100 Jahre Pfalz-Flugzeugwerke Speyer: Frühe Luftfahrt in Speyer: 1908-1945

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SPEYERER LUFTFAHRTGESCHICHTE 1908 – 1945 Katrin Hopstock

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Zusammenfassung der frühen Luftfahrtgeschichte Speyers bis zum Jahr 1945. Fotos (Stadtarchiv Speyer) und Texte: Katrin Hopstock (Stadtarchiv).

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SPEYERER LUFTFAHRTGESCHICHTE

1908 – 1945

Katrin Hopstock

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Der erste Zeppelin über Speyer wurde im Sommer 1908 bestaunt, als er

majestätisch über der Stadt dahinzog (Foto). Die Flugbegeisterung war

allgemein groß, das Aufkommen zu sogenannten Zeppelinspenden

desgleichen. Nicht zuletzt kam es auch in Speyer zu entsprechenden Straßen-

und Schulbenennungen.

Die buchstäblich erste Berührung mit der Luftfahrt hatte Speyer dann am

14.Oktober 1912: Damals landete zum ersten Mal ein Flugzeug auf Speyerer

Boden (Fotos) – auf dem Gelände des Exerzierplatzes der damals hier

stationierten Pioniere, der bald darauf zum Flugplatz ausgebaut wird. Schon

am 30.Oktober des gleichen Jahres wird der „Pfälzische Luftsportverein

Speyer e.V.“ gegründet; er ist damit der zweitälteste pfälzische Ortsverein.

Ende des Jahres steht Speyers erste Flugzeughalle. 1913 erweitert der

Speyerer Stadtrat das Flugfeld auf 25 ha, nach vorherigem positivem

Gutachten des bekannten Flugpioniers Paul Senge.

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4. August 1908 Erster Zeppelinüberflug (Montage)

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14. Okt. 1912 Erste Flugzeuglandung in Speyer: eine Rumplertaube

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14. Oktober 1912 Erste Flugzeuglandung in Speyer: Publikum

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Die Neustadter Brüder Ernst und Alfred Eversbusch gründen am 3. Juni 1913

die Pfalz-Flugzeugwerke Speyer – durch sie wird Speyer Standort des

zweitgrößten Flugzeugwerks in Bayern. Geschäftsführer sind der Ingenieur

Ernst Eversbusch und der Dipl.-Ing. Willy Sabersky-Müssigbrodt, sein

Schwager. Später kommen noch die jüdischen Mannheimer Kaufleute Richard

und Eugen Kahn hinzu (gleichfalls Brüder) sowie der nicht mit ihnen verwandte

August Kahn. Alfred Eversbusch wird Einflieger der Werke, wie später auch der

bekannte schlesische Rekordflieger Eugen Wiencziers. Walter, jüngster Bruder

der beiden, wird später gleichfalls Flieger.

Die ursprünglichen und die heutigen Pfalz-Flugzeugwerke lagen nicht auf dem

gleichen Gelände. So traditionsbewusst die Namensübernahme durch das

einstige MBB-Zweigwerk auch ist, führt es doch häufig zu geschichtlichen

Missverständnissen. Die erst 1917/18 hier aufgebaute dreischiffige „Liller

Halle“ sowie der etwa um die gleiche Zeit entstandene Verwaltungsbau an der

Geibstraße beherbergen seit 1991 das Technik Museum: Im einstigen „Liller

Bahnhof“ (eine demontierte und hier wieder aufgebaute „Beutehalle“ aus dem

Ort Lesquin der Firma Thomson bei Lille) ist eine der größten Sammlungen

historischer Feuerwehrfahr-zeuge Europas ausgestellt, im einstigen

Verwaltungsgebäude an der Geibstraße, vom Technik Museum in

„Wilhelmsbau“ umbenannt, werden vor allem historische Musikinstrumente

präsentiert.

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Juli 1914 Erster Passagier-Rundflug der PFW. Pilot: Bruno Büchner

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17. Mai 1914 Frz. Kunstflieger Audemars (Mitte, zivil) in Speyer

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Anfänge der Flugzeugproduktion

Bevor das Flugzeugwerke über eigene Hallen verfügte, mietete Eversbusch die

damalige städtische Festhalle am Festplatz (Foto); er brannte 1940 ab. Das

erste von den Speyerer Werken produzierte Flugzeug ist ein Pfalz-Otto-

Doppeldecker mit hintenliegendem Motor (Foto, mit Personal). Mitte Mai 1914

war die erste eigene Produktionshalle fertiggestellt, sie wurde stolz anlässlich

des Prinz-Heinrich-Flugs präsentiert (Foto), ein Wettbewerb in Anwesenheit

des flugbegeisterten kaiserlichen Bruders. Damals auch werden die ersten

Passagierflüge angeboten (Foto). Diese ersten Flugzeuge wurden noch in

Lizenz produziert. Kurz vor Beginn des Ersten Weltkriegs erwerben die Pfalz-

Flugzeugwerke die Lizenz zum Nachbau eines Modells der französischen

Hersteller Morane-Saulnier; auf dieser Vorlage beruhen mehr oder weniger die

ersten Eindecker-Modelle der Pfalz-Flugzeuqwerke.

Der Erste Weltkrieg

Bis 1918 produzieren die Pfalz-Flugzeugwerke Speyer etwa 2 5oo Flugzeuge,

den Eindeckern (noch vorwiegend Aufklärungsflugzeuge) folgen Doppel- und

Dreidecker eigener Entwürfe. Erfolgreichstes Modell wird der Doppeldecker

Pfalz D XII, von dem über 1 000 Exemplare hergestellt werden. In den

bekanntesten Luftfahrtmuseen der USA, Frankreichs und Australiens kann

man heute noch Originalmaschinen dieses Typs besichtigen.

Gegen Ende des Ersten Weltkriegs arbeiten an die 2 800 Personen in den Pfalz-

Flugzeugwerken, davon zahlreiche Frauen (Fotos).

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1913/14 Belegschaft mit erster Eigenproduktion: Pfalz-Otto-Doppeldecker

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1914 zivile Flugschüler bei den Pfalz-Flugzeugwerken

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1913 Flugzeugbau (Pfalz-Otto-Dpppeldecker) noch in der Festhalle

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1918 Serienproduktion, hier Dppeldecker Pfalz D XII

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wohl 1917/18 Frauenarbeit in den Pfalz-Flugzeugwerken

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wohl Dez. 1917 Frontflieger zu Besuch, hier vor Pfalz Dr I

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Dez. 1917 Frhr. v. Richthofen, li. A.Eversbusch, re. A. Schlegel

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1918 In Speyer, vor Pfalz D XII: A. Eversbusch (3.v.l), daneben E. Udet, rechts OB Moericke, sowie weitere Militärflieger

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Bekannte Persönlichkeiten der frühen deutschen Luftfahrtgeschichte arbeiten

für die Werke oder sind ihnen verbunden, so der schon genannte Eugen

Wincziers und Otto Augst (in Speyer auch für seine Motorradfabrikation “Arco“

bekannt). Der eingangs erwähnte Sabersky-Müssigbrodt (Schwager der

Eversbuschs) wechselt später als Konstrukteur zur Luftverkehrsgesellschaft

AG nach Berlin. Vor allem der neu hinzugekommene Ing. Rudolph Gehringer

trägt dann zu den schon erwähnten erfolgreichen Eigenentwicklungen bei.

Bekannte Piloten suchen die Pfalz-Flugzeugwerke auf, so etwa Ernst Udet oder

der „Rote Baron“ Freiherr von Richthofen (Fotos). Walter, der jüngste

Eversbusch, verunglückt 1916 als Einflieger bei einem Absturz tödlich.

Überregional bekannt wird auch der Speyerer Pour-le-Mérite-Träger Franz

Walz, April 1917 als Führer der bayerischen Fliegertruppe 304b nach Palästina

verlegt, trägt er dort Wesentliches zur frühen Luftaufklärung bei. Auch hierfür

werden Speyerer Flugzeuge produziert.

Nach 1918

Das Ende des 1. Weltkriegs bedeutet für Speyer zunächst das fliegerische Aus:

Zahlreiche Flugzeuge werden von den Besatzungsmächten beschlagnahmt

und / oder verschrottet, das Gelände der Werke von der französischen

Besatzung selbst genutzt. Mehr als 1 800 Werksangehörige – die Pfalz-

Flugzeugwerke waren 1917/18 der größte Arbeitgeber der Region gewesen! –

sind auf einen Schlag arbeitslos. Um die wirtschaftliche Katastrophe

wenigstens etwas abzufangen, gründet Ernst Eversbusch die A.G. Pfalz, zum

„Schiffsbau, Fabrikation und Einbau und Verkauf aller Gegenstände und

Sachen der Industrie“ (so der Eintrag im Handelsregister). Wirtschaftskrise und

Inflation sind jedoch keine guten Begleiter, der Neugründung ist kein Erfolg

beschieden.

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1937 Nie fertiggestellte Luftschiffhalle der Luftschiffbau Brinkmann

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1937 - 1945

Firmengelände und Flugplatz werden erneut intensiv genutzt, als sich 1937 hier

die Fa. Luftschiffbau Otto Brinkmann ansiedelt. Geplant ist der Bau von

Reklameluftschiffen. Allerdings wird kein einziges Luftschiff oder gar eine

Halle fertig gestellt (Foto) – das Unternehmen geht mit großem Getöse in

Konkurs. Der Prozess schlägt 1938 riesige publizistische Wellen.

Noch 1937 finden dann die „Flugwerke Saarpfalz“ auf dem einstigen Gelände

der Pfalz-Flugzeugwerke ihre Heimat. Die Stadt trägt ihren Teil bei, indem sie

den Flugplatz 1937/38 so herrichtet und modernisiert (für damalige

Verhältnisse!), dass er auch größeren Aufgaben gewachsen ist. Die Flugwerke

nutzen ihn intensiv, werden hier doch 1939 - 1945 Flugzeuge (u.a. He 111, ME

108, Arado 68, auch Ju 88) repariert und gewartet, Bordwaffen eingeschossen

usw. (Fotos) Flugzeuge wurden in den Flugwerken Saarpfalz also nicht

hergestellt. Das Werk beginnt mit 200 Arbeitern und Angestellten, wächst

rasch. 1945 beträgt ihre Zahl ca. 1 500, davon über die Hälfte (vor allem

russische und polnische) Zwangsarbeiter/innen. Untergebracht sind diese

„Ostarbeiter“ in einem Barackenlager in direkter Werksnähe.

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ca. 1942 H. Schramm, Ritterkreuzträger, mit Personal der Flugwerke

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18. Juni 1942 Fliegerjubiläum A. Riediger (Mitte)

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1939 Klempnerei und Montage, Flugwerke Saarpfalz

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1939 Betriebsausflug der Flugwerke Saarpfalz, nach Heidelberg

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Nachtrag – nach 1945

Das Kriegsende bringt erneut französische Besatzung für Speyer – auch

Werksgelände und Flugplatz werden mit Beschlag belegt. Die Situation für

Speyerer Luftfahrtaktivitäten ähnelt der nach dem Ersten Weltkrieg: Ende 1950

gründet sich der Speyerer Flugsportverein neu, erst 1952 wird der

Flugplatzbetrieb wieder freigegeben.

1955 wird das Speyerer Zweigwerk der Ernst Heinkel AG als Ernst Heinkel

Fahrzeugbau GmbH gegründet; es produziert wegen des immer noch gültigen

Verbots von Flugzeugbau zunächst die berühmten Kabinenroller. Über 3 500

Expl. verschiedener Modelle verlassen in den folgenden Jahren das Speyerer

Werk. Da schon früh Wartungsaufgaben an Flugzeugen übernommen werden

dürfen, nimmt die Bedeutung des Speyerer Flugplatzes allmählich wieder zu.

1964/65 verliert das Speyerer Werk seine relative Selbständigkeit und erlebt in

den folgenden Jahrzehnten verschiedene Zugehörigkeiten, hier die wichtigsten

Veränderungen:

1964 Fusion von Heinkel mit Focke Wulf und Weser-Flugzeugbau zu VFW

(Vereinigte Flugtechnische Werke), 1983 Übernahme der VFW durch MBB

(Messerschmitt-Bölckow-Blohm), 1989 Zusammenschluss von MBB und DASA.

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Als 1996 das Speyerer DASA-Werk geschlossen werden soll, übernehmen die

523 Mitarbeiter es am 1. Januar 1997 in Eigenregie. Der Name des einst nahe

gelegenen historischen Vorgänger-Flugzeugherstellers wird angenommen:

Pfalz-Flugzeug-werke (PFW). Vier Jahre später werden große Anteile an den

Safeguard Inter-national Fund veräußert, um die Kapitaldecke erhöhen zu

können. Das Werk entwickelt sich weiter. Mitte 2006 erfolgt eine nochmalige

Namensänderung, die offizielle Umformierung in PFW Aerospace AG.

Der Speyerer Flugplatz

1964 erst hatte der Speyerer Flugplatz seine heutige Lage erhalten – nach

einem Geländetausch zwischen der Stadt Speyer und den damaligen Heinkel-

Werken. Sieben Jahre später wird die asphaltierte Landebahn angelegt, die

man 1986 erweitert. 1994 erwirbt eine Betreibergesellschaft den Flugplatz von

der damaligen DASA. Im Juli 2009 billigt das Oberverwaltungsgericht Koblenz

den lange umstrittenen „Ausbau des Verkehrslandeplatzes Speyer im

Grundsatz“ – gegen den Planfeststellungsbeschluss hatten der BUND (Bund

für Umwelt und Naturschutz) sowie ein Bürger Einspruch eingelegt. Im Juni

2010 wird das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts rechtskräftig, das den

erwähnten Spruch des OVG gebilligt hatte. Die Arbeiten zur Erweiterung

beginnen am 16.09.2010 und finden ihren Abschluss 2011.