100 Jahre Bankhaus Ludwig Sperrer

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100 JAHRE BANKHAUS LUDWIG SPERRER persönlich Außergewöhnlich

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Chronik 100 Jahre Bankhaus Sperrer

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persönlichaußergewöhnlich

seit drei generationen ist die Familie sperrer im Bankgeschäft tätig.

Ludwig sperrer gründete 1913 ein Bankhaus, dessen wechselvolle geschichte

eng mit der entwicklung seiner region verbunden ist. politische systembrüche,

zwei weltkriege, vier währungsreformen und tiefe wirtschaftskrisen waren

im Laufe eines Jahrhunderts zu überwinden. die bis heute inhabergeführte Bank

hat dabei alle herausforderungen gemeistert und ist ihren zentralen werten –

unabhängigkeit, Ortsverbundenheit und persönliche kundenbetreuung –

treu geblieben.

Gewidmet Herrn Bankier Hans Sperrer | 1934–2011

VORWORT

„Beim Bankhaus Sperrer ist man seiner Geschichte und

seiner altbayerischen Heimat treu geblieben, ist nah bei den

Menschen vor Ort und betreibt dort das klassische

Bankgeschäft.“

Silke WolfGeschäftsführerin des

Bayerischen Bankenverbandes

Tradition, Unabhängigkeit und Ortsverbundenheit. So beschreibt das vor 100 Jahren von Ludwig Sperrer gegründete und nach ihm benannte Bankhaus selbst die Fundamente seines Erfolgs. Der heutige persönlich haftende Gesell-schafter Christian Sperrer führt das Bankhaus nunmehr in dritter Generation. Dort, wo andere Privatbanken vielfach die Anlehnung an eine der großen Geschäftsbanken suchen mussten, gelang es dem Bankhaus Sperrer, unabhängig zu bleiben. Zudem ist das Bankhaus Sperrer seit nunmehr 100 Jahren nicht nur Privatbank, sondern auch Universalbank, ganz im Gegensatz zu den meisten Privatbanken, die sich im Laufe der Zeit auf ein bestimmtes Geschäftsfeld – meist die Betreuung vermögender Privatkunden – spezialisierten. Nicht so das Bankhaus Sperrer. Das Fundament dieses Erfolgs ist die tiefe Verwurzelung in der Dom- und Universitätsstadt Freising und in Moosburg. Beim Bankhaus Sperrer ist man seiner Geschichte und seiner altbayerischen Heimat treu geblieben, ist nah bei den Menschen vor Ort und betreibt dort das klassische Bankgeschäft. Die Kunden danken es ihm mit jahrelanger Treue. So traditionsbewusst das Bankhaus ist, hat es bereits unter Hans Sperrer, dem Vater des jetzigen Inhabers, den Weg in die technische Moderne des Bankgeschäfts gesucht. Maßstab blieb für die Bank aber stets der persönliche Kontakt zu ihren Kunden.

Das Bankhaus Sperrer entspricht noch heute dem klassischen Bild einer Privat-bank. Ganz im Sinne von Walter Eucken, dem Begründer des Ordoliberalismus, fallen unternehmerische Entscheidungskompetenz und persönliche Haftung nicht auseinander, sondern in einer Person, der des Privatbankiers, zusammen. Hieraus erwächst eine Authentizität und Glaubwürdigkeit, die nur den Privatbankiers eigen ist.

Diese Werte gilt es auch in Zukunft zu erhalten. Nicht immer aber bringt die Politik das notwendige Verständnis auf, Regulierungsansätze so zu differenzieren, dass sie für mittelständische, in der regionalen Wirtschaft fest verankerte Institute lebbar bleiben. Im Bayerischen Bankenverband werden die Privatbankiers auch künftig einen verlässlichen Partner finden, um dies der Politik zu verdeutlichen, damit das Bankhaus Sperrer auch noch in 100 Jahren ein in der Tradition verwurzeltes, modernes Bankhaus sein wird.

Silke WolfGeschäftsführerin des Bayerischen Bankenverbandes

München, im Januar 2013

Der erste Schritt in die Unabhängigkeit – Ludwig Sperrer gründet eine Bank 6

Die Geschäftsgrundsätze der Sperrer-Bank: Solid, gewissenhaft und verschwiegen 9

Das frühe Geschäft der Sperrer-Bank: Vermittlung von Wertpapieren und Krediten 9

Der Erste Weltkrieg erreicht Freising: Kriegsanleihen und Lebensmittelknappheit 10

Unruhige Zeiten: Kriegsende, revolutionäre Unruhen und verschärfter Bankenwettbewerb 15

Endlich wieder Frieden in Freising: Neue Unabhängigkeit für Ludwig Sperrer 17

Von der Pfandbriefvermittlung zur Universalbank – die Sperrer-Banken in Freising und Moosburg 19

Bewährungsprobe Inflation 20

Neue Währung, neue Dienstleistungen 23

Tod Kaspar Sperrers 25

Nationalsozialistische Bankenpolitik 27

Das Privatbankhaus im Zweiten Weltkrieg 28

Die zweite Generation 29

Aufbau und Aufschwung in Freising 31

Das Gute weitergeben, Neues gestalten – das Bankhaus Sperrer zwischen Tradition und Technisierung 33

Bankalltag und Hopfentour 35

Einzug der elektronischen Datenverarbeitung 36

Neue Bankadressen in Freising und Moosburg 37

Schock in der Bankenwelt 38

Mit den Märkten wachsen 40

Persönlich bleiben 43

Verschmelzung der Sperrer-Banken in Freising und Moosburg 45

Außergewöhnlich persönlich – „Wenn wir uns zurücklehnen, dann nur, um Ihnen zuzuhören.“ 47

EFDIS AG: Unabhängige Bankenexpertise plus individuelle Softwarelösungen 49

Die dritte Generation 50

Kundenvertrauen in die Privatbank trotz weltweiter Finanzkrise 52

Außergewöhnlich persönlich 55

Sperrer-Team und Sperrer-Lösungen 56

Danksagung und Anhang 58

INHALT

Ludwig Sperrer, der Gründer und Namensgeber des Bankhauses, um 1913.

1913–1921

Der erste Schritt in die Unabhängigkeit – Ludwig Sperrer gründet eine Bank

Ludwig Sperrer war den Freisingern wohlbekannt. Der Sohn eines Gastwirts aus Berghaselbach hatte seit 1899 die Realschule in der Domstadt besucht. 1905 – Neustift war gerade nach Freising eingemeindet worden und die Domstadt hatte nun etwa 13.500 Einwohner – schloss Ludwig seine Schullaufbahn ab. Da sein älterer Bruder Johann die Gastwirtschaft übernehmen sollte, eröffneten die Eltern Matthias und Kreszenz Sperrer ihrem zweitältesten Sohn einen anderen Lebensweg: Der 16-jährige erlernte im fränkischen Kitzingen am Main beim Bankhaus Joh. Mich. Meyer das Bank-fach. Nach Abschluss seiner Lehre zog es Ludwig Sperrer 1909 erneut nach Freising. Hier trat er eine Anstellung in der kurz zuvor eröffneten Filiale des Münchener Bank-geschäftes A. M. & J. Heilbronner an. Ganz offensichtlich bewies Ludwig großes Geschick, denn Heilbronner übertrug ihm bereits 1910 die Leitung der Filiale. Das war dem ehrgeizigen jungen Mann aber nicht genug.

Im Sommer 1913 erwarb Ludwig Sperrer daher die Filiale im Döbl-Haus an der Unteren Hauptstraße. Sein Vater, der zu den wohlhabenden Einwohnern von Berg-haselbach gehörte, unterstützte ihn finanziell, denn Ludwig Sperrer musste für die Bankübernahme unabhängig vom Ergebnis der Verrechnung der Bilanzwerte einen Kaufpreis von 40.000 Mark zahlen.

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Im Juli 1913 erhielten die Freisinger Kunden des Münchener Bankgeschäftes A. M. & J. Heilbronner einen Brief: „Wir beehren uns,“ schrieb die Bank, „Ihnen höflich mitzuteilen, daß wir mit Wirkung vom 1. Juli a. c. unser in Freising be stehendes Filial-Bankgeschäft an unseren dortigen Filialleiter Herrn Ludwig Sperrer … abgetreten haben.“ Der Grundstein für das Privatbankhaus Ludwig Sperrer war gelegt.

Außergewöhnlich persönlich – 100 Jahre Bankhaus Ludwig Sperrer8

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Die Freisinger Hauptstraße Anfang des 20. Jahrhun­derts. Links die Marien­säule, eines der markan­testen Denkmäler der historischen Altstadt.

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Matthias und Kreszenz Sperrer als jungvermähltes Ehepaar. Gemeinsam betrieben sie eine Gastwirt­schaft in Berghaselbach.

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Ludwig Sperrer (5. von links) mit seinen Eltern und Geschwistern. Der jüngste Bruder Kaspar (3. von links) trat 1921 in die Fußstapfen Ludwigs und schlug die Laufbahn als Privatbankier ein.

Der Schritt in die Selbstständigkeit als Privatbankier mag heute für einen erst 25-jährigen Mann wagemutig erscheinen. Doch der junge Bankier vertraute auf sein Fachwissen und seine Kenntnis von Land und Leuten in und um Freising. Nicht zuletzt zählte er auf seinen großen Verwandtenkreis mit vielen wohlhabenden Landwirten, die er als Kunden gewinnen wollte. „Mit der Versicherung alles aufzubieten, um das in mich gesetzte Vertrauen vollauf zu rechtfertigen“, empfahl sich der junge Bankier unter dem Namen „Ludwig Sperrer, Bankgeschäft, Freising“.

Die Geschäftsgrundsätze der Sperrer­Bank: Solid, gewissenhaft und verschwiegen

Welches Ansehen Ludwig Sperrer in der Öffentlichkeit hatte, zeigte sich bereits im Sommer 1913. Die „Neue Freisinger Zeitung“ beschrieb ihn im Juli 1913 anlässlich der Bankgründung als tüchtig, gewandt und kenntnisreich. Er sei ein Finanzmann, der die Interessen seiner Kunden bestens zu wahren verstehe, dies habe er bereits in seiner bisherigen Stellung bewiesen. „Dem neuen Firmeninhaber“, dessen war sich das Blatt gewiss, „wird es bei seiner bekannten Geschäftstüchtigkeit sicher gelingen, sich den bisherigen treuen Kundenkreis nicht nur zu erhalten, sondern denselben noch zu erweitern.“ So gab es dem frischgebackenen Bankier gute Wünsche mit auf den künftigen Weg: „Möge das Publikum seine Gunst der neuen Firma in reichem Maße zuwenden und ihr das nötige Vertrauen stets entgegenbringen!“

Tatsächlich verzeichnete die neue Bank schon in den ersten Monaten regen Zuspruch. Ludwig Sperrer führte dies darauf zurück, dass ihm als Sohn einer wohl-bekannten Familie aus Berghaselbach in der Region großes Vertrauen entgegen-gebracht wurde. Er sagte seinen Kunden zu, sie nach seinem Geschäftsgrundsatz „streng solid, gewissenhaft und aufmerksam“ zu bedienen, um sie vollkommen zufrieden zu stellen. Zudem versprach er, „strengstes Stillschweigen“ bei der Erle-digung der Geschäfte zu wahren – „selbstverständlich auch dem königlichen Rentamt“, also der damaligen lokalen Finanz behörde, gegenüber. Die Vermögensmeldungen an die Rentämter waren zu diesem Zeitpunkt ein umstrittenes Thema: Die Reichsregie-rung hatte 1913 eine neue Wehr vorlage eingebracht, um die Armee kräftig zu stärken. Finanziert werden sollte der drastisch steigende Wehretat über eine einmalige Ver mögensabgabe und bis Ende Januar 1914 sollte jeder Freisinger seine Vermögens-verhältnisse beim Königlichen Rentamt schriftlich offenlegen.

Das frühe Geschäft der Sperrer­Bank: Vermittlung von Wertpapieren und Krediten

Die Bankenlandschaft Freisings war kurz vor dem Ersten Weltkrieg recht über-schaubar. Außer der Sperrer-Bank gab es nur eine einzige weitere Privatbank, das Bankhaus Georg Münzig. Auch das Produktangebot der Sperrer-Bank war damals noch klein: Kontokorrentkonten und Sparbucheinlagen gab es nur wenige, im Mittelpunkt der Banktätigkeit stand vielmehr der Verkauf von Pfandbriefen, die von den bayeri-

Der erste Schritt in die Unabhängigkeit – Ludwig Sperrer gründet eine Bank (1913–1921) 9

schen Regionalbanken aufgelegt und ausgegeben wurden. So verkaufte Ludwig Sperrer Pfandbriefe für die Bayerische Hypotheken- und Wechselbank, die Bayerische Handelsbank sowie die Bayerische Landwirtschaftsbank und die Bayerische Vereins-bank. Außerdem vertrieb das Bankhaus Anleihen der Städte München, Landshut und Rosenheim mit einem Zins von 4 Prozent. Schließlich vermittelte die Sperrer-Bank auch Versicherungen der Bayerischen Versicherungsbank, einer Tochtergesellschaft der Bayerischen Hypotheken- und Wechselbank.

Ludwig Sperrer bewältigte diese Arbeit mit zwei Mitarbeitern. Vor allem an Markttagen war der Geschäftsverkehr schwungvoll. Die Bank verkaufte dann teilweise Pfandbriefe bis zu 20.000 Mark, im Herbst nach der Hopfenernte sogar noch mehr. Der enge Kontakt zu seinen Kunden, vorwiegend Landwirte, war Ludwig Sperrer besonders wichtig – ein Geschäftsgrundsatz, der ihm leicht fiel: Ludwig Sperrer wurde von Zeitgenossen als sehr gesellig beschrieben, er war Mitglied mehrerer Vereine und ging häufig zur Jagd.

Im Frühjahr 1914 ging der junge Bankier eine engere Verbindung mit der Bayerischen Handelsbank ein und übernahm in Freising die „alleinige Vertretung der Bayerischen Handelsbank, München, Abteilung für Hypotheken“. Sperrer verkaufte nun „alle … Gattungen unserer mündelsicheren Bayerischen Hypotheken-Pfandbriefe“ und vermittelte Hypothekenkredite der Handelsbank.

Der Erste Weltkrieg erreicht Freising: Kriegsanleihen und Lebensmittelknappheit

Der Erste Weltkrieg beendete die gute Entwicklung des jungen Bankhauses. Schon der Kriegsausbruch am 1. August 1914 war für die Sperrer-Bank ein Schlag, denn als Ende Juli die Börsen schlossen, kam bei den Anlegern Panik auf. Ludwig Sperrer schloss die Bank für einige Tage und kürzte die Öffnungszeiten schließlich auf einen halben Tag, da der Kriegsausbruch die Geschäftstätigkeit stark einschränkte. In den kommenden Monaten und Jahren bekam Sperrer die Folgen des Krieges immer stärker zu spüren. Die Kunden der Sperrer-Bank waren meist Landwirte, und der Agrarsektor litt unter der Kriegswirtschaft. Knappe Lieferungen von Kunstdünger und die Einzie-hung von Bauernsöhnen und Landarbeitern ließen die Lebensmittelerzeugung sinken.

Geschichte der

Privatbankiers

Privatbankiers prägten das Bankwesen in Deutschland bis zur Gründung der großen Aktienbanken im späten 19. Jahrhundert. Die Privatbanken gin-gen meist aus dem Warenhandel und dem Juwelier- und Spediteurgewerbe hervor. Geldwechsel und Kreditvergabe waren dabei wichtige Geschäftsfelder, die hohe Gewinne erwirtschafteten und so die Kapitalbildung ermöglichten. Die Privatbankiers – Namen wie Roth-schild, Metzler, Warburg und Berenberg

10 Außergewöhnlich persönlich – 100 Jahre Bankhaus Ludwig Sperrer

sind noch heute ein Begriff – finanzier-ten den beginnenden Eisenbahnbau und die ersten Industriegründungen in Deutschland.

Die wachsende Industrie benötigte immer mehr Kapital – Privatbankiers beschafften es mit Anleihen und Finan-zierungen oder sie beteiligten sich direkt an den Industrie unternehmen. Als ihr privates Kapital mit der wirt-schaftlichen Dynamik nicht mehr Schritt halten konnte, gründeten Privatbankiers

ab 1870 Aktienbanken: Die Deutsche Bank, die Commerzbank oder die Dresdner Bank, die damals entstanden, konnten erheblich größere Kapital-mengen einsammeln.

Die Aktienbanken bauten bis zum Beginn des Ersten Weltkrieges ein Netz von „Depositenkassen“ als Kapital-sammelstellen auf. Dabei eröffneten sie keine neuen Filialen, sondern über-nahmen bereits bestehende regionale Privatbanken. Dadurch sank die Zahl

der Privatbanken von 2.180 im Jahr 1892 auf 1.221 im Jahr 1913. Doch die verbliebenen Privatbankiers fanden ihre Nischen: Sie konzentrierten sich auf das Wertpapier- und Auslandsgeschäft sowie das kurzfristige Kreditgeschäft mit Gewerbetreibenden.

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Ludwig Sperrer wurde am 25. August 1888 als drittes von acht Kindern des Gast­ und Landwirts­ehepaares Matthias und Kreszenz Sperrer in Berghaselbach geboren. Nach dem Besuch der Realschule in Freising und dem Abschluss seiner Bankausbildung in Kitzingen trat er 1909 in die Freisinger Filiale des Münchener Bankgeschäfts A. M. & J. Heilbronner ein. Schon 1910 übernahm er die Geschäftsleitung der Filiale und kaufte sie schließlich zum 1. Juli 1913.

Aus kleinsten Anfängen entwickelte Ludwig Sperrer seine Bank zu einer Universalbank mit vielfältiger Produktpalette. In der Zeit bis zum Ende des Ersten Weltkrieges verkaufte der Bankier vor allem Pfandbriefe bayerischer Regionalbanken und Kriegsanleihen des Deutschen Reiches. Seit den 1920er Jahren nahm er auch Einlagen herein, die er auf eigenes Risiko als Kredite herausgab. Bestand bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges die Kund­schaft vor allem aus Landwirten, so kamen in der Folgezeit Geschäftsleute, Handwerker und Arbeit­nehmer hinzu. Bis zu seinem Tod mit 73 Jahren im Jahr 1961 leitete Ludwig Sperrer sein Unternehmen fast 50 Jahre lang mit großer Schaffenskraft, Weit­

blick und Solidität. Seine Grundsätze – solid, gewissenhaft, verschwiegen – prägen das Bankhaus, das noch heute seinen Namen trägt.

Ludwig Sperrer 1888–1961

Der erste Schritt in die Unabhängigkeit – Ludwig Sperrer gründet eine Bank (1913–1921)

Die Armee beschlagnahmte Pferde, die nun bei der Feldbestellung fehlten. Futtermittel wurden knapp, so dass die Bauern ihre Viehbestände reduzierten.

Wie überall im Deutschen Reich stürmten die Freisinger die Lebensmittel-geschäfte, denn sie befürchteten eine baldige Lebensmittelknappheit. Das Kaiserreich war bis 1914 weltweit der größte Importeur von Agrarprodukten, ein Drittel seines Lebensmittelbedarfs beschaffte es aus dem Ausland. Mit Ausbruch des Krieges blockierten jedoch die Kriegsgegner die Einfuhr. Die Regierung versuchte, die Krise mit vielfältigen Regelungen zu bewältigen: Höchstpreise sollten den schnellen Preis-steigerungen Einhalt gebieten. Freisinger Landwirte, die die Höchstpreise über-schritten, wurden vor Gericht gestellt. Im Juni 1915 wurden Brotkarten eingeführt und die Getreideproduktion unter Staatsaufsicht gestellt. Mehr und mehr Lebensmittel wurden rationiert, bald blühte der Schwarzmarkt. Die Wintermonate 1916/17 brachten einen vorläufigen Tiefpunkt der Lebensmittel- und Brennstoffversorgung.

Die Kriegswirtschaft prägte auch die Geldgeschäfte. Trotz vielfältiger materi-eller Entbehrungen und persönlichen Leids, das die unerwartet lange Kriegsdauer mit sich brachte, sollten die Deutschen auch einen finanziellen Kriegs beitrag leisten. Das Deutsche Reich lieh sich bereits seit 1914 mittels sogenannter Kriegsanleihen von seinen Bürgern Geld – der Krieg wurde vom Staat nicht durch Steuern, sondern durch Verschuldung finanziert. Die Regierung ging anfangs von einem schnellen Kriegsge-winn aus, die besiegten Staaten sollten dann die aufgelaufenen Schulden bezahlen. Die erste Kriegsanleihe wurde im September 1914 mit einem Zins von 5 Prozent aufgelegt, fand jedoch bei der Sperrer-Bank noch wenig Anklang, nur 25.000 Mark wurden gezeichnet. Doch von Anleihe zu Anleihe nahm der Geschäftsumfang zu. Die insge-samt neun Kriegsanleihen brachten dem Deutschen Reich schließlich einen Erlös von 97 Milliarden Mark. Doch das Risiko der Kriegs anleihen lag auf der Hand: Je länger der Krieg dauerte, desto ungewisser wurde sein Ausgang und desto höher stieg die Verschuldung, nicht zuletzt durch die hohen Zinszahlungen. Auch die Freisinger legten ihr Geld zunehmend in Kriegsanleihen des Deutschen Reiches an. Das Bank-geschäft Ludwig Sperrer bot Anleihen als „ungewöhnlich verlockend“ und „hoch-rentabel“ an. Nicht zuletzt, so Sperrer im typischen Ton dieser Zeit, sei der Kauf eine „patriotische Pflicht“. Von der 8. Kriegsanleihe im Frühjahr 1918 kaufte die Stadt Freising 240.000 Mark und die Arbeiter der Freisinger Schlüter-Werke 200.000 Mark.

Anfang Januar 1915 verlegte Ludwig Sperrer sein Geschäftslokal in das ehe malige Kaufhaus von Alois Dannegger an der Mittleren Hauptstraße 12. Voller Stolz gab Sperrer die Vorteile der neuen Geschäftsräume bekannt: „Umfangreiche Erweiterung, praktische Einteilung und neuzeitliche Ausstattung des Schalter- und Kassenraumes … erfüllen alle Voraussetzungen eines modernen bankgeschäftlichen Büros und ich bin jetzt mehr als seither in der Lage, die Angelegenheiten meiner werten Kundschaft in räumlicher Hinsicht angenehm und bequem zu erledigen.“

Gut zwei Jahre später wurde Ludwig Sperrer zum Heer einberufen. Allerdings wurde er offensichtlich nicht an die Front geschickt, um seinen Pflichten als Inhaber der Privatbank nachkommen zu können. Hier wechselte das Personal jetzt häufiger, weil die Mitarbeiter zum Kriegsdienst eingezogen wurden.

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Das Dannegger­Haus an der Mittleren Hauptstraße wurde 1915 Geschäftssitz des Bankhauses Ludwig Sperrer.

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Der Marienplatz mit Blick auf die Stadtpfarrkirche St. Georg. Viele Jahrzehnte später sollte an der Stelle des Eckhauses die heutige Hauptstelle des Bankhauses Ludwig Sperrer entstehen.

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Rückkehr von der Hopfen­ernte, um 1913. Während seiner fast 50­jährigen Tätigkeit als Privatbankier zählte Ludwig Sperrer viele Hopfenpflanzer zu seinen Kunden.

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29. April 1919: Regierungstruppen in Freising. Die Soldaten und Freiwilligenverbände rückten gegen die Räte­republik in München vor.

Außergewöhnlich persönlich – 100 Jahre Bankhaus Ludwig Sperrer

Unruhige Zeiten: Kriegsende, revolutionäre Unruhen und verschärfter Bankenwettbewerb

Mitten im Krieg wandelte sich der Bankenwettbewerb am Standort: Nachdem die Bayerische Vereinsbank eine Filiale in Freising errichtet hatte, drängte es auch die Bayerische Handelsbank in die Domstadt. Wegen seiner Einberufung entschied Ludwig Sperrer, seine Bank an die Handelsbank zu verkaufen. Ende Oktober 1917 schlossen die Kontrahenten einen Vertrag: Die Handelsbank zahlte Ludwig Sperrer unabhängig von der Verrechnung der Vermögenswerte und Schulden einen Kaufpreis von 50.000 Mark und für die Übernahme der Geschäftsleitung weitere 50.000 Mark. Ludwig Sperrer blieb damit Leiter der künftigen Filiale, schließlich war er der Garant dafür, dass die Kunden ihr Vertrauen in ihn auch auf die Handelsbank übertrugen. Sperrer verpflich-tete sich im Gegenzug, die Bankgeschäfte im Interesse der Bayerischen Handelsbank zu führen und insbesondere die Pfandbriefe der Handelsbank zu verkaufen.

Im Januar 1919 trat die Vereinbarung zwischen den Vertragspartnern in Kraft. Das Geschäftslokal blieb weiter im Dannegger-Haus und die Bank firmierte nun als „Bayerische Handelsbank Filiale Freising vormals Ludwig Sperrer“. Für die Leitung der Filiale erhielt Sperrer ein Jahresgehalt von 6.000 Mark und einen Anteil am Rein-gewinn von 7 Prozent. Außerdem hatte er Anspruch auf einen vierwöchigen Urlaub. Die Dauer des Dienstverhältnisses wurde zunächst auf fünf Jahre festgesetzt.

Bereits am 10. Oktober 1918 hatte Ludwig Sperrer die sechs Jahre jüngere Maria Illinger geheiratet. Ludwigs Ehefrau kam aus einer alteingesessenen Freisinger Familie. Ihr Großvater Franz Xaver Illinger betrieb seit 1854 eine Seifensiederei im Domherrenhaus 13. Illingers Sohn Georg, Marias Vater, eröffnete 1886 zusätzlich einen Laden zum Verkauf der eigenen Erzeugnisse, nämlich Seifen, Seifenpulver und Kerzen. Die frisch vermählten Sperrers erlebten politisch wechselvolle Zeiten. Nach dem Ende des Ersten Weltkriegs wurde das Deutsche Reich zur Republik. In Bayern endete damit die Herrschaft der Wittelsbacher. Am 8. November 1918 rief Kurt Eisner, Leitfigur der Unabhängigen Sozialdemokratischen Partei, die Republik aus und erklärte Bayern zum Freistaat. Wenige Tage später übergab das Königliche Bezirksamt in Frei-sing die Regierungsgewalt an einen Soldaten-, Arbeiter- und Bauernrat nach sowjeti-schem Vorbild. Bald darauf stellten sich Parteien zur Wahl: In Freising waren dies vor allem die Bayerische Volkspartei (BVP) und die Sozialdemokratische Partei Deutsch-lands (SPD). An der Wahl zur verfassungsgebenden Nationalversammlung am 19. Januar 1919 durften erstmals auch Frauen und Soldaten teilnehmen. Zugleich wurde das Wahlalter von 25 auf 20 Jahre gesenkt. Die etwa 9.700 Freisinger Wahlberechtigten gaben der BVP knapp den Vorzug vor der SPD.

Doch die revolutionären Unruhen setzten sich fort. Ministerpräsident Eisner wurde am 21. Januar Opfer eines Attentats und seine Ermordung löste eine zweite Revolution aus, die am 7. April 1919 in eine bayerische Räterepublik mündete. Regierungstruppen und rechte Freikorpsverbände eroberten jedoch in den ersten Maiwochen München und schlugen die Räterepublik blutig nieder.

15Der erste Schritt in die Unabhängigkeit – Ludwig Sperrer gründet eine Bank (1913–1921)

Im 19. Jahrhundert gründeten sich in Bayern vor allem zur Förderung von Gewerbe, Handel und Industrie mehrere regional tätige Banken. Zur Jahreswende 1834/1835 entstand die Bayerische Hypotheken- und Wechselbank in München. Privatbankiers gründeten 1869 die Bayerische Vereinsbank in München und die Bayerische Handels-bank in Augsburg. Alle Banken waren im kurz- und langfristigen Kredit-geschäft tätig.

Bayerisches

Bankwesen

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Gut ein halbes Jahr diente das Ostermann­Haus Ludwig Sperrer als pro­visorische Unterkunft für seine Geschäftsstelle. Aufnahme von 1922.

100 Mark der Bayerischen Notenbank,

gedruckt im Jahre 1900.

Außergewöhnlich persönlich – 100 Jahre Bankhaus Ludwig Sperrer

Bayerische Vereinsbank und Bayerische Hypotheken- und Wechselbank grün-deten 1875 gemeinsam mit dem bayeri-schen Staat die Bayerische Notenbank, die zur Ausgabe von Banknoten berech-tigt war. Die Bayerische Staatsbank hingegen ging aus der schon 1780 vom Ansbacher Fürsten gegründeten „Hofbanco“, später Königliche Bank Nürnberg, hervor.

Als sich um 1900 die Berliner Groß-banken zunehmend in Bayern nieder-

ließen, gründeten auch die bayerischen Regionalbanken Filialen. Ein wesent-liches Merkmal dieser Regionalbanken war die Konzentration auf die mittel-ständische Kundschaft, da bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges Bayern über-wiegend agrarisch geprägt und die Zahl der Großunternehmen recht gering war. Außerdem boten die Banken mit der Ausgabe kleingestückelter Pfandbriefe auch Klein sparern eine sichere Geld-anlage.

Wie im Fall Ludwig Sperrers übernah-men die Regionalbanken häufig bereits ansässige Privat banken und wandelten sie in Filialen um, die von den bisherigen Inhabern weiter geführt wurden.

Gustav Ritter von Kahr, seit März 1920 bayerischer Ministerpräsident, wollte Bayern als rechte „Ordnungszelle“ innerhalb einer vermeintlich in „marxistischem Chaos“ versinkenden Weimarer Republik erhalten. Nachdem ausgerechnet das konservative und traditionsbewusste Bayern mit der Münchener Räterepublik Schauplatz einer radi-kalen revolu tionären Erhebung „von links“ gewesen war, bereiteten nun antirepublika-nische Kräfte „von rechts“ den Boden für nationalistische Extremisten.

Endlich wieder Frieden in Freising: Neue Unabhängigkeit für Ludwig Sperrer

Trotz dieser Schrecknisse wollten die Freisinger zu Kultur und Bildung zurück: Sie feierten beispielsweise am 20. November 1919, zum Fest des Heiligen Korbinian, die vollständige Restaurierung und gelungene Verschönerung des Mariendoms. Zu Beginn des Jahres 1920 freute sich die Stadt über die Erhebung der Königlichen Akademie Weihenstephan zur „Hochschule für Landwirtschaft und Brauerei“. Endlich schienen wieder Ruhe und Sicherheit nach Freising zurückgekehrt zu sein – gute Vor aussetzungen für Ludwig Sperrer, seine Unabhängigkeit zurückzugewinnen.

Mit diesem Plan handelte Ludwig Sperrer gegen den Branchentrend. Von 1918 bis Anfang der 1920er Jahre wurden gut 180 Privatbanken durch andere Institute, meist Berliner Großbanken, übernommen. Das Betriebskapital vieler Privatbanken war durch den Krieg empfindlich geschrumpft und der Wettbewerb in der Branche inzwischen härter geworden, so dass die Übernahmeofferten der Großbanken oft erfolgreich waren. Doch Ludwig Sperrer entschied sich für die unternehmerische Handlungsfrei-heit ohne Bindung an einen Konzern und für das Geschäftsprinzip, das gewachsene, persönliche Vertrauensverhältnis zu seinen Kunden als Privatbankier zu pflegen.

17Der erste Schritt in die Unabhängigkeit – Ludwig Sperrer gründet eine Bank (1913–1921)

1921–1961 Mitarbeiter der Sperrer­Bank in Freising, 1940er Jahre.

Von der Pfandbriefvermittlung zur Universalbank – die Sperrer-Banken in Freising und Moosburg

Am 1. Februar 1921 eröffnete Kaspar Sperrer in Moosburg ein eigenes Bankgeschäft. Der 1899 ebenfalls in Berghaselbach geborene Kaspar hatte sich bei der Berufswahl offensichtlich an seinem elf Jahre älteren Bruder Ludwig orientiert. Auch Kaspar hatte in Freising erfolgreich die Realschule abgeschlossen und dann in der Nähe von Rosen-heim eine Bankausbildung gemacht. Nachdem er einige Zeit in verschiedenen Banken ge arbeitet hatte, wollte sich der 21-jährige selbstständig machen. Kaspar erhielt Unter-stützung von seinem Bruder Ludwig, der ihm ein zinsloses Darlehen in Höhe von 100.000 Mark gab und dafür einen Gewinnanteil von mindestens 5.000 Mark jährlich erhalten sollte. Zudem vereinbarten die Brüder, dass Kaspar Spekulations geschäfte in Wertpapieren, Waren, Häusern und Grundstücken nur mit Ludwigs Einverständnis vornehmen sollte. Ein Mitspracherecht behielt sich Ludwig auch bei der Gewährung von Blankokrediten über 3.000 Mark vor. Das Geschäftslokal der neuen Bank, ein ehemaliges Kino im sogenannten „Birnkammerhaus“, lag im Fingergassl, im Moosburger Zentrum.

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Zwei Brüder, zwei Banken: 1921 unterstützte Ludwig Sperrer seinen jüngeren Bruder Kaspar bei der Gründung seines Bank-hauses in Moosburg. Beide Brüder hatten die unruhigen Jahre des Ersten Weltkriegs und der politischen Umstürze in Bayern kaum hinter sich, als Deutschland dramatische Wirtschafts-krisen erlebte. In den 1940er Jahren erweiterte Ludwig Sperrer sein Leistungsangebot und baute nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges sein Bankgeschäft zur Universalbank aus.

Im Spätherbst 1921 veränderten sich auch die Verhältnisse in Freising. Ludwig Sperrer, seit gut zwei Jahren Filialleiter der Bayerischen Handelsbank, war mit seiner Situation zunehmend unzufrieden – insbesondere seine Gehaltsansprüche konnte die Münchener Bank nicht befriedigen. Ludwig und Maria Sperrer hatten inzwischen zwei kleine Kinder: Im April 1919 wurde der Sohn Ludwig, im Juli 1920 die Tochter Marta geboren. Nun hielt das Gehalt des Familienvaters nicht mehr mit der wachsenden Infla-tion Schritt. Zudem sah er durch die Interessengemeinschaft dreier bayerischer Regio-nalbanken seine Position als Filialleiter gefährdet.

Ende März 1921 hatten die Bayerische Handelsbank und die Vereinsbank in Nürnberg ihre Bankabteilungen auf die Bayerische Vereinsbank übertragen. Die Handelsbank – Arbeitgeber von Ludwig Sperrer – behielt nur noch die Hypotheken- und Pfandbriefabteilung und war nunmehr „reine Hypothekenbank“. Mit der Konzen-tration des regulären Bankgeschäfts auf die Vereinsbank sollte den Berliner Groß-banken, die sich zunehmend in Bayern niederließen, ein gewichtiges Unternehmen entgegengesetzt werden. Diese „bayerische Bankenfusion“ hatte unmittelbare Aus wirkungen auf Freising, weil dadurch die Filiale der Bayerischen Handelsbank auf die Vereinsbank überging. Ludwig Sperrer wollte zunächst in die Dienste der Bayerischen Vereinsbank treten, doch die Verhandlungen scheiterten. Jetzt beschloss Ludwig Sperrer, sich erneut selbstständig zu machen und die Filiale zu kaufen. Die Gespräche gestalteten sich zwar schwierig, denn die Bayerische Vereinsbank wollte in den Verkauf zunächst nicht einwilligen, doch am Ende des Jahres hatte sich Ludwig Sperrer durchgesetzt: Am 1. Januar 1922 eröffnete er im Haus des Kaufmanns Ludwig Ostermann an der Oberen Hauptstraße erneut eine eigene Bank.

Die Büroausstattung war bescheiden – ein geliehener Tisch diente als Schalter. Schon im August desselben Jahres zog die Bank jedoch in die Mittlere Hauptstraße 8 um. Ludwig Sperrer hatte das „Sonnenwirt-Haus“ von den Eheleuten Michael und Magdalena Kirnberger bereits zum Jahreswechsel 1921/1922 erworben und umbauen lassen. Die neuen Räumlichkeiten wurden bald dringend nötig, als 1923 die Zahl der Mitarbeiter in der Sperrer-Bank auf 15 Personen anstieg. Eine ihrer Hauptaufgaben: das Zählen der immer stärker anschwellenden Geldmengen – die Inflation explodierte.

Bewährungsprobe Inflation

Zehn Jahre nach seiner Firmengründung im Jahr 1913 stand Ludwig Sperrer vor seiner bislang größten Herausforderung als Privatbankier: der deutschen Hyper-inflation von 1923. Nach dem Ende des Ersten Weltkrieges war der deutsche Staat doppelt verschuldet: Er musste Kriegsanleihen an die eigene Bevölkerung zurück-zahlen und Geld für die hohen Reparationsforderungen der Siegermächte aufbringen. Die Alliierten legten 1921 die Summe von 132 Milliarden Goldmark fest, zahlbar in Dollar, Pfund und Franc. Zudem waren soziale Leistungen für Kriegsopfer und Hinter-bliebene zu leisten und die Kriegswirtschaft musste auf eine Friedensproduktion umge-stellt werden. Die Einnahmen aus Steuern, Zöllen und Abgaben konnten den Finanz-bedarf bei weitem nicht decken, für laufende Ausgaben nahm das Deutsche Reich neue Kredite auf.

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Von der Pfandbriefvermittlung zur Universalbank – die Sperrer-Banken in Freising und Moosburg (1921–1961) 21

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Die Gebrüder Sperrer: Wendelin, Sebastian, Johann, Kaspar und Ludwig (von links nach rechts), ca. 1916.

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Scheck des Bankhauses Ludwig Sperrer, 1920er Jahre. Die Vignette zierte der Freisinger Mariendom – Zeichen der Ortsverbunden­heit Ludwig Sperrers.

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„Notgeld! – Ist dir and’res lieber, Arbeit! – Und ver­dräng’ die Schieber.“ Aufschrift auf Notgeld der Stadt Moosburg, 1921.

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Kaspar Sperrer suchte als Privatbankier – wie sein Bruder Ludwig in Freising – einen engen, vertrauensvol­len Kontakt zu seinen Moos­burger Kunden. Aufnahme aus den 1920er Jahren.

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Die Freisinger Hauptstraße in den 1930er Jahren. Von 1922 bis 1972 befand sich das Bankhaus Ludwig Sperrer an der Mittleren Hauptstraße 8.

Außergewöhnlich persönlich – 100 Jahre Bankhaus Ludwig Sperrer

Die steigende Verschuldung und der Devisenankauf für die Reparationszah-lungen ließen den Kurs der deutschen Währung immer weiter abrutschen. Die Situation verschärfte sich ab Januar 1923, als französische und belgische Truppen in das Ruhr-gebiet einmarschierten. Da Deutschland mit den Reparations zahlungen im Rückstand war, besetzten 100.000 Soldaten die Zechen im Ruhrgebiet – dadurch war die wich-tigste Wirtschaftsregion Deutschlands lahmgelegt. Um ihren Zahlungsverpflichtungen nachzukommen, brachte die Regierung mehr und mehr Geld in Umlauf, auch wenn es dafür keine materiellen Gegenwerte mehr im Land gab. Der Preisexplosion konnten Löhne und Gehälter nicht folgen: Der Reallohn sank auf gut 40 Prozent seines Vorkriegsniveaus. Weite Teile der deutschen Bevölkerung verarmten, denn ihre Erspar-nisse wurden entwertet, feste Erträge oder Zinsen praktisch wertlos. Löhne wurden oft täglich ausgezahlt und sofort in Sachwerte eingetauscht. Banken verloren ihr Eigen-kapital ebenso wie die Träger öffentlicher und privater Ver sicherungen. Ludwig Sperrer investierte in Grundbesitz, um sein Kapital wert beständig zu schützen – eine wichtige Voraussetzung für den Fortbestand seiner Bank.

Als selbst die Geldscheine knapp wurden, gaben Städte und Unternehmen eigene Notgeldscheine aus. Die Tuchfabrik C. Feller & Sohn, Freising, bezahlte ihre Mitarbeiter mit Gutscheinen. Die Stadtverwaltung Freising druckte eigenes Notgeld in Höhe von 7,5 Milliarden Mark. In den stark agrarisch geprägten Landesteilen Bayerns zeigte die deutsche Hyperinflation allerdings auch ein anderes Gesicht: Hier konnte sich die Bevölkerung oft innerhalb der Familie unabhängig von Geld und Markt versorgen. Viele Landwirte profitierten sogar von der Hyperinflation, weil sie etwa Hypotheken mit stetig im Wert sinkendem Papiergeld bedienten, andererseits in die technische Modernisierung ihrer Höfe investierten.

Auf dem Höhepunkt der Inflation wurde im November 1923 eine neue Währung geschaffen: die Rentenmark, ab Oktober 1924 schließlich die Reichsmark. Angesichts der katastrophalen wirtschaftlichen Folgen der Inflation erkannten die Alliierten, dass nur ein wirtschaftlich erstarkendes Deutschland umfassende Repara-tionszahlungen leisten konnte. Der amerikanische Dawes-Plan passte die Reparationen an die Wirtschaftskraft an und gewährte dem Deutschen Reich finanzielle Starthilfe. Deutschland wurde wieder zahlungsfähig und Geld wieder etwas wert.

Neue Währung, neue Dienstleistungen

Das Ende der Inflation im Herbst 1923 überlebten viele Bankinstitute mangels Vermögen allerdings nicht. Erst allmählich fassten die Kunden wieder Vertrauen, und auch bei der Sperrer-Bank setzte nach und nach eine Belebung des Geschäftes ein. Dazu trugen sicherlich die vergleichsweise hohen Zinsen bei: Im Jahr 1924 zahlte Sperrer für Tagesgeld 10 Prozent Zinsen und sogar 20 Prozent für Monatsgeld. In der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg hatte Sperrer hauptsächlich Produkte Dritter vertrieben, jetzt nahm Ludwig Sperrer zunehmend Kundeneinlagen herein und gab Kredite auf eigenes Risiko heraus. Spareinlagen verzinste Sperrer mit bis zu 8 Prozent und garan-tierte dafür ein Höchstmaß an Sicherheit: Er versprach seinen Kunden, die bei ihm

23Von der Pfandbriefvermittlung zur Universalbank – die Sperrer-Banken in Freising und Moosburg (1921–1961)

angelegten Gelder nur an örtliche Gewerbetreibende und Landwirte der Umgebung auszuleihen – das Vertrauen seiner Kunden blieb sein wertvollstes Kapital. Zusätzlich vermittelte Ludwig Sperrer Darlehen der Golddiskontbank, einer Tochtergesellschaft der Reichsbank, und verkaufte Gold-Pfandbriefe der Bayerischen Hypotheken- und Wechselbank. Ihre Wertpapiere konnten Kunden, so garantierte eine Annonce aus dieser Zeit, im „feuer- und diebessicheren Stahlpanzerschrank“ kostenlos deponieren.

Im Oktober 1926 übertrug die Bayerische Notenbank erneut dem Bankhaus Sperrer ihre Agentur für Freising. Ludwig Sperrer firmierte daher mit dem Namens-zusatz „Bayerische Notenbank Agentur“. Für Rechnung der Notenbank errichtete Ludwig Sperrer für seine Kunden Girokonten und verzinsliche Einlagenkonten. Darüber hinaus vermittelte er verschiedene Kredite: Lombarddarlehen gegen die Verpfändung von Wertpapieren, Finanzierungen für Gewerbe und Landwirtschaft sowie langfristige Hypothekendarlehen. Die Übertragung der Agentur war ein wich-tiger Vertrauensbeweis für Ludwig Sperrer, der seinen Kunden dadurch ein noch brei-teres Portfolio anbieten konnte. So erwies sich die zweite Hälfte der 1920er Jahre als ertragreiche Zeit für die Sperrer-Bank. Die Landwirte und insbesondere die Hopfen-bauern, zu denen Ludwig Sperrer enge Kontakte pflegte, erzielten für ihre Erzeugnisse damals hohe Preise. Für Ludwig Sperrer bedeutete dies nicht nur eine gute Zinsspanne im Kredit- und Einlagengeschäft, sondern er erhielt auch beachtliche Bonifikationen bei Pfandbriefverkäufen und Vermittlungsprovisionen für Hypothekendarlehen. Doch diese guten Zeiten waren bereits nach wenigen Jahren vorbei. Am Ende der 1920er Jahre war etwa ein Zehntel der Stadtbevölkerung von Unterhaltszahlungen der Stadt abhängig – die Weltwirtschaftskrise war in Freising angekommen.

Die große Depression ab 1929 erschütterte das Vertrauen der Geldanleger erheblich. Zum Jahreswechsel 1929/1930 spürte dies auch die Sperrer-Bank. Gerüchte über die Zahlungsunfähigkeit der Bank veranlassten viele Kunden, ihr Geld abzu-heben. In wenigen Tagen musste Ludwig Sperrer mehrere 100.000 Reichsmark auszahlen. Als vorsichtig handelnder Bankier hielt er allerdings ein hohes Liquiditäts-polster bereit und konnte alle Auszahlungswünsche seiner Kunden erfüllen. Den Insol-venzgerüchten trat Ludwig Sperrer öffentlich entgegen und gab im Freisinger Tagblatt bekannt: „Um den in den letzten Tagen umlaufenden Gerüchten über eine bestehende oder bevorstehende Insolvenz meiner Firma in jeder Weise wirksam zu begegnen, habe

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Von der Welt­

wirtschafts­

zur Bankenkrise

24. Oktober 1929: „Black Thursday“ an der New Yorker Börse. Die USA erlebten den schwersten Börsencrash ihrer Ge-schichte. Schlagartig zogen amerikani-sche Investoren ihr Kapital aus Deutsch-land ab und forderten Schulden und Kredite ein. Banken und bald auch die von ihnen finanzierten Unternehmen brachen zusammen. Zwischen 1929 und 1933 sanken das deutsche Bruttosozial-produkt, die Industrieproduktion, der private Konsum und das durchschnitt-Safe einer deutschen Großbank, 1931.

Außergewöhnlich persönlich – 100 Jahre Bankhaus Ludwig Sperrer

ich die Bayerische Treuhand AG München mit der Prüfung meiner wirtschaftlichen Verhältnisse beauftragt.“ Sperrer erläuterte zudem, dass keine Zahlungsschwierig-keiten bestehen würden, dass für die Einlagen Sicherheiten vorhanden und die Kunden-depots nicht verpfändet seien. „Mein Privataufwand“, so erklärte Ludwig Sperrer weiter, „steht in gesundem Verhältnis zum wirtschaftlichen Erfolg meines Unterneh-mens.“ Schließlich klagte er gegen einen Landwirt aus dem Landkreis Freising, der die Gerüchte in einer Gastwirtschaft verbreitet hatte. Der Landwirt gab schließlich zu, dass er sich über das Bankhaus unbedacht geäußert hatte, ohne dessen geschäftliche Verhältnisse zu kennen, und entschuldigte sich öffentlich.

Anfang Januar 1930 kam die Bayerische Treuhandgesellschaft in ihrer Prüfung zu einem positiven Urteil: Weder bei den Debitoren noch im Wechselgeschäft oder bei den Kundendepots gab es etwas zu beanstanden. Auch die Höhe von Ludwig Sperrers Privatentnahmen beurteilte die Prüfungsgesellschaft als angemessen. Gerade diese Prüfung gab den Kunden das Vertrauen in die Sperrer-Bank zurück und sie legten die abgehobenen Gelder in den nächsten Wochen erneut bei Ludwig Sperrer an.

Tod Kaspar Sperrers

Ein harter privater Schlag traf Ludwig Sperrer im Sommer desselben Jahres. Am 16. Juni 1930 verstarb plötzlich sein Bruder Kaspar. Kaspar hatte erst anderthalb Jahre zuvor geheiratet und hinterließ seine junge Ehefrau Elisabeth und eine sechs Monate alte Tochter. Elisabeth Sperrer und ihr Schwager Ludwig waren sich schnell einig, die auf solider Grundlage stehende Bank zu erhalten. Wenige Wochen später vereinbarten die Witwe und Ludwig Sperrer, das Bankgeschäft K. Sperrer ab dem 1. Juli 1930 als offene Handelsgesellschaft gemeinsam weiterzuführen. Ludwig Sperrer brachte eine Bareinlage von 20.000 Reichsmark ein und – das wurde ausdrücklich vereinbart – seine Arbeitskraft. Zur Führung der Geschäfte und zur Vertretung der Gesellschaft waren Elisabeth Sperrer und Ludwig Sperrer in gleicher Weise berechtigt. Beide durften jährlich die gleiche Summe an Privatausgaben entnehmen. Vom Rein-gewinn erhielt Ludwig Sperrer 40 Prozent.

Große Unterstützung erhielt Elisabeth Sperrer zudem durch einen langjährigen Mitarbeiter: Nikolaus Schwaiger hatte seit der Gründung der Bank für Kaspar Sperrer

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liche Gehalts- und Besitzeinkommen um bis zu 40 Prozent, während die Arbeits-losenzahl sprunghaft stieg. Die Regie-rung setzte auf einen harten Sparkurs und Wirtschaftsprotektionismus, um die Währung zu stabilisieren.

Doch die Konjunktur kam nicht mehr in Schwung, die Börsenbaisse hielt an. Industrie und Gewerbe nahmen weniger Kredite auf und bei den Banken sank der Wert von Wertpapier- und Beteili-gungsbeständen. Viele deutsche Bank-

institute hatten sich noch nicht von der Hyperinflation sechs Jahre zuvor erholt und litten unter geschmolzenem Eigen-kapital, daher traf sie der amerikanische Kapitalabzug empfindlich. Insbesondere die Berliner Großbanken krankten an den beschleunigten Kreditkündigungen ausländischer Kapitalgeber. Am 13. Juli 1931 brach mit der Darmstädter und Nationalbank (Danatbank) die erste deutsche Großbank zusammen. Privat-kunden stürmten daraufhin die Kreditin-

stitute, die schon am gleichen Tag nur noch Teilzahlungen leisten konnten. Zwei Tage blieben sämtliche Kreditinsti-tute geschlossen, der Zahlungsverkehr ruhte. Danach musste der Staat insbe-sondere die Großbanken massiv finanzi-ell stützen. Privatbankiers konnten da-gegen nicht mit staatlicher Unterstüt-zung rechnen. 1929 verzeichnete die Reichsbank noch 1.100 Privatbanken, drei Jahre später waren es noch 709.

Von der Pfandbriefvermittlung zur Universalbank – die Sperrer-Banken in Freising und Moosburg (1921–1961)

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Ludwig Sperrer mit seiner Frau Maria, Sohn Ludwig, Tochter Marta und dem kleinen Johannes, genannt Hans, 1936/37.

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Ein halbes Jahrhundert lang war Kunden dieses Bild vertraut: Der Bankschalter der Sperrer­Bank an der Mittleren Hauptstraße 8 (heute Obere Haupt­straße 11).

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Noch in den letzten Kriegs­tagen wurde Freising zum Ziel eines alliierten Bom­benangriffs. Gut zwei Wochen später beendeten die Amerikaner den Krieg in der Stadt.

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Außergewöhnlich persönlich – 100 Jahre Bankhaus Ludwig Sperrer

gearbeitet und war bei der ländlichen Kundschaft beliebt und geschätzt. Das sorgte für Kontinuität bei den Kundenbeziehungen und bewährte sich für die Freisinger und Moosburger Sperrer-Banken in der deutschen Bankenkrise 1931. Anders als bei zahlreichen Kreditinstituten blieb ein Bankensturm aus, es gab kaum Abhebungen. Rechtzeitig hatte Ludwig Sperrer risikoreiche Kredite zurückgeführt und damit Liquiditätsschwierigkeiten für seine Bank verhindert.

Nationalsozialistische Bankenpolitik

Wirtschaftskrise und Bankenkrise führten zu schweren politischen Erschütte-rungen und verhalfen extremistischen Parteien zu großem Zulauf. Aus der Reichs-tagswahl im Herbst 1930 gingen die Nationalsozialisten mit einem kräftigen Stimmen-zuwachs hervor, den sie bei der nächsten Wahl im Juli 1932 noch einmal deutlich ausbauen konnten. Die Machtübernahme durch die Nationalsozialisten Anfang 1933 brachte für die Banken und auch für Ludwig Sperrer zunächst Unsicherheit. Von „Brechung der Zinsknechtschaft“ und „Verstaatlichung der Banken“ war die Rede. Tatsächlich schlug die nationalsozialistische Bankenpolitik dann aber einen pragma-tischeren Kurs ein, um sich der Unterstützung aus Wirtschaftskreisen zu versichern. Doch gerade Privatbankiers waren von nationalsozialistischer Polemik betroffen: Zum einen betrieben viele Privatbanken die Art von internationalen Kreditvermittlungs-geschäften, die die Nationalsozialisten als „schmarotzerisch-raffendes Kapital“ anpran-gerten, zum anderen sahen sich jüdische Privatbankiers zunehmend antisemitischer Hetze ausgesetzt.

Das zum 1. Januar 1935 in Kraft getretene „Reichsgesetz über das Kredit-wesen“ (KWG) brachte für die Banken Reglementierungen wie eine Mindesteigenkapi-talvorschrift oder eine Höchstkreditvorschrift und verpflichtete sie zur Haltung einer Liqui ditätsreserve. Außerdem etablierte das KWG mit dem Aufsichtsamt für das Kreditwesen eine einheitliche staatliche Bankenaufsicht. Erstmals in ihrer Geschichte mussten die Privatbanken ab 1935 ihre Bilanzen gegenüber der Reichsbank offenlegen.

In den Folgejahren stieg das Geschäftsvolumen der Sperrer-Bank im Rahmen des allgemeinen wirtschaftlichen Aufschwungs kräftig an. Allerdings schrumpften das Wertpapier- und das Hypothekengeschäft, denn die staatliche Finanzpolitik beschränkte die Börsengeschäfte und lenkte die Ersparnisse der Bevölkerung in Staats-papiere zur Rüstungsfinanzierung um. Der NS-Staat ideologisierte den Spargedanken als „Kraftquelle der Nation“ und förderte einen Strukturwandel zugunsten der Spar-kassen und zu Lasten der Großbanken und der Privatbankiers. Privatbankiers wie Ludwig Sperrer gerieten daher in einen verschärften Wettbewerb mit den Sparkassen, trotzdem wurde das Einlagengeschäft im Bankhaus Sperrer immer wichtiger. Im Kreditgeschäft spielten Betriebsmittelkredite für die Landwirtschaft und die Finan-zierung landwirtschaftlicher Anwesen eine bedeutende Rolle.

So konnte Ludwig Sperrer zum 25-jährigen Jubiläum seiner Bank im Sommer 1938 eine positive Bilanz ziehen, obwohl die Verdienstspanne durch die Veränderungen der Geschäftsstruktur geringer geworden war. Der Bankier nahm das Jubiläum zum

27Von der Pfandbriefvermittlung zur Universalbank – die Sperrer-Banken in Freising und Moosburg (1921–1961)

Anlass, seinen Mitarbeitern für die geleistete Arbeit und Firmentreue nicht nur mit Worten, sondern auch mit einem Geldgeschenk zu danken. Für die verheirateten männlichen Mitarbeiter beider Sperrer-Banken wurde eine Lebens versicherung über 5.000 Reichsmark abgeschlossen, deren Prämie die Bankhäuser übernahmen.

Auch in der Öffentlichkeit fanden Bankier und Bankhaus Anerkennung: „Unter der umsichtigen Leitung des Inhabers“, schrieben die Freisinger Nachrichten, „hat sich die Firma von kleinsten Anfängen heraus … zu einem Bankhaus entwickelt, das sich heute großen Ansehens erfreuen darf.“ Im Jubiläumsjahr nahm die Bayerische Treuhandgesellschaft erstmals eine Bilanzpflichtprüfung bei der Sperrer-Bank vor. Durch die Prüfung erhielt Ludwig Sperrer eine weitere Bestätigung für seine geordnete Geschäftsführung. Die gesamte Buchhaltung, schrieb die Prüfungsgesellschaft, sei „äußerst sauber, sehr übersichtlich und zuverlässig geführt“ und habe „zu keinerlei Beanstandung Anlass gegeben“.

Das Privatbankhaus im Zweiten Weltkrieg

Kurz nach dem Beginn des Zweiten Weltkrieges am 1. September 1939 fiel Ludwig Sperrers gleichnamiger Sohn, gerade 20 Jahre alt. Der Abiturient starb am 18. September an den Folgen einer schweren Verletzung. Neben die Trauer in der Familie Sperrer trat nun auch die Frage, wer einmal die Nachfolge Ludwig Sperrers im Bankhaus antreten sollte. Da auch männliche Angestellte der Sperrer-Bank zur Wehr-macht eingezogen wurden, arbeiteten eine Schwester Ludwig Sperrers, Katharina, und seine Tochter Marta in der Bank mit. Arbeitskräftemangel herrschte in den Kriegs-jahren in ganz Freising – von Jahr zu Jahr mussten mehr Kinder und Jugendliche ihre Sommerferien auf den Feldern verbringen, meist für die Hopfenernte.

1943 erhielt die Bank einen neuen wichtigen Arbeitsbereich. Die Staatliche Molkerei Weihenstephan war auf der Suche nach einer Bank, die den Landwirten das Geld für die gelieferte Milch auszahlte. Fündig wurde das Unternehmen bei Ludwig Sperrer: Er richtete im Banklokal einen „Milchschalter“ ein, an dem die Bauern ihr Geld abholen konnten. Wie erhofft, eröffneten viele Landwirte Konten und wickelten ihre gesamten Bankgeschäfte bei der Sperrer-Bank ab, die dadurch viele neue Kunden gewann.

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Privatbanken

im Wirtschafts­

aufschwung

Nach Kriegsende betrieben die Alliierten die Entflechtung der deutschen Wirt-schaft und davon waren auch die Banken betroffen. Parallel zur Gründung der „Bank deutscher Länder“ am 1. März 1948 begannen die Alliierten mit der Dezentralisierung der deutschen Großbanken, die in Landesinstitute unterteilt wurden. Davon profitierten viele Privatbanken, die mit den dadurch geschrumpften regionalen Bankinstitu-ten durchaus konkurrieren konnten. Andrang an den Bankschaltern bei der

Währungsreform 1948.

Außergewöhnlich persönlich – 100 Jahre Bankhaus Ludwig Sperrer

Während des Krieges war Freising ein relativ sicherer Ort. Im Sommer 1941 kamen sogar 350 Mädchen aus Norddeutschland, das damals stark bombardiert wurde, im Rahmen der „Kinderlandverschickung“ in die Domstadt. Aber in den letzten Kriegstagen, am 18. April 1945, flogen die Alliierten einen Angriff auf das Bahnhofs-viertel, um die Verkehrswege und angrenzende Industriebetriebe zu zerstören. Mehr als 220 Menschen starben. Knapp zwei Wochen später nahmen amerikanische Soldaten die Stadt Freising ein. In der Nacht vom 8. auf den 9. Mai 1945 unterzeichneten die Oberbefehlshaber der Wehrmacht die bedingungslose Kapitulation des Deutschen Reiches. Der Zweite Weltkrieg war in Europa beendet.

Nur langsam fand die Bevölkerung zurück zur Normalität. Im Mai 1946 wählten die Freisinger ihren ersten Gemeinderat nach dem Krieg; die meisten Sitze errang die Christlich-Soziale Union. Landwirtschaft, Industrie, Handel und Gewerbe stellten wieder auf Friedensproduktion um und die Studenten kehrten an die Hochschule Weihenstephan zurück. Doch waren auch in Freising die ersten Nachkriegsjahre durch Hunger und Kohlemangel geprägt. Diese Situation verbesserte sich erst durch die Währungsreform im Juni des Jahres 1948. Das west deutsche „Wirtschaftswunder“ nahm seinen Anfang.

Die zweite Generation

In Freising und in Moosburg machte sich nach dem Krieg eine neue Generation bereit, in die Sperrer-Banken einzutreten. Der 1934 geborene Hans Sperrer, Ludwigs zweiter Sohn, begann 1950 im Bankhaus seines Vaters eine Lehre. Kurz nach dem Abschluss seiner Ausbildung wollte Ludwig Sperrer den 20-jährigen in die Verant-wortung für die Bank einbinden und nahm ihn Anfang November 1954 als stillen Gesellschafter auf. Hans Sperrer war in Höhe seines Einlagenanteils am Erfolg der Bank beteiligt und entschied bei größeren Kreditengagements der Bank mit. „Möge die dir gegebene Beteiligung an meiner Firma“, so schrieb Ludwig Sperrer seinem Sohn zu Weihnachten 1954, „ein weiterer Ansporn sein, dich als einen tüch-tigen, soliden und charaktervollen Bankfachmann herauszubilden. Gottes Segen begleite stets auch fernerhin deinen Lebensweg.“

Im gleichen Jahr trat die 25-jährige Tochter von Kaspar Sperrer, Elisabeth Sperrer, in das Moosburger Bankgeschäft ihres Vaters ein. Denn Nikolaus Schwaiger,

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Der Mittelstand, der durch die Wirt-schaftspolitik der Alliierten wuchs, wandte sich gerne an die Privatbanken, da man als Personengesellschaft ähn-liche Probleme und Erfahrungen teilte. Privatbankiers fanden sich daher nach der Währungsreform schnell in der Rolle als Hausfinanzier lokaler Unternehmen wieder. Allerdings war ihre Anzahl durch die Weltwirtschaftskrise und die nationalsozialistische Banken politik, insbesondere durch sogenannte

„Arisierungen“ jüdischer Bankhäuser, seit 1931 um mehr als die Hälfte auf 300 Institute gesunken.

Während der Aufbaujahre der Bundesrepublik gaben weitere Privat-bankiers trotz Wiederbelebung der Kapitalmärkte und Rückkehr der Bun-desrepublik auf den Weltmarkt auf, denn durch die schrittweise Deregulie-rung des Bankensektors waren viele Privatinstitute nicht mehr ausreichend konkurrenzfähig. 1957 fusionierten die

regionalen Institute der Großbanken und firmierten wieder als Deutsche Bank, Dresdner Bank und Commerz-bank. 1958 wurde die Bedürfnisprüfung für die Gründung von Bankfilialen, eine Regelung aus den 1930er Jahren, ab-geschafft. Die Liberalisierung führte schnell zu vielen Neugründungen von Zweigstellen, besonders die öffentlich-rechtlichen Banken expandierten – der Wettbewerb verschärfte sich.

Von der Pfandbriefvermittlung zur Universalbank – die Sperrer-Banken in Freising und Moosburg (1921–1961)

der die Moosburger Bank bislang erfolgreich geleitet hatte, war im selben Jahr unerwartet im Alter von nur 53 Jahren gestorben. Um den Übergang gut zu bewältigen, erhielt sie Unterstützung von ihrem Onkel Ludwig Sperrer, der ihr immer ein väterlicher Freund war. Und die junge Diplom-Kauffrau wurde von der Landkundschaft schnell akzep-tiert. Elisabeth Sperrer (nach ihrer Heirat Elisabeth Dietl) führte bis 1992 die Geschicke der Moosburger Sperrer-Bank als Geschäftsleiterin.

Die zweite Generation in Freising und Moosburg erlebte bald stürmische Aufbaujahre der Bundesrepublik und Bayerns. Die 1950er Jahre waren die Zeit des Aufschwungs, man sprach vom „Wirtschaftswunder“. Währungsreform und Marshall-Plan hatten die erste Starthilfe für die Wirtschaftsentwicklung im zerstörten West-deutschland gegeben. Zwischen 1950 und 1960 wuchs der Export um das 4,5-Fache, der deutsche Anteil am Weltexport betrug 1960 bereits 10 Prozent.

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Bankkaufleute in Bergmannstracht: Hans Sperrer und seine Mitarbeiter in Berchtesgaden. In den 1960er Jahren wurde bei gemeinsamen Betriebsausflügen die oberbayeri­sche Region erkundet.

Außergewöhnlich persönlich – 100 Jahre Bankhaus Ludwig Sperrer

Aus den Exportüberschüssen konnte die Bundesrepublik ihre Auslandsschulden früh-zeitig zurückzahlen. Die D-Mark wurde mehrfach aufgewertet, die Reallöhne stiegen, und das Bruttosozialprodukt legte zwischen 1952 und 1960 um 80 Prozent zu. Die Investi tionen stiegen im gleichen Zeitraum um 120 Prozent. Die Arbeitslosenzahlen gingen kontinuierlich zurück, so dass 1955 bereits Vollbeschäftigung erreicht war. Bayern – wo 1950 noch jeder dritte Erwerbstätige in einem landwirtschaftlichen Betrieb beschäftigt war – setzte zu einer beispiellosen industriellen Aufholjagd gegen-über anderen indus triellen Regionen der Bundesrepublik an. 1957 lagen die Zuwachs-raten des bayerischen Bruttoinlandprodukts erstmals über dem Bundesdurchschnitt. In Freising und Moosburg siedelten sich in dieser Zeit Maschinenbaufirmen, Betriebe der chemischen Industrie und der Elektrotechnik an.

Aufbau und Aufschwung in Freising

Der Wirtschaftsaufschwung der jungen Bundesrepublik machte sich auch im steigenden Geschäftsumfang des Bankhauses Sperrer bemerkbar. Eine rege Bau- und Investitionstätigkeit führte zu vermehrter Kreditnachfrage. Das Bankhaus vermittelte verbilligte Agrarkredite an die ländliche und Hypotheken an die städtische Kundschaft. Bewährter Partner der Sperrer-Bank im Wohnungsbau wurde die Bayerische Landes-bausparkasse. Die Geschäftsbeziehungen zur Bayerischen Versicherungsbank, die inzwischen zum Allianz-Versicherungskonzern gehörte, wurden fortgesetzt. Auch das Prämien- und Wertpapiersparen wuchs. Hier bot die Sperrer-Bank ihren Kunden ein neues Produkt an: Investment-Fonds der ADIG, der Allgemeinen Deutschen Invest-mentgesellschaft. Die ADIG wurde 1949 von Privatbankiers, bayerischen Regional-banken und Großbanken gegründet und war Deutschlands erste Kapitalanlage-gesellschaft. Mit dem Kauf von Fondsanteilen war es auch Kleinsparern möglich, sich an Unternehmen zu beteiligen – nicht nur das Produktangebot, auch die Kundschaft war differenzierter geworden. Ob Kleinkreditnehmer oder Lohnempfänger, ob Geschäftsmann, Landwirt oder Handwerker – die Sperrer-Bank passte sich den indivi-duellen Interessen unterschiedlicher Kundengruppen an.

Von 1954 bis 1957 sammelte Hans Sperrer während seiner „Wanderjahre“ weitere berufliche Erfahrungen in verschiedenen Banken: beim renommierten Bank-haus H. Aufhäuser in München, bei der Bayerischen Staatsbank in Augsburg und schließlich bei der Dresdner Bank in Köln. Nach seiner Rückkehr in die väterliche Firma ernannte Ludwig Sperrer seinen Sohn im Mai 1960 zum Generalbevollmäch-tigten und ermächtigte ihn „zur Besorgung aller meiner persönlichen und Vermögens-angelegenheiten“. Ludwig Sperrer war zu diesem Zeitpunkt fast 72 Jahre alt. Er hatte mit der Beteiligung und Bevollmächtigung seines Sohnes für seine Nachfolge gesorgt. Sein Sohn Hans war in Freising aufgewachsen und hatte durch Ausbildung und mehr-jährige Berufstätigkeit ausreichend Erfahrungen gesammelt, um die von Ludwig Sperrer begründete Bank nach dem bewährten Prinzip „Vertrauen gegen Vertrauen“ weiterzuführen. Dennoch kam Ludwigs Tod am 8. Juni 1961 unerwartet und war ein schwerer Verlust für die Familie und das Bankhaus Sperrer.

31Von der Pfandbriefvermittlung zur Universalbank – die Sperrer-Banken in Freising und Moosburg (1921–1961)

Ein Neubau am traditions­reichen Freisinger Marien­platz: Das Bankhaus Ludwig Sperrer im Oktober 1971, gut ein Jahr vor Eröffnung der neuen Räumlichkeiten.

1961–1992

Das Gute weitergeben, Neues gestalten – das Bankhaus Sperrer zwischen Tradition und Technisierung

Hans Sperrer übernahm unmittelbar nach dem Tod seines Vaters die Verantwortung für das Familienunternehmen. Für den reibungslosen Wechsel in der Leitung einer inhabergeführten Bank war und ist die Unterstützung langjähriger Mitarbeiter beson-ders wichtig. Hans Sperrer konnte sich vor allem auf Karl Hager, Josef Stampfl, Franz Fichtner und Josef Fuchs verlassen, die die kontinuierliche persönliche Betreuung der über viele Jahre gewachsenen Kundenbeziehungen sicherten. In Moosburg erhielt Elisabeth Sperrer Unterstützung durch ihren Ehemann Rudolf Dietl, der 1961 Mitglied der Geschäftsführung im Bankhaus K. Sperrer wurde. Für den studierten Brau-ingenieur bedeutete dies eine berufliche Neuorientierung, die eine zusätzliche Bankaus bildung voraussetzte. Diese Herausforderung meisternd, prägte er die erfolg-reiche Entwicklung des Moosburger Hauses bis zu seinem Ausscheiden 1989. Auch Hans Sperrer führte das Engagement seines Vaters für die Moosburger Bank fort: Ende September des Jahres 1963 trat er als persönlich haftender Gesellschafter in das Bankhaus K. Sperrer ein.

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Hans Sperrer führte die Familienbank nach dem bewährten Prinzip „Vertrauen gegen Vertrauen“. 1972 wurde der neue Stammsitz der Bank am Marienplatz im Herzen Freisings, vier Jahre später die Geschäftsstelle Neustift eingeweiht. Auch die Technisierung der Bank schritt voran; den ersten Buchungs automaten folgten bald eigene EDV-Anwendungen. Das Bankhaus wuchs: 1990 wurde die Geschäftsstelle Lerchen-feld eröffnet, 1992 die beiden Sperrer-Banken in Freising und Moosburg verschmolzen.

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Franz Fichtner, Josef Fuchs und Josef Stampfl (von links nach rechts) gehörten zu den langjährigen Mitarbei­tern, die Hans Sperrer nach dem Tod seines Vaters bei der Übernahme der Geschäfte unterstützten.

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Reinhardt Zandt entwickelte ein bankeigenes EDV­ Programm, das Stamm­datenverwaltung, Zahlungs­verkehr, Meldewesen, Buchhaltung und Bilanzie­rung bewältigen konnte.

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Die Mitarbeiter der Sperrer­Bank im Januar 1964, wenige Monate nach dem 50­jährigen Jubiläum der Privatbank. Links neben Hans Sperrer (6. von links) Karl Hager, der bereits das 25­jährige Jubiläum im Haus erlebt hatte. Neben ihm steht Elsa Steinbüchl, die als erste Mitarbeiterin von Hans Sperrer als seine Sekretärin eingestellt wurde und dem Bankhaus Sperrer über 42 Jahre verbunden blieb.

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Außergewöhnlich persönlich – 100 Jahre Bankhaus Ludwig Sperrer

Das Gute weitergeben – Neues gestalten. Das Bankhaus Sperrer zwischen Tradition und Technisierung (1961–1992) 35

Wenige Monate zuvor hatte die Freisinger Sperrer-Bank ihr 50-jähriges Bestehen gefeiert: Hans Sperrer blickte auf erfolgreiche Jahrzehnte zurück, in denen sein Vater die Bank aus kleinsten Anfängen zu einem beachtenswerten Bankhaus aufgebaut hatte.

Bankalltag und Hopfentour

„Nicht große Worte oder große Schachzüge“, resümierte der junge Bankier anlässlich der Jubiläumsfeier, hatten die Bank zum Erfolg geführt, sondern das Wissen um die eigenen Grenzen: Auf unkontrollierte Expansion und überdimensionierte Risiken hatte die Sperrer-Bank verzichtet und sich stattdessen ihre völlige Unabhängig-keit und Entscheidungsfreiheit erhalten. Seit seiner Gründung hat sich das Bankhaus „durch tatkräftige und überlegte Leitung als mittelständisches Privatbankhaus und wesentlicher Faktor der heimischen Wirtschaft voll in Freising etabliert“. Entschei-dende Stärken der Bank sah Hans Sperrer in der Ortsverbundenheit, der Kunden-kenntnis und den schnellen, unbürokratischen Entscheidungen. Die Sperrer-Bank bot eine Produktpalette, die die „gesamte Bandbreite des üblichen Bankgeschäfts“ umfasste. Den Kunden, die „aus allen Bevölkerungsschichten“ stammten, wollte Hans Sperrer auch weiterhin mit einem Höchstmaß an Sorgfalt „dienen“ und ihnen „wahre Individualität“ bieten.

Der Bank gehörten damals rund 20 Mitarbeiter an, einzelne Abteilungen gab es noch nicht. Alle Angestellten bearbeiteten sowohl die Wertpapiergeschäfte als auch die Wechselgeschäfte oder sie bedienten die Kunden am Schalter. Die alltägliche Bank-arbeit war noch stark von manuellen Arbeiten geprägt, wenn auch bereits mechanische Buchungsmaschinen einzelne Arbeitsschritte erleichterten. Die Quartalsabschlüsse bedeuteten immer viel Arbeit, denn die Zinsberechnung für die Kundenkonten wurde manuell vorgenommen. Ebenso wurden die Umsätze auf den Kontokarten der Kunden schriftlich dokumentiert. Die Mitarbeiter erstellten die Kontoauszüge für Girokonten im Durchschreibeverfahren und sortierten die Buchungsbelege dann von Hand hinzu. Sofern die Kunden die Kontoauszüge nicht selbst abholten, stellte ein Bote der Sperrer-Bank, „Ausgeher“ genannt, der innerstädtischen Kundschaft die Kontoauszüge oder sonstige Bankenpost persönlich zu. Der Kontoverkehr der Banken untereinander, auch zwischen den Freisinger Kreditinstituten, lief über die Bayerische Staatsbank, die die Funktion einer zentralen Verrechnungsstelle übernahm. Da die Buchungsbelege der Staatsbank per Post eingereicht wurden, erreichten die Gutschriften oder Belastungen das Empfängerkonto erst nach einigen Tagen.

Hans Sperrer und Karl Hager übernahmen die Lehrlingsbetreuung. Die Aus-bildung war vor allem durch praktische Arbeit und kaum durch theoretische Schulung geprägt. Zu den Aufgaben der Lehrlinge gehörte die Hartgeldzählung und die Ferti-gung der Hartgeldrollen ebenso wie das Befüllen der Ölöfen an kalten Wintermorgen. Sie kuvertierten Kontoauszüge und begleiteten den „Ausgeher“ auf seiner Tour, um die Kunden kennenzulernen. Besuch von der Bank erhielten im Spätsommer auch die Hopfenbauern. Denn nördlich von Freising und Moosburg erstreckt sich die Hallertau, das weltweit größte zusammenhängende Anbaugebiet für Hopfen, der von Bierbrauern

auf der ganzen Welt verwendet wird. Hans Sperrer besuchte auf seinen regelmäßigen „Hopfentouren“ viele Hopfenbauern persönlich, um mit ihnen über möglichen Investi-tionsbedarf oder über Geldanlagen zu sprechen. Das Kreditgeschäft war „Chefsache“, die einzelnen Kreditverträge wurden noch mit der Schreibmaschine geschrieben und die Kreditakten sicher und diskret im Tresor verwahrt.

Einzug der elektronischen Datenverarbeitung Wie bei der Sperrer-Bank wurden in den meisten bundesdeutschen Bank-

instituten Ende der 1960er Jahre noch viele Arbeiten manuell erledigt, doch langsam wandelte sich der Zahlungsverkehr und mit ihm die Banktechnologie. Mehr und mehr Unternehmen verabschiedeten sich von der wöchentlichen Barauszahlung der Löhne und stellten auf bargeldlose Verfahren um. Das Ende der Lohntüte führte zu einem deutlichen Anstieg der Girokonten und aller damit zusammenhängenden Zahlungen per Überweisung, Scheck oder Dauerauftrag. In der Bundesrepublik versechsfachte sich zwischen 1956 und 1975 das Belegvolumen auf den Girokonten, die Zahl der Überweisungen stieg von etwa 424 Millionen Stück auf über 2,2 Milliarden Stück an und die Anzahl der Lastschriften wuchs allein zwischen 1966 und 1975 um 634 Prozent.

Auch in der Sperrer-Bank war die Fülle der Transaktionen manuell nicht länger zu bewältigen. Im Sommer 1969 stieg die Bank daher von der mechanischen Buch-haltung auf die elektronische Datenverarbeitung (EDV) um. Federführend war Rein-hardt Zandt, der zwei Jahre zuvor als Bankkaufmann in die Sperrer-Bank gekommen war. Er konzentrierte sich bald auf die EDV, erlernte Programmiersprachen und erwarb vielfältige Systemkenntnisse. Auf dieser Grundlage entwickelte der Autodidakt das bankeigene EDV-Programm „SPERBA“, das alle Aufgaben des Kernbankbereiches – also Stammdatenverwaltung, Zahlungsverkehr, Meldewesen, Buchhaltung und Bilan-zierung – bewältigen konnte. Doch zunächst verursachte die Umstellung für die Mitarbeiter einen erheblichen Aufwand, denn alle Kontodaten, die bislang nur schrift-lich dokumentiert waren, mussten erst einmal in das EDV-System eingegeben werden. Zudem musste noch Platz für die Anlage geschaffen werden: In die erste Etage, zuvor anderweitig vermietet, zogen nun der EDV-Bereich und auch die Buchhaltung ein.

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Privatbanken

zwischen Wett­

bewerb und Neu­

positionierung

Schon die Aufhebung der Bedürfnis-prüfung für Filialgründungen im Jahr 1958 führte zu einem starken Wachs-tum von Bankfilialen und Zweigstellen. 1967 gab der Gesetzgeber auch noch die staatliche Zinsbindung frei und hob alle Werbebeschränkungen für Banken auf. Das Kreditgewerbe wandelte sich von einem Verkäufer- zum Käufermarkt: Um Kunden musste nun verstärkt ge-worben, Kundenbeziehungen mussten gepflegt werden – ein Geschäftsprinzip, Mehr Raum für wachsende Banken:

München 1978.

Außergewöhnlich persönlich – 100 Jahre Bankhaus Ludwig Sperrer

Neue Bankadressen in Freising und Moosburg

Über mehr Raum konnte sich auch die Sperrer-Bank in Moosburg freuen. 1966 wurde das Ehepaar Dietl auf der Suche nach einem größeren Geschäftslokal im Weingraben 11–13 fündig. Die Geschäftsleitung kaufte die dortigen Grundstücke und ließ die alten Gebäude abreißen. Schon nach 16-monatiger Bauzeit konnte im November 1969 der vom Architekten Hans Hofmann entworfene Bankneubau ein geweiht werden. Bereits zwei Jahre später feierte die Moosburger Sperrer-Bank erneut: Beim 50-jährigen Firmenjubiläum im Jahr 1971 blickte Rudolf Dietl auf eine erfolgreiche Entwicklung der Bank zurück, die sie „einer klugen und vernünftigen Geschäftspolitik, die im Maßhalten und vorsichtigen Abwägen der Gegebenheiten und Möglichkeiten bestand“, verdankte. Die Bank lebte vom besonderen Vertrauens-verhältnis und dem persönlichen Kontakt zu ihren Kunden. Nach dem Zweiten Welt-krieg hatte sie als Berater und Partner der Kunden Aufbaudarlehen ebenso beschafft wie zinsverbilligte Mittel für Spätheimkehrer und Flüchtlinge. Sie kümmerte sich auch um Kreditprogramme, die Zinszuschüsse für den Wohnungsbau, für gewerbliche Betriebe und besonders für die Landwirtschaft bereitstellten. Das Kreditsortiment reichte vom Kleinkredit bis zur langfristigen Finanzierung. Die Bank bot im Bereich der Vermögensbildung Anlageberatung, Prämien- und Wertpapiersparen sowie Bausparverträge und Versicherungen an. So vielfältig wie die Produktpalette waren auch die Kunden, die aus allen Wirtschafts- und Berufssparten stammten.

Auch in Freising war die Suche nach dringend benötigtem Raum erfolgreich. 1967 kaufte Hans Sperrer ein Grundstück am Marienplatz. Nachdem im Juli 1969 das alte Gebäude, in dem zuvor der Herrenausstatter „Zum Tiroler“ sein Geschäft betrieben hatte, abgerissen worden war, begannen im Mai 1970 die Bauarbeiten, an denen sich zahlreiche Firmen aus Freising und der Umgebung beteiligten. Die Errichtung des Neubaus verlief allerdings nicht problemlos. Die Fassadengestaltung rief Kritik hervor: Das neue Gebäude würde das Wahrzeichen Freisings, den Marienplatz, zu stark domi-nieren. Nach erheblichen Bauverzögerungen wegen langwieriger Verhandlungen mit den Behörden wurde der Bankneubau, den ebenfalls der Architekt Hofmann geplant hatte, im Oktober 1972 schließlich eingeweiht. Nach 50 Jahren im „Sonnenwirt-Haus“ war ein Umzug auch unumgänglich geworden, denn das Geschäftsvolumen der

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das die Sperrer-Bank schon seit ihrer Gründung im Jahr 1913 verfolgte.

Zählte die Bundesbankstatistik im Jahr 1960 noch 209 Privatbanken, ging ihre Zahl bis 1980 auf 81 zurück. Gleichzeitig war die Kreditwirtschaft von einem gewaltigen Wachstum ge-prägt, besonders in den 1980er Jahren. Das Geschäftsvolumen aller Banken-gruppen in Deutschland stieg von 2,7 Billionen D-Mark im Jahr 1982 auf 4,2 Billionen D-Mark im Jahr 1989.

Die verbleibenden Privatbanken konzentrierten sich auf beratungsinten-sive und provisionsstarke Marktnischen. Die qualitativ hochwertige Individual-beratung war ein wesentliches Plus gegenüber den Wettbewerbern. Große und mittlere Privatbankiers waren vor allem in der Vermögensberatung inter-nationaler Großkunden sowie in der Vermittlung von Finanzierungen, Versi-cherungen und Immobilien tätig und sie besorgten die kurzfristige Finanzierung

von Außenhandelsgeschäften. Kleine Privatbanken boten hingegen eine breite Palette von Bankleistungen zur Versorgung der lokalen Bevölkerung. Das Überleben in diesen Nischen war dennoch schwierig und die Zahl der Institute ging bis 1988 auf 73 zurück.

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Sperrer-Bank hatte sich im letzten Jahrzehnt vervierfacht und das Bankhaus hatte inzwischen 30 Mitarbeiter.

Das neue Haus mit seinen Markisen in kräftigem Grün – „giftgrün“ titelte das Freisinger Tagblatt – und den großen Schaufensterflächen fand auch in der Öffentlich-keit reges Interesse. Die geräumige Schalterhalle mit der 18 Meter langen Kundentheke bot die besten Voraussetzungen für eine moderne Kundenbetreuung. Auch für Sicher-heit war im neuen Bankhaus Sperrer gesorgt: Der Bankneubau war mit modernen Sicherheitsmaßnahmen ausgestattet, zu denen Kameras in der Schalterhalle, eine Überfallmeldeanlage und ein gegen alle denkbaren Einbruchsrisiken ausgestatteter Spezial tresor gehörten. In der Innenraumgestaltung zeigte sich die Ortsverbundenheit der Sperrer-Bank: Die gesamte Wandverkleidung der Schalterhalle, gemalt in Kasein-technik von Hans Meisinger, präsentiert bis heute das Freisinger Stadtbild aus dem Jahr 1724. Für die Geschichte der Stadt hatte dieses Jahr eine besondere Bedeutung, feierte man damals doch das 1000-jährige Jubiläum der Ankunft des Heiligen Korbinian, des ersten Bischofs Freisings und Patrons von Stadt und Bistum.

Die festliche Einweihung des neuen Stammsitzes im Oktober 1972 führte über 300 geladene Gäste im prunkvollen Asamsaal zusammen. Hans Sperrer nahm das fast 60-jährige Bestehen der Bank zum Anlass, einige Vorurteile über Privatbanken zu entkräften: Keinesfalls sei eine Privatbank, so wie er sie verstehe, nur für privilegierte Kreise zugänglich, hochmütig im Kundenumgang oder betreibe in starkem Umfang spekulative Geschäfte. Vielmehr habe die Sperrer-Bank seit ihrer Gründung persön-lichen Kontakt zu ihren Kunden gehalten und sie fachmännisch und individuell beraten. Sperrer arbeite unbürokratisch, diskret und zügig. An diesen bewährten Prinzipien wollte Hans Sperrer festhalten und seinen Kunden weiterhin ein zuverläs-siger Partner sein. Ein wichtiger Grundsatz, denn das deutsche Kreditgewerbe sollte schon bald in eine unerwartete Vertrauenskrise stürzen.

Schock in der Bankenwelt

1973/74 gingen in Deutschland neun Banken in Insolvenz. Unter ihnen ragte der spektakuläre Crash des renommierten Bankhauses I. D. Herstatt KGaA in Köln besonders hervor. Das Weltwährungssystem der festen Wechselkurse, 1944 im ameri-kanischen Bretton Woods vereinbart, brach 1973 unter dem Einfluss der Ölkrise aus einander. Damit wurde die bisherige Bindung der Währungen an den US-Dollar als Leitwährung aufgehoben, es kam zu den größten Kursschwankungen der Nach-kriegszeit – und die Herstatt-Bank verspekulierte sich. Mit ruinösen Devisentermin-spekulationen häufte sie rund 500 Millionen D-Mark Verluste an. Ende Juni 1974 entzog das Bundesaufsichtsamt für das Kreditwesen der zweitgrößten Privatbank in Deutschland mit sofortiger Wirkung die Banklizenz.

Die bis dahin größte Bankenpleite in der deutschen Nachkriegsgeschichte hatte Rückwirkungen auf die gesamte Branche. Selbst bei besonders traditionsreichen und angesehenen Instituten wurden Einlagen abgezogen oder stillschweigend nicht mehr erneuert, jahrzehntelange Geschäftsbeziehungen begannen abzukühlen.

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Die Sperrer­Bank in Moos­burg, 1980er Jahre. Das Haus am Weingraben war 1969 bezogen worden und ist bis heute die Geschäfts­stelle in der Drei­Rosen­Stadt.

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Die Eröffnung des Bank­gebäudes am Marienplatz feierte die Sperrer­Bank mit Gästen aus Stadt, Region, Bankenwesen und Wirtschaft im historischen Asamsaal Freisings.

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Besorgte Sparer vor der Köl­ner Privatbank I.D. Herstatt, Juni 1974. Einen Tag zuvor hatte das Bundesaufsichts­amt für das Kreditwesen dem Institut die Erlaubnis zur Fortführung der Geschäfte entzogen.

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Bis 1978 entzog das Bundesaufsichtsamt für das Kreditwesen etwa 25 Bankiers die Lizenz zum Bankbetrieb. Die Sperrer-Bank allerdings genoss weiterhin das volle Vertrauen ihrer Kunden, die Einlagen blieben unangetastet.

Sicherungsmechanismen für die Kundeneinlagen wurden immer wichtiger. Das private Bankgewerbe hatte bereits 1966 einen Gemeinschaftsfonds zur Einlagensiche-rung begründet. Im Zuge der Herstatt-Insolvenz wurden daher alle Kunden bis zu einer Einlagenobergrenze von 20.000 D-Mark entschädigt. Mit der Novelle des Kreditwesen-gesetzes (KWG) im Frühjahr 1976 wurde der Einlagenschutz durch das private Bank-gewerbe deutlich auf 30 Prozent des haftenden Eigenkapitals der jeweiligen Bank erhöht. Die Aufnahme in den neuen Einlagensicherungsfonds erfolgte durch den 1969 gegründeten Prüfungsverband deutscher Banken. Die Sperrer-Bank wurde erstmals 1973 und seitdem in regelmäßigen Intervallen geprüft und in den Fonds aufgenommen.

Mit der KWG-Novelle wurde schließlich auch das Vier-Augen-Prinzip für die Geschäftsleitung von Banken zwingend eingeführt. Eine Sicherungsmaßnahme, die die Sperrer-Banken bereits Jahre zuvor umgesetzt hatten: In Moosburg wurde die Geschäftsleitung von Elisabeth Dietl und Hans Sperrer wahrgenommen, in Freising leiteten Hans Sperrer und Josef Stampfl die Bank. Für viele kleine Privatbanken waren allerdings die umfangreichen neuen Auflagen nicht zu erfüllen, sie stellten ihr Geschäft ein oder fusionierten.

Mit den Märkten wachsen

Um für ihren Kundenkreis außerhalb des Stadtzentrums besser erreichbar zu sein, eröffnete die Sperrer-Bank im November 1976 im Stadtteil Neustift die erste Zweigstelle. Die verkehrsgünstig gelegene Filiale verfügte über mehrere Kundenpark-plätze, da in der Freisinger Innenstadt Parkmöglichkeiten zunehmend knapp wurden. In Neustift wie im Stadtzentrum bot die Sperrer-Bank ihren Kunden auch in Versiche-rungsfragen professionellen Service an und gründete im April 1977 die Sperrer Versi-cherungsdienst GmbH. Partner der Bank war die Bayerische Versicherungsbank AG, eine Tochtergesellschaft des Versicherungskonzerns Allianz.

Zwischen 1978 und 1987 stieg die Bilanzsumme der Freisinger Sperrer-Bank von 66,3 Millionen D-Mark auf 147,5 Millionen D-Mark, 40 Mitarbeiter hatte die Bank inzwischen. Hans Sperrer verfolgte weiterhin eine Geschäftspolitik der maßvollen Expansion. Seine Bank wuchs gemeinsam mit den traditionellen wie auch den neuen Märkten der Region. Den Strukturwandel des Großraums München und des gesamten südlichen Bayern seit Beginn der 1970er Jahre erlebte die Sperrer-Bank hautnah und stellte ihre individuelle Kundenbetreuung entsprechend darauf ein – „Maßarbeit statt Konfektion“ nannte Hans Sperrer das.

Zu dem seit Jahrzehnten betreuten Kundenkreis gehörten etwa die Milch-bauern, auch wenn die Barauszahlung des „Milchgelds“ längst durch die Überweisung ersetzt worden war. Als die Staatliche Molkerei das Verfahren der Milchgeldauszah-lung umstellte und die Landwirte per Scheck bezahlte, führte die Sperrer-Bank Frei-kuverts ein, mit denen die Milchbauern die Schecks kostenfrei an die Sperrer-Bank

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Hans Sperrer wurde als drittes Kind der Eheleute Ludwig und Maria Sperrer am 4. März 1934 in Frei­sing geboren. Nach der Mittleren Reife absolvierte er im väterlichen Betrieb eine Lehre zum Bankkauf­mann. Es folgten „Wanderjahre“ in verschiedenen Banken in München, Augsburg und Köln, wo Hans Sperrer die Arbeitsweisen einer Privatbank, einer öffentlichen Bank und einer großen Aktienbank kennenlernte. Schon in den 1950er Jahren wurde er stiller Teilhaber der Sperrer­Bank. Nach dem Tod seines Vaters 1961 übernahm Hans Sperrer als Komplementär die Freisinger Bank. 1963 trat er als persönlich haftender Gesellschafter auch in die Moosburger Sperrer­Bank ein.

Hans Sperrer baute die Bank erfolgreich zu einer Institution für die Stadt und den Landkreis Freising aus. In diesen Jahrzehnten erlebte er den stetigen Wandel in der Kreditwirtschaft: die Liberalisierung des deutschen Bankwesens und verschärften Wett­bewerb, die Deregulierung der Finanzmärkte und die Währungsumstellung, Bankencrashs und

Spekulationsblasen. Hans Sperrer jedoch führte seine Bank mit Geradlinigkeit und Besonnenheit und folgte stets seinem Grundsatz, nur überschau­bare Risiken einzugehen. Das Geschäftsprinzip, die Bank in den Dienst der Kunden und der Wirtschaft zu stellen, statt einseitig eine ungesunde Gewinn­erwartung anzustreben, hat sich auch in der jüngsten Krise bewährt. Hans Sperrers Gespür für das „menschliche Maß im Kreditgewerbe“ begründete sowohl das Vertrauensverhältnis zu seinen Kunden als auch das Vertrauen seiner Mitarbeiter, deren Persönlichkeit und Leistung er immer anerkannte. Im Juni 2011 feierte Hans Sperrer gemeinsam mit seinen Mitarbeitern das 50­jährige Jubiläum als Privatbankier. An den bewährten Grundsätzen seines Vaters hatte er in fünf Jahrzehnten fest­gehalten, ohne den Blick für notwendige Verände­rungen zu verlieren: „Tradition kann ihre Werte nur dann voll entfalten, wenn an ihr ständig mit der Leistung von heute und mit der Bereitschaft zu den Aufgaben von morgen weitergebaut wird.“ Hans Sperrer starb am 13. Oktober 2011.

Hans Sperrer 1934–2011

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Hans Sperrer und sein Team, ein Erinnerungsbild zum 75­jährigen Bank­jubiläum 1988. Im Hinter­grund die Stadt ansicht Freisings, wie sie die Sperrer­Kunden auch heute noch kennen.

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Die Fakultät für Brauwesen Weihenstephan, ca. 1985. Der Hochschulstandort ent­wickelte sich zum Wissen­schaftszentrum und die Freisinger Region zu einer der wirtschaftlich stärksten in Bayern, Deutschland und Europa.

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DDR­Flüchtlinge warten Anfang November 1989 vor dem bayerischen Grenz­übergang bei Schirnding auf die Einreise in die Bundes­republik. Gut ein Jahr später ist Deutschland wieder vereint.

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senden konnten. Neben der persönlichen Betreuung durch Hans Sperrer oder die anderen Bankberater signalisierten solche Ideen der Kundenbindung die nach wie vor hohe Bedeutung des landwirtschaftlichen Sektors für die Sperrer-Bank.

Andere private oder gewerbliche Kunden stammten aus jüngeren Wirtschafts-branchen. In der Freisinger Region und dem gesamten Großraum München sorgten die Zukunftsindustrien Automobil- und Maschinenbau, Elektrotechnik und Feinmechanik für wachsenden Wohlstand und lockten gut ausgebildete Zuwanderer aus allen Teilen Deutschlands an. Das gesamte bayerische Kreditgewerbe expandierte kräftig, Einlagen- und Kreditwachstum lagen deutlich über dem Bundesdurchschnitt.

Die Kreditkunden der Sperrer-Bank kamen in den 1980er Jahren zudem verstärkt aus dem Kreis der Handwerker und der Existenzgründer, zunehmend wurden auch Baufinanzierungen für den Eigenbedarf von Privatkunden nachgefragt. Die Sperrer-Bank bot Zinsbindungen bis zu maximal fünf Jahren. Suchten Kunden längere Zinsfestschreibungen, beschaffte die Sperrer-Bank Kredite beispielsweise über die Landesanstalt für Aufbaufinanzierung (heute LfA Förderbank Bayern), die speziell das Handwerk unterstützte, oder über die Bayerische Landesbank, die Investitionen in der Landwirtschaft förderte. Kreditprogramme der Kreditanstalt für Wiederaufbau hatten sogar Zinsbindungen bis zu 20 Jahren. Ihr eigenes Kreditgeschäft finanzierte die Sperrer-Bank fast ausschließlich über Kundeneinlagen, vor allem durch längerfristig laufende Sparbriefe. Außerdem legte die Bank Kundeneinlagen in festverzinsten Wertpapieren an; so hielt sie immer eine hohe Liquidität.

Persönlich bleiben

Im Kundenkontakt hatte die Sperrer-Bank den großen Vorteil der personellen Kontinuität, Mitarbeiter betreuten ihre Kunden meist über Jahre, manchmal Jahrzehnte. Bereits mit dem Umzug in das neue Bankgebäude am Marienplatz hatte die Sperrer-Bank ihre Abteilungen reorganisiert und Bereiche wie die Buchhaltung, das Sekretariat oder die Kreditabteilung klarer abgegrenzt. Innerhalb der Abteilungen wurden die Arbeitsabläufe besser strukturiert und rationalisiert. Im Kreditbereich wurden die Kreditverträge detaillierter und umfangreicher und die Kreditsicherheiten ausführ-licher dokumentiert. In täglichen Besprechungen analysierten Hans Sperrer und seine Führungskräfte die Marktsituation und entwickelten die Aktivitäten der Bank.

Als Mitte der 1980er Jahre der erste Personal Computer in die Bank kam, wurden die Möglichkeiten dieser neuen Technik zuerst im Kreditgeschäft erprobt. Schnell zeigte sich die ernorme Zeitersparnis, beispielsweise durch die erleichterten Korrekturen in Schriftstücken. Die vielfältigen neuen Kreditprogramme, die anspruchsvoller gewordene Kundschaft und die neuen technischen Verfahren verlangten entsprechend qualifizierte Kundenbetreuer. Daher kamen neue Mitarbeiter zunehmend mit einer Ausbildung als Bankfachwirt oder Betriebswirt in die Sperrer-Bank. Um die nötige Gesamtübersicht und Tiefe im komplexer gewordenen Bankge-schäft zu erhalten, insbesondere bei rechtlichen und volkswirtschaftlichen Kenntnissen, war eine theore tische Schulung inzwischen unerlässlich.

Die Freisinger Hauptstraße in den 1980er Jahren, im Vordergrund das Bankhaus Sperrer. Am Ende des Jahrzehnts zählte die Stadt fast 35.000 Einwohner und sollte bis 2010 um 10.000 Menschen wachsen.

Seit 1987 besuchten die Bankberater der Sperrer-Bank Kunden auch zu Hause, da es gerade vielen Berufstätigen nur schwer möglich war, sich zu einem Informations-gespräch innerhalb der üblichen Bankzeiten freizumachen. Kunden wie Mitarbeiter informierte die Sperrer-Bank in ihrer Hauszeitung, den „Sperrer-Bank Nachrichten“, über den „Service auch nach Schalterschluss“ und andere Neuigkeiten, beispielsweise über die für viele noch ungewohnten Geldautomaten und Kontoauszugsdrucker. War in den 1970er Jahren der interne Buchungs- und Zahlungsverkehr bei Banken automa-tisiert worden, folgten in den 1980er Jahren die Kundenkontakte. Doch „ein versierter

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Kundenberater lässt sich nicht durch Bildschirm und Tastatur ersetzen“, versicherten die Sperrer-Bank Nachrichten; auch im Zeitalter der Kommunikations- und Informa-tionstechnik sah Hans Sperrer die Stärke seiner Bank in ihren außergewöhnlich per sönlichen Kunden beziehungen.

Wichtig war der Sperrer-Bank dabei zudem die Sicherheit ihrer Kundendaten, weshalb sie sich nicht der Schufa (Schutzgemeinschaft für allgemeine Kreditsicherung) anschloss. „Es verlassen keinerlei Kundendaten das Haus und werden somit in keiner fremden EDV-Anlage gespeichert“, versicherte die Bank ihren Kunden im Frühjahr 1987: „Die Daten der Kunden … sind dem Zugriff Dritter gänzlich entzogen.“ Da die Bank nur mit Kunden aus der Region Geschäfte machte, verzichtete sie bis heute auf eine Mitgliedschaft bei der Schufa.

Verschmelzung der Sperrer­Banken in Freising und Moosburg

Die Sperrer-Bank wuchs auch in den folgenden Jahren weiter. Nach der Wiedervereinigung der beiden deutschen Staaten am 3. Oktober 1990 begleitete die Bank expansionswillige Kunden in die neuen Bundesländer, sofern die Objekte, die als Sicherheit dienten, im Freisinger Raum lagen. Denn auch hier folgte die Sperrer-Bank ihrem Grundsatz, Geschäfte nur bei bekannten Verhältnissen zu machen. Bereits im Sommer 1990 hatte Hans Sperrer im Stadtteil Lerchenfeld die zweite Geschäftsstelle der Bank eröffnet, die sich wie die Zweigstelle in Neustift durch eine optimale Verkehrsanbindung auszeichnete. In den nun insgesamt drei Geschäftsstellen bot die Bank indivi duelle Betreuung und fachkundige Beratung in Verbindung mit der modernen Technik von Schalterterminal, Personal Computer und automatischem Kassentresor.

Auch die Moosburger Sperrer-Bank hatte sich in den vergangenen Jahrzehnten in Moosburg und Umgebung sehr gut entwickelt, Geschäftsführer Rudolf Dietl genoss hohes Ansehen. Beide Sperrer-Banken standen allerdings wie viele kleine Bankhäuser zu Beginn der 1990er Jahre vor neuen Herausforderungen: Der Abschluss des Vertrags von Maastricht stand kurz bevor, und in ihm würde die Europäische Union eine um fassende Wirtschafts- und Währungsunion festlegen. Mit dem Start des Euro-päischen Binnenmarkts zum 1. Januar 1993 wurde neben der Freiheit des Personen- und Warenverkehrs auch die Freiheit des Dienstleistungs- und Kapitalverkehrs verwirklicht, die Finanzmärkte wurden weiter dereguliert. Das verschärfte den Bankenwettbewerb und steigerte gleichzeitig die Anforderungen an ein modernes Management und eine optimale Kundenbetreuung. Daher beschlossen Elisabeth und Rudolf Dietl gemeinsam mit Hans Sperrer, die Kräfte der beiden Sperrer-Banken in Moosburg und Freising zu vereinen. Die Fusion zum 1. Januar 1992 würde die Wett-bewerbsfähigkeit und die Marktposition der Gesamtbank im prosperierenden Raum Freising und Moosburg festigen und ausbauen.

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1992–2013 Dom­ und Bischofsstadt, Wissenschafts­ und Wirtschaftsstandort, Heimat des Bankhauses Ludwig Sperrer: Freising.

Außergewöhnlich persönlich – „Wenn wir uns zurücklehnen, dann nur, um Ihnen zuzuhören.“

Das fusionierte Institut startete in einer boomenden Region. 1992 nahm der neue Münchener Flughafen „Franz-Josef-Strauß“ seinen Betrieb auf und entwickelte sich zu einem wichtigen Motor Oberbayerns und des Landkreises Freising. Neue Betriebe siedelten sich an, Bevölkerung und Beschäftigung wuchsen. Entlang der wichtigsten Verkehrsanbindungen an den Flughafen wuchs der Wohlstand der Kommunen stetig.

Die bayerische Wirtschaft hatte insgesamt in den vergangenen Jahrzehnten einen schonenden Umbau zu einer hochmodernen Wirtschafts- und Erwerbsstruktur vollzogen. In den 1990er Jahren setzte sich der tertiäre Sektor der Dienstleistungen sowohl in der Zahl der Beschäftigten als auch in der Wertschöpfung gegenüber dem produzierenden Gewerbe endgültig durch. Das bayerische Finanzdienstleistungs-gewerbe hatte an dieser Entwicklung einen entscheidenden Anteil, hier stieg die Wert-schöpfung während der 1990er Jahre um 60 Prozent, die der übrigen bayerischen Wirtschaft „nur“ um 21 Prozent.

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Zu Beginn des neuen Jahrtausends tritt mit Anna und Christian Sperrer die dritte Generation in das Privatbankhaus ein. Christian Sperrer wird 2006 persönlich haftender Gesellschafter der Bank. Sein Vater kann im Juni 2011 ein außergewöhnliches Jubiläum feiern: 50 Jahre ist er Privatbankier. Der Tod Hans Sperrers wenige Monate später ist ein schwerer Verlust für die Familie, die Mitarbeiter und die Kunden des Bankhauses Sperrer. Zu seinem Erbe gehören die Werte, die er in der Sperrer-Bank gelebt hat: Unabhängigkeit, Ortsverbundenheit und persönliche Kundenbetreuung liegen der Sperrer-Bank weiterhin besonders am Herzen.

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Ludwig, Hans und Christian Sperrer: Drei Generationen persönlich haftender Gesellschafter.

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Der Flughafen München, Aufnahme von 1992. Der Groß flughafen wird nach dem früheren bayeri­schen Minister präsidenten Flughafen München „Franz Josef Strauß“ benannt.

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Neue Währung: Unter Polizeischutz werden im September 2001 die druck­frischen Euro­Banknoten und ­Münzen an das Bank­haus Ludwig Sperrer aus­geliefert.

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Dabei wurde die Palette der Finanzprodukte ständig erweitert, das traditionelle Anlage- und Kreditgeschäft trat immer weiter in den Hintergrund und das Investment-banking nahm stark zu. Die Großbanken expandierten besonders in diesem Geschäfts-feld, sie wuchsen aber auch in den neuen Bundesländern und vor allem im Auslands-geschäft, denn seit 1991 durften deutsche Banken Grundstücke in Staaten des euro-päischen Wirtschaftsraums und einige Jahre später in den OECD-Mitgliedsstaaten beleihen. Schließlich eröffneten seit 1993 der europäische Binnenmarkt und der „Euro-päische Pass“ für Kreditinstitute den deutschen Banken die Möglichkeit, ihre Finanz-produkte in allen EU-Mitgliedsstaaten ohne nochmalige Zulassung anzubieten. Die Wachstumschancen schienen fast grenzenlos.

Doch tatsächlich sank die Zahl der Institute, die international tätig waren. Inzwischen sind die meisten der kleineren und mittleren Banken, die sich damals im internationalen Wettbewerb versuchten, vom Markt verschwunden. Zunehmend geriet die Finanzbranche unter Druck, Überkapazitäten in einem harten Ausleseprozess zu verringern, zumal „non banks“ (beispielsweise Handelshäuser, Automobilhersteller und EDV-Anbieter) und „near banks“ (Versicherungen) auf den Markt drängten. Gleichzeitig sank in den 1990er Jahren die Zahl der Bankstellen in der Bundesrepublik wie auch in Bayern um gut ein Zehntel – eine Entwicklung, die durch technische Neuerungen wie Internetbanking beschleunigt wurde. Seit 1993 betrieben die großen Geschäftsbanken ein flächendeckendes Telefonbanking, ein Jahr später begann die Gründungswelle der Direktbanken. Die Sperrer-Bank setzte gegen diesen Trend weiterhin auf den persönlichen Kundenkontakt und blieb der regionalen Verbundenheit treu. Deshalb waren für den neuen Standort der Geschäftsstelle Neustift an der Landshuter Straße 17, im März 1998 bezogen, die optimal ausgestatteten Beraterplätze besonders wichtig.

Die Sperrer-Mitarbeiter in Freising und Moosburg bereiteten sich Ende der 1990er Jahre auf zwei große Veränderungen vor. Zum einen wurde zum 1. Januar 1999 der Euro als Zahlungsmittel von über 300 Millionen Menschen in Europa eingeführt, auch wenn er in den ersten drei Jahren eine „unsichtbare“ Währung blieb, die nur für Kontoführungszwecke verwendet wurde. Zum anderen stand der Jahrtausendwechsel vor der Tür und mit ihm das Szenario von umstellungsbedingten Computerabstürzen in großem Ausmaß, die es zu verhindern galt. Der Bundesverband deutscher Banken bezifferte die Gesamtkosten der Maßnahmen gegen das „Jahr-2000-Problem“ bei deutschen Banken und Sparkassen immerhin auf rund fünf Milliarden Euro.

EFDIS AG: Unabhängige Bankenexpertise plus individuelle Softwarelösungen

Die Sperrer-Bank stand in dieser Situation vor der Entscheidung, ihr selbst entwickeltes Programm „SPERBA“ entsprechend zu modifizieren oder es aufzugeben und sich einem externen Softwareanbieter zuzuwenden. Doch war der Kauf einer neuen Bankensoftware teuer und vor allem gab es kein Programm, das für die anste-henden Probleme funktionierende Lösungen garantieren konnte.

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Hans Sperrer traf nun eine vorausschauende Entscheidung: Die Entwicklung des EDV-Sektors wollte er weiterhin in der eigenen Hand behalten, denn eine eigene Soft-ware war ein wichtiges Element der Unabhängigkeit der Sperrer-Bank. Es sollte jedoch ein völlig neues Programm entwickelt werden. Zu diesem Zweck wurde der IT-Bereich in eine eigene Tochtergesellschaft ausgegründet. 1997 entstand unter der Leitung von Konrad Filser, einem langjährigen Mitarbeiter der Sperrer-Bank, die EFDIS AG Bankensoftware. Die EFDIS meisterte die ersten großen Aufgaben, nämlich die Einfüh-rung des Euro und die Umstellung auf das Jahr 2000, sehr erfolgreich und entwickelte sich bald zu einem gefragten Dienstleister für bankspezifische IT-Lösungen.

Die dritte Generation

Den technischen Innovationen folgten kurz nach der Jahrtausendwende wich-tige personelle Veränderungen: Im Jahr 2001 trat Anna Sperrer, die bei der Liga-Bank ihre Ausbildung zur Bankkauffrau absolviert hatte, in die Bank ihres Vaters ein. 2002 folgte, nach betriebswirtschaftlichem Studium und dreijähriger Berufserfahrung, ihr Bruder Christian. Seit 1997 nahm er im Aufsichtsrat der EFDIS ein Mandat wahr, zunächst als Mitglied, inzwischen als Aufsichtsratsvorsitzender. 2006 erhielt der Diplom-Kaufmann die Erlaubnis der Aufsichtsbehörden zum Betreiben von Bank-geschäften und wurde persönlich haftender Gesellschafter der Bank. Damit führten Vater und Sohn nun gleichberechtigt das Bankhaus. Hans Sperrer sorgte dafür, dass der Generationenübergang erneut von erfahrenen Kollegen begleitet wurde. Alois Wöhrl war seit 1967 Mitarbeiter der Sperrer-Bank und seit 1982 Geschäftsführer. 1998 war mit Hans-Roland Weiß ein weiterer Geschäftsführer in die Bank eingetreten, um den ständig wachsenden organisatorischen Anforderungen gerecht zu werden. Mit ihrer Hilfe gelang ein ungewöhnlich harmonischer und reibungsloser Generationenwechsel. In Moosburg übernahm 2002 mit Bankfachwirt Johannes Dietl ein Enkel des Banken-gründers Kaspar Sperrer die Geschäftsstellenleitung.

Die dritte Generation erlebte in den 2000er Jahren tiefe Erschütterungen der Finanzwelt. In den Tagen nach den Terroranschlägen am 11. September 2001 standen die USA unter Schock und mit ihnen ein großer Teil nicht nur der wirtschaft-lichen Welt. Um einen Börsensturz an der Wall Street zu verhindern, pumpte die

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Die EFDIS AG

Die EFDIS AG wurde 1997 als Tochter-unternehmen der Sperrer-Bank gegründet und stellt mit Christian Sperrer den Aufsichtsratsvorsitzenden. Dem Vorstand (Konrad Filser und seit 2001 Kirsten Klosin) ist es gelungen, seit Gründung des Unternehmens einen kontinuierlichen

Wachstumspfad zu beschreiten und sich als leistungsstarker Anbieter für IT-Dienst-leistungen mit etwa 60 Mitarbeitern am Markt zu etablieren. Derzeit nutzen über 20 Banken und Finanzdienstleister die Kernbanksoftware EFDIS.CIFRA. Darüber hinaus bietet EFDIS als weitere Dienst-leistung den Betrieb von Rechenzentren an. Seit 2006 übernimmt die Tochter-gesellschaft EFDIS Servicing GmbH außer-dem die Verwaltung des Kredit- und Einlagengeschäftes für Banken.

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amerika nische Notenbank Geld in den Markt und hielt die Zinsen niedrig. Die Liqui-dität floss unter anderem auch in den Immobiliensektor, der sich weltweit zu einem großen Geschäft zu entwickeln schien. So vergaben US-Hypothekenbanken Kredite an US-Bürger mit niedrigem Einkommen und ließen diese Kredite in durch Hypotheken abgesicherte Wertpapiere umwandeln, um das Ausfallrisiko weiterzugeben. Diese Wertpapierpakete wurden von den zuständigen Ratingagenturen als sicher eingestuft und weltweit an Kreditinstitute verkauft. Doch seit Mitte 2004 wurden die Kredit-zinsen schrittweise angehoben und viele Kreditnehmer konnten die stetig steigenden Raten ihrer Hypothekenkredite nicht mehr bezahlen. Die Häuserpreise stürzten ab, die Wertpapierpakete wurden herab gestuft. Die Immobilienblase platzte. Was zunächst als vermeintlich nationales Ereignis begann – die Hypothekenkrise auf dem US-amerika-nischen Häusermarkt – entwickelte sich rasch zu einem globalen Problem.

Im September 2008 brach die amerikanische Investmentbank Lehman Brothers zusammen. In der Folge liehen sich die Banken untereinander kaum noch Geld, welt-weit strauchelten immer mehr Finanzhäuser. Zwar hatte es in Deutschland keinen Immobilienboom gegeben, doch große deutsche Banken waren an den spekulativen Geschäften beteiligt und von hohen Abschreibungen betroffen. Nur durch umfang-reiche staatliche Schutzmaßnahmen und Liquiditätshilfen der Europäischen Zentral-bank konnte der Zusammenbruch des Finanzmarktes verhindert werden.

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Ein Berufsleben bei der Sperrer­Bank: Alois Wöhrl

Alois Wöhrl wurde am 31. Mai 1951 in Aufham geboren. Nach dem Besuch der Handelsschule trat er 1967 als Banklehr-ling in die Sperrer-Bank ein. 1972 betraute Bankier Hans Sperrer den erst 21-jährigen mit dem Aufbau der Kreditabteilung in der neuen Hauptstelle der Bank am Marienplatz. Zunehmend wurde Alois Wöhrl mehr Verantwortung übertragen; neben seiner Tätigkeit für das Bankhaus bildete er sich zudem berufsbegleitend

fort. 1976 übernahm er die Leitung der Kreditabteilung und 1982 berief ihn Hans Sperrer in die Geschäftsleitung des Bank-hauses Ludwig Sperrer. Auch ehrenamt-lich war Alois Wöhrl sehr aktiv, unter anderem war er 24 Jahre lang Gemeinde-ratsmitglied. Heute konzentriert er sich auf sein Amt als Kirchenpfleger und als Mitglied der Kirchenverwaltung in seiner Heimatgemeinde, auch dies schon seit mehr als 20 Jahren: Engagement vor Ort

wird bei den Mitarbeitern der Sperrer-Bank auch über das Finanzgewerbe hin-aus großgeschrieben. 2007 gratulierten Hans und Christian Sperrer Alois Wöhrl (2. von links) und seiner Ehefrau Maria zum 40-jährigen Dienstjubiläum – inzwi-schen begleitet Alois Wöhrl das Bankhaus Sperrer seit über 45 Jahren, so wie viele Sperrer-Mitarbeiter dem Haus seit Jahrzehnten verbunden sind.

Außergewöhnlich persönlich – „Wenn wir uns zurücklehnen, dann nur, um Ihnen zuzuhören.“ (1992–2013)

Kundenvertrauen in die Privatbank trotz weltweiter Finanzkrise

Hans und Christian Sperrer begegneten der großen Verunsicherung unter den Anlegern in Freising und Moosburg, indem sie aktiv auf ihre Kunden zugingen und viele intensive Gespräche führten. Die beiden Bankiers wandten sich an die Öffentlich-keit und legten ihre Geschäftsprinzipien in der Presse dar: „Als inhabergeführte Privat-bank wirtschaften wir seit vielen Jahrzehnten nach den Prinzipien der kaufmännischen Vorsicht und legen größten Wert darauf, unsere Geschäftspolitik selbst zu bestimmen. Die beständige Identität von Eigentum und Unternehmensleitung ist Garant für unser umsichtiges, verantwortungsbewusstes und damit vertrauenswürdiges Handeln.“ Statt scheinbar innovative Produkte zu verkaufen oder Expansion an die erste Stelle zu setzen, stehen für die Sperrer-Bank die Qualität der Kundenbeziehungen und der solide Ertrag im Vordergrund: „Größe allein war noch nie ein Maß für Qualität. Aktivitäten in uns fremden Märkten und Regionen haben für uns keine Bedeutung. Wir handeln nach dem Prinzip ‚Kenne deine Kunden, denn sie sind das größte Kapital!’“

Und die Kunden von Sperrer hatten Vertrauen in „ihr“ Bankhaus: Die Bank verzeichnete sogar Einlagenzuflüsse. Mitten in der Krise mit ihren Diskussionen um die Liquidität der Banken baute die Sperrer-Bank die Schalterhalle ihrer Hauptstelle am Marienplatz um. Die neue Gestaltung schuf eine offene und einladende Atmosphäre, zudem entstanden weitere Beratungsräume. Der Umbau setzte ein deutliches Zeichen: Die Sperrer-Bank plante für die Zukunft und investierte am Standort.

Ende des Jahres 2008 wurde deutlich, dass die Finanzierungsprobleme der Banken auf andere Wirtschaftsbereiche übergriffen – die Auftragslage der Unter-nehmen ging weltweit zurück. Die deutsche Wirtschaft kam vergleichsweise glimpflich davon, auch weil sich viele Betriebe mit dem staatlichen Stützungsmodell der Kurz-arbeit über längere Durststrecken retten konnten. Doch in vielen Staaten stieg die ohnehin hohe Verschuldung krisenbedingt deutlich an. In der Europäischen Union entwickelte sich die schärfste Wirtschaftskrise ihrer Geschichte: 2010 gerieten Griechenland und Irland, 2011 dann Portugal, Spanien und Italien in finanzielle Probleme, sie konnten sich teilweise nur noch durch Eingriffe der Europäischen Zentralbank, der Europäischen Union, des Internationalen Währungsfonds und mit Hilfe diverser, durch die Politik geschaffener Rettungsfonds refinanzieren.

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Privatbankiers

zu Beginn des

21. Jahrhunderts

senschaftsbanken, aber auch die öffent-lich-rechtlichen Institute standen unter großem Fusionsdruck. Ertragseinbrüche ergaben sich für viele Banken immer wieder aus der anhaltenden Konjunktur-schwäche und damit einhergehenden Kreditausfällen sowie durch Verluste aus großen Unternehmenszusammenbrü-chen. Zudem konzentrierten sich ins-besondere die Großbanken zunehmend auf das Investmentgeschäft und waren damit in hohem Maße von dessen

Der deutsche Bankenmarkt hat sich in den letzten Jahrzehnten stark gewan-delt. So führte der europäische Binnen-markt zu deutlichen Wettbewerbs-liberalisierungen, zudem drangen zu-nehmend sogenannte Nichtbanken als Finanzdienstleister in das Privatkunden-geschäft vor. Die Geschäftstätigkeit der Banken in Deutschland expandierte in den 1990er Jahren stark, gleichzeitig sank allerdings die Zahl der Banken und der Zweigstellen; vor allem die Genos-

Außergewöhnlich persönlich – 100 Jahre Bankhaus Ludwig Sperrer

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Ergebnissen abhängig. Gerade in den letzten Jahren haben hohe Verkaufsvor-gaben und definierte Terminquoten, gesteuert durch ein IT-gestütztes Kun-denbeziehungsmanagement, das Ver-triebssystem vieler Banken bestimmt. Daneben sahen viele große Geschäfts-banken und Finanzdienstleister in der „Erben-Generation“ ein lukratives Geschäftsfeld. Sie übernahmen häufig Privatbanken, die im Konzernverbund als Marke gepflegt wurden, um die

Erwartungen vermögender Kunden zu befriedigen.

So sind Privatbankiers zwar der ältes-te Banktypus, stellen aber heute inner-halb des deutschen Finanzdienstleis-tungsmarkts die kleinste Gruppe, zumal die Markteintrittsbarrieren heute un-gleich höher sind als noch zu Zeiten Ludwig Sperrers. Im Jahr 1998, dem letzten Jahr, in dem die Bundesbank-statistik die Privatbanken separat erfass-te, gab es noch 56 private Bankhäuser.

2012 listete der Bundesverband deut-scher Banken unter der Rubrik „Privat-bankiers“ 23 Mitglieder auf. Auch wenn diese Gruppe in Bezug auf Größe, Kun-densegmente und Leistungsange bote deutliche Unterschiede aufweist, kenn-zeichnet alle Banken ihr individuelles Eingehen auf die Kundenbedürfnisse, eine hohe Betreuungskontinuität durch langjährige Bankmitarbeiter, die unbe-dingte Diskretion und ein persönlicheres Verhältnis zwischen Kunde und Bankier.

Außergewöhnlich persönlich – „Wenn wir uns zurücklehnen, dann nur, um Ihnen zuzuhören.“ (1992–2013)

Christian Sperrer wurde am 8. Januar 1970 als zweites Kind der Eheleute Hans und Jutta Sperrer in Freising geboren. Nach dem Abitur und dem Grundwehrdienst absolvierte er eine Banklehre im Münchener Bankhaus Aufhäuser. In der Ausbildung wuchs sein Interesse, selbst Bankier zu werden. Der Banklehre schloss sich ein betriebswirtschaftli­ches Studium mit den Schwerpunkten Bankwirt­schaft und Revisions­ und Treuhandwesen an der Ludwig­Maximilians­Universität in München an. Anschließend übernahm Christian Sperrer als Firmenkundenbetreuer mit eigenem Kreditreferat Verantwortung bei der Schmidt Bank in Bayreuth. Der Weg in die Geschäftsleitung der väterlichen Bank wurde dadurch weiter gefestigt.

In den vergangenen Jahren hat Christian Sperrer, unterstützt von seinem Vater Hans, die Kunden­beratung und die Qualifizierung der Mitarbeite­rinnen und Mitarbeiter stark gefördert. Wie schon sein Großvater Ludwig, sein Großonkel Kaspar und sein Vater Hans pflegt auch Christian Sperrer die Ortsverbundenheit seines Bankhauses, zudem engagiert er sich persönlich im lokalen Umfeld.

Christian Sperrer ist als IHK­Gremiumsmitglied, als Mitglied des Arbeitsausschusses des Bayerischen Banken verbands und als Stiftungsrat der „Freisinger Bürgerstiftung“ aktiv, die Projekte zur nachhaltigen Entwicklung im Bereich der Stadt Freising fördert, und setzt sich in verschiedenen gemeinnützigen Vereinen ein.

Christian Sperrer(geb. 1970)

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Ein Highlight für Freising und die Region: Anlässlich seiner Pastoralreise durch Bayern besucht Papst Benedikt XVI. im September 2006 die Dom­stadt, in der seine theologi­sche Laufbahn begann.

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Auf der Überraschungsfeier der Mitarbeiter zum 50­jährigen Bankiersjubiläum Hans Sperrers kommt die Familie zusammen: Ludwig Sperrer, das Ehepaar Jutta und Hans Sperrer, Anna Sperrer sowie das Ehepaar Christian und Christine Sperrer (von links nach rechts). Für Pfarrer Ludwig Sperrer wäre eine naheliegende Berufswahl die des Bankkaufmanns gewesen, doch mit Unter stützung seiner Eltern entschied er sich für ein Studi­um der katholischen Theologie und den Beruf des Priesters.

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Gratulation auf dem Marienplatz: Mitarbeiter­innen und Mitarbeiter der Sperrer­Bank grüßen Hans Sperrer zum 50­jähri­gen Bankiersjubiläum.

Außergewöhnlich persönlich – 100 Jahre Bankhaus Ludwig Sperrer

Da auch die bayerischen Industrieunternehmen heute mehr denn je mit der globalen Wirtschaft verflochten sind, mussten sich die Schuldenkrise und die nachlassenden Absatz perspektiven auch hier auswirken. Allerdings blieb gerade die Wirtschaftsregion Oberbayern weiter auf Erfolgskurs. Von Handwerk bis Hightech: Im Freisinger Land-kreis sind klein- und mittelständische Betriebe ebenso wie große, internationale Unternehmen beheimatet. Nirgendwo sonst in Deutschland gibt es seit Jahrzehnten so wenig Arbeitslosigkeit wie hier, obwohl der Landkreis um jährlich etwa 2.000 Menschen wächst.

Außergewöhnlich persönlich

Angesichts der Eurokrise setzte die Sperrer-Bank mehr denn je auf eine in tensive Anlageberatung, um gemeinsam mit den Kunden eine breite Risikostreuung zu erzielen. Das Vertrauen der Kunden zur Bank war ungebrochen, neben Zuwächsen bei den Einlagen stieg die Nachfrage nach Edelmetallen, Immobilien und Immobilien-finanzierungen sowie staatlich geförderten Maßnahmen zur Gebäudesanierung und alternativen Energieträgern, beispielsweise der Fotovoltaik, deutlich an. Wie alle Banken unterliegt dabei auch das Bankhaus Ludwig Sperrer den verschärften Regu-lierungen für die Kreditwirtschaft. So müssen Banken im Rahmen von „Basel III“ beispielsweise ein höheres Eigenkapital vorhalten, eine Anforderung, die die Sperrer-Bank bereits heute erfüllt. Dabei speist die Bank ihr Eigenkapital aus ihrem Gewinn. Ebenfalls zu den Basel-III-Forderungen gehört eine höhere Risikotransparenz im Kreditgeschäft, dem Hauptgeschäft der Sperrer-Bank, in dem sie auch künftig ein moderates Wachstum anstrebt.

Mit ihrer soliden Geschäftspolitik und dem Vertrauen ihrer Kunden hatte die Sperrer-Bank allen Grund zu feiern: Im Februar 2011 wurde das Moosburger Haus 90 Jahre alt. „Wir sind stolz darauf, von anderen Banken völlig unabhängig zu sein“, betonten die beiden Bankiers Hans und Christian Sperrer anlässlich des Jubiläums. Wie schon Ludwig und Kaspar Sperrer, legten sie größten Wert auf persönliche und zuvorkommende Beratung ohne Verkaufsdruck. Gemeinsam mit seinem Sohn ver sicherte Hans Sperrer: „Der Name Sperrer steht nunmehr seit fast 100 Jahren für Tradition, Ortsverbundenheit und vor allem für Unabhängigkeit. Daran wird sich auch in Zukunft nichts ändern.“

Wenige Monate später feierte Hans Sperrer ein weiteres Jubiläum: Im Juni 2011 war er seit 50 Jahren Privatbankier. Seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter über-raschten ihn mit einer sehr persönlichen Feier und überreichten ihm eine Urkunde „für treue Fürsorge und soziale Verantwortung“. Sie ehrten damit einen engagierten und liebenswerten Chef, der für seine Offenheit, Geradlinigkeit, menschliche Wärme und zurückhaltende Art geschätzt wurde – und den auch eine schwere Erkrankung nicht daran hinderte, Kunden wie Mitarbeitern immer mit Rat und Tat zur Seite zu stehen. Kurze Zeit später, im Oktober 2011, starb Hans Sperrer.

55Außergewöhnlich persönlich – „Wenn wir uns zurücklehnen, dann nur, um Ihnen zuzuhören.“ (1992–2013)

Sperrer­Team und Sperrer­Lösungen

Christian Sperrer wird die Unabhängigkeit seines Bankhauses bewahren. Die Sperrer-Bank bleibt ein eigentümergeführtes Unternehmen, in dem die Person mit gesellschaftsrechtlichem Einfluss auch aktiv die Geschäfte ausübt – die bewährte Strategie von Ludwig und Hans Sperrer wird also auch zukünftig das Bankhaus prägen. Als Eigentümer verfolgt Christian Sperrer eine langfristige Strategie statt kurz-fristiger Gewinnmaximierung. Seine volle persönliche Haftung stellt sicher, dass die Bank nur Geschäfte eingeht, die transparent sind und nur nachvollziehbare und trag-bare Risiken bergen. Schließlich geht ein Entscheidungsträger, der zugleich Gesell-schafter ist, mit dem Geld seiner Kunden um wie mit seinem eigenen, zumal er Fehlsteuerungen unmittelbar am eigenen Vermögen spüren würde. Gewinne fließen weiterhin zum größten Teil in die Eigenkapitalstärkung der Bank, genauso wie ein verantwortungsvoller Landwirt oder industrieller Unternehmer zuerst in Maschinen, Gebäude, Technik und Forschung investiert. Zudem sind überzogene Bonizahlungen im Kreis der Privatbankiers nicht üblich. Diese nachhaltige Geschäftspolitik führt lang-fristig zum Erfolg, weil sie auf ein beständiges Wachstum in angemessener Größe zielt und gefährliche Überdehnungen vermeidet. Auch deshalb verzichtet Christian Sperrer weiterhin auf eine überregionale Expansion und bleibt dem Raum Freising verbunden.

Freising hat eine hohe Bankendichte. Qualifizierte Mitarbeiter, hohe Personal-konstanz und absolute Diskretion sind, verbunden mit der persönlichen Atmosphäre der Privatbank, die entscheidenden Pluspunkte, mit denen die Sperrer-Bank in diesem Wettbewerb bestehen kann. Um anspruchsvolle Beratung leisten zu können, bilden sich viele Sperrer-Mitarbeiter weiter und qualifizieren sich beispielsweise berufsbegleitend

„Wenn wir uns zurück­lehnen, dann nur, um Ihnen zuzuhören.“Die Geschäftsführung des Bankhauses Ludwig Sperrer 2013: Hans­Roland Weiß,Christian Sperrer und Alois Wöhrl (von links nach rechts).

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zum Bankfachwirt oder zum Bankbetriebswirt. Alle Wertpapierberater der Bank sind heute zertifiziert. Die Sperrer-Bank wird diese Weiterbildung zukünftig noch verstärkt unterstützen, denn Christian Sperrer sieht gerade im Wertpapiergeschäft einen wach-senden Beratungsbedarf bei den Kunden. „Die permanente Weiterbildung unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter hat in unserem Haus einen hohen Stellenwert,“ sagt Christian Sperrer und ist stolz, seit kurzem mit Thomas Komarek einen Certified Financial Planner (CFP) im Haus zu haben, einen von nur etwa 1.400 (Stand Ende 2012) in ganz Deutschland. So kann die Bank ihren Kunden eine umfassende, individu-elle und maßgeschneiderte Anlagestrategie anbieten. Dabei wird gemäß der Philoso-phie der Sperrer-Bank auch weiterhin ohne Verkaufsdruck und ohne Vertriebsvorgaben beraten. Durch ihre schlanke Organisation und den bewussten Verzicht auf überladene Hierarchien kann die Sperrer-Bank schnell auf veränderte Kundenbedürfnisse reagieren. Das Augenmerk der Sperrer-Berater liegt dabei auf einer Produktauswahl, die sich an den Anforderungen des Kunden orientiert und auf Risikostreuung und Wertbeständigkeit ausgerichtet ist. Hierzu gehören auch Produkte, die die Sperrer-Bank exklusiv anbietet.

Den Anspruch, gerade in Zeiten wachsender Anonymität partnerschaftliche Kundenbeziehungen mit hoher Dienstleistungsqualität zu verbinden, teilt die Sperrer-Bank mit anderen unabhängigen Privatbanken. Tradierte Werte und die Erfahrungen früherer Generationen sind ihnen ein guter Ratgeber, doch verlieren sie moderne Anpassungen an einen dynamischen Markt nicht aus den Augen. Mehrheitlich haben sich diese Privatbankhäuser in der jüngsten Krise bewährt, weil sie sich von vermeint-lich erfolgreichen Produkten fernhielten, die manchen großen internationalen Banken enorme monetäre Einbußen und kaum zu beziffernde Vertrauensverluste einbrachten. Gemeinsame Herausforderungen und Problemstellungen der Zukunft werden im Kreis der Privatbankiers regelmäßig diskutiert, beispielsweise auf den Treffen im Bayeri-schen Bankenverband. Bei allen Ähnlichkeiten verfügt aber auch die kleine Gruppe unabhängiger Privatbanken nicht über ein einheitliches Geschäftsmodell. Ein beson-deres Kennzeichen der Sperrer-Bank ist und bleibt ihre Ortsverbundenheit. Dabei spielt es eine große Rolle, dass die Sperrer-Bank Land und Leute in ihrer Region kennt, wie Christian Sperrer bekräftigt: „Die Ziele und Werte der Kunden sind unsere Ziele und Werte.“

Seit 100 Jahren betreut die Sperrer-Bank nun Privat- und Geschäftskunden und seit drei Generationen steht der Name Sperrer für Zuverlässigkeit, Verantwortungs-bewusstsein und vertrauensvolle Zusammenarbeit. Die Sperrer-Bank pflegt dabei stets einen eigenen Stil: unaufdringlich und unabhängig, doch für ihre Kunden präsent und ihnen verpflichtet.

Ludwig Sperrer gründete 1913 ein Bankhaus, dessen wechselvolle Geschichte eng mit der Entwicklung seiner Region verbunden war. Politische System brüche, zwei Weltkriege, vier Währungsreformen und tiefe Wirtschaftskrisen waren im Laufe eines Jahrhunderts zu überwinden. Die bis heute inhabergeführte Sperrer-Bank hat dabei alle Herausforderungen gemeistert und wird ihren zentralen Werten – Unabhängigkeit, Ortsverbundenheit und persönliche Kundenbetreuung – auch in Zukunft treu bleiben.

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Danksagung

Viele Menschen haben uns bei der Herstellung dieses Buches unterstützt.

Von Beginn an waren dies die derzeitigen wie ehemaligen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Bankhauses Ludwig Sperrer, denen wir für ihre freundliche und stets kompetente Hilfe danken möchten.

Lebhafte Eindrücke und Erinnerungen schilderten Elisabeth Dietl, Elsa Steinbüchl, Christian Sperrer, Alois Wöhrl, Hans-Roland Weiß und Konrad Filser.

Hinweise und Informationen aus den Stadtarchiven Freising und Moosburg rundeten das Bild dieser Zeitzeugen ab.

Jutta und Christine Sperrer sowie Kirsten Klosin steuerten Anregungen und Korrekturen bei.

Gerhard Rovan koordinierte Interviews, Archiv- und Bildrecherchen sowie die Text- und Layoutredaktion.

Hans Sperrer gab 2011 den Anstoß für die Aufarbeitung der 100-jährigen Geschichte des Bankhauses Ludwig Sperrer. Ihm ist dieses Buch gewidmet.

Archive und Quellen

Eine vollständige Belegfassung des Textes liegt bei der Bankhaus Ludwig Sperrer KG, Freising, sowie im Geschichtsbüro Reder, Roeseling & Prüfer GbR, Köln, vor. Für die Recherche wurden folgende Archive und Quellen genutzt:

· Archiv Bankhaus Ludwig Sperrer· Freisinger Tagblatt· Freisinger Neueste Nachrichten· Moosburger Zeitung· Sammlung Elisabeth Dietl, Moosburg· Stadtarchiv Freising· Stadtarchiv Moosburg· Sperrer-Bank Nachrichten

Literaturauswahl

Bayerische Hypotheken- und Wechsel-Bank (Hg.): 125 Jahre Bayerische Hypotheken- und Wechselbank, München 1960.

Bähr, Johannes: Die Dresdner Bank in der Wirtschaft des Dritten Reiches, München 2006.

Bähr, Johannes und Bernd Rudolph: Finanzkrisen 1931–2008, München; Zürich 2011.

Born, Karl Erich: Die deutsche Bankenkrise 1931 – Finanzen und Politik, München 1967.

Büschgen, Hans E.: Zeitgeschichtliche Problemfelder des Bankwesens der Bundesrepublik Deutschland, in: Institut für bankhistorische Forschung (Hrsg.): Deutsche Banken-geschichte Band 3, Frankfurt am Main 1983, S. 349–409.

Burhop, Carsten: Wirtschaftsgeschichte des Kaiserreichs 1871–1918, Göttingen 2011.

Denzel, Markus A. und Hans Pohl (Hg.): Geschichte des Finanzplatzes München, herausgegeben im Auftrag des Wissenschaftlichen Beirats des Instituts für bankhistorische Forschung, München 2007.

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Donaubauer, Klaus: Privatbankiers und Bankenkonzentration in Deutschland von der Mitte des 19. Jahrhunderts bis 1932, Frankfurt am Main 1988.

Eichhorn, Franz-Josef (Hg.): Die Renaissance der Privat-bankiers, Wiesbaden 1996.

Feldman, Gerald D.: Bayern und Sachsen in der Hyper-inflation 1922/23, Schriften des Historischen Kollegs 6, München 1984.

Galbraith, John Kenneth: Der große Crash 1929. Ursachen, Verlauf, Folgen, München 2005.

Götschmann, Dirk: Wirtschafts geschichte Bayerns, 19. und 20. Jahrhundert, Regensburg 2010.

Grüner, Stefan: Geplantes „Wirtschaftswunder“? Industrie- und Strukturpolitik in Bayern 1945 bis 1973, München 2009.

Hacker, Peter: Freising – was die Stadt im 20. Jahrhundert bewegte, Passau 2002.

Institut für Bankhistorische Forschung e. V. (Hg.): Der Privat-bankier. Nischenstrategien in Geschichte und Gegenwart, Bankhistorisches Archiv, Beiheft 41, Stuttgart 2003.

Keith, Ulrich: Aufstieg und Fall der Privatbankiers. Die wirtschaftliche Bedeutung von 1918 bis 1938, Frankfurt am Main 1998.

Meeder, Christian: Die Bedeutung des deutschen Privat-bankiers und seine Zukunftsaussichten, Frankfurt 1989.

Müller, Christoph: Die Entstehung des Reichsgesetzes über das Kreditwesen vom 5. Dezeber 1934, Berlin 2003.

Petzina, Dietmar: Laptop oder Leder hose? Soziokultureller und ökonomischer Wandel in der Region München/Ober-bayern seit dem Zweiten Weltkrieg, in: Silke Flegel und Frank Hoffmann (Hg.), Stadt, Land, Fluss. Eine kulturwissen-schaftliche Deutschland reise, Münster 2011.

Plumpe, Werner: Wirtschaftskrisen. Geschichte und Gegenwart, München 2010.

Pohl, Hans und Thorsten Beckers: Deutsche Bankiers des 20. Jahrhunderts, München 2008.

Pohl, Hans und Gerold Ambrosius (Hg.): Geschichte der deutschen Kreditwirtschaft seit 1945, Frankfurt am Main 1998.

Pohl, Manfred: Einführung in die deutsche Banken-geschichte. Die Entwicklung des gesamten deutschen Kreditwesens, Frankfurt 1976.

Reichert, Ludwig und Walter Dieck: 125 Jahre Bayerische Handelsbank in München 1869–1994, München 1994.

Wagner, Kurt: Stationen deutscher Bankgeschichte, 75 Jahre Banken verband, Köln 1976.

Bildnachweis

Soweit nicht anders vermerkt, befinden sich die verwende-ten Bilder im Besitz der Bankhaus Ludwig Sperrer KG. Sollte es trotz gründlicher Recherche nicht gelungen sein, sämtliche Inhaber von Bildrechten ermittelt zu haben, bitten wir diese, sich mit dem Geschichtsbüro Reder, Roeseling & Prüfer in Verbindung zu setzen.

· Bankhaus Sperrer/Gerhard Rovan: 48 (2), 51, 54 (1 und 2)· Foto Max Werkmeister, Freising: 8 (1), 17· Rainer Lehmann: 48 (1)· Sammlung Elisabeth Dietl, Moosburg: 8 (3), 21 (4)· Stadtarchiv Freising: 14 (3), 26 (3)· Picture alliance: 36, 39 (3), 42 (2 und 3), 48 (2), 54 (3)· Ullstein-Bild: 10, 14 (2), 24, 28, 46

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IMPRESSUM

Herausgeber

Bankhaus Ludwig Sperrer KGMarienplatz 5–685354 Freisingwww.sperrer.de

Text, Bild und Redaktion

Ute Pothmann, Britta StückerGeschichtsbüro Reder, Roeseling & Prüfer; Kölnwww.geschichtsbuero.de

Gestaltung

Dipl.-Designer (FH) Udo KrügerGeschichtsbüro Reder, Roeseling & Prüfer; Köln

Druck

Druckerei Siegfried Lerchl e.K.; FreisingGedruckt auf PEFC-zertifiziertem Papier „Galaxi“

© Bankhaus Ludwig Sperrer KG; Freising 2013

Die Geschichte geht weiter …

Mehr zum Bankhaus Ludwig Sperrer erfahren Sie hier:

Oder besuchen Sie uns im Internet unter www.sperrer.de

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seit drei generationen ist die Familie sperrer im Bankgeschäft tätig.

Ludwig sperrer gründete 1913 ein Bankhaus, dessen wechselvolle geschichte

eng mit der entwicklung seiner region verbunden ist. politische systembrüche,

zwei weltkriege, vier währungsreformen und tiefe wirtschaftskrisen waren

im Laufe eines Jahrhunderts zu überwinden. die bis heute inhabergeführte Bank

hat dabei alle herausforderungen gemeistert und ist ihren zentralen werten –

unabhängigkeit, Ortsverbundenheit und persönliche kundenbetreuung –

treu geblieben.