, die mir in der täglichen Routine des Stadtle­

bens wohl gar nicht in den Sinn kommen würden.” Pavla Micolavcic (Kroatien)

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Wildnis und Bergevon Reinhold Messner, Interview Till Meyer

Meyer: Im Freizeit-Sektor – besonders im Outdoorbereich – ist Wildnis zu einem Modebegriff geworden. Was sagt das über unsere Ge-sellschaft?

Messner: Es ist verständlich, dass die Menschen heute, die in ei-ner Zivilisation leben, die ziemlich steril ist, sich nach einer Welt sehnen, die wild geblieben ist. Die Outdoor-Leute wollen im Großen und Ganzen eine gezähmte Wildnis. Sie wollen in eine Welt gehen, die archaisch, aber gleichzeitig sicher ist: der Hubschrauber in der Nähe und der Wetterbe-richt jederzeit abrufbar. Es gibt relative Wildnis, aber die reine Wildnis, wo der Mensch wie in der Steinzeit auf sich allein gestellt ist, die geht ver-loren. Für alle Zeit. Ich bin einer der letzten, die sagen, diesen Raum brauchen wir unbedingt, um primäre Erfahrungen zu machen zwischen uns Menschen – wir haben ja auch eine Na-tur in uns – und der Natur draußen, die leider mehr und mehr als reale Wildnis verloren geht.

Meyer: Worin besteht der Wert von Wild-nis?

Messner: Ur-sprünglich war ja die ge-samte Welt Wildnis. Und es war sehr schwierig, auf dieser wilden Welt zu über-

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leben. Die Wildnis war unsere große Schule, aber die Zivilisation hat es geschafft, Stück für Stück die Wildnis einzusacken. Sie ist vorbei. Es ist nachvollziehbar, dass wir Menschen die Möglichkeit suchen, primäre Er-fahrungen zu machen. Darin läge der Wert der Wildnis. Ihr Wert ist vor allem deshalb gegeben, weil dort die Naturgesetze nicht gestört werden.

Meyer: Warum sind Klettersteige und Wildnis für Sie unverein-bar?

Messner: Klettersteige waren ursprünglich dazu da, Zugänge zu schaffen. Man hat zum Beispiel eine Berghütte mit einer anderen verbun-den. Später hat man die Klettersteige gebaut, um Menschen in die Gebirge zu locken, auf dass sie ohne viel bergsteigerische Erfahrung senkrechte Wände hoch gehen können. In einer vorgetäuschten Wildnis. Aber die-

ser Raum hat mit Wildnis nichts zu tun, er ist eine zivilisierte, in Eisen und Ketten gelegte Welt.

Meyer: Die Alpen, die Berge werden nach Ihren Worten „banalisiert“ durch Klettersteige, Seilbahnen etc. Bedeutet ein gefährli-cher Bergpfad ohne Hand-lauf und Trittklammern schon den Einstieg in den respektvollen Umgang mit der Natur? Komme ich so näher an das „Erhabene“, an das „Göttliche“?

Messner: Die Berge haben lange Zeit, als sie noch wild waren, die Men-schen staunen lassen. Und nur wenn ich als Men-schenkind – mit meinen Anne Poncet im Nationalpark Berchtesgaden

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Schwächen, Ängsten, Zweifeln – dieser großartigen, nicht präparierten, von der Zivilisation freien Welt entgegen steige, merke ich, wie klein ich bin und wie großartig die Natur, die Berge sind. Es reicht vollkommen, mich staunen zu lassen, wenn ich mir sage: Ist es möglich, dass dies alles aus sich heraus entstanden ist? Welche Kraft steckt dahinter?

Meyer: Das Erhabene ist ja oft gekoppelt mit Katharsis, der Läute-rung durch heilsamen Schrecken. Was bedeutet das für das Bergsteigen?

Messner: Diese Art Emotionen entstehen in erster Linie, wenn die Berge, die in ihrer Größe, ihrer Gefahr, wild geblieben sind, uns zur Bescheidenheit zwingen. Demut und Bescheidenheit wachsen nicht mit unserer Technologie; ihre Größe schwindet, wenn wir Hubschrauber und Klettersteige und Satellitentelefon und irgendwelche Haken und Seile zur Verfügung haben. Der Respekt vor den Bergen wächst mit dem Verzicht auf Hilfen, mit dem Sich-Zurücknehmen in den technischen Mitteln, die wir heute haben. Wenn ich alle technischen Mittel nehme, die wir inzwi-schen haben, um auf Berge zu steigen, brauche ich nicht mehr zu klettern. Dann lasse ich mich gleich mit dem Hubschrauber auf den Mount Everest fliegen.

Meyer: Dann muss wirkliche Wildnis also lebensgefährlich sein? Messner: Wenn ich ihnen sage, ein Berg, der nicht gefährlich ist,

ist eine Attrappe, also kein Berg mehr, geschweige denn Wildnis, dann werden viele Bergsteiger, auch Politiker und Richter kommen und sagen, der Messner gehört ins Gefängnis, ist ja irrsinnig, verteidigt ja das Umkom-men am Berg. Wenn ich in der Wildnis nicht umkommen kann, ist es nicht Wildnis, sondern ein Als-ob-Gefahrenraum. Wir alle wollen eine sichere Welt. Ich bin glücklich darüber, ich genoss die Freuden der frühen Geburt: konnte in meinen jungen Jahren in die Wildnis hinaus gehen, sogar in den Dolomitenwänden. Ich habe dort riesige Flächen gefunden, wo überhaupt nichts war, auch keine Möglichkeit, nach außen zu kommunizieren oder im Notfall gerettet zu werden.

Meyer: Der Geograph und Alpenkenner Werner Bätzing schrieb, dass die Alpen – bis weit in die Neuzeit ohne geringste Anziehungskraft – auf einmal ‚entdeckt‘, als ästhetisch schön empfunden wurden. Er fragt: „Woher kommt dieser Wandel?“ Haben Sie eine Antwort?

Psychologie und Gesellschaft

Messner: Werner Bätzing ist einer, der hinter die Kulissen schaut, und exzellent zusammengefasst hat, wie sich diese Revolution entwickelt hat: Lange Zeit waren die Berge wirklich nur ein Hindernis, ein zu mei-dender Raum. Später stehen die Berge im Mittelpunkt: Caspar David Friedrich zeigte die Berge menschenleer, als riesige Ungeheuer erhaben in der Romantik. Damit entsteht die Sehnsucht, in die Berge zu gehen. Das hängt auch mit der Zivilisation in den Städten zusammen. Mit der Indu-strialisierung, die in England beginnt, entsteht der Wunsch, die Sehnsucht, die Berge als eine Art Erholungsraum zu nutzen, wo man genau die Welt vorfindet, die in der Zivilisation mehr und mehr schwindet. Man sucht ein neues Gleichgewicht.

Meyer: Beim Ausdauer- und Leistungssport, aber auch beim klas-sischen Tanz bedeutet Flow-Zustand, dass bestimmte Hirnareale herunter geregelt werden und ein Automatismus eintritt. Andererseits schreiben Sie in Ihrem jüngsten Buch, dass Sie dann besser denken können. Wie passt das zusammen?

Messner: Ich erlebe Flow, wenn ich ganz bei der Sache bin und keine Zeit, keine Konzentration für das habe, was außerhalb meines Tuns liegt. Dann bin ich so unterwegs, dass ich ganz darin aufgehe – ob das nun Gehen ist oder Klettern. Ich schwebe förmlich. Ich verschiebe eine Hand beim Klettern, dann die nächste, fließe so den Berg aufwärts, oder gehe in die Welt auf. Beim Gehen nun erreiche ich nach einer bestimmten Zeit einen Punkt der Leere, wobei ich überhaupt nichts mehr denke. Und ich komme voller Lust und Kreativität wieder zurück. Das heißt, die Natur ist unsere Anregerin, die Welt neu zu sehen, unser Dasein neu zu sehen, un-sere Möglichkeiten neu zu sehen. Dieses Fließen entsteht in erster Linie, wenn ich mich über eine längere Zeit „leer laufe“. Ich brauche zuerst die Leere, um das Gehirn wieder aufzumachen. Für neue Erkenntnisse.

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“Ich bin in Papua­Neu­guinea aufgewachsen, bis ich neun war. Als kleines Mädchen erlebte ich dort

den Dschungel beinahe so wie den Urwald im Bay­erischen Wald. Ich fühlte

mich an meine Jugend erinnert. Wir haben

damals alle möglichen Krabbeltiere nach Hause gebracht, und ich bin, so

oft ich konnte, barfuß draußen herumgelaufen,

auch im Regenwald. Wild­nis erinnert mich auch an die Freiheit der Kindheit.”

Lisa-Maree Cullum (Neuseeland)

Kulturtechniken

Musik und NaturBeethoven war ein großer Naturliebhaber. Seine sechste Sym­phonie (Pastorale) soll am Schreiberbach im Wiener Vorort Grinzing entstanden sein, wo er sich bei seinen Spaziergängen inspirieren ließ: „Hier habe ich die Szene am Bach geschrieben, und die Goldammern da oben, die Wachteln, Nachtigallen und Kuckucke ringsum haben mitkomponiert.“ In vielen Werken der klassischen Musik spielt Natur eine tragende Roller: So etwa bei Felix Mendelssohn Batholdys „Hebriden Ouvertüre“, der Alpen­symphonie von Richard Strauss, Alexander Borodins „Steppen­skizzen aus Mittelasien“, Edvard Griegs „Morgenstimmung“ aus Peer Gynt oder Dvoraks „Aus der Neuen Welt“. Auch bei Richard Wagner, der ein begeisterter Berg­wanderer war, hört man die Naturliebe aus vielen seiner Werke heraus, so etwa „Waldweben“ im „Siegfried“. Gustav Mahler liebte ausgedehnte Wanderungen und Fahrradtouren in der Natur. Zu seiner 1. Symphonie soll er angemerkt haben: „Mit dem ersten Ton, dem lang ausgehaltenen Flageolett­A, sind wir mitten im Walde, wo das Sonnenlicht durch die Zweige zit­tert und flimmert.“ Auch der amerikanische Komponist Aaron Copland war ein großer Naturliebhaber. Besonders bekannt ist „Appalachian Spring“ (Frühling in den Appalachen); ein anderes Stück hat sogar den Titel „Outdoor Overture“.

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Kulturtechniken

Natur und Sprache von Konrad Ott

Die Arten und Weisen, in denen die Natur für uns von Interesse und

Bedeutung ist, verstehen wir besser, wenn wir sie in von uns selbst arti-kulierten Formen anderen zur Kenntnis- und Stellungnahme vorlegen. Auf diesem Wege werden wir selbst miteinander zu kompetenten „Naturspre-chern“. Je mehr uns Natur bedeutet, umso vielfältiger und präziser werden wir von ihr reden wollen.

In sprachlichen Weltbildern ist ein unerschöpflicher Reichtum an Möglichkeiten angelegt, Naturerfahrungen zu artikulieren.

Naturerfahrungen, die der Artikulation wert sind, müssen wohl „draußen“ in der Natur gemacht worden sein. Daher mag man vom Schreibtisch aus naturethische Reflexionen anstellen und in Hörsälen über Wildnis diskutieren; das Material der Artikulation jedoch entspringt in erster Linie dem Aufenthalt in der (nicht, wenig oder nur mäßig über-formten) Natur. Daher vertragen sich Umweltethik und Stubengelehrsam-keit nicht besonders gut.

Wir artikulieren Natur als „tönende Erdgeschöpfe“ (Herder), die ihre Lautgaben bis zur Kunst verfeinern und steigern können. Naturbezo-gene Artikulation beginnt bei präpositionalen Lauten, etwa einem „Oh!“ beim Anblick einer sich öffnenden Aussicht. Artikulation geht mit leib-lichen Verhaltensweisen einher. So konnte der Aufenthalt in der Natur sich in früheren Zeiten im Frühling als Singen und Springen vollziehen: „...heißa, nun ist uns Kindern ein End´ all Wintersleid.“ Viele Menschen beginnen in der Natur zu summen oder zu pfeifen.

Der Zupfgeigenhansel der Wandervogelbewegung war gesangli-cher Ausdruck einer „alternativen“ Lebenseinstellung: „Aus grauer Städte Mauern...“, „Im Frühtau zu Berge wir ziehn, fallera“. Das Singen beim Wan-dern ist freilich im Niedergang begriffen, da es in Deutschland unweiger-lich mit dem verordneten Gesang marschierender Truppen assoziiert wird. Es ist daher eine kompositorische Herausforderung für „neue Musik“, zeit-gemäße Wanderlieder zu schaffen.

Kulturtechniken

Wildnis der Gebrüder GrimmDie Gebrüder Jacob und Wilhelm Grimm gehörten der Roman­tik an, also einer Epoche, die laut Brockhaus u.a. durch „das stim­mungsgetragene Neuerleben von Landschaft“ gekennzeichnet war. Neben ihrer Sammlung an Märchen und Sagen wurden die Grimms als Herausgeber des „Deutschen Wörterbuches“ be­kannt, welches sich der Bedeutung und Anwendungsbeispiele des Begriffes „Wildnis“ ausgiebig annimmt. „Das Wort bezeichnet ursprünglich nicht ausschließlich eine Örtlichkeit, sondern ganz allgemein „Wildheit, etwas wildes“. Die gewöhnliche volkstümliche und ältere Vorstellung von Wildnis ist die eines dichten Waldes oder unwegsamen Ge­birges: Ein bergicht Land, mit Felsen überstreut, in dessen Wildnis kaum sich eine Deichsel waget (Drollinger). Abgründe schließen rings umher uns ein, in dieser Wildnis fürcht’ ich kei nen Zeugen (Schiller). Das lachende Land in eine traurige Wildnis verwandelt (Schiller). Wildes, von der Kultur noch nicht berührtes Land in fer­nen Erdteilen. Die Lappländer sind nicht rechte Christen; dann sie nur in der Wildnis nisten (Opel­Cohn). Daneben findet sich schon früh eine mildere Auffassung, die es gestattet, das Wort auch auf schöne und anziehende Gegenden anzuwenden: Das war ein lustig Wildnis, die gab im der Kaiser für eigen (Franck). In den anmutigen Wildnissen dieses Berges (Wieland). In der lachenden Wildnis (Platen). Romantische Wald­ und Gebirgsgegenden unserer Hei­math: Dass schöne und volkreiche Städte, wie z.b. Passau und Linz mit den romantischsten Wildnissen schnell abwechseln (Nicolai). Ferner erscheint die Wildnis als Zufluchtsstätte des Traurigen und Trostsuchenden. So flieh ich denn ... und suche in Wildnissen meinen Trost (Müller). Zur Wildnis fliehst du, dem Menschen zu ent fliehen (Rückert) .“

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Kulturtechniken

“Wildnis ist das Unkontrollierbare, das Anarchistische. Und Wildnis in einem

Ghetto, einem Rahmen, was ein Natio nal­park naturgemäß sein muss, das ist ein

Widerspruch in sich selbst, eine Absurdi­tät. Wahre Wildnis gibt es vielleicht nur

als Idee, als Sehnsucht. Vieles spricht auch dafür, dass das Menschenwesen allen

Kulturanstrengungen zum Trotz noch das Wildeste ist, was sich denken lässt.”

Wolfgang Oberender (Deutschland)

Kulturtechniken

Natur und Sprachkritik von Konrad Ott

Die Umgangssprache ist trotz ihres Gewichts (als letzte Meta- und

erste Konstruktionssprache) nicht gegen Sprachkritik immun. In Um-gangssprachen haben sich viele Denkmuster der Naturbeherrschung als Sprachgewohnheiten niedergeschlagen. Wörter wie Bauerwartungsland, Wasserstraße, Veredelungsbetrieb, grüne Wiese, Mobilisierung der Holz-ressourcen, Brechung des Raumwiderstands, Melioration, Flurbereini-gung, Unkraut, Verhinderungsgetier usw. sind nicht wertneutral.

Die Umweltethik verhält sich auch kritisch gegen „Öko-Slang“, wie die Rede vom „Gleichgewicht der Natur“, von „intakten“ bzw. „gesun-den“ Ökosystemen, vom Schutz „evolutionärer Potenziale“ und der viel be-schworenen „Ganzheitlichkeit“. Auch der apokalyptische Tonfall in man-chen Verlautbarungen des Naturschutzes sollte kritisch reflektiert werden.

Ein ähnliches Problem der Sprachkritik entsteht, wenn sich in in-ternationalen politischen Kontexten ein diffuser umweltethischer Jargon einnistet. So wurde die undefinierte Vokabel vom intrinsic value der Bio-diversität, die sich in der Präambel der Biodiversitätskonvention findet, durch viele internationale Dokumente weitergereicht, bis sie schließlich sinngemäß im §1 des Bundesnaturschutzgesetzes auftauchte, in dem vom „eigenen Wert von Natur und Landschaft“ die Rede ist. Was unter dem intrinsischen Wert von Vielfalt genauer zu verstehen ist, bleibt unklar.

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Kulturtechniken

Naturlyrik von Beate Seitz-Weinzierl

Viele Menschen sehnen sich in einer Welt kalter Rationalität nach einem Ort unverstellter Gefühle, nach der Nähe zum wirklichen Leben. Gedichte sind Konzentrate von Gefühlen und Stimmungen. Deshalb ist die Lyrik gerade in Zeiten der Naturzerstörung und der immer größer wer-denden Kluft zwischen Natur und Zivilisation lebensnotwendiger denn je. Poetische Texte lassen uns mehr vom Leben spüren, lehren uns eine subtilere Wahrnehmung des Lebendigen, setzen ungeahnte Kräfte frei und können Starres in Bewegung bringen. Sie beflügeln uns, nehmen uns mit auf Ausflüge zum Nachdenken und Staunen und lassen uns klarer sehen: die Welt in ihrer Widersprüchlichkeit und die Kostbarkeit des Augenblicks, ohne das ganz normale Fiasko des Alltags auszusparen.

Poesie kann im Gegensatz zur rein naturwissenschaftlichen Erhe-bung eine ganz andere Dimension der Natur erfassen. Während in einem naturwissenschaftlichen Koordinatensystem nur die Materie in Form von Zahlen und mathematischen Formeln aufscheint, kann in der Lyrik die „Musik“ einer Landschaft eingefangen werden. Die Kraft der Poesie steigert die Naturwahrnehmung.

Gedichte können eine rein menschenbezogene Sichtweise der Natur aufbrechen und einladen, selbst ein Teil der „Erdgemeinschaft alles Lebendigen“ zu sein.

Und was könnte besser gegen die tägliche Abstumpfung und Un-achtsamkeit wirken als die sensible, sinnliche Sprache der Poesie? Insofern führt uns die Literatur zu Erkenntnissen und Lerneffekten, die durch keine andere Methode zu gewinnen sind. Neue Bilder der Lebensbewältigung und Naturwahrnehmung können dabei entstehen, die unsere unbewusste Sucht, Mittelpunkt sein zu wollen, überwinden helfen und zu einem behut-sameren Umgang mit Leben hinführen.

Gedichte können trösten. „Wer könnte leben ohne den Trost der Bäume?“ Allein die sprachliche Schönheit dieses Verses aus dem vielzi-tierten Gedicht von Günter Eich „Ende eines Sommers“ ist eine Labsal für die Seele.

Bilder der Natur werden auch häufig für das Älterwerden, dem-Tod-nahe-Sein und das Abschied nehmen bemüht. In Gottfried Benns Gedicht „Letzter Frühling“ werden ein letztes Mal die Forsythien und der Flieder beschworen, die Fülle des Lebens mit den Rosen im Juni ein letztes Mal auszukosten.

Und trotzdem: Wozu diese Sentimentalitäten, wird man-cher nüchterne Zeitgenosse fragen. Der Natur kann doch nur allein mit politischen Verhandlungen und entsprechenden Schutzprogrammen ge-holfen werden, so die landläufige Meinung vieler. Tatsache ist aber auch: Die Naturzerstörung beginnt im Kopf. Und wenn wir es nicht schaffen, die inneren Bilder des Menschen anzusprechen und damit die Naturbeziehung des Menschen zu emotionalisieren, dann wird unser Erfolg nicht nach-haltig sein.

Kulturtechniken

Katja Geiger

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Naturschutz in Europa

Wildnis in Europa von Zoltan Kun

Der frühe moderne Naturschutz in Europa reicht zurück an den Be-ginn des 20. Jahrhunderts, als im Jahr 1909 der Abisko Nationalpark in Schweden und 1914 der Schweizer Nationalpark gegründet wurden. Als die IUCN (International Union for Conservation of Nature) in den sieb-ziger Jahren ein Schutzgebietssystem entwickelte, wurde die Unausgewo-genheit zwischen modifizierten Landschaften und Wildnis deutlich.

Wildnis als weitläufige, vom Menschen unbeeinflusste Naturland-schaften gewinnt in Deutschland und Europa immer mehr an Gewicht. Die Vorstellung, dass wilde Gebiete und wilde Tiere wie Wolf, Luchs, Bär, Bison und Vielfraß auch in Europa wieder mehr Lebensraum finden, wird von vielen Menschen akzeptiert und befürwortet sowie von den einzelnen Staaten und der EU unterstützt.

Ungefähr 20 Prozent Europas stehen zurzeit mehr oder weniger unter Naturschutz. Im Gegensatz dazu, sind in Europa gerade mal 1 Pro-zent an Wildnis geschützt. Obwohl natürlich alle Schutzgebietsformen zum Schutz der biologischen Vielfalt beitragen, ist auch deutlich, dass der Großteil einem intensiven Management ausgesetzt ist.

Bis vor kurzem fand der Schutz von Wildnis kaum Beachtung in Europas Naturschutzstrategien. Der erste wichtige Schritt war 2008 eine Wildnisresolution an die EU, die von über 100 Organisationen unterstützt und unterschrieben wurde. Heute haben sich zahlreiche Länder zu ei ner umfassenden Wildnisstrategie bekannt. So sollen zum Beispiel in den nächsten 15 Jahren bis zu 2 % der Landfläche Deutschland und Österreichs als Wildnis zertifiziert werden. Andere Länder wollen diesem Vorbild fol-gen.

Kürzlich hat die European Wilderness Society in Zusammenar-beit mit anderen Naturschutzorganisationen ein System zur Prüfung und Standardisierung der Wildnisqualität in Europa vorgestellt („European Wilderness Quality Standards and Audit System“). Wildnis muss demnach

Naturschutz in Europa

EuropaschutzgebietSeit 1966 vergibt der Europarat in Straßburg das „Europäische Diplom für geschützte Gebiete“. 1986 wurde der Nationalpark Bayerischer Wald mit diesem Prädikat ausgezeichnet, 1990 der Nationalpark Berchtesgaden. Bereits Jahre zuvor – 1978 – war die „Naturerbe­Abteilung“ des Europarates auf das Natur­schutzgebiet Weltenburger Enge aufmerksam geworden und hatte es mit dem begehrten Naturschutz­Diplom prämiert. Auf diesen Lorbeeren können sich die Schutzgebiets­verwaltungen jedoch nicht lange ausruhen. Die ausgezeich­neten Gebiete müssen jedes Jahr einen Bericht vorlegen, alle fünf Jahre findet eine Begutachtung durch Experten statt. Europaweit gibt es über 70 Diplom­Schutzgebiete, darunter der Schweizerische Nationalpark. Zu den acht Gebieten in Deutschland gehört z.B. die Lüneburger Heide. Dass in Bayern alle drei Diplom­Schutzgebiete vom Bayerischen Staatsballett besucht wurden, ist eine ganz eigene Auszeichnung.

groß genug sein, um „ökologisch wirksame Abläufe von natürlichen Prozessen zu gewährleisten, die unbeeinflusst oder nur unwesentlich be-einflusst sind und ohne störende oder extrahierende menschliche Einflüsse und ohne Siedlungen, Jagd, Forstwirtschaft, sonstige Infrastruktur oder visuelle Beeinträchtigungen (...)“.

Dieses Wildnis-Qualitätssystem bildet nun die Grundlage für die Erfassung, Qualitätssicherung und Zertifizierung von derzeit fast 1 Mio. Hektar potentieller Wildnisgebiete in Europa.

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Naturschutz in Europa

“Ich finde Wildnis sehr, sehr aufregend. Darin herumzulaufen ist wie ein richtiges

Abenteuer, man kann so viel entdecken und sehen, es ist fast wie eine Märchenwelt, so voller Geheimnisse. Es ist wunderschön.”

Katja Geiger (USA/Deutschland)

Naturschutz in Europa

Europäischer Naturschutz

von Hubert Faltermeier

Das Naturschutzgebiet „Weltenburger Enge“ wurde 1978 mit der Verleihung des „Europadiploms“ durch den Europarat in seiner interna-tionalen Bedeutung gewürdigt. Darüber hinaus wurde das Gebiet in das europaweite Schutzgebietsnetz „Natura 2000“ aufgenommen. Seit Mitte 2002 wird für das „Europaschutzgebiet” über Fördermittel des Bayerischen Naturschutzfonds und der Europäischen Union (ESF) ein Gebietsbetreu-er beschäftigt. Ziel des Projektes ist es, das Konfliktpotential im Natur-schutzgebiet aus jährlich über 500 000 Besuchern einerseits und einer sen-siblen, europaweit bedeutsamen Natur- und Kulturlandschaft andererseits zu verringern.

Der Landschaftspflegeverband Kelheim VöF e.V. (VöF = Verein zur Sicherung ökologisch wertvoller Flächen) setzt im Auftrag der Behörden Naturschutzkonzepte um, z.B. auf Grundlage der Natura 2000-Manage-mentpläne, oder in den insgesamt 12 Naturschutzgebieten im Landkreis Kelheim.

Im Naturschutzgebiet „Weltenburger Enge“ sind die Kulturland-schaft mit dem Kloster Weltenburg und der Befreiungshalle sowie die Wildnis im Naturwaldreservat zusammen mit der frei fließenden Donau und den bizarren Felsformationen in einem außergewöhnlichen Ensemble verzahnt.

Ein besonderer Schwerpunkt im Naturschutzgebiet „Weltenburger Enge“ liegt auf Maßnahmen zur Freihaltung der Felswände und Felsköpfe. Ziel dieser Maßnahmen ist es, die geschützten, an extreme Temperaturen angepasste Felslebensgemeinschaften zu fördern sowie das charakteris-tische Landschaftsbild mit unbewaldeten Felsformationen, eingebettet in Schlucht- und Hangmischwälder, zu erhalten bzw. wiederherzustellen. Davon profitieren die Felsaurikel, der Diptam, aber auch die hier brü-tenden Uhus und Wanderfalken.

Der VöF wurde 1985 als erster Landschaftspflegeverband in Bay-ern auf Landkreisebene mit Unterstützung der Regierung von Niederbay-ern, der Naturschutzverbände (Bund Naturschutz, Landesbund für Vo-gelschutz, Deutscher Alpenverein, Kreisfischereiverein, Kreisjagdverband)

in Kelheim

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und des Bayerischen Bauernverbandes gegründet. Das Neue daran war der gleichberechtigte Zusammenschluss von Naturschützern, Landwirten und Kommunalpolitikern zur praktischen Umsetzung naturschutzfachli-cher Planungen und umweltverträglicher Landnutzungskonzepte auf rein freiwilliger Basis. Dieses gemeinsame Bündnis in Kombination mit unse-rem Prinzip der Freiwilligkeit öffnete viele Türen und ist letztendlich der Schlüssel zu unserem Erfolg.

Naturschutz in Europa

Natura 2000Naturschutz war lange eine Frage des Möglichen, das heißt, Pflanzen, Tiere, Lebensräume wurden vor allem dort geschützt, wo es keine anderweitigen Interessen gab. Doch es gibt auch eine andere Strategie. Die Frage lautet jetzt nicht mehr, welcher Natur­schutz ist möglich, sondern welcher Naturschutz ist nötig? Arten und Lebensgemeinschaften, die im europäischen Vergleich etwas Besonderes darstellen, sollen unabhängig von den unterschiedli­chen Interessen geschützt werden. Das Zauberwort, welches dies möglich macht, heißt Natura 2000. Es steht für ein länderübergreifendes, europaweites Schutzgebietsnetz und setzt sich zusammen aus der europäischen Vogelschutzrichtlinie (1979) und der Flora­Fauna­Habitat­Richtli­nie (FFH, 1992). Die Reihenfolge kommt nicht von ungefähr, denn am Anfang stand die Feststellung, dass sich Kranich, Blaukehlchen und Co. nicht auf bestimmte Schutzgebiete beschränken lassen. Ähnlich ist es bei Lebensgemeinschaften, die sich dort entwickeln, wo die standörtlichen Voraussetzungen vorhanden sind und nicht dort, wo zufällig gerade keine andere Landnutzung möglich ist. Der besondere Charme von Natura 2000 ist, dass viele Arten und Lebensgemeinschaften nicht trotz, sondern wegen bestimmter Nutzungsmethoden gedeihen. Extensiv genutzte Wiesen, Trockenrasen, spezielle Waldformen können nur mit pfleg­licher Nutzung existieren. Mahd, Beweidung und Einzelstamm­holznutzung prägten die Kulturlandschaft seit Jahrhunderten. Natura 2000 bewahrt Natur und Kultur Europas gleichermaßen.

Naturschutz in Europa

Carlos Salcedo de Zarraga im Naturschutzgebiet Weltenburger Enge

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Lisa Gareis und Devon Carbone

“Wir haben zwar Fenster in unseren Tanzsälen, aber wir sind trotzdem fast den

ganzen Tag drinnen. Ich ge­nieße deshalb jede Minute an der frischen Luft. Man kann die Sonne und die Natur ge­nießen. Das empfinde ich als sehr stärkend und konzentra­tionsfördernd. Die Natur ist

immer noch die beste Inspira­tion für die Kunst, glaube ich.“

Devon Carbone (USA)

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Ein Paradies von Heinz Grunwald

Das Südseeflair von einst lässt sich noch immer erahnen. Zwar ist das

Wasser der Donau kalt und die Korallen und Schwämme sind verschwun-den, doch versteinerte Weichtiere, frühe Verwandte der Tintenfische, fin den sich noch häufig in der Gegend um Kelheim. Und subtropisches Perlgras leuchtet von weitem vor den wuchtigen Felsen, den einstigen Kalk-Riffen, die vor Millionen Jahren aus einem flachen und einst sehr warmen Meer ragten.

Eine halbe Million Menschen wandern jedes Jahr auf den Wald- und Höhenwegen zum Kloster Weltenburg. Und im Sommer sind die Schiffstouren dorthin oft ausgebucht. Im Sonnenuntergang durch die Weltenburger Enge, ganz nah an den kantigen Felsen vorbei, da kommt auch mancher Dreizehnjährige ins Staunen, der sonst Klassenfahrten eher ätzend, auf jeden Fall uncool findet.

Wenn man dann noch Jäger und Fischer, Kletterer und Vogel-schützer, Bund Naturschutz und Bauernverband an einem Tisch versam-melt findet, dann weiß man: Die Weltenburger Enge ist und bleibt ein Paradies.

Ein Paradies, um das uns Niederbayern die anderen Bezirke Bayerns beneiden. Neben Fördermitteln des Bayerischen Naturschutz-fonds gibt es auch europäische Fördermittel für das große Ziel, die Natur-schönheiten rings um Kelheim möglichst vielen Menschen zugänglich zu machen, aber dennoch so viel Natur wie möglich zu schützen.

Naturschutzgebiet Weltenburger EngeDas Naturschutzgebiet „Weltenburger Enge“ (1938) ist eines der ältesten von fast 600 Naturschutzgebieten des Freistaats. Es ist Teil des „Naturparks Altmühltal“ (1995), der mit über 3000 km2 der zweitgrößte von 18 Naturparks in Bayern ist. Zusammen mit dem benachbarten Naturschutzgebiet „Hirschberg und Altmühlleiten“ ist es als Flora­Fauna­Habitat­Gebiet Teil des europäischen ökolo­gischen Netzes Natura 2000. Bereits 1978 wurde das Gebiet durch den Europarat mit dem „Europäischen Diplom für geschützte Gebie te“ ausgezeichnet.

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Ein anderes Lebenvon Sabine Kuegler

So gewöhnen wir uns langsam an unser neues Leben, oder besser gesagt, an das tägliche Überleben. An ein Dasein im Urwald, das sich grundlegend von dem Leben in Europa unterscheidet. Heute weiß ich, dass es vollkommen unterschiedliche Welten sind, zwei Planeten, mehr noch, zwei verschiedene Galaxien.

Natürlich leben hier wie dort Menschen, die essen, trinken und schlafen müssen. Wir alle sehen, riechen, fühlen, schmecken, lieben und hassen, zeugen Kinder und sterben. Doch da, so scheint mir, enden die Gemeinsamkeiten. Das Leben hier ist für mich wie ein Tornado, es kommt und saugt mich auf, nimmt mich mit, wirbelt mich voller Hast und Hektik herum, bis ich den Eindruck habe: Die Zeit dreht sich schneller, als ich selbst mich drehen kann.

Mir ist bewusst, dass meine Urteile vielleicht zu pauschal und nicht unbedingt neu sind, aber immer mehr bekam ich das Gefühl: Die Menschen in unserer westlichen Welt leben im Großen und Ganzen nur für sich selbst, für ihr eigenes Wohlbefinden – und können es doch nicht erlangen. Heute kann ich mich hiervon natürlich nicht mehr ausnehmen. Man geht morgens zur Arbeit, kommt abends müde nach Hause. Am Ende des Monats zahlt man alle Rechnungen und legt das Wenige, das übrig bleibt, auf ein Sparkonto. Vom Ersparten leistet man sich einen Urlaub, um der Hektik des alltäglichen Lebens wieder von neuem gewachsen zu sein, und immer so fort.

Natürlich haben wir hier sehr viele Annehmlichkeiten, die auch mich über die Jahre zu einer verwöhnten Person gemacht haben: Im-mer fließend warmes Wasser, Supermärkte, wo ich alles, was ich begehre, kaufen kann. Elektrizität, Telefon, Fernsehen, Internet, E-Mail und vieles mehr – nicht zu vergessen die medizinische Versorgung.

Und doch liege ich abends oft im Bett und sehne mich nach meinem Dschungel, sehne mich nach der Stille und dem Frieden. Ich seh-

Internationale Stimmen

ne mich danach, barfuß zu laufen, keine Schminke zu tragen, keine Ter-mine wahrnehmen zu müssen, bei denen ich rechtzeitig erscheinen muss. Morgens wach zu werden und die süße Luft des Urwalds einzuatmen. Eine Sonne zu fühlen, die immer am Himmel strahlt, Bäume zu sehen, die im-mer grün bleiben, und wunderschöne weiße Wolken, die langsam über den unendlich blauen Himmel schweben.

“Wildnis heißt, den Wald zu erleben, den Boden zu riechen, die ganzen Geräusche zu hören, die man in der Stadt nicht mehr hören kann. Wildnis, das heißt auch, Stille zu genießen und

in der Stille plötzlich neue Geräusche zu hören, die Vögel, den Wind. Und nachts, wie wir’s gestern erlebt haben, einfach in die

Sterne zu gucken, ohne störendes Licht von den Städten; den Sternenhimmel zu entdecken, unendlich groß. Wenn man aus

dem Wald in die Sterne schaut, wird einem wieder bewusst, wie klein man eigentlich ist.“

Marc Geifes (Deutschland)

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Dazu gehören von Sharon Shay Sloan

Ich stamme ursprünglich aus Santa Cruz in Kalifornien. Die Stadt liegt

am Fuß der Berge direkt am Meer. Als ich noch Kind war, zogen wir in den Süden des Bundesstaates, wo ich vorübergehend in einer Wüstenlandschaft aufwuchs, bevor wir wieder an die Monterey Bay zurückkehrten. Wüste, Meer und Berge sind deshalb die drei Landschaften, die für mich heute Heimat bedeuten.

Als ich älter wurde, begann ich, viel Zeit in Wildnisgebieten zu verbringen. Manchmal war ich wochenlang dort draußen, bevor ich wieder in die Stadt zurückkehrte. Ich spürte, dass das etwas mit mir machte, dass ich mich veränderte. Ich hatte mich an eine andere Art zu leben erinnert. Das macht mich neugierig: Was erwacht da in mir, wenn ich Wildnis er-lebe? Ich glaube, es ist eine Erinnerung daran, wer ich bin, wer wir sind, und woher wir stammen. Wir haben unseren Ursprung in der Wildnis, nicht in der Stadt. In der Stadt können wir uns anderer Seiten bewusst werden, besonders der menschlichen Kultur. Aber das Bewusstsein unserer Evolution über Millionen Jahre hinweg, das Bewusstsein, dazu zu gehören, eines Daseins am Lagerfeuer; das wird nur in der Wildnis wieder lebendig.

Meiner Meinung nach brauchen wir aber genau dieses Bewusst-sein in der heutigen Zeit. In dieser Ära, wo immer mehr von uns in Städten leben, brauchen wir die Erinnerung, um gut in den Städten und in einem Staat leben zu können, um überhaupt gut leben zu können und uns unseres Menschseins bewusst zu bleiben. Auch, um in Bezug zum Lebendigen zu bleiben, zum Wasser oder zu der Luft, die wir atmen. Wir brauchen das Bewusstsein, um hier eine gesunde Balance zu halten und um uns als hu-maner Teil des Ganzen zu verhalten.

Das haben wir in der Geschichte nicht immer so gut hin bekom-men. Wir haben den Bezug dazu verloren, wo unser Essen und unser Was-ser herkommen, und manchmal auch dazu, wo unser eigener Ursprung liegt. Ich halte das für gefährlich. Für mich ist die Verbindung zur Wildnis elementar für mein Wohlergehen, für unser Wohlergehen und das unseres Planeten. Wir werden nur dann richtig mit allem umgehen, wenn wir uns unserer Beziehungen bewusst sind.

Internationale Stimmen

Wildnis internationalvon Vance Martin

Die Wildnisstiftung “WILD Foundation” ist das Herz der globalen

Wildnisbewegung. Sie wurde 1974 in Südafrika ins Leben gerufen, wo Dr. Ian Player (ein Ranger englischer Abstammung) und sein Mentor, der Zulu Magqubu Ntombela, erstmals Safari-Wanderungen und so genannte “Wil-derness trails” durchführten. Sie taten es in dem Bewusstsein, dass dies die beste Art ist, Menschen mit sich selbst, miteinander und mit der Natur in Verbindung zu bringen.

Worin liegt der Wert einer geschützten Wildnis? Stellt man diese Frage einem Naturschützer mit Hintergrund in Biologie, antwortet er ver-mutlich etwas wie „biologische Intaktheit“ und „Ökosystemfunktionen“. Befragt man einen Mitarbeiter der Naturschutzbehörde, werden sozio-ökonomische Aspekte wie Erholung und Subsistenz bei seiner Antwort im Vordergrund stehen. Eine andere Gruppe wiederum reklamiert Inspira-tion, Schönheit, Zauber und Spiritualität als Motive.

Was sollten also die Ziele einer Schutzbewegung sein? Für die Wildnis-Stiftung lautet die Antwort klar: alle genannten. Die WILD Foun-dation hat sich für eine dreidimensionale Herangehensweise entschieden, die biologische, sozio-ökonomische und spirituelle Motive verfolgt.

Von ihren Anfängen im afrikanischen Busch hat sich die Stiftung zu einer kleineren gemeinnützigen Organisation mit Sitz in den USA ent-wickelt. Sie verfügt über ein weites internationales Netzwerk und eine lange Erfolgsgeschichte, die vor allem auf dem grenzüberschreitenden koopera-tiven Einsatz für Wildnis und wilde Tierarten basiert.

Obwohl ich die Erfahrung von 30 Jahren Erkundung und Schutz von wilden Landschaften zu Land und zu See und bis in die hintersten Win-kel von über 60 Nationen habe, war ich begeistert, als ich in Deutschland etwas völlig Unerwartetes entdeckte. In dieser intensiv genutzten Land-schaft und dieser effektiven, aber auch kreativen Kultur stieß ich auf einen wachsenden Trupp von Naturschützern, die sich dem Erhalt von Wildnis verschrieben haben, und die Lösungen entwickeln, wie man deren Wert auch einer modernen, industrialisierten Gesellschaft vermitteln kann.

Es sind diese zwei Bedingungen, die grundlegend sind, um Wild-nis in terrestrischen oder marinen Ökosystemen, in modernen oder tradi-

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tionellen Gesellschaften, in entwickelten oder sich entwickelnden Ländern zu schützen: Der passionierte Einsatz von mit ihr verbundenen Menschen unter Zuhilfenahme kulturellen Fortschritts, um Bewusstsein und Ver-ständnis zu erzeugen.

Vor zehn Jahren erlebte ich mit Staunen und Freude ein wunder-volles, grundlegendes Engagement dieser Art, den Auftritt „Ballett und Wildnis“ des Bayerischen Staatsballetts. Ich besuchte die Freiluft-Veran-staltung im Nationalpark Bayerischer Wald und machte bei dieser Gele-genheit auch einen Abstecher ins „Haus zur Wildnis“.

Es war atemberaubend, eine Weltklasse-Erfahrung: Hier hatten Naturschützer eines der besten Wildnis-Informations-Center aller Länder auf die Beine gestellt, und draußen fand unter dem Dach der weisen, alten Baumahnen eines der innovativsten kulturellen Ereignisse statt, das Men-schen den Wert der Wildnis vermitteln kann. Der Geist der Wildnisbewe-gung lebt! Dieses Erlebnis – Bildung, Information und Darbietung in der Umgebung eines Parks, dessen Wildnis gerade wieder zurückkehrt, weil man die Management-Philosophie “Natur Natur sein lassen” verfolgt – war eines der Highlights meines Lebens und meiner Berufslaufbahn.

Internationale Stimmen

“Die Klänge des Frühlings, die Freiheit des Sommers, die Annehmlichkeiten des Herbstes und die heilsame

Wirkung des Winters, all das bringe ich mit Wildnis in Verbindung. Für einen Stadtmenschen wie mich bedeu­

tet Wildnis auch Harmonie und Ruhe. Wildnis inspi­riert mich und bringt mir Kraft, gibt mir gleichzeitig

aber auch ein Gefühl für das rechte Maß, macht mich irgendwie bescheidener.”Bruce McCormick (USA)

Internationale Stimmen

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Wildnis in USAvon Liz Close

Wir alle brauchen die Natur, denn wir alle sind Natur! In unserem

Kontakt mit unserer lebendigen Umwelt erleben wir Schönheit, Wunder und die ursprüngliche Kraft des Lebens. Indem wir Wildnisgebiete als sol-che schützen und den Kräften der Natur dort Vorrang einräumen, geben wir uns die Chance, hier eine elementare Verbindung zur Natur aufzuneh-men.

Die USA begehen in diesem Jahr den 50. Jahrestag der Unter-zeichnung ihres Wildnisgesetzes von 1964, mit dem das nationale Wild-nis-Schutzgebietssystem errichtet wurde. Die einzelnen Wildnisgebiete befinden sich in öffentlicher Hand und werden gemanagt als „ein Gebiet unerschlossenen staatlichen Landes von ursprünglichem Charakter und Einfluss und ohne dauerhafte Erschließung oder menschliche Besiedlung, das so gemanagt wird, dass seine natürlichen Bedingungen erhalten blei-ben...“.

Als das Wildnisgesetz 1964 verabschiedet wurde, wurden mit einer Unterschrift des Präsidenten neun Millionen Morgen Land (über dreiein-halb Millionen Hektar) zu Wildnisgebieten erklärt. Heute sind bereits fast 110 Millionen Morgen geschützt. Sie werden von Menschen besucht, die solche Gebiete erleben wollen, in denen die Natur das Regime behält.

Der US Forest Service, den ich repräsentiere, verwaltet den Großteil der Wildnisgebiete in den USA (439 von 758). Unsere Aufgabe ist die Erhaltung der Vielfältigkeit, der Gesundheit und der Produkti vität der Wälder und Grünländer der Nation zum Wohl der gegenwärtigen und zukünftigen Generationen. Den Wildnisgebieten kommt hierbei eine zunehmend wichtige Bedeutung zu.

Allerdings ist es nicht immer notwendig, die Wildnis zu besuchen, um sich mit der Natur in Verbindung zu bringen. Viele Menschen freuen sich schon, wenn sie davon erfahren, dass es solche Gebiete geben darf, und dass diese auch unter der besonderen Obhut des Staates sind.

Der 50. Jahrestag des Wildnisgesetzes hat eine Fülle von künstle-rischen Projekten hervorgebracht, es gibt Aktionstage, Veranstaltungen in den Gemeinden und Wildniswanderungen. Wir bringen uns diese Welt näher, indem wir ihre Schönheit und ihre Wunder auch in der Kunst aus-drücken. Wir alle brauchen die Natur – denn wir alle sind Natur. Lasst uns zusammen – Amerika und Bayern – diese Verbindung mit der Natur, mit der Wildnis zelebrieren.

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Mesa Arch, Canyonlands, Utah, USA

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Wildnis und EinsamkeitDer erste Nationalpark der Welt wurde 1872 in den USA, am Yellow­stone River in den Rocky Mountains eröffnet. An seinem nördli­chen Eingang prangt auf einem steinernen Portal die Inschrift: „Zum Nutzen und zur Freude der Bevölkerung.“ Die Bevölkerung ließ sich das nicht zweimal sagen, reiste zu Tausenden und bald zu Millionen an. Die Infrastruktur der neuen Parks musste mit Straßen und Übernachtungskapazitäten massentauglich gemacht werden. Vielerorts ging dadurch der authentische Charakter der Wildnis verloren. Einem Angestellten der Forstbehörde behagte diese Ent wicklung gar nicht. Aldo Leopold, einer der Pioniere des Wildnisschutzes in Amerika, stellte 1921 fest, dass es zwei Ar­ten von Wildnisliebhabern gibt. „Die Mehrheit möchte ganz zweifellos all die Autostraßen, Hotels, ausgebauten Wander­wege und all die anderen Be­quemlichkeiten. Die Bevölkerung soll diese Annehm l ichkeiten schnell bekommen, so schnell wie Unternehmergeist und Finanz­mittel es gestatten. (...) Aber eine substanzielle Minderheit möchte genau das Gegenteil.“ Wildnis bedeutete für Leopold ein „ausgedehntes Land­schaftsgebiet, das in seinem natürlichen Zustand geschützt ist, (...) in dem Jagen und Angeln erlaubt sind, und das groß genug ist, um einen zweiwöchigen Wanderritt aufzunehmen“. Außerdem soll te

Internationale Stimmen

das Gebiet „keine Straßen und künstlich angelegte Wege oder an­dere von Menschen gemachte Bauwerke haben“. Nach Jahrzehnten der Lobbyarbeit wurde am 3. Septem­ber 1964 das amerikanische Gesetz zum Schutz der Wildnis, der „Wilderness Act“, verabschiedet und von US­Präsident Johnson un­terzeichnet. Darin heißt es: „Als Wildnis wird anerkannt, wenn dort – im Gegensatz zu Gebieten, in denen Menschen und ihre Werke die Landschaft dominieren – die Erde und die Gemeinschaft des Le­bendigen von Menschen nicht beeinträchtigt werden, der Mensch dort nur als Besucher verweilt und sich darin nicht dauerhaft auf­hält.“ Und: Wildnis sollte „ausgezeichnete Möglichkeiten bieten zum Erleben von Einsamkeit“. Diese Formulierungen wurden bei einer Generalver­sammlung der IUCN (Internationale Union zum Schutz der Na­tur) in Madrid im Jahr 1984 zur Vorlage genommen für die neue Schutzkategorie „Wildnis“, die definiert wird als „ausgedehnte ur­sprüngliche oder (nur) leicht veränderte Gebiete, die ihren natür­lichen Charakter bewahrt haben, in denen keine ständigen oder bedeutenden Siedlungen existieren“. Außerdem sollen die Wildnis­gebiete “ausgezeichnete Möglichkeiten für das Erleben von Wild­nis und Einsamkeit beim Aufsuchen des Gebietes bieten“, und zwar nur „mit einfachen, leisen und unaufdringlichen Beförderungsmit­teln“. Erlebnishungrige Naturtouristen, die keinen Rummel in der Natur mögen und die bereit sind, auf Komfort zu verzichten, sind mitsamt ihren Rucksäcken, Reitpferden und Kanus willkommener Bestandteil des internationalen Wildnisgedankens. Allerdings soll­ten sie sich vor ihrem Ausflug bei den Schutzgebietsverwaltungen nach geltenden Regelungen erkundigen.

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Reflexionen eines Wildnisfansvon Wolfgang Schröder

„There are some who can live without wild things, and some who cannot.“ 1) Aldo Leopold, Ikone der Wildnisbewegung und Vater meiner Disziplin, der Wildbiologie, bringt es auf den Punkt. Auch ich bin Wild-nisfan. Schon während meiner Doktorarbeit war die Freude an der in den sechziger Jahren noch jungen theoretischen Ökologie, angewandt auf das Leben der Gämsen, nur die halbe Wahrheit. Mir ging es auch um das draußen sein im Gebirge, im Hochschwab in meiner steirischen Heimat, im Zelt, im Sturm, im Schnee.

Später zog es mich forschend in die kanadische Arktis, wo ich ei-nen alten Inuit auf Fisch- und Jagdzügen begleitete, in seinem Zelt schlief, wo der einzige Mückenschutz im rituellen Entzünden einer Kerze vor dem Einschlafen bestand.

Als teilnehmender Beobachter ritt ich mit einem Outfitter in das Herz der Bridger-Teton-Wilderness nahe dem Yellowstone Nationalpark. Dort half ich für die kommende Jagdsaison ein Zeltcamp einzurichten, in das später Wapiti- und Schwarzbärjäger kommen würden. Ich wollte die Jagd in Wildnisgebieten kennenlernen – nach amerikanischem Verständ-nis sind Jagd und Wildnis kein Widerspruch. Es gibt aber Beschränkungen: Pferd ja, Quad nein, Axt ja, Motorsäge nein; nur Totholz für Zeltstangen und Feuerholz. Stets blieb eine Person im Camp: wir waren in Grizzly-Country.

Es dauerte eine Weile, bis ich das Wesen von Wildnis für mich ver-stand. Es ist nicht die unberührte Natur, jene Projektion, die es nicht mehr gibt, nicht in Nordamerika und erst recht nicht in Europa. Wildnisem-pfinden stellt sich ein, wenn der Kontrast zu der von Menschen geprägten alltäglichen Welt ausreichend groß ist, längs des Gradienten naturfern – naturnah, und die Zeit sich dehnt. Dann ist Raum, Erhabenheit zu empfin-den. Um mit dem Fotografen Ansel Adams zu sprechen: „In truth, Wilder-ness is a state of mind and heart.“

1) „Es gibt Menschen, die ohne die freie Natur und ihre Wesen leben können, und andere, die das nicht können“. Erster Satz aus „A Sand County Almanac“ von Aldo Leopold, in Deutsch erschienen als „Am Anfang war die Erde“.

Wildnisempfinden ist subjektiv, ist eine Funktion der individuel-len Prägung. Für mich als Mitteleuropäer ist die Bootsfahrt auf dem Por-cupine River im Norden des Yukon eine Wildniserfahrung: Vorbei ziehen schlanke Taigafichten, Eis glitzert im Permafrost an den Prallhängen des Flusses, Nordlicht in der Nacht, selten eine Spur von Menschen. Kenny Tetlichi, dem Kuchin-Indianer, meinem Partner, ist die Gegend vertraute Heimat.

Wer heute aus der als Gegenwelt erfahrenen Wildnis zurückkehrt, er-lebt einen Kulturschock. Bewusst wird einem die Verdrängungsleistung, die es uns erlaubt, die Widersprüche unserer Welt auszuhalten. In dieser Erkenntnis gewinnt Wildniserfahrung gesellschaftliche Bedeutung.

Internationale Stimmen

“Als Tänzerin will ich den Menschen Träume geben.

Auf der Bühne muss ich dazu inspirierend und überzeugend sein. Auch deshalb ist Rege ne­ration nach der Spielzeit für mich so wichtig. Am besten erhole ich mich daheim in

Südfrankreich, wo der Him­mel so weit ist, wo es nach

Meer duftet und die Zikaden zirpen.”

Séverine Ferrolier (Frankreich)

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Schlussakkord

Mensch und Natur von Michael Apel

„Mensch und Natur?“ – ähnlich wie „Ballett und Wildnis“ scheint uns dieses Begriffspaar zunächst gegensätzlich und löst nicht selten fra-gende Blicke aus. Und so ist man als Leiter eines „Museums Mensch und Natur“ gewohnt, Erklärungen zu dessen Namen abzugeben. Unter einem Naturkunde-, einem Technik-, Geschichts-, Heimat- oder Kunstmuseum kann sich jeder etwas vorstellen. Mensch und Natur scheint dagegen er-klärungsbedürftig zu sein. Und dabei ist es doch so einfach.

Norbert Graf

Kaum jemand wird bestreiten, dass der Mensch aus Atomen und Molekülen besteht, dass in seinem Inneren chemische und physikalische Prozesse ablaufen, die den allgemein gültigen Naturgesetzen gehorchen, und dass wir ein gemeinsames biologisches Erbe mit den anderen Orga-nismen auf diesem Planeten teilen. Wir essen, wir atmen und wir pflanzen uns fort wie ganz normale Säugetiere, und die moderne Genetik hat uns gelehrt, dass unser Erbgut zu mehr als 99 % mit dem unserer nächsten Verwandten, den Schimpansen, übereinstimmt.

Dass wir „Natur“ sind, ist damit eigentlich klar. Warum erscheint uns aber dann das oben genannte Begriffspaar als Gegensatz? Offen-sichtlich wollen wir eben nicht „nur“ Natur sein – auch wenn sich der Slo-gan „zurück zur Natur“ so gut verkauft. Viel zu stolz sind wir auf unsere kulturellen Leistungen wie Technik, Musik oder Poesie und viel zu sehr schämen wir uns unserer „gegen die Natur“ gerichteten Aktivitäten wie dem Massenmord an der eigenen Art oder der Zerstörung unserer Um-welt.

Und tatsächlich haben wir Menschen eine Sonderstellung, die so weit geht, dass einige Wissenschaftler bereits vom Erdzeitalter des „Anthro-pozäns“ sprechen. Es gibt keinen Ort auf der Oberfläche unseres Planeten, der nicht direkt oder indirekt vom Wirken des Menschen beeinflusst ist, und selbst das Klima und die Chemie der Ozeane werden zunehmend von uns verändert. Wir sind daher zwar Teil der Natur, tragen aber gleichzeitig eine Verantwortung für diese wie kein anderes Wesen auf diesem Planeten.

Und das ist es auch, was uns im Museum Leitschnur und roter Faden ist. Mensch und Natur sind für uns keine Gegensätze, sondern zwei Seiten der gleichen Medaille. Der Mensch ist immer gleichzeitig Orga-nismus und Kulturwesen, und nur wenn ich diese beiden Aspekte als un-trennbar verbunden betrachte, werde ich unserer Natur gerecht. In diesem Sinne wünsche ich dem Projekt Ballett und Wildnis, dass es das Seine dazu beiträgt, die künstliche Trennung zwischen Natur und Kultur zu über-brücken und uns selbst als Teil eines großen Ganzen zu sehen.

Schlussakkord

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Schlussakkord

Synästhesie der Wildnisvon Gerhard Trommer

Der zivilisierte Mensch kann zwar nicht mehr verwildern, aber er

kann noch in die Wildnis aufbrechen, straßenfrei ohne Fahrzeuge, versteht sich, um dort sein Ausgesetztsein zu erfahren und im Kontrast zur Zivilisa-tion die synästhetische Wahrnehmung der Eigenart, Schönheit und Span-nung ungestalteter und unberechenbarer Natur (Synästhesie = „gleichzei-tige Wahrnehmung“, z.B. von ästhetischen und körperlichen Eindrücken und Erlebnissen).

Der zivilisierte Wanderer bleibt aber nicht in der Wildnis. Sein Kontakt mit Wildnis ist vorübergehend. Gerade weil er dort nicht überle-ben muss, entfaltet sich sein Geschmack an zivilisationsloser Freiheit, zivi-lisationsloser Schönheit, Unbändigkeit und Unabhängigkeit frei und auf Zeit, und in Spannung dazu auch an Erfahrung elementarer Verletzlichkeit und Begrenzung seines individuellen Lebens.

Wie sollen Zivilisierte herausfinden können, wie zivilisiert sie schon sind, wenn dem bisschen Wildnis, das wir noch oder wieder ha-ben könnten, technische Infrastruktur, ja sogar „Event-Lokationen“ wie Baumkronenpfad-Architektur, gebaute Erlebniscamps, Fahrwege aufge-setzt werden? Diese Frage stellt sich vor allem in Deutschland, weil hier doch erst vor ein paar Jahrzehnten begonnen wurde, sich der Imagination von Wildnis neu anzunähern.

In Nationalparks wird auch bei uns für Wildnis geworben. Wil-de Natur soll durch aufwändige Erschließungsmaßnahmen wie Straßen, Parkplätze, Besucherzentren, Aussichtspunkte einem großen Publikum zugängig gemacht werden, weil viele Menschen eine hohe Besucherquote versprechen und eine hohe Besucherquote politisch als Maß der Akzeptanz und Zustimmung gilt.

Hierbei ist daran zu erinnern, dass der Gedanke, Wildnisgebiete auszuweisen, historisch nicht in Nationalparks, sondern in unzugängli-chen, stillen Forstreservaten entstanden ist, als Gegenbewegung zur Er-schließung der US-amerikanischen Nationalparks für den automobilen Massentourismus.

Ein dichtes Forstwegenetz aber, das heute selbst in wilden Kern-zonen deutscher Nationalparks zu finden ist, stört die Wahrnehmung von

Wildnis. Wanderer werden häufig durch Besucherlenkungsmaßnahmen auf Forstfahrwege abgedrängt, weil ein Forststraßenwanderer besser un-ter Kontrolle gehalten werden kann als einer, der sich im Wilden ver läuft. Wird jedoch nicht mit jeder befahrenen Forststraße ästhetischer Sinn ab-gestumpft? Wie können Wanderer, wie können mitgeführte Kinder auf breiten Schotterwegen im Wald in unmittelbaren Kontakt zur Natur kom-men, wenn diese doch nur randständige Kulisse und relativ weit weg ist?

Wie können Menschen Natur und Landschaft genießen, wenn auf den Schotterpisten Fußsohlen, Gelenke und Skelettmuskulatur durch die Eintönigkeit des Gehens ermüden? Brauchen wir nicht synästhetisch wirk-same schmale Pfade und Steige, die zu unmittelbarem Kontakt zur Natur durch Wildnis führen?

Schlussakkord

“Wildnis ist etwas ganz besonderes. Ich merke auf einmal, dass wir uns an so viele Dinge gewöhnt haben, die Luxus sind, die wir ab­

solut nicht brauchen. In der Stadt bilden wir uns ein, wir brauchen dieses und jenes. Es ist eine tolle Erfahrung, wenn man erlebt, wie

wenig wir doch brauchen, um wirklich glücklich zu sein.” Vincent Loermans (Holland)

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Schlussakkord

Eine Hälfte für die Naturvon Vance Martin

Etwa 17 Prozent der terrestrischen und zehn Prozent der marinen

Ökosysteme stehen aktuell unter Schutz. Wie viel mehr sollten wir anstre-ben? Diese Frage wird vor allem von der Politik behandelt, was dazu führt, dass es eher darum geht, wie viel möglich ist, als darum, wie viel sinnvoll wäre.

Leider müssen wir immer wieder feststellen, dass uns diese Herangehensweise nicht weiter bringt. Wir erleben eine sich zuspitzende globale ökologische Krise, die sich in einem Verlust an natürlichen Le-bensräumen und Ökosystem-Leistungen, am wachsenden Aussterben von Arten und einer zunehmenden Erwärmung der Atmosphäre zeigt. Sie hält uns vor Augen, dass unsere bisherigen Schutzbemühungen nicht ausrei-chend waren, um das Leben auf der Erde nachhaltig zu sichern. Also noch mal: Wie viel Schutz sollten wir anstreben?

Die Frage muss anders gestellt werden, denn Schutz der Natur funktioniert nur in Wechselwirkung zwischen Menschen und der Umwelt. Betrachtet man das Ganze wie eine zwischenmenschliche Beziehung, dann wird schnell klar: Der Weg, eine wechselseitige Verbesserung zu erreichen, beginnt damit, den Partner nach seinen Bedürfnissen zu fragen. Wissen-schaftliche Erkenntnisse aus den letzten 20 Jahren kamen übereinstim-mend zu dem Ergebnis, dass die Natur den Schutz und die Verknüpfung von ungefähr der Hälfte aller natürlichen Lebensräume braucht, um ihre – lebenswichtigen! - grundlegenden ökosystemaren Dienste und evolu-tionären Prozesse weiter erfüllen zu können.

Um dieser Anforderung gerecht zu werden, entwickelte der World Wilderness Congress (WILD) seine Vision „Eine Hälfte für die Natur“ (Nature Needs Half, NNH). Sie wurde in Mérida, Mexiko, bei WILD 9 vorgestellt und bei WILD 10 in Salamanca 2013 weiter vertieft. Das Ziel ist hoch gesteckt.

In Nordamerika hat sich die amerikanisch-kanadische Initiative „Y2Y“ (Von Yellowstone bis Yukon) gegründet, die die natürlichen Prozesse der Gebirgslandschaften zwischen dem Yellowstone National Park und dem Yukon erhalten will. Es geht um den großräumigen Erhalt der genetischen und der funktionalen Integrität der Tiere, Pflanzen und der Wildnis.

In so dicht besiedelten Gebieten wie Deutschland liegt der Schlüs-sel zur Verwirklichung von NNH darin, ökologische Korridore von hoher Artenvielfalt zu schaffen, die dank Querungshilfen über alle Infrastruktur hinweg miteinander verbunden sind. Als ich 2012 einen Wildniskongress in Potsdam besuchte, erfuhr ich vom Ökologischen Korridor Südbranden-burg. Diese immense Fläche, die sich um die südliche Hälfte der Bundes-hauptstadt windet, ermöglicht unter anderem Wanderungen von Arten wie Rothirsch und Wolf zwischen Polen und Deutschland und hilft, die Einzugsgebiete von Elbe und Oder für Fischotter und Biber zu verbinden.

Es sind Aktionen wie diese, die größere Naturlandschaften mitein-ander verknüpfen, und die es der wilden Flora und Fauna erlauben, zu wandern, sich auszubreiten und sich an veränderte klimatische Bedingun-gen anzupassen. Doch vor allem geht es bei Projekten wie NNH oder Y2Y um eine gesunde Beziehung zwischen Mensch und Natur, die auf Respekt und wechselseitigem Nutzen basiert. Sie verlangt von uns, uns als Teil der Natur zu sehen, nicht als etwas Eigenes. Die Hälfte für die Natur, min-destens! Damit wir Menschen und unser Planet aufblühen können.

Mut zur Wildnisvon Hubert Weinzierl

Mut zur Wildnis, das ist auch der Mut zur Selbstbeherrschung. Zum

Schauen statt zum Tun. Das Nicht-Einmischen in die ganz anderen. Nichts-tun als Naturschutz. Der Respekt vor Heiligtümern, das Hintanstellen un-serer arteigenen Arroganz gegenüber dem Rest der Schöpfung.

Dazu gehört die Wildkatze, selbst wenn wir sie nicht zu Gesicht bekommen. Die Biberspäne am Ufer, die dem Fluss ein Stück Geheimnis zurückgeben, und der Flügelschlag eines Apollofalters, der den Heidehang heiligt.

Wildnis ist eine Absage an die Ordnung, an das typisch deutsche, so schreckliche Verplant-Werden eines jeden Quadratmeters, und an die Vertreibung der letzten Geheimnisse und Märchen aus der uns umgeben-den Welt. Wildnis ist eine Kultur wider das geradlinige Denken, wider alle „du darfst, du sollst, du musst“– Zwänge, mit denen Staatsmacht und Re-ligionen unsere Seelenwildnisse gerodet und die kreatürliche Gespürigkeit

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Schlussakkord

flurbereinigt haben. Aus der Wildnis lebendiger Herzen haben sie diszi-plinierte Kulturmenschen geformt, deren Fäden zum Lebendigen zu zer-reißen drohen. Deshalb muss Wildnis kein Urwald, kein Wildfluss, kein Wolfsgeheul sein.

Wildnis ist überall, wo wir sie zulassen: Im chemiefreien Hausgar-ten, in Wäldern, in denen der Luchs geduldet wird, oder in einer Gesell-schaft, die Wildnis denken lässt.

Diese Gesellschaft, in der wir leben, ist seit der Aufklärung – das sind immerhin ein Dutzend Menschengenerationen lang – dem Irrtum nachgelaufen, den Geist von der Seele abzukoppeln, und so ist unsere rech te Gehirnhälfte hoffnungslos verkümmert. Deshalb fällt uns auch das Gespräch mit Bäumen oder die Liebe zu Schmetterlingen so schwer. Und es wird evolutionärer Zeitläufe bedürfen, diesen Generationen-Irrtum zu überwinden.

Vielleicht kommt es aber auch viel schneller; denn je größer der globalisierte Leidensdruck der Wildnis-Ferne wird, um so mehr wächst die Chance eines seelischen Quantensprunges: Nicht „zurück zur Natur“, sondern „heim in die Wildnis“.

Dorthin, wo wir sein dürfen, wie wir sind; leben, lieben, essen, trinken, schlafen, faul und schwach sein, beten, lachen und tanzen. Wild sein und einfach leben.

Wildnis ist also eine Denkweise. Wildnis ist die Lust, den Garten Eden nicht zu mähen, sondern

gelassen auf das Paradies zu warten, Wildnis ist Träumen statt Aufräumen, ist das Gespräch mit der Natur statt über die Natur.

Globalisierung und Klimaveränderung sind die Eckpfeiler eines Paradigmenwechsels, der zur Herausforderung für einen neuen Kulturent-wurf wird.

Vor diesem Hintergrund bekommt die Frage „Welchen Natur-schutz wollen wir?“ eine neue Dimension: Brauchen wir nicht auch Brach-flächen, auf denen sich neue gesellschaftliche Kulturen entwickeln können, so wie die Sukzession zu neuen Tier- und Pflanzengesellschaften führt?

Der Begriff Wildnis ist mit neuen Inhalten zu füllen, Wildnis wird zum Ort der Sehnsucht und des Aufbruchs.

Wildnis ist überall, wo wir sie zulassen. Damit wird „Wildnis“ zur Überlebensphilosophie und zur Ge-

sellschaftspolitik.

Schlussakkord

Wildnis ist mehr als bloße Natur. In der Wildnis herrscht frei nach Darwin das Gesetz des Stärkeren. Wildnis hat

für mich immer etwas Beunruhigendes und Unkontrollier­bares. Im Ballett ist dagegen alles in Kontrolle. Wildnis gibt es dort, wenn überhaupt, nur bei den kurzen Augenblicken der freien Improvisation. Wir brauchen Wildnis als Gegen­

satz, um unsere Kontrollmöglichkeiten erkennen und im richtigen Augenblick loslassen zu können.”

Marc Mondelaers (Belgien)

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Schlussakkord

-stop-Ein sehr persönlicher Beitrag-stop-von Hans-Dieter Schuster

2003: Till Meyer kommt mit Fotos von Tänzern des Staatsbal­

letts in der Wildnis des Nationalparks Bayerischer Wald zu mir ins Ministerium ­stop­ Begeisterung ­stop­ Kann man daraus ein Natur­schutzprojekt machen, vielleicht sogar mit Beteiligung des Minis­teriums ­stop­ Erstes Vortasten im Ministerium ­stop­ Reaktionen fast wie erwartet ­stop­ Idee aber so bestechend wie naheliegend ­stop­ Begeisterung bei den „Verursachern“ war aber nicht mehr aufzuhalten ­stop­ So entstand in überschaubarem Kreis „Ballett und Wildnis“ und 2004 Aufführungen im Nationalpark Bayerischer Wald ­stop­ Holzbühne und Holztribüne zimmerten die Kollegen der Nationalparkverwaltung fachkundig zusammen, sogar die vorhandenen Altbäume wurden in die Tanz bühne integriert ­stop­ 2013, also 9 Jahre nach den Aufführungen dort, stand ich mit ei ner jungen Kollegin der Natio nalparkverwaltung auf dem Turm des Baumwipfelpfades, direkt unterhalb die noch vorhandene Bühne von damals ­stop­ Auf das Projekt angesprochen, sagte sie: Sie hat schon mehrfach davon gehört, muss eine tolles Erlebnis gewesen sein, damals. Stimmt ­stop­ Der Erfolg bei Besuchern und Medien forderte zum Wei termachen heraus ­stop­ Dann der Griff nach den Sternen: Ballett und Wildnis mit einer Aufführung beim Weltwild­niskongress 2006 in Anchorage ­stop­ Alles war vorbereitet, dann wenige Wochen vor dem Start: Sparbeschluss der Staatsre­gierung, Folge: Stornie rung der schon gebuchten Schiffscontainer nach USA ­stop­ Verwaltung kann mit solchen Ereignissen eini­germaßen routiniert umgehen, für die Tänzer des Staatsballetts war es eine riesige Ent täuschung ­stop­ War damit die Energie aus dem Projekt? Mitnichten ­stop­ Jetzt erst recht, machte sich der inzwischen immer noch kleine Kreis der „Macher“ selber Hoffnung ­stop­ Und wieder mal kamen „irgendwie“ 2007 die Aufführungen

Schlussakkord

im Nationalpark Berchtesgaden zustande ­stop­ Welche Überra­schung: die WILD Foundation zeichnete dort das Staatsballett im Nachgang zum Weltwildniskongress in Anchorage als „weltweiten Botschafter der Wildnis“ aus ­stop­ Ranger der Nationalparkver­waltung: das Beste Projekt, an dem ich bisher mitarbeiten durfte ­stop­ Anfragen aus Kelheim für Aufführungen lagen schon lange vor ­stop­ Dann die historische Fügung: 150 Jahre Befreiungshalle Kelheim 2013 und alles im Umfeld des Naturschutzgebietes Wel­tenburger Enge – Kultur und Natur in reinster Ausprägung, und die Aufführungen Ballett und Wildnis mitten drin ­stop­ 2014: nun also 10 Jahre „Ballett und Wildnis“ und die Auszeichnung als UN­Dekade­Projekt biologische Vielfalt ­stop­ Geht es weiter? die „Macher“ sind älter geworden ­stop­ Es gibt Überlegungen für Aufführungen im Nationalpark Šumava ­stop­ 2020 feiert der Nationalpark Bayerischer Wald sein 50­jähriges Bestehen ­stop­ Für mich: nach 10 Jahren immer noch Gänsehaut­Feeling beim Betrach ten der Fotos und Filme ­stop­ Eine noch nie erlebte Be­geisterung und professionelle Zusammenarbeit bei einem Pro­jekt, das am Anfang so gegensätzlich schien ­stop­

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Anhang

Making Of Ballett + Wildnis

Nationalparkleiter Franz Leibl (li) mit Ballettdirektor Ivan Liškaim Nationalpark Bayerischer Wald

Hans­Dieter Schuster, Bayerisches Umweltministerium, Projektlei­ter Ballett und Wildnis, mit Fran ziska Jäger, Gebietsbetreuerin Landschaftspflegeverband Kelheim, auf der Donau

Anhang

Till Meyer, Projektinitiator (li), mit Wolfgang Oberender ...

und mit der Ersten Solistin Lisa­Maree Cullum, ihr in einen Waldsee folgend (im Nationalpark Bayerischer Wald)

Filmproduzent und Kameramann Michael Springer

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Im Nationalpark Berchtesgaden, Bettina Wagner­Bergelt, Projektleiterin Ballett und Wildnis (dritte von links)

Fotograf Berny Meyer

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Wildnis­Direktorin Liz Close zu Besuch im NaturschutzgebietAmmergauer Berge mit dem Wildbiologen Wolfgang Schröder

Vance Martin (re), The WILD Foundation, mit Karl Friedrich Sinner, Leiter des Nationalparks Bayerischer Wald bis 2011, anlässlich der Premiere von „Ballett und Wildnis“ im Jahr 2004

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Danksagung

Wir bedanken uns für die Unterstützung des Projekts „Ballett und Wildnis“ bei „Zukunft Kelheim e.V.“, (Vorsitzende Reiner Dannhorn und Anton Parzefall), dem „Kulturförderverein Kelheim“ (Vorsitzender Raimund Fries), der „Musikvereinigung Kelheim“ (Vorsitzender Dr. Christoph Lick-leder), den Verwaltungen der Nationalparks Bayerischer Wald und Berchtes-gaden sowie dem aus Mitteln des Europäischen Sozialfonds, des Bayerischen Naturschutzfonds und der Glücksspirale geförderten Landschaftspflegever-band Kelheim VöF e.V. (Vorsitzender Dr. Hubert Faltermeier). Für die her-vorragende Zusammenarbeit bedanken wir uns außerdem bei der interna-tionalen Stiftung „The WILD Foundation“ (Vorsitzender Vance Martin), dem „Umweltzentrum Schloß Wiesenfelden“ (Beate und Hubert Weinzierl) sowie der „European Wilderness Society“ (Vorsitzender Zoltan Kun).

Kulturförderverein Kelheim

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Autoren und Quellen

Apel, Michael (Deutschland) Dr., Direktor des Museums „Mensch und Natur“ München. Bischof, Wolfgang (Deutschland) Bischofsvikar für die Seelsorgsregion Süd des Erzbistums München und

Freising, Weihbischof der Erzdiözese München und Freising. Close, Liz (USA) Direktorin des US Forest Service, Abteilung „Wilderness and Wild and

Scenic Rivers“. Besuchte Bayern 2005 im Rahmen des Projekts „Ballett und Wildnis“.

Faltermeier, Hubert (Deutschland) Dr., Landrat des Landkreises Kelheim, 1. Vorsitzender Landschaftspfle-

geverband Kelheim VöF e.V.Grunwald, Heinz (Deutschland) Regierungspräsident von Niederbayern.Haszprunar, Gerhard (Österreich) Prof. Dr., Lehrstuhl für Systematische Zoologie und Vorstand GeoBio-

Center der Ludwig Maximilians Universität (LMU) München, General-direktor der Staatlichen Naturwissenschaftlichen Sammlungen Bayerns (SNSB), Direktor der Zoologischen Staatssammlung, München.

Kirchhoff, Thomas (Deutschland) Dr., Wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Forschungsstätte der Evan-

gelischen Studiengemeinschaft e.V. (FEST), Institut für interdisziplinäre Forschung. Die Passage unter dem Titel „Sehnsucht Wildnis“ ist entnom-men aus „Sehnsucht nach Natur – Über den Drang nach draußen in der heutigen Freizeitkultur“, herausgegeben von Thomas Kirchhoff , Vera Vicenzotti und Annette Voigt; Transcript Verlag (2012).

Kluth, Stefan (Deutschland) Diplom-Forstwirt, Bayerisches Landesamtes für Umwelt, stellv. Leiter

der Staatlichen Vogelschutzwarte Garmisch. Die Vogelwarte widmet sich der Erforschung des Vogelzuges und der Sammlung von Erkennt-nissen auf dem Gebiet des Vogelschutzes.

Kuegler, Sabine (Deutschland) Autorin des Bestsellers „Dschungelkind“, der unter dem gleichnami-

gen Titel verfilmt wurde und 2011 ins Kino kam. Sie lebte von 1977 bis 1989 mit Eingeborenen in Neuguinea. Ihr Essay entstammt dem Buch „Dschun gelkind“; Verlag Droemer Knaur.

Kun, Zoltan (Ungarn) Vorsitzender der European Wilderness Society.

Liška, Ivan (Tschechien) Direktor des Bayerischen Staatsballetts seit 1998. Davor Tänzer am

Nationaltheater Prag, der Deutschen Oper am Rhein, der Bayerischen Staatsoper und mehr als 20 Jahre Solist unter John Neumeier an der Staatsoper Hamburg.

Martin, Vance (USA) Präsident der WILD Foundation, Gründer der „Fachgruppe Wildnis“

des IUCN (International Union for Conservation of Nature) und dessen stellvertretender Vorsitzender. Besuchte Bayern im Rahmen des Pro-jekts Ballett und Wildnis.

Mayr, Thomas (Deutschland) Gruppentänzer beim Bayerischen Staatsballett (1990-1994 ). Seit 1994

Ballettmeister.

Messner, Reinhold (Italien) Buchautor, Landwirt, EU-Abgeordneter (bis 2004), Leiter mehrerer Mu-

seen in Südtirol, gilt als bekanntester und erfolgreichster Bergsteiger der Welt.

Meyer, Till (Deutschland) freier Journalist, Autor und Filmemacher mit lang anhaltendem Inter-

esse an Wildnis und Wildtieren. Seine Arbeiten erscheinen in Büchern, Magazinen und Filmen.

Müller, Jörg (Deutschland) Dr., stellvertretender Leiter des Nationalparks Bayerischer Wald, dort

auch Sachgebietsleiter Naturschutz und Forschung sowie Privatdozent am Lehrstuhl für Terrestrische Ökologie der Technischen Universität (TU) München.

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Oberender, Wolfgang (Deutschland) Stellvertretender Ballettdirektor Bayerisches Staatsballett, Dramaturg,

Produktionsleiter, Disposition. Ott, Konrad (Deutschland) Prof. Dr., Professor für Philosophie und Ethik der Umwelt an der Uni-

versität Kiel. Die Texte „Natur und Sprache“ und „Natur und Sprachkri-tik“ sind entnommen aus „Umweltethik, zur Einführung“, Junius Verlag (2010). Das Fragment „Wildnis und Ästhetik“ entstammt dem Essay „Wildnis schutz aus naturethischer Sicht“, veröffentlicht in „Arkadien oder Dschungel camp, Leben im Einklang oder Kampf mit der Natur?“, Verlag Karl Alber (2014).

Reimann, Sabrina (Deutschland)M. Sc. Wildtierökologie und Wildtiermanagement, wissenschaftliche An gestellte an der Staatlichen Vogelschutzwarte des Bayerischen Lan-des amtes für Umwelt. Arbeitsschwerpunkte: Biodiversität in den Alpen, Raufußhuhnschutz und endemische Arten.

Rodríguez de la Fuente, Odile (Spanien) Delegierte des 10. World Wilderness Congress in Salamanca, Spanien.

Biologin, Journalistin und Schriftstellerin. Im Aufsichtsrat des WWF Spanien, Beraterin der Kampagne Rewilding Europe, sowie Grün-derin der Stiftung „Félix Rodríguez de la Fuente Foundation“ (2004), einer Stiftung zu Ehren ihres Vaters, eines legendären spanischen Natur-schützers und TV-Naturfilmers.

Scharf, Ulrike (Deutschland) Staatsministerin, Bayerisches Staatsministerium für Umwelt und Ver-

braucherschutz. Schneider, Angelika (Italien) stammt aus Südtirol, studierte Forstwissenschaften in Florenz und lebt

seit 20 Jahren in Bayern. Heute schreibt sie über Naturthemen; eine Ge-schichte über die toskanische Kulturlandschaft ist ihr jetziges Projekt.

Schröder, Wolfgang (Österreich) Prof. Dr., Professor i. R. für Wildbiologie an der Ludwigs Maximilians

Universität (LMU) und der Technischen Universität (TU) München; geboren in Graz, studierte Forstwissenschaften, Ökologie und Manage-ment. Heute engagiert er sich bei Studenten aus aller Welt in einem Masterstudiengang „Nachhaltiges Ressourcenmanagement“.

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Schrott, Raoul (Österreich) Prof. Dr., Literaturwissenschaftler und Schriftsteller. Autor von Ro-

manen, Gedichten, Anthologien, Dramen und Essays. Festredner zum zehnjährigen Jubiläum des Projekts „Ballett und Wildnis“ am 18. No-vember 2014 in München.

Schuster, Hans-Dieter (Deutschland) Stellvertretender Referatsleiter, Bayerisches Staatsministerium für Um-

welt und Verbraucherschutz, Projektleiter Ballett & Wildnis.

Seitz-Weinzierl, Beate (Deutschland) Diplomtheologin, Journalistin, Kräuterpädagogin, Leiterin des Um-

weltzentrums Schloss Wiesenfelden und Mitbegründerin der „Beate und Hubert Weinzierl Stiftung“. Ihr Essay „Naturlyrik“ ist entnommen aus „Sehnsucht Wildnis - Gespür für Leben neu entdecken“; Buch Kunst Verlag, Oberpfalz (2002).

Sloan, Sharon Slay (USA) Delegierte des 10. World Wilderness Congress in Salamanca, Spanien.

Programm-Managerin der WILD Foundation, zuständig für indigene und kommunale Belange an Land und am Meer. Zusammen mit Vance Martin Herausgeberin der Studie „Protecting Wild Nature on Native Lands“ (Schutz wilder Natur auf dem Land indigener Völker).

Spitzer, Manfred (Deutschland) Prof. Dr. med. Dr. phil., Direktor an der Klinik für Psychiatrie und Psy-

chotherapie Ulm. Aufsatz in Auszügen entnommen aus dem Artikel „Natur und Gemeinschaft - Auswirkungen des Naturerlebens auf proso-ziale Motive“, Nervenheilkunde 11/2009, Schattauer Verlag für Medien und Naturwissenschaften.

Trommer, Gerhard (Deutschland) Prof. i.R., J.W. Goethe-Universität Frankfurt/M., Fachbereich Biowis-

senschaften – Didaktik, Schwerpunkt: Landschaftsbezogene Umweltbil-dung. Sein Essay „Synästhesie der Wildnis“ entstammt einem Vortrag anlässlich der Wildniskonferenz 2010 in Potsdam, einer Veranstaltung der Stiftung Naturlandschaften Brandenburg.

Vogel, Michael (Deutschland) Dr., Leiter des Nationalparks Berchtesgaden.

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Wagner-Bergelt, Bettina (Deutschland) Stellvertretende Direktorin Bayerisches Staatsballett, Dramaturgin, Ku-

ratorin, Projektleiterin Ballett & Wildnis, Künstlerische Leiterin CAM-PUS Staatsballett.

Weinzierl, Hubert (Deutschland) Präsident des Deutschen Naturschutzrings (2000-2012), Vorsitzender

des Bundes Naturschutz in Bayern (1969-2002) und des Bundes für Um-welt und Naturschutz in Deutschland (1983-1998). Betreibt mit seiner Frau Beate das Umweltzentrum Schloss Wiesenfelden. Der Essay „Wel-chen Naturschutz wollen wir“ entstammt einem Vortrag anlässlich des gleichnamigen Symposiums im Umweltzentrum Schloss Wiesenfelden (2007).

Wölfl, Manfred (Deutschland) Bayerisches Landesamt für Umwelt, Referat Landschaftspflege, Wild-

tiermanagement.

Zitierte Tänzerinnen und Tänzer des Bayerischen Staatsballetts

Bridel-Picq, Laure (Frankreich) 1992-2009 Demi-SoloCarbone, Devon (USA) 2012-2014 Bayerisches Staatsballett IICranitch, Matthew (Irland) 1999-2007 GruppentänzerCullum, Lisa-Maree (Neuseeland) seit 1998 Erste SolistinDivina, Valentina (Italien) 1990-2010 Solistin, seit 2010 BallettmeisterinFerrolier, Séverine (Frankreich) seit 2004 SolistinGeifes, Marc (Deutschland) 1990-2004 Demi-SoloGeiger, Katja (Deutschland-USA) 2000-2003 GruppentänzerinGraf, Norbert (Deutschland) seit 1990 Solist, seit 2014 auch BallettmeisterJanda, Filip (Tschechien) 2004-2008 GruppentänzerLoermans, Vincent (Holland) 1993-2011 Demi-Solo McCormick, Bruce (USA) 2000-2004 GruppentänzerMicolavcic, Pavla (Kroatien) 1998-2004 GruppentänzerinMondelaers, Marc (Belgien) 1993-2008 GruppentänzerOcampo, Ryan (Philippinen) 2002-2007 Demi-SoloQiu, Siting (China) 2002-2007 GruppentänzerinSchoch, Claudine (Schweiz) 2002-2008 Demi-SoloVacheron, Alexandre (Schweiz) 1996-2004 Demi-Solo

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Bildnachweis

Soweit nicht anders vermerkt, alle Bilder © Berny Meyer.Ausgenommen:Charles Tandy: S. 18Vance Martin: S. 36Till Meyer: S. 39, 124, 125 (u.), 127 NP Bayerischer Wald: S. 44, 58 (l.u.)Hans Stanggassinger: S. 50, 51Michael Springer: S. 55, 99, 126 (u.)Jens Schumann/piclease: S. 58 (l.o.)Georg Pauluhn/piclease: S. 58 (r.o.)Peter Schild/piclease: S. 58 (r.u.)NP Berchtesgaden: S. 62, 65, 68Thomas Stephan: S. 81Morgan Heim: S. 108/109

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Lisa­Maree Cullum und Laure Bridel­Picq

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ImpressumHerausgeber: Bayerisches Staatsministerium für Bayerisches Staatsballett Umwelt und Verbraucherschutz Ballettdirektor Ivan Liška Rosenkavalierplatz 2 Platzl 7 81925 München (StMUV) 80331 MünchenInternet: www.stmuv.bayern.de www.staatsballett.deE-Mail: [email protected] [email protected]: www.springerfilm.comFotos: siehe Seite 135Druck: Drukexpress, DlugolekaStand: November 2014© StMUV, alle Rechte vorbehaltenGedruckt auf Papier aus 100 % AltpapierDiese Druckschrift wird kostenlos im Rahmen der Öffentlichkeitsarbeit der Bayer-ischen Staatsregierung herausgegeben. Sie darf weder von den Parteien noch von Wahl-werbern oder Wahlhelfern im Zeitraum von fünf Monaten vor einer Wahl zum Zweck der Wahlwerbung verwendet werden. Dies gilt für Landtags-, Bundestags-, Kommunal- und Europawahlen. Missbräuchlich ist während dieser Zeit insbesondere die Verteilung auf Wahlveranstaltungen, an Informationsständen der Parteien sowie das Einlegen, Aufdrucken und Aufkleben parteipolitischer Informationen oder Werbemittel. Unter-sagt ist gleichfalls die Weitergabe an Dritte zum Zweck der Wahlwerbung.Auch ohne zeitlichen Bezug zu einer bevorstehenden Wahl darf die Druckschrift nicht in einer Weise verwendet werden, die als Parteinahme der Staatsregierung zugunsten einzelner politischer Gruppen verstanden werden könnte.Den Parteien ist es gestattet, die Druckschrift zur Unterrichtung ihrer eigenen Mit-glieder zu verwenden. Bei publizistischer Verwertung – auch von Teilen – Angabe der Quelle und Übersendung eines Belegexemplars erbeten. Das Werk ist urheberrechtlich geschützt. Alle Rechte sind vorbehalten. Die Publikation wird kostenlos abgegeben, jede entgeltliche Weitergabe ist untersagt.Der Inhalt wurde mit großer Sorgfalt zusammengestellt. Eine Gewähr für die Richtig-keit und Vollständigkeit kann dennoch nicht übernommen werden.Für die Inhalte fremder Internetangebote sind wir nicht verantwortlich.

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