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Thorsten Gromes

VorlesungOrdnungen des Politischen

14. Mai 2010

Vergleichende Politikwissenschaft II:

Transformation und Revolution, Demokratisierung und

Konsolidierung von Demokratie

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Vergleichen in der Wissenschaft

• Wissenschaft heißt ordnen,

• ordnen heißt vergleichen,

• Vergleiche ermitteln Unterschiede und

Gemeinsamkeiten,

• vergleichen und gleichsetzen sind nicht das Gleiche,

• nur nach Vergleichen kann man Demokratie definieren

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Demokratie

„Regierung des Volkes,

durch das Volk,

für das Volk.“

Abraham Lincoln

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4Mittelweite Definition

von Demokratie

1. Parlament und Regierung gehen aus wirksamen, freien

und fairen Wahlen hervor.

2. Bürger genießen Rechte und Freiheiten.

3. Rechtsstaatlichkeit und Gewaltenteilung.

4. Zugang zu pluralistischen und vom Staat unabhängigen

Medien.

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5Achsen zur Unterscheidung von

Demokratietypen

• Geltungsbereich (nur „Politik“ oder auch Wirtschaft u.a.)

• Entscheidungsträger (demos oder Repräsentanten)

• Entscheidungsregel (Mehrheits- oder Konsensprinzip)

• Wahlsystem (Mehrheits- oder Verhältniswahl)

• Struktur der Exekutive und Legislative (parlamentarisch

oder präsidentiell)

• Staatsstruktur (zentralistisch oder föderalistisch)

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6Demokratietypen

nach Arend Lijphart

Demokratie

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Mehrheitsdemokratie Konsensdemokratie

Konkordanz-

demokratie

Andere

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7Transformation

nach Wolfgang Merkel

Oberbegriff für alle Formen und Aspekte

des Systemwandels und Systemwechsels

7

oft abrupte, stets

grundsätzliche Änderung

der Herrschaftsstruktur

und des

Herrschaftsanspruchs

allmählicher, begrenzter

Wandel der Funktions-

weisen und Strukturen

eines Systems, kann im

Systemwechsel enden

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Politische Revolution

• Umsturz eines politischen Systems

• oft sehr rasch

• nicht notwendigerweise gewaltsam

8

gewaltsam gewaltlos

Iran 1979

Nicaragua 1979

Rumänien 1989

Philippinen 1986

DDR 1989

Tschechoslowakei 1989/90

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Revolution allgemein

Radikale Umwälzung einer bestehenden Ordnung

Beispiele gesellschaftlicher Revolutionen

• Industrielle Revolution

• Sexuelle Revolution

• Grüne Revolution (in der Landwirtschaft)

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Richtungen der Transformation

Autokratie

-10 bis -6

Anokratie

-5 bis 5

Demokratie

6 bis 10

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Themen der Sitzung

• Demokratisierung

• Konsolidierung von Demokratie

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Definition Demokratisierung

Wandel hin zu einer Demokratie

a) Eine vollständig ausgeprägte Demokratie entsteht.

b) Demokratie wird nur zum Teil eingeführt.

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13Wie kommt es zur Demokratisierung?

• von alter Elite gelenkt

• von unten erzwungen

• zwischen altem Regime und Opposition ausgehandelt

• von außen angestoßen oder erzwungen, z.B.

- nach Niederlage in einem zwischenstaatlichen Krieg

- durch eine Friedensmission nach einem Bürgerkrieg

Typologie fokussiert auf den Akteur

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14Wieso kommt es

zur Demokratisierung?

Theoretische Reise

von Systemen und Strukturen

über Konflikte und Kulturen

zu Akteuren und deren Handlungen

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15Angelehnt an die Systemtheorie

von Niklas Luhmann

• Moderne Gesellschaften sind funktional differenziert.

• Sie besitzen Teilsysteme wie Wirtschaft, Recht,

Wissenschaft und Politik.

• Die Subsysteme operieren mit besonderen

Programmen und Codes, die eine effiziente

Problembearbeitung und die Reproduktion des

Teilsystems sichern.

• Ein Teilsystem kann nicht durch ein anderes ersetzt

oder gesteuert werden, auch nicht durch die Politik.

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16Angelehnt an die Systemtheorie

von Niklas Luhmann

• Versucht die Politik, andere Teilsysteme zu steuern,

- nimmt sie diesen die Fähigkeit, Informationen zu

verarbeiten,

- senkt sie deren Fähigkeiten zur Problembehebung,

- mindert sie deren Leistung bis hin zu dem Punkt,

dass diese ihren Zweck nicht mehr erfüllen können.

• Funktionskrisen eines Systems schlagen auf andere

Teilsysteme und damit auch auf die Politik durch.

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17Kritik systemtheoretischer Ansätze

nach Niklas Luhmann

• Luhmann prognostizierte den Kollaps der

kommunistischen Regime in Osteuropa.

Aber:

• Angelehnte Theorien führen nicht aus, wie

Funktionskrisen Demokratisierung bewirken.

• Demokratie schließt keinesfalls aus, dass die Politik

andere Teilsysteme zu steuern versucht.

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18Streuung von Machtressourcen

(nach Tatu Vanhanen)

Machtressourcen

• ökonomische Ressourcen

• Wissen und Fertigkeiten

• Mittel des physischen Zwangs

Eine Konzentration dieser Machtressourcen bewirkt

Autokratie, Streuung führt zur Demokratisierung.

Aufgrund breiter Verteilung kann keine Gruppe eine

andere dauerhaft unterdrücken.

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19Probleme mit der Theorie der

Streuung von Machtressourcen

• Wie genau ziehen verstreute Machtressourcen

Demokratisierung nach sich?

• Wodurch werden Machtmittel breit verteilt?

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20Modernisierung

(nach Seymour Martin Lipset)

Modernisierung verstreut die Quellen von Macht,

Wohlstand und Status.

Modernisierung umfasst:

• Industrialisierung

• Urbanisierung

• steigenden Bildungsgrad

• Verbreitung von Massenmedien

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21Modernisierung

(nach Seymour Martin Lipset)

Urbanisierung und höhere Bildung

• lösen überkommene soziale, ökonomische und

psychologische Bindungen auf,

• fördern Offenheit und Toleranz

Höhere Bildung und Massenmedien

• fördern Interesse an Politik,

• lassen den Wunsch nach Partizipation wachsen

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22Modernisierung

(nach Seymour Martin Lipset)

Wachsender Wohlstand entschärft den Klassenkampf

• Unterschichten können sich graduelles Vorgehen

erlauben

• Oberschichten schauen weniger auf Mittelschichten

herab

Fazit: Je wohlhabender eine Gesellschaft, desto größer die

Aussicht, dass sich eine Demokratie entfaltet und hält.

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Kritik der Modernisierungstheorie

• Umwälzungen und Auflösung alter Bindungen führen zu

Konflikten zwischen Ethnien oder Nationen, sodass die

Demokratisierung blockiert bleibt.

• Es gab und gibt sehr arme Demokratien (z.B. Indien).

• Auch in reichen Staaten brach die Demokratie

zusammen (z.B. Deutschland).

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Arbeit in den Nachbarschaftsgruppen

Gemeinhin heißt es,

wirtschaftlicher Erfolg stabilisiere eine Demokratie.

Erörtern Sie im Lichte der Modernisierungstheorie,

ob ein solcher Erfolg

auch Autokratien stabilisiert.

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Konstellation von Klassen

nach Barrington Moore sowie Dietrich Rueschemeyer u.a.

• Modernisierung bringt nicht notwendigerweise

Demokratisierung

• Über das Regime entscheiden vielmehr

Kräfteverhältnisse und Bündnisstrukturen der sozialen

Klassen

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Konstellation von Klassen

• Kapitalistische Entwicklung stärkt organisierte

Arbeiterklasse und schwächt die alte Oberschicht, d.h.

die Großgrundbesitzer.

• Von allen Klassen wenden sich die Großgrundbesitzer

am stärksten gegen die Demokratisierung.

• Die Arbeiterklasse braucht Verbündete, um Demokratie

durchzusetzen.

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Konstellation von Klassen

• „Ohne Bourgeoisie keine Demokratie“ (Moore).

• Bourgeoisie fördert Demokratisierung nur, wenn sie

- wirtschaftlich unabhängig von den

Großgrundbesitzern agiert und sich nicht mit diesen

gegen die Arbeiter und Bauern verbündet,

- die Forderungen der Arbeiter und Bauern nach

politischer und ökonomischer Teilhabe nicht als

bedrohlich empfindet.

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28Kritik der Theorie der

Konstellation von Klassen

• Klassen werden als homogene Akteure gesehen.

• Erklärt nicht, wie es in Gesellschaften ohne die

beschriebenen Klassenstrukturen zur Demokratisierung

kommt.

• Unterschätzt Rolle horizontaler, kommunalistischer

Konfliktlinien wie Ethnie oder Nation.

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Politische Kultur

Definition:

• Gesamtheit aller individuellen Einstellungen und Werte

zum politischen Handeln, insbesondere zum politischen

System und zur eigenen Rolle in diesem.

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30Politische Kultur

(nach Robert Dahl)

Es behindert oder blockiert die Demokratisierung, wenn die

politische Kultur

a) Konflikt pauschal als ein Übel sieht und stets Konsens

wünscht, denn Demokratisierung bedeutet, Wettbewerb

und Konflikt einzuführen;

b) Politik als grenzenlosen Konflikt ohne Chance auf

Kompromiss versteht, denn die Konfliktform Demokratie

verlangt einen Grundkonsens über die Spielregeln des

Politischen.

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Arbeit in den Nachbarschaftsgruppen

Erörtern Sie folgende These:

„Demokratisierung basiert vor allem

auf einem christlich-jüdischen Erbe

und bleibt daher vornehmlich

westlichen Gesellschaften vorbehalten.“

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32Unauflösbare Konflikte

als Anstoß der Demokratisierung

Nach Dankwart Rustow

These:

• lange, unentschiedene Konflikte können

Demokratisierung auslösen

Voraussetzungen:

• Die Konfliktparteien (zum Beispiel soziale Klassen)

erkennen an, dass sie einen Konflikt austragen, der

weiterhin bestehen bleibt.

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33Unauflösbare Konflikte

als Anstoß der Demokratisierung

Voraussetzungen:

• Die Einsicht in die Unauflösbarkeit des Konflikts weckt

den Wunsch nach Verfahren zum konstruktiven Umgang

mit diesem Streit.

• Demokratisierung erfolgt aber nur, wenn die

Konfliktparteien eine „Unterschiedlichkeit in Einheit“

sehen.

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34Unauflösbare Konflikte

als Anstoß der Demokratisierung

• Eine erfolgreiche Demokratisierung setzt daher voraus,

dass die Konfliktparteien den gemeinsamen Staat

akzeptieren.

• Scharfe Konflikte zwischen Ethnien führen deshalb eher

zu Sezession(skriegen) als zur Demokratisierung.

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35Akteurstheoretischer Ansatz

(nach Adam Przeworski)

Ausgangspunkt:

• Konflikt in herrschender Elite zwischen radikalen

Bewahrern und Reformern

• Opposition mit einem radikalen und einem moderaten

Flügel

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36Akteurstheoretischer Ansatz

(nach Adam Przeworski)

Demokratisierung als Folge von Fehlwahrnehmungen

• Radikale Bewahrer sehen Reformer-Elite nicht als

systembedrohend.

• Reformer des Regimes glauben, durch begrenzte

Reformen das alte System retten und einen

Systemwechsel zur Demokratie verhindern zu können.

• Die moderate Opposition sieht bei der Reform-Elite

Bereitschaft zum Systemwechsel.

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37Akteurstheoretischer Ansatz(nach Adam Przeworski)

• Es kommt zur Öffnung des Regimes.

• Diese löst eine Dynamik aus, welche die herrschenden

Eliten nicht kontrollieren können. Die Opposition sieht

ein Fenster der Gelegenheit und nutzt den gewonnenen

Freiraum zur politischen Mobilisierung.

• Darauf folgt entweder

a) eine massive Repression, welche die Öffnung

zurücknimmt oder

b) ein großer Demokratisierungsschub

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38Akteurstheoretischer Ansatz

(nach Adam Przeworski)

• Erfolgreiche Demokratisierung oft bei Pakten zwischen

den Reformern des alten Regimes und der moderaten

Opposition.

• Ein solcher Pakt reduziert für beide Seiten die Risiken.

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39Demokratisierung und rationale Wahl

bei der herrschenden Elite

• Welche Kosten und welcher Nutzen gehen damit einher,

dass alte System mittels Repression aufrechtzuerhalten?

„Folgen die Sicherheitskräfte dem Befehl, die

Opposition niederzuschlagen?“

„Wie stehen die Chancen, einen etwaigen Bürgerkrieg

zu gewinnen?“

„Gibt es Alternativen, der Opposition Wind aus den

Segeln zu nehmen, etwa indem man eine

außenpolitische Krise schürt?“

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40Demokratisierung und rationale Wahl

bei der herrschenden Elite

• Welche Kosten und welchen Nutzen entstehen für Sie

aus einem Systemwechsel?

„Werde ich nach einem Systemwechsel inhaftiert oder

hingerichtet?“

„Was wird aus meinem Eigentum?“

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41Demokratisierung und rationale Wahl

bei der herrschenden Elite

Daher wird empfohlen,

den Eliten des autokratischen Regimes

einen „Goldenen Fallschirm“ zu geben,

damit diese sanft in der Demokratie landen

und die Demokratisierung nicht bekämpfen.

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42Demokratisierung und rationale Wahl

bei Oppositionellen

Nehme ich an einer Demonstration teil?

„Ich allein mache keinen politischen Unterschied.

Allerdings trage ich das Risiko verhaftet, verletzt oder

getötet zu werden.“

„Setzt sich die Opposition durch, werde ich die Vorteile

der Demokratie genießen, auch wenn ich jetzt kein

Risiko eingehe.“

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43Demokratisierung und rationale Wahl

bei Oppositionellen

Wesentlich:

• Die Opposition schafft es durch Masse, das Risiko des

Einzelnen drastisch zu reduzieren.

• Werden Proteste nicht niedergeschlagen, scheinen ihre

Kosten geringer, sodass mehr Menschen teilnehmen.

• Mit Größe der Demonstrationen steigen die Kosten und

Risiken der Repression.

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44Synthese aus

strukturalistischen und Handlungstheorien

• Strukturelle Bedingungen bestimmen die Möglichkeiten

und Einschränkungen des politischen Handelns, sie

determinieren aber nicht die Entscheidungen.

• Ohne Blick auf die Situationen und Entscheidungen der

Schlüsselakteure lassen sich Transformationen nicht

erklären.

• In Transformationsprozesse sind Institutionen und

Normen zeitweise verflüssigt, sodass die Akteure vor

erweiterten Handlungsmöglichkeiten stehen.

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Demokratien sind nicht unsterblich

• Wie vor allem die Zwischenkriegszeit in Europa zeigte,

können auch Demokratien zusammenbrechen.

• Daher interessiert sich die Debatte über die

Konsolidierung von Demokratie dafür, wie man diese

Herrschaftsform vor einer Transformation zur Ano- oder

Autokratie bewahren kann.

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46Definition Konsolidierung

von Demokratie

Eine Demokratie so weit festigen, dass ihr

Zusammenbruch unmöglich oder zumindest sehr

unwahrscheinlich wird.

Voraussetzung einer solchen Konsolidierung:

Es besteht eine vollständig ausgeprägte Demokratie.

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Begriffliche Abgrenzungen

Demokratisierung:

Entstehen einer Demokratie

Konsolidierung von Demokratie:

Stabilisieren einer existierenden Demokratie.

Qualifizierung von Demokratie:

Vertiefen einer bestehenden Demokratie.

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Wann ist eine Demokratie konsolidiert?

Nach zwei Regierungswechseln (Samuel P. Huntington)

Machtübergaben als kritischste Momente

beide Lager weisen nach, dass sie sich auch nach einer

Niederlage an demokratische Regeln halten

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Wann ist eine Demokratie konsolidiert?

Probleme mit Huntingtons Konzept:

• Es kann mehr als zwei Konfliktparteien geben.

• Wer Regeln einmal einhält, respektiert diese noch lange

nicht grundsätzlich.

• Eine Demokratie kann auch konsolidiert sein, wenn eine

Regierung nicht abgewählt wurde.

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50Demokratie ist konsolidiert, wenn sie

„the only game in town“ ist

Nach Juan Linz und Alfred Stepan

Verhaltensmäßige Konsolidierung:

• In keiner Demokratie handeln alle Individuen im Einklang

mit demokratischen Prinzipien.

• Ausreichend: Keine bedeutende politische Gruppe

versucht, die Demokratie zu stürzen oder mit Gewalt

eine Sezession zu erreichen.

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51Demokratie ist konsolidiert, wenn sie

„the only game in town“ ist

Einstellungsmäßige Konsolidierung:

• Selbst in schweren politischen oder ökonomischen

Krisen hält eine überwältigende Mehrheit an der

Demokratie fest.

Verfassungsmäßige Konsolidierung:

• Alle (wichtigen) politischen Akteure haben sich daran

gewöhnt, Konflikte nach bestimmten Regeln

auszutragen, und wissen, dass ein Bruch ineffektiv und

kostenreich wäre.

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Arbeit in den Nachbarschaftsgruppen

Erörtern Sie, ob die Demokratie in Deutschland „the only

game in town“ ist!

Kriterien:

1. Keine bedeutende Gruppe will die Demokratie stürzen.

2. Auch in Krisen bejaht die große Mehrheit die

Demokratie.

3. Demokratischer Konfliktaustrag ist Routine; die Regeln

zu brechen, gilt als wenig aussichtsreich.

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5353Rausschmeißer

You say you want a revolution

Well you know

We all want to change the world

You tell me that it‘s evolution

Well you know

We all want to change the world

But when you talk about destruction

Don‘t you know that you can count me out

John Lennon / Paul McCartney

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5454

Aufgaben zur Nachbereitung

1. Wenden Sie die vorgestellten Demokratisierungstheorien auf den

Systemwechsel in der DDR an.

2. Sie sind ein autokratischer Herrscher und haben erfahren, wieso

Autokratien zusammenbrechen. Was tun Sie, um Ihre Herrschaft

zu erhalten?

3. Sie sind Präsident Obamas BeraterIn für Demokratieförderung.

Was schlagen Sie vor, um die weltweite Verbreitung von

Demokratie zu fördern?