10 Jahre Sternwarte auf dem Oldendorfer Berg - core.ac.uk fileschnell heraus, dass automatisierte...

14
Osnabrücker Naturwissenschaftliche Mitteilungen Band 27, S. 7–20, 2001 7 10 Jahre Sternwarte auf dem Oldendorfer Berg Erwin Heiser Kurzfassung: Die Sternwarte des Naturwissenschaftlichen Vereins Osnabrück (NVO) auf dem Ol- dendorfer Berg besteht 10 Jahre. Einige durchgeführte Projekte werden beschrieben und Beispiele typischer CCD-Aufnahmen von Planeten, galaktischen und extragalaktischen Objekten werden vorgestellt. Abstract: The observatory of the NVO is celebrating its tenth anniversary. Some projects are de- scribed and a selection of CCD frames – planets, galactic and extragalactic sources – is given. Key words: Observatory, M 67, Barnards Star, 61 Cyg, comet Hale-Bopp, galaxies, interacting gal- axies Autor: Erwin Heiser, Rosengasse 9, D-49082 Osnabrück, email [email protected] 1 Bilanz Die Sternwarte auf dem Oldendorfer Berg besteht in diesem Jahr 10 Jahre. Diese runde Zahl ist Anlass, zurückzublicken und Bilanz zu ziehen. Natürlich ist es mit Schwierigkei- ten verbunden, die Kosten-Nutzen-Relation und Effizienz zeitgeistgemäß in Mark und Pfennig auszudrücken. Der laufende Auf- wand – Betreuung der Besucher, Reinigung, Reparaturen, Instandhaltung der Außenanla- gen, Fahrten dorthin, Beseitigung des Mülls usw. – ist unauffällig ehrenamtlich und er- scheint in keiner Rechnung. Diese Leistun- gen werden von den Mitgliedern der Astro- nomischen Arbeitsgemeinschaft erbracht. Wie soll man den Nutzen bewerten, den über 25 000 Besucher hatten, darunter die Hälfte Schülerinnen und Schüler? Fast keiner da- von hatte vorher durch ein größeres Fernrohr die Krater des Mondes, Protuberanzen der Sonne, Ringe des Saturn, Monde des Jupi- ter, Kometen und die vielen anderen fernen Welten in der Milchstraße und darüber hin- aus gesehen. Viele haben geglaubt, derarti- ge Dinge könnte nur das Fernsehen zeigen oder Astronomen mit riesigen Teleskopen auf hohen Bergen irgendwo auf der Welt be- obachten. Nicht immer gestattete das hiesige Wetter einen Blick auf den ungetrübten Nachthim- mel. Die Vorträge, die bei schlechtem Wetter ersatzweise unseren Gästen angeboten wur- den, waren kein Notbehelf, denn die Präsen- tation unseres selbst erstellten Materials ist durchaus sehenswert und nicht alltäglich. Die nachfolgenden Abbildungen zeigen eine kleine Auswahl davon. Es stellte sich auch schnell heraus, dass automatisierte Video- vorführungen nichtbesonders geeignet sind. Nur die persönliche Ansprache der Besucher gestattet es, auf unterschiedliches Alter, Wissenshintergrund und Interessen ange- messen einzugehen. Nicht Informationen sind das Problem – die sind inzwischen aus dem Internet in gigantischen Strömen zu er-

Transcript of 10 Jahre Sternwarte auf dem Oldendorfer Berg - core.ac.uk fileschnell heraus, dass automatisierte...

Osnabrücker Naturwissenschaftliche MitteilungenBand 27, S. 7–20, 2001

7

10 Jahre Sternwarte auf dem Oldendorfer Berg

Erwin Heiser

Kurzfassung: Die Sternwarte des Naturwissenschaftlichen Vereins Osnabrück (NVO) auf dem Ol-dendorfer Berg besteht 10 Jahre. Einige durchgeführte Projekte werden beschrieben und Beispieletypischer CCD-Aufnahmen von Planeten, galaktischen und extragalaktischen Objekten werdenvorgestellt.

Abstract: The observatory of the NVO is celebrating its tenth anniversary. Some projects are de-scribed and a selection of CCD frames – planets, galactic and extragalactic sources – is given.

Key words: Observatory, M 67, Barnards Star, 61 Cyg, comet Hale-Bopp, galaxies, interacting gal-axies

Autor:Erwin Heiser, Rosengasse 9, D-49082 Osnabrück, email [email protected]

1 Bilanz

Die Sternwarte auf dem Oldendorfer Bergbesteht in diesem Jahr 10 Jahre. Diese rundeZahl ist Anlass, zurückzublicken und Bilanzzu ziehen. Natürlich ist es mit Schwierigkei-ten verbunden, die Kosten-Nutzen-Relationund Effizienz zeitgeistgemäß in Mark undPfennig auszudrücken. Der laufende Auf-wand – Betreuung der Besucher, Reinigung,Reparaturen, Instandhaltung der Außenanla-gen, Fahrten dorthin, Beseitigung des Müllsusw. – ist unauffällig ehrenamtlich und er-scheint in keiner Rechnung. Diese Leistun-gen werden von den Mitgliedern der Astro-nomischen Arbeitsgemeinschaft erbracht.Wie soll man den Nutzen bewerten, den über25 000 Besucher hatten, darunter die HälfteSchülerinnen und Schüler? Fast keiner da-von hatte vorher durch ein größeres Fernrohrdie Krater des Mondes, Protuberanzen derSonne, Ringe des Saturn, Monde des Jupi-ter, Kometen und die vielen anderen fernen

Welten in der Milchstraße und darüber hin-aus gesehen. Viele haben geglaubt, derarti-ge Dinge könnte nur das Fernsehen zeigenoder Astronomen mit riesigen Teleskopenauf hohen Bergen irgendwo auf der Welt be-obachten.

Nicht immer gestattete das hiesige Wettereinen Blick auf den ungetrübten Nachthim-mel. Die Vorträge, die bei schlechtem Wetterersatzweise unseren Gästen angeboten wur-den, waren kein Notbehelf, denn die Präsen-tation unseres selbst erstellten Materials istdurchaus sehenswert und nicht alltäglich.Die nachfolgenden Abbildungen zeigen einekleine Auswahl davon. Es stellte sich auchschnell heraus, dass automatisierte Video-vorführungen nicht besonders geeignet sind.Nur die persönliche Ansprache der Besuchergestattet es, auf unterschiedliches Alter,Wissenshintergrund und Interessen ange-messen einzugehen. Nicht Informationensind das Problem – die sind inzwischen ausdem Internet in gigantischen Strömen zu er-

Erwin Heiser Osnabrücker Naturwiss. Mitt. 27 2001

8

halten – sondern das Verständnis für ele-mentare Zusammenhänge anzuregen. DaAstronomie in den Schulen nicht gelehrtwird, sind sehr ungewöhnliche Vorstellungenvon den Verhältnissen über den Wolken nichtselten. Es lag jedenfalls nie an unserem bö-sen Willen, wenn wir den Urknall, SchwarzeLöcher, das Ozonloch oder das RaumschiffOrion nicht mit dem Teleskop zeigen konn-ten.

Unsere Besucher kamen nicht nur aus derRegion. Ich erinnere mich etwa an eine Fuß-ballmannschaft aus Australien, an den Ent-decker des Kometen Abe aus Japan, an ei-nen chinesischen Studenten aus Shanghaiund viele andere Gäste aus aller Welt. Einsehr ungewöhnliches Ereignis war, dass ein-mal die Trauzeugen einem Hochzeitspaar ei-ne festlich gedeckte Tafel in der Sternwartebereitet haben. Das schönste Geschenkmachte uns eine Kindergartengruppe ausRödinghausen nach einem Besuch kurz vorWeihnachten: ein auf Seide gemaltes Bildder Heiligen Drei Könige mit dem Weih-nachtsstern. Mit diesem Bild als optischerErkennungsmelodie leite ich jeden Vortrag inder Sternwarte ein (Abb. 1).

Abb. 1: Seidenmalerei einer Kindergruppe des Kin-dergartens Rödinghausen nach einem Besuch in derSternwarte, Weihnachtsstern und Heilige Drei Köni-ge.

2 Favoriten der Besucher

Den größten Eindruck macht außer demMond stets Saturn. Dass ein derart exoti-scher Ring um einen Planeten schwebt undin Wirklichkeit zu sehen ist, verblüfft selbstden hartgesottenen Fernsehfreak (Abb. 2 un-ten).

Auch Jupiter mit seinen Monden wird alssehr sehenswert eingestuft. Mit einigemGlück lässt sich damit das Erlebnis einer Son-nenfinsternis verbinden. Die Serie in Abb. 2oben zeigt den Vulkanmond Io und seinenSchatten während des Vorübergangs vor Ju-piter am 9.1.2001. Von besonderem Reiz beidem Ereignis war, dass sich dieses Schatten-spiel unmittelbar an die totale Verfinsterungdes Erdmondes anschloss. Da in der Stern-warte mindestens 10 Monde gesehen wer-den können, muss unbedingt dazugesagtwerden, welcher an einer Verfinsterung betei-ligt ist. Es klingt auch paradox, dass wir diemeisten Sonnenfinsternisse nachts beob-achten können – eben auf Jupiter.

In der Milchstraße sind die kugelförmigenSternhaufen unschlagbar. Wenn eine Kinder-gruppe in der Sternwarte Unruhe oder nach-lassende Aufmerksamkeit zeigt, beginnt dasSpiel, wer die besten Augen hat und in M 13die meisten Sterne zählen kann. Sofort sindalle bei der Sache, jedoch konnte bishernoch keine Einigung über die Zahl der Sterneerzielt werden (Abb. 3 links).

Als große Herausforderung an die Phanta-sie gilt der helle Ringnebel in der Leier, wennzu hören ist, dass in ferner Zukunft unsereSonne beim Übergang vom Roten Riesenzum Weißen Zwerg eine ähnliche Erschei-nung machen wird. Die Sonne ist dann einerdgroßer Weißer Zwerg und ihre einst glei-ßende Oberfläche ein diffus leuchtenderGasring (Abb. 3 rechts).

Aus dem alltäglichen Betrieb ragen einigebesondere Projekte heraus:

10 Jahre Sternwarte auf dem Oldendorfer Berg

9

Abb. 2: Mond Io und sein Schatten auf Jupiter am 9.1.2001, Saturn im Oktober 2001 (Aufn. Tryta).

Erwin Heiser Osnabrücker Naturwiss. Mitt. 27 2001

10

Abb. 3: Links kugelförmiger Sternhaufen M 13 im Herkules, rechts Ringnebel in der Leier M 57, planetarischerNebel.

3 Astrometrie

Unter Astrometrie versteht man die Messungvon genauen Sternpositionen am Himmel.Werden derartige Messungen zu verschie-den Zeiten wiederholt, erhält man aus ihremVergleich die Bewegungen der Sterne, d.h.ihre Eigenbewegungen. Seit Einführung derCCD-Kameras ist diese Methode gegenüberder konventionellen Fotografie viel einfachergeworden, weil die aufwendigen Messma-schinen durch den Computer ersetzt wordensind.

Testobjekt war der Offene Sternhaufen M67 im Sternbild Krebs, von dem wir mit eini-gen verschieden großen Teleskopen undFarbfiltern Aufnahmen herstellten.

Die Auswertung ergab, dass mit dem 60cm-Teleskop eine Positionsgenauigkeit von0.02 Bogensekunden erreicht wird. Zum Bei-spiel sind zwei Punkte, die man von der Erdeaus auf dem Mond unter einem Blickwinkelvon 0.02 Bogensekunden theoretisch sehenkönnte, nur 36 m auseinander.

Auch die Eigenbewegungen der Sternevon M 67, die wir aus einem Vergleich mit Da-ten von 1950 erhielten, waren so genau, dassman unterscheiden konnte, welche Sternezu dem Sternhaufen und welche zu der allge-meinen Milchstraßenbevölkerung gehörten.Die Ergebnisse wurden in der ZeitschriftSterne und Weltraum veröffentlicht (Heiseru.a. 1996).

4 Entfernungen naher Sterne

Die hohe Messgenauigkeit ließ erwarten,dass mit der Ausrüstung auf dem Oldendor-fer Berg recht zuverlässige Entfernungen na-her Fixsterne gemessen werden könnten.

Abb. 4, eine punktgenaue Überlagerungvon 5 Aufnahmen aus 5 Jahren, zeigt die Ei-genbewegung von Barnards Pfeilstern imSternbild Schlangenträger von Herbst 1993bis Herbst 1997. Sie beträgt 10.3 Bogense-kunden pro Jahr und ist ziemlich genau nachNorden gerichtet. Es ist die größte Eigen-

10 Jahre Sternwarte auf dem Oldendorfer Berg

11

Abb. 4: Bewegung von Barnards Stern im Schlangenträger in 5 Jahren.

bewegung eines Fixsterns. Bei dieser Ge-schwindigkeit bewegt sich der Stern amHimmel in 175 Jahren um eine Vollmondbrei-te weiter. Wird Barnards Stern zu verschie-denen Jahreszeiten fotografiert, wird sicht-bar, dass er sich auf seiner Bahn nach Nor-den in Form einer Schlangenlinie hin und herbewegt.

Natürlich bewegt sich der Stern geradli-nig, die seitlichen Abweichungen spiegelnlediglich die Bahn der Erde um die Sonne wi-der. Aus dem Umfang dieser Auslenkung –der Parallaxe – lässt sich die Entfernung desSterns berechnen. Das war früher aus-schließliche Domäne der professionellenAstronomie mit langbrennweitigen Telesko-pen. Die Messungen auf dem OldendorferBerg ergaben eine Parallaxe von 0.57 Bo-

gensekunden, entsprechend einer Entfer-nung von 5.7 Lichtjahren. Der beste aktuelleWert der Parallaxe, gemessen von der Hip-parcos-Sonde, ist 0.549 Bogensekunden,d.h. 5.9 Lichtjahre Entfernung. Eine Veröf-fentlichung erfolgte ebenfalls in Sterne undWeltraum (Heiser & Schröder 1996). Außer-dem wurden diese Daten als Übungsaufga-be in ein Physiklehrbuch für die gymnasialeOberstufe übernommen (Physik, 1998).

Eine zweite Messreihe betraf den Doppel-stern 61 im Schwan. Diese Daten wurdenvon Frau Ruth Groß im Rahmen einer wis-senschaftlichen Prüfungsarbeit an der Uni-versität Koblenz-Landau für das Lehramtausgewertet (Groß 1997). Sie ermittelte eineParallaxe von 0.32 Bogensekunden, mit ei-nem Fehler von 0.03 Bogensekunden. Das

Erwin Heiser Osnabrücker Naturwiss. Mitt. 27 2001

12

entspricht einer Entfernung von 10.2 Licht-jahren. Der Hipparcos-Wert ist 0.287, also11.4 Lichtjahre.

Der Stern 61 im Schwan ist in der Ge-schichte der Astronomie von großer Bedeu-tung, weil für ihn erstmals eine Fixsternent-fernung (Bessel 1838) ermittelt wurde.

5 Entfernungen von Kleinplanetenund der Sonne

1996 veranstaltete die European Associationfor Astronomy Education (EAAE) in Zusam-menarbeit mit dem European Southern Ob-servatory (ESO) ein weltweites Astronomie-projekt im Internet, genannt Astronomy On-Line. Es ermöglichte Schulen, Lehrern, Ama-teur- und Berufsastronomen bei der Lösungbestimmter Aufgaben weltweit miteinanderzu kommunizieren.

Zusammen mit Udo Backhaus, später ander Universität Koblenz-Landau, und derAstroAG-Koblenz beteiligten wir uns an demProjekt „Measuring the distance to the sun“.Es ging darum, über die direkten Entfer-nungsmessungen der Kleinplaneten 84 Klio,584 Semiramis und 990 Yerkes indirekt dieEntfernung der Sonne zu bestimmen. Vor-aussetzung war, dass die Kleinplanetengleichzeitig (am 19./20.11.1996) von mehre-ren, möglichst weit auseinander liegendenStandorten gemessen wurden.

Testläufe im Oktober/November 1996 aufdem Oldendorfer Berg brachten hochge-naue Positionen der drei Kleinplaneten. Abb.5 ist ein Beispiel vom 13.11.1996, man siehtdie recht schnelle Bewegung von Semiramisin 103 Minuten. Doch als die entscheidendenNächte kamen, regnete es hier wie so oft zudieser Jahreszeit. Aber die anderen Partner,die ESO in Chile, das Observatoire de Haute

Abb. 5: Bewegung des Kleinplaneten Semiramis am 13.11.1996, Positionen um 21:23 und 23:06 Uhr.

10 Jahre Sternwarte auf dem Oldendorfer Berg

13

Provence in Frankreich und das Centro deObservacao no Algarve in Portugal, hattenmit dem Wetter mehr Glück und lieferten diefür einen erfolgreichen Ausgang nötigen Da-ten am nächsten Tag per Email. Es war wirk-lich spannend zu erleben, dass zwei Großob-servatorien auf unseren Vorschlag hin Auf-nahmen machten, die unmittelbar darauf imInternet zur Verfügung standen. Die gesamteAktion hat Udo Backhaus in einem lebhaftenBericht (Backhaus 1997) veröffentlicht.

6 Der Komet Hale-Bopp

In der Erinnerung verbindet sich dieser helleKomet mit einem gewaltigen Besucheran-sturm, der die Sternwarte schier aus allenNähten platzen ließ. Unseren Aufnahmendes Kometen Hale-Bopp, die in dieser Hektiknur mit Mühe gemacht werden konnten, wardennoch ein bemerkenswertes Schicksalbeschieden. Nachdem Andreas Hänel sie miteinem speziellen Kontrastverfahren bearbei-tet und in das Internet gestellt hatte, wurdedie indische Astronomin Frau R.Vasundharaim Indian Institute of Astrophysics, Bangalo-re, darauf aufmerksam. Aus den komplizier-ten Jets und Hüllen, die unsere Aufnahmenzeigten, leitete sie die Lage der Kometenpo-le, die Quellpunkte mehrerer langlebigerStaubfontänen und die Mindestmengen fürden Gas- und Staubausstoß des Kometenab. Die Veröffentlichung der Arbeit erfolgte inder Fachzeitschrift Earth, Moon and Planets(Vasundhara u.a. 1997). Einige der auf demOldendorfer Berg gemachten Aufnahmendes Kometen wurden in Band 24 der Osna-brücker Naturw. Mitteilungen veröffentlicht(Heiser 1998).

7 Galaxien

Die Flächenhelligkeit von Galaxien ist so ge-ring, dass sie bei visueller Betrachtung amFernrohr keine sehr befriedigende Erschei-nung bieten. Lediglich die Kernregionen sindals diffuse Wölkchen sichtbar. Bis auf wenigeAusnahmen sind auch Spiralarme nichtwahrnehmbar. Erst auf dem Umweg über Fo-tografie oder den Chip der CCD werden Ein-zelheiten erkennbar.

Die hohe Empfindlichkeit unserer Ap7-CCD, verbunden mit der langen Brennweitedes 60 cm-Teleskops, macht die Kamera zueinem optimalen Aufnahmegerät für naheGalaxien, wobei die Nähe allerdings nichtnach irdischen Maßstäben zu beurteilen ist.Der Kamerachip bildet bei der auf 450 cm re-duzierten Brennweite einen Himmelsbereichvon 10 x 10 Bogenminuten ab. Eine Galaxievon der Größe unserer Milchstraße (ca. 100000 Lichtjahre Durchmesser) und in einerEntfernung von 35 Millionen Lichtjahren fülltunter diesen Bedingungen den Chip voll-ständig aus. So zeigen Galaxien selbst in 100Millionen Lichtjahren Entfernung noch einenerstaunlichen Detailreichtum. An einigenBeispielen soll nachfolgend die Leistungsfä-higkeit unseres Teleskops in Verbindung mitder CCD-Kamera demonstriert werden.

8 Details in Galaxien

NGC 205 ist eine Elliptische Zwerggalaxieund ein Satellit des Andromedanebels. We-gen des hohen Kontrastumfangs der CCDreicht grundsätzlich eine Aufnahme aus, umgleichzeitig die beiden dunklen Staubwolkenlinks vom Zentrum (Abb. 6 links) und in denRandgebieten die Auflösung in Einzelsterne(Abb. 6 rechts) sichtbar zu machen. Vor weni-gen Jahrzehnten waren derartige Details nurmit Großteleskopen abzubilden. Bei der El-liptischen Riesengalaxie M 87 im Virgo-Gala-

Erwin Heiser Osnabrücker Naturwiss. Mitt. 27 2001

14

Abb. 6: Elliptische Zwerggalaxie NGC 205 in zwei Kontraststufen.

xienhaufen werden andere Besonderheitensichtbar. Die zahlreichen sternförmigenPunkte im äußeren Bereich der Galaxie (Abb.7 links) sind tatsächlich kugelförmige Stern-haufen wie M 13, von denen große Teleskopemehr als 10 000 zeigen. Auch der aus demKern herauskommende Jet (Abb. 7 rechtsunten), ein mit dem zentralen SchwarzenLoch in Verbindung stehendes Phänomen,lässt sich mit der Ausrüstung auf dem Olden-dorfer Berg gut auflösen.

Durch Verwendung von Farbfiltern lassensich weitere Details erkennen. Von der Bal-kengalaxie M 95 (Abb. 8) ist der Kern in denWellenlängenbereichen Infrarot (IR), Rot (R)und Blau (B) vergrößert dargestellt. Aus denFarbauszügen ist abzuleiten, dass der ei-gentliche Kern der Galaxie eine Konzentrati-on aus alten kühlen Sternen ist. Die blaueAufnahme zeigt eine ringförmige Anordnungvon Knoten, bestehend aus neu entstande-nen heißen Sternen und hellen Gaswolken.Somit lassen sich mit den Filtern verschiede-ne Sterngenerationen trennen und ihre un-terschiedliche räumliche Verteilung in derGalaxie sichtbar machen.

9 Verschiedene Galaxientypen

Die morphologische Vielfalt der Galaxien istunerschöpflich. Hinzu kommt, dass sie sichunter allen Blickwinkeln darbieten, wodurchgleiche Typen ganz unterschiedlich ausse-hen können. Dennoch lässt sich die Vielfaltauf eine überschaubare Zahl von Klassen re-duzieren. Ein Klassifikationsmerkmal ist dieUnterscheidung zwischen den flachen, dis-kusähnlichen und durch Rotation stabilisier-ten Scheibengalaxien auf der einen und denmehr kugelförmigen, durch regellose Stern-bewegung stabilisierten Elliptischen Galaxi-en auf den anderen Seite.

Je nach dem Blickwinkel können Schei-bengalaxien als Spiralnebel (Abb. 9 rechts)oder als Diskus mit einem äquatorialenStaubband (Abb. 9 links) erscheinen. BeideExemplare halten sich in unserer fernerenNachbarschaft auf und sind größer als unse-re Milchstraße.

Außer den Spiralmustern können vieleScheibengalaxien zeitweilig einen Balkenausbilden. Es gibt Hinweise, dass unsereMilchstraße eine Balkengalaxie ist. Die Bal-

10 Jahre Sternwarte auf dem Oldendorfer Berg

15

Abb. 7: Elliptische Riesengalaxie M 87 mit zahlreichen kugelförmigen Sternhaufen (links) und Jet (rechts un-ten), Entfernung ca. 67 Millionen Lichtjahre.

Erwin Heiser Osnabrücker Naturwiss. Mitt. 27 2001

16

Abb. 8: Balkengalaxie M 95, unten Detailaufnahmen des Kernbereichs im infraroten (IR), roten (R) und blauen(B) Spektralbereich.

10 Jahre Sternwarte auf dem Oldendorfer Berg

17

Abb. 9: Zwei ähnliche Scheibengalaxien, Anblick von der Seite (NGC 4565) und von oben (M 101).

ken erzeugen radiale Strömungen nach au-ßen und nach innen, so dass sie eine Durch-mischung der Sterne und des Gases einerGalaxie herbeiführen. Es ist sehr schwierig,sich die Bewegungsverhältnisse derartigerGalaxien vorzustellen. Spiralarme, Balkenund Sterne rotieren jeweils mit unterschiedli-chen Geschwindigkeiten, wobei in den Bal-ken zusätzlich gegenläufige, horizontale undvertikale Bewegungen auftreten. Eine Aus-wahl von vier unterschiedlichen Balkenspira-len findet sich in Abb. 10. Trotz aller Komple-xität, machen diese Galaxien einen harmoni-schen Eindruck.

10 Wechselwirkende Galaxien

Wenn sich Galaxien nahe kommen, könnensie sich deformieren, verbiegen, heftige Aus-brüche von Sternentstehung anregen, sichgegenseitig große Teile entreißen oder sogarverschmelzen.

Dazu muss man sich vorstellen, dass Be-gegnungen von Galaxien ganz anders ver-

laufen als von Sternen. Fliegen zwei Sterneaufeinander zu, erhöhen sich ihre Geschwin-digkeiten bis zum Zeitpunkt der größten An-näherung, dort beschreiben sie enge Kurvenumeinander und fliegen wieder mit abneh-mender Geschwindigkeit auseinander. Ein-fangen können sie sich nicht – abgesehenvon einem unwahrscheinlichen direkten Tref-fer – weil ihre Geschwindigkeiten währendder Begegnung zu hoch sind und nicht ge-bremst werden. Beispielsweise spielt sichdieser Vorgang häufig zwischen Sonne undKometen ab.

Begegnen sich jedoch zwei Galaxien,dann können sie sich durch die gegenseiti-gen Gezeiteneffekte bis zur Unkenntlichkeitverändern. Die Energie, die zu dieser Umge-staltung aufgewendet werden muss, wird ih-rem Bahndrehimpuls (das ist der Schwungihrer Bahnbewegung) entnommen, so dasssich ihre Geschwindigkeiten verringern. Sieschaffen es deshalb nicht immer, wieder aus-einander zu fliegen, und verschmelzen in ei-ner astronomisch kurzen Zeit von einigen100 Millionen Jahren.

Erwin Heiser Osnabrücker Naturwiss. Mitt. 27 2001

18

Abb. 10: Auswahl von vier Balkengalaxien.

Eines der seltsamsten Paare dieser Art bil-den NGC 5216/18 (Abb. 11 links oben). DieseAufnahme ist übrigens aus 9 Aufnahmen vonje 4 Minuten Belichtungszeit zusammenge-setzt. Zwischen diesen beiden Galaxien er-streckt sich ein schmales Sternenband vonüber 140 000 Lichtjahren Länge, das sie wiemit einem Seil verbindet. Wie beispielsweiseder Mond auf den irdischen Ozeanen Flut-berge erzeugt, so induzieren Partnergalaxienvergleichbare Gezeiten im „Sternenmeer“,die allerdings oft als viele tausend Lichtjahrelange Bänder und Bögen aus Sternen in Er-scheinung treten.

Bei dem Paar NGC 4485/90 spricht eini-

ges dafür, dass die kleine Galaxie vor einigerZeit durch die größere hindurchgeflogen ist.Es ist offenkundig, dass in der großen Gala-xie heftige Aufruhr herrscht (Abb. 11 rechtsoben). Die Ketten heller Punkte sind Stern-entstehungsgebiete, die durch die Begeg-nung in Gang gesetzt wurden.

NGC 2623 ist ein Beispiel für eine geradestattfindende Verschmelzung zweier Galaxi-en. Die beiden langen Fahnen sind Gezeiten-schweife aus Sternen, keine Spiralarme(Abb. 11 rechts unten).

Das Zwillingspaar NGC 4567/68, zweiSpiralnebel im Virgo-Galaxienhaufen, er-scheint trotz der nahen Begegnung wenig

10 Jahre Sternwarte auf dem Oldendorfer Berg

19

Abb. 11: Wechselwirkende Galaxien in unterschiedlichen Stadien der Begegnung und Verschmelzung, die Ge-zeitenarme von NGC 2623 sind zusammen etwa 200 000 Lichtjahre lang.

deformiert. Dieser Umstand spricht dafür,dass der Drehsinn der Einzelgalaxien und derVerlauf der Begegnung entgegengesetztsind (Abb. 11 links unten). Die Art der Begeg-nung ist sehr entscheidend für die Folgen derBegegnung.

Eine Veröffentlichung über wechselwir-kende Galaxien erfolgte kürzlich in der Zeit-schrift Sterne und Weltraum (Heiser 2000).

11 Wie weit kann man mit demFernrohr sehen?

Abgesehen von der Frage nach dem Preisdes Fernrohrs ist das eine der häufigstenFragen unserer Besucher. Wir zeigen danneine unserer Aufnahmen, auf der mehrereSterne zu sehen sind, darunter ein Doppel-stern (Abb. 12). Und wir sagen sinngemäß:dieser Doppelstern ist in Wirklichkeit das inzwei Teile aufgespaltene Bild eines Quasarsmit der Bezeichnung Q 0957+561 A,B, einerbesonders hellen Galaxie. Eine dazwischen-

Erwin Heiser Osnabrücker Naturwiss. Mitt. 27 2001

20

Abb. 12: Doppelquasar Q 0957+561 A,B zwischen den Balken.

liegende zweite Galaxie wirkt wie eine Linse(Gravitationslinse), krümmt das Licht und er-zeugt zwei Bilder des Quasars, eine Art FataMorgana. Weiter wird erläutert, dass derQuasar an der allgemeinen Expansion desWeltalls teilnimmt und sich von uns in jederSekunde 270 000 Kilometer entfernt. Darausmüsse wohl auf eine Entfernung zwischen 5und 10 Milliarden Lichtjahren geschlossenwerden. Jedoch sehen wir den Quasar dort,wo er vor 5 bis 10 Milliarden Jahren stand alser das Licht abstrahlte. Aber wo steht er heu-te, wenn wir gar nicht wissen, wie schnell ersich in der Zwischenzeit von uns entfernte?Die einfache Frage nach der Entfernung be-inhaltet demnach mindestens zwei Fragennach zwei Entfernungen.

Spätestens an diesem Punkt wird demFragesteller deutlich, dass die merkwürdigeVerknüpfung von Raum und Zeit im Weltalldie einfache Frage auf einmal kompliziertmacht. Wer darüber nachdenkt, für den hatsich der Besuch in der Sternwarte gelohnt.

Literatur

Backhaus, U. (1997): Fachberichte der Univer-sität Koblenz-Landau, Bericht Nr. 24

Groß, R. (1997): Die Fixsternparallaxe und ihreMessung mit CCD-Kameras, Wissenschaftli-che Prüfungsarbeit an der Universität Ko-blenz-Landau, Mai 1997

Heiser, E. (1998): Komet Hale-Bopp auf dem Ol-dendorfer Berg – Osnabrücker Naturw. Mit-teilungen 24: 19-30

Heiser, E. (2000): Ein Blick auf wechselwirkendeGalaxien – Sterne und Weltraum, 6/2000:479-481

Heiser, E. & Schröder, R. (1996): Eigenbewe-gung und Parallaxe von Barnards Pfeilstern –Sterne und Weltraum 5/1996:388

Heiser, E., Schröder, R. & Hänel, A. (1996):Astrometrie mit der CCD-Kamera – Sterneund Weltraum 8-9/1996: 680-684

Physik Oberstufe, Band 2 Grundkurse (1998),S. 424 – Cornelsen:Berlin

Vasundhara, R., Chakraborty, P., Hänel, A. &Heiser, E. (1997): Modeling Dust Jets andShells from Comet Hale-Bopp – Earth, Moonand Planets 78: 231-238