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§ 10 Das Black-Scholes Modell 10.3 Der Aktienpreisprozess im Black-Scholes Modell ist ein Semimartingal 10.4 Handelsstrategien 10.5 Der Gewinnprozess 10.9 Existenz eines ¨ aquivalenten Martingalmaßes im Black-Scholes Modell 10.10 Der diskontierte Werteprozess einer selbstfinanzierenden Handelsstrategie ist im Black-Scholes Modell ein lokales Martingal bzgl. Q 10.11 Das Black-Scholes Modell ist arbitragefrei 10.13 Absicherbare Claims 10.15 Fairer Preis f¨ ur einen durch einen Martingal Hedge absicherbaren Claim 10.16 Quadratintegrierbare Claims bestizen einen Martingal-Hedge 10.18 Die Black-Scholes Formel 10.19 Darstellung von Zufallsgr¨ oßen als stochastisches Integral 10.20 Darstellung von L 2 -Martingalen und lokalen L 2 -Martingalen als stochastische In- tegrale 10.21 Darstellung von A T -messbaren L 2 -Zufallsvariablen als stochastisches Integral 10.23 Logarithmische Normalverteilung 10.24 Bedeutung des Trendparameters μ und der Volatilit¨ at σ im Black-Scholes Modell 10.25 Sch¨ atzung von μ und σ des Aktienpreisprozesses im Black-Scholes Modell 10.32 Die griechischen Buchstaben f¨ ur einen mit der Black-Scholes Formel bewerteten Call 10.33 Die Funktion u des Black-Scholes Modells gen¨ ugt einer parabolischen partiellen Differentialgleichung 10.34 Die Dichte der logarithmischen Normalverteilung 10.35 Nur vom Endkurs abh¨ angige Claims 10.37 Der Preis eines nur vom Endkurs abh¨ angigen Claims gen¨ ugt der Black-Scholes Differentialgleichung 10.39 Bestimmung von selbstfinanzierenden Handelsstrategien 10.40 osungen der Black-Scholes Differentialgleichung f¨ uhren zu selbstfinanzierenden Handelsstrategien C6NEU 10–1

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§ 10Das Black-Scholes Modell

10.3 Der Aktienpreisprozess im Black-Scholes Modell ist ein Semimartingal

10.4 Handelsstrategien

10.5 Der Gewinnprozess

10.9 Existenz eines aquivalenten Martingalmaßes im Black-Scholes Modell

10.10 Der diskontierte Werteprozess einer selbstfinanzierenden Handelsstrategie ist imBlack-Scholes Modell ein lokales Martingal bzgl. Q

10.11 Das Black-Scholes Modell ist arbitragefrei

10.13 Absicherbare Claims

10.15 Fairer Preis fur einen durch einen Martingal Hedge absicherbaren Claim

10.16 Quadratintegrierbare Claims bestizen einen Martingal-Hedge

10.18 Die Black-Scholes Formel

10.19 Darstellung von Zufallsgroßen als stochastisches Integral

10.20 Darstellung von L2-Martingalen und lokalen L2-Martingalen als stochastische In-tegrale

10.21 Darstellung von AT -messbaren L2-Zufallsvariablen als stochastisches Integral

10.23 Logarithmische Normalverteilung

10.24 Bedeutung des Trendparameters µ und der Volatilitat σ im Black-Scholes Modell

10.25 Schatzung von µ und σ des Aktienpreisprozesses im Black-Scholes Modell

10.32 Die griechischen Buchstaben fur einen mit der Black-Scholes Formel bewertetenCall

10.33 Die Funktion u des Black-Scholes Modells genugt einer parabolischen partiellenDifferentialgleichung

10.34 Die Dichte der logarithmischen Normalverteilung

10.35 Nur vom Endkurs abhangige Claims

10.37 Der Preis eines nur vom Endkurs abhangigen Claims genugt der Black-ScholesDifferentialgleichung

10.39 Bestimmung von selbstfinanzierenden Handelsstrategien

10.40 Losungen der Black-Scholes Differentialgleichung fuhren zu selbstfinanzierendenHandelsstrategien

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Finanzmathematik II

Das Black-Scholes Modell ist ein zeitstetiges Finanzmarktmodell mit endlichem Zeithori-zont T und g = 1, d.h. 2 Finanzgutern.

Das Finanzgut 1 (Bond genannt) ist eine festverzinsliche Anlage mit stetiger, risikoloserVerzinsung gemaß der fest vorgegebenen Zinsrate r ≥ 0. Der Preisverlauf des Bonds istgegeben durch

S0t := ert fur t ∈ [0, T ].

Es ist also S0t > 0 und (S0

t )t∈[0,T ] ist ein stetiges Semimartingal.

Finanzgut 2 (Aktie genannt) ist ein risikobehaftetes Finanzgut – i.a. eine Aktie – derenKursentwicklung modelliert wird durch

S1t = S1

0eµteσBt−σ2

2 t

= S10e

σBt+(µ−σ2/2)t.

Hierbei sei (Bt)t≥0 eine Brownsche Bewegung auf dem zu Grunde liegenden W-Raum

(Ω,A, P ) mit der Standardfiltration At := (ABt )Pt≥0. Es ist (AB

t )Pt≥0 eine augmentierte,

rechtsseitig stetige Filtration mit P (A) = 0 oder 1 fur A ∈ (AB0 )P (siehe 5.10, 5.13 und

5.14), µ ∈ R heißt die mittlere Ertragsrate der Aktie, σ ihre Volatilitat und S10 ist der

Anfangspreis (= Kurs zum Zeitpunkt 0). Der Anfangskurs S10 sei (AB

0 )P -messbar undist damit P -f.s. konstant. Er wird immer als Konstante > 0 angesetzt. Da nach 10.3auch (S1

t )t∈[0,T ] ein stetiges Semimartingal ist, sind insbesondere die 2.1 angegebenenBedingungen fur ein allgemeines Finanzmarktmodell erfullt.

10.1 Brownsche Bewegung mit Volatilitat σ > 0 und Drift a

Ein stochastischer Prozess (Xt)t≥0 heißt eine Brownsche Bewegung mit Volatilitatσ > 0 und Drift a, wenn

σ−1(Xt − at)t≥0

eine Brownsche Bewegung ist.

Ist also (Bt)t≥0 eine Brownsche Bewegung, so ist fur σ > 0

(Xt)t≥0 = (σBt + at)t≥0

eine Brownsche Bewegung mit Voltilitat σ und Drift a. Man definiert ferner

10.2 Geometrische Brownsche Bewegung

Ein stochastischer Prozess der Form (eσBt+at)t≥0 mit Brownscher Bewegung (Bt)t≥0

heißt geometrische Brownsche Bewegung mit Volatilitat σ und Drift a.

Nach 5.15 ist (eσBt+at)t≥0 ein Martingal, wenn a = −σ2/2 ist. Fur a 6= −σ2

2 liegt wegen

eσBt+at = eσBt−σ2

2 te(a+σ2

2 )t dann kein Martingal vor. (Die Mittelwerte sind fur a 6= −σ2/2

nicht konstant; siehe auch die Uberlegungen nach 9.5) Der normierte Aktienkurs S1t /S

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Das Black-Scholes Modell

ist also gegeben durch eine geometrische Brownsche Bewegung mit Volatilitat σ und Drift(µ− σ2/2)

S1t = S1

0eσBt+(µ−σ2

2 )t.

Hierbei ist S10 > 0 der Anfangskurs und E(S1

t ) = S10e

µt der”mittlere“ Kurs zur Zeit t.

Fur die mittlere Ertragsrate µ wird in der Regel µ > r gelten. Der Aktienpreis imBlack-Scholes Modell ist also ein Produkt aus

• dem mittleren Kurs S10e

µt und

• dem Martingal (eσBt−σ2

2 t)t≥0 mit Erwartungswert 1.

Dieses Martingal modelliert die zufalligen Schwankungen um den mittleren Kurs.

Grunde die fur dieses Modell sprechen sind:

1) Es wird in der Praxis zur Berechnung des Preises von Derivaten (fast ausschließlich)verwandt.

2) Die Berechnungsmoglichkeiten fur die Preise von Derivaten sind relativ einfach undhaufig in geschlossener Form gegeben.

3) Die Kurse von Aktien sind haufig angenahert logarithmisch normalverteilt (d.h.lnS1

t ist angenahert eine Normalverteilung).

4) Dieses Modell ist auf einfache Weise durch zeitlich diskrete Modelle (z.B. durch dieBinomialmodelle) approximierbar.

10.3 Der Aktienpreisprozess im Black-Scholes Modell ist ein Semimar-tingal

(i) Sei S1t = S1

0eσBt+(µ−σ2/2)t der Aktienpreisprozess im Black-Scholes Modell.

Dann ist (S1t )t≥0 ein stetiges Semimartingal mit der Darstellung

S1t = S1

0 + µ∫ t0 S

1sds+ σ

∫ t0 S

1dB

oder in differentieller Notation

dS1t = µS1

t · dt+ σS1t · dBt.

(ii) Ist X = (Xt)t>0 bzgl. des stetigen Semimartingals S1 integrierbar, so gilt∫ t0 XdS

1 = µ∫ t0 XsS

1sds+ σ

∫ t0 XS

1dB.

Hierbei ist ein previsibler Prozess X bzgl. S1 genau dann integrierbar, wenn

XS1 ∈ Λ(B) und |µ|∫ t0 |Xs(ω)|S1

s (ω)ds <∞ P -f.s. fur jedes t ist.

Beweis. (i) f(x, y) = eσx+(µ−σ2/2)y erfullt die Voraussetzung der Ito-Formel 9.1 mitO := R2. Nun ist S1

t /S10 = f(Bt, t) mit [Bt]t≥0 = (t)t≥0 nach 8.3. Es gilt

∂f∂x(Bt, t) = σeσBt+(µ−σ2/2)t;∂f∂y (Bt, t) = (µ− σ2/2)eσBt+(µ−σ2/2)t;∂f∂x2 (Bt, t) = σ2eσBt+(µ−σ2/2)t.

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Finanzmathematik II

Also folgt aus der Ito-Formel 9.1

f(Bt, t)− f(B0, 0) = S1t /S

10 − 1 = σ

∫ t0 e

σBs+(µ−σ2/2)sdBs

+(µ− σ2/2)∫ t0 e

σBs+(µ−σ2/2)sds+ (σ2/2)∫ t0 e

σBs+(µ−σ2/2)sds.

Die Multiplikation mit S10 liefert:

S1t − S1

0 = σ∫ t0 S

1dB + µ∫ t0 S

1sds.

Hierbei ist S10 + σ

∫ t0 S

1dB das stetige, lokale Martingal und µ∫ t0 S

1sds der stetige l.b.V.

Prozess.

(ii) Es ist X bzgl. S1 integrierbar, nach Definition genau dann, wenn X bzgl. des

stetigen, lokalen Martingals σ∫ t0 S

1dB und bzgl. des stetigen l.b.V. Prozesses µ∫ t0 Ssds

integrierbar. Nach 7.17 (i) und 5.35 (iii) ist dies aquivalent dazu, dass XS1 ∈ Λ(B) und

|µ|∫ t0 |Xs(ω)|S1

s (ω)ds <∞ P -f.s. fur jedes t > 0 ist. Ferner gilt

X · dS1 = X · [σS1 · dB] +X · [(µS1) · dt] =9.32(iii)

(σXS1) · dB + (µXS1) · dt.

Also gilt die Integralformel in (ii).

Um Transaktionen im Black-Scholes Modell beschreiben und bewerten zu konnen, fuhrenwir gemaß den Vorstellungen von § 2 Handelsstrategien ein, die hinreichend allgemeinsind, und die in § 2 betrachteten elementaren Handelsstrategien umfassen.

10.4 Handelsstrategien

Eine Handelsstrategie IH im Black-Scholes Modell ist ein Paar von reellwertigenprevisiblen Prozessen (H0

t , H1t )t∈[0,T ] mit

(I)∫ T0 |H0

t (ω)|dt <∞ P -f.s.;

(II)∫ T0 (H1

t )2(ω)dt <∞ P -f.s..

Nach 2.5 ist eine elementare Handelsstrategie previsibel, und erfullt offensichtlich (I) und(II) von 10.4. Die Interpretation ist die Folgende:

Zum Zeitpunkt t halte halte ich - vom Zufall bis zur Zeit t abhangig - H0t (ω) viele Anteile

des Bonds und H1t (ω) viele Anteile der Aktie.

Der folgende Satz zeigt, dass die Integrierbarkeitsvoraussetzungen ausreichen um die Exi-

stenz des Prozesses (∫ t0 H

0s (ω)dS0

s +∫ t0 H

1dS1)t∈[0,T ] zu sichern

10.5 Der Gewinnprozess

Es sei IH = (H0t , H

1t )t∈[0,T ] eine Handelsstrategie, dann existiert der Gewinnprozess

GIHt (ω) =

∫ t0 H

0s (ω)dS0

s +∫ t0 H

1dS1 fur t ∈ [0, T ];

(GIHt )t∈[0,T ] ist ein stetiges Semimartingal.

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Das Black-Scholes Modell

Beweis. Nach 10.3 (ii) gilt∫ t0 H

1dS1 = µ∫ t0 H

1sS

1sds+ σ

∫ t0 H

1S1dB

sofern

(1)∫ T0 |H1

s |S1sds <∞ P -f.s.

und

(2) H1S11]0,T ]×Ω ∈ Λ(B).

Nach (6) von 9.24 ist dann (∫ t0 H

1dS1)t≥0 ein stetiges Semimartingal. Es ist S0(t) = ert

als stetig differenzierbare Funktion eine Funktion von beschrankter Variation uber [0, T ].Als previsibler Prozess ist [0, T ] × Ω 3 (s, ω) → H0

s (ω) progressiv messbar (siehe etwa6.3) und daher fur jedes ω insbesondere Borel-messbar.

Gilt daher auch

(3)∫ T0 |H0

s (ω)|dS0s <∞ P -f.s.,

so ist auch (∫ t0 H

0s (ω)dS0

s )t≥0 ein stetiger l.b.V.-Prozess nach 5.35 (i) + (ii). Insgesamtist also dann (Gt)t∈[0,T ] ein stetiges Semimartingal.

Zu (1): Setze fur festes ω

c := max0≤s≤T

|S1s (ω)|.

Dann gilt ∫ T0 |H1

s (ω)S1s (ω)|ds ≤ c

∫ T0 |H1

s (ω)|ds <∞ P -f.s.

nach 10.4 (II).

Zu (3): Es ist S0t =

∫ t0 re

rsds+ S00 , und somit gilt nach 5.35 (iii) und 10.4 (I)∫ T

0 |H0s (ω)|dS0

s =5.35

∫ T0 |H0

s (ω)|rersds ≤ c1∫ T0 |H0

s (ω)|ds <∞ P -f.s..

Zu (2): Nach 9.24(17) ist wegen 8.3 zu zeigen∫ T0 (H1

s (ω)S1s (ω))2ds <∞ P -f.s..

Wegen der Stetigkeit von s→ S1s (ω) folgt dies wie in (1) aus 10.4 (II).

Warum heißt (Gt)t∈[0,T ] Gewinnprozess? Sind (H0t )t∈[0,T ] und (H1

t )t∈[0,T ] hinreichend

regular, so gilt nach 5.29 (i) + (ii) und 9.27 fur jede regulare Zerlegungsfolge von [0, t],dass

Sn =kn∑

ν=1H0

tnν−1(S0

tnν− S0

tnν−1) +

kn∑ν=1

H1tnν−1

(S1tnν− S1

tnν−1)

stochastisch gegen Gt konvergiert. Nun beschreibt (H0tnν−1

, H1tnν−1

) das Portfolio zum Zeit-

punkt tnν−1 und H0tnν−1

(S0tnν− S0

tnν−1) + H1

tnν−1(S1

tnν− S1

tnν−1) den im Zeitintervall ]tnν−1, t

nν ]

erzielten Gewinn (wenn man erst zum Zeitpunkt tnν sein Portfolio wieder andert) undSn den im Zeitintervall ]0, t] erzielten Gesamtgewinn. Daher konnen wir Gt als den Ge-winn bis zum Zeitpunkt t ansehen, wenn wir gemaß der Handelsstrategie (H0

s , H1s )s∈[0,t]

investieren.

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Finanzmathematik II

10.6 Der Werteprozess einer Handelsstrategie

Sei IH = (Ht)t∈[0,T ] eine Handelsstrategie im Black-Scholes Modell gemaß 10.4.

(i) Der Werteprozess (V IHt )t∈[0,T ] der Handelsstrategie IH ist definiert durch

V IHt = H0

t S0t +H1

t S1t fur t ∈ [0, T ] (V = von engl. value).

(ii) Der auf den Zeitpunkt 0 diskontierte Werteprozess (V IHt,d )t∈[0,T ] ist durch

V IHt /S0

t = H0t +H1

t (e−rtS1t ) fur t ∈ [0, T ] definiert.

(iii) Eine Handelsstrategie heißt selbstfinanzierend, wenn P -f.s. fur alle t ∈ [0, T ]gilt:

V IHt = V IH

0 +GIHt (= V IH

0 +∫ t0 H

0s (ω)dS0

s +∫ t0 H

1dS1),

oder in differentieller Schreibweise

dV IHt = H0

t · dS0t +H1

t · dS1t .

Bei einer selbstfinanzierenden Handelsstrategie kann und wird (V IHt )t∈[0,T ] als stetiges

Semimartingal nach 10.5 gewahlt.

Eine Handelsstrategie ist also selbstfinanzierend, wenn nach dem Anfangsinvestment V IH0

keine weiteren Gelder investiert oder herausgezogen (= konsumiert) werden. Der Werteiner selbstfinanzierenden Handelsstrategie zum Zeitpunkt t hangt also nur ab vom An-fangsinvestment V IH

0 und den Gewinnen (oder Verlusten) die man bis zum Zeitpunkt tgemacht hat.

Eine andere Interpretation einer selbstfinanzierenden Handelsstrategie ist die Folgende:Nach dem Anfangsinvestment V IH

0 schichte man das Portfolio zu jedem Zeitpunkt t ∈]0, T ]nur um. Investiert man in die 0-te Anlage (erste Anlage) muss man den hierfur benotigtenGeldbetrag durch einen teilweisen Verkauf der ersten Anlage (der 0-ten Anlage) gewinnen.Zum Zeitpunkt t habe man das Portfolio (H0

t , H1t ) und andert es zum Zeitpunkt t in ein

Portfolio Ht+∆t, welches man bis zum Zeitpunkt t + ∆t halt. Wenn man im Intervall]t, t+ ∆t] Geld weder investiert noch herauszieht, so muss folgende Beziehung gelten

S0t (H0

t+∆t −H0t ) + S1

t (H1t+∆t −H1

t ) = 0 .

Approximativ sollte fur eine selbstfinanzierende Handelsstrategie gelten

(D) S0t · dH0

t + S1t · dH1

t = 0.

Sind nun (H0t )t∈[0,T ] und (H1

t )t∈[0,T ] fur jedes ω von beschrankter Variation, so ist fur eine

selbstfinanzierende Handelsstrategie (D) erfullt:

Beweis. Da die Handelsstrategie selbstfinanzierend ist, gilt nach 10.6

V IHt = V IH

0 +∫ t0 H

0s (ω)dS0

s +∫ t0 H

1dS1,

also in differentieller Schreibweise

(1) dVt = H0t · dS0

t +H1t · dS1

t .

Es gilt nach 9.16 (beachte [S0, H0]t = [S1, H1]t = 0, daH0t , H

1t von beschrankter Variation

sein sollen)

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Das Black-Scholes Modell

(2) d(H0t S

0t ) = H0

t · dS0t + S0

t · dH0t ;

(3) d(H1t S

1t ) = H1

t · dS1t + S1

t · dH1t .

Aus Vt = H0t S

0t +H1

t S1t folgt

(4) dVt = d(H0t S

0t ) + d(H1

t S1t ).

Subtrahieren wir (1) von (4) und beachten (2) und (3), so gilt

0 = S0t · dH0

t + S1t · dH1

t .

Also ist (D) erfullt.

10.7 Ein zu P aquivalentes Martingalmaß

In einem stochastischen Finanzmarktmodell 2.1, mit dem W-Raum (Ω,A, P ), derFiltration (At)t∈[0,T ] und den Preisprozessen (Si

t)t∈[0,T ] fur i = 0, . . . , g, heißt ein

W-Maß Q auf (Ω,A) ein zu P aquivalentes Martingalsmaß (oder risikoneutralesMaß), wenn

(i) Q ≈ P ist, d.h. Q und P die gleichen Nullmengen N ∈ A haben.

(ii) Die diskontierten Preisprozesse (Sit/S

0t )t∈[0,T ] fur i = 1, . . . , g Martingale

bzgl. Q und der Filtration (At)t∈[0,T ] sind.

Man weiß, dass im zeitlich diskretem Modell mit den Zeitpunkten 0 bis n ein engerZusammenhang zwischen der Existenz eines zu P aquivalenten Martingalmaßes und demNo-Arbitrage-Prinzip besteht. Man nennt hierbei eine Handelsstrategie IH regular, wennes ein c ∈ R gibt mit V IH

t (ω) ≥ c fur alle t ∈ 0, . . . , n.

Im n-Perioden Modell sind aquivalent

(I) Es gibt ein aquivalentes Martingalmaß.

(II) Fur jede selbstfinanzierende Handelsstrategie IH gilt

V IH0 = 0 ∧ V IH

n ≥ 0 P -f.s. ⇒ V IHn = 0 P -f.s..

(III) Fur jede regulare, selbstfinanzierende Handelsstrategie IH gilt

V IH0 = 0 ∧ V IH

n ≥ 0 P -f.s. ⇒ V IHn = 0 P f.s. .

In zeitlich stetigen Finanzmarktmodellen sind (II) und (III) in der Regel nicht aquivalent.Man sieht (III) dann als richtige Definition fur die Arbitragefreiheit an, da man real nurHandelsstrategien einsetzen kann, die kein unbeschranktes Verlustpotential besitzen. Aus(I) folgt dann im zeitstetigen Modell in der Regel (III). Fur die Umkehrung bedarf eszusatzlicher Voraussetzungen. Wir betrachten die Situation nur im Black-Scholes Modell.

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Finanzmathematik II

10.8 Regularitat von Handelsstrategien und Arbitragefreiheit

(i) Eine selbstfinanzierende Handelsstrategie IH heißt regular, wenn es ein c ∈R gibt mit V IH

t ≥ c fur alle t ∈ [0, T ] P -f.s..

Die Menge aller regularen, selbstfinanzierenden Handelsstrategien bezeichnen wirmit Hr.

(ii) Das Finanzmarktmodell heißt arbitragefrei, wenn fur jede regulare, selbst-finanzierende Handelsstrategie IH gilt

V IH0 = 0 ∧ V IH

T ≥ 0 P -f.s. ⇒ V IHT = 0 P -f.s..

Wir zeigen nun mit Hilfe des Satzes von Girsanov, dass es fur das Black-Scholes Modellein aquivalentes Martingalmaß gibt.

10.9 Existenz eines aquivalenten Martingalmaßes im Black-ScholesModell

(i) Im Black-Scholes Modell mit den Parametern r, µ, σ, T wird ein zu P |Aaquivalentes W-Maß Q|A durch seine P -Dichte

LT = exp[r−µσ BT − (r−µ)2

2σ2 T ]

gegeben. Es ist Q = Qr,µ,σ,T ein – bzgl. des Aktienpreisprozesses

S1t = S1

0eσBt+(µ−σ2

2 )t, t ∈ [0, T ]

und des Bondprozesses S0t = ert – zu P aquivalentes Martingalmaß, wobei

(Bt)t∈[0,T ] die Brownsche Bewegung bzgl. P ist.

(ii) Setzt man Bt := Bt + µ−rσ t, so ist (Bt)t∈[0,T ] eine Brownsche Bewegung

bzgl. Q und der Filtration (At)t∈[0,T ], und der Aktienpreisprozess hat dieDarstellung

S1t = S1

0eσBt+(r−σ2/2)t, t ∈ [0, T ].

Der diskontierte Aktienpreisprozess hat die Darstellung

e−rtS1t = S1

0eσBt−σ2

2 t, t ∈ [0, T ] und ist ein Martingal bzgl. Q.

Beweis. (i) + (ii) Wir wenden den Satz von Girsanov - und zwar in der Form 9.25(ii) - an. Wir betrachten hierzu die Brownsche Bewegung (Bt)t∈[0,T ] bzgl. P. Damit

B eine Brownsche Bewegung bzgl. Q ist, sollte∫ t0 Zsds = r−µ

σ t sein. Wahle hierzu

Zt(ω) = r−µσ fur t ∈ [0, T ] und ω ∈ Ω. Dann ist

∫ t0 Zsds = r−µ

σ t,∫ t0 Z

2sds = (r−µ

σ )2t und∫ T0 ZdB = r−µ

σ BT . Also bleibt zur Anwendung von 9.25 (ii) zu zeigen

(1)∫

exp(r−µσ BT − 1

2(r−µσ )2T )dP = 1.

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Das Black-Scholes Modell

Da (Bt)t≥0 eine, reelle Brownsche Bewegung ist, folgt (1) aus 5.15 (iii).

Nun liefert 9.25 (ii), dass

Bt −∫ t0 Zsds = Bt + µ−r

σ t = Bt, t ∈ [0, T ]

eine Brownsche Bewegung bzgl. Q ist. Es ist

S10e

σBt+(r−σ2

2 )t = S10e

σBt+(µ−r)t+(r−σ2

2 )t = S1t

und somit ist

e−rtS1t = S1

0eσBt−σ2

2 t

mit einer Brownschen Bewegung B bzgl. Q. Also ist e−rtS1t nach 5.15 (iii) ein Martingal

bzgl. Q. Nach Definition 10.7 ist daher Q ein zu P aquivalentes Martingal-Maß.

Aus 10.9 (ii) ergibt sich insbesondere, dass die Verteilung des Aktienpreisprozesses S1t

bzgl. Q(= Qµ) nicht von µ abhangt.

Es lasst sich zeigen, dass das Martingalmaß Q auf AT eindeutig bestimmt ist.Siehe z.B.Satz 10, Seite 114 in Optionsbewertung und Portfolio-Optimierung von Ralf und ElkeKorn, Vieweg 2. Auflage. Zum Nachweis, dass das Black-Scholes Modell arbitragefrei ist,wird besonders der folgende Satz von Nutzen sein:

10.10 Der diskontierte Werteprozess einer selbstfinanzierenden Han-delsstrategie ist im Black-Scholes Modell ein lokales Martingalbzgl. Q

In einem Black-Scholes-Modell mit aquivalentem Martingalmaß Q aus 10.9 gilt: Furjede selbstfinanzierende Handelsstrategie IH = (H0

t , H1t )t∈[0,T ] ist

(V IHt,d )t∈[0,T ] = (e−rtV IH

t )t∈[0,T ] ein lokales Martingal bzgl. Q.

Beweis. Es gilt nach 9.16 angewandt auf die stetigen Semimartingale S1 = (e−rt)t∈[0,T ],

S2 = (V IHt )t∈[0,T ] (siehe 10.6 (iii)) wegen [S1, S2]t = 0 und Selbstfinanzierung

d(e−rtVt) = e−rt · dVt + Vt · de−rt =10.6 (iii)

e−rt · [H0t · dS0

t +H1t · dS1

t ] + Vt · de−rt.

Nun ist V IHt = H0

t S0t +H1

t S1t . Somit folgt aus der letzten Gleichung zusammen mit 9.32

d(e−rtVt) = H0t · (e−rt · dert) +H1

t · (e−rt · dS1t )

+[H0t S

0t (−re−rt)] · dt+ (H1

t S1t ) · (de−rt)

= H0t · (rdt) +H1

t · [e−rt · dS1t + S1

t · de−rt]+(−rH0

t ) · dt = H1t · [e−rtdS1

t + S1t · de−rt]

= H1t · d(e−rtS1

t ).

Also gilt fur eine selbstfinanzierende Handelsstrategie IH

V IHt,d = V IH

0,d +∫ t0 H

1sd(e

−rsS1s ).

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Finanzmathematik II

Hierbei ist∫ t0 H

1sd(e

−rsS1s ) das Integral von H1 bzgl. des P -stetigen Semimartingals

(e−rtS1t )t∈[0,T ]. Es lasst sich zeigen (in Erweiterung von 9.27), dass dieses Integral auch

das Integral bzgl. des stetigen Semimartingals (e−rtS1t )t∈[0,T ] bzgl. Q ist. Nun ist aber

(e−rtS1t )t∈[0,T ] nach Definition eines Martingalmaßes ein Martingal bzgl. Q. Somit ist

(∫ t0 H

1sd(e

−rsS1s ))t∈[0,T ] nach 7.16 auch ein lokales Q-Martingal.

10.11 Das Black-Scholes Modell ist arbitragefrei

Ist IH eine regulare, selbstfinanzierende Handelsstrategie in einem Black-ScholesModell, so gilt

V IH0 = 0 ∧ V IH

T ≥ 0 P -f.s. ⇒ V IHT = 0 P -f.s..

Beweis. Es ist die Behauptung zu beweisen. Die Uberschrift ergibt sich dann ausDefinition 10.8 (ii). Sei also IH eine selbstfinanzierende Handelsstrategie fur die es einc ≤ 0 mit

Vt ≥ c fur t ∈ [0, T ] P -f.s..

Wegen der Aquivalenz von P und Q gilt dann

(1) V0 = 0 Q-f.s..

(2) Vt ≥ c fur t ∈ [0, T ] Q-f.s..

(3) VT ≥ 0 Q-f.s.

Also gilt auch

(1)d V0,d = 0 Q-f.s..

(2)d Vt,d ≥ cerT fur t ∈ [0, T ] Q-f.s..

(3)d VT,d ≥ 0 Q-f.s..

Nun ist (Vt,d)t∈[0,T ] ein lokales Martingal bzgl. Q nach 10.10. Wegen (1)d und (2)d folgt

nach 9.7 (i), dass (Vt,d)t∈[0,T ] ein Q-Supermartingal ist. Also gilt∫VT,ddQ ≤

∫V0,ddQ = 0.

Mit (3)d ergibt sich VT,d = 0 Q-f.s. und somit auch P -f.s.. Also ist auch VT = 0 P -f.s..

Ein Beispiel in Karatzas-Shreve zeigt, dass man auf die Regularitat der Handelssstrategiein 10.11 nicht verzichten kann.

Unter einem Black-Scholes Claim versteht man jede europaische Option auf eine Aktie.Genauer definiert man

10.12 Ein Black-Scholes Claim

Unter einem Black-Scholes Claim in einem Black-Scholes Modell versteht man eineAT = (AB

T )P -messbare Abbildung C : Ω → R.

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Das Black-Scholes Modell

Offensichtlich ist S1t AB

t -messbar und somit insbesondere (ABT )P . Also sind Calls (S1

T −K)+ und Puts (K−S1

T )+ Beispiele fur Black-Scholes Claims. Aber auch exotische Optio-

nen wie die asiatischen Calls und Puts ( 1n

n∑i=1

S1ti−K)+, (K − 1

n

n∑i=1

S1ti)+ und der up-and

in-europaische Call (S1T − K)+1 max

0≤t≤TS1

t ≥ B mit R 3 B > K sind Black-Scholes

Claims.

Da S1s AB

t -messbar fur jedes s ≤ t, und Bs AS1

t -messbar fur jedes s ≤ t ist, gilt

ABt = AS1

t . Insbesondere ist also jede messbare Funktion von (S1t )t∈[0,T ] ein Black-Scholes

Claim.

Allgemein ist die Interpretation eines Claims die Folgende: Der Inhaber des Claims zahlteinen Optionspreis und erhalt zum Zeitpunkt T die vom Zufall abhangende AuszahlungC(ω). Fragen die sich ergeben sind:

1) Was ist der faire Preis der Option?

2) Wie kann die den Claim verkaufende Stelle (in der Regel eine Bank) sich gegenVerluste absichern?

Die letzte Frage lasst sich mit Hilfe des Begriffs des absicherbaren Claims beantworten.

10.13 Absicherbare Claims

Ein Black-Scholes Claim C heißt absicherbar, wenn es eine selbstfinanzierende Han-delsstrategie IH mit V IH

T = C P -f.s. gibt. IH heißt ein Hedge fur C.

Sei C ein mit dem Hedge IH absicherbarer Claim. Wendet die Bank dann die selbstfinan-zierende Handelsstrategie IH an, und verlangt den Optionspreis V IH

0 , so kann sie, ohneweiteres Kapital zu einem spateren Zeitpunkt zu investieren - allein durch Umschichtun-gen zwischen Bond und Aktie - den Claim C zum Zeitpunkt T auszahlen, wegen

V IHT = H0

TS0T +H1

TS1T = C P -f.s..

Als fairer Preis fur einen absicherbaren Claim C bietet sich daher der Wert V IH0 fur einen

Hedge IH von C an. Ist jedoch K ein anderer Hedge fur C, so kann durchaus V IH0 6= V K

0

sein. Dies liefert keinen Widerspruch zur Arbitragefreiheit: Es sind V IH0 und V K

0 f.s.

Konstanten und daher o.B.d.A. V IH0 < V K

0 P -f.s. falls V IH0 6= V K

0 ist. Dann ist IH −Keine selbstfinanzierende Handelsstrategie mit V IH−K

0 < 0 und V IH−KT = 0 P -f.s.. Durch

Vergroßerung des Bondsanteils zum Zeitpunkt 0 kann mann dann eine selbstfinanzierende

Handelsstrategie IH ′ mit V IH ′0 = 0 und V IH ′

T > 0 konstruieren. Diese Handelsstrategie istaber nicht regular. Wir erhalten daher keinen Widerspruch zur Arbitragefreiheit. Zweiverschiedene Preise konnen nun bei einem Martingalhedge nicht auftreten.

10.14 Martingal-Hedge

Ein Hedge IH fur einen Claim C in einem Black-Scholes Modell heißt ein Martingal-Hedge, wenn der diskontierte Werteprozess (V IH

t,d )t∈[0,T ] ein Martingal bzgl. Q ist.

C6NEU 10–11

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Finanzmathematik II

Seien sowohl IH als auch K ein Martingal-Hedge fur C, dann gilt wegen: V IHT = C = V K

TP -f.s.

V IH0 = V IH

0,d =∫V IH

T,ddQ =∫e−rTCdQ

und entsprechend V K0 =

∫e−rTCdQ. Der Preis fur das Claim ist also in diesem Sinne ein-

deutig bestimmt. Der Preis kann im ubrigen berechnet werden, ohne einen absicherndenMartingal-Hedge zu kennen; er ist durch das Maß Q eindeutig zu

∫e−rTCdQ bestimmt,

wenn C uberhaupt einen Martingal-Hedge besitzt.

10.15 Fairer Preis fur einen durch einen Martingal-Hedge absicherbarenClaim

Es sei C ein Black-Scholes Claim, der durch einen Martingal-Hedge IH absicherbarist. Dann ist der faire Preis π(C) von C durch V IH

0 definiert. Man wahlt π(C) ∈ R.Der Preis ist in dem Sinne eindeutig, dass fur jeden anderen Martingal-Hedge Kvon C gilt V K

0 = V IH0 . Genauer gilt sogar fur jedes t ∈ [0, T ]

V IHt = V K

t P -f.s..

Ist Q das Martingal-Maß, so ist

V IHt = Q(e−r(T−t)C|At) und insbesondere π(C) =

∫e−rTCdQ.

Beweis. Es reicht zu zeigen, dass fur jeden Martingal-Hedge IH von C gilt

(1) V IHt = Q(e−r(T−t)C|At).

Nach Definition eines Martingal-Hedges ist nun

(2) (V IHt,d )t∈[0,T ] ein Martingal bzgl. Q.

(3) V IHT = C Q-f.s..

Aus (2) und (3) folgt

V IHt,d =

(2)Q(V IH

T,d|At) =(3)Q(e−rTC|At)

und somit

V IHt = ertV IH

t,d = Q(e−r(T−t)C|At).

Sei C ein Claim, der durch einen Martingal-Hedge absicherbar ist. Dann ist π(C) einfairer Preis fur den Claim C, denn erhalt die den Claim C emittierende Bank π(C), sohat sie, wenn sie einen Martingalhedge IH zur Absicherung wahlt, zum Zeitpunkt T genauden Geldbetrag V IH

T zur Verfugung, um C auszahlen zu konnen (V IHT = C P -f.s.). Die

Bank macht also keinen Verlust. Sie macht aber auch keinen Gewinn, da bei Wahl jedes

anderen Martingalhedges K mit V KT = C auch V K

0 = π(C) gilt.

Die Bedeutung von 10.15 liegt ferner darin, dass man die Preisbestimmung eines durcheinen Martingal-Hedge absicherbaren Claims, auch ohne Kenntnis eines konkreten Mar-tingal-Hedges vornehmen kann. Bemerkenswert ist ferner, dass bei der Preisbestimmung

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Das Black-Scholes Modell

des Claims, das risikoneutrale W-Maß Q zur Bewertung verwandt wird und nicht das

”objektive“ W-Maß P.

Entscheidend fur die Anwendbarkeit von 10.15 ist nun die Angabe eines einfachen Krite-riums dafur, wann ein Black-Scholes Claim einen Martingal-Hedge besitzt. Dieses wirddurch den folgenden Satz geliefert.

10.16 Quadratintegrierbare Claims besitzen einen Martingal-Hedge

Es sei C ein Black-Scholes Claim in einem Black-Scholes Modell mit∫C2dQ <∞.

Dann besitzt C einen Martingal-Hedge. Insbesondere ist der faire Preis des ClaimsC durch

∫e−rTCdQ gegeben.

Beweis. Im Anschluss an den Beweis der Black-Scholes-Formel.

10.17 Die Preisbestimmung fur einen europaischen Call und Put ist nach10.16 moglich

Zur Preisbestimmung eines europaischen Calls C = (S1T − K)+ und eines europaischen

Puts P = (K − S1T )+ muss nach 10.15 die Absicherbarkeit durch einen Martingal-Hedge

nachgewiesen werden. Hierzu reicht es nach 10.16 zu zeigen∫C2dQ <∞,

∫P 2dQ <∞.

Da P ≤ K ist, ist∫P 2dQ <∞. Da C ≤ S1

T ist, reicht es fur∫C2dQ <∞ zu zeigen

(1)∫

[S1T ]2dQ <∞.

Nun ist nach 10.9 (ii) (S1T )2 = (S1

0)2e2σBT e2(r−σ2

2 )T , hierbei ist (Bt)t∈[0,T ] eine normale

Brownsche Bewegung bzgl. Q. Zum Nachweis von (1) reicht es zu zeigen

(2)∫e2σBT dQ <∞.

Dies folgt aus 5.15 (iii).

10.18 Die Black-Scholes Formel

Wir betrachten ein Black-Scholes Modell mit Zinsrate r und Volatilitat σ. Derfaire Preis des europaischen Calls zum Zeitpunkt 0 mit Ausubungspreis K > 0und Laufzeit T ist gegeben durch

S10φ(

ln(S10/K)+(r+σ2

2 )T

σ√

T)−Ke−rTφ(

ln(S10/K)+(r−σ2

2 )T

σ√

T).

Hierbei ist φ die Verteilungsfunktion der N(0, 1)-Verteilung.

C6NEU 10–13

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Finanzmathematik II

Beweis. Nach 10.15 bis 10.17 ist zu zeigen

(1) A :=∫e−rT (S1

T −K)+dQ

ist gleich der in 10.18 angegebenen Formel.

Nun ist nach 10.9 (ii)

(2) S1T = S1

0 exp(σBT + (r − σ2/2)T )

wobei BT nach N(0, T ) bzgl. Q-verteilt ist. Also ist

(3) A =∫e−rT (S1

0 exp(Z)−K)+dQ,

mit QZ = N((r − σ2

2 )T, σ2T ).

Wir zeigen allgemein fur a,K > 0 und nach N(b, c2) verteilten Z gilt

(4) E([aeZ −K]+) = aeb+c2/2Φ( ln(a/K)+b+c2

c )−Kφ( ln(a/K)+bc ).

Anwendung von (4) auf a := S10 , b := (r − σ2/2)T, c2 = σ2T liefert fur (3)

A = e−rT [S10e

rTφ(ln(S1

0/K)+(r+σ2/2)T )

σ√

T)−Kφ(

ln(S10/K)+(r−σ2/2)T

σ√

T)],

also die zu beweisende Formel. Es verbleibt somit (4) zu zeigen.

Zu (4): Es ist mit einem W-Maß P0 und (P0)Z = N(b, c2)

(5) P0(Z−b

c ≤ x) = φ(x);

(6) P0(Z−b

c ≥ x) = P0(Z−b

c ≤ −x)

E([aeZ −K]+) =∫x:aex≥K(ae

x −K) 1√2πc

e− (x−b)2

2c2 dx

= a∫∞ln(K/a) e

x 1√2πc

e− (x−b)2

2c2 dx−KP0(Z ≥ ln(K/a))

= aeb+c2

2∫∞ln(K/a)

1√2πc

exp(− (x−b−c2)2

2c2 )dx−KP0(Z−b

c ≥ ln(K/a)−bc )

=(6)

aeb+c2

2∫∞ln(K/a)−c2

1√2πc

exp(−(x−b)2

2c2)dx−KP0(

Z−bc ≤ b+ln(a/K)

c )

=(5)

aeb+c2

2 P0(Z ≥ ln(K/a)− c2)−Kφ( b+ln(a/K)c )

= aeb+c2

2 P0(Z−b

c ≥ ln(K/a)−c2−bc )−Kφ( b+ln(a/K)

c )

==(5),(6)

aeb+c2

2 φ( ln(a/K)+c2+bc )−Kφ( b+ln(a/K)

c )

Bemerkenswert ist, dass der Preis des Calls nicht von der mittleren Ertragsrate µ der Aktieabhangt, sondern nur von der unbekannten Volatilitat σ, die auf Grund von historischenDaten geschatzt werden muss. Die ubrigen Großen r und S1

0 sind bekannt, und T und Kwerden vereinbart.

Es soll nun angeben werden, womit wir uns im § 10 noch beschaftigen wollen. Wir wollenals Erstes den fur den Beweis der Black-Scholes Formel benotigten Satz 10.16 beweisen.Dann werden wir uns die Black-Scholes Formel genauer ansehen und ihre Abhangig-keit von den funf Parametern S1

0 , r,K, σ, T naher untersuchen. Hierzu betrachten wir

10–14 C6NEU

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Das Black-Scholes Modell

die partiellen Ableitungen des fairen Optionspreises nach diesen Variablen. Hierbei tau-chen die sogenannten griechischen Buchstaben auf (siehe 10.32), die man auch in vielenBorsenzeitungen findet:

das Delta, Gamma, Theta, Vega und der Rho-Faktor.

Von großer Bedeutung fur den Handel mit Derivaten ist die Volatilitat σ. Die Schatzungvon σ geschieht aus historischen Preisdaten (siehe 10.25).

Haufig benutzt man die Black-Scholes-Formel jedoch, um die sogenannte implizite Vo-latilitat zu bestimmen. Man stellt hierbei den fur eine bestimmte Option auf dem Fi-nanzmarkt realisierten Preis fest. Man sieht diesen als

”fairen“ Preis an, und rechnet von

diesem fairen Preis zuruck auf die Volatilitat σ. Man spricht dann von der Ermittlung derimpliziten Volatilitat.

Oft ist der Nachweis, dass eine Handelsstrategie selbstfinanzierend ist, nicht einfach. Hin-reichende Bedingungen fur die Selbstfinanzierbarkeit kann man dadurch angeben, dassman Handelsstrategien der Form Hi(t, ω) = hi(S1(t, ω), t) betrachtet, fur die h0 und h1

gewissen partiellen Differentialgleichungen genugen (siehe 10.39 und 10.40).

Es ist haufig auch moglich die Black-Scholes Formel fur Claims der Form f(ST ) ubereine partielle Differentialgleichungen herzuleiten. Man betrachtet die sogenannte Black-Scholes-Differentialgleichung. Der faire Preis fur einen konkreten Claim wird durch diemittels f gegebene Randbedingung dieser Differentialgleichung bestimmt. Lost man dieseDifferentialgleichung mit der durch f bestimmten Randbedingung, so erhalt man aus derLosung durch Einsetzen von S1

0 den fairen Preis und daruber hinaus auch den Martingal-Hedge (siehe 10.33, 10.37 und 10.38).

Der Einsatz von stochastischen Differentialgleichungen (= SDGL) kann zur Erweiterungdes Black-Scholes Modells verwandt werden (siehe § 11):

Ausgangspunkt ist dabei die SDGL, die wir im Black-Scholes Modell fur den PreisprozessS1

t hergeleitet haben.

(1) dS1t = µS1

t · dt+ σS1t · dBt.

Zahlreiche Verallgemeinerungen bzw. Erweiterungen dieses Ansatzes fur den Preisprozessbzw. den Preisprozessen risikobehafteter Finanzguter sind im Laufe der Zeit untersuchtworden.

Zunachst einmal modelliert man g > 1 risikobehaftete Finanzguter mit Hilfe einer g-dimensionalen geometrischen Brownschen Bewegung. Dann verallgemeinert man zunachstim eindimensionalen (g = 1) und spater auch im mehrdimensionalen (g > 1) die SDGL(1), zu

dS1t = µ(S1

t , t)S1t · dt+ σ(S1

t , t)S1t · dBt.

Die mittlere Ertragsrate der Aktie µ ist also eine Funktion des Aktienkurses und der Zeit,das Gleiche gilt fur die Volatilitat. Schließlich laßt man fur µ und σ beliebige previsibleProzesse zu. Dies fuhrt zu allgemeineren Finanzmarktmodellen als denjenigen, die durcheine geometrische Brownsche Bewegung modelliert werden.

Wir kommen nun zum Beweis des Satzes 10.16. Hierfur benotigen wir das folgende,

C6NEU 10–15

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Finanzmathematik II

wichtige Ergebnis

10.19 Darstellung von Zufallsgroßen als stochastisches Integral

Es sei (Bt)t≥0 ein Brownsche Bewegung auf dem W-Raum (Ω,A, P ) bzgl. der

Standardfiltration (At)t≥0 := (ABt )Pt≥0. Es sei f ∈ L2(Ω,A∞, P ).

(i) Dann existiert ein λ ⊗ P |P0 = µB-f.u. eindeutiger Prozess X ∈ L2(µB)mit

f = P (f) +∫X dB P -f.s..

(ii) Ferner gilt fur jedes t ≥ 0 mit diesem X ∈ L2(µB)

P (f |At) = P (f) +∫ t0 X dB P -f.s..

Beweis. (i) Wir betrachten den L2(Ω,A∞, P ) mit dem inneren Produkt

〈f , g〉 :=∫fgdP.

Der L2(Ω,A∞, P ) ist dann ein Hilbertraum, d.h. ein R-linearer Raum mit einem innerenProdukt, der bzgl. der abgeleiteten Norm vollstandig ist. Setze nun

U := f ∈ L2(Ω,A∞, P ) : ∃X ∈ L2(µB) mit f = P (f) +∫XdB P -f.s..

Dann ist U ein R-linearer Unterraum des L2(Ω,A∞, P ). Wir zeigen

(1) U ist abgeschlossen in L2(Ω,A∞, P );

(2) U⊥ := g ∈ L2(Ω,A∞, P ) : 〈g, f〉 = 0 fur f ∈ U = 0.Wegen (1) ist nach Hilbertraum-Theorie

L2(Ω,A∞, P ) = U + U⊥ =(2)U.

Also reicht es fur die Darstellbarkeit von f , (1) und (2) zu beweisen.

Zu (1): Seien fn ∈ U mitfnL2(P )−→n→∞

f . Zu zeigen ist

(3) f ∈ U.

Aus fnL2(P )−→n→∞

f folgt zunachst P (fn) → P (f).

Aus fn ∈ U fur n ∈ N, folge es gibt Xn mit

(4) fn = P (fn) +∫XndB P -f.s. und Xn ∈ L2(µB).

Nun ist fn eine Cauchy-Folge im L2(P ), und wegen P (fn) → P (f) ist daher auch(∫XndB)n∈N eine Cauchy-Folge im L2(P ). Auf Grund der Ito-Isometrie ist daher auchz

X n eine Cauchy-Folge im L2(µB). Somit gibt es ein X ∈ L2(µB) mitz X n −→

n→∞

z X im

L2(µB). Wegen der Ito-Isometrie gilt daher auch

(5)∫XndB −→

n→∞

∫X dB im L2(P ).

10–16 C6NEU

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Das Black-Scholes Modell

Aus fn → f im L2(P ), P (fn) → P (f) und (4) und (5) folgt f = P (f) +∫XdB P -f.s.,

d.h. es gilt (3). Somit ist U abgeschlossen.

Zu (2): Zum Nachweis von (2) verwenden wir das folgende Resultat aus der Theorie derLaplace Transformierten:

(6) Sei Q ein W-Maß auf B(Rn) und h : Rn → R Borel-messbar. Ist dann∫h(x1, . . . , xn)e

∑ni=1 λixiQ(dx1, . . . , dxn) = 0 fur alle λ1, . . . , λn ∈ R,

so folgt h(x1, . . . , xn) = 0 Q-f.s. .

Sei nun g ∈ U⊥ und somit

(7)∫gfdP = 0 fur alle f ∈ U.

Zu zeigen ist

(8) g = 0 P -f.s..

Zum Nachweis von (8) mussen wir genugend viele Elemente von U vorweisen konnen.Wir konstruieren hierzu Elemente von U unter Benutzung von Exponentialprozessen. Sei

X :=n∑

i=1λi1]ti−1,ti]×Ω ∈ L2(µB) mit 0 = t0 < t1 < . . . < tn. Dann ist

(9)∫ t0 XdB =

n∑i=1

λi(Bti∧t −Bti−1∧t)

und nach 8.11 und 8.3 gilt

(10) [·∫0

XdB]t =∫ t0 X

2sds =

n∑i=1

λ2i (ti ∧ t− ti−1 ∧ t).

Nun ist Mt :=∫ t0 XdB ein stetiges L2-Martingal (siehe 6.24 und 6.29 (iii)). Nach 9.6 gilt

fur den Exponentialprozess von M

(E(M))t = exp(Mt − 12 [M ]t)

=9.6

1 +∫ t0 exp(M − 1

2 [M ])dM

=7.17(ii)

1 +∫ t0 X exp(M − 1

2 [M ])dB

= 1 +∫

1]0,t]X exp(M − 12 [M ])dB.

Wir wollen E(M)t ∈ U zeigen, und zeigen hierzu zunachst

(11) 1]0,t]X exp(M − 12 [M ]) ∈ L2(µB).

Da X und exp(−12 [M ]) beschrankt sind, reicht es zu zeigen

(12) 1]0,t](exp(Ms))s≥0 =(9)

1]0,t](exp(n∑

i=1λi(Bti∧s −Bti−1∧s))s≥0 ∈ L2(µB).

Nach 6.11 reicht es, wegen (expx)2 = exp 2x, nachzuweisen∫ t0 [

∫ ∏ni=1 exp(λi(Bti∧s −Bti−1∧s))dP ]ds <∞).

Wegen der Unabhangigkeit der Zuwachse von (Bt)t≥0 gilt∫ ∏ni=1 exp(λi(Bti∧s −Bti−1∧s)dP =

∏ni=1

∫exp(λi(Bti∧s −Bti−1∧s))dP.

C6NEU 10–17

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Finanzmathematik II

Es reicht daher fur (12) zu zeigen, fur jedes c gilt

(13) [0, t] 3 s→∫

exp(c(Bti∧s −Bti−1∧s)dP

ist beschrankt. Sei ti∧s−ti−1∧s ≤ d fur i = 1, . . . , n.Dann ist mit ui := ti∧s−ti−1∧s(> 0)∫exp(c(Bti∧s −Bti−1∧s))dP =

∫exp(cx)dN(0, ui) = 1√

2π√

ui

∫exp(cx)e

− 12

x2

2ui dx

= 1√2π

∫exp(cy

√ui)e

− 12y2dy ≤ 1√

∫exp(|c|

√dy)e−1/2y2

dy <∞.

Also ist (13) und somit (12) und daher auch (11) bewiesen. Aus (11) folgt X exp(M −12 [M ]) ∈ Λ2(µB). Daher ist E(M)t ein L2-Martingal nach 6.28 und somit 1 =

∫E(M)tdP,

d.h. es gilt

(14) E(M)t ∈ U fur alle t ≥ 0.

Sind nun 0 = t0 < t1 . . . < tn und λ1, . . . , λn ∈ R so folgt aus (14) angewandt auf t = tn

U 3 E(M)tn = exp(∫ tn0 X dB − 1

2 [∫X dB]tn)

=(9),(10)

exp(n∑

i=1λi(Bti −Bti−1)− 1

2

n∑i=1

λ2i (ti − ti−1)).

Somit gilt nach (7) fur 0 = t0 < . . . < tn und λ1, . . . , λn ∈ R

(15)∫g exp(

n∑i=1

λi(Bti −Bti−1)− 12

n∑i=1

λ2i (ti − ti−1))dP = 0.

Wegen exp(x+ y) = exp(x) · exp(y) folgt aus (15) auch

(16)∫g exp(

n∑i=1

λi(Bti −Bti−1)dP = 0.

Sind nun λ1, . . . , λn ∈ R vorgegeben, so gibt es λ1, . . . , λn mitn∑

i=1λiBti =

n∑i=1

λi(Bti −

Bti−1); wahle λn = λn und λi = λi+1 + λi fur i = 1, . . . , n− 1 und beachte B0 = 0. Alsogilt fur 0 = t0 < t1 . . . < tn und λ1, . . . , λn ∈ R nach (16)

(17)∫g exp(

n∑i=1

λiBti)dP = 0.

Aus (17) folgt∫P (g|Bt1 , . . . , Btn) exp(

n∑i=1

λiBti)dP = 0.

Nach 3.15 angewandt auf Y = (Bt1 . . . Btn) folgt, es gibt eine B(Rn)-messbare Funktionh mit P (g|Bt1 , . . . , Btn) = h (Bt1 , . . . , Btn). Daher erhalten wir nach dem Transformati-onssatz fur Integrale fur 0 < t1 < . . . < tn und λ1, . . . , λn ∈ R

(18)∫h exp(

n∑i=1

λixi)dQ = 0

mit Q = P(Bt1 ,...,Btn). Aus (6) folgt somit h(x1, . . . , xn) = 0 Q-f.s., d.h.

P (g|Bt1 , . . . , Btn) = h (Bt1 , . . . , tn) = 0 P -f.s..

Also gilt ∫A g dP = 0 fur A ∈ σ(Bt1 , . . . , Btn).

10–18 C6NEU

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Das Black-Scholes Modell

Daher gilt∫A g

+dP =∫A g

−dP fur A ∈ σ(Bt1 , . . . , Bt). Aus dem Eindeutigkeitssatz fur

Maße folgt dann∫A g

+dP =∫A g

−dP fur alle A ∈ AB∞. Somit gilt

∫A g dP = 0 fur alle

A ∈ AB∞ und somit auch fur A ∈ A∞ = (AB

∞)P . Da g A∞-messbar ist, folgt g = 0 P -f.s.. Somit ist (8) und daher (2) bewiesen.

Zur Eindeutigkeit der Darstellung von f, wahle ein Y ∈ L2(µB)mit f = P (f) +∫Y dB.

Dann gilt∫XdB =

∫Y dB und somit

∫(X − Y )dB = 0. Auf Grund der Ito-Isometrie

folgt dann∫

(X − Y )2dµB =∫

(∫

(X − Y )dB)2dP = 0. Somit ist X = Y µB-f.u.. Nach6.11 heißt dies auch X = Y λ⊗ P -f.u..

(ii) Aus (i) folgt

P (f |At) = P (f) + P (∫XdB|At).

Die Behauptung folgt, da nach 6.24 gilt

P (∫XdB|At) =

∫ t0 X dB P -f.s.

Sei g ∈ L2(Ω,A∞, P ) und AB∞ messbar. Da AB

∞ = σ((Bt)t≥0) ist, folgt aus 3.15 mit

Y := (Bt)t≥0, dass es zu g eine Funktion h : R[0,∞[ → R gibt, die [B(R)][0,∞[ messbar istmit g = h (Bt)t≥0. Fur solche Funktionen g existiert also insbesondere eine Darstellunggemaß 10.19,

Als Folgerung aus 10.19 erhalten wir

10.20 Darstellung von L2-Martingalen und lokalen L2-Martingalen alsstochastische Integrale

Es sei (Bt)t≥0 eine BrownscheBewegung auf dem W-Raum (Ω,A, P ) bzgl. der

Standardfiltration (At)t≥0 := (ABt )Pt≥0.

(i) Es sei (Mt)t≥0 ein L2-Martingal bzgl. (At)t≥0. Dann gibt es ein µB-f.s.,eindeutig bestimmtes X ∈ Λ2(µB) mit

Mt = P (M0) +∫ t0 X dB P -f.s. fur jedes t ≥ 0.

Insbesondere gibt es also eine stetige Modifikation des L2-Martingals(Mt)t≥0.

(ii) Es sei (Mt)t≥0 ein lokales L2-Martingal bzgl. (At)t≥0. Dann gibt es einµB-f.s. eindeutig bestimmtes X ∈ Λ(B) mit

Mt = P (M0) +∫ t0 X dB P -f.s. fur jedes t ≥ 0.

Es gibt also auch wieder eine stetige Modifikation des lokalen L2-Martin-gals (Mt)t≥0.

Beweis. (i) Es sei n ∈ N. Dann gilt

Mt = P (Mn|At) P -f.s. fur jedes t ∈ [0, n].

Wegen Mn ∈ L2(Ω,A∞, P ) gibt es nach 10.19 (ii) ein X(n) ∈ L2(µB)mit

(2) P (Mn|At) = P (M0) +∫ t0 X(n)dB P -f.s. fur jedes t ≥ 0.

C6NEU 10–19

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Finanzmathematik II

Aus (1) und (2) folgt

(3) Mt = P (M0) +∫ t0 X(n)dB P -f.s. fur jedes t ∈ [0, n].

Hieraus ergibt sich

(4)∫

1]0,n]X(n)dB =∫ n0 X(n)dB =

∫ n0 X(n+1)dB =

∫1]0,n]X(n+1)dB.

Auf Grund der Ito-Isometrie erhalten wir aus (4)

X(n) = X(n+1) µB-f.s. auf 1]0,n]×Ω.

Es gibt daher ein X mit

(5) X P0-messbar, X = X(n) µB-f.s. auf 1]0,n]×Ω.

Wegen X(n) ∈ L2(µB) und X1]0,n]×Ω = X(n)1]0,n]×Ω µB-f.s., folgt X ∈ Λ2(µB). Sei nunt ≥ 0 und hierzu ein n ≥ t gewahlt, dann gilt

Mt =(3)P (M0) +

∫ t0 X(n)dB =

(5)P (M0) +

∫ t0 X dB.

Somit haben wir die gewunschte Darstellung mit einem X ∈ Λ2(µB).

Ist nun Y ∈ Λ2(µM ) mit Mt = P (M0) +∫ t0 Y dB, so gilt

∫1]0,n]XdB =

∫ n0 XdB =∫ n

0 Y dB =∫

1]0,n]Y dB mit 1]0,n]X, 1]0,n]Y ∈ L2(µB). Auf Grund der Ito-Isometrie folgtdann 1]0,n]X = 1]0,n]Y µB-f.s. und somit X = Y µB-f.s..

Nach 6.29 (ii) ist t →∫ t0 XdB fur alle ω stetig wahlbar. Somit gibt es also eine stetige

Modifikation des L2-Martingals (Mt)t≥0.

(ii) Es ist M0 als A0-messbare Funktion eine Konstante. Somit gibt es eine lokalisierendeFolge von o.B.d.A. beschrankten Stoppzeiten τn ↑ ∞ mit

(6) (M τnt )t≥0 ist ein L2(P )-Martingal bzgl. (At)t≥0.

Nach (i) gibt es daher ein X(n) ∈ Λ2(µB) mit

(7) M τnt = P (M0) +

∫ t0 X(n)dB P -f.s. fur jedes t ≥ 0.

Somit gilt auch

Mτn+1t = P (M0) +

∫ t0 X(n+1)dB P -f.s. fur jedes t ≥ 0.

Zusammen mit (7) ergibt sich fur P -f.a. ω Yt :=∫ t0 X(n)dB =

∫ t0 X(n+1)dB fur alle

t ≤ τn(ω) (benutze die Stetigkeit der Prozesse). Nach 6.31 (i) folgt hieraus

(8)∫

1]0,τn]X(n)dB =∫

1]0,τn]X(n+1)dB.

Da X(n), X(n+1) ∈ Λ2(µB) und τn beschrankt sind, gilt

1]0,τn]X(n), 1]0,τn]X(n+1) ∈ L2(µB).

Also folgt aus (8) mit der Ito-Isometrie

1]0,τn]X(n) = 1]0,τn]X(n+1) µB-f.s.

Daher gibt es ein P0-messbares X mit

(9) 1]0,τn]X = 1]0,τn]X(n) ∈ Λ2(µB).

10–20 C6NEU

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Das Black-Scholes Modell

Nun ist Bτn = B(τn) mit B ein L2(P )-Martingal nach 4.39 (ii). Da 1]0,τn]X ∈ Λ2(µB(τn))

nach (9) und Satz 7.11 ist, folgt X ∈ Λ(B), und nach Definition des lokalen Ito-Integralsfur festes t und P -f.a. ω mit τn(ω) ≥ t∫ t

0 X dB =7.15

∫ t0 1]0,τn]XdB

τn =(9), 7.11 (ii)

∫ t0 1]0,τn]XdB

=(9)

∫ t0 1]0,τn]X(n)dB.

Nun ist mit Ys(ω) :=∫ s0 X(n)dB nach 6.31 (i)

Yτn∧t =∫

1]0,τn∧t]X(n)dB,

und somit fur P -f.a. ω mit τn(ω) ≥ t∫1]0,τn∧t]X(n)dB =

∫ t0 X(n)dB.

Somit erhalten wir fur festes t ≥ 0 fur P -f.a. ω mit τn(ω) ≥ t aus den letzten Gleichungen

(10)∫ t0 XdB =

∫ t0 X(n)dB.

Aus (10) erhalten wir nun die gewunschte Darstellung: Sei t ≥ 0, dann reicht es fur ω mitτn(ω) ≥ t - wegen τn(ω) ↑ ∞ - zu zeigen

Mt = M τnt = P (M0) +

∫ t0 XdP P -f.s..

Dies folgt aus (7) und (10).

Fur die Eindeutigkeit der Darstellung ist das Folgende zu zeigen

X ∈ Λ(B) ∧ (∫ t0 XdB)t≥0

·=P

0 ⇒ X = 0 µB-f.s..

Wegen X ∈ Λ(B) gibt es eine geeignete lokalisierende und beschrankte Folge von Stopp-zeiten mit 1]0,τn]X ∈ L2(µBτn) (siehe 7.20) und

0 =∫ t0 XdB =

∫ t0 1]0,τn]XdB

τn(=: Yt) fur t ≤ τn(ω) P -f.s..

Also ist nach 6.31 dann 0 = Yτn =∫

1]0,τn]XdBτn . Nach der Ito-Isometrie folgt somit

1]0,τn]X = 0 µBτn- f.s. Es reicht zu zeigen, dass dann 1]0,τn]X = 0 µB-f.s. ist. Setze

hierzu A := (t, ω) : 1]0,τn](t, ω)X(t, ω) 6= 0. Dann ist A ⊂]0, τn], und es gilt nach (1) im

Beweis von 7.11, dass 0 = µBτn (A) =7.11

µB(A). Also ist 1]0,τn]X = 0 µB-f.s..

Analog zu 10.19 (ii) beweist man

10.21 Darstellung von AT -messbaren L2-Zufallsvariablen als stochasti-sches Integral

Sei (Bt)t∈[0,T ] eine Brownsche Bewegung auf dem W-Raum (Ω,A, Q) bzgl. der

Filtration (At)t∈[0,T ] := (ABt )Q

t∈[0,T ]. Ist dann f ∈ L2(Ω,AT , Q), so gibt es einen

previsiblen Prozess (Xt)t∈]0,T ] mit (Xt)t>0 ∈ L2(µB

T ) und

Q(f |At) = Q(f) +∫ t0 XdB fur 0 ≤ t ≤ T.

Insbesondere ist (∫ t0 XdB)t∈[0,T ] ein stetiges L2(Q)-Martingal bzgl. (At)t∈[0,T ].

C6NEU 10–21

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Finanzmathematik II

Wir kommen nun zum Beweis des Satzes 10.16.Sei Q|A das zu P |A aquivalente W-Maß

nach 10.9 wobei (Bt)t∈[0,t] eine normale Brownsche Bewegung bzgl. Q ist, und

(1) e−rtS1t = S1

0eσBt− 1

2σ2t, t ∈ [0, T ] ein Martingal bzgl. der Filtration (At)t∈[0,T ] unddes Maßes Q ist.

Da Bt = Bt + µ−rσ t ist, gilt fur t ∈ [0, T ]

ABt = σ(Bs : s ∈ [0, t]) = σ(Bs : s ∈ [0, t]) = AB

t .

Da P und Q aquivalent sind, folgt

(2) At = (ABt )P = (AB

t )P = (ABt )Q = At.

Nun ist e−rTC ∈ L2(AT , Q) = L2(AT , Q) nach Voraussetzung in 10.16. Also gilt nach10.21, dass es einen previsiblen Prozess (Xt)t∈]0,T ] gibt mit X ∈ L2(µ

BT ) und

(3) e−rTC =∫e−rTCdQ+

∫ T0 XdB

wobei nach 10.21 mit (2) folgt

(4) (∫ t0 XtdB)t∈[0,T ] ist bzgl. der Filtration (At)t∈[0,T ] und des W-Maßes Q ein L2-

Martingal.

Wir setzen zur Abkurzung Zt fur das Martingal in (1):

(5) Zt := e−rtS1t = S1

0eσBt− 1

2σ2t, t ∈ [0, T ].

Dann gilt nach 9.6 angewandt auf Mt := Bt, λ := σ

(6) dZt = σZt · dBt.

Das Ziel ist es nun (Ht)t∈[0,T ] zu finden mit

(7) (Ht)t∈[0,T ] ist selbstfinanzierende Handelsstrategie;

(8) HTST = C;

(9) (e−rtV IHt )t∈[0,T ] ist ein Q-Martingal.

Definiere hierzu, etwa mit X0 := 0

(10) H1t := Xt/σZt, H

0t :=

∫e−rTCdQ+

∫ t0 XdB −H1

t Zt.

Da (Xt)t∈[0,T ] und (Zt)t∈[0,t] previsibel sind, ist (Ht)t∈[0,T ] = (H0t , H

1t )t∈[0,T ] previsibel.

Wir zeigen nun (9), (8) und dann

(11) dV IHt = H0

t · dS0t +H1

t · dS1t ,

d.h. nach 10.6 die Selbstfinanzierung von (Ht)t∈[0,T ].

Zu (9): Wegen S0t = ert gilt

(12) e−rtV IHt = e−rt(H0

t S0t +H1

t S1t ) =

(5)H0

t +H1t Zt =

(10)

∫e−rTCdQ+

∫ t0 XdB.

Somit ist (e−rtV IHt )t∈[0,T ] ein Q-Martingal nach (4).

Zu (8): aus (12) angewandt auf t = T folgt

e−rTV IHT =

∫e−rTCdQ+

∫ T0 XdB =

(3)e−rTC.

10–22 C6NEU

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Das Black-Scholes Modell

Also folgt HTST = V IHT = C.

Zu (11): Es ist nach 9.32 (siehe auch 9.33)

Xt · dBt =(10)

(H1t σZt) · dBt = H1

t · [(σZt) · dBt] =(6)H1

t · dZt.

Zusammen mit (12) folgt

(13) d(e−rtV IHt ) =

(12)Xt · dBt = H1

t · dZt.

Da e−rtV IHt ein Q-Martingal ist, folgt

dV IHt = d(ert(e−rtV IH

t ))

=9.2ert · d(e−rtV IH

t ) + (e−rtV IHt ) · dert

9.32=

(13)(ertH1

t ) · dZt + (e−rtV IHt ) · dert

=(12)

(ertH1t ) · dZt + (H0

t +H1t Zt) · dert

=9.32

H0t · dert + (H1

t Zt) · dert + (ertH1t ) · dZt

=9.32

H0t · dS0

t +H1t · (Zt · dert + ert · dZt)

=9.2H0

t · dS0t +H1

t · d(ertZt)

=(5)H0

t · dS0t +H1

t · dS1t .

Fur (7) bleibt noch zu zeigen, dass (Ht)t∈[0,T ] eine Handelsstrategie ist, d.h. dass neben

der Previsibilitat gilt (siehe 10.4):

(14)∫ T0 |H0

t (ω)|dt <∞ P -f.s..

(15)∫ T0 [H1

t (ω)]2dt <∞ P -f.s..

Zu (15): Da H1t = Xt/σZt und σZt ≥ c > 0 fur t ∈ [0, T ] ist, reicht es zu zeigen

(16)∫ T0 X2

t dt <∞ P -f.s..

Nun gilt wegen [BT]t = t ∧ T und 10.21

∞ >10.21

∫(0X)

2dµ

BT =

8.5

∫[∫

(0X)2(s, ω)[B

T](ds, ω)]P (dω) =

∫(∫ T0 X2(s, ω)ds)P (dω).

Hieraus folgt (16).

Zu (14): Aus (16) folgt∫ T0 |Xt|dt < ∞ P -f.s. und somit wegen H1

t Zt = Xt/σ auch∫ T0 |H1

t Zt|dt < ∞. Es verbleibt daher nach der Definition von H0t in (10) zu zeigen∫ T

0 |∫ t0 XdB|dt <∞. Dies folgt aber aus der Stetigkeit von t→

∫ t0 XdB.

Der Satz 10.16 fur die Existenz eines Martingal-Hedges fur Q-quadratintegrierbare Black-Scholes Claims ist damit vollstandig bewiesen. Somit ist auch die Black-Scholes Formelfur die Berechnung des fairen Preises eines Calls gezeigt.Wir wollen nun auf folgende drei Punkte eingehen. Hierbei werden wir ab jetzt den Preisder risikobehafteten Anlage mit St an Stelle von S1

t bezeichnen.

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Finanzmathematik II

Punkt 1) auf die Bedeutung des Trendparameters µ und die Volatilitat σ des Aktien-preisprozesses

St = S0 exp(σBt + (µ− σ2/2)t), t ∈ [0, T ]im Black-Scholes-Modell;

Punkt 2) auf die statistische Schatzung von µ und σ;

Punkt 3) auf die Bedeutung der, im Zusammenhang mit dem Black-Scholes Modellbetrachteten,

”griechischen Buchstaben“:

R = Rhofaktor der Option;

∆ = Delta der Option;

Γ = Gamma der Option;

θ = Theta der Option;

Λ = Vega der Option.

Wir wollen uns zunachst dem ersten Punkt, also der Bedeutung von µ und σ im Aktien-preisprozess des Black-Scholes Modells, zuwenden.

10.22 Renditen und logarithmische Renditen

Sei St, t ≥ 0, die Entwicklung des Aktienpreises.

(i) Es heißt fur 0 ≤ s < t

Rs,t := (St − Ss)/Ss, die im Zeitintervall [s, t]

erzielte Rendite, und∫Rs,tdP die erwartete Rendite fur [s, t].

(ii) Es heißt fur 0 ≤ s < t

LRs,t := ln(St/Ss), die im Zeitintervall [s, t] erzielte logarithmischeRendite, und

∫LRs,tdP die erwartete logarithmische Rendite fur [s, t].

(iii) Man setzt fur δ > 0

LR0,nδ :=n∑

i=1LR(i−1)δ,iδ/nδ = LR0,nδ/nδ.

Wegen Snδ = S0 exp(LR0,nδ · nδ) wird LR0,nδ auch die kontinuierliche Ver-

zinsung und∫LR0,nδdP die erwartete, kontinuierliche Verzinsung genannt.

Setzt man t := nδ, so ist die kontinuierliche Verzinsung LR0,t gegeben durch St =

S0e(LR0,t·t).

Fur δ = 1 ist ferner

LR0,n = 1n ln(Sn

S0)

und

eLR0,n = n

√∏ni=1

SiSi−1

.

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Das Black-Scholes Modell

In der Definition 10.22 (iii) ist die folgende Addivitatseigenschaft der logarithmischenRendite benutzt worden:

Sei s = t0 < t1 . . . < tn = t, so gilt

LRs,t = LRt0,tn =n∑

i=1LRti−1,ti .

Beweis. LRt0,tn = ln(

StnSt0

)= ln

(Stn

Stn−1· Stn−1

Stn−2. . .

St1St0

)=

n∑i=1

ln(

StiSti−1

)=

n∑i=1

LRti−1,ti .

Zwei Grunde sprechen fur die Benutzung der logarithmmischen Rendite an Stelle derRendite. Zum einen ist es die eben bewiesene Additivitatseigenschaft der logarithmischenRendite, zum anderen die Symmetrieeigenschaft.

Es gilt Rs,t ≥ −1, jedoch kannRs,t beliebig große Werte annehmen. Demgegenuber kannLRs,t sowohl beliebig kleine als auch beliebig große Werte annehmen.

Ist Ss+4t = 1/2Ss, so betragt die Rendite im Zeitintervall [s, s + 4t] gleich −0, 5(= −50%). Soll der Verlust im folgenden Zeitintervall [s + 4t, s + 24t] ausgeglichenwerden, so muss Ss+24t = Ss sein, also die Rendite im Zeitintervall [s + 4t, s + 24t]gleich Ss−1/2Ss

1/2Ss= 1 (= 100%) betragen.

Demgegenuber ist die logarithmische Rendige durch ln(Ss+4t

Ss) = ln1

2 = −ln2 ≈ −0, 693

fur das Zeitintervall [s, s+4t] gegeben. Fur das folgende Zeitintervall durch

ln(

Ss+24t

Ss+4t

)= ln

(Ss

1/2Ss

)= ln(2) ≈ 0, 693.

Die”durchschnittliche“ Rendite ist also −50%+100%

2 = 25%, die”durchschnittliche“ loga-

rithmische Rendite −69,3%+69,3%2 = 0%.

Man erkennt, dass die durchschnittliche logarithmische Rendige aussagekraftiger ist, alsdie durchschnittliche Rendite. So kann z.B. die durchschnittliche jahrliche Rendite uberdass Zeitintervall [0, n] beliebig hoch sein, das Kapital Sn dennoch fast verschwunden sein.Fur die durchschnittliche jahrliche logarithmische Redite LR0,n gilt jedoch

1n

n∑i=1

LRi−1,i = LR0,n mit Sn = S0eLR0,nn.

Die durchschnittliche jahrliche logarithmische Rendite entspricht also gerade der stetigenoder kontinuierlichen Verzinsung mit r = LR0,n.

Die Beziehung der logarithmischen Rendite und der Rendite ist gegeben durch

LRs,t = ln(

StSs

)= ln(1 +Rs,t).

Da ln(1 + x) ≈ fur kleine x ist, gilt LRs,t ≈ Rs,t fur Rs,t nahe bei 0. Da ln(1 + x) < x furx > −1 und x 6= 0 ist, (Taylorentwicklung) gilt allgemein

Rs,t > LRs,t, falls Rs,t > −1 und 6= 0 ist.

Um die Bedeutung des Trendparameters µ und der Volatilitat σ des AktienpreisprozessesSt im Black-Scholes Modell besser einschatzen zu konnen, definieren und beweisen wir

C6NEU 10–25

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Finanzmathematik II

10.23 Logarithmische Normalverteilung

Sei X : Ω →]0,∞[ eine Zufallsvariable. X heißt dann logarithmisch normalver-teilt mit Parametern µ und σ2, wenn ln(X) eine Normalverteilung mit Mittelwertµ und Varianz σ2 besitzt. Die Verteilung von X nennt man eine logarithmischeNormalverteilung mit Parametern µ, σ2.

(i) Ist X logarithmisch normalverteilt mit Parametern µ, σ2 und f(x) := ex,so gilt

PX = (N(µ, σ2))f .

(ii) Ist X logarithmisch normalverteilt mit Parametern µ, σ2, so gilt

E(X) = e(µ+σ2/2), V (X) = e(2µ+σ2)(eσ2 − 1)

und der eindeutig bestimmte Median von X ist eµ.

Beweis. (i) Wegen X = f ln(X) und Pln(X) = N(µ, σ2) gilt

PX = (Pln(X))f = (N(µ, σ2))f .

(ii) Es ist µ der Median von N(µ, σ2). Also ist wegen Pln(X) = N(µ, σ2)

1/2 = Pln(X) ≥ µ = PX ≥ eµ.Da PX ≥ eµ +

(−)ε<

>1/2 ist, ist eµ der einzige Median von X.

Es bleibt zu zeigen

(1) E(X) = e(µ+σ2/2);

(2) V (X) = e(2µ+σ2)(eσ2 − 1).

Zu (1): Nach (i) gilt

E(X) =∫xPX(dx) =

(i)

∫x(N(µ, σ2))f (dx)

=∫f(x)N(µ, σ2)(dx) = 1√

2πσ

∫exe−(x−µ)2/2σ2

dx.

Die Substitution y = (x− µ)/σ liefert

E(X) = 1√2π

∫eµ+σye−y2/2dy

= eµ+σ2/2[

1√2π

∫eσy−σ2/2e−y2/2dy

]= eµ+σ2/2

[1√2π

∫e−(y−σ)2/2dy

]= eµ+σ2/2.

Zu (2): Es ist

(3) V (X) = E(X2)− (E(X))2 = E(X2)− e2µ+σ2.

Es ist ln(X) nach N(µ, σ2)-verteilt und somit ln(X2) = 2ln(X) nach N(2µ, 4σ2). Alsoist X2 logarithmisch normalverteilt mit Parametern 2µ, 4σ2. Nach (1) gilt daher

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Das Black-Scholes Modell

(4) E(X2) = e(2µ+2σ2).

Wir erhalten somit

V (X) =(3), (4)

e(2µ+2σ2) − e2µ+σ2= e2µ+σ2

(eσ2 − 1).

10.24 Bedeutung des Trendparameters µ und der Volatilitat σ im Black-Scholes Modell

Es sei St := S0 exp(σBt + (µ − σ2/2)t), t ≥ 0, der Aktienpreisprozess im Black-Scholes Modell. Dann gilt fur 0 ≤ s < t :

(i)∫St/SsdP = eµ(t−s), V (St/Ss) = e2µ(t−s)(eσ

2(t−s) − 1);

(ii)∫Rs,tdP = eµ(t−s) − 1, V (Rs,t) = e2µ(t−s)(eσ

2(t−s) − 1);

(iii)∫LRs,tdP = (µ− σ2/2)(t− s), V (LRs,t) = σ2(t− s).

(iv) Der Median von St/Ss ist e(µ−σ2/2)(t−s), der von LRs,t ist

(µ− σ2/2)(t− s).

(v) Fur δ > 0 ist∫LR0,nδdP = (µ− σ2/2).

Beweis. (i) Es ist

(1) ln(St/Ss) = σ(Bt −Bs) + (µ− σ2/2)(t− s).

Da Bt −Bs nach N(0, t− s)-verteilt ist, gilt wegen (1)

(2) St/Ss ist logarithmisch normalverteilt mit den Parametern(µ− σ2/2) · (t− s) und σ2(t− s).

Nach 10.23 (ii) gilt daher∫St/SsdP = e((µ−σ2/2))+σ2/2)(t−s) = eµ(t−s)

V (St/Ss) = e(2µ−σ2+σ2)(t−s)[eσ2(t−s) − 1] = e2µ(t−s)[eσ

2(t−s) − 1].

(ii) Nach Definition von Rs,t gilt∫Rs,tdP =

∫St/SsdP − 1 =

(i)eµ(t−s) − 1,

V (Rs,t) = V (St/Ss − 1) = V (St/Ss) =(i)e2µ(t−s)(eσ

2(t−s) − 1).

(iii)∫LRs,tdP =

∫ln(St/Ss)dP =

(1)(µ− σ2/2)(t− s),

V (LRs,t) = V (ln(St/Ss)) =(1)V (σ(Bt −Bs) + (µ− σ2/2)(t− s))

= V (σ(Bt −Bs)) = σ2(t− s).

(iv) Es ist St/Ss nach (2) logarithmisch normalverteilt mit den Parametern

(µ−σ2/2)(t− s), σ2(t− s). Nach 10.23 (ii) ist der Median von St/Ss daher e(µ−σ2/2)(t−s),und somit ist (µ− σ2/2)(t− s) der Median von ln(St/Ss) = LRs,t.

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Finanzmathematik II

(v)∫LR0,nδdP = 1

∫LR0,nδdP =

(iii)(µ− σ2/2).

Zum Punkt 1) und damit zur Interpretation von 10.24 sei s = 0. Ist S0t eine fest-

verzinsliche Anlage mit kontinuierlichem, risikolosem Zinssatz r, zum Zeitpunkt z so istS0

t = S0ert, wenn zum Zeitpunkt 0 der Betrag S0 angelegt wird. Die Aktie bringt im Mit-

tel∫StdP =

10.24 (i)S0e

µt; also im Mittel soviel wie eine festverzinsliche Anlage mit r = µ.

Die erwartete Rendite der Aktie im Zeitintervall [0, t] ist dann gleich eµt − 1, also gleichder Rendite einer festverzinslichen Anlage mit r = µ deren Jahrensrendite ist ρ = lr − 1,also gleich dem Jahrenszinssatz ρ.

Ist t = 1 (Jahr), so ist die erwartete Jahresrendite gleich eµ − 1(≈ µ fur kleines µ) unddie Volatilitat σ gleich der Streuung der logarithmischen Rendite eines Jahres (siehe 10.24(iii)).

Der Median der logarithmischen Rendite eines Jahres ist gleich der erwarteten logarithmi-schen Jahresrendite und zwar gleich µ− σ2/2 (siehe 10.24 (iii), (iv)). Die logarithmischeRendite eines Jahres besitzt eine um (µ − σ2/2) symmetrische Verteilung (siehe (1) imBeweis von 10.24). Nach 10.24 (v) ist (µ− σ2/2) auch die erwartete kontinuierliche Ver-zinsung.

Zum Punkt 2): Die Großen, die den Preis der Call-Option im Black-Scholes Modellbestimmen, sind S0, K, T, r und σ. Hierbei sind der Aktienpreis S0 und der Zinssatz rzum Zeitpunkt 0 durch den Markt bestimmt und bekannt. K und T sind durch die Call-Option festgelegt. Die einzige Große, die nicht festgelegt oder unmittelbar den Marktdatenzu entnehmen ist, ist die Volatilitat σ. Es entsteht also die Frage wie σ bestimmt werdenkann.

10.25 Schatzung von µ und σ des Aktienpreisprozesses im Black-ScholesModell

Es sei St = S0 exp(σBt + (µ − σ2/2)t), t ≥ 0, der Aktienpreisprozess im Black-Scholes Modell. Es sei δ > 0. Wir betrachten die Kurse zu den Zeiten ti = iδ furi = 0, . . . , n. Dann gilt

(i) R0,δ, Rδ,2δ, . . . , R(n−1)δ,nδ sind unabhangige, identisch verteilte Zufallsvaria-

ble mit Erwartungswert eµδ − 1. Daher gilt:

1n

n∑i=1

R(i−1)δ,iδ −→n→∞

eµδ − 1 P -f.s.,

und somit fur δ = 1

( 1n

n∑i=1

SiSi−1

) → eµ P -f.s..

(ii) LR0,δ, . . . , LR(n−1)δ,nδ sind unabhangige nach N((µ−σ2/2)δ, σ2δ)-verteilteZufallsvariablen. Daher gilt:

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Das Black-Scholes Modell

(α) LR0,nδ = 1nδ

n∑i=1

LR(i−1)δ,iδ → (µ− σ2/2) P -f.s.; und somit fur δ = 1 :

n

√∏ni=1

SiSi−1

−→n→∞

e(µ−σ2/2) P -f.s.;

(β) s2n = 1n−1

n∑i=1

[LR(i−1)δ,iδ − ( 1n

n∑i=1

LR(i−1)δ,iδ)]2 ist ein erwartungstreuer

Schatzer fur σ2δ mits2n → σ2δ P -f.s.

undsn√δ→ σ P -f.s..

Beweis. Es ist

(1) R(i−1)δ,iδ + 1 = Siδ/S(i−1)δ = exp[σ(Biδ −B(i−1)δ) + (µ− σ2/2)δ],

(2) LR(i−1)δ,iδ = ln(Siδ/S(i−1)δ) = σ(Biδ −B(i−1)δ) + (µ− σ2/2)δ.

Nach Definition einer Brownschen Bewegung gilt

(3) Bδ−B0, B2δ−Bδ, . . . , Bnδ−B(n−1)δ sind P -unabhangig und nach N(0, δ) verteilt.

Aus (1) und (2) folgt daher mit (3)

(4) R0,δ, Rδ,2δ, . . . , R(n−1)δ,δ sind unabhangige, identisch verteilte Zufallsvariable mit

Erwartungswert eµδ − 1 nach 10.24 (ii).

(5) LR0,δ, . . . , LR(n−1)δ,nδ sind unabhangige nach N((µ − σ2/2)δ, σ2δ)-verteilte Zu-fallsvariable.

(i) folgt nun aus (4) mit Hilfe des starken Gesetzes der großen Zahlen.

(ii) Die Aussage uber die LR folgt mit (5):

(α) folgt aus (5) mit Hilfe des starken Gesetzes der großen Zahlen sowie aus 1n

n∑i=1

LRi−1,i =

1n

n∑i=1

ln( SiSi−1

)(= ln( n

√∏ni=1

SiSi−1

).

(β) Da nach 10.24 (iii) gilt

V (LR(i−1)δ,iδ) = σ2δ,

folgt die Erwartungstreue des Schatzers aus 13.4 von Wegner und die starke Konsistenz, dhs2n → σ2δ P -f.s., aus dem starken Gesetz der großen Zahlen. Also gilt auch sn/

√δ → σ P -

f.s..

Der Schatzwert sn/√δ fur σ, der sich auf Grund der Aktienkurse zu den Zeitpunkten

0, δ, . . . , nδ ergibt, heißt die historische Volatilitat.

10.26 Beispiel zur Berechnung der historischen Volatilitat

Wir betrachten die Schlusskurse einer Aktie an 16 aufeinanderfolgenden Borsenwochen.Dann ist δ = 1/52 und n = 15.

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Finanzmathematik II

i 0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15

Siδ 35 34 36 36 33 35 37 39 36 35 40 39 42 41 39 38

Dann ist

q15 := 115

15∑i=1

R(i−1)δ,iδ = 115

15∑i=1

SiδS(i−1)δ

− 1 = 0, 00737,

LR0,nδ =15∑i=1

LR(i−1)δ,iδ =15∑i=1

ln( SiδS(i−1)δ

) = 0, 0822,

15∑i=1

[LR(i−1)δ,iδ]2 =

15∑i=1

(ln SiδS(i−1)δ

)2 = 0, 0559.

Also ergibt sich fur µ nach 10.25 (i) ein Schatzwert von

ln(1+q15)δ = 52 ln(1, 00737) ≈ 0, 3819 oder 38, 19%.

Fur die Volatilitat σ erhalten wir nach 10.25 (ii) (β) den Schatzwert

√52

√114 [0, 0559− 1

15(0, 0822)2] ≈ 0, 4539, denn:

1n−1

n∑i=1

(LR(i−1)δ,iδ − 1n

n∑i=1

LR(i−1)δ,iδ)2

= 1n−1(

n∑i=1

[LR(i−1)δ,iδ]2 − 1

n [n∑

i=1LR(i−1)δ,iδ]

2).

Die erwartete kontinuierliche Verzinsung betragt (µ − σ2/2) (siehe Definition 10.22 (iii)und 10.24 (v)). Eine Schatzung fur (µ− σ2/2) ergibt sich nach 10.25 (ii)(α) zu

0,082215 · 52 ≈ 0, 285 oder 28, 5%.

Haufig wird die Volatilitat σ auf Grund von Tageskursen geschatzt. Hierbei tauchen zweiProbleme auf:

(1) europaische Aktien schutten in der Regel einmal im Jahr eine Dividende aus;

(2) nicht jeder Tag ist ein Borsentag.

Problem (1) lost man dadurch, dass man den Tag i0, an dem eine Dividende bezahlt wird,aus der Stichprobe nimmt. Man berechnet also statt sn√√√√ 1

n−2(n∑

i=1i 6=i0

[ln( SiδS(i−1)δ

)]2 − 1n−1 [

n∑i=1i 6=i0

ln( SiδS(i−1)δ

)]2)

Problem (2) lost man daduch, dass man ein Jahr nur aus Borsentagen (etwa 250) bestehenlasst. Die Nichtborsentage werden also gestrichen. Auf jeden Freitag

”folgt also Montag“.

Fur ein Jahr ist dann, wenn man die Aktienkurse an jedem Borsentag registriert, δ =1/250 zu setzen.

In 10.24 haben wir die”kontinuierliche Verzinsung µ des Erwartungswertes des Kurses

der Aktie“ also E(St) = S0eµt, und die Schatzung von eµ und damit auch µ in 10.25

1n

n∑i=1

SiSi−1

−→n→∞

eµ P -f.s.

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Das Black-Scholes Modell

bestimmt. Andererseits haben wir die erwartete kontinuierliche Verzinsung (µ− σ2/2) =E(LR0,n) = E(LR0,1) und die zugehorige Schatzung (siehe auch 10.25 (ii))

n

√∏ni=1

SiSi−1

−→n→∞

eµ−σ2/2

betrachtet. Wenn nicht alle Si/Si−1 gleich sind, gilt n

√∏ni=1

SiSi−1

< 1n

n∑i=1

SiSi−1

. Es stellt

sich die Frage, welcher der Mittelwerte eµ bzw. eµ−σ2/2, mit den zugehorigen Schatzungennamlich dem arithmetischen Mittel der Si

Si−1oder dem geometrischen Mittel der Si

Si−1,

aussagekraftiger ist. Ist

µ > r > µ− σ2/2,

so stellt sich weiter die Frage, ob man in die Aktie oder in eine festverzinsliche Anlage mitkontinuierlichen Zinssatz r investieren soll. Die Beantwortung beider Fragen hangt von derForm der Investition und bei der zweiten Frage naturlich auch von der Risikobereitschaftdes Anlegers ab.

Fall I:

Wir betrachten zunachst den Fall, in dem der Anleger den Geldbetrag S0 zum Zeitpunkt0 in die Aktie investiert, und die Aktie uber eine große Anzahl n von Jahren halt. Danngilt nach 10.25 (ii)

(I)

∣∣∣∣∣∣∣Sn = S0e

LR0,n·n mit LR0,n = 1n

n∑i=1

LRi−1,i −→n→∞

(µ− σ2/2)

n

√∏ni=1

SiSi−1

(= eLR0,n) −→n→∞

eµ−σ2/2 P -f.s..

Als grobe Prognose fur den Aktienverlauf erscheint nach (I) eher S0e(µ−σ2/2)n als S0e

µn

geeignet. Um eµ−σ2/2 zu schatzen, wird man ferner das geometrische Mittel n

√∏ni=1

SiSi−1

verwenden.

Ist nun r > µ − σ2/2, so ist Sn < S0ern fur große n(= n(ω)) mit Wahrscheinlichkeit

1. Genauer gilt, dass die Investition in die festverzinsliche Anlage nach n Jahren einenhoheren Ertrag mit folgenden Wahrscheinlichkeiten bringt:

PSn < S0ern = Pln(Sn

S0) < rn =

(II) = PσBn + n(µ− σ2/2) < rn = PBn√n<

√n(r−(µ−σ2/2)

σ =

= φ(√nr−(µ−σ2/2))

σ ) −→n→∞

1.

Die meisten Investoren werden also bei einer langfristigen Anlage (n→∞) die Investitionin die risikolose Anlage vorziehen, auch wenn µ > r und somit E(Sn) = S0e

µn > S0ern

ist. Dass E(Sn)/S0ern −→

n→∞∞ und gleichzeitig PSn < S0e

rn −→n→∞

1 fur µ− σ2

2 < r < µ

konvergieren, liegt daran, dass fur n→∞ zwar PSn ≥ S0ern −→

n→∞0 gilt auf den Mengen

Sn ≥ S0ern, aber Sn sehr viel großer als S0e

rn sein kann. Als langfristiger Investor wirdman also hochstens dann in die Aktie investieren, wenn µ− σ2/2 > r, d.h. µ > r + σ2/2

ist. Nach (II) gilt dann PSn < S0eρn = φ(

√nρ−(µ−σ2/2)

σ ) −→n→∞

0.

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Finanzmathematik II

Fall II:

Wir betrachten nun den Fall, in dem der Anleger uber eine große Anzahl n von Jahrenimmer ein und denselben Geldbetrag A in dieselbe Aktie fur genau ein Jahr anlegt. DerInvestor kauft also am Ende des (i − 1)-ten Jahres (gleich Beginn des i-ten Jahres) A

Si−1

viele Aktien (Investition ASi−1

· Si−1 = A zu Beginn des i-ten Jahres) und besitzt am

Ende des i-ten Jahres den Geldbetrag ASi−1

· Si. Man verkauft die Anteile ASi−1

der Aktie

und kauft ASi

Aktien am Ende des i-ten Jahres (man wird in der Praxis die Differenz

ausgleichen). Es liegt also keine selbstfindende Handelsstrategie vor.

Der Gewinn im i-ten Jahr ist alsoA

Si−1Si − A = A

(Si−Si−1)Si−1

= ARi−1,i.

Der Gewinn in n-Jahren betragt also An∑

i=1Ri−1,i. Fur den durchschnittlichen Jahresge-

winn nach n-Jahren gilt also

A 1n

n∑i=1

Ri−1,i −→n→∞

A(eµ − 1),

wobei die Konvergenzaussage aus 10.25 (i) folgt.

Bei der festverzinslichen Anlage ist der Gewinn pro Jahr A(er−1) also fur großes n, wegenr < µ, kleiner als der durchschnittliche Gewinn der Aktienanlage. Zur Schatzung von eµ

und damit des durchschnittlichen Jahresgewinns A(eµ − 1) wird man verwenden

1n

n∑i=1

SiSi−1

−→n→∞

eµ P -f.s..

Fur diese Situation ist also eµ an Stelle von e(µ−σ2/2) der richtige Parameter, und zur

Schatzung von eµ wird man das arithmetische Mittel der SiSi−1

benutzen. Ein Investor,

der bereit ist Risiken in Kauf zu nehmen, und der genugend lange warten kann (n→∞)wird, falls µ > r ist, daher eher in der angegebenen Weise in die Aktie investieren, als indie festverzinsliche Anlage jedes Jahr genau den Betrag A ein Jahr lang anzulegen, auch

wenn r > µ− σ2

2 ist.

10.27 Beispiel zu Fall I und Fall II

In drei aufeinanderfolgenden Jahren habe eine Aktie eine Rendite von

+20%,−80%,+75%.

Der erste Investor investiere 1000 Euro in die Aktie und halte sie (gemaß Fall I) dreiJahre. Dann besitzt er nach 3 Jahren noch

1000 · 1, 2 · 0, 2 · 1, 75 = 420 Euro.

Die kontinuierliche Verzinsung q ist nach Definition 10.22 durch eq = 3

√∏3i=1

SiSi−1

= 3

√4201000 ≈ 0, 75. Es ist q der Zinssatz mit

1000 · e3q = 420.

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Das Black-Scholes Modell

Der Zinssatz ρ p.a. ist dann gegeben durch 1 + ρ = eq. Also ist ρ = eq − 1 = 0, 75− 1 =−0, 25 oder −25%, ρ ist dabei der Zinssatz mit 1000(1 + ρ)3 = 420. Der Investor wirdvermutlich wenig Verstandnis haben, wenn der Anlageberater ihm vorrechnet, dass diedurchschnittliche Rendite pro Jahr

13(0, 2− 0, 8 + 0, 75) = 0, 05 oder 5%,

und der durchschnittliche Gewinn pro Jahr 50 Euro war.

Ein anderer Investor jedoch, der am Anfang jedes Jahr 1000 Euro investiert, und am Endedes Jahres seine Aktien wieder verkauft (Fall II) hat in drei Jahren einen Gewinn von

200− 800 + 750 = 150 Euro gemacht:

also einen durchschnittlichen Gewinn pro Jahr von 50 Euro. Diese Strategie hat daher imDurchschnitt pro Jahr einen Ertrag von 5 % gebracht.

Zum Punkt 3)

In diesem Punkt soll auf die Bedeutung der im Zusammenhang mit der Black-ScholesFormel betrachteten

”griechischen Buchstaben“ eingegangen werden. Setze hierzu fur

x > 0

(10.28)

∣∣∣∣∣∣∣∣∣∣∣∣∣

u(x, t) := u(x, t,K, r, σ) := xφ( ln(x/K)+(r+σ2/2)t

σ√

t)−

K e−rt · φ( ln(x/K)+(r−σ2/2)t

σ√

t) und t > 0,

v(x, t) := v(x, t,K, r, σ) := u(x, T − t,K, r, σ) und t < T,

d +(−)

(x, t) := d +(−)

(x, t,K, r, σ) =ln(x/K)+(r +

(−)σ2/2)t

σ√

t.

Dann gilt

(10.29) d+ = d− + σ√t.

Der Preis fur einen Call mit Laufzeit T und Anfangskurs S0 ist u(S0, T ) = v0(S0, 0) =S0φ(d+(S0, T ))−K e−rTφ(d−(S0, T )) nach 10.18.

Der Preis fur einen Call mit Aktienkurs St zur Zeit t und Verfallszeitpunkt T (also Rest-laufzeit T − t) ist nach der Black-Scholes Formel 10.18 gegeben durch

(10.30)

∣∣∣∣St φ(d+(St, T − t))− e−r(T−t)Kφ(d−(St, T − t))= u(St, T − t) = v(St, t).

Es bezeichnet ϕ(t) := 1√2πe−t2/2 die Dichte der Normalverteilungsfunktiton φ. Dann gilt

fur x > 0, t > 0

(10.31) x ϕ(d+(x, t))−K e−rtϕ(d−(x, t)) = 0.

Beweis. Es ist mit d+ = d+(x, t), d− = d−(x, t):

xϕ(d+)−Ke−rtϕ(d−) = 0 ⇐⇒ xϕ(d+)ϕ(d−) = Ke−rt

⇐⇒ xe−1/2(d2+−d2

−) = Ke−rt,⇐⇒ d2

+ − d2− = −2 ln((K/x)e−rt)

⇐⇒(10.29)

(d− + σ√t)2 − d2

− = 2[ln(x/K) + rt]

⇐⇒ 2σ√td− + σ2t = 2[ln(x/K) + rt]

⇐⇒(10.28)

2 ln(x/K) + 2(r − σ2/2)t+ σ2t = 2[ln(x/K) + rt].

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Finanzmathematik II

10.32 Die griechischen Buchstaben fur einen mit der Black-Scholes For-mel bewerteten Call

(i) Das Delta des Calls ist definiert durch ∆ := ∂v∂x . Es gilt

0 < ∆(x, t) = φ(d+(x, T − t)) < 1.

(ii) Das Gamma des Calls ist definiert durch Γ := ∂2v∂x2 = ∂∆

∂x . Es gilt Γ(x, t) =

ϕ(d+(x, T − t)) 1xσ√

T−t> 0.

(iii) Das Theta des Calls ist definiert durch Θ := ∂v∂t . Es gilt

Θ(x, t) = −xσ2√

T−tϕ(d+(x, T − t))−Kre−r(T−t)φ(d−(x, T − t)) < 0.

(iv) Das Vega des Calls ist definiert durch Λ = ∂v∂σ . Es gilt

Λ(x, t) = xϕ(d+(x, T − t))√T − t > 0.

(v) Der Rho-Faktor des Calls ist definiert durch R = ∂v∂r . Es gilt

∂v∂r (x, t) = K(T − t)e−r(T−t)φ(d−(x, T − t)) > 0.

(vi) Schließlich gilt noch

∂v∂K (x, t) = −e−r(T−t)φ(d−(x, T − t)) < 0.

Beweis. Die Ableitungen von u gelten fur alle x > 0, t > 0.

(i) ∂u∂x(x, t) =

10.28φ(d+(x, t)) + xϕ(d+(x, t))∂d+

∂x (x, t)−Ke−rtϕ(d−(x, t))∂d−∂x (x, t)

=10.29, 10.31

φ(d+(x, t)).

Wegen ∂v∂x(x, t) = ∂u

∂x(x, T − t) folgt die Behauptung.

(ii) ∂2u∂x2 (x, t) =

(i)

∂∂xφ(d+(x, t)) = ϕ(d+(x, t))∂d+

∂x (x, t) =

=10.28

ϕ(d+(x, t)) 1xσ√

t.

Wegen ∂2v∂x2 (x, t) = ∂2u

∂x2 (x, T − t) folgt die Behauptung.

(iii) ∂u∂t (x, t) =

10.28xϕ(d+(x, t))∂d+

∂t (x, t) +Kr e−rtφ(d−(x, t))

−Ke−rtϕ(d−(x, t))∂d−∂t (x, t)

=10.29, 10.31

xσ2√

tϕ(d+(x, t)) +Kr e−rtφ(d−(x, t)).

Wegen ∂v∂t (x, t) = −∂u

∂t (x, T − t) folgt die Behauptung.

(iv) ∂u∂σ (x, t) =

10.28xϕ(d+(x, t))∂d+

∂σ (x, t)−Ke−rtϕ(d−(x, t))∂d−∂σ (x, t)

=10.29, 10.31

xϕ(d+(x, t))√t.

Wegen ∂v∂σ (x, t) = ∂u

∂σ (x, T − t) folgt die Behauptung.

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Das Black-Scholes Modell

(v) ∂u∂r (x, t) = xϕ(d+(x, t))∂d+

∂r (x, t) +Kte−rtφ(d−(x, t))

−Ke−rtϕ(d−(x, t))∂d−∂r (x, t)

=10.29, 10.31

Kt e−rtφ(d−(x, t)).

Wegen ∂v∂r (x, t) = ∂u

∂x(x, T − t) folgt die Behaupung.

(vi) Ferner ist

∂u∂K (x, t) = xϕ(d+(x, t))∂d+

∂K (x, t)− e−rtφ(d−(x, t))−Ke−rt ϕ(d−(x, t))∂d−∂K (x, t)

=10.29, 10.31

−e−rtφ(d−(x, t)).

Im Folgenden betrachten wir den Preis des Calls immer in Abhangigkeit von einer Va-riablen bei festgehaltenen anderen Variablen. Nach 10.30 ist der Preis fur einen Call mitAktienkurs x zum Zeitpunkt t und Verfallszeitpunkt T, also mit einer Restlaufzeit vonT − t gegeben durch

v(x, t,K, r, σ).

Nach 10.32 (i) ist ∂v∂x > 0, der Preis des Calls ist also eine streng monoton wachsende

Funktion des Aktienkurses. Nach 10.32 (ii) ist der Preis des Calls sogar eine strikt konvexeFunktion des Aktienpreises.

Nach 10.32 (iii) ist der Preis des Calls eine streng monoton fallende Funktion von t undsomit eine streng monoton wachsende Funktion der Restlaufzeit T − t.

Nach 10.32 (iv) bzw. (v) schließlich steigt der Optionspreis bei steigender Volatilitat undbei steigendem kontinuierlichen Zinssatz r. Er fallt bei steigendem Ausubungspreis K.

Haufig werden in Borsenzeitschriften einige der bisher betrachteten Großen fur Call- undauch fur Put-Optionen angegeben. Man findet ferner in der Regel sowohl die histori-sche als auch die (spater definierte) implizite Volatilitat angegeben, jedoch meistens alsProzentsatz des Aktienkurses.

Auch ∆ und Θ findet man haufig in Prozent angegeben und folgendermaßen interpretiert:

Steigt der Kurs x der Aktie um 1 Euro (x → x + 1), so steigt der Preis der Call-Optionum ∆, also

∆ ≈ v(x+1)−v(x)x+1−x = v(x+ 1)− v(x).

Ein hohes ∆ ist bei steigenden (!) Kursen also positiv fur den Besitzer eines Calls.

Im Zusammenhang mit ∆ wird auch der sogenannte”theoretische Hebel“ einer Option

angegeben. Er gibt an, um wieviel Prozent der Preis der Option steigt, wenn der zuGrunde liegende Kurs x um ein Prozent steigt. Man berechnet:

theoretischer Hebel = xv(x) ·∆.

Nach Definition ist der theoretische Hebel gleich

v(x+0,01x)−v(x)v(x) · 100 = v(x+0,01x)−v(x)

0,01x · 0,01xv(x) · 100 ≈ ∆ · x

v(x) .

Auch das Theta wird haufig angegeben und zwar meistens als Theta wochentlich in%; der Wert gibt also an um wieviel Prozent der Call bei gleichbleibendem Aktienkurswochentlich an Wert verliert. Man interpretiert also

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Finanzmathematik II

Θ ≈ v(x,t+1/52)−v(x,t)1/52 .

Theta wochentlich in % ware dann|v(x,t+ 1

52 )−v(x,t)|v(x,t) · 100 also gleich |Θ|

v(x,t)10052 .

Ist IH = (H0t , H

1t )0≤t≤T ein den Call absichernder Martingalhedge, so gilt fur den Preis

des Calls v(St, t) (siehe die Uberlegungen nach 10.38), dass

V IHt = H0

t ert +H1

t St = v(St, t).

Wahlt man

H0t = −Ke−rTφ(d−(St, T − t)),

H1t = φ(d+(St, T − t)),

so gilt

H0t e

rt +H1t St = Stφ(d+(St, T − t))−Ke−r(T−t)φ(d−(St, T − t)) =

10.30v(St, t).

Wir zeigen spater, dass diese Handelsstrategie selbstfinanzierend ist. H1t ist also der

Aktienanteil im absichernden Portfolio. Nach 10.32 (i) gilt

H1t = ∆(St, t).

∆(x, t) gibt daher also den Aktienanteil im Hedge an, den man zur Absicherung zur Zeitt halten muss, wenn x der Aktienpreis zur Zeit t ist. Wegen ∆ > 0 ist also kein Leerlaufder Aktie notig. Ein großes Γ = ∂∆

∂x bedeutet, dass ∆ sich schnell andert, und man daherden Aktienanteil ∆ des Hedge-Portfolios haufig anpassen muss.

Zur Berechnung des Preises des Calls konnen alle Großen – bis auf σ – dem Markt entnom-

men werden. Die Schatzungen fur σ etwa sn/√δ nannten wir die historische Volatilitat.

Dem stellt man die sogenannte implizite Volatilitat gegenuber:

Der gegenwartige Marktpreis des Calls zur Zeit t mit verbleibender Restlaufzeit T − t,Ausubungspreis K und kontinuierlichem Zinssatz r sei v. Ist x der augenblickliche Kursder Aktie, so lose man

v(x, t,K, r, σ) = v

nach σ auf. σ heißt die implizite Volatilitat. σ ist dann die Volatilitat bei der derMarktpreis v fur den Call gleich dem Preis ist, der sich nach der Black-Scholes Formelergibt.

Wir betrachten nun Calls auf dieselbe Aktie mit derselben Restlaufzeit aber verschiedenenAusubungspreisen K. Dann tritt ein sogenannter Smile-Effekt (volatility smile) auf. Wirberechnen die implizite Volatilitat σ dann in Abhangigkeit vonK.Wurden die Marktpreiseimmer gemaß der Black-Scholes Formel gebildet, so durfte σ nicht von K abhangen.Tatsachlich beobachtet man jedoch folgende Abhangigkeit, die zu dem Name smile (=Lacheln) gefuhrt hat. Im at the money-Bereich ist die implizite Volatilitat geringer alsim deep in the money- bzw. deep out of the money-Bereich. Die Kurve σ(K) sieht etwafolgendermaßen aus

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Das Black-Scholes Modell

implizite Volatilitat σ(K)

St >> K St = K St << K

deep in the money at the money deep out of the money

Wegen 10.32 (iv) gibt es hochstens eine Losung σ(K) von v(x, t,K, r, σ(K)) = v.

Zum Abschluss des Punktes 3 wollen wir zeigen, dass man fur den fairen Preis u(x, T − t)des Black-Scholes Calls (und entsprechend anderer Claims die nur vom Endkurs der Aktieabhangen), auch mit Hilfe eines Cauchyschen Problems fur eine parabolische partielleDifferentialgleichung losen kann.

10.33 Der Preis u des Calls im Black-Scholes Modells mit Laufzeit tgenugt einer parabolischen partiellen Differentialgleichung

Sei u = xφ( ln(x/K)+(r+σ2/2)t

σ√

t)−Ke−rtφ( ln(x/K)+(r−σ2/2)t

σ√

t). Es war u(S0, t) der Preis

des Calls zur Zeit 0 mit Aktienkurs S0 und Laufzeit t. Dann gilt:

(i) ∂u∂t (x, t) = 1

2σ2x2 ∂2u

∂x2 (x, t) + rx∂u∂x(x, t)− ru(x, t) auf ]0,∞[×]0,∞[;

u(x, 0) := limt↓0

u(x, t) = (x−K)+ fur x > 0.

In der Formulierung mit v bzw. den griechischen Symbolen lautet diese Beziehung

(ii) rv(x, t) = 1/2σ2x2 ∂2v∂x2 (x, t) + rx∂v

∂x(x, t) + ∂v∂t (x, t) auf ]0,∞[×]−∞, T [

v(x, T ) := limt↑T

v(x, t) = (x−K)+.

(iii) rv(x, t) = 1/2σ2x2Γ(x, t) + rx∆(x, t) + Θ(x, t) auf ]0,∞[×]−∞, T [.

(i) Es gilt nach Definition von u fur

x < K : limt↓0

u(x, t) = xφ(−∞)−Kφ(−∞) = 0 = (x−K)+;

x = K : limt↓0

u(x, t) = x limt↓0

φ(r+σ2/2σ

√t)−K lim

t↓0e−rtφ(r−σ2/2

σ

√t) = 0;

x > K : limt↓0

u(x, t) = xφ(∞)−Kφ(∞) = (x−K)+.

Es gilt nach dem Beweis von 10.32 fur (x, t) ∈]0,∞[×]0,∞[

1/2σ2x2 ∂2u∂x2 + rx∂u

∂x − ru = σx2√

tϕ(d+(x, t)) + rxφ(d+(x, t))

−rxφ(d+(x, t)) + rKe−rtφ(d−(x, t))

= σx2√

tϕ(d+(x, t)) + rKe−rtφ(d−(x, t)) = ∂u

∂t (x, t).

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Finanzmathematik II

(ii), (iii) limt↑T

v(x, t) = limt↑T

u(x, T − t) = limt↓0

u(x, t) =(i)

(x−K)+. Wegen (siehe 10.32)

∆(x, t) = ∂v∂x(x, t) = ∂u

∂x(x, T − t);

Γ(x, t) = ∂2v∂x2 (x, t) = ∂2u

∂x2 (x, T − t);

Θ(x, t) = ∂v∂t (x, t) = −∂u

∂t (x, T − t)

folgt zunachst (ii) aus (i) und dann (iii) aus (ii).

Im Folgenden wollen wir zeigen, dass die Preise vieler Claims der parabolischen partiellenDifferentialgleichung 10.33 (i) genugen. Zunachst treffen wir zum Nachweis dieser Aussageeinige Vorbereitungen.

10.34 Die Dichte der logarithmischen Normalverteilung

Sei X : Ω →]0,∞[ eine logarithmisch normalverteilte Zufallsgroße mit Parameternµ und σ2. Dann besitzt PX die Dichte

ψ(x) =1

xσϕ

(ln x− µ

σ

)1]0,∞[(x),

wobei ϕ die Dichte der N(0, 1)-Verteilung ist.

Beweis. Es ist PX |]−∞, x] = 0 fur x ≤ 0. Fur x > 0 gilt

P (X ≤ x) = P (lnX ≤ ln x) = φµ,σ2(ln x)

= 1√2πσ

ln x∫−∞

e− (y−µ)2

2σ2 dy.

Also ist die Ableitung von x 7→ PX(−∞, x] fur x > 0 gegeben durch

1√2πσ

1x exp(−1

2( ln x−µσ )2) = 1

xσϕ( ln x−µσ ).

Hieraus folgt die Behauptung, da x 7→ PX(−∞, x] stetig ist.

Wir betrachten, in Verallgemeinerung des Calls und Puts, einen nur vom Endkurs abhan-gigen Claim

C = f(ST ) ∈ L2(Q)

und wollen die Preisformel in 10.16 etwas expliziter angeben.

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Das Black-Scholes Modell

10.35 Nur vom Endkurs abhangige Claims

Wir betrachten im Black-Scholes Modell einen nur vom Endkurs abhangigen Claim

C = f(ST ) ∈ L2(Q)

mit Borel-messbarer Funktion f : [0,∞[→ R. Da C ∈ L2(Q) ist, gibt es nach 10.16einen Martingal-Hedge fur C und damit den eindeutig betimmten Preis

∫e−rTC dQ

des Claims. Fur diesen gilt

e−rT

∫f(ST )dQ =

e−rT

√2π

∫f(S0e

σ√

Ty+(r−σ2/2)T )e−y2

2 dy.

Beweis. Nach 10.9 (ii) gilt

(1) ST = S0eσBT +(r−σ2/2)T

mit

QBT= N(0, T ).

Somit erhalten wir∫f(ST )dQ =

∫f(S0 exp(σBT + (r − σ2/2)T )dQ

=∫f(S0 exp(σy + (r − σ2/2)T )QBT

(dy)

= 1√2πT

∫f(S0 exp(σy + (r − σ2/2)T )e−

y2

2T dy

=z=y/

√T

1√2π

∫f(S0 exp(σ

√Tz + (r − σ2/2)T )e−z2/2dz.

Aus 10.35 folgt fur Borel-messbares f : [0,∞[→ R mit |f(x)| ≤ c(1 + x)q fur c > 0, q > 0die Beziehung

(T) e−rT∫f i(ST )dQ = e−rT

√2π

∫f i(S0e

σ√

Ty+(c−σ2/2)T )e−y2

2 dy, fur i = 1, 2.

Nach 10.35 reicht es zu zeigen f(ST ), f2(ST ) ∈ L2(Q), und somit f4(ST ) ∈ L(Q).

Da f4 derselben Abschatzung wie f mit 4q an Stelle von q genugt, bleibt zu zeigenf(ST ) ∈ L(Q). Dies folgt, siehe den Beweis von 10.35, da∫

|f(ST )|dQ = 1√2π

∫|f |(S0 exp(σ

√Ty + (r − σ2/2)T )e−y2/2dy

und mit x := S0 fur geeignete c1, c2, c3 > 0 gilt

|f |(x exp(σ√Ty + (r − σ2/2)T )) ≤ c[1 + x exp(σ

√Ty + (r − σ2

2 )T ]q

≤ c(1 + c1 exp(c2|y|))q ≤ c3 exp(c2q|y|).Fur den Preis eines solchen Claims f(St) (oder fur einen mit f(St) ∈ L2(Q)) mit Laufzeitt und f(St) ∈ L2(Q) gilt also, wenn x = S0 ist

(10.36) u(x, t) = e−rt∫f(Sx

t )dQ = e−rt√

∫f(xeσ

√ty+(r−σ2/2)t)e−y2/2dy.

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Finanzmathematik II

Der Preis des Claims zur Zeit t mit Restlaufzeit T − t ist dann gegeben durch

u(St, T − t) = v(St, t).

Fur solche Claims lassen sich alle griechischen Buchstaben wie in 10.32 definieren, also

z.B. ∆ := ∂v∂x ,Γ := ∂2v

∂x2 ,Θ = ∂v∂t . Ist f hinreichend regular (siehe 10.37), so genugt der Preis

des Claims f(St) mit Laufzeit t derselben Black-Scholes Differentialgleichung wie ein Call.Die Anfangsbedingung aus 10.33 lautet hier nach 10.36 fur stetige f mit |f(x)| ≤ c(1+x)q

limt↓0

u(x, t) = limt↑T

v(x, T − t) = f(x).

Beim Call ist f(x) = (x −K)+ beim Put ist f(x) = (K − x)+. Fur Claims der GestaltC = f(ST ) mit geeigneten f wird also die Preisentwicklung v(St, t) = u(St, T − t) durchdieselbe partielle Differentialgleichung beschrieben wie bei einem Call, es andert sich nurdie Anfangsbedingung der Differentialgleichung, wie der folgende Satz zeigt.

10.37 Der Preis eines nur vom Endkurs abhangigen Claims genugt derBlack-Scholes Differentialgleichung

Seif : [0,∞[→ R stetig mit |f(x)| ≤ c(1+x)q fur ein c > 0 und ein q > 0. Setze fur(x, t) ∈]0,∞[×]0,∞[

u(x, t) := e−rt√

∫f(xeσ

√ty+(r−σ2/2)t)e−y2/2dy.

Nach Voruberlegung ist u(x, t) der Preis des Claims f(St) mit Laufzeit t und An-fangskurs x = S0. Es gilt

(PD) ∂u∂t (x, t) = 1

2σ2x2 ∂2u

∂x2 (x, t) + rx∂u∂x(y, t)− ru(x, t) auf ]0,∞[×]0,∞[.

(RB) limt↓0

u(x, t) = f(x) lokal gleichmaßig in x, d.h. fur jedes x0 > 0 und jede

δ-Umgebung Uδ(x0) ⊂]0,∞[ gilt

supx∈Uδ(x0)

|u(x, t)− f(x)| t↓0−→ 0.

Es ist u eine C2-Funktion auf ]0,∞[×]0,∞[, die wegen (RB) durch die Festsetzungu(x, 0) := f(x), zu einer stetigen Funktion auf ]0,∞[×[0,∞[ fortgesetzt wird.

Beweis. Zum Nachweis von (RB) sei Uδ(x0) ⊂]0,∞[. Wegen der Stetigkeit von f, reichtes zum Nachweis von (RB) zu zeigen

supx∈Uδ(x0)

|u(x, t)− e−rtf(x)| t↓0−→ 0,

und hierzu

(1) supx∈Uδ(x0)

|ertu(x, t)− f(x)| t↓0−→ 0.

Da ferner gilt

f(x) = 1√2π

∫f(x)e−y2/2dy,

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Das Black-Scholes Modell

reicht es zum Nachweis von (1) zu zeigen

supx∈Uδ(x0)

|∫

[f(x exp(σ√ty + (r − σ2/2)t| − f(x)]e−y2/2dy| t↓0−→ 0.

Wir zeigen hierzu scharfer, dass mit

g(t, y) = supx∈Uδ(x0)

|f(x exp(σ√ty + (r − σ2/2)t)− f(x)|e−y2/2

gilt

(2)∫g(t, y)dy

t↓0−→ 0.

Wegen der Stetigkeit von f gilt fur jedes feste y

(3) g(t, y)t↓0−→ 0.

Nun folgt (2) mit (3) aus dem Satz von Lebesgue, da es fur genugend kleine t, c1, c2, c3 > 0gibt, so dass fur alle x ∈ Uδ(x0) gilt

|f(x exp(σ√ty + (r − σ2/2)t)| ≤ c[1 + x exp(σ

√ty + (r − σ2/2)t))]q

≤ c(1 + c1 exp(c2|y|))q ≤ c3 exp(c3q|y|).

Zum Nachweis von (PD) beachte, dass nach 10.9 (ii)

Sxt = x exp(σBt + (r − σ2/2)t),

wegen ln(Sxt ) = ln(x) + σBt + (r − σ2/2)t, bzgl. Q logarithmisch normalverteilt ist, mit

Parametern (r − σ2/2)t+ lnx, σ2t. Also gilt nach 10.36 und 10.34

ertu(x, t) =10.36

∫f(Sx

t )dQ =10.34

∫∞0 f(u) 1

uσ√

tϕ( lnu−(lnx+(r−σ2/2)t)

σ√

t)du

= 1√2πσ

√t

∫∞0

f(u)u exp(− (ln u−(lnx+(r−σ2/2)t))2

2σ2t)du.

Man kann nun (PD) durch Differentiation unter dem Integralzeichen nachweisen, diehierfur benotigten Voraussetzungen sind erfullt.

Eine Umschreibung von 10.37 liefert (ahnlich wie 10.33 (ii) aus 10.33 (i) folgt):

(10.38) Setzt man in 10.37 wieder v(x, t) := u(x, T − t), so gilt:

v :]0,∞[×]−∞, T [→ R ist eine C2-Funktion die durch die Festsetzung

v(x, T ) := f(x)

zu einer stetigen Funktion auf ]0,∞[×]−∞, T ] fortgesetzt wird. Sie genugt derpartiellen Differentialgleichung

(PD) rv(x, t) = 1/2σ2x2 ∂2v∂x2 (x, t) + rx∂v

∂x(x, t) + ∂v∂t (x, t) auf ]0,∞[×]−∞, T [.

Wir zeigen, dass in der Situation des Satzes 10.35 fur quadratintegrierbare Claims C =f(ST ), der Werteprozess V IH

t eines Martingal-Hedges IH fur C durch den Preis des Claimszur Zeit t mit Restlaufzeit T − t gegeben ist. Es gilt also

(1) v(St, t) = V IHt P -f.s..

Aus (1) folgt insbesondere, dass der Wertprozess eines solchen Martingal-Hedges ein

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Finanzmathematik II

Markoff-Prozess ist, d.h. der Wertprozess V IHt hangt von der gesamten Vergangenheit

At bis zur Zeit t, nur uber den letzten Kurs St ab,

Beweis. Nach 10.15 ist

(2) V IHt = Q(e−r(T−t)C|At).

Zu (1): Es gilt nach 10.9 (ii)

St = S0eσBt+(r−σ2/2)t fur t ∈ [0, T ]

und somit

(3) ST = StSTSt

= Steσ(BT−Bt)+(r−σ2/2)(T−t).

Also erhalten wir

V IHt =

(2)Q(e−r(T−t)C|At) = Q(e−r(T−t)f(ST )|At)

=(3)

Q(e−r(T−t)f(Steσ(BT−Bt)+(r−σ2/2)(T−t))|At).

Nun ist St At-messbar und bzgl. Q ist BT −Bt von At-unabhangig (siehe 10.9 (ii)). Nacheinem Satz uber bedingte Erwartungswerte gilt dann mit

F (x, t) :=∫e−r(T−t)f(x ee(BT−Bt)+(r−σ2/2)(T−t))dQ,

(4) V IHt = F (St, t).

Wegen (4) ist fur (1) zu zeigen

(5) F (x, t) = v(x, t) = u(x, T − t).

Nun ist wegen QBT−Bt= N(0, T − t)

F (x, t) = 1√2π(T−t)

∫e−r(T−t)f(xeσy+(r−σ2/2)(T−t))e

− y2

2(T−t)dy

=z=y/

√T−t

e−r(T−t)√

∫f(xeσ

√T−t z+(r−σ2/2)(T−t))e−z2/2dz =

10.36u(x, T − t).

Also gilt (5) und damit ist (1) bewiesen.

Nach 10.37 genugen unter gewissen Voraussetzungen die Preise eines nur vom Endkursabhangigen Claims einer parabolischen partiellen Differentialgleichung, namlich der Black-Scholes Differentialgleichung. Unter welchen Bedingungen eine Losung der Black-ScholesDifferentialgleichung zur korrekten Preisfestsetzung und zu einem Hedge fuhrt, machendie folgenden Satze deutlich.

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Das Black-Scholes Modell

10.39 Bestimmung von selbstfinanzierenden Handelsstrategien

Wir betrachten das Black-Scholes Modell mit den Parametern r, µ, σ und Aktien-preisprozess

St = S0 exp((µ− σ2/2)t+ σBt).

Es seien h0, h1 :]0,∞[×[0, T ] → R stetig, mit stetigen partiellen Ableitungen ∂hi

∂x ,∂2hi

∂x2 ,∂hi

∂t auf ]0,∞[×[0, T [ fur i = 0, 1. h0 und h1 mogen den partiellen Differenti-algleichungen

x∂h1

∂y + ert ∂h0

∂x = 0

12σ

2x2 ∂h1

∂x + x∂h1

∂t + ert ∂h0

∂t = 0

auf ]0,∞[×[0, T [ genugen.

Setzt man fur t ∈ [0, T ]

H0t (ω) := h0(St(ω), t), H1

t (ω) := h1(St(ω), t),

so ist IH = (H0t , H

1t )t∈[0,T ] eine selbstfinanzierende Handelsstrategie.

Beweis. Wegen der Stetigkeit von h0, h1 uber [0,∞[×[0, T ] und der Stetigkeit vont → St(ω) sind [0, T ] 3 t → H0

t (ω) und [0, T ] 3 t → H1t (ω) stetig. Da H0

t und H1t

adaptiert sind, ist IH previsibel (analog zu 6.4).

Ferner gilt auf Grund der Stetigkeit von t → H0t (ω) und t → H1

t (ω) offenbar 10.4. Alsoist IH nach Definition 10.4 eine Handelsstrategie. Definiere nun v :]0,∞[×[0, T ] → Rdurch

(1) v(x, t) := h0(x, t)ert + xh1(x, t).

Dann giltV IH

t (ω) =Def.

H0t (ω)ert +H1

t (ω)St(ω)

=Def.

h0(St(ω), t)ert + St(ω)h1(St(ω), t),

=(1)

v(St(ω), t).

Wegen der Stetigkeit von IH ist V IHt stetig, und wegen der Stetigkeit der Integrale in

10.6 (iii) reicht es die Bedingung der Selbstfinanzierbarkeit in 10.6 (iii) fur t ∈ [0, T [nachzuweisen. Wir wenden daher die Ito-Formel 9.15 auf ]0,∞[×[0, T [ (an Stelle von O)an, und auf S1 = (St)t∈[0,T ], S

2 = (t)t∈[0,T ].

Nach einer Modifikation der Ito-Formel 9.15 gilt dann wegen [S1, S2] = [S2, S1] = 0 auf[0, T [×Ω

(2) dV IHt = dv

∂x(St, t) · dSt + ∂v∂t (St, t) · dt+ 1

2∂2v∂x2 (St, t) · d[S]t.

Nach 10.3 (i) gilt

St = S0 + µ∫ t0 Ssds+ σ

∫ t0 SsdBs.

Daher folgt

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Finanzmathematik II

(3) [S]t =9.3

[∫ t0 σSsdBs]t =

8.11

∫ t0 σ

2S2sds.

Aus (2) und (3) erhalten wir

(4) dV IHt = ∂v

∂x(St, t) · dSt + (∂v∂t (St, t) + σ2

2∂v2

∂x2 (St, t)S2t ) · dt.

Nach 10.6 ist zu zeigen

dV IHt = H0

t · dert +H1t · dSt

=Def.

h0(St, t)dert + h1(St, t) · dSt

= rh0(St, t)ert · dt+ h1(St, t) · dSt.

Diese Beziehung folgt aus (4), wenn wir zeigen auf ]0,∞[×[0, T [ gilt

(5) ∂v∂x = h1

(6) ∂v∂t + σ2

2 x2 ∂2v

∂x2 = rerth0(x, t).

Nach der Definition von v in (1) gilt auf ]0,∞[×[0, T [

(7) ∂v∂x = ∂h0

∂x ert + h1 + x∂h1

∂x .

Also ist (5) wegen (7) aquivalent zu

0 = ∂h0

∂x ert + x∂h1

∂x ;diese Gleichung ist aber nach Voraussetzung erfullt.

Zum Nachweis von (6) ist nach Definition von v in (1) zu zeigen

(8) ∂h0

∂t ert + rh0ert + x∂h1

∂t + σ2

2 x2[∂

2h0

∂x2 ert + ∂h1

∂x + ∂h1

∂x + x∂2h1

∂x2 ] = rerth0.

Differenzieren der Gleichung der ersten Voraussetzung nach x liefert

∂h1

∂x + x∂2h1

∂x2 + ert ∂2h0

∂x2 = 0.

Also bleibt fur (8) zu zeigen

∂h0

∂t ert + x∂h1

∂t + σ2

2 x2 ∂h1

∂x = 0.

Dies ist aber gerade unsere zweite Voraussetzung.

10.40 Losungen der Black-Scholes Differentialgleichung fuhren zuselbstfinanzierenden Handelsstrategien

Wir betrachten das Black-Scholes Modell mit den Parametern r, µ, σ und Aktien-preisprozess

St = S0 exp(σBt + (µ− σ2/2)t).

Es sei v :]0,∞[×[0, T ] → R stetig mit stetigen partiellen Ableitungen ∂v∂x ,

∂2v∂x2 ,

∂v∂t

auf ]0,∞[×[0, T [. v erfulle auf ]0,∞[×[0, T [ die PD

r v(x, t) = 1/2σ2x2 ∂2v∂x2 (x, t) + rx∂v

∂x(x, t) + ∂v∂t (x, t).

Setzt man h0 := e−rt(v − x∂v∂x), h1 := ∂v

∂x und ist ∂v∂x stetig auf ]0,∞[×[0, T ] fort-

setzbar, so liefert h0(St(ω), t), h1(St(ω), t), t ∈ [0, T ] eine selbstfinanzierende Han-delsstrategie mit Werteprozess Vt = v(St, t), t ∈ [0, T ].

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Das Black-Scholes Modell

Beweis. Es ist fur t ∈ [0, T [, ω ∈ Ω

Vt(ω) = h0(St(ω), t)ert + h1(St(ω), t)St(ω)

=(Def.)

v(St(ω), t)− St(ω)∂v∂x(St(ω), t) + ∂v

∂x(St(ω), t)St(ω)

= v(St(ω), t).

Wegen der Stetigkeit von h0, h1 und v auf ]0,∞[×[0, T ] gilt obige Gleichung auch auf]0,∞[×[0, T ]. Da h0(St(ω), t), h1(St(ω), t), t ∈ [0, T ] Handelsstrategien sind (siehe 10.4),folgt wiederum aus der Stetigkeit von h0, h1 auf ]0,∞[×[0, T ]. Es verbleibt die Selbstfinan-zierung der Handelsstrategie nachzuweisen. Man benutzt, dass v als Losung der betrachte-ten Differentialgleichung partielle Abbleitung beliebiger Ordnung auf ]0,∞[×[0, T [ besitztund kann daher Satz 10.39 anwenden.Hierzu bleiben die beiden Diffrentialgleichungen zuzeigen. Es gilt

x∂h1

∂x + ert ∂h0

∂x =Def.

x∂2v∂x2 + erte−rt(∂v

∂x −∂v∂x − x∂2v

∂x2 ) = 0.

Wegen der als gultig vorausgesetzten Differentialgleichung fur v gilt ferner auch die zweiteDifferentialgleichung von 10.39

1/2σ2x2 ∂h1

∂x + x∂h1

∂t + ert ∂h0

∂t =

= 1/2σ2x2 ∂2v∂x2 + x ∂2v

∂t∂x + ert(−re−rt)(v − x∂v∂x)+

+erte−rt(∂v∂t − x ∂2v

∂tdx)

= 12σ

2x2 ∂2v∂x2 − r(v − x∂v

∂x) + ∂v∂t

= 12σ

2x2 ∂2v∂x2 + rx∂v

∂x − rv + ∂v∂t =

P.D.0.

Sei f :]0,∞[→ R stetig. Zur Berechnung des Preises eines Claims der Form C = f(ST ),versucht man die Black-Scholes Differentialgleichung mit einem stetigen v :]0,∞[×[0, T ] →R und v(x, T ) = f(x) zu losen. (10.37 gibt ein Beispiel wo dies moglich ist). Gelingt dies

mit stetigem ∂v∂x :]0,∞[×[0, T ] → R, so erhalten wir v(S0, 0) fur den Preis des Claims

f(ST )(= v(ST , T )) = V HT nach 10.40. H ist also ein Hedge fur C = f(ST ).

Nach 10.40 ist der Hedge H durch h0(St(ω), t), h1(St(ω), t) mit h0 = e−rt(v − ∂v∂x) und

h1 = ∂v∂x gegeben. ∂v

∂x war als Delta des Claims bezeichnet worden.

Betrachten wir den Call, so ist

h1(St(ω), t) = ∂v∂x(St(ω), t) =

10.32(i)φ(d+(St(ω), T − t))

h0(St(ω), t)10.28=

10.32e−rt[Stφ(d+(St(ω), T − t))−Ke−r(T−t)φ(d−(St(ω), T − t))

−Stφ(d+(St(ω), T − t))] = −Ke−rTφ(d−(St(ω), T − t)).

Allerdings ist ∂v∂x nicht stetig auf ]0,∞[×[0, T ] fortsetzbar.

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