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Erdbeben-Sicherung nicht tragender Gebäudeelemente und Installationen ENTWURF 17.03.2011/TS 1/6 243/2006-01339/15/06/I211-3470 Erdbeben - Sicherung nicht tragender Gebäudeelemente und Installationen 1.1 Einleitung Am 18. Oktober des Jahres 1356 etwa um vier Uhr nachmittags begann das berühmte Basler Erdbeben, das stärkste, das in historischer Zeit in Zentraleuropa dokumentiert wurde. Gemäss Überlieferung stürzten gleich viele Häuser und der Chor des Basler Münsters ein. Die Bewohner der Stadt flüchteten von Panik ergriffen aufs offene Feld. Abends bis Mitternacht folgten weitere, schwerere Nachbeben. Schäden wurden bis in 50 Kilometer Entfernung festgestellt. Die ganze Stadt geriet anschliessend in Brand. Das Feuer hat über eine Woche lang gewütet. Fast alle Kirchen der Stadt sowie vierzig nahe liegenden Burgen wurden beschädigt. Bild 1: Die Darstellung des Erdbebens von Basel (Karl Jauslin) Trotz der geringen Seismizität sind in der Schweiz grosse Erdbeben wie das Basler Beben auch in Zukunft möglich. Der Grund dafür ist die anhaltende Kollision zwischen der nach Norden driftenden Afrikanischen und der Europäischen Platte, ein Prozess, der auch für die Entstehung der Alpen verantwortlich ist. Die Kollisionskräfte führen zu einer zunehmenden Spannung in der Erdkruste. Sobald die Scherfestigkeit des Gesteins nicht mehr ausreicht, kommt es zu einem Bruch, bei welchem sich zwei Schollen entlang einer Verwerfung ruckartig gegeneinander verschieben. Ein Teil der entstehenden Energie wird in Schwingungsenergie seismischer Wellen umgewandelt, welche sich dann in alle Richtungen ausbreiten und an der Erdoberfläche entsprechend der Grösse des Erdbebens Schaden anrichten können. Was müssten wir in der Region Basel erwarten, wenn sich heute ein starkes Erdbeben ereignen würde? Gemäss Schätzungen würde der Gesamtschaden an Gebäuden, inklusive Verluste an Einrichtungen, Infrastrukturbauten und den Folgekosten durch Todesfälle, Verletzungen, Produktionsausfall und Umweltschäden mehrere Milliarden Franken ausmachen.

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Erdbeben - Sicherung nicht tragender Gebäudeelemente und Installationen

1.1 Einleitung Am 18. Oktober des Jahres 1356 etwa um vier Uhr nachmittags begann das berühmte Basler Erdbeben, das stärkste, das in historischer Zeit in Zentraleuropa dokumentiert wurde. Gemäss Überlieferung stürzten gleich viele Häuser und der Chor des Basler Münsters ein. Die Bewohner der Stadt flüchteten von Panik ergriffen aufs offene Feld. Abends bis Mitternacht folgten weitere, schwerere Nachbeben. Schäden wurden bis in 50 Kilometer Entfernung festgestellt. Die ganze Stadt geriet anschliessend in Brand. Das Feuer hat über eine Woche lang gewütet. Fast alle Kirchen der Stadt sowie vierzig nahe liegenden Burgen wurden beschädigt.

Bild 1: Die Darstellung des Erdbebens von Basel (Karl Jauslin) Trotz der geringen Seismizität sind in der Schweiz grosse Erdbeben wie das Basler Beben auch in Zukunft möglich. Der Grund dafür ist die anhaltende Kollision zwischen der nach Norden driftenden Afrikanischen und der Europäischen Platte, ein Prozess, der auch für die Entstehung der Alpen verantwortlich ist. Die Kollisionskräfte führen zu einer zunehmenden Spannung in der Erdkruste. Sobald die Scherfestigkeit des Gesteins nicht mehr ausreicht, kommt es zu einem Bruch, bei welchem sich zwei Schollen entlang einer Verwerfung ruckartig gegeneinander verschieben. Ein Teil der entstehenden Energie wird in Schwingungsenergie seismischer Wellen umgewandelt, welche sich dann in alle Richtungen ausbreiten und an der Erdoberfläche entsprechend der Grösse des Erdbebens Schaden anrichten können. Was müssten wir in der Region Basel erwarten, wenn sich heute ein starkes Erdbeben ereignen würde? Gemäss Schätzungen würde der Gesamtschaden an Gebäuden, inklusive Verluste an Einrichtungen, Infrastrukturbauten und den Folgekosten durch Todesfälle, Verletzungen, Produktionsausfall und Umweltschäden mehrere Milliarden Franken ausmachen.

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1.2 Problemstellung und Zielsetzung Im europäischen Vergleich gehört die Schweiz zu den Ländern mit einer mittleren Erdbebengefährdung. Diese Gefährdung wird als die Wahrscheinlichkeit des Erdbebens einer bestimmten Stärke innerhalb eines festgelegten Zeitraumes definiert. Hingegen wird das Erdbebenrisiko in der Schweiz als relativ hoch eingestuft. Der Grund dafür liegt in der dichten Besiedlung, der hohen Sachwert der vorhandenen Infrastruktur und ihrer Verletzbarkeit.

Bild 1: Erdbebenrisiko in der Schweiz und ihre Einflussfaktore (Quelle: Schweizerischer Erdbebendienst). Das unbestrittene Hauptziel der erdbebensicheren Planung und Ausbildung der Bauwerke ist das Vermeiden von Personenschäden, die durch den Einsturz von Bauwerken durch Überbeanspruchung der Tragstruktur verursacht werden kann. Die Bauwerke bestehen jedoch nicht nur aus der reinen Tragstruktur. Neben den tragenden Elementen wie z.B. Decken, Stützen, Träger, Wände sind noch zahlreiche nicht tragende Gebäudeteile und Installationen wie Elemente des Innenausbaus, Haustechnikeinrichtungen, aber auch Fassaden vorhanden, die mit der Tragstruktur verbunden sind. Schon bei kleineren, für die Haupttragstruktur eigentlich ungefährlichen Erdbeben können relevante Schäden an nicht tragenden Elementen auftreten.

Bild 2: Typische Schäden an den nicht tragenden Gebäudeelementen. Links: Eingestürzte untergehängte Decke. Rechts: Umgefallene Einrichtung in einem Bürogebäude In der Praxis wird dem Problem der Erdbebensicherheit der nicht tragenden Gebäudeelemente und Installationen leider nicht die notwendige Aufmerksamkeit geschenkt. Die Problematik der Schäden an den nicht strukturellen Gebäudeteilen ist nicht breit bekannt und wird deshalb unterschätzt. Aus diesem Grund wird die Notwendigkeit der Erdbebensicherung der nicht tragenden Gebäudeelemente selten erkannt. Es wird auch übersehen, dass die erdbebengerechte Ausbildung der nicht tragenden Gebäudeelemente und Installationen für die Aufrechterhaltung der Nutzung eines Bauwerkes nach

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einem (kleineren) Erdbeben sehr grosse Bedeutung hat. In der Regel kann man schon mit kleinen Investitionen einen hohen Sicherheitsgewinn erreichen. Die Analysen der heutigen Situation, die im Rahmen des Massnahmenprogramms des Bundes zur Erdbebenvorsorge geführt wurden, haben zur Erkenntnis geführt, dass die aktuellen Grundlagen der erdbebengerechter Ausbildung der nicht tragenden Gebäudeteile nicht ausreichend sind. Es fehlt erstens die Klarheit, welche Gebäudeteile überhaupt betrachtet werden müssten. Zweitens werden zurzeit weder die Vorgehensweise noch die Zuständigkeiten bei der Betrachtung der nicht tragenden Gebäudeteile klar geregelt. Diese Mängel sollten nun mit der vorliegenden BAFU Publikation behoben werden. Dabei wurden die folgenden Ziele gesetzt:

• Die Publikation spricht vor allem Architekten, Bauherren und deren Vertreter, Eigentümer und Personen aus dem Baufachgewerbe an. Diese Zielgruppe wird auf die Problematik der nicht tragenden Gebäudeteile sensibilisiert.

• Die ganze Vielfalt der nicht tragenden Gebäudeelemente wird systematisch betrachtet. Dabei

werden für jede Gruppe die verschiedenen Möglichkeiten der erdbebengerechten Ausbildung aufgezeigt.

• Es werden pragmatische und anwendbare Vorgehensweisen für die verschiedenen

Projektphasen vorgeschlagen. Dabei wird auch die Frage der Zuständigkeiten zwischen Bauherren, Architekten und Fachplanern angesprochen.

• Die Publikation zeigt auch die Normen und Berechnungsmethoden auf, die aktuell bei der

Bemessung der nicht tragenden Gebäudeelemente zur Anwendung kommen.

1.3 Abgrenzung Die Publikation behandelt die wichtigsten Gruppen der nicht tragenden Elemente. Die meisten Elemente, wie z.B. Trennwände, kommen sehr häufig vor und sind in praktisch allen Gebäuden vorhanden. Die nicht tragenden Elemente können nicht unabhängig vom Gebäude betrachtet werden. Je nach Typ und die Funktion des Gebäudes können für die gleichen Elemente ganz unterschiedliche Anspruche an die Schadenbegrenzung resultieren. Als Beispiel kann eine durch ein Erdbeben beschädigte Wasserleitung in einem Spital und in einem Wohnhaus dienen. Die Publikation erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Bei Bauwerken, die der Störfallverordnung unterliegen, sind die Anforderungen an die nicht tragenden Elemente in der Regel zu spezifisch oder zu komplex, um an dieser Stelle behandelt zu werden.

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1.4 Frage der Verantwortlichkeit

1.4.1 Definition der nicht tragenden Gebäudeelementen und Installationen

Um die Frage der Verantwortlichkeit zu klären müssen zuerst die nicht tragenden Gebäudeelemente definiert werden. Gemäss Norm SIA 260 "Grundlagen der Projektierung von Tragwerken" wird ein Bauwerk als "von Bauarbeiten herrührendes Werk, im Allgemeinen bestehend aus Tragwerk und nicht tragenden Bauteilen" definiert. Gemäss dieser Beschreibung könnten die Bauteile, die in der Rohbauphase eingebaut werden und nicht zum Tragwerk gehören, als nicht tragende Bauteile bezeichnet werden. Es ist aber klar ersichtlich, dass diese Definition allein nicht ausreichend ist, weil z.B. die Einrichtung nicht berücksichtigt wird. Die vollständige Definition ist: Die nicht tragenden Gebäudeelemente sind alle Teile des Gebäudes, die nicht zum Tragwerk gehören. Damit gehören alle im Gebäude vorhandene Einrichtungsgegenstände (inkl. Inhalt) sowie Installationen dazu.

1.4.2 Rolle des Bauherren

Rechtliche Verantwortung des Werkeigentümers Der Bauherr als Werkeigentümer trägt eine besondere Verantwortung für das Bauwerk. Die heutige Rechtsprechung legt folgendes fest: „Der Eigentümer eines Gebäudes oder eines andern Werkes hat den Schaden zu ersetzen, den diese infolge von fehlerhafter Anlage oder Herstellung oder von mangelhafter Unterhaltung verursachen“ (OR Art. 58.1). Die Werkeigenümerhaftung verjährt nicht und gilt auch, wenn der Werkmangel auf Zufall oder Drittverschulden herrührt. Allerdings bleibt dem Eigentümer der Rückgriff auf andere, die ihm hierfür verantwortlich sind, vorbehalten (OR Art. 58.2) Bei der Beurteilung des Anspruchs auf Schadenersatz wird nicht der Herstellungstag (Inbetriebnahme des Bauwerkes) sondern der der Tag, an dem der Schaden aufgetreten ist (Unfalltag) massgebend (OR Art. 60.1). Für den Werkeigentümer bzw. Bauherrn gibt es keine Haftungsbefreiung durch Berufung auf Unverhältnismässigkeit von Sicherungsmassnahmen. Verantwortung bei Sachschaden oder Beeinträchtigung der Funktionalität Schon kleine Erdbebenereignisse, die für die Tragstruktur noch nicht relevant sind, können grosse Schäden an nicht tragenden Elementen und Installationen verursachen. Der Bauherr muss in eigener Verantwortung die Elemente, die für die Funktionalität nach einem Beben notwendig sind, definieren. Gleichzeitig können auch die Elemente und Installationen festgelegt werden, die nicht als kritisch angesehen werden (wenn Schäden akzeptiert werden können).

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Die kritischen Elemente können entweder durch geeignete Massnahmen erdbebengerecht ausgebildet werden, oder die Funktionstüchtigkeit muss mit anderen Mitteln erreicht werden (z.B. zusätzliche Notstromversorgung) Bei Sachschäden steht dem Werkeigentümer zu, den akzeptierten Schadengrad nach dem Erdbeben festzulegen. Hingegen können keine Personenschäden akzeptiert werden.

1.4.3 Rolle des Bauingenieurs

Bei typischen Hochbauprojekten wird der Bauingenieur in der Regel als Fachspezialist nur für die Tragkonstruktion beauftragt. Als Gesamtleiter ist der Bauingenieur hingegen auch für die nicht tragenden Gebäudeelemente zuständig. Die Norm SIA 103 "Ordnung für Leistungen und Honorare der Bauingenieure und Bauingenieurinnen" (2003) legt fest, dass in diesem Fall: "definitives Berechnen und Dimensionieren aller tragenden und nicht tragenden Elemente" zur den Aufgaben des Bauingenieurs in der Phase des Ausführungsprojektes gehört (4.1.51). In der heutigen Praxis werden viele Installationen und Einrichtungen in der Regel (vor allem nach der Rohbauphase) ohne Mitwirkung des Bauingenieurs geplant und verbaut. Die Frage nach deren Erdbebensicherheit wir dabei selten gestellt. Um eine Verbesserung dieser unbefriedigenden Situation zu erreichen, müssten die Zuständigkeiten klarer geregelt werden. Die Bauherren müssten aber auch bereit sein, die zusätzliche Leistung der Planer und die unter Umständen leicht höheren Baukosten zu akzeptieren. Der als Spezialist beauftragte Bauingenieur kann nur dann für die Erdbebensicherheit von nicht tragenden Elementen zuständig sein, wenn er explizit dazu beauftragt wird. Die Entscheidung, ob der Bauingenieur als Spezialist für die Bemessung der nicht tragenden Gebäudeelemente und Installationen beigezogen wird, muss durch den Gesamtleiter, in der Regel den Architekten, angeregt werden, der als einziger Planer über die notwendigen Informationen über alle Projektphasen verfügt.

1.4.4 Beispiel für die Verantwortlichkeiten der Baubeteiligten

Die Problematik der Zuständigkeiten bei der erdbebengerechten Ausbildung der nicht tragenden Bauteile kann am Beispiel der montierbaren Fassaden (Norm SIA 329) dargestellt werden. In Bezug auf das Schutzziel gilt: "Sofern das Versagen einer Fassade eine direkte Gefahr für Personen darstellt, ist der Nachweis der Tragsicherheit zu erbringen (SIA 329, 2 12 1)". Diese Norm legt weiter fest, dass dem Unternehmer zur Erarbeitung eines Fassadenprojekts und Angebots aufgrund eines Gesamtprojekts unter anderem "Bewegungen und Toleranzen der Tragwerkskonstruktion" zur Verfügung gestellt werden (7 12 1). Zu den notwendigen Angaben würden damit auch die für die Fassadenausbildung relevanten, Verschiebungen der Stockwerksdecken infolge Erdbeben gehören. Diese sind standort- und bauwerksabhängig und können nur aus einer Erdbebenberechnung des Bauingenieurs resultieren. Der Ausschreibende hingegen bestimmt die vom Unternehmer zu liefernden Angaben (7 12 2). Dazu gehört unter anderem der Nachweis der Erfüllung verlangter Funktionen und / oder Eigenschaften. Der Nachweis der Erdbebensicherheit kann und muss somit vom Unternehmer verlangt werden. In Anhang 2 "Berechnungs- und Prüfverfahren für nicht tragende Fassaden" wird auch explizit angegeben, dass Erdbebensicherheit gemäss Norm 160 (aktuell SIA 261) nachgewiesen wird und dass die Anforderungen und Berechnungsverfahren geprüft werden. Für diese Prüfung kann

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eigentlich nur ein Bauingenieur zuständig sein. Die Bauingenieure sind somit sowohl auf der Seite des Planers wie auf der Seite des ausführenden Unternehmers involviert. Oft wäre es sinnvoll, dass der für die Erdbebenbemessung der Tragstruktur zuständige Bauingenieur auch die Aufsicht über alle anderen Fragen im Zusammenhang mit Erdbebensicherheit der nicht tragenden Gebäudeelemente und Installationen haben würde. Zu beachten ist aber, dass der damit verbundene Zusatzaufwand in den früheren Projektphasen nur sehr schwierig zu quantifizieren ist. Diese Tatsache muss in den Verträgen entsprechend geregelt werden.

1.5 Nutzungsvereinbarung Gemäss SIA 260 (Ziffer 2.1.2) sind die Nutzungsanforderungen in der Nutzungsvereinbarung festzuhalten. Der Begriff "Nutzungsvereinbarung" wurde mit der Norm SIA 260 neu eingeführt und bedeutet "Beschreibung der Nutzungs- und Schutzziele der Bauherrschaft sowie der grundlegenden Bedingungen, Anforderungen und Vorschriften für die Projektierung, Ausführung und Nutzung des Bauwerks". Die Nutzungsvereinbarung umschreibt folgende Themen:

• allgemeine Ziele für die Nutzung des Bauwerks

• Umfeld und Drittanforderungen

• Bedürfnisse des Betriebs und des Unterhalts

• besondere Vorgaben der Bauherrschaft

• Schutzziele und Sonderrisiken

• normbezogene Bestimmungen. Die aus dem Entwurf sich ergebenden Grundlagen und Anforderungen für die weitere Projektierung, Ausführung, Nutzung und Erhaltung sind in der Projektbasis darzustellen (Ziffer 2.1.3). Die Projektbasis kann somit als "fachbezogene Beschreibung der bauwerksspezifischen Umsetzung der Nutzungsvereinbarung" bezeichnet werden. Die Norm 260 legt weiter fest, dass die Nutzungsvereinbarung aufgrund eines Dialogs zwischen Bauherrschaft und den Projektverfassenden zu erstellen ist (Ziffer 2.2.1). Die Norm setzt sich somit für die Förderung des projektinternen Dialogs zwischen Bauherren, Architekt, Ingenieur und den Fachplanern und Unternehmern ein. Auf diesem Weg wird ein gemeinsames Verständnis der Grundproblematik erreicht werden. Als unterschriebenes Dokument spielt die Nutzungsvereinbarung schliesslich eine entscheidende Rolle bei der Regelung der Verantwortlichkeiten bei der Planung und Erstellung eines Bauwerkes. Es ist wichtig, dass die Erdbebensicherheit nicht nur für die Tragstruktur sondern auch für die nicht tragenden Elemente thematisiert wird. In der Diskussion zwischen den Beteiligten können die Schutzziele und der Schutzgrad für die nicht tragende Elemente aufgrund einer Risikobewertung festgelegt werden und ein gemeinsamer Entscheid zur Schadenakzeptanz getroffen werden

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2 Systematik der nicht tragenden Gebäudeelemente und Installationen

Für eine systematische Betrachtung der ganz unterschiedlichen nicht tragenden Gebäudeelemente muss zuerst eine sinnvolle Gliederung vorgenommen werden. Diese kann sich entweder nach Funktion, nach seismischer Empfindlichkeit oder nach möglicher Gefährdung infolge eines Erdbebens richten

2.1 Gliederung nach Funktion Die funktionelle Gliederung bietet die einfachste, allgemein verständliche Möglichkeit die nicht tragenden Gebäudeelemente zu ordnen. Man unterscheidet grundsätzlich zwischen den architektonischen Elementen, haustechnischen Gebäudeeinrichtungen, Möblierungen und sonstigen Gebäudeelementen.

• nicht tragende architektonische Elemente Architektonische Elemente sind Details und Bauteile, die die Form eines Bauwerks definieren. Neben den Elementen, die zur Tragstruktur gehören gibt es auch sogenannte nicht tragende Elemente. Die Anordnung und Gestaltung dieser Elemente liegt grundsätzlich im Kompetenzbereich des Architekten. Bei der Detailplanung werden allenfalls Fachspezialisten beigezogen. Zu der Gruppe der nicht tragenden architektonische Elemente gehören: Trenn- und Zwischenwände, Brüstungen und Geländer, Fassadensysteme und Verkleidungen, abgehängte Decken, Fenster und Türen sowie Tafeln und Schilder.

• haustechnische Gebäudeeinrichtungen Bei den Gebäudeeinrichtungen geht es um technische Geräte und Installationen, die Funktionstüchtigkeit des Bauwerkes sicherstellen. Dazu gehören: Notstromversorgung, elektrotechnische Einrichtungen, Brandschutzeinrichtungen, Tanks, Kessel und Behälter, Rohrleitungen und Wasserkanäle, Beleuchtungssysteme, klimatechnische Einrichtungen, Kommunikationseinrichtungen und Aufzüge und Rolltreppen.

• Möblierungen Unter Möblierung werden die beweglichen Einrichtungsgegenstände verstanden. Neben Büro- und Computereinrichtungen zählen wir dazu Aufbewahrungselemente wie Hochregale, Regale und Aktenschränke. Auch die gefährlichen Materialien wie Chemikalien und Medikamente sowie Möbel und Innendekorationen können dieser Gruppe zugeordnet werden.

• Sonstige Gebäudeelemente Diese Gruppe beinhaltet die Elemente, die zu keiner der vorhergenannten Gruppe zugeordnet werden können

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Bild 1. Gliederung der nicht tragenden Gebäudeelemente und Installationen nach Funktion. Tabelle noch nicht angepasst

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2.2 Empfindlichkeit Die nicht tragenden Gebäudeelemente können bei einem Erdbeben ganz unterschiedliche Verhaltensweisen und Versagensarten zeigen. Dabei spielen nicht nur die Eigenschaften des Elementes selber sonder auch die Art der Befestigung eine Rolle. Grundsätzlich kann zwischen einem verformungsempfindlichen Verhalten und einem beschleunigungsempfindlichen Verhalten unterschieden werden.

• Verformungsempfindliches Verhalten Zu dieser Gruppe gehören diejenigen Elemente, die infolge von ungleichmässigen Verschiebungen der Befestigungspunkten beschädigt werden können, wie Rohrleitungen oder spröde Trennwände. Die ungleichmässigen Verschiebungen entstehen, wenn die nicht tragende Elemente oder Installationen mit verschiedenen Gebäudeteilen oder gar Bauwerken fest verbunden sind, die während eines Erdbebens zu verschiedenen Bewegungen angeregt werden.

Bild 2: Links: Schäden infolge Erdbeben an einer verformungsempfindlichen Wand bei der Belastung in der Wandebene. Rechts: Schäden an einer Leitung.

• Beschleunigungsempfindliches Verhalten

Die schweren Elemente sind in der Regel empfindlich auf Beschleunigungen. Dazu zählen zum Beispiel die Brüstungen oder Trennwände in Mauerwerk. Während des Erdbebens entstehen Trägheitskräfte, die auch senkrecht zur Ebene einer Trennwand oder einer Brüstung wirken können. Aus diesem Grund können die nicht tragenden Wände kippen oder herausfallen. Für die Stabilität

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einer Wand spielt die sogenannte Schlankheit (Verhältnis der Höhe einer Wand zur Wandstärke) eine grosse Rolle. Auch schwere Behälter und Tanks sind beschleunigungsempfindlich.

Bild 2: Links: Schäden infolge Erdbeben am Fuss eines beschleunigungsempfindlichen Behälter. Rechts: Umgekippte Schränke in einem Bürogebäude. Die Beurteilung, welche Elemente verformungsempfindlich und welche beschleunigungsempfindlich sein könnten, ist für die Ausbildung und Bemessung der Befestigung von Bedeutung und kann nur von einem Spezialisten vorgenommen werden.

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3 Seismische Phänomene - Ursachen und Wirkung auf nicht tragende Gebäudeelemente und Installationen

3.1 Was passiert bei einem Erdbeben? Bei einem Erdbeben wird die in einer Bruchzone der Erdkruste gespeicherte Energie schlagartig freigesetzt und in Form von verschiedenen seismischen Wellen ausgestrahlt. Diese Wellen mit unterschiedlichen Arten, Wellenlängen und Geschwindigkeiten pflanzen sich in der Richtung der Bodenoberfläche fort und erzeugen am Standort eines Bauwerkes komplexe Bodenbewegungen. Die Bodenbewegungen sind sehr rasch und erfolgen in allen Richtungen, wobei die vertikalen Bewegungen in der Regel weniger ausgeprägt sind. Die Dauer eines Bebens kann unterschiedlich sein und liegt für ein mittelstarkes Erdbeben zwischen 10 und 20 Sekunden. Die Grösse der maximalen Bodenbewegung (Amplitude) hängt von der Stärke des Erdbebens, oder anders gesagt von der in der Bruchzone freigesetzten Energie ab. Die Schweiz liegt in der Zone mit der mittleren Seismizität. Für ein Beben mit der Magnitude 6, das etwa dem historischen Erdbeben von Visp 1855 entspricht, können horizontalen Bodenbewegungen zwischen 8 cm und 12 cm erwartet werden. Noch höher, nämlich bei 15 cm bis 20 cm, würden die maximalen horizontalen Bodenbewegungen bei einem Beben liegen, dass so stark wäre wie das berühmte „Basler Beben“ von 1356. Bei diesem Beben mit einer Magnitude von über 6.5 wurde Basel weitgehend zerstört (siehe Bild 1).

Bild 1. Darstellung des Erdbebens 1356 in der Basler Chronik von Christian Wursteisen von 1580. Während eines Erdbebens werden den Bauwerksfundamenten die Bodenbewegungen aufgezwungen. Die über die ganze Bauwerkshöhe wirkenden Massenträgheitskräfte führen zu starken Bauwerksschwingungen. Die Trägheitskräfte hängen nicht nur von der Bodenbewegung sondern auch von den Eigenschaften der Tragstruktur des Bauwerks ab. In gewissen Fällen können die Bodenbewegungen durch das Bauwerk erheblich verstärkt werden.

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Die Beanspruchungen, die aus den Bauwerksschwingungen entstehen, können beachtlich sein und bei einem ungenügenden Tragwiderstand zur Beschädigung der Tragstruktur und im schlimmsten Fall sogar zum Einsturz des Tragwerks führen. Die Wirkung des Erdbebens auf nicht tragende Gebäudeelemente hängt stark vom Gebäude ab. Die Bodenbewegungen werden durch das Gebäude gefiltert und verstärkt, wobei jede Geschossdecke eine andere Bewegung durchführt. Dabei sind die maximalen Auslenkungen der Decken bzw. die ungleichmässigen Stockwerksverschiebungen in der Regel in den obersten Geschossen am grössten. Für die Beurteilung der Erdbebensicherheit eines nicht tragenden Elementes sind entweder die Beschleunigungen an dessen Standort oder die ungleichmässigen Verschiebungen der Befestigungspunkte (Zwängungen) massgebend. Im ersten Fall können die nicht ausreichend gesicherten Elemente unter Erdbebeneinwirkung rutschen oder kippen. Im zweiten Fall können die Elemente, die mit verschiedenen Bauteilen verbunden sind durch die aufgezwungenen ungleichmässigen Verschiebungen beschädigt werden. Das gilt vor allem für die Trennwände, die oft spröde und weniger nachgiebig als die Haupttragstruktur sind. Bei den durch Trennfugen unterteilten Bauwerken sind vor allem die Installationen gefährdet, die infolge der ungleichmässigen Bewegungen der Bauwerksteile beschädigt werden.

3.2 Horizontale und vertikale Beschleunigung Ein Erdbeben verursacht Bodenbewegungen in alle Richtungen, wobei die Horizontalbewegungen dominant sind. In der Schweiz liegt der Wert der horizontalen Bodenbeschleunigung je nach Erdbebenzone zwischen 6% und 16% der Erdbeschleunigung. Die effektiven horizontalen Beschleunigungen, können je nach Bauwerkseigenschaften vor allem in oberen Geschossen deutlich über dem Wert der Bodenbeschleunigung liegen. Im Gegensatz zur Horizontalbeschleunigung muss in der Bemessungspraxis die Vertikalbeschleunigung infolge Erdbeben selten berücksichtigt werden. Der Grund dafür ist, dass die in der Regel dominanten Vertikallasten wie Eigenlast des Bauwerkes und die Nutzlasten bei der statischen Berechnung durch die Benuzung von sogenannten Lastfaktoren vergrössert werden. Bei der normengerechten Auslegung der Tragstruktur auf diese Lasten entsteht somit eine Tragreserve die für Aufnahme der zusätzlichen Beanspruchung infolge vertikaler Bodenbewegung benutzt werden kann. Eine weitere Tragreserve gegenüber den übrigen Einwirkungen entsteht durch die Tatsache, dass beim Erdbeben auch geringe Schäden am Tragwerk akzeptiert werden. Interessant ist der Vergleich zwischen Erdbeben- und Windeinwirkung, weil in beiden Fällen die gleichen Elemente der Haupttragstruktur beansprucht werden. Bei den typischen Wohnbauten mit vier bis fünf Stockwerken ist die Erdbebeneinwirkung klar massgebend. Mit der zunehmenden Anzahl Geschosse werden die Schwingzeiten des Bauwerks immer länger und die die massgebende Horizontalbeschleunigung immer kleiner. Bei sehr hohen Bauten kann die totale Windkraft die totale Erdbebenkraft übersteigen. Bei den Fassaden, die eine wichtige Gruppe der nicht tragenden Elemente bilden, muss beachtet werden, dass die Befestigungen beim Erdbeben anders als beim Windeinwirkung die gleichen Kräfte in allen Richtungen aufnehmen müssen.

3.3 Beschleunigung und Verschiebung Während eines Erdbebens werden die nicht tragenden Elemente, die fest mit dem Bauwerk verbunden sind, den Trägheitskräften und aufgezwungenen ungleichmässigen Bewegungen der Befestigungspunkte ausgesetzt.

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Die Kräfte sind durch die Beschleunigungen des Bauwerkes am Standort des Elementes bedingt. Je nach Frequenz der Bewegung können schon relativ kleine Bauwerksbewegungen relevante Trägheitskräfte zur Folge haben.

Bild 2: Schäden infolge Beschleunigung quer zur Wandebene (Christchurch 2011) Für die Schäden, die durch Zwängungen verursacht sind, spielt vor allem die maximale Grösse der ungleichmässigen Bewegungen (Relativverschiebungen) der Geschossdecken eine Rolle. Kritisch sind die verformungsempfindlichen Elemente, wie grosse Fenster oder Fassadenelemente. Zu beachten sind auch die begrenzt verformbaren (spröden) nicht tragenden Wände, die fugenlos in ein verformungsfähiges Bauwerk eingebaut wurden. In diesem Fall führen die ungleichmässigen Stockwerksbewegungen schon bei mässigen Erdbeben zu beachtlichen Schäden an den Wänden. Zusätzlich können in gewissen Fällen (fugenlose Brüstungen zwischen Rahmenstützen) sogar die tragenden Teile gefährdet werden. Die Verletzbarkeit der nicht tragenden Gebäudeelemente ist bei einer Lagerung, die eine kleine Bewegung zulässt, deutlich reduziert.

Bild 3: Schäden infolge Zwängung in der Wandebene (Northridge1994)

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3.4 Besonderheiten bei nicht tragenden Gebäudeelementen und Installationen

Es bestehen grundsätzliche Unterschiede in der Betrachtung der tragenden Bauteile und nicht tragenden Gebäudeelementen. Die Erdbebenwände oder andere Teile eines Bauwerks, die für die Abtragung der Erdbebenkräfte zuständig sind, bilden ein zusammenhängendes System. Die nicht tragenden Teile können hingegen in der Regel unabhängig voneinander betrachtet werden. Die Bodenbewegungen infolge Erdbeben werden durch das Bauwerk übertragen. Dabei wird in den oberen Geschossen die Bewegung durch Bauwerksschwingungen verstärkt. Für die gleichen nichtragenden Teile kann sich dadurch in verschiedenen Geschossen jeweils eine unterschiedliche Erdbebengefährdung ergeben. Der Standort eines nicht tragenden Gebäudeelementes spielt somit bei der Beurteilung der Erdbebensicherheit eine entscheidende Rolle. Im Gegensatz zu der Tragstruktur werden die nicht tragenden Teile und Installationen mit Ausnahme der Fassaden in der Regel gar nicht auf Horizontallasten ausgelegt.

3.5 Sicherungsmöglichkeiten Grundsätzlich kann ein nicht tragendes Gebäudeelement fest oder flexibel mit dem Bauwerk verbunden werden. Im ersten Fall muss das Element und die Befestigung auf die maximalen während des in den Bauwerksnormen festgelegten Erdbebens auftretenden Kräfte bemessen werden (sogenannte kraftbasierte Berechnungsmethode). Im zweiten Fall ist die Befestigung auf die während des Bemessungsbebens auftretenden maximalen Verschiebungen zu bemessen (z.B. ausreichender Abstand zu den anderen Elementen, um die Bewegungsfreiheit zu garantieren).

Bild 4: Verschiedene Sicherungsmöglichkeiten für nicht tragende Gebäudeelemente (Schornstein, Tank, Regalgestelle,

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Bei vielen nicht tragenden Gebäudeelementen, die fest mit dem Gebäude verbunden sind, resultieren infolge Erdbebeneinwirkung nur relativ kleine Kräfte verglichen mit Beanspruchung der massgebenden Elemente der Tragstruktur. Es sind deshalb oft schon einfache Befestigungen als Stabilisierung ausreichend. Die möglichen Massnahmen zur Sicherung der nicht tragenden Gebäudeelementen reichen von einer einfachen Wandbefestigung eines hohen Bücherregals mit einem kleinen Stahlwinkel und Spreizdübeln bis zu aufwendigeren Systemlösungen für Befestigung der Leitungen oder zur Lagerung von Maschinen. Die Hauptschwierigkeit besteht darin zu erkennen, wann eine einfache Lösung ausreicht und wann dagegen eine genauere Betrachtung notwendig ist. Aus diesem Grund ist es wichtig, dass zuerst alle nicht tragende Gebäudeelemente erfasst und beurteilt werden. Dabei können die Gebäudeelemente aussortiert werden, die keine Stabilisierung brauchen oder mit einfachen Mitteln (ohne rechnerische Nachweise) stabilisiert werden können. Für die verbleibenden Elemente muss der rechnerische Nachweis der Erdbebensicherheit vom zuständigen Spezialisten erbracht werden.

3.6 Auseinanderbewegen und Anprall von Gebäudeteilen oder benachbarten Gebäuden

Grössere Bauten werden in der Regel durch Fugen in kleinere Abschnitte unterteilt. Diese Abschnitte können unterschiedliche Tragsysteme haben und verschieden auf die Bodenbewegungen reagieren. Es kann vorkommen, dass sich die Gebäudeteile während eines Erdbebens gegeneinander bewegen. Wenn die Fugen nicht breit genug sind, kann es zu einem Zusammenstoss kommen. Ähnliche Probleme sind bei benachbarten Bauten zu erwarten, die ohne Zwischenräume aneinander gebaut sind. Ein Zusammenstoss kann zu einer beachtlichen Zusatzbeanspruchung und allenfalls zur Beschädigung der Tragstruktur führen, vor allem wenn die Decken der benachbarten Bauten nicht auf gleichen Niveaus liegen. Auch die nicht tragenden Elemente können durch einen Zusammenstoss stärker beansprucht werden. Diese Zusatzbeanspruchung ist jedoch schwierig zu quantifizieren. Beim Auseinanderbewegen oder Querverschieben der Gebäudeteile ist noch zu beachten, dass die übergreifende Fassadenteile oder Leitungen gerissen oder abgeschert werden können.

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Bild 5: Schäden infolge eines Zusammenstosses von zwei Bauten bei ungenügender Fugenbreite.(BWG Richtlinie, Prof. H. Bachmann 2002)

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4 Vorgehensweise für nicht tragende Gebäudeelemente und Installationen

4.1 Beurteilung nicht tragender Gebäudeelemente und Installationen Die Hauptschwierigkeit besteht in der Erfassung der oft sehr unterschiedlichen nichttragenden Gebäudeelemente und Installationen und in der Bestimmung der möglichen Gefährdungen im Falle einer seismischen Einwirkung. Zu diesem Zweck empfiehlt sich eine zweistufige Vorgehensweise. Die erste Beurteilung (Stufe 1) der nicht tragenden Gebäudeelemente und Installationen kann anhand der folgenden Frageliste vorgenommen werden: Welche nicht tragenden Gebäudeelemente und Installationen sind überhaupt vorhanden oder werden geplant? Welche nicht tragenden Gebäudeelemente und Installationen können durch Ausfall oder Beschädigung im Falle eines Erdbebens:

ein Sicherheitsrisiko für Personen darstellen? (Kobe 1995, Chile 2010)

die tragenden Elemente gefährden?

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die Umwelt gefährden?

die Rettungsaktionen behindern oder Fluchtwege versperren.

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wertvolle Kulturgüter gefährden

Betriebsausfall bzw. Störungen verursachen?

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Die Fragen können in Form einer Checkliste dargestellt werden (siehe Bild 1 bzw. Anhang B). Diese sollte vom Leiter des Planungsteams (in der Regel Architekt) zusammen mit dem Bauherren bzw. dem Hauseigentümer ausgefüllt werden und dient als Vorlage für die Beschreibung der Erdbebenanforderungen und einer allfälligen Priorisierung innerhalb der Gebäudeelemente im Rahmen der Nutzungsvereinbarung. Die Behandlung der Fragen der Abgrenzung und Regelung der Zuständigkeiten könnte ebenfalls durch Anwendung einer solchen Checkliste vereinfacht werden. Die vertiefte Beurteilung der nicht tragenden Gebäudeelemente in den späteren Planungsphasen kann ebenfalls pro Elementtyp mit Hilfe von geeigneten Checklisten erfolgen. In einfachen Fällen kann man die allfälligen Massnahmen direkt ohne Berechnung festlegen. Die Beurteilung Stufe 2 muss vom ausgebildeten Spezialisten vorgenommen werden.

Bild 1: Beispiel einer Checkliste Stufe 1 für Beurteilung der nicht tragenden Gebäudeelementen und Installationen.

4.2 Sicherheitsanforderungen und Schutzkriterien Grundlagen für eine erdbebensichere Ausbildung der Bauwerke liefern die Normenwerke. In der Schweiz sind es die SIA Normen. Diese Normen wurden im Lauf der Jahre entsprechend der Erkenntnissen aus der Forschung und der Entwicklung der Bautechnik aktualisiert. Die aktuelle Norm 261 "Einwirkungen auf Bauwerke" aus dem Jahr 2003 beschreibt die Erdbebeneinwirkung und die Berechnungsmethoden, um die Beanspruchung der Tragstruktur eines Bauwerkes ermitteln zu können. In weiteren Normen, wie z.B. SIA 262 (Betonbauten) oder SIA 263 (Stahlbauten) findet man zusätzliche baumaterialspezifische Angaben zur Ausbildung und Bemessung der erdbeben-

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beanspruchten Elemente der Tragstruktur. Die wichtige Frage der Beurteilung der bestehenden Bauten wird in SIA 269/8 behandelt.

4.2.1 Schutzziel bei Bauwerken

Gemäss Norm SIA 261 besteht das mit der erdbebengerechten Projektierung angestrebte Schutzziel im Personenschutz, der Schadensbegrenzung und der Gewährleistung der Funktionstüchtigkeit wichtiger Bauwerke unter Einwirkung des Bemessungsbebens (SIA 261 16.1.2). Der Schutzgrad eines Bauwerks wird durch die Einteilung in eine Bauwerksklasse (BWK) gemäss SIA 261 Ziffer 16.3 festgelegt. Kriterien für diese Einteilung sind die mittlere Personenbelegung, das Schadenpotential und die Gefährdung der Umwelt infolge eines Versagens und die Bedeutung des Bauwerks für die Katastrophenbewältigung unmittelbar nach einem Erdbeben. Entsprechend diesen Kriterien werden die Bauwerke in eine der drei Bauwerksklassen gemäss folgender Tabelle eingeteilt. BWK Merkmale Beispiele Gebäude

I – Keine grösseren Menschenansammlungen

– Keine Gefährdung der Umwelt

Wohn- Büro- und Gewerbebauten, Industriebauten und Parkgaragen

II – Grössere Menschenansammlungen wahrscheinlich

– Beschränkte Gefährdung der Umwelt

Spitäler, Einkaufszentren, Sportstadien, Theater, Schulen und Kirchen, öffentliche Verwaltung

III – Lebenswichtige Infrastrukturfunktion – Erhebliche Gefährdung der Umwelt

Akutspitäler , Feuerwehrgebäude, Kraftwerke

Tabelle 3. Bauwerksklassen nach SIA 261,Tabelle 26.

4.2.2 Schutzziel bei nicht tragenden Bauteilen

Das mit der erdbebengerechten Projektierung der nicht tragenden Bauteile angestrebte Schutzziel wird in der SIA Norm 261 wie folgt festgelegt: Für nicht tragende Bauteile, die im Falle des Versagens Personen gefährden, das Tragwerk beschädigen oder den Betrieb wichtiger Anlagen beeinträchtigen können, muss sowohl für das nicht tragende Bauteil als auch für dessen Verbindungen und Befestigungen oder Verankerungen die Bemessungssituation Erdbeben berücksichtigt werden (SIA 261 16.7.1). Andere Schutzziele wie z.B. der Vermögensschutz sind in den Normen nicht behandelt. Aus diesem Grund müssen alle zusätzliche Schutzziele und Anforderungen seitens Bauherr oder Hauseigentümer formuliert werden, damit der Ingenieur die entsprechenden Massnahmen vorsehen kann. So können z.B. Grenzwerte für die relativen Verschiebungen der Geschossdecken am Standort von spröden, verformungsempfindlichen Trennwänden festgelegt werden. Um die Beurteilung der Erdbebensicherheit von wertwollen Kulturgütern bzw. Kunstgegenstände zu ermöglichen, wird das Erstellen einer detaillierten Inventarliste empfohlen, wobei die Gefährdung in Abhängigkeit vom Standort im Gebäude und von der Art der Aufbewahrung festgelegt werden muss. Gegenstände, die in den höheren Geschossen aufbewahrt oder ausgestellt werden, sind grundsätzlich mehr gefährdet als im Erdgeschoss oder UG. Die Kippsicherheit der Schränke oder Vitrinen muss ebenfalls beachtet werden.

4.2.3 Gebrauchstauglichkeit

Als Gebrauchstauglichkeit bezeichnet man Fähigkeit eines Tragwerks und seiner Bauteile, die Funktionstüchtigkeit und das Aussehen des Bauwerks sowie den Komfort der das Bauwerk nutzenden Personen entsprechend den Gebrauchsgrenzen zu gewährleisten (SIA 260). Der Nachweis der Gebrauchstauglichkeit bei Bauwerken unter Erdbebeneinwirkung wird nur für die Bauwerksklasse III verlangt (SIA 261,16.5.5.3) und muss vom Bauingenieur erbracht werden. Bei

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Gebäuden mit spröden, verformungsempfindlichen Einbauten sind die horizontalen Auslenkungen pro Stockwerk auf 1/500 der Stockwerkshöhe zu begrenzen (SIA 260, 4.4.4.5). Bei duktilen, verformungsfähigen Einbauten hingegen dürfen die horizontalen Auslenkungen pro Stockwerk maximal bei 1/200 der Stockwerkshöhe liegen. Diese Bedingungen dienen dazu, die Schäden an nicht tragenden Gebäudeelementen (Einbauten) gering zu halten. Die Erfahrung zeigt, dass die Gebrauchstauglichkeit eines Bauwerks schon bei einem schwächeren Erdbeben massgeblich beeinträchtigt werden kann, noch lange bevor die Tragstruktur an die Grenze ihrer Tragsicherheit kommt. Aus diesem Grund wird beim Nachweis der Gebrauchstauglichkeit ein schwächeres Erdbeben mit der Auftretenswahrscheinlichkeit von 1/200 Jahren angenommen, während bei Tragsicherheit mit einem seltener auftretenden aber dafür viel stärkeren Erdbeben gerechnet wird (siehe Anhang C).

4.2.4 Verhältnismässigkeit

Nach Angaben BAFU [BAFU09] liegen Kosten für Erdbebensicherungsmassnahmen gemäss Anforderung der aktuellen Tragwerksnormen bei Neubauten durchschnittlich bei rund 0,5 bis 1,5 % der Gesamtbaukosten. Bei den nicht tragenden Gebäudeteilen und Installationen dürften die Mehrkosten im ähnlichen Bereich liegen (genauere Studien darüber sind nicht bekannt). Bei einer ungenügenden Erdbebensicherheit eines bestehenden Bauwerks wird oft als Ertüchtigungsmassnahme eine Verstärkung oder Ergänzung der Tragstruktur vorgeschlagen. In der Regel ist eine solche Lösung aufwendig und technisch anspruchsvoll. Zu den reinen Baukosten können zusätzliche Kosten infolge Nutzungseinschränkungen, Ausfall der Miete oder Betriebsunterbrüchen anfallen. Bei der Erdbebenertüchtigung von nicht tragenden Gebäudeteilen sind die notwendigen Massnahmen hingegen relativ einfach (Verankerungen, Absturzsicherungen) und lassen sich oft ohne Störungen des Betriebs oder Nutzungseinschränkung umsetzen. Es ist anzumerken, dass eine normgerechte Ausbildung der nicht tragenden Gebäudeteile und Installationen grundsätzlich günstiger ist als eine nachträgliche Erdbebenertüchtigung. Die Beurteilung der Erdbebensicherheit der bestehenden Bauwerke wird in der Norm SIA 269/8 geregelt. Unter anderem wird dort der erforderliche Tragwiderstand in Abhängigkeit von der Restnutzungsdauer definiert. Dabei wird berücksichtigt, dass bei einer kurzen Restnutzungsdauer die Auftretenswahrscheinlichkeit des in der Norm festgelegten Bemessungsbebens reduziert wird. Nicht alle zur Erzielung eines normgemässen Zustandes notwendigen Ertüchtigungsmassnahmen können umgesetzt werden. Durch die Gegenüberstellung von Kosten und Nutzen kann die Verhältnismässigkeit der Massnahmen beurteilt werden. Dabei werden sowohl die Sicherheitsansprüche der betroffenen Personen, wie auch Folgekosten, die durch Ausfall der technischen Installationen infolge eines Erdbebens verursacht werden, berücksichtigt. Bei den wertvollen Kulturgütern bzw. Kunstgegenständen sind die Massnahmenkosten in der Regel vernachlässigbar klein verglichen mit dem Wert des zu schützenden Objektes und somit praktisch immer verhältnismässig.

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5 Konzept der Erdbebenbemessung nicht tragender Gebäudeelemente und Installationen

5.1 Normanforderungen und Bemessungsstrategien Die Erdbebeneinwirkung und die Grundlagen für eine erdbebengerechte Projektierung von Bauwerken und nicht tragender Gebäudeelemente und Installationen werden in der Norm SIA 261 „Einwirkungen auf Tragwerke“ (2003) im Kapitel 16 behandelt. Die Norm schlägt dabei eine einfache, statische Bemessungsmethode für die nicht tragenden Bauteile vor. Eigentlich sind bei der Bemessung der nicht tragenden Gebäudeelemente und Installationen zwei unterschiedliche Konzepte möglich, die schon in der alten Norm SIA 160 (1989) erwähnt wurden (SIA 160,Tabelle 31). Es wurde dort vermerkt, dass die nicht tragenden Wände, untergehängte Decken, Fassadenelemente, Brüstungen usw. mit dem Tragwerk verbunden oder derart gelagert werden sollten, dass sie Schwingungen ertragen können. Man kann daraus zwei grundsätzlich verschiedene Lösungen ableiten, wobei nicht immer beide Lösungen gleichzeitig möglich sind:

• starke Ausbildung: Das nicht tragende Element wird fest mit dem Bauwerk verbunden. Das Element und die Verankerung sind auf die maximalen Kräfte, die während des Bemessungsbebens auftreten, auszulegen. Dieses Konzept entspricht der Vorgehensweise gemäss Norm SIA 261.

• flexible Ausbildung:

Das nicht tragende Element wird so mit dem Bauwerk verbunden, dass. das Element und die Verankerung die maximalen Verschiebungen, die während des Bemessungsbebens auftreten, ertragen können. In der Norm SIA 261 fehlen leider die Hinweise zur Anwendung dieser Lösung.

5.2 Grundkonzept der Erdbebenbemessung der nicht tragender Gebäudeelemente gemäss SIA 261

Die Norm SIA 261 schlägt im Abschnitt 16.7 eine einfache kraftbasierte Berechnungsmethode vor. Im Massenschwerpunkt des nicht tragenden Bauteils ist demnach eine statische horizontale Ersatzkraft

in ungünstigster (in der Regel horizontaler) Richtung aufzubringen (vergl. Ziffer 16.7.2). Die Grösse dieser Ersatzkraft hängt nach SIA von den folgenden Faktoren ab:

• Masse des betrachteten nicht tragenden Elementes (Massenfaktor)

Je grösser die Masse des nicht tragenden Gebäudeelementes umso grösser sind die durch das Erdbeben verursachten Trägheitskräfte. Die schweren Elemente erfordern somit eine stärkere Befestigung.

• seismische Einwirkung am Standort des Gebäudes (Standortfaktor)

Die Erdbebengefährdung ist ortsabhängig. Aus diesem Grund wurde die Schweiz in vier verschiedene Erdbebenzonen eingeteilt. Jeder Erdbebenzone ist ein Bemessungswert der horizontalen Bodenbeschleunigung agd

zugeordnet, der zwischen 6% und 16% der Erdbeschleunigung liegt. Innerhalb einer Erdbebenzone wird noch zusätzlich der Einfluss der Baugrundverhältnisse durch Einordnung des Bauwerkstandorts in eine der 5 Baugrundklassen. Der Standortfaktor liegt maximall bei 3.7).

• der gewünschte Schutzgrad des Bauwerkes (Wichtigkeitsfaktor)

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Die gleichen Elemente werden in einem Feuerwehrgebäude (Bauwerksklasse III) für eine um 40% grössere Ersatzkraft ausgelegt, als in einem Wohnhaus (Bauwerksklasse I)

• dynamische Eigenschaften des Bauwerkes und des nicht tragenden Gebäudeelementes (Resonanzfaktor)

Auch wenn das Schwingungsverhalten eines Bauwerks sehr komplex sein kann, wird es in der Regel von der sogenannten Grundschwingung dominiert. Bei den typischen Wohnbauten kann die Grundschwingzeit zwischen 1.5 s und 2 s liegen. Auch die nicht tragenden Gebäudeelemente können zur Schwingungen angeregt werden. Wenn die Grundschwingzeiten des Bauwerkes und des nicht tragenden Elementes übereinstimmen, kann es im Falle einer seismischen Anregung zu einer relevanten Verstärkung der Bewegung des nicht tragenden Elementes kommen (gemäss SIA 261 ist ein Resonanzfaktor bis 2.0 möglich)

• Lage im Gebäude (Höhenfaktor).

Die Fundamente des Gebäudes führen die gleiche Bewegung wie der Boden aus. Die durch die Bodenbewegung angeregten Schwingungen des Bauwerks bewirken, dass jede Geschossdecke eine andere Verschiebung (bzw. Beschleunigung) aufweist. Dabei nehmen die maximalen Verschiebungen nach oben zu. Ein Wandregal im Dachgeschoss kann aus diesem Grund eher umkippen als ein Wandregal im Erdgeschoss. (gemäss SIA 261 ist ein Höhenfaktor bis 2.0 möglich)

• plastisches Verformungs- und Energiedissipationsvermögen (Verhaltensbeiwert).

Die Fähigkeit des Elementes oder der Verankerung die Bewegungsenergie durch plastische Verformungen aufzunehmen spielt eine günstige Rolle und erlaubt eine Reduktion der Ersatzkraft.

Es ist anzumerken, dass je nach Situation die maximale Ersatzkraft für das gleiche Gebäudeelement ca. 40 Mal grösser sein kann als die minimale Ersatzkraft. Es ist somit klar, dass die entsprechenden Berechnungen nur von einer kompetenten Fachperson durchgeführt werden dürfen. Eine ausführliche Beschreibung der Erdbebenbemessung gemäss SIA 261 mit Berechnungsbeispielen findet man im Anhang C.

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6. Bauteilkatalog .................................................................................................. 2

6.1 Architektonische Elemente .................................................................................... 3

6.1.1 Fassadensysteme und Verkleidungen............................................................................... 3 6.1.2 Abgehängte Decken .......................................................................................................... 6 6.1.3 Doppelböden ...................................................................................................................... 8 6.1.4 Trenn- und Zwischenwände ............................................................................................ 10 6.1.5 Brüstungen ....................................................................................................................... 13 6.1.6 Treppenläufe .................................................................................................................... 15 6.1.7 Verglasungen, Türen, Fenster ......................................................................................... 17 6.1.8 Tafeln, Schilder, Vordächer ............................................................................................. 20 6.1.9 Kamine und Schornsteine ................................................................................................ 21 6.1.10 Dachdeckung ................................................................................................................... 22

6.2 Haustechnische Gebäudeeinrichtungen ..............................................................24 6.2.1 Notstromversorgung ........................................................................................................ 24 6.2.2 Elektrotechnische Einrichtungen ..................................................................................... 25 6.2.3 Brandschutzeinrichtungen ............................................................................................... 28 6.2.4 Tanks, Kessel, Behälter ................................................................................................... 30 6.2.5 Rohrleitungen, Lüftungs- und Kabelkanäle ..................................................................... 32 6.2.6 Beleuchtungssysteme ...................................................................................................... 35 6.2.7 Klimatechnische Einrichtungen ........................................................................................ 37 6.2.8 Kommunikationseinrichtungen ......................................................................................... 39 6.2.9 Aufzüge und Rolltreppen ................................................................................................. 40 6.2.10 Bauteile mit Schwingungsisolation .................................................................................. 43

6.3 Möblierungen und andere Gebäudeinhalte .........................................................45 6.3.1 Büro- und Computereinrichtungen................................................................................... 45 6.3.2 Aufbewahrungselemente ................................................................................................. 46 6.3.3 Hochregale ....................................................................................................................... 49 6.3.4 Gefährliche Materialien .................................................................................................... 51 6.3.5 Mobiliar und Innendekoration .......................................................................................... 53 6.3.6 Kunst- und Ausstellungsgegenstände ............................................................................. 54

6.4 Weiterführende Literatur / Quellenangaben.........................................................56

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6. Bauteilkatalog

Das Verhalten verschiedener Typen von nicht tragenden Bauteilen bei einem Erdbeben ist ganz

unterschiedlich. Dieser Katalog soll dabei helfen, die Schwachstellen zu verstehen und

geeignete Massnahmen zu treffen, um die Gefährdung zu reduzieren. Die Charakterisierung

sämtlicher Elemente gliedert sich jeweils in die folgenden Aspekte:

Risikoarten

Risiko ist das Produkt von Eintrittswahrscheinlichkeit und Schadensausmass. Die Risiken sind

demnach unter Berücksichtigung sämtlicher Randbedingungen abzuwägen. Eine grosse Rolle

spielt vor allem die Seismizität, die Bedeutung des Bauwerks und die Lage des Bauteils im

Gebäude.

Beispielsweise kommt Bauteilen im Bereich von Fluchtwegen und Notausgängen eine grössere

Bedeutung zu. Eine rasche Evakuation beschädigter Gebäude hat nach einem Erdbeben

grösste Priorität. Die Versorgung verletzter Personen muss so schnell wie möglich erfolgen. In

wenig frequentierten Räumen ohne wertvollen Inhalt ist das Risiko hingegen deutlich kleiner.

Die Aufrechterhaltung der Funktionstüchtigkeit ist gerade bei Lifeline-Gebäuden eminent

wichtig. Aber auch bei anderen Gebäuden können sehr grosse Kosten infolge Schäden an nicht

tragenden Elementen entstehen (Produktionsausfall, Verlust an Marktanteilen, etc.).

Schadensbild

Das Aufzeigen der Schadensmechanismen gibt Hinweise über die Verletzbarkeit der Bauteile.

Man kann daraus auch schliessen, ob die Elemente eher verformungs- und

beschleunigungsempfindlich sind. Die Erkenntnisse vergangener Erdbeben und die dabei

beobachteten Versagensarten helfen, geeignete Sicherungskonzepte festzulegen und Schäden

bei zukünftigen Ereignissen zu vermeiden.

Massnahmenbeschreibung

Zur Sicherung der Elemente und Installationen werden verschiedene Lösungen vorgeschlagen,

die mit Prinzipskizzen veranschaulicht werden. Sie orientieren sich entweder an der

kraftbasierten oder der verformungsbasierten Strategie. Es sind also je nachdem feste oder

flexible Verbindungen mit dem Bauwerk erforderlich.

Empfehlungen, Hinweise

Für einige Kategorien werden spezifische Hinweise und Empfehlungen angegeben. Diese

können nicht nur technischer, sondern auch organisatorischer bzw. konzeptioneller Natur sein.

Generell sollten schwere Installationen und Anlagen möglichst unten in einem Gebäude

platziert werden. In den oberen Etagen sind schwere Installationen auf mehrere Elemente zu

verteilen anstatt an einem Ort zu konzentrieren. Fluchtwege und Notausgänge sind möglichst

frei von sperrigen Gegenstände zu halten. Wichtige Ersatzteile sind auf Vorrat zu lagern, um

eine schnelle Reparatur zu ermöglichen. Das Personal oder die Benutzer sind so zu schulen,

dass sie sich in einem Erdbebenfall korrekt verhalten und die richtigen Massnahmen ergreifen.

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6.1 Architektonische Elemente

6.1.1 Fassadensysteme und Verkleidungen

Für die Ausbildung des Gebäudeabschlusses kommen verschiedene Typen zur Anwendung:

Vorgefertigte, vorgehängte Fassadenelemente

Vormauerschalen

Dünne, aufgeklebte Elemente (Steinplatten, Fliesen, etc.)

Risikoarten

Personen- und Sachschäden durch herunterfallende Bauteile

Blockieren der Ausgänge

Schadensbild

Verkleidungen sind sowohl verformungs- als auch beschleunigungsempfindlich. In weichen

Gebäuden entstehen hauptsächlich Schäden durch Verformungen, bei schweren Elementen

spielen eher Beschleunigungskräfte eine Rolle.

Häufige Schäden sind (kreuzförmige) Risse (Bild 1) und grossflächige Ablösungen (Bild 2).

Besonders gefährdet sind Bereiche bei Ecken und um Öffnungen. Bei einer out-of-plane

Anregung können ganze Elemente herausfallen (Bild 3).

Bild 1: Kreuzrisse zwischen Fenstern [BWG02]

Bild 2: Ablösung von geklebten und vorgemauerten Elementen [FEMA E-74, Kap. 6.3.1]

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Bild 3 links: out-of-plane Versagen einer vorgehängten Fassade [ADE07]

rechts: Einsturz einer vorgemauerten Fassade [SGEB 09]

Massnahmenbeschreibung

Bei Vormauerschalen kann eine Bewehrung ins Mörtelbett eingelegt werden, die über Winkel

mit der Tragstruktur verbunden ist (Bild 4 rechts). Dabei ist auf genügenden Verbund zu achten.

Die Verkleidung muss in der Ebene genug flexibel oder dilatiert sein, um relative

Stockwerkverschiebungen aufnehmen zu können. Von Bedeutung ist v.a. die Ausbildung der

Eckbereiche, so dass Bewegungen in beide Richtungen aufgenommen werden können.

Bild 4: Massnahmen für vorgemauerte Elemente [FEMA E-74, Kap. 6.3.2]

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Um in-plane Verschiebungen von Fassadenelementen zu ermöglichen, können Gleit-

verbindungen mit ausreichenden Schlitzlängen (Bild 5 links) eingesetzt werden. Eine andere

Variante ist die Befestigung mit Zugstangen. Die Elemente sind auf einem Stockwerk vertikal

gelagert und bei der benachbarten Decke mit einem gelenkigen Pendelstab gehalten (Bild 5

rechts). Zwischen den Elementen braucht es eine Fuge, damit sie nicht aneinander prallen.

Die out-of-plane Beanspruchung muss ebenfalls beachtet werden. Bei leichten Fassaden ist oft

die Windeinwirkung (Druck / Sog) massgebend für die Dimensionierung der Verbindungsmittel.

Die Erdbebeneinwirkung kann jedoch bei schweren Elementen und höheren Seismizitäten

relevant sein.

Bild 5 links: Befestigung von Fassadenelementen mit Langlöchern [ADE07]

rechts: Befestigung von Fassadenelementen mit Pendelstäben

Empfehlungen, Hinweise

Die Anforderungen an die Befestigungen sind je nach Gefährdung und Einsatzort

unterschiedlich stark zu gewichten. Sie müssen dauerhaft und witterungsbeständig sein, dürfen

die Tragwerksverformungen nicht behindern und müssen bei den zu erwartenden

Verformungen intakt bleiben.

Für die erforderlichen Fugenbreiten gelten analoge Überlegungen wie bei den Trenn- und

Zwischenwänden (siehe 6.1.4)

Schlitze für in-plane Verformungen

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6.1.2 Abgehängte Decken

Da Deckenelemente im Normalfall nur durch ihr Eigengewicht belastet sind, sind die

Befestigungen in der Regel nicht auf horizontale Kräfte ausgelegt und die Tragreserven oftmals

zu gering. Beschädigungen an der Decke entstehen auch aufgrund differentieller Bewegungen

zwischen dem Deckensystem und der Tragstruktur oder nicht tragenden Wänden. Schäden an

diesen Elementen sind relativ häufig.

Risikoarten

Personen- und Sachschäden durch herunterfallende Elemente, v.a. bei stark

frequentierten Gebäuden mit grosser Raumhöhe

Blockieren der Fluchtwege

Schadensbild

Nicht ausgesteifte, abgehängte Decken geraten in Schwingung. Mögliche Folgen sind das

Zusammenprallen mit anderen Installationen, der Ausfall vertikaler Befestigungen, das

Versagen des Trägerrostes sowie das Herausfallen einzelner Deckenplatten (Bild 6). Kritische

Stellen sind vor allem Ränder sowie Durchbrüche von Stützen und Leitungen.

Bild 6 Schäden an abgehängten Decken [FEMA E-74, Kap. 6.3.4]

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Massnahmenbeschreibung

Abgehängte Decken müssen an der Tragstruktur abgespannt werden. Weniger zu empfehlen ist

ein Konzept, bei dem sie sich frei bewegen können. Hier muss die Verformungsempfindlichkeit

untersucht werden.

Die horizontale Aussteifung ist in beiden Richtungen erforderlich und besteht aus Vertikal- und

Diagonalstäben (Bild 7). Bei der Anordnung links erhalten beide Stäbe Zug- und Druckkräfte. Im

Fall rechts können die Diagonalen Zugstangen sein, wenn der Vertikalstab drucksteif ist. Eine

Aussteifung wäre auch nur mit zug- und druckfesten Diagonalen möglich. In allen Fällen sind

die Verankerungsmittel entsprechend zu dimensionieren.

Bild 7: Horizontale Verankerung mit Vertikalstäben und Diagonalen [HILTI03]

In gewissen Fällen ist es möglich, horizontale Abstützungen an Wänden vorzusehen (Bild 8).

Die Decke kann beispielsweise auf der einen Seite fest verbunden und auf der anderen

verschieblich mit ausreichendem Freiraum gelagert sein. Im Normalzustand sollen die

temperaturbedingten Bauteilbewegungen nicht behindert werden. Je nach Bedeutung und

Gefährdung ist diesen Anforderungen entsprechend Rechnung zu tragen.

Bild 8: Horizontale Verankerung an der Wand [HILTI03]

Für die Lagerung der Deckenplatten auf dem Trägerrost ist eine ausreichende Aufstandsfläche

vorzusehen. Geeignet ist eine Sicherung mit Druckfedern, Klammern oder Verschraubungen, so

dass einzelne Platten nicht aus der Konstruktion gehoben werden können.

Empfehlungen, Hinweise

Der Trägerrost überträgt die Horizontalkräfte von den Platten auf die Aussteifung. Deshalb

muss er in seiner Ebene genügend starr sein. Je weicher der Rost, desto mehr Abspannungen

sind erforderlich. Dies kann z.B. der Fall sein, wenn der Rost auf unterschiedlichen Höhen liegt

oder im Grundriss stark verwinkelt ist.

Die Aussteifung muss koordiniert werden mit derjenigen von Beleuchtung, Belüftung, Leitungen,

etc. Auch bei der Verwendung von kombinierten Deckenmodulen muss auf ein adäquates

Aussteifungssystem geachtet werden. Bei diesen Modulen sind z.B. Leitungen und Beleuchtung

bereits in die Deckenplatten integriert.

Bei der Planung soll die Lage im Gebäude berücksichtigt werden. Bei Deckenplatten, die z.B.

im Bereich von Notausgängen liegen, hat die Absturzsicherung eine grössere Bedeutung als

bei Elementen, die sich nicht im Bereich von Fluchtwegen befinden und z.B. häufig geöffnet

werden müssen.

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6.1.3 Doppelböden

Ein Doppelboden besteht aus Stützen und Bodenplatten, die je nachdem auf einer

Unterkonstruktion aus Längs- und Querträgern oder direkt auf den Stützen gelagert sind.

Risikoarten

Personen- und Sachschäden

Blockieren der Fluchtwege

Beeinträchtigung der Funktionstüchtigkeit / Betriebsausfälle

Schadensbild

Unter horizontaler Einwirkung können die Stützen umkippen oder knicken. Besonders gefährdet

sind Böden mit grossen Höhen, ohne Umschliessungswände oder mit schweren Einbauten.

Diese Systeme sind weich und führen oft zu einer Amplifikation der Stockwerksbeschleunigung.

Massnahmenbeschreibung

Es gelten analoge Überlegungen wie bei den abgehängten Decken (6.1.2). Allerdings ist in

diesem Fall eine Lösung, bei der der Doppelboden frei beweglich ist, nicht geeignet.

Bei Böden mit Unterkonstruktion müssen die Quer- und Längsträger mit diagonalen

Abstützungen horizontal stabilisiert werden (Bild 9 links). In geeigneten Fällen können auch

Wandbefestigungen zum Zug kommen (Bild 10 rechts). Es ist eine kraftschlüssige Verbindung

zwischen dem Trägerrost und den Stützen zu gewährleisten.

Bei schweren Einbauten mit vielen Leitungsanschlüssen (Schaltschränke, Racks) ist ein

unabhängiger Bodenrahmen vorteilhaft (Bild 9 rechts). Diese Konstruktion ist vom Doppelboden

getrennt und separat zu verankern. Es ist auf eine ausreichende Steifigkeit zu achten

(Diagonalstäbe).

Bild 9 links: horizontale Abstützungen für Doppelböden [HILTI03]

rechts: Bodenrahmen für schwere Einbauten [HILTI03]

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Bild 10 links: Aussteifung Doppelboden [FEMA E-74, Kap. 6.5.3]

rechts: Befestigung Doppelboden an Wand [axpo / ewz]

Empfehlungen, Hinweise

Die Stützen können auch biegesteif im Tragwerk verankert werden. Diese Massnahme kann bei

geringem Schadenspotential sinnvoll sein, also bei niedriger Seismizität, leichten Einbauten

ohne besondere Bedeutung und geringer Höhe über dem Boden. Allenfalls kann auch auf die

Unterkonstruktion verzichtet werden, dann müssen die Bodenplatten aber genügend an den

Stützen befestigt sein.

Geräte auf Rollen können in die Öffnungen von Doppelböden fallen. Um das zu verhindern,

können Leisten montiert werden.

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6.1.4 Trenn- und Zwischenwände

Mauerwerkswände oder Leichtbauwände, die die ganze oder einen Teil der Raumhöhe

messen, dienen als Ausfachungen bei Skelettbauten oder kommen getrennt von der

Tragstruktur vor. Nicht tragende Wände werden oft ungewollt Teil des Tragsystems und

beeinflussen so das Tragverhalten und die Gesamtantwort des Gebäudes.

Risikoarten

Personen- und Sachschäden durch umfallende Wände oder Trümmerteile

Gefährdung der Tragstruktur

Blockieren der Fluchtwege

Beeinträchtigung der Funktionstüchtigkeit infolge Beschädigung von Installationen

Schadensbild

Trenn- und Zwischenwände sind sowohl beschleunigungs- als auch verformungsempfindlich.

Bei ungünstigen Ausfachungen kann sich infolge Stockwerkschiefstellungen (Einwirkung in

Wandrichtung) eine Druckdiagonale im Mauerwerk bilden (Bild 11 links). Oft kommt es zum

Gleiten in einer Lagerfuge. Die Füllwände können in den Stützen hohe Momentengradienten

erzeugen, was im schlimmsten Fall zu einem Schubbruch in der Stütze führt (Bild 11 rechts).

Bei einer out-of-plane Anregung können Steine herausfallen oder die ganze Wand umkippen

(Bild 12 links).

Weitere Schadensbilder sind Risse bei Öffnungen, Verformungen der Wandträger, Versagen

der Verbindungen und Abplatzungen im Verputz (Bild 12 rechts).

Bild 11 links: Druckdiagonale durch Mauerwerkswand [BWG02]

rechts: kurze Stütze infolge Mauerwerksausfachung [FEMA E-74, Kap. 6.3.2]

Bild 12: Schäden an Leichtbauwänden [FEMA E-74, Kap. 6.3.2]

Holzständerwand

Verkleidung

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Massnahmenbeschreibung

Ausgenommen von sehr steifen Gebäuden mit geringen relativen Stockwerksverschiebungen

müssen Mauerwerkswände isoliert oder in die horizontale Tragwerksanalyse mit einbezogen

werden, um Schäden zu vermeiden. Ungeeignet sind weiche Systeme (Rahmen) mit steifen

nicht tragenden Elementen. Da Trennwände das Gebäude oft ungewollt aussteifen,

übernehmen sie zu Beginn eines Bebens einen Grossteil der Einwirkung. Infolge geringen

Tragwiderstands und Normalkraftbelastung versagen sie jedoch oft nach wenigen Zyklen.

Raumhohe Wände sind an der Decke mit einer Gleitverbindung in Wandrichtung vom Tragwerk

zu isolieren (z.B. mit Gummischrot). Ausfachungen von Stahlbetonrahmen sind so zu

konstruieren, dass die Ausbildung einer Druckdiagonale im Mauerwerk sowie ein

Schubversagen in den Stützen ausgeschlossen werden kann (Bild 13). Vorteilhaft ist der

Einsatz von Lagerfugenbewehrung.

Bild 13: Massnahmen bei Trenn- und Zwischenwänden [FEMA E-74, Kap. 6.3.2]

Quer zur Wandebene müssen Trennwände je nach Gefährdung oben und seitlich gehalten

werden, z.B. mit Stahlwinkel (Bild 13 und Bild 14). Eine Ausbildung als Kragarm-Konstruktion ist

möglich, aber schwieriger zu realisieren.

Vollständig freistehende Mauern müssen entsprechend bemessen und fundiert sein. Für

Trennwände siehe auch 6.1.7.

Bild 14: Konstruktionsdetails zur seitlichen Halterung von Zwischenwänden [BAC02]

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Empfehlungen, Hinweise

Das Schutzziel ist mit dem Bauherrn festzulegen. Bei Erdbeben, die schwächer sind als das

Bemessungsbeben, können je nach Anforderungen Schäden an nicht tragenden Wänden

toleriert werden, sofern keine Gefährdung des Tragwerks entsteht. Unter Umständen kann auf

eine Fuge verzichtet werden (weiche Wände, keine Gefährdung für Tragwerk und Benutzer).

Gemäss [BAC02] liegt die Schadensgrenze für fest verbundene, nicht abgefugte Ausfachungen

bei Stockwerkschiefstellungen von ca. h/1500 (Backstein) bzw. h/1000 bis h/500 (Metall- oder

Kunststoffwänden). Das bedeutet, dass z.B. eine Ausfachung aus Backstein in einem 3 m

hohen Geschoss bereits ab ca. 2 mm Verschiebung Schäden erfährt.

Die Fugenbreite bei abgetrennten Elementen ist auf die zu erwartenden Stockwerk-

verschiebungen Δu beim Erreichen der Bemessungsduktilität abzustimmen. [BAC02] empfehlt

folgende Richtwerte:

Wände ohne grosse Steifigkeit (z.B. aus Kunststoff oder Metall) 025% Δu

Fassadenbauteile (grösseres Gefährdungspotential) 0 060% Δu

Ausfachungen, die das Tragwerk beschädigen können 100% Δu

Die vertikale Fuge seitlich der Ausfachung sollte je nach Tragwerk und Gefährdung ca. 10 bis

40 mm betragen. Bei sehr weichen Gebäuden und grosser Seismizität kann sie auch grösser

sein. Die horizontale Fuge zwischen der Ausfachung und der Decke sollte mindestens halb so

breit sein [SIA02]. Das Fugenmaterial sollte möglichst weich sein. Bei der Wahl Materials sind

aber auch die Anforderungen für den Normalzustand zu berücksichtigen (Wärmeisolation Lärm-

und Brandschutz, etc.). Es ist ein Optimum der gegenläufigen Anforderungen zu erzielen.

Zur Bestimmung der Fugenbreite kann auch die Formel nach [SIA02] verwendet werden:

δm Stockwerkschiefstellung S(WD) Stärke des Schadengrenzebebens mit der Widerkehrperiode WD S(WE) Stärke des Bemessungsbebens mit der Widerkehrperiode WE hs Stockwerkshöhe η Verhältnis der Dicke des zusammengedrückten Fugenmaterials zur ursprünglichen Dicke

Bei hohen gestalterischen Anforderungen sollte der Verputz im Übergangsbereich mit einem

Armierungsgewebe versehen werden, um trotz des ungleichmässigen Verhaltens von Beton,

Mauerwerk und Fugenmaterial eine möglichst rissfreie Oberfläche zu erhalten.

Gegenstände und Installationen, die an Wänden befestigt sind, können das Risiko erhöhen

oder ebenfalls Schäden davontragen. Dient eine Wand zur Abtragung horizontaler Lasten von

anderen Installationen, ist sie dementsprechend zu dimensionieren. Trennwände dürfen nicht

an abgehängten Decken abgestützt werden. Eine einseitige Belastung der Trennwände ist zu

vermeiden.

Leichtbauwände zur Raumaufteilung können mit breiten und schweren Auflagerfüssen

versehen, miteinander verbunden und im Grundriss winkelförmig angeordnet werden, um den

Kippwiderstand zu vergrössern.

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6.1.5 Brüstungen

Risikoarten

Personen- und Sachschäden durch herabfallende Trümmer

Gefährdung der Tragstruktur

Blockieren der Ausgänge

Schadensbild

Schwere Brüstungen ohne horizontale Aussteifung weisen bei Erdbeben typischerweise out-of-

plane Instabilitäten auf (Bild 15). Sie können nach aussen oder nach innen fallen und

möglicherweise das Dach durchschlagen. Weitere Schadensbilder sind Schäden an

Verbindungen, Risse und Abplatzungen.

Bild 15: Versagen infolge Trägheitskräfte quer zur Brüstung [FEMA E-74, Kap. 6.3.5]

Bild 16: Brüstung im oberen Geschoss heraus gefallen [SGEB09]

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Massnahmenbeschreibung

Eine Brüstung aus Stahlbeton oder Mauerwerk kann als Kragarmkonstruktion bemessen und

ausgeführt werden. Der Einsatz vom bewehrtem Mauerwerk kann je nach Gefährdung sinnvoll

sein. Bestehende Brüstungen können mit einer horizontalen Verankerung oder einer

Verstärkung aus Stahlbeton (allenfalls Spritzbeton) gesichert werden (Bild 17).

Nicht abgefugte Teilausfachungen können das Tragwerk erheblich gefährden (Effekt der

"kurzen Stützen") und sind deshalb unbedingt zu vermeiden. Es gelten analoge Überlegungen

wie in Kap. 6.1.4.

Bild 17 links: Massnahmen für Brüstungen auf dem Dach [FEMA E-74, Kap. 6.3.5]

rechts: nachträgliche Sicherung einer Mauerwerksbrüstung mit Stahlbeton

Bild 18: Ausfachungen zwischen Stützen [FEMA E-74, Kap. 6.3.2]

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6.1.6 Treppenläufe

Risikoarten

Personen- und Sachschäden durch Trümmerteile

Blockieren der Fluchtwege (bedeutende Funktion)

Beeinträchtigung der Funktionstüchtigkeit / Betriebsausfälle

Schadensbild

Treppen sind mit dem Tragwerk gekoppelt oder unabhängig davon. Schäden entstehen

hauptsächlich infolge relativer Stockwerksverschiebungen, wodurch die Treppe zu einer Druck-

diagonalen werden kann (Bild 19 links). Dieses Phänomen tritt deshalb v.a. bei weichen

Gebäuden in Erscheinung. Auch das Zerstören oder Herunterfallen der Treppentritte ist eine

Gefährdung (Bild 19 rechts). Werden Treppenhausschächte beschädigt, können Trümmerteile

die Wege versperren (Bild 20).

Bild 19 links: Druckdiagonalen im Treppenlauf [FEMA E-74, Kap. 6.3.8]

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Bild 20 links: Trümmerteile versperren den Treppenlauf [FEMA E-74, Kap. 6.3.8]

rechts: Heruntergefallene Treppentritte [FEMA E-74, Kap. 6.3.8]

Massnahmenbeschreibung

Damit sich keine Druckdiagonale ausbilden kann, ist die Treppe in Längsrichtung bei einer

Decke zu fixieren und bei der benachbarten mit einem verschieblichen Lager auszustatten. Die

Bewegungsfreiheit kann zum Beispiel mit Langlöchern erreicht werden.

Bild 21: Massnahmen bei Treppenläufen [FEMA E-74, Kap. 6.3.8]

Empfehlungen, Hinweise

Spröde Materialien wie z.B. Glas sollten im Bereich von Treppenhäusern vermieden werden

oder gegen den Einsturz in den Schacht gesichert werden. Speziell in diesen Bereichen sind

sämtliche Installationen bezüglich Erdbebeneinwirkung zu sichern.

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6.1.7 Verglasungen, Türen, Fenster

Risikoarten

Personenschäden durch herunterfallende Scherben

Blockieren der Ausgänge

Schadensbild

Verglasungen sind sowohl beschleunigungs- als auch verformungsempfindlich (in- und out-of-

plane). Speziell in weichen Gebäuden mit grossen Stockwerkschiefstellungen treten häufig

Schäden auf. Glasscheiben können als Ganzes herausfallen oder in grosse Scherben

zerbrechen und eine erhebliche Verletzungsgefahr darstellen.

Türrahmen können sich so deformieren, dass die Türen sich nicht mehr öffnen lassen.

Bild 22 links: heraus gebrochene Fensterscheiben [ADE07]

rechts: verbogene Fensterrahmen in weichem Gebäude [FEMA E-74, Kap. 6.3.1]

Bild 23: Schäden an Verglasung mit Glasbausteinen [FEMA E-74, Kap. 6.3.1]

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Massnahmenbeschreibung

Es können verschiedene Glasarten zum Einsatz kommen, die ein mehr oder weniger gutes

Erdbebenverhalten aufweisen. Normales Glas zerspringt in grosse Scherben. Dieses

ungünstige Verhalten kann durch Aufbringen einer Folie als kostengünstige Verstärkungs-

massnahme etwas verbessert werden. Folien eignen sich hauptsächlich bei kleinen Fenstern,

denn bei grossen kann die ganze Scheibe aus dem Rahmen fallen. Eine Folie, die im Rahmen

eingespannt ist, verhält sich besser.

Ein gutes Bruchverhalten weist temperiertes Glas auf, sogenanntes Einscheiben-

Sicherheitsglas (ESG). Es wird bei grosser Temperatur abgeschreckt und kann dank diesem

inneren Spannungszustand höhere Zugbelastungen aufnehmen. Es zerbricht in kleine Krümel,

welche ein geringeres Gefahrenpotential darstellen. Die Gutmütigkeit des Bruchverhaltens von

teilvorgespanntem Glas (TVG) liegt zwischen normalem und temperiertem Glas.

Ein sehr gutes Verhalten weist Verbund-Sicherheitsglas (VSG) auf. Es besteht aus mindestens

zwei Scheiben und einer Zwischenschicht. Dazu können alle oben beschriebenen Glasarten

verwendet werden. Bei einer Beschädigung hält die Zwischenschicht die Scherben zusammen

und die Scheibe bleibt immer noch tragfähig. Drahtgläser kommen nicht an die Qualität von

VSG-Scheiben heran, bieten aber ebenfalls einen Schutz gegen herunterfallende Scherben.

Die konstruktive Durchbildung ist auf die zu erwartenden relativen Stockwerksverschiebungen

des Gebäudes abzustimmen. Um die in-plane Verformungen aufnehmen zu können, ist bei der

Befestigung an den Fenstersprossen Spielraum vorzusehen (Bild 24).

Verglasungen aus Glasbausteinen sind sehr spröd (Bild 23) und müssen deshalb analog zu

Trennwänden aus Mauerwerk ausgebildet werden (siehe 6.1.4). Besondere Beachtung ist der

Isolation vom Tragwerk und der Ausbildung der Eckbereiche zu schenken.

Türen können bei Schiefstellungen ab ca. 0.2 % verklemmen und Fluchtwege blockieren. Je

nach Bedeutung und Gefährdung der Türe ist deshalb der Rahmen von Tragwerk abzufugen.

Bild 24: Massnahmen bei Fensterscheiben [FEMA E-74, Kap. 6.3.1]

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Empfehlungen, Hinweise

In Bereichen von Türen, speziell bei Fluchtwegen und Notausgängen, ist auf die

Erdbebensicherung der nicht tragenden Elemente und Installationen besonderen Wert zu legen.

Über Gehwegen oder Aufenthaltsbereichen von Personen sollten nur Scheiben mit

Sicherheitsglas (ESG, TVG, VSG) eingesetzt werden.

Bei harten und spröden Dichtmittel, wie z.B. Vinyl, treten bereits bei relativ geringen

Stockwerkschiefstellungen von ca. 1/1500 bis 1/500 Schäden auf. Aus diesem Grund sind

elastische Kittfugen, wie z.B. aus Silikon, zu bevorzugen, die erst bei Schiefstellungen von ca.

1/100 Schäden verursachen [PEER02]. Für die erforderlichen Fugenbreiten gelten analoge

Überlegungen wie bei den Trenn- und Zwischenwänden (siehe 6.1.4).

Bei sehr steifen Gebäuden (relative Stockwerkverschiebungen bis ca. 2 mm) sind keine

besonderen Massnahmen zu treffen.

Quer zur Wandebene ist die Beanspruchung infolge Windeinwirkung in der Regel grösser als

infolge Erdbeben, so dass der Lastfall Wind für die Bemessung massgebend ist.

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6.1.8 Tafeln, Schilder, Vordächer

Risikoarten

Personen- und Sachschäden durch herunterfallende Elemente

Blockieren der Ausgänge

Schadensbild

Schwere, kragarmartige Gebilde ohne Abstützung können vertikal in Schwingung geraten und

sich aufschaukeln. Infolge Trägheitskräften kann das Element bei fehlenden oder

ungenügenden Aussteifungen versagen und herunter stürzen.

Bild 25 links: herunter gefallene Werbetafel [FEMA E-74, Kap. 6.3.6]

recht: eingestürztes Vordach [SGEB 09]

Massnahmenbeschreibung

Eine diagonale Aussteifung reduziert Schwingungen in vertikaler Richtung. Die Verstrebung ist

im Tragwerk zu verankern.

Bild 26: Massnahmen bei auskragenden Konstruktionen [FEMA E-74, Kap. 6.3.6]

Empfehlungen, Hinweise

Gerade bei leichten Gebilden mit grosser Angriffsfläche ist die Beanspruchung infolge

Windeinwirkung in der Regel deutlich grösser als infolge Erdbeben. Das Erdbeben kann eher im

Innenbereich oder bei sehr schweren Elementen massgebend sein.

Zur vertikalen Befestigung ist eine Kette weniger geeignet, da sie keine aussteifende Wirkung

besitzt und das Aufschaukeln nicht verhindern kann.

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6.1.9 Kamine und Schornsteine

Risikoarten

Personen- und Sachschäden durch herunterfallende Trümmerteile

Blockieren der Ausgänge

Schadensbild

Kamine aus Mauerwerk sind sehr verletzlich. Es kommen kleinere Schäden wie Risse und

Abplatzungen vor. Bei grösserer Anregung kann sich der Kamin vom Tragwerk ablösen oder

einstürzen (Bild 27).

Bild 27: Einsturz eines Kamins [FEMA E-74, Kap. 6.3.7]

Massnahmenbeschreibung

Je nach Gefährdung ist eine Verankerung am Gebäude erforderlich (Bild 28 links). Schornsteine

aus Mauerwerk können z.B. auch durch solche aus Metall ersetzt werden. Diese sind leichter

und können einfach an der Fassade befestigt werden.

Bild 28: Massnahmen für Schornsteine [FEMA E-74, Kap. 6.3.7]

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6.1.10 Dachdeckung

In diese Kategorie gehören einerseits Dachziegel, andrerseits Verkleidungen von

Deckenuntersichten, z.B. mit Gipsplatten der Verputz.

Risikoarten

Personen- und Sachschäden durch herunterfallende Elemente

Blockieren der Ausgänge

Schadensbild

Lose Dachziegel können bei einem Erdbeben vom Dach herunterfallen. Diese Gefahr besteht

auch für Gipsplatten mit ungenügender Befestigung oder schlecht befestigter Haftunterlage. Bei

verputzten Untersichten entstehen häufig Risse und Abplatzungen, besonders bei Öffnungen

und Eckbereichen.

Bild 29: Herunter gefallene Dachziegel [SGEB09]

Bild 30: Abplatzungen in Verputz und abgelöste Deckenuntersicht [FEMA E-74, Kap. 6.3.4]

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Massnahmenbeschreibung

Dachziegel können mit Drähten am Absturz gehindert werden (Bild 31). Es soll zuerst überprüft

werden, ob der Lastfall Erdbeben im Vergleich mit der Windeinwirkung überhaupt massgebend

ist.

Bild 31: Befestigung für Dachziegel [CAL03]

Bild 32: Befestigung der Deckenuntersicht an der Tragstruktur [FEMA E-74, Kap. 6.3.4]

Die Haftgrundlage für den Verputz sollte ausreichend mit der Tragstruktur verbunden sein (Bild

32). Die Flächen sollten in Abschnitte unterteilt werden, die mit Fugen voneinander getrennt

sind.

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6.2 Haustechnische Gebäudeeinrichtungen

6.2.1 Notstromversorgung

Ein Notstromsystem kann mit Generatoren oder Notstrombatterien betrieben werden. Da diese

Elemente gerade für die Aufrechterhaltung von lebenswichtigen Infrastrukturgebäuden in Kata-

strophenfällen gedacht sind, kommt ihrer Sicherung eine grosse Bedeutung zu.

Risikoarten

Sachschäden

Beeinträchtigung der Funktionstüchtigkeit / Betriebsausfälle

Schadensbild

Bei fehlender oder ungenügender Verankerung können Generatoren und Batterienracks

verrutschen oder umkippen. Sind Generatoren auf Schwingungsisolatoren montiert, kann es

beim Versagen der Verbindungen zu exzessiven Bewegungen kommen (siehe Fehler! Verweisquelle konnte nicht gefunden werden.). Batterien können zudem aus den Regalen

fallen.

Massnahmenbeschreibung

Die Komponenten des Notstromkreislaufs müssen gemäss den entsprechenden Kapiteln

gesichert werden: Schaltanlagen von Normal- auf Notstrom (6.2.2), Treibstofftanks (6.2.4),

Leitungen (6.2.5), Generatoren (6.2.7). Für Systeme mit Schwingungsisolatoren siehe Fehler! Verweisquelle konnte nicht gefunden werden..

Bei frei stehenden Geräten muss die Fundamentplatte eine genügend grosse Aufstandsfläche

haben, um ein Umkippen zu verhindern. Regale für Notstrombatterien sind ausreichend

auszusteifen und zu verankern (Bild 33).

Bild 33: Ausgesteiftes Regal für Notstrombatterien [axpo]

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6.2.2 Elektrotechnische Einrichtungen

In diese Kategorie fallen hohe, schlanke Anlagen wie z.B. Verteil- und Sicherungskasten,

Umspannungsanlagen, Überstromschutzeinrichtungen, Transformatoren, Zähler und

Steuerungschränke. Freistehende oder wandbefestigte Panels wie Steuerungseinheiten,

Schalt- und Bedientafeln werden hier ebenfalls behandelt.

Risikoarten

Personen- und Sachschäden (auch Folgeschäden durch Stromschlag und Brand)

Blockieren der Fluchtwege

Beeinträchtigung der Funktionstüchtigkeit / Betriebsausfälle

Schadensbild

Trägheitskräfte können grosse und schlanke Elemente zum Verrutschen oder Umkippen

bringen (Bild 34). Innere Komponenten können durch die Beschleunigung beschädigt werden

und zum Funktionsausfall führen.

Bei wandmontierten Panels tritt hauptsächlich out-of-plane Versagen auf (Bild 35). Solche

Elemente zeigten bei vergangenen Erdbeben z.T. ein gutes Verhalten. Gründe dafür sind das

geringe Gewicht, die Duktilität des Metallschranks, sowie eine gewisse ungewollte Befestigung

durch angeschlossene Kabelschutzrohre.

Bild 34: Umgekippte Kommunikationsracks [FEMA E-74, Kap. 6.4.7]

Bild 35: Versagen der Wandbefestigung [FEMA E-74, Kap. 6.4.7]

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Massnahmenbeschreibung

Befestigungen sind an Wänden, an der Decke oder auf dem Boden möglich (Bild 36, siehe

auch 6.3.2). Die Wand muss die Zusatzlasten infolge Erdbeben aufnehmen können. Für

Anlagen mit Schwingungsisolatoren siehe Kap. Fehler! Verweisquelle konnte nicht gefunden werden.. Innere Komponenten sollten möglichst beschleunigungsrobust sein.

Bild 36: mögliche Verankerung von Schränken [FEMA E-74, Kap. 6.4.7]

Bild 37: Sicherung von Schränken an der Wand [axpo]

Bild 38: Verankerung einer 150kV-Spannungsanlge auf dem Betonboden [ewz / axpo]

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Freistehende Einheiten benötigen eine ausreichende horizontale Aussteifung und Verankerung.

Als Befestigungsgrundlage können auch Schienen und Platten eingesetzt werden, die am

Boden und an der Decke verankert werden.

Bild 39: Verankerung von freistehenden Einheiten [FEMA E-74, Kap. 6.4.7]

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6.2.3 Brandschutzeinrichtungen

Dieses Kapitel beschreibt hauptsächlich Massnahmen für Sprinkleranlagen. Informationen zu

Teilkomponenten wie Tanks (6.2.4), Leitungen oder Lüftungen (6.2.5), Pumpen (6.2.7) sowie

Steuereinheiten für Sprinkler und Brandschutztüren (6.2.2) sind den entsprechenden Kapiteln

zu entnehmen.

Risikoarten

Personen- und Sachschäden (Brände infolge Erdbeben können nicht sofort gelöscht

werden)

Beeinträchtigung der Funktionstüchtigkeit / Betriebsausfälle (Gebäudeevakuation

aufgrund ungenügendem Brandschutz oder Wasserschäden)

Schadensbild

Sprinklerköpfe sind verformungsempfindlich und v.a. in Kombination mit herunter gehängten

Deckensystemen gefährdet. Sie werden häufig durch Zwängungen bei den Durchbrüchen

beschädigt, wenn die Decke und die Sprinkler unabhängig voneinander schwingen können.

Besonders verletzbar sind auch die Abzweigungen von den Hauptleitungen.

Bild 40: beschädigter Sprinklerkopf [FEMA E-74, Kap. 6.4.4]

Massnahmenbeschreibung

Herunter gehängte Decken sind genügend zu fixieren (siehe Kap. 6.1.2). Die Verletzbarkeit von

Sprinklerköpfen kann mit flexiblen Anschlüssen an der Hauptleitung reduziert werden (Bild 41).

Alternativ kann ein genügend grosser Spalt bei Decken- oder Wanddurchbrüchen

Bewegungsspielraum schaffen. Rauch- und Brandmelder sowie weitere Alarmsysteme und

Löscheinrichtungen sind ausreichend zu befestigen.

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Bild 41: Flexible Abzweigungen von Hauptleitung [FEMA E-74, Kap. 6.4.4]

Bild 42: Verankerung der Pumpe und Steuereinheit, flexible Leitungsverbindungen und

Wanddurchbruch mit Spielraum [FEMA E-74, Kap. 6.4.4]

flexible Verbindungen

zweckmässiger Wanddurchbruch

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6.2.4 Tanks, Kessel, Behälter

Tanks können aus Materialien wie Stahl, Polyethylen, Polypropylen, Fiberglass,

faserverstärkten Kunststoffen oder Beton sein. Sie sind aufgeständert, an rahmenartigen

Gestellen befestigt oder direkt auf dem Boden oder einem Sockel fundiert.

Risikoarten

Personen- und Sachschäden (herumschleudernde Ventile, Auslaufen von

Gefahrengütern, Wasserschäden, Brände)

Gefährdung der Umwelt

Blockieren der Fluchtwege

Beeinträchtigung der Funktionstüchtigkeit / Betriebsausfälle

Schadensbild

Häufig treten Trägheitsversagen wie Verrutschen, Umkippen oder Absturz ein (Bild 43).

Mögliche Folgen sind Beschädigungen der Tankwand oder des Rahmens sowie geborstene

Anschlussleitungen.

Bild 43: Trägheitsversagen bei Tankwänden [FEMA E-74, Kap. 6.4.2]

Ungenügend dimensionierte Verankerungen können beschädigt oder herausgerissen werden

(Bild 44 links). Bei vertikal stehenden, direkt abgestützten Tanks erhalten die Wände infolge

Erdbeben Druckkräfte, die zu Instabilitäten II. Ordnung führen können (Ausbeulen der

Tankwand, Bild 44 rechts und Bild 45).

Bild 44 links: Beschädigte Verankerung [FEMA E-74, Kap. 6.4.4]

rechts: ausgebeulte Tankwand [FEMA E-74, Kap. 6.4.4]

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Bild 45: Ausgebeulte Tankwände [FEMA E-74, Kap. 6.4.2]

Massnahmenbeschreibung

Die Verbindungen zwischen Tanks und ihrer Tragkonstruktion sind ausreichend zu

dimensionieren. Diese Rahmen müssen horizontal ausgesteift und verankert werden.

Aufgeständerte Tanks sind im Minimum an drei Stellen zu verankern. Bei Befestigungen an

einer anderen Wand, ist die Tragfähigkeit der Wand nachzuweisen. Einzelfundamente von

freistehenden Tanks müssen eine genügende Aufstandsfläche besitzen, um ein Umkippen zu

verhindern. Die Tankwände müssen auf die zu erwartenden Druckkräfte bemessen sein.

Tanks können mit Gurten an die Wand gebunden werden (Bild 46 links). Boiler, die an der

Wand befestigt sind, sollten mit einem Abstandshalter versehen sein. Auch kleinere Behälter

(z.B. Gasflaschen) müssen gesichert werden. Nicht angeschlossene Flaschen können mit

Ketten gehalten werden, angeschlossene sind einzuspannen (Bild 46 rechts).

Bild 46 links: Sicherung von aufgeständerten Tanks [FEMA E-74, Kap. 6.4.2]

rechts: Befestigung von Zylinderflaschen [FEMA E-74, Kap. 6.4.2]

Empfehlungen, Hinweise

Schwere Tanks sind möglichst unten im Gebäude anzuordnen. In den oberen Etagen sind

mehrere kleinere Behälter einem Tank mit konzentriterer Masse vorzuziehen.

Tanks sollten mit einem automatischen Absperrventil oder einem gut zugänglichen

Notabsperrhahn versehen werden.

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6.2.5 Rohrleitungen, Lüftungs- und Kabelkanäle

Für Rohrleitungen und Kanäle kommen Materialien wie Stahl, Aluminium, Kupfer, PVC, PE etc.

zum Einsatz. Einzelne Elemente werden mit Schraub-, Gewinde-, Flansch-, Muffen-, Schweiss-

oder Lötverbindungen zusammengesetzt. In diese Kategorie gehören auch Kabel- und

Rohrtrassees, die auf Konsolen oder Leitungsbrücken montiert sind.

Risikoarten

Personenschäden (Verbrennungen, Verbrühungen, Stromschlag, Austritt von Giftstoffen)

Sachschäden (Wasserschäden, Brände, Explosionen)

Gefährdung der Umwelt

Blockieren der Fluchtwege

Beeinträchtigung der Funktionstüchtigkeit / Betriebsausfälle

Schadensbild

Leitungen sind sowohl verformungs- als auch beschleunigungsempfindlich. Ungenügend

befestigte Leitungen können an andere Gegenstände anprallen oder herunter fallen. Schäden

treten insbesondere bei grossen differentiellen Verschiebungen zwischen Fixpunkten auf.

Verletzbar sind Rohrdilatationen, Gelenke, Abbiegungen, Durchbrüche und (v.a.

zusammengesteckte) Stossverbindungen. Häufig sind auch Schäden an Leitungsbrücken, z.B.

Fliessen oder Knicken der Stahlprofile oder Versagen der Verankerung.

Bild 47 links: Anprallschaden; Mitte: herunter gefallene Leitung [FEMA E-74, Kap. 6.4]

rechts: Schaden bei Verzweigung [EERI10]

Bild 48: Schaden bei Stossverbindungen [FEMA E-74, Kap. 6.4.3]

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Massnahmenbeschreibung

Aussteifungen für Rohrleitungen sind in Längs- und Querrichtung erforderlich (Bild 49 links).

Schienen, Konsolen oder Leitungsbrücken müssen ebenfalls ausgesteift und verankert werden

(Bild 49 rechts). Es sind jeweils biegesteife Befestigungen oder Fachwerkstäbe möglich. Der

optimale Neigungswinkel der Aussteifung beträgt 45°.

Wanddurchbrüche können ebenfalls zur Abtragung der Horizontalkräfte ausgenutzt werden,

sofern keine zu grossen Relativverschiebungen zu erwarten sind. Wenn keine Abstützungen

vorhanden sind, ist zwischen dem Durchbruch und der Leitung genügend Freiraum zu

konzipieren. Es ist zu beachten, dass die Wand durch den Durchbruch geschwächt wird und

allenfalls verstärkt werden muss.

Die Notwendigkeit bzw. der Abstand der horizontalen Aussteifungen hängt von der Dimension

und dem Material des Rohres, der Masse und dem Gefahrenpotential des Mediums, dem

Deckenabstand, der Lage im Gebäude, dem Abstand und dem Widerstand der vertikalen

Abstützungen sowie der seismischen Einwirkung ab. In allen Fällen sind auch die thermischen

Verformungen zu berücksichtigen.

Pro geradem Leitungsstrang ist mindestens eine Längsverstrebung und am Anfang und Ende je

eine Querverstrebung erforderlich. Aussteifungen bei Abbiegungen gelten für beide Teilstücke.

In Längsrichtung ist die Kraftübertragung vom Rohr auf die Aussteifung zu beachten.

Bild 49 links: Aussteifung Rohrleitungen längs und quer [HILTI03] rechts: Aussteifung Konsolen längs und quer [FEMA E-74, Kap. 6.4.3]

Grössere Elemente, die innerhalb des Leitungsnetzes montiert sind, müssen bei der

Bemessung berücksichtigt werden. In der Regel ordnet man auf beiden Seiten des Elements

eine Verstrebung an.

Steigleitungen müssen ebenfalls in regelmässigen Abständen befestigt werden. Bei

Durchbrüchen sind die Leitungen auf der Decke zu lagern, bei grossen thermischen

Ausdehnungen evt. mit Federn (Bild 50). Es ist ein genügender Spielraum zu gewährleisten um

relative Stockwerkverschiebungen zu gewährleisten.

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Bild 50 links: Lagerung von Steigleitungen bei Deckendurchbrüchen [FEMA E-74, Kap. 6.4.3]

rechts: flexible Verbindungen bei Wanddurchbrüchen, Aussteifung von Leitungstrassee [FEMA E-74, Kap. 6.4.3]

Flexible Anschlüsse, duktiles Dichtungsmaterial und bewegliche Muffen werden benötigt, wo

grosse Relativbewegungen zu erwarten sind, also z.B. zwischen zwei Gebäuden oder

Stockwerken, bei Dilatationen, bei Anschlüssen an schwingungsisolierte oder steif befestigte

Geräte etc. Die Wahl hängt vom Leitungstyp und –durchmesser sowie der erwarteten Grösse

der Verschiebung ab (Bild 51).

Bild 51: verschiedene Typen von flexiblen Verbindungen [FEMA E-74, Kap. 6.4.3]

Empfehlungen, Hinweise

Rohrleitungen mit kleinen Durchmessern (bis ca. 5 cm), geringer Höhe zur Decke (bis ca.

30 cm), duktilem Material und flexiblen Anschlüssen zu starr befestigten Installationen werden

als nicht besonders kritisch betrachtet. Bei geringem Gefährdungspotential kann allenfalls auf

eine Abstützung verzichtet werden. Das Gefährdungspotential hängt ab von der Lage im

Gebäude, dem transportierten Medium, der Personenbelegung sowie der Seismizität. Dasselbe

gilt für Lüftungskanäle mit einer geringen Querschnittsfläche (bis ca. 0.3 m Durchmesser).

Leitungen aus spröden Materialien wie Guss, Glas oder Keramik sind zu vermeiden oder

schwingungsisoliert auszuführen. ngen an Leichtbauwänden muss auf Schwingungsprobleme

geachtet werden. Steife Befestigungen in Kombination mit weichen sind generell zu vermeiden.

Für die Anordnung und Dimensionierung der Abstützungen in Längs- und Querrichtung sind

Informationen in der Publikation "Richtlinie für die erdbebensichere Ausführung von nicht-

tragenden Bauteilen und Installationen" zu finden (siehe 6.4).

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6.2.6 Beleuchtungssysteme

Die Beleuchtung kann in einen herunter gehängten Deckenrost eingelegt werden oder direkt an

der Decke befestigt werden.

Risikoarten

Personen- und Sachschäden (Absturz, Anprallen, Stromschlag, Brand)

Blockieren der Fluchtwege

Beeinträchtigung der Funktionstüchtigkeit / Betriebsausfälle

Schadensbild

Wenn die Leuchtkörper auf einem Deckenrost aufgelegt sind, können sie infolge Schwingungen

und ungenügender Auflagerlänge herausfallen.

Bei unabhängigen Systemen kann die Befestigung versagen oder es kann zu

Zusammenstössen mit anderen Elementen kommen.

Bild 52: Absturz von Beleuchtungselementen [FEMA E-74, Kap. 6.4.9]

Massnahmenbeschreibung

Leuchtkörper in abgehängten Decken benötigen eine unabhängige vertikale Befestigung sowie

eine ausreichende horizontale Verbindung mit dem Deckenrost. Die abgehängte Decke muss

auf die Zusatzlasten der Beleuchtung dimensioniert sein (Kap.6.1.2). Es ist auch auf die

Absturzsicherung der Glasscheiben zu achten.

Alternativ kann die Beleuchtung unabhängig horizontal und vertikal verankert werden (Bild 53).

Dies empfiehlt sich bei schweren Elementen. Die Beleuchtung soll nicht an Leitungen oder

anderen nicht tragenden Bauteilen abgespannt werden.

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Bild 53: Aussteifung Leuchtkörper in abgehängter Decke [FEMA E-74, Kap. 6.4.9]

Direkt an der Decke befestigte Komponenten können starr mit der Decke verbunden sein oder

frei beweglich. Bei Frei beweglichen Leuchtkörpern ist die Verformungskapazität z.B. mit

Drehgelenken zu gewährleisten. Der Schwingbereich muss frei von anderen Gegenständen

sein.

Bei grossen Raumhöhen, schweren Elementen und stark frequentierten Räumen kann ein

Sicherheitsseil vorgesehen werden, um beim Versagen der Befestigung einen Absturz zu

verhindern.

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6.2.7 Klimatechnische Einrichtungen

HLK-Elemente wie Kältemaschinen, Pumpen, Kompressoren, Öfen, Befeuchter etc. können am

Boden, an der Wand oder auf dem Dach starr befestigt werden. Elemente wie Klimaanlagen,

Belüftungssysteme, Ventile und Pumpen, können auch herunter gehängt sein.

Risikoarten

Personen- und Sachschäden (Flüssigkeitsschäden, Stromschlag, Brand, Beschädigung

von internen Komponenten)

Blockieren der Fluchtwege

Beeinträchtigung der Funktionstüchtigkeit / Betriebsausfälle

Schadensbild

Die Einrichtungen können verrutschen, umfallen oder an andere Gegenstände anprallen. Dabei

können auch Leitungsanschlüsse infolge grosser relativer Verschiebungen beschädigt werden.

Bild 54 links: Versagen der Befestigungen [FEMA E-74, Kap. 6.4.1]

rechts: ungenügend ausgesteiftes Element [EERI10]

Bild 55: Gleitverschiebungen / Instabilitäten II. Ordnung [FEMA E-74, Kap. 6.4.1]

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Massnahmenbeschreibung

Die Verbindungen steif befestigter Installationen sind ausreichend zu dimensionieren. Die

Geräte können auf spezifischen Trägerrahmen, Sockeln oder Plattformen montiert werden (Bild

56). Je nach Situation sind flexible Leitungsanschlüsse vorzusehen (6.2.5). Bei Systemen, die

eine präzise Ausrichtung der Maschinen erfordern, ist besondere Aufmerksamkeit geboten.

Bild 56 links: Befestigung der Installation mit Stahlwinkel [FEMA E-74, Kap. 6.4.1]

rechts: Befestigung eines Kompressors [Hilti]

Abgehängte Komponenten sind analog zu Kap. 6.2.5 zu sichern. Schwere Gegenstände

benötigen evt. eine eigene Rahmenkonstruktion (Bild 57). Je nach Situation sind flexible

Leitungsanschlüsse vorzusehen.

Bild 57: Rahmenkonstruktion für schwere Gegenstände [FEMA E-74, Kap. 6.4.1]

Empfehlungen, Hinweise

Maschinen mit grossem Schadenpotential sollten mit einem automatischen Schalter oder

Absperrventil ausgestattet sein, der auf übermässige Erschütterungen reagiert.

durchgehende Stahlplatte

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6.2.8 Kommunikationseinrichtungen

Je nach Nutzung eines Bauwerks kommt der Aufrechterhaltung der Kommunikationswege im

Katastrophenfall eine ausserordentliche Bedeutung zu.

Risikoarten

Personen- und Sachschäden (Datenverlust)

Blockieren der Fluchtwege

Verlust der Kommunikationsmöglichkeiten

Beeinträchtigung der Funktionstüchtigkeit / Betriebsausfälle

Schadensbild

Computer-, Daten- und Media-Racks sind oft sehr schlank und deshalb

beschleunigungsempfindlich. Es besteht die Gefahr des Umkippens oder Verrutschens (Bild 58

links). Kabelanschlüsse können unterbrochen werden.

In der Regel ist für leichte Elemente wie Antennen oder Radarschüsseln der Lastfall Wind

massgebend. Schwere, schlecht verankerte Satellitenempfänger können jedoch auch infolge

eines Erdbebens umstürzen (Bild 58 rechts).

Bild 58 links: Umgekippte Computerracks [FEMA E-74, Kap. 6.5.3]

rechts: Abgestürzte Satellitenschüssel [FEMA E-74, Kap. 6.4.7]

Massnahmenbeschreibung

Die Verankerung der Racks ist ausreichend zu dimensionieren (siehe auch Kap. 6.2.2). Für

angeschlossene Kabel ist ein Spielraum (z.B. durchhängendes Kabel) vorzusehen.

Einrichtungen auf Doppelbodensystemen sind in Kap. 6.1.3 beschrieben.

Empfehlungen, Hinweise

Gespeicherte Daten können eine grosse Bedeutung haben. Hoch-sensible Daten sollten

zumindest an einem zweiten Ort abgespeichert werden, der nicht vom gleichen Erdbeben

betroffen sein kann.

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6.2.9 Aufzüge und Rolltreppen

Es gibt Aufzüge mit Seil- oder Hydraulikantrieb. Die Komponenten eines Aufzugs sind in Bild 61

dargestellt. Die Sicherung von Teilkomponenten wie Türen (6.1.7), elektronischen Steuerungen

(6.2.2), Tanks (6.2.4), Leitungen (6.2.5), sowie Pumpen und Motoren (6.2.7) wird in den

entsprechenden Kapiteln beschrieben.

Risikoarten

Personen- und Sachschäden

eingeschlossene Fluchtwege

Beeinträchtigung der Funktionstüchtigkeit / Betriebsausfälle

Schadensbild

Es sind verschiedene Schadensbilder möglich: Entgleisen und Herabfallen der Gegengewichte,

Verbiegen der Führungsschienen oder Zylinder, Entgleisen der Kabine, Schäden an der

Verankerung der Führungsschiene, Beschädigungen der Seile und Herausspringen der

Tragseile aus den Rollen. Gegengewichte und Führungsschienen sind am empfindlichsten.

Bild 59 links: Führungsschiene durch Gegengewichte verbogen

rechts: ungenügend befestigte Antriebseinheit [FEMA E-74, Kap. 6.4.10]

Bild 60: Herunter gefallene Gegengewichte und Schäden am Querträger

[FEMA E-74, Kap. 6.4.10]

Gegenwichte

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Massnahmenbeschreibung

Liftkabine und Gegengewichte müssen in den Führungsschienen gegen ein Entgleisen und

Abstürzen gesichert sein. Die Führungsschienen sind ausreichend am Gebäude zu verankern

und auf die zu erwartenden relativen Stockwerkverschiebungen auszulegen.

Tragseile müssen bei den Führungsrollen gegen ein Herausspringen gesichert werden. Es ist

zu gewährleisten, dass die automatische Abschaltung nach einem Erdbeben in Funktion bleibt

und der Aufzug sicher zum Stillstand gebracht wird.

Bild 61: Aufzug mit Hydraulik- und Seilantrieb [FEMA E-74, Kap. 6.4.10]

Die Anprallgefahr der Gegengewichte auf die Führungsschienen kann reduziert werden, wenn

zwischen Schienen und Gewicht ein ausreichender Spalt vorhanden ist (Bild 62 links). Eine

andere mögliche Massnahme ist das Zusammenhalten der beiden Führungsschienen durch

Stahlprofile, so dass die Schwingungsamplituden des Gewichts beschränkt werden (Bild 62

rechts). Es kann auch ein visko-elastischer Dämpfer zwischen dem Gewicht und seinem

Rahmen eingesetzt werden.

Bild 62: Liftschacht mit Gegengewichtskonstruktion

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Rolltreppen sind so auszubilden, dass bei der Lagerung auf der Tragstruktur relative

Stockwerkverschiebungen aufgenommen (vgl. 6.1.6) und Horizontallasten abgegeben werden

können. Teilkomponenten sind genügend zu verankern.

Empfehlungen, Hinweise

Wenn die Grundschwingzeit des Gegengewichtsystems nahe bei der des Gebäudes liegen,

können grosse Verformungen resultieren. Des Weiteren spielt auch die Position des Gewichts

eine Rolle sowie die Dämpfung durch Gummiräder und Federn.

Für Aufzüge und Rolltreppen von grösserer Bedeutung gibt es Schalter, die in einem

Erdbebenfall dafür sorgen dass die Kabinen ins nächste Geschoss gefahren, geöffnet und

abgeschaltet werden. Das Signal wird von einem Gerät ausgelöst, das eine fehlerhafte Position

des Gegengewichts registrieren kann oder durch Messung der Bodenbewegung ein Erdbeben

erkennt. Eine Problematik dieser Geräte ist jedoch, dass sie allenfalls bei anderen Vibrationen,

z.B. aus Verkehr oder Bautätigkeit, einen falschen Alarm auslösen können.

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6.2.10 Bauteile mit Schwingungsisolation

Diverse Einrichtungen, wie z.B. Pumpen, Generatoren oder Kompressoren, können auf einem

isolierten Sockel montiert werden, um eine Schwingungs-Transmission auf das Gebäude zu

verhindern.

Risikoarten

Personen- und Sachschäden (Flüssigkeitsschäden, Stromschlag, Brand)

Blockieren der Fluchtwege

Beeinträchtigung der Funktionstüchtigkeit / Betriebsausfälle

Schadensbild

Diese Installationen sind eher verformungsempfindlich und können verrutschen, umfallen oder

an andere Gegenstände anprallen. Dabei können auch Leitungsanschlüsse infolge grosser

relativer Verschiebungen beschädigt werden.

Bild 63: Versagen bei einer schwingungsisolierten Anlage [FEMA E-74, Kap. 6.4.1]

Massnahmenbeschreibung

Bei schwingungsisolierten Maschinen gibt es verschiedene Feder-Dämpfer-Systeme.

Eingespannte Federn beschränken Bewegungen in alle Richtungen (Bild 66 links). Sie müssen

auf die zu erwartenden Schub- und Abhebekräfte dimensioniert werden. Offene Federn ohne

Schub- und Abhebewiderstand müssen mit Dämpfern oder Puffern kombiniert werden, um zu

grosse Verschiebungen zu verhindern (Bild 66 Mitte / rechts). Kleine Verschiebungen sind mit

einem Spalt zu gewährleisten. Federn mit einem Gehäuse eignen sich schlecht, da sie das

Abheben nicht verhindert können. Je nach Situation sind flexible Leitungsanschlüsse

vorzusehen (siehe Kap. 6.2.5).

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Bild 64: Federn: links offen, in der Mitte mit Gehäuse, rechts eingespannt [FEMA 412]

Bild 65: Beispiele für Dämpfer und Puffer [FEMA 412]

Bild 66 links: Anordnung bei eingespannten Federn; Mitte: offene Federn mit Dämpfer;

rechts: offene Federn mit Puffer [FEMA E-74, Kap. 6.4.1]

Bild 67: Feder mit vertikaler Sicherung, Puffer zur Begrenzung der Horizontalverschiebungen

[FEMA E-74, Kap. 6.4.7]

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6.3 Möblierungen und andere Gebäudeinhalte

6.3.1 Büro- und Computereinrichtungen

Risikoarten

Personen- und Sachschäden (Stromschlag, Brand, Datenverlust)

Blockieren der Fluchtwege

Beeinträchtigung der Funktionstüchtigkeit / Betriebsausfälle

Schadensbild

Für Einrichtungen wie Computer, Drucker, Monitore, Kopierer etc. besteht die Gefahr des

Verrutschens, Umkippens, Zusammenprallens und Herunterfallens. Interne Komponenten

können beschleunigungsempfindlich sein und durch Trägheitskräfte beschädigt werden, ohne

dass das Gerät umfällt. Wichtige Einflussparameter sind Geometrie und Oberflächen-

beschaffenheit.

Bild 68 Umgefallene Büroelemente [FEMA E-74, Kap. 6.5.3]

Massnahmenbeschreibung

Die Geräte können mit Gurten am Boden festgebunden oder bei niedrigem Schwerpunkt auf

reibungsfeste Unterlagen gestellt werden. Tische können je nachdem ausgesteift und verankert

werden, z.B. in der Nähe von Notausgängen oder wenn Geräte nach einem Erdbeben dringend

benötigt werden. Für grosse Geräte wie Kopierer sind können Befestigungen mit Winkeln am

Boden verwendet werden.

Computer mit beschleunigungsempfindlichen Komponenten können auch auf Rollen montiert

werden. Es muss dabei gewährleistet sein, dass Bewegungsfreiraum vorhanden ist und dass

Geräte auf Rollen nicht in Öffnungen von Doppelböden fallen können (Lippen entlang

Öffnungen oder Sicherheitskabel). Angeschlossene Kabel sollten genügend lang sein und

Bewegungsspielraum haben, damit sie nicht herausgerissen werden.

Empfehlungen, Hinweise

Massnahmen werden eher für Regionen mit höheren Seismizitäten oder Gebäuden von grosser

Bedeutung empfohlen.

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6.3.2 Aufbewahrungselemente

Risikoarten

Personen- und Sachschäden

Blockieren der Fluchtwege

Beeinträchtigung der Funktionstüchtigkeit / Betriebsausfälle

Schadensbild

Weil Elemente wie Regale oder Schränke oft sehr schlank und zum Teil schwer beladen sind,

sind sie empfindlich auf Trägheitskräfte. Sie können in der Regalebene versagen (Bild 69),

umkippen oder verrutschen (Bild 70). Bei Reihen von Regalen besteht die Gefahr eines

Domino-Effekts (Bild 71). Heraus schnellende Schubladen vergrössern das Risiko des

Umkippens (Bild 70 rechts).

Oft überstehen Regale ein Erdbeben schadlos, jedoch sind Schubladen und Gegenstände auf

den Regalen herausgefallen (Bild 72). Das Aufräumen und neu Ordnen der Inhalte und Akten

kann sehr mühsam und aufwändig sein.

Bild 69: in-plane Versagensmechanismus bei Regalen [FEMA E-74, Kap. 6.5.1]

Bild 70 links: umgekippte Regale [FEMA E-74, Kap. 6.5.2]

rechts: Kippen infolge heraus schnellenden Schubladen [FEMA E-74, Kap. 6.5.5]

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Bild 71: Kippen mehrerer Regalreihen infolge Domino-Effekt [FEMA E-74, Kap. 6.5.2]

Bild 72: Schäden trotz intakten Regalen [FEMA E-74, Kap. 6.5.] / [HOL10]

Massnahmenbeschreibung

Um in-plane Instabilitäten zu vermeiden, müssen Regale ausgesteift werden (z.B. mit Kreuz-

verbänden, Bild 73 links). Statt Regalen können auch Schränke mit stabilen Schranktüren

verwendet werden.

Zur Verhinderung eines out-of-plane Versagens sind Befestigungen am Boden, an einer

genügend tragfähigen Wand oder an der Decke erforderlich (Bild 74). Eine Vergrösserung der

Kippstabilität wird durch Verbinden von einzelnen Einheiten (Bild 73 rechts) oder Regalreihen

erzielt.

Bild 73 links: Aussteifung und Verankerung eines Regals [FEMA E-74, Kap. 6.5.1]

rechts: Varianten zur Sicherung von Regalen [FEMA E-74, Kap. 6.5.2]

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Bild 74: Möglichkeiten zur Sicherung von Regalen [FEMA E-74, Kap. 6.5.2]

Objekte auf Regalen können mit Anschlägen, geneigten Tablaren oder gespannten Drahtseilen

am Herabstürzen gehindert werden (Bild 72). Anschläge sind je nachdem auch bei Absätzen

oder Sockeln notwendig. Schubladen und Schranktüren sollen mit einem Mechanismus oder

einer Verriegelung daran gehindert werden heraus zu schnellen und den Schrank zum Kippen

zu bringen.

Bild 75: Massnahmen für Objekte auf Regalen [HILTI03]

Empfehlungen, Hinweise

Die Erforderlichkeit und der Umfang der Massnahmen ist von folgenden Parametern abhängig:

Seismische Gefährdung, Bedeutung, Geometrie, Masse und Lage im Gebäude. Schränke oder

Regale deren Breite bzw. Länge grösser ist als ⅔ der Höhe gelten als eher unkritisch.

Einrichtungen sollten so platziert werden, dass sie keine Fluchtwege und Notausgänge

versperren oder auf Menschen, wertvolle Gegenstände oder Verglasungen fallen können. In

Regalen sollen schwere Objekte möglichst unten hingestellt werden. Kleine einzelne Artikel

werden am besten in ihrer Originalverpackung aufbewahrt.

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6.3.3 Hochregale

Risikoarten

Personen- und Sachschäden

Blockieren der Fluchtwege

Beeinträchtigung der Funktionstüchtigkeit / Betriebsausfälle

Schadensbild

Gelagerte Waren können aus den Regalen herausfallen. Schwere Lagerinhalte können leichte

Regalkonstruktionen beschädigen. Ein Versagen einzelner Komponenten der Konstruktion kann

eine Kettenreaktion auslösen und ein Kollaps des Gesamtsystems verursachen. Es besteht

auch die Gefahr des Umkippens des gesamten Hochregallagers.

Bild 76 links: eingestürzte Hochregallager [FEMA E-74, Kap. 6.5.1] und [Hol10]

Bild 77: in-plane Versagen infolge ungenügender Verbindungen und Verankerungen

[FEMA E-74, Kap. 6.5.1]

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Bild 78: Beschädigtes Regal und herausgefallene Güter [FEMA E-74, Kap. 6.5.1]

Massnahmenbeschreibung

Die Aussteifung und Verankerung der Regale ist ausreichend zu dimensionieren und die

Lastweitergabe bei der Verankerung ist sicherzustellen (Bild 79). Regale, die Rücken an

Rücken aufgestellt werden, können miteinander verbunden werden. Ein Hochregallager wird

analog zu einem Gebäude berechnet und dimensioniert. Als Anregung am Fusspunkt ist jedoch

nicht die Bodenbeschleunigung, sondern die Stockwerkbeschleunigung anzusetzen.

Es muss verhindert werden, dass Waren aus den Regalen herunter fallen (Stangen, Ketten,

Netze, rutschfeste Behälter, etc.). Zudem dürfen die Waren nicht von einer Ablage auf die

nächste fallen. Dies kann erreicht werden, in dem die Güter auf Gitterrosten mit genügender

Aufstandsfläche statt bloss auf Stahlträgern gelagert werden.

Bild 79: Aussteifung und Verankerung von Hochregallagern [FEMA E-74, Kap. 6.5.1]

Empfehlungen, Hinweise

Waren auf Paletten, die in Folie eingewickelt oder in Kisten gelagert werden, stellen ein

geringeres Risiko dar, da sie eine grössere Stabilität gegenüber Kippen und Verrutschen

haben. In Bild 78 (links) sind die eingeschweissten Waren grösstenteils unbeschädigt, obwohl

das Regal versagt hat.

In der Dokumentation [FEMA 460] sind weitere Schadensbilder, Massnahmenempfehlungen

und Bemessungshinweise zu finden.

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6.3.4 Gefährliche Materialien

Risikoarten

Personen- und Sachschäden

Gefährdung der Umwelt

Beeinträchtigung der Funktionstüchtigkeit / Betriebsausfälle (Evakuation des Gebäudes)

Unsachgemässe Lagerung von chemischen, medizinischen und biologischen Gefahrengütern

(Explosive Stoffe, Viren, Toxine, etc.) und daraus resultierende Unfälle können zur Folge haben,

dass das Gebäude evakuiert und untersucht werden muss, obwohl es nicht beschädigt ist.

Schadensbild

Behälter können umkippen oder von den Regalen rutschen. Flüssigkeiten und Gase können

austreten und dabei gefährliche Dämpfe und Gemische sowie Brände verursachen.

Glasbehälter sind besonders gefährdet.

Bild 80: Austritt von Flüssigkeiten [FEMA E-74, Kap. 6.5.4]

Massnahmenbeschreibung

Für die Aussteifung und Verankerung von Regalen sowie die Absturzsicherung der Behälter

gelten die Überlegungen in Kap. 6.3.2. Die Behälter sollten mit einem Deckel verschliessbar

sein, damit keine Flüssigkeiten heraus schwappen können. Grosse Behälter sind zu befestigen

(z.B. Zylinderflaschen, siehe Kap. 6.2.4). Automatisch aktivierte Absperrventile sollen den

Austritt von Giftstoffen verhindern.

Die Gefässe sollten wenn möglich nicht aus zerbrechlichen Materialien wie Glas bestehen oder

zumindest eine Schutzummantelung aus Plastik haben. Kleine zerbrechliche Gegenstände sind

in der Originalverpackung oder geeignet aufzubewahren. Unverträgliche Substanzen sind

genügend weit entfernt voneinander zu lagern.

Leitungen die Gefahrengüter transportieren sind mit geeigneten Sicherheitssystemen zu

versehen, welche auch für den Normalfall angewendet werden können. Dazu gehören

beispielsweise doppelwandige Rohre, automatische Absperr- oder Überlaufventile,

Leckerkennungssystemen. Es sollten nur genügend duktile Materialien und Rohrverbindungen

verwendet werden, z.B. durchgeschweisste Rohre. Es sind allenfalls geeignete Rohrschellen zu

verwende, die die Leitungen nicht beschädigen.

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Bild 81: Schutzhülle bei Abstützung in Querrichtung, Beschriftung des transportierten Mediums

[FEMA E-74, Kap. 6.4.5]

Es ist vorteilhaft den Inhalt und die Fliessrichtung auf den Leitungen zu vermerken, so dass sich

Rettungskräfte der Gefahr bewusst sind. Chemikalien und Giftstoffe sind zu korrekt zu

katalogisieren und zu beschriften. Das Personal muss ausgebildet sein, um bei Unfällen mit

Gefahrenstoffen richtig zu handeln.

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6.3.5 Mobiliar und Innendekoration

Diese Kategorie umfasst Möblierungen, Laden- und Kücheneinrichtungen, Haushaltsgeräte,

elektronische Geräte, Sportgeräte, Automaten, Pflanzen, etc.

Risikoarten

Personen- und Sachschäden (Brand, Stromschlag)

Blockieren der Fluchtwege

Schadensbild

Kompakte Gegenstände können verrutschen, schlankere umkippen. Geräte auf Kragarmen

oder Konsolen können aufgeschaukelt und aus der Halterung gehoben werden. Ein Versagen

der Verankerung ist ebenfalls möglich.

Bild 82: Schäden am Mobiliar [FEMA E-74, Kap. 6.5.5]

Massnahmenbeschreibung

Kippgefährdete Einbauten sind am Boden oder an anderen tragfähigen Elementen zu

befestigen. Für Geräte auf Rollen oder Rädern ist sicherzustellen, dass ein Zusammenprall mit

anderen Einrichtungen ausgeschlossen ist. Sie müssen blockiert werden können oder sind

festzubinden. Für frei schwingende Objekte ist eine Abstützung oder genügend

Bewegungsspielraum vorzusehen. Freistehende Gegenstände können allenfalls miteinander

verbunden werden.

Grössere Pflanzen sind an unkritischen Orten aufzustellen und allenfalls mit Seilen oder Ketten

zu sichern. Bei Sport- und Fitnessgeräten sind Massnahmen zu treffen, damit keine Personen

verletzt oder Fluchtwege versperrt werden können (z.B. eigenes Regal für Gewichte).

Gegenstände mit Flüssigkeiten (z.B. Aquarien) sind zu befestigen. Aufenthaltsbereiche von

Personen oder Fluchtwege sind möglichst frei von schwerem oder hohem Mobiliar zu halten.

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6.3.6 Kunst- und Ausstellungsgegenstände

Risikoarten

Personen- und v.a. Sachschäden (Gemälde, Skulpturen, Kunstobjekte z.T. unersetzbar)

Blockieren der Fluchtwege

Schadensbild

Schäden entstehen, weil oft keine adäquate Lagerung vorhanden ist und die Gegenstände

verrutschen, umkippen oder herunterfallen können.

Bild 83: Beschädigte Kunstobjekte [FEMA E-74, Kap. 6.5.6]

Massnahmenbeschreibung

Zur Einschränkung der Bewegungsfreiheit können Gurte, Drähte, kompakte Gehäuse,

rutschfeste Matten, Anschläge bei Regalen etc. verwendet werden (Bild 84). Bei abgehängten

Objekten muss nachgewiesen werden, dass sie frei schwingen können ohne anzuprallen oder

abzustürzen. Andernfalls ist eine Sicherung z.B. mit Abspannseilen erforderlich.

Bilder sind so zu befestigen, dass sie nicht von der Wand herunter fallen können (z.B. Nägel mit

Haken). Für Vitrinen kann Sicherheitsglass verwendet werden. Grosse Gegenstände wie z.B.

Statuen müssen allenfalls verankert werden. In Spezialfällen kann ein schwingungsisoliertes

Fundament eingesetzt werden (Bild 85).

Besonders Wertvolle Gegenstände sind speziell aufzubewahren, um vor Staub und Wasser

geschützt zu sein (z.B. bei beschädigten Sprinkleranlagen)

Bild 84: Massnahmen für Kunst- und Ausstellungsobjekte [FEMA E-74, Kap. 6.5.6] und [CAL03]

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Bild 85: schwingungsisoliertes Fundament für eine Skulptur mit [FEMA E-74, Kap. 6.5.6]

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6.4 Weiterführende Literatur / Quellenangaben

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[BWG02] Bachmann H.: "Erdbebengerechter Entwurf von Hochbauten – Grundsätze für

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http://www.bafu.admin.ch/publikationen/publikation/00799

[SIA02] Bachmann H., Dazio A.: "D 0171 –Erdbebengerechter Entwurf und Kapazitäts-

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http://www.sgeb.ch/fachpublikationen/D0171/SIA_D0171.pdf

[SGEB09] Dazio A. et al.: "Erdbeben in L'Aquila, Italien 6. April 2009". Bericht der SGEB-

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[HILTI03] "Richtlinie für die erdbebensichere Ausführung von nicht-tragenden Bauteilen

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[FEMA E-74] "Reducing the Risks of Nonstructural Earthquake Damage". Federal Emergency

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[EERI10] Miranda E. et al.: "Brief Report on Earthquake Reconnaissance after the M 8.8

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[HOL10] Holmes W.: "Darfield Earthquake of September 4, 2010 – Nonstructural

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[ADE07] Massey W., Megget L.: "Architectural Design for Earthquake". New Zealand

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