118 UFZ-MAGAZIN Klimaentwicklu und zeitlich verg · 123 Im Forschungsmittelpunkt der Mag-deburger...

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Klimaveränderungen sind ein maßgeblicher Faktor für die Dynamik von Landschaften.Isotopenforscher und Geowissenschaftler des UFZ analysieren deshalb Baumjahres-ringe und Seesedimente mithilfe von Isotopenmethoden, um das Klima ausgewählterRegionen wie beispielsweise Nord- und Mitteleuropa sowie ausgewählter Zeitperiodenzu rekonstruieren. Das umfasst Perioden von wenigen Monaten bis zu Tausenden vonJahren. Um zu erfahren, wie Klimaveränderungen den Wasserhaushalt von Kontinen-ten beeinflussen, werden südamerikanische und japanische Seen in die Fernerkun-dungskampagnen einbezogen.

Sprecher des Forschungsthemas „Klimaentwicklung im räumlichen und zeitlichen Vergleich“:Dr. Stephan Weise, Leiter des Departments Isotopenhydrologie

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�Klimaarchive – Aus der Vergangenheit für die Zukunft lernen S. 120

Wann kommt die nächste Eiszeit? S. 124

Bäume vergessen nie S. 126

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aus derVergangeKlimaarchive –

Wir erleben seit mehreren Jahrzehnten eine zunehmendeglobale Erwärmung. Das bedeutet höchstwahrscheinlich:verstärkte Wüstenbildung, Anstieg des Meeresspiegels, derin absehbarer Zukunft bereits Inselstaaten verschwindenlassen wird, und extreme Klima-Ereignisse wie Wirbel-stürme bisher ungekannten Ausmaßes, die ganze Land-striche verwüsten und Hunderttausende obdachlos machen.Um sinnvolle Gegenmaßnahmen ergreifen zu können, müssen die Prozesse, die das Klima bestimmen, von derlokalen bis zur globalen Skala verstanden werden. Mit aufwändigen Computermodellrechnungen sind schon seit Jahren Prognosen zum Klimawandel möglich. IhrAussagewert hängt allerdings vollständig vom Verständnisdieser Klima bestimmenden Prozesse und Entwicklungenab. Wenn also neue Berechnungen immer mal wieder fürVerwirrung sorgen, dann liegt das auch daran, dass dieKlimageschichte und damit die wissenschaftliche Grund-lage für diese Klimamodelle noch voller Lücken ist, dieerst langsam geschlossen werden. Das Klima gehörtsicherlich zu den komplexesten „Maschinen“, mit denensich die Menschheit je auseinandergesetzt hat.

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Stephan Weise, Tatjana Böttger, Walter Geller und Tilo Arnhold

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Das Gedächtnis unserer ErdeIn natürlichen „Archiven“ wie bei-

spielsweise Sedimenten von Ozeanenund Seen oder Baumjahresringen sindInformationen über die Klimabedin-gungen zum Zeitpunkt des Entstehensgespeichert. Die Kunst besteht darin,diese Informationen zu entschlüsseln.Um das Klima-Puzzle zu verstehen, sind viele Spezialisten wie Geologen,Botaniker, Dendrochronologen, Isoto-penchemiker oder Archäologen notwen-dig. Denn erst durch das Zusammen-setzen der vielen Puzzleteilchen ergibtsich ein Bild.

Die Ergebnisse zeigen, dass die Naturin der Vergangenheit auch ohne denEinfluss des Menschen Klimaverän-derungen erlebt hat, die weit über dasGeschehen der vergangenen Jahrzehnteund das bisher für die nächsten hundertJahre prognostizierte hinausgehen. Esliegt daher nahe, zu versuchen, diese„Natur-Experimente“ der Vergangenheitverstehen zu lernen, um die aktuelleKlima-Entwicklung korrekt bewerten zukönnen. Deshalb erforschen Hydro-logen, Isotopenforscher und Geowissen-schaftler des UFZ in Kooperation mit

Wissenschaftlern des GeoForschungsZentrums Potsdam (GFZ) und desForschungszentrums Jülich (FZJ) anSedimentkernen von Seen und anBaummaterial die klimatischen Verhält-nisse im Verlaufe verschiedener Phaseninnerhalb der letzten etwa 140.000 Jahre.In diesem Zeitabschnitt liegen zwei aus-geprägte Warmzeiten, das so genannteEem vor etwa 120.000 Jahren und dasaktuelle, seit zirka 10.000 Jahren andau-ernde Holozän sowie mehrere Kaltzeiten.

Alte Bäume und neue MethodenDas Ansteigen des klimaschädlichen

Kohlendioxid-Gehalts in der Atmo-sphäre gilt als der größte Anteil desMenschen am Klimawandel. Eine Ur-sache dafür ist die Verbrennung fossilerEnergieträger. Aber gerade diese könnteindirekt auch helfen, die Klimageschich-te zu verstehen. Denn bei der Suche nachBraunkohle sind in Deutschland vieleKlimaarchive zu Tage gefördert worden.Wichtige Untersuchungsplätze sind ver-bunden mit Namen von Tagebauen wieReichwalde in der Lausitz und Groitzschin der Nähe von Leipzig. Dort wurdenfossile Bäume gefunden, deren Baum-

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Foto: Photodisc by Getty Images

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ringe jetzt mit modernen Isotopen-methoden untersucht werden. So kön-nen die Forscher des UFZ in engerZusammenarbeit mit der SächsischenAkademie der Wissenschaften denVerlauf des Klimas hier bis zurück in dieletzte Warmzeit – das Eem – und davorverfolgen. Bei Reichwalde in der Lausitzwurde ein „Paläowald“ erschlossen, deraus der Übergangsphase der letztenKaltzeit zur heutigen Holozän-Warm-zeit stammt, die bereits seit etwa elftau-send Jahren anhält.

Direkte Auswirkungen des Menschenauf seine Umwelt finden sich in Bäumenwieder, die beprobt worden sind, um dierelativen Klima-Informationen der etwa14.000 Jahre alten Kiefern mit denjeni-gen der heutigen Zeit zu vergleichen.Aus dem Verhältnis der stabilenKohlenstoff-Isotope 13C/12C in derJahrringzellulose lässt sich erkennen,dass der Kohlenstoff-Haushalt derBäume, die in der Abluft-Fahne vonBraunkohle-Kraftwerken stehen, offen-sichtlich durch den Schwefeldioxid-Ausstoß der Kraftwerke stark beein-flusst ist. Möglicherweise kann dieIsotopenmethodik daher für eine regio-nale Schadstoffbelastungskontrolle ein-gesetzt werden.

Seen als Spiegel des WettersGlobale Klimaänderungen können

regional unterschiedliche Konsequen-zen haben. Zu den Untersuchungs-gebieten in Deutschland werden daherReferenzobjekte in anderen Regionen

herangezogen. Mit Standorten in Polenund Russland ist entlang eines europä-ischen West-Ost-Transekts anhand von Seesedimenten die kontinentaleKlimaentwicklung im Zusammenhangmit der Eem-Warmzeit erkundet wor-den.

Die Mechanismen der Klima-Ent-wicklung unterscheiden sich signifikantzwischen der Kontinent-dominiertenNordhalbkugel der Erde und ihrer ozea-nisch dominierten Südhalbkugel. Fürein umfassendes Verständnis des Klima-Geschehens ist daher der Blick auf dieandere Seite des Globus wichtig. Für

den Vergleich zwischen Nord- undSüdhemisphäre werden Sedimente her-angezogen, die durch Kernbohrungenim Boden chilenischer Seen gewonnenwerden konnten. Nach bisherigen Er-kenntnissen lassen sich mit diesenSedimentkernen mindestens die letzten10.000 Jahre erfassen. Die chilenischenSeen werden zusammen mit argentini-schen Seen auch untersucht, um dieaktuellen klimatischen Veränderungenzu beobachten. Sie ziehen sich perlen-kettenartig in Nord-Süd-Richtung anden Anden entlang und repräsentierendas Spektrum gemäßigter Zonen.

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Quelle: Modifiziert aus Petit et al. (1999) Nature 399, 429-436

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Im Forschungsmittelpunkt der Mag-deburger UFZ-Seenforscher stehenwegen ihrer besonderen Eigenschaftenso genannte warm-monomiktische Seender Süd- und Nordhalbkugel. Weil sichdort keine Eisdecke bildet, kann sich dasWasser der Seen einmal im Jahr in Formeiner Vollzirkulation durchmischen. DieTemperaturen des Tiefenwassers ent-sprechen dann den Temperaturen derGesamtwassersäule am Ende der

Vollzirkulationsperiode im Spätwinter.Die Tiefentemperaturen werden umsoweniger beeinflusst von kurzzeitigenÄnderungen, die sich aus dem aktuellenWetterverhalten ergeben, je tiefer diebetreffenden Seen sind. An mehrerenlangjährig untersuchten Seen Europaswie dem Bodensee, den SchweizerMittellandseen und oberitalienischenVoralpenseen wurden übereinstimmendbereits Anstiege der Tiefentemperaturen

beobachtet. Am langjährigen Verlauf derTemperaturen wird so auch der Verlaufder Klima-Oszillationen wie des Golf-stroms im Nordatlantik und des El Niñoim Südpazifik direkt beobachtbar.

Der Physiker Dr. Stephan Weise leitet das

Department Isotopenhydrologie. Der Biologe

Prof. Walter Geller leitet die Departments

Seenforschung und Fließgewässerökologie

(letzteres kommissarisch).

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Mithilfe von Baumringen, diebereits von der Struktur her ein Abbild saisonaler Klima-schwankungen wiedergeben, kannregional das Klima bis zum Endeder letzten Eiszeit vor zirka12.000 Jahren zurückverfolgt wer-den. Moderne Techniken, basie-rend auf stabilen Isotopen, sinddie Grundlage dieser Forschung.

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Sedimentbohrungen am LagoCaviahue in Argentinien

Foto: Photodisc Environmental Concerns

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Rahmen des nationalen Klimaforschungs-programms DEKLIM durchgeführt, andem das UFZ beteiligt ist. Bohrkerne ausder Antarktis zeigen, dass unsere Erde in der Vergangenheit grob alle 100.000Jahre von einer Warmzeit in eine Kaltzeitfällt. Rein statistisch gesehen wären„demnächst“ also wieder sinkendeTemperaturen an der Reihe. Nur wannist das und was sind die ersten Anzeichendafür? Oder werden diese natürlichenEffekte durch den menschlichen Einflusseinfach überdeckt? Welche Prozesse sindüberhaupt dafür verantwortlich?

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Was sich vor rund 118.000 Jahrenabgespielt hat, muss dramatischgewesen sein: Innerhalb von

kurzer Zeit fielen die Temperaturen deut-lich. Damals gingen neben den Tem-peraturen auch die Niederschläge dras-tisch zurück. Die Lindenbäume ver-schwanden. Aus Mitteleuropa wurdeeine Kältesteppe wie heute die sibirischeTundra. Die letzte Warmzeit vor der heutigen Warmzeit ging zu Ende. Dasbelegen Untersuchungen von Sedimentenverlandeter Seen von der Eifel bis nachRussland. Die Arbeiten wurden im

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die nächste Eiszeit?

Tatjana Böttger und Tilo Arnhold

Wann kommt

Juri Kononov vom Moskauer Institutfür Geografie der Russischen Akademieder Wissenschaften (RAS) bei der Ent-nahme von Baumproben auf der Kola-Halbinsel am Polarkreis.

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klimatischen Einflüsse hinterlassenhaben. Im Labor wird dazu die Zelluloseextrahiert und massenspektrometrischanalysiert. So werden die Isotopen-verhältnisse bestimmt. Die Daten für dieletzten 100 Jahre sind besonders wichtig,weil sie mit den seit dieser Zeit vorhande-nen instrumentalen meteorologischenDaten verglichen werden können. DieseVergleiche sind zwar kompliziert, aber siesind der Schlüssel, um mithilfe von nochälteren Bäumen auch jene Klimaphasenzu rekonstruieren, als der Mensch nochnicht Tagebuch über das Wetter führte.Es geht also auch darum, die Methodikzu schärfen, um genauere Ergebnisse zuerhalten. Das UFZ ist inzwischen dasStandardlabor für alle ISONET-Partnergeworden.

Interessante Erkenntnisse haben dieUFZ-Forscher bereits herausgefunden:Die Baumjahresringe auf der Kola-Halbinsel an der russisch-finnischenGrenze sind ein sensibler Indikator fürdie Reichweite des Golfstroms. Amäußersten Ende jener Wärmepumpe, diedas Klima in Europa prägt, lassen sich Temperaturschwankungen ambesten beobachten. Um das Klima besser zu verstehen, muss es in solchenSchlüsselregionen untersucht werden.Die Ergebnisse werden helfen, dieVeränderungen des Klimas der letzten400 Jahre zu interpretieren und so genau-ere Prognosen für die Zukunft zu er-stellen.

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Isotope und Klima – Isotopeeines chemischen Elements sindAtome, die verschieden sind inihrer Masse, nicht aber in ihrenchemischen Eigenschaften. FürKohlenstoff beispielsweise gibt esdie zwei stabilen Isotope 12C und13C, die sich nur durch ein zusätz-liches Neutron im Atomkern des13C von einander unterscheiden.Der Massenunterschied macht sichallerdings bei verschiedenstenProzessen wie beispielsweise demStoffwechsel von Bäumen bemerk-bar: Kohlendioxid (CO2) mit demleichteren Kohlenstoffisotop wirdbevorzugt während der Photosyn-these verwendet, wobei der Gradder Bevorzugung in gewissemMaße von Klimafaktoren wie Tem-peratur, Luftfeuchte und dem CO2-Gehalt der Atmosphäre abhängt.Da diese Abhängigkeit nicht100%ig ist, können die Isotopen-gehalte relative Aussagen liefern.Sie werden deshalb – neben ande-ren Indikatoren auch – als Klima-proxies bezeichnet.

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Isotope – Schlüssel zur Vergangen-heit

Klar ist bisher nur, bevor das Klimakippte, begann es, instabil zu werden.Kleinere Schwankungen könnten alsoauf einen großen Umbruch hinweisen.Deshalb werden die letzten 400 Jahre derKlimageschichte Europas genauer unterdie Lupe genommen. In diesen Zeitraumfällt auch die so genannte Kleine Eiszeitim 17. Jahrhundert. Neben Aufzeich-nungen gibt es noch viele alte Bäume ausdieser Zeit, die objektive Informationenüber das Wetter gespeichert haben. ImFokus des EU-Projektes ISONET stehenKiefern und Eichen, weil sie typische,weit verbreitete Laub- und Nadel-baumarten sind. Zum ersten Mal ermög-licht ein einheitliches Untersuchungsnetzes, den Einfluss der regionalen Umwelt-bedingungen auf die Verhältnisse derstabilen Isotope in den Jahresringensystematisch zu untersuchen und so die Klimaänderungen im europäischenMaßstab zu rekonstruieren. Die unter-schiedlich schweren Isotope von Kohlen-stoff, Sauerstoff und Wasserstoff folgenphysikalischen Gesetzmäßigkeiten: Ab-hängig von Temperaturen und Nieder-schlägen werden sie während der Wachs-tumsphase unterschiedlich stark in dieBiomasse eingelagert. Von Skandinavienbis zum Mittelmeer und von derIberischen Halbinsel bis zu den Alpenwird in den Baumjahresringen nach denSpuren gesucht, die die verschiedenen

Die Isotopenchemikerin Dr. Tatjana Böttger ist

wissenschaftliche Mitarbeiterin im Department

Isotopenhydrologie.

Europäisches Netzwerk ISONET. Rot markiert sind die Standorte, die vom UFZ untersucht werden.

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Das Spätglazial ist für die Forschernoch eine sehr mystische Epoche.Mit dieser Übergangsphase von

kalt zu warm endete die Vergletscherunggroßer Teile Europas und der Wald kamzurück. Die Neandertaler waren vermut-lich schon seit mehreren Tausend Jahrenausgestorben. Stattdessen nahm jetzt

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vergessennie

Tatjana Böttger und Tilo Arnhold

Bäume

der moderne Mensch Mitteleuropa inBesitz. Die Jäger und Sammler wurdenlangsam sesshaft und begannen Tiere zuzähmen. Das Agrarzeitalter brach an.Ein Beispiel dafür, wie ein Klimawandelnicht nur das Bild der Landschaft, sondern auch die menschliche Kulturgeprägt hat.

MumienNormalerweise verrottet abgestorbe-

nes Holz relativ schnell. Fehlt aberSauerstoff, weil das Holz unter einer dichten Erdschicht oder im Wasser liegt,dann bleibt es erhalten. So geschehen imTagebau Reichwalde in der nördlichenOberlausitz. Dort sind viele Bäume ausder Allerød-Zeit – einer warmen Phase imSpätglazial – unter einer Torfschichterhalten geblieben. Spezialisten aus vielen verschiedenen Disziplinen(Archäologie, Geologie, Dendrochronolo-gie, Botanik, Ökologie und Isotopen-geochemie) arbeiten im DFG-Projekt„Paläowald Reichwalde“ zusammen, umdie spätglaziale Landschaftsgeschichtemit einzelnen Phasen der Waldent-wicklung und Vermoorung zu untersu-chen. Durch die Verknüpfung von Unter-suchungen an Baumjahresringen undSedimenten lässt sich hier das Klimabesonders gut rekonstruieren. 3000Proben haben die Forscher dazu gesam-melt und ausgewertet. Aus den Pollen-und Großrestanalysen geht hervor, dass

Fossiler Stamm eines Nadelbaumes(Doliostroboxylon priscum) im TagebauGroitzscher Dreieck. Der Fund hat einAlter von etwa 37 Millionen Jahren.Damals befand sich hier ein Flussdelta.Durch den Luftabschluss wurde dasHolz konserviert.

Foto: Stephan Weise, UFZ

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LebendeZum Vergleich haben die UFZ-

Forscher auch Proben von heutigenBäumen genommen. Dabei stießen sieauf überraschende Ergebnisse: DieIsotopensignatur der Kiefern änderte sich ab den 90er Jahren deutlich. Dafürgibt es nur eine Erklärung: Alte Braun-kohlekraftwerke wurden zu dieser Zeitabgeschaltet oder mit Filtern versehen.Die Wissenschaftler hatten einen neuenSchadstoffmonitor entdeckt. Die Ent-deckung löste aber nur verhaltene Freudeaus. Denn dieser Effekt ist ein zusätz-licher Risikofaktor für die Messungen.Die Isotopensignaturen werden also nichtnur von Temperatur und Feuchtigkeitbeeinflusst, sondern auch von Schad-stoffen in der Luft. Und damit ist klar: Esbleibt auch in naher Zukunft schwierig,die Klimainformationen aus den Baum-jahresringen zu entschlüsseln.

Die Isotopenchemikerin Dr. Tatjana Böttger ist

wissenschaftliche Mitarbeiterin im Department

Isotopenhydrologie.

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Das Allerød ist eine kurze warmePhase am Ende der letzten Eis-zeit, bevor die Holozän-Warm-zeit begann. Mit dieser nacheinem dänischen Ort benanntenKlimaphase endet die Weichsel-eiszeit, bei der vor etwa115.000 bis 14.000 Jahren weiteTeile Nordeuropas vergletschertwaren. Das Eis reichte damalsbis ins heutige Brandenburg. Mit dem Rückzug der Gletscherund dem Durchbruch zwischenOstsee und Atlantik begann die jüngste Epoche der Erd-geschichte: Das Holozän, eineWarmzeit, die bis heute anhält.Zwischen 1540 und 1850 gab eseine so genannte Kleine Eis-zeit. Damals war es durch-schnittlich knapp 2 Grad kälterals heute.

WISSENSWERTESder Birken-Kiefernwald schon seit etwa14.000 vor heute existiert hat. Baum-befunde in Reichwalde sind über einenZeitraum von etwa 800 Jahren erhalten.Ein einmaliger Blick in eine großeErwärmung unseres Planeten. StabilePhasen, aber auch mehrere Störungen inder Waldentwicklung haben die Forschernachgewiesen. Schuld daran waren Tem-peraturänderungen, stark schwankendeGrundwasserstände und Waldbrände vorallem im Spätsommer. Denn an denBaumjahresringen ist jede Saison zuerkennen. Sie liefern wesentlich genauereDaten als alle anderen Klimaarchive. Die Beschaffenheit des Jahresringes gibtAuskunft darüber, wie gut der Baumwachsen konnte – also ob es warm, kalt,feucht oder trocken war. Damals müssenin der Oberlausitz Bedingungen ge-herrscht haben, wie wir sie heute inNordskandinavien vorfinden. Später wirdaus dem Wald wieder ein Moor. Etwa 400Jahre nach den letzten Baumbefunden hatsich die Region in eine Tundra verwandelt,bevor die aktuelle Warmzeit begann.

Dr. Achim Brauer vom GFZ Potsdam bei der Präparationeines Sedimentkerns aus dem Eem im Tagebau Gröbern. EinGemeinschaftsprojekt der Sächsischen Akademie derWissenschaften (SAW), des GFZ Potsdam und des UFZLeipzig-Halle.

Foto: Stephan Weise, UFZ