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160 Empirische Pädagogik 2012, 26 (1), 160-179 © Empirische Pädagogik 2012, 26 (1), 160-179 Zeitschrift zu Theorie und Praxis erziehungswissenschaftlicher Forschung Originalarbeiten Manuela Keller-Schneider und Stefan Albisser Einschätzungen der Schulleitungsqualität – eine Frage der individuellen Ressourcen der Einschätzenden? Zusammenfassung: Die Schulleitung übernimmt in Schulentwicklungsprozessen eine bedeutende Rolle. Wie sie diese ausgestaltet und wie diese von andern Akteuren wahrgenommen wird kann trotz identifizierter Qualitätsmerkmale variieren. Konsens und Einigkeit bezüglich Werte und Ziele sind bedeutende Qualitätsmerkmale von Schulen; Differenzen stellen somit ungünstige Bedingungen dar. Da individuelle Ressourcen die Wahrnehmung von Anforderungen gestalten und somit zu unter- schiedlichen Einschätzungen führen, wird im folgenden Beitrag die Hypothese geprüft, inwiefern individuelle Ressourcen der Lehrpersonen die Einschätzung der Schulleitungsqualität mitbestimmen. Ergebnisse unserer Untersuchung zeigen, dass belastete Lehrpersonen die Qualität der Schulleitung geringer einschätzen und Lehrpersonen, die über höhere Ausprägungen individueller Ressourcen wie Selbstwirksamkeit, Berufsmotivation und Arbeitszufriedenheit verfügen, die Qualität der Schulleitung höher einschätzen. Für Schulentwicklungsprozesse kann gefolgert werden, dass eine Optimierung der Schulqualität nicht nur durch Professionalisierung der Schulleitung erfolgen kann, sondern auch durch berufsbezogene Stärkung der Lehrpersonen und der konsensorientierten Bearbeitung ihrer Erwar- tungen an eine Schulleitung. Schlagwörter: Berufliche Kompetenz – Lehrer – Organisationsentwicklung – Schulleiter Estimating the quality of school leadership – a question of individual resources of the estimating individuals? Summary: In school development processes school leadership takes a crucial role. It can vary to a great extent how the school leaders define and perceive their roles and how they were perceived despite identified indicators of quality. Consensus and mutual agreement concerning values and goals are important indicators of quality in schools; differences in the estimation represent unfavourable conditions. Individual resources of teachers influence their perception and estimation. The following contribution tests the hypothesis whether estimating the quality of school leadership is being influ- enced by individual characteristics of the estimating teachers. Results of this investigation show that overburdened teachers estimate school leadership quality less and that teachers with higher individual resources like self-efficacy, motivation and job satisfaction estimate this quality higher. It can be stated that for school development processes optimising the school quality can happen not only through pro- fessionalising the school leadership but also through strengthening the teachers professionally and through working on expectations of school leadership in a consensus-oriented way. Key words: organizational development – professional competence – school principals – teachers 1. Einleitung Der Schulleitung steht im Rahmen der Schulentwicklung eine bedeutende Rolle zu. In der Ausübung dieser Aufgabe besteht trotz identifizierter Qualitätsmerk-

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160 Empirische Pädagogik 2012, 26 (1), 160-179

© Empirische Pädagogik 2012, 26 (1), 160-179 Zeitschrift zu Theorie und Praxis erziehungswissenschaftlicher Forschung

Originalarbeiten

Manuela Keller-Schneider und Stefan Albisser

Einschätzungen der Schulleitungsqualität – eine Frage der individuellen Ressourcen der Einschätzenden? Zusammenfassung: Die Schulleitung übernimmt in Schulentwicklungsprozessen eine bedeutende Rolle. Wie sie diese ausgestaltet und wie diese von andern Akteuren wahrgenommen wird kann trotz identifizierter Qualitätsmerkmale variieren. Konsens und Einigkeit bezüglich Werte und Ziele sind bedeutende Qualitätsmerkmale von Schulen; Differenzen stellen somit ungünstige Bedingungen dar. Da individuelle Ressourcen die Wahrnehmung von Anforderungen gestalten und somit zu unter-schiedlichen Einschätzungen führen, wird im folgenden Beitrag die Hypothese geprüft, inwiefern individuelle Ressourcen der Lehrpersonen die Einschätzung der Schulleitungsqualität mitbestimmen. Ergebnisse unserer Untersuchung zeigen, dass belastete Lehrpersonen die Qualität der Schulleitung geringer einschätzen und Lehrpersonen, die über höhere Ausprägungen individueller Ressourcen wie Selbstwirksamkeit, Berufsmotivation und Arbeitszufriedenheit verfügen, die Qualität der Schulleitung höher einschätzen. Für Schulentwicklungsprozesse kann gefolgert werden, dass eine Optimierung der Schulqualität nicht nur durch Professionalisierung der Schulleitung erfolgen kann, sondern auch durch berufsbezogene Stärkung der Lehrpersonen und der konsensorientierten Bearbeitung ihrer Erwar-tungen an eine Schulleitung. Schlagwörter: Berufliche Kompetenz – Lehrer – Organisationsentwicklung – Schulleiter

Estimating the quality of school leadership – a question of individual resources of the estimating individuals? Summary: In school development processes school leadership takes a crucial role. It can vary to a great extent how the school leaders define and perceive their roles and how they were perceived despite identified indicators of quality. Consensus and mutual agreement concerning values and goals are important indicators of quality in schools; differences in the estimation represent unfavourable conditions. Individual resources of teachers influence their perception and estimation. The following contribution tests the hypothesis whether estimating the quality of school leadership is being influ-enced by individual characteristics of the estimating teachers. Results of this investigation show that overburdened teachers estimate school leadership quality less and that teachers with higher individual resources like self-efficacy, motivation and job satisfaction estimate this quality higher. It can be stated that for school development processes optimising the school quality can happen not only through pro-fessionalising the school leadership but also through strengthening the teachers professionally and through working on expectations of school leadership in a consensus-oriented way. Key words: organizational development – professional competence – school principals – teachers

1. Einleitung Der Schulleitung steht im Rahmen der Schulentwicklung eine bedeutende Rolle

zu. In der Ausübung dieser Aufgabe besteht trotz identifizierter Qualitätsmerk-

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male ein Gestaltungsspielraum. Wie Lehrpersonen diese Qualitätsmerkmale ihrer Schulleitung einschätzen kann variieren und kann Konfliktpotential in Kollegien von Schulen darstellen. Da Konsens im Kollegium insgesamt, wie auch Einigkeit in den Werten und Zielen bedeutende Qualitätsmerkmale von guten Schulen dar-stellen (Bonsen & Rolff, 2006) und die im Rahmen von Schulentwicklungspro-zessen festgelegten Zielsetzungen auf Einschätzungen von Bestehendem basieren, wird im folgenden Beitrag der Frage nachgegangen, ob sich hinter den differie-renden Einschätzungen der Schulleitungsqualität durch die Lehrpersonen eine Systematik zeigen könnte. Geprüft wird, ob individuelle Merkmale der Lehrper-sonen die Einschätzungen der Schulleitungsqualität mitbestimmen. Ergebnisse sollen Antworten auf die Frage geben, ob wahrgenommene Qualitätsmerkmale von Schulleitungen nur durch diese bedingt sind, oder ob Merkmale der einschät-zenden Lehrperson diese mitgestalten.

Nach Ausführungen zur theoretischen Herleitung der Fragestellung (Kap. 2) folgen Schilderungen der Methode (Kap. 3). Im Ergebnisteil (Kap. 4) werden Einschätzungen der Schulleitungsqualität durch die Lehrpersonen, individuelle Merkmale der Lehrpersonen, wie auch Zusammenhänge zwischen den Einschät-zungen der Qualitätsmerkmale und der Ausprägung der individuellen Merkmale der Lehrpersonen dargestellt. Mit einer Diskussion (Kap. 5) wird der Beitrag abgeschlossen.

2. Schulentwicklung und Schulleitungsqualität – theoretische Herleitung und Fragestellung

Ausgehend von der Notwendigkeit von Schulentwicklung (2.1) und der Bedeu-tung der Rolle der Schulleitung im Schulentwicklungsprozess (2.2) folgen Aus-führungen zu Qualitätsmerkmalen von Schulleitungen (2.3) und zur Einschätzung derselben durch die Lehrpersonen des Kollegiums (2.4). Die Bedeutung der indi-viduellen Merkmale einer Lehrperson für deren Einschätzung von Qualitäts-merkmalen der Schulleitung wird zusammenfassend als Hypothese dargelegt und führt zur Fragestellung der Untersuchung (2.5).

2.1 Schulentwicklung als Qualitätsentwicklung Schule und damit verbunden das Berufsfeld der Lehrperson ist einem steten Wandel unterworfen (Fend, 2008; Helsper, Busse, Hummrich & Kramer, 2008). Neuerungen ermöglichen eine Optimierung der Bildungsangebote und leiten Veränderungen in den Berufsaufgaben der Lehrpersonen ein (Altrichter & Maag Merki, 2010). Die Einzelschule mit ihrer Schulkultur als symbolische Sinnstruk-tur (Helsper, 2008b) stellt die zentrale pädagogische Handlungseinheit des Schul-entwicklungsprozesses (Fend, 1998) dar, welcher langfristig und planmäßig angelegt von allen Lehrpersonen mitgetragen werden soll (Dubs, 2006). Der gegenseitigen Wahrnehmung kommt damit eine besondere Bedeutung zu.

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Mit materiellen (Output, Produktivität, Erfolg, Leistung) und immateriellen Zielen (Arbeitszufriedenheit, Klima) strebt Schulentwicklung eine Verbesserung oder bei hohem Niveau eine Aufrechterhaltung der Leistungsfähigkeit der Orga-nisation wie auch der Qualität der Arbeit und des Arbeitslebens an. Schulqualität wird dabei nicht nur über den Output als Schülerleistung bestimmt, sondern auch über die Ausprägung von Prozessmerkmalen guter Schulen (z. B. Wenzel, 2008). Was gute Schulen ausmacht wurde in mehreren Studien untersucht (Bonsen, van der Gathen, Iglhaut & Pfeiffer, 2002; Dubs, 2006; Fend, 1998). Erfolgreiche Schulen zeichnen sich nicht nur durch ein lernförderliches Schulklima und eine Lern- und Leistungsorientierung im Unterricht aus, sondern auch durch eine gute Schulleitung in einem Kollegium, in welchem Konsens bezüglich Zielen, Koope-ration und Kohärenz, eine Ausrichtung auf das Lernen der Schülerinnen und Schüler sowie ein reflexiver Dialog im Kollegium gut entwickelt sind. Aus der Studie von Fend (1998) lassen sich weitere Kriterien wie Innovationsbereitschaft, Gestaltungswillen, Konfliktbewältigung und Problemlösefähigkeit anfügen. Dubs (2006) nennt zusätzlich die gemeinsame, auf Evaluationen basierende Weiterent-wicklung der Schule, wie auch die Bedeutung von Regeln für das Zusammen-leben und Wohlbefinden. Er betont, dass gemeinsam verfolgte Ziele und geteilte Werte eine bedeutsame Gelingensbedingung für einen von allen Lehrpersonen mitgetragenen Schulentwicklungsprozess darstellen.

2.2 Die Rolle der Schulleitung Schulleitungen nehmen eine Schlüsselrolle in der Sicherung und Entwicklung

von Schulqualität ein (Bonsen, van der Gathen, Iglhaut & Pfeiffer, 2002; Wis-singer, 2011; Dubs, 2006). Befunde aus Forschungen zur Transformational Leadership Role weisen darauf hin, dass Schulentwicklung nicht unabhängig von der Schulleitung erfolgen kann (Wissinger, 2011).

Als Kriterien wirksamer Schulleitungen haben Bonsen, van der Gathen, Iglhaut und Pfeiffer (2002) zielorientierte Führung, Innovationsförderung, Partizipation in der Entscheidungsfindung und Organisationsfähigkeit identifiziert. Fend (2008) fügt weitere Indikatoren wie die Fähigkeit zur Gestaltung der Beziehungs-qualität, Problembewältigung und Konfliktfähigkeit an. Wirksame Schulleitungen ermöglichen eine kooperative Arbeitsweise und gemeinsame Entwicklungsbemü-hungen zur Verbesserung der pädagogischen Arbeit. Sie fördern und kommuni-zieren zu lebende Werte und bauen Vertrauen und Risikobereitschaft auf. Mit unterstützendem Führungsstil und Delegieren einzelner Aufgaben an Lehrper-sonen tragen sie zur Förderung von Kollegien bei (Fend, 1998, 2008).

Die Schulleitung ist sowohl für den ordnungsgemäßen Schulbetrieb zuständig, wie auch für die Qualitätsentwicklung und Qualitätssicherung innerhalb der Schule (Transformational Leadership) und damit für die Schul- und Personalent-

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wicklung (Bonsen 2006; Wenzel, 2008; Wissinger, 2011). Wie sich das Füh-rungsverhalten im situativen Kontext zeigt wird von der Art und Weise der Ein-flussnahme wie auch von Eigenschaften und dem Führungsverhalten der Schul-leitenden geprägt. Damit kommt der Ausgestaltung der Schulleitungsrolle und der Professionalisierung der Schulleitung eine besondere Bedeutung zu (Wissinger, 2011). Eine Schulleitung kann aber nur im Rahmen der jeweiligen Schulkultur handeln (Helsper, 2008a). Innovationen aus dem Kollegium sind auf die Unter-stützung durch die Schulleitung angewiesen, ebenso sind Schulleitungen für die Verwirklichung ihrer Visionen an die Schulkultur der jeweiligen Schule und an die Veränderungsbereitschaft des Kollegiums gebunden (Wenzel, 2008).

Die Aufgabe der Schulleitung hat sich in Deutschland im Verlaufe der letzten dreißig Jahre von der Organisation der Schule zur pädagogisch ausgerichteten Führung gewandelt (Bonsen, 2006; Dubs, 2006; Holtappels & Voss, 2006; Wis-singer, 2011) und brachte Probleme der Akzeptanz des Rollenwandels mit sich. Da Schulleitungen im Kanton Zürich erst im Laufe der letzten zwei bis zehn Jahre flächendeckend eingeführt wurden und ihnen von Anfang an die Aufgaben der Qualitätsentwicklung und der pädagogischen Führung auf den Ebenen des Kollegiums und der Schule übertragen wurden, zeigen sich Schwierigkeiten in der Akzeptanz der zusätzlichen hierarchischen Ebene im System Schule, wie auch in der Professionalisierung der Schulleitenden. Zudem bringt die potenziell entlastende Einrichtung einer Schulleitung auch Einschränkungen der Autonomie der Lehrperson mit sich, was den Berufsmotiven von Lehrpersonen der älteren Generation entgegenläuft (Keller-Schneider, 2011). Mit der Einführung pädago-gischer Schulleitungen wird eine Veränderung des Berufsverständnisses von Lehrpersonen wie auch eine spezifische Professionalisierung von Schulleitenden erforderlich.

Fend (1998) und auch Bonsen, van der Gathen, Iglhaut und Pfeiffer (2002) berichten, dass Schulleitungen guter Schulen deutlich bessere Urteile von ihren Lehrpersonen hinsichtlich ihres Führungshandelns erhalten als Schulleitende verbesserungsbedürftiger Schulen. Ergebnisse aus einer Züricher Studie zu Kün-digungsmotiven1 belegen, dass am Ende des ersten Jahres nach Einführung von Schulleitungen am meisten Kündigungen erfolgen (in späteren Jahren sind es weniger) und dass insgesamt Schwierigkeiten mit der Schulleitung und der durch sie vertretenen Schulorganisation rund einen Drittel der Kündigungsgründe aus-machen und zu einem Stellenwechsel führen (Keller-Schneider, 2010b). Die Frage stellt sich, ob dies nur durch das Rollenhandeln der Schulleitung bedingt ist, oder ob die individuelle Wahrnehmung der Kündigenden ebenso mitentscheidend ist.

1 Lehrpersonen in der Schweiz sind nicht verbeamtet; Stellenbesetzungen erfolgen nach Ausschrei-bung und individuellen Bewerbungen durch Behörden auf kommunaler Ebene.

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2.3 Qualitätsmerkmale der Schulleitung im individuellen und kollektiven Referenzrahmen

Die Rolle der Schulleitung kann gemäß den eigenen Zielen (Bonsen, van der Gathen, Iglhaut & Pfeiffer, 2002, S. 100ff.) und Berufsauffassungen (Warwas, 2009) als Referenzrahmen unterschiedlich gestaltet werden – und trotz empirisch erhobener Qualitätsmerkmale bei den Lehrpersonen gemäß ihren individuellen Erwartungen und Zielen unterschiedlich ankommen. Die Schule als soziales Sys-tem (Fend, 1998) wird von individuellen wie auch von kollektiven Faktoren und deren Zusammenwirken mitbestimmt.

Die Bedürfnisse und Ziele der Akteure einer Schule und die Anforderungen und Erwartungen der Schulleitung bzw. der Organisation müssen gemäß motiva-tionstheoretischen Ansätzen zur Schulkultur auf einander abgestimmt werden (Holappels & Voss, 2006). Die individuelle und kollektive Auseinandersetzung mit Bedürfnissen und Erwartungen bestimmt nach interaktionistischen Ansätzen das Klima (ebd.). So wird bspw. die Innovationsbereitschaft eines Kollegiums nicht nur durch die individuellen Lehrpersonen, sondern auch durch das Kollektiv des Kollegiums und das positive Innovationsklima im direkten Umfeld mitbe-stimmt (ebd. 253). Schulleitungshandeln und damit einhergehende Erwartungen erfordern von den Mitgliedern des Kollegiums Akzeptanz. Eine spezifische Schulkultur mit ihren Dominanzverhältnissen (Helsper, 2008a, S. 126) und den damit verbunden Erwartungen stellen spezifische Möglichkeits- bzw. Begren-zungsräume für berufliche Entwicklungen dar. Damit stellen sie als Referenz-rahmen Anforderungen an die einzelne Lehrperson wie auch an die Subgruppen.

2.4 Individuelle Merkmale und der Prozess der Anforderungswahrnehmung

Anforderungen stellen gemäß arbeitspsychologischem Ansatz objektive Belas-tungen dar (Rudow, 1994) und werden – stresstheoretisch betrachtet (Lazarus & Launier, 1981) – nach deren Bedeutsamkeit und Bewältigbarkeit eingeschätzt. Je nach Ausgang dieser individuellen Prüfung werden sie als Herausforderung angenommen, bleiben als subjektive Belastung bestehen oder können ausge-blendet werden. Dies bedeutet, dass mit Anforderungen individuell verschieden umgegangen wird. Individuelle Motive, Kompetenzen, Überzeugungen und Selbstregulationsfähigkeiten (Baumert & Kunter, 2006) bestimmen die Deutung und die Bewältigung von Anforderungen mit (vgl. Prozessmodell von Keller-Schneider, 2010a, S. 113f.).

Befunde zum Belastungserleben zeigen, dass dieses von Effekten der Berufs-phase, der Zielkontrolle und der Selbstregulation der Lehrperson mitbestimmt wird (Albisser, Kirchhoff & Albisser, 2009). Hohe Selbstwirksamkeit steigert das berufliche Interesse, die Leistungsfähigkeit und -bereitschaft, wie auch die Zufrie-

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denheit (Jerusalem & Hopf, 2002). Arbeitszufriedenheit zeigt Zusammenhänge mit Kompetenzerwartung, mit dem Erleben der Bedeutsamkeit der eigenen Arbeit sowie auch mit der erlebten sozialen Unterstützung (Bieri, 2006). Arbeitszufrie-denheit besteht aber unabhängig vom subjektiven Belastungserleben (ebd.). Überzeugungen gestalten die Deutung von Situationen (Reusser, Pauli & Elmer, 2011) wie auch die Beurteilung des Kompetenzentwicklungsbedarfs mit und setzen allfälligen Entwicklungen auch Grenzen (Keller-Schneider & Hericks, 2011). Inwiefern individuelle Merkmale die Einschätzung von Qualitätsmerkma-len der Schulleitung mitbestimmen ist bislang nicht geklärt.

2.5 Zusammenfassung und Fragestellung Die Schulleitung stellt für die Schulqualität wie auch für die Entwicklung von

Schulen ein bedeutender Faktor dar (Bonsen, van der Gathen, Iglhaut & Pfeiffer, 2002; Wissinger, 2011). Qualitätsmerkmale guter Schulen wie auch guter Schul-leitungen wurden in mehreren Studien identifiziert (Bonsen, van der Gathen, Iglhaut & Pfeiffer, 2002; Dubs, 2006; Fend, 1998). Schulentwicklungsprozesse stellen Anforderungen an die betreffenden Lehrpersonen eines Kollegiums. Gemäß stresstheoretischer Herleitung (Lazarus & Launier, 1981) können Anfor-derungen unterschiedlich gedeutet und bearbeitet werden. Da Motive, Überzeu-gungen, Kompetenzen und Selbstregulationsfähigkeiten (Baumert & Kunter, 2006) zusätzlich den Prozess der Anforderungswahrnehmung mitbestimmen (Keller-Schneider, 2010a), stellt sich die Frage, welche Bedeutung individuellen Merkmalen in der Einschätzung von Schulleitungsmerkmalen zukommt.

Da die Rolle der Schulleitung im Rahmen der Sinnordnung der jeweiligen Schulkultur (Helsper, 2008a) verschieden ausgestaltet werden kann (Wissinger, 2011) und damit unterschiedliche Akzeptanz auslöst (Wenzel, 2008), mit der Ausübung der Rolle einher gehende Anforderungen von den Lehrpersonen auf-grund ihrer individuellen Ressourcen unterschiedlich wahrgenommen werden (Keller-Schneider, 2010a), leiten wir die Hypothese ab, dass individuelle Merk-male der einschätzenden Lehrpersonen die Ausprägungen der Qualitätsmerkmale der von ihr eingeschätzten Schulleitung mitbestimmen. Diese gerichtete Hypo-these prüfen wir empirisch mit folgender Untersuchungsfrage:

Bestehen zwischen individuellen Merkmalen der einschätzenden Lehrpersonen und der Ausprägung der von ihnen eingeschätzten Qualitätsmerkmale ihrer Schulleitung bedeutsame systematische Zusammenhänge?

3. Methodisches Vorgehen Zur Prüfung der Hypothese werden Daten aus dem Projekt RUMBA (Ressour-

cenentwicklung im Umgang mit Berufsanforderungen, Keller-Schneider & Albisser, 2010) genutzt. Das Projekt RUMBA erforscht die Entwicklung und das

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Zusammenwirken von Einschätzungen und Wahrnehmungen unterschiedlicher Akteure innerhalb einer Schule und unterstützt Schulen durch Datenrückspiege-lungen in ihrem evidenzbasierten Schulentwicklungsprozess. Lehrpersonen und Schulleitungen werden mittels Fragebogen zu Einschätzungen der Schulkultur, der Kollegiums- und Schulleitungsqualität, wie auch zu individuellen Merkmalen und Einstellungen befragt. Durch Datenrückmeldungen (Peek, 2006; Kuper & Schneewind, 2006) und durch die im Rahmen des Datennutzungsprozesses verein-barten Ziele (Hosenfeld & Groß Ophoff, 2007, S. 358) werden Schulen in ihrem Schulentwicklungsprozess unterstützt. In der ersten Phase sind zwei Schulen am Projekt beteiligt.

3.1 Datenerhebung und Stichprobe Die Datenerhebung mittels Fragebogen erfolgte im Jahre 2010 im Rahmen

eines Schulentwicklungstages (Vollerhebung). Die Stichprobe umfasst 93 Lehrpersonen von zwei Primarschulen mit Kinder-

garten (Lehrkräfte der Klassen -2 bis +6) im Kanton Zürich. Die Kollegien der beiden Schulen unterscheiden sich weder bezüglich Geschlecht (40 bzw. 38 Frauen zu 6 bzw. 5 Männer), Berufserfahrung (M = 16.8 bzw. 15.8, SD = 11 bzw. 9.9 Jahre), Funktionen (je 60 % sind in Aufgaben der Klassenlehrperson involviert), noch Beschäftigungsgraden (Chi2 (4, n = 88) = 4.134, p = .39).

3.2 Instrumente Zur Erfassung der Schulleitungsqualität werden auf der Basis von Qualitäts-merkmalen guter Schulleitungen (vgl. Tab. 1) und unter Nutzung mehrerer Quellen (Bonsen, van der Gathen, Iglhaut & Pfeiffer, 2002; Döbrich, 2007; Fend, 1998) Items zusammengestellt, teilweise auf Schweizer Verhältnisse adaptiert oder neu entwickelt (sechsstufiges Antwortformat von 1 = wenig bis 6 = sehr) (Skalen-bildung vgl. 3.3).

Tabelle 1: Skalen zur Einschätzung der Schulleitungsqualität (mit Beispielitem, Anzahl Items, Cronbachs Alpha, Mittelwert und Standardabweichung2)

Skalen Beispielitem Item α M SD

1) Wertschätzender Umgang Die Schulleitung (SL) zeigt Empathie 5 .72 4.94 .75

2) Partizipative Führung SL achtet auf Mitbestimmung des Kollegiums 5 .79 5.03 .69

3) Innovationsförderung SL unterstützt die Umsetzung von Optimierungsanliegen 6 .82 4.83 .66

2 Die Kennwerte werden im Rahmen der Ergebnisdarstellung kommentiert.

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Skalen Beispielitem Item α M SD

4) Positiver Beitrag zum Klima im Kollegium

SL hat die Fähigkeit, aufkommende Konflikte auszugleichen 4 .73 4.63 .81

5) Zielorientierte Führung SL arbeitet an langfristigen Zielen 5 .83 4.92 .68

6) Rückhalt und Weitsicht SL gibt Rückhalt bei Auseinander-setzungen 4 .84 4.63 .77

7) Überblick über Prozesse

SL besitzt einen guten Überblick über das, was in der Schule vorgeht 5 .80 5.03 .72

8) Rollenklarheit SL nimmt eine professionelle Posi-tion bezüglich Nähe und Distanz ein 4 .79 4.81 .80

9) Problembewältigung SL macht in Problemsituationen konstruktive Lösungsvorschläge 7 .90 4.81 .74

10) Übereinstimmung der Werte

Die Ziele und Werte der SL sind meinen ähnlich 3 .78 4.52 1.0

11) Fokus auf Unterricht SL ist für Fragen des Unterrichts ansprechbar und kompetent 4 .85 4.62 .80

12) Umgang mit Eltern SL nimmt Eltern gegenüber ihre Rolle wahr 3 .82 5.07 .70

13) Begeisterungsfähigkeit SL versteht es, die L für ihre Anliegen zu begeistern 3 .82 4.89 .73

14) Offenheit für Anliegen SL nimmt Anliegen ernst 6 .91 5.05 .76

Schulleitungsqualität total alle 14 Subskalen* 14 .95 4.83 .60

* Gesamtskala ohne die Skala „Fokus auf Unterricht und Lernen“ (11) eindimensional mit α = .96, Schulen unterscheiden sich nicht. GLM F(13, 1001) = 1.403, p = .151, η2 = .018, Teststärke .805.

Individuelle Merkmale der Lehrpersonen (Tab. 2) werden mit bestehenden Instrumenten erfasst. Die Belastung im schulischen Umfeld wird mit der entwi-ckelten Kurzform des in Anlehnung an Schaarschmidt (2004) von Albisser, Kirchhoff, Meier und Grob (2006) entwickelten Instruments erhoben, Beanspru-chung durch berufliche Anforderungen mit dem Instrument von Keller-Schneider (2010a, Kurzform), die berufsbezogene Selbstwirksamkeit mit der LSW von Schmitz und Schwarzer (2000) und die Veränderungsbereitschaft mit einer Skala aus dem Instrument von Döbrich (2007). Zur Erhebung der Erwartungen an die Berufsarbeit (Motive) werden ausgehend von den Berufswünschen von Hackman und Oldham (1980) Skalen zu Vielseitigkeit, Bedeutsamkeit, Autonomie und sozia-ler Einbindung entwickelt. Das Maß an wahrgenommener sozialer Unterstützung wird mit der Skala von Albisser, Kirchhoff, Meier und Grob (2006) eingeholt, dasjenige der Arbeitszufriedenheit mit der Subskala von Baillod und Semmer (1994). Das Antwortformat aller Items ist sechsstufig (von 1 = wenig bis 6 = sehr).

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Tabelle 2: Instrumente zur Erfassung individueller Merkmale, mit Angaben zur Quelle, Anzahl Items, Cornbachs Alpha, Mittelwerten und Standardabweichung3

Skalen Beispielitem Item α M SD

Belastung Wie stark fühlen Sie sich durch außer-unterrichtliche Pflichten belastet? 9 .77 3.03 .83

Beanspruchung Wie stark beansprucht Sie die Dynamik der Klasse zu lenken? 8 .80 3.53 .85

Selbstwirksamkeit

Ich weiß, dass ich es schaffe, selbst den problematischsten Schüler/innen den Stoff zu vermitteln. 10 .79 4.65 .50

Erwartungen: Mir ist es wichtig ...

- Vielseitigkeit eine abwechslungsreiche eine Arbeit zu haben. 6 .86 5.30 .56

- Bedeutsamkeit eine gesellschaftlich bedeutsame Arbeit zu haben. 4 .82 5.23 .70

- Autonomie Freiräume in der Gestaltung der Arbeit zu haben. 6 .87 5.51 .51

- soziale Einbindung

eine Arbeit zu haben, die eine enge Zusammenarbeit mit meinen Kolleginnen fordert. 3 .62 4.26 .89

Veränderungs-bereitschaft

Veränderungen an unserer Schule haben meine Zustimmung. 3 .61 4.08 .92

Soziale Unterstützung

Wie stark fühlen Sie sich durch das Kollegium unterstützt, wenn die Arbeit in der Schule schwierig wird? 8 .69 4.67 .70

Arbeitszufriedenheit Hoffentlich bleibt meine Arbeitssituation immer so gut wie jetzt. 3 .65 4.68 .95

3.3 Auswertung Skalenbildungen zu Qualitätsmerkmalen der Schulleitung erfolgen mittels Fak-

toranalysen. Da gemäß Hair und Mitarbeitenden (1998, S. 98f.) ein Verhältnis von 1:20 zwischen Faktor und Anzahl Personen vorhanden sein soll und dieses Verhältnis bei der gleichzeitigen Prüfung aller Items nicht erreicht wird, werden die nach inhaltlichen Überlegungen zusammengestellten Skalen faktoranalytisch nach Eindimensionalität geprüft und – falls sinnvoll durch Weglassen von gering ladenden Items oder von Items mit Ladungen auf mehreren Faktoren optimiert. Die vier Skalen zu Erwartungen an die Berufsarbeit werden unter Einhaltung der Voraussetzungen (Bortz & Döring, 2006; Hair, Anderson, Tatham & Black, 1998) mittels explorativer Faktoranalyse gebildet (oblime Methode, da nicht von einer Unabhängigkeit der Skalen ausgegangen wird, Brosius, 2006). Die auf diese Weise entwickelten oder aus bestehenden Instrumenten übernommenen Skalen

3 Die Kennwerte werden im Rahmen der Ergebnisdarstellung kommentiert.

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werden nach ihrer inneren Konsistenz geprüft (Cronbachs Alpha als Maß der Reliabilität).

Allfällige Unterschiede zwischen den Schulen werden mit multivariaten Vari-anzanalysen (GLM) geprüft. Um mögliche Unterschiede zwischen den Schulen in den Qualitätseinschätzungen der Schulleitungen zu kontrollieren, werden die Werte der Qualitätsmerkmale der Schulleitung je Schule z-standardisiert. Zusam-menhänge zwischen den durch die Lehrpersonen eingeschätzten Qualitätsmerk-malen der Schulleitung und den individuellen Merkmalen der Lehrpersonen werden mittels Korrelationskoeffizienten berechnet (Korrelation nach Pearson, Brosius, 2006).

4. Ergebnisse Nach der Darstellung der Mittelwerte und Streuungen der Einschätzungen der

Schulleitungsqualität (Tab. 1 und Abb. 1) wie auch der individuellen Merkmale der Lehrpersonen des Kollegiums (Tab. 2 und Abb. 2) werden die Korrelations-koeffizienten der Zusammenhänge zwischen den Einschätzungen der Schullei-tungsqualität und den individuellen Merkmalen berechnet (Tab. 3).

4.1 Merkmale der Schulleitungsqualität Die Mittelwerte der Einschätzungen der Qualitätsmerkmale der Schulleitung

liegen inkl. der Streuungen von rund einer Standardabweichung in der oberen Skalenhälfte (Tab. 1 und Abb. 1). Gemäß Befunden der Studie von Bonsen, van der Gathen, Iglhaut und Pfeiffer (2002) können die Schulleitungen beider Schulen als gut bezeichnet werden. Geprüft nach schulspezifischen Unterschieden zeigen sich keine bedeutsamen Unterschiede zwischen den beiden Schulen (GLM F(13, 1001) = 1.403, p = .15, η2 = .018, Teststärke .805).

Die Streuungen der Einschätzungen der Qualitätsmerkmale der Schulleitungen zeigen die unterschiedlichen Sichtweisen der Lehrpersonen und können nicht über schulspezifische Unterschiede erklärt werden. Die breiteste Streuung, als Variabilität der Einschätzung zu deuten, zeigt sich in der Übereinstimmung der Ziele und Werte der Schulleitung und den eigenen. Die Einschätzungen des posi-tiven Beitrags der Schulleitung zum Klima, die Rollenklarheit und die Fokussie-rung auf Unterricht und Lernen folgen in der Rangfolge der breiten Streuungen. Schmalere Streuungen – als größere Übereinstimmung in der Einschätzung zu deuten – zeigen sich in den Einschätzungen der Innovationsförderung, wie auch der zielorientierten und partizipativen Führung der Schulleitung.

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Abbildung 1: Ergebnisse der Einschätzungen der Schulleitungsqualität (Mittel-wert mit Standardabweichung (grauer Balken) und zwei Standardabweichungen als T-Balken, °/* = Ausreißer, Nummern geben keine Hinweise zur Schulzugehö-rigkeit; Angaben zu Mittelwert und Streuung vgl. Tab. 1)

4.2 Individuelle Merkmale der Lehrpersonen Die Werte der individuellen Merkmale der Lehrpersonen zeigen breite Streu-

ungen; zwischen den Kollegien der Schulen lassen sich keine bedeutsamen Unterschiede finden (Mittelwerte und Streuungen vgl. Abb. 2 und Tab. 2; GLM F(48, 768) = 1.327, p = .072, η2 = .077, Teststärke = .996).

Der Mittelwert der wahrgenommenen Belastung liegt im mittleren Skalen-bereich, die Werte streuen aber breit; einzelne Lehrpersonen schätzen sich als nur schwach bis nicht belastet ein, andere als sehr stark. Die Beanspruchung durch die Bewältigung der Berufsanforderungen liegt ebenfalls im mittleren Bereich; die Werte streuen eher breit und weisen ebenfalls auf eine große Bandbreite in den Kollegien hin. Belastung und Beanspruchung zeigen lediglich schwache Zusammenhänge (r = .38**, mit einer gemeinsamen aufgeklärten Varianz von 13 %).

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Abbildung 2: Ausprägungen der individuellen Merkmale der Lehrpersonen (Mit-telwert mit Standardabweichung (grauer Balken) und 2 Standardabweichungen als T-Balken, °/* = Ausreißer, Nummern geben keine Hinweise zur Schulzugehö-rigkeit; Angaben zu Mittelwert und Streuung vgl. Tab. 2)

Die Ausprägung der Selbstwirksamkeit als Überzeugung, als Lehrperson etwas bewirken zu können, liegt insgesamt hoch und weist eine schmale Streuung auf. Erwartungen an die Berufsarbeit (Berufsmotive) zeigen sich wie folgt: Den Lehr-personen dieser Schulen ist es wichtig, eine vielseitige und bedeutsame Arbeit mit hohem Gestaltungsfreiraum zu haben (hohe Mittelwerte inkl. Streuung). Das Motiv der sozialen Einbindung in eine professionelle Gemeinschaft zeigt eine große Bandbreite von Einschätzungen. Der Mittelwert der Veränderungsbereit-schaft liegt im mittleren Bereich, streut eher breit und zeigt Werte in großer Bandbreite, d. h. die Bereitschaft an Neuerungen zu arbeiten ist sehr unterschied-lich. Die Werte der wahrgenommenen sozialen Unterstützung liegen in der obe-ren Skalenhälfte; Lehrpersonen erachten sich als angemessen bis gut durch akti-vierbare soziale Ressourcen unterstützt. Die Werte der Arbeitszufriedenheit liegen ebenfalls in der oberen Skalenhälfte; Werte zur Unzufriedenheit liegen in diesen Kollegien keine vor.

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Zusammenfassend kann gesagt werden, dass es sich um Kollegien handelt, die in einem mittleren Maße belastet sind, sich in einem mittleren Maße beanspru-chen lassen, über eine hohe Selbstwirksamkeit verfügen und stark ausgeprägte Erwartungen bezüglich Vielseitigkeit, Bedeutsamkeit und Autonomie in der Berufsarbeit haben. Sozial gut unterstützt mit einer im mittleren Bereich liegen-den Veränderungsbereitschaft verfügen sie über eine mittlere bis gute Arbeitszu-friedenheit. Sie schätzen die Qualität der Schulleitung in allen Merkmalen als eher hoch ein.

Die Werte streuen breit (bei unbedeutenden Unterschieden zwischen den Schulen), was auf individuelle Unterschiede hinweist. Die Bedeutung dieser indi-viduellen Ausprägungen wird im nächsten Kapitel geprüft.

4.3 Zusammenhänge zwischen Einschätzungen der Schulqualität und der individuellen Merkmale

Einschätzungen entstehen im Zusammenwirken verschiedener Faktoren; indi-viduelle Ressourcen stellen den Referenzrahmen dar. Die Werte der Schullei-tungsqualität (vgl. Tab. 1 und Abb. 1) wie auch die Werte der individuellen Merkmale der Lehrpersonen (vgl. Tab. 2 und Abb. 2) zeigen breite Streuungen, die nicht durch schulspezifische Unterschiede erklärt werden können. Die Frage, wodurch die breiten Streuungen der Einschätzungen derselben Schulleitungsper-sonen mitbedingt werden, wird mittels Korrelationsberechnungen geprüft (vgl. Tab. 3). Durch Konstanthaltung der Mittelwerte der Schulleitungsqualität (durch z-Standardisierung je Schule) geben die Korrelationskoeffizienten Auskunft dar-über, in welchem Ausmaß die Qualitätseinschätzung durch individuelle Merk-male der Lehrpersonen mitbestimmt werden (Zusammenhang einseitig geprüft). Im Unterschied zur Studie von Bonsen, van der Gathen, Iglhaut und Pfeiffer (2002, S. 148), in welcher die Zusammenhänge über Mittelwerte der Schulen geklärt werden und dabei die individuellen Beiträge ausgeklammert werden, prüfen wir die Zusammenhänge zwischen den individuellen Merkmalen der Lehr-personen und ihren Einschätzungen der Schulleitungsqualität auf der individuel-len Ebene. Der Fokus liegt somit nicht auf der Schulleitungsqualität, sondern auf dem Beitrag der einschätzenden Lehrpersonen zur Streuung der Einschätzungen.

Belastete Lehrpersonen schätzen die Qualität ihrer Schulleitung insgesamt, wie auch in den meisten Merkmalen, geringer ein als weniger belastete (schwache negative bis mittlere bedeutsame Zusammenhänge). Der stärkste und negative Zusammenhang (mittlerer Stärke mit aufgeklärter Varianz von 21 %) zeigt sich mit der Einschätzung der Übereinstimmung der Werte und Ziele. Je stärker belastet eine Lehrperson ist, desto geringer schätzt sie die Übereinstimmung der Werte, den wertschätzenden Umgang der Schulleitung, ihre Offenheit für Anlie-gen, wie auch ihren Überblick über die Prozesse an der Schule ein (weitere Merk-male vgl. Tab. 3).

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Tabelle 3: Korrelationen (Pearson) zwischen Einschätzungen der Schulleitungs-qualität (z-standardisiert je Schule) und individuellen Merkmalen der einschät-zenden Lehrpersonen

Merkmale der SLQ B

elas

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Ban

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ch.

LSW

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Soz.

Unt

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ried.

1) Wertschätz. -.42** .02 .24* .29** .06 .08 .13 .13 .46** .33**

2) Part. Führung -.31* .02 .28** .34** .19 .18 .23* .06 .35** .20

3) Innov.förd. -.10 .27* .26* .29* .15 .27* .18 .23* .24* .20

4) Beitrag Klima -.29** .08 .20 .32** .17 .20 .25* .28** .29** .27*

5) Zielor. Führ. -.12 .17 .19 .24* .12 .27* .29** .12 .19 .26*

6) Rückhalt -.26* .04 .24* .31** .17 .16 .10 .21 .32** .24*

7) Überblick -.38** .00 .10 .27* -.04 .20 .03 .11 .29** .32**

8) Rollenklarheit -.26* -.06 .16 .32** .16 .14 .10 .08 .28** .21*

9) Problembew. -.29** .08 .25* .34** .14 .24* .16 .20 .29** .30**

10) Übereinst. W -.46** -.17 .37** .21 .15 .02 .16 .08 .42** .32**

11) Fokus Unt. -.19 .13 .30** .26* .06 .05 .22* .29** .28** .34**

12) Umg. Eltern -.26* -.06 .27* .45** .27* .21 .11 .15 .28** .23*

13) Begeistr.fäh. -.24* .18 .25* .43** .23* .42** .29* .07 .23* .36**

14) Offen Anl. -.36* -.08 .30** .43** .25* .27* .23* .18 .38** .36**

SLQ total -.35** -.03 .27** .36** .14 .22 .19 .19 .38** .33** 1 Subskalen zu Erwartungen an die Berufsarbeit; Signifikanzniveau der Korrelationskoef-fizienten: * = p < .05, ** = p < .01; Effektstärken: nach Cohen (1988) und Rost (2007) verweist ein r = .1 auf einen kleinen Effekt (Determinationskoeffizient r2 = .01), r = .3 auf einen mittleren (r2 = .09), r = .5 auf einen starken (r2 = .25).

Die wahrgenommene Beanspruchung der Lehrpersonen erweist sich als weit-gehend unabhängig von der Einschätzung der Schulleitungsqualität, trotz breiter Streuungen. Sich durch die Bewältigung von Berufsanforderungen beanspruchen zu lassen zeigt keinen bedeutsamen Zusammenhang mit der Qualitätseinschät-zung der Schulleitung (einzig die Innovationsförderung der Schulleitung wird höher eingeschätzt je beanspruchter sich eine Lehrperson selbst wahrnimmt).

Lehrpersonen mit hoher berufsbezogener Selbstwirksamkeit schätzen die Schul-leitungsqualität insgesamt höher ein (schwacher aber bedeutsamer positiver Zusammenhang). Insbesondere die Übereinstimmung in den Werten und Zielen, aber auch Wertschätzung, das Ausmaß einer partizipativen Führung, Innovations-förderung, Rückhalt und Problembewältigung, die Fokussierung auf Unterricht

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und Lernen, wie auch der Umgang mit den Eltern und die Offenheit für Anliegen der Lehrpersonen werden höher eingeschätzt, je selbstwirksamer sich eine Lehr-personen wahrnimmt.

Motive: Je wichtiger einer Lehrperson die Vielseitigkeit der Berufsarbeit ist, desto höher schätzt sie die Qualität der Schulleitung insgesamt wie auch in allen Teilbereichen ein. Hohe Erwartungen an die Bedeutsamkeit der Arbeit gehen mit bedeutsamen aber schwachen Zusammenhängen mit der Begeisterungsfähigkeit der Schulleitung für Schulentwicklungsprozesse, mit der Einschätzung ihrer Of-fenheit für Anliegen, wie auch mit der Qualität ihres Umgang mit Eltern einher. Je stärker das Motiv der Autonomie in der Berufsarbeit ausgeprägt ist, desto höher wird die Begeisterungsfähigkeit der Schulleitung für Schulentwicklungsprozesse eingeschätzt, wie auch ihre Offenheit für Anliegen und ihre Problembewältigung. Je stärker das Motiv der sozialen Einbindung ausgeprägt ist, desto stärker ausge-prägt sind auch Einschätzungen der partizipativen und zielorientierten Führung, der Beitrag zum Klima, die Offenheit für Anliegen und insbesondere auch die Begeisterungsfähigkeit für Entwicklungsprozesse.

Je höher die Veränderungsbereitschaft einer Lehrperson ist, desto höher wird der positive Beitrag der Schulleitung zum Klima, ihre Innovationsförderung wie auch ihre Fokussierung auf Unterricht und Lernen eingeschätzt.

Zwischen dem Ausmaß wahrgenommener Unterstützung bzw. der Arbeitszu-friedenheit einer Lehrperson und den Einschätzungen der Schulleitungsqualität zeigen sich bedeutsame positive Zusammenhänge. Je stärker eine Lehrperson das Ausmaß an sozialer Unterstützung wahrnimmt bzw. je größer die Arbeitszufrie-denheit einer Lehrperson ist, desto höher schätzt sie alle Qualitätsmerkmale der Schulleitung ein.

Zusammenfassend kann gesagt werden, dass die Einschätzungen der Schullei-tungsqualität durch individuelle Merkmale der Lehrpersonen mitbestimmt werden (bei bedeutsamen aber schwachen Zusammenhängen mit aufgeklärten Varianzen von 10 %-20 %). Es ist somit nicht nur bedeutsam, wer eingeschätzt wird, son-dern auch, wer einschätzt und wodurch sich diese Lehrperson auszeichnet.

5. Diskussion Die aufgrund des Forschungsstandes formulierte Frage der Untersuchung kann

durch identifizierte bedeutsame Zusammenhänge zwischen den Einschätzungen der Schulleitungsqualität und den individuellen Merkmalen der Lehrpersonen bestätigt werden. Die gerichtete Hypothese besagt, dass individuelle Merkmale der einschätzenden Lehrpersonen die Streuungen der eingeschätzten Merkmale der Schulleitungsqualität mitbestimmen. Folgende individuelle Ressourcen gestal-ten die Einschätzungen der Schulleitungsqualität mit:

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– Geringes subjektives Belastungserleben, gute soziale Unterstützung, hohe Arbeitszufriedenheit, hohe berufliche Selbstwirksamkeitserwartung wie auch stark ausgeprägte Motive einer vielseitigen Arbeit gehen mit höheren Ein-schätzungen der Schulleitungsqualität einher.

– Hohes subjektives Belastungserleben, nicht aber das Beanspruchungserleben, reduziert die eingeschätzte Schulleitungsqualität. Das Beanspruchungserleben erweist sich somit im Unterschied zum Belastungserleben theoriekonform als eine individuelle, auf die eigenen Ressourcen bezogene Größe (vgl. Keller-Schneider, 2010a, 71f.; Rudow, 1994).

Bedeutung für den Schulentwicklungsprozess: Beide untersuchten Schulen werden von Schulleitungen geführt, die aus der Sicht der in diesen Schulen arbei-tenden Lehrpersonen durchschnittlich als gut beurteilt werden und sich im Vergleich mit den Werten der Studien von Bonsen, van der Gathen, Iglhaut und Pfeiffer (2002) und von Fend (1989) als gute Schulen bezeichnen lassen.

Was bedeuten die je nach Qualitätsmerkmal unterschiedlich breiten Streuungen der Qualitätseinschätzungen? Wir vermuten, dass diese Unterschiede differente Urteilsbezüge wie Überzeugungen und Erwartungen ausdrücken. Die Lehrper-sonen verfügen nicht nur über verschiedene Ressourcen sondern sind sich auch nicht einig in den Bezugsmaßstäben oder Erwartungsnormen. Dies lässt sich am Beispiel der größten Einschätzungsdifferenz in der wahrgenommenen geringen Übereinstimmung in Werten und Zielen mit der Schulleitung illustrieren, welche auf (vermutete) Erwartungsdifferenzen weist. Die schulentwicklungsspezifische Bedeutung dieser Einschätzungsdifferenzen liegt darin, den Quellen dieser Ein-schätzungsmaßstäbe individuell wie auch im Kollegium nachzugehen.

Die Befunde zeigen Wege der Optimierung der Schulqualität auf, die nicht nur die Professionalisierung der Schulleitung, sondern auch eine reflexive Bearbei-tung von Zielen, Überzeugungen, Erwartungen, Kompetenzen und Regulations-fähigkeiten der einschätzenden Lehrpersonen fokussiert. Da Konsens wie auch Übereinstimmung in den Zielen und Werten bedeutsame Qualitätsmerkmale einer Schule darstellen (vgl. Bonsen, van der Gathen, Iglhaut & Pfeiffer, 2002; Fend, 1998), ist es für diese als gut zu beurteilenden Schulen bedeutsam, in den Ein-schätzungen der Qualitätsmerkmale größeren Konsens zu erzielen.

Einschränkungen: Die Hypothesenprüfung ergibt, dass ein bedeutsamer Zusammenhang zwischen den Einschätzungsausprägungen der eigenen indivi-duellen Ressourcen und der Schulleitungsqualität bestehen. Die einzelnen Zusammenhänge erweisen sich aber als eher schwach. Wie individuelle Merkmale insgesamt auf die Einschätzung der Schulleitungsqualität einwirken und welche Prädiktoren sich als bedeutsam erweisen (Identifikation von Haupteffekten), kann aufgrund der zu geringen Fallzahl bei einer zu großen Anzahl Prädiktoren nicht

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geprüft werden. Inwiefern im weiteren die Berufs- und Lebensphase zur unter-schiedlichen Einschätzung beiträgt, wie das Albisser, Kirchhoff und Albisser (2009) über das Belastungserleben und Keller-Schneider (2011) über die Ausprä-gung teamarbeitsbezogener Berufsmotive feststellen, oder ob bestimmte Motiv-konstellationen oder kooperationsbezogene Überzeugungen zur Erklärung der breiten Streuungen beitragen, bleibt zu klären. Wie sich die in dieser Stichrobe identifizierten Zusammenhänge in anderen Kollegien zeigen, insbesondere in solchen mit als geringer eingeschätzten Schulleitungsqualität, ist ebenfalls noch ungeklärt. Die bisher gewonnen Ergebnisse belegen erstmals, dass individuelle Merkmale die Einschätzung von Schulleitungsmerkmalen mitbestimmen und führen zur Hypothese, dass Zusammenhänge auch Wirkfaktoren in Schulent-wicklungen darstellen können.

Folgerungen: Für die Optimierung von Schulqualität lässt sich ableiten, dass nicht nur die Steigerung der durchschnittlichen Ausprägung der Qualität bedeut-sam ist. Bei hoher Qualität soll auch der Steigerung der Übereinstimmung der Einschätzungen Bedeutung beigemessen werden, da Konsens und gemeinsame Ziele (Bonsen, van der Gathen, Iglhaut & Pfeiffer, 2002) in einem von allen getragenen Schulentwicklungsprozess (Dubs, 2006) bedeutende Qualitätsmerk-male guter Schulen wie auch Gelingensbedingungen für Schulentwicklungspro-zesse darstellen. Aus bisherigen Befunden kann abgeleitet werden, dass durch die Aggregierung von Werten auf der Ebene der Schule Zusammenhänge auf Schul-ebene identifiziert werden können; die innerschulischen Differenzen und die indi-viduellen Beiträge zur Einschätzung werden dabei aber ausgeblendet. Da Kohäsi-on und Konsens wichtige Qualitätsmerkmale von guten Kollegien darstellen, und diese wiederum wichtige Merkmale guter Schulen bedeuten, muss im Rahmen der Qualitätsentwicklung von Schulen an Fragen der Übereinstimmung von Urteilsbezügen der Einschätzungen gearbeitet werden. Damit kann ermöglicht werden, dass Schulentwicklung auf der Basis von diskutierten und zunehmend geteilten Werten und Zielen gemeinsam getragen wird.

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Anschrift der Autoren: Prof. Dr. Manuela Keller-Schneider und Prof. Dr. Stefan Albisser, Pädago-

gische Hochschule Zürich, Rämistrasse 59, CH-8090 Zürich, E-Mail: [email protected]; [email protected]