13. Übertragung des Modellierungsverfahrens auf PEEK …13.pdf · =102 s-1 der transien-ten...
Transcript of 13. Übertragung des Modellierungsverfahrens auf PEEK …13.pdf · =102 s-1 der transien-ten...
- 137 -
13. Übertragung des Modellierungsverfahrens auf PEEK und PPS
13.1 Bestimmung des linear viskoelastischen Verhaltens von PEEK und PPS
Um das Berechnungsmodell, das bislang ausschließlich auf das „Modellpolymer“
LDPE 1840 H angewendet wurde, auf die in der Praxis der Leiterbeschichtung ver-
wendeten Materialien PEEK und PPS übertragen zu können, müssen auch für diese
Polymere alle benötigten Materialkennwerte und –funktionen bekannt sein (vgl. Zu-
sammenstellung in Kap. 11). Für einige Größen, beispielsweise den Strahlungs- und
Konvektionskoeffizient für die Berechnung der Strangabkühlung, die für die meisten
Polymere ungefähr gleich sind, dürfen die Werte von LDPE übernommen werden.
Sehr stark hingegen unterscheiden sich die viskoelastischen Eigenschaften von Po-
lymer zu Polymer, und auch innerhalb einer Polymerklasse gibt es eine enorme
Bandbreite zwischen einzelnen Produkttypen, die sich in ihrem molekularen Aufbau
unterscheiden.
Zur Bestimmung des linear viskoelastischen Verhaltens, respektive des Relaxati-
onszeitspektrums, genügt es nach Laun [La2], den Verlauf der stationären Schervis-
kositätsfunktion ( )γη�
zu kennen. Dabei bedient man sich der von Gleissle [Gle] ge-
fundenen und bislang nicht bewiesenen Spiegelrelation, die besagt, daß in jeweils
doppeltlogarithmischer Auftragung die stationäre Scherviskositätsfunktion mit stei-
gender Schergeschwindigkeit γ� spiegelbildlich zum linear viskoelastischen Anlauf-
verhaltens der Spannviskosität als Funktion der Zeit verläuft. Dabei müssen beide
Darstellungen gleich skaliert sein, und die Spiegelung erfolgt an der Achse t=1 s
bzw. γ�=1 s-1.
Beispielsweise entspricht die stationäre Scherviskosität bei γ�=102 s-1 der transien-
ten Scherviskosität nach t=10-2 s.
Dies wird durch folgende Gleichung ausgedrückt:
( ) ( )t+η=γη 0
� mit γ=
�/1t (Gl. 13.1)
- 138 -
( )γη�
............ stationäre Scherviskosität(sfunktion) [Pa s]
( )t+η0 .......... transiente (zeitabhängige) Anlaufkurve der Scherviskosität im linearen Bereich [Pa s]
t.................. Zeit [s]γ
�................. stationäre Schergeschwindigkeit [s-1]
Aus der Gleissle-Spiegelung folgt eine Gleichung, die die Scherviskositätsfunktion
als Funktion des Relaxationszeitspektrums ausdrückt [La2]:
( ) ���� �
�����τ⋅γ
−−⋅τ⋅=γη �i
ii
iS g �� 1exp1 (Gl. 13.2)
Mit einem geeigneten Rechenalgorithmus kann das Relaxationszeitspektrum aus
einer Anpassung dieser Gleichung an gemessene Viskositätsfunktionen bestimmt
werden. Die einzelnen diskreten Relaxationszeiten werden vorgegeben und ein Re-
chenprogramm mit Anpassungsroutine (z.B. Microcal Origin) bestimmt die zugehöri-
gen Relaxationsstärken gemäß Gl. 13.2.
Für ein möglichst gutes Spektrum, das die linear viskoelastischen Effekte über einen
großen Zeitbereich beschreibt, ist eine Viskositätsfunktion über einen möglichst gro-
ßen Schergeschwindigkeitsbereich notwendig. Eine solche Viskositätsfunktion wird
aus mehreren Kurvenästen zusammengesetzt, die aus verschiedenen Meßmetho-
den resultieren. Im Bereich hoher Schergeschwindigkeiten werden die Viskositäts-
daten mit Hilfe eines Hochdruck-Kapillar-Rheometers ermittelt. Es deckt den Bereich
der verarbeitungsrelevanten Schergeschwindigkeiten (Spritzguß, Extrusion) ab,
weswegen in den Produktbeschreibungen der Kunststoffindustrie meist nur Viskosi-
tätsdaten für Schergeschwindigkeiten von 10 bis 10000 s-1 angegeben sind. Der Be-
reich niederer Schergeschwindigkeiten ist mit Hilfe dynamischer Rheometer zugäng-
lich, wobei häufig das Kegel-Platte-Rheometer gegenüber anderen Bauarten bevor-
zugt wird, weil es den Vorteil einer ortsunabhängigen, konstanten Schergeschwin-
digkeit in der gesamten Probe bietet.
Da der Schergeschwindigkeitsbereich unterhalb des Kapillarrheometers zu einem für
den Rheotensversuch prozeßrelevanten Zeitbereich gehört, muß für die Bestimmung
- 139 -
eines geeigneten Relaxationszeitspektrums auch der Teil der Viskositätskurve ge-
messen werden, der unterhalb 10 s-1 liegt. Hierzu wurde ein deformationsgesteuer-
tes Kegel-Platte-Rheometer (Fabrikat Rheometrics RMS 800) im oszillatorischen
Modus mit einem Plattendurchmesser von 25 mm und einem Kegelwinkel α von 0,04
rad = 2,29° eingesetzt. Das Kegel-Platte-Rheometer liefert zunächst nur den Verlauf
der Anteile des komplexen Moduls G‘ und G‘‘ als Funktion der Frequenz ω. Nach der
Theorie von Cox und Merz [CoM] wird aus ihnen nach folgender Gleichung die
Scherviskosität bestimmt, wobei Frequenz und Schergeschwindigkeit übereinstim-
men.
( ) 22 "'1
GGS +⋅ω
=γη � mit γ=ω � (Gl. 13.3)
ω.................Kreisfrequenz der Kegelschwingung [s-1]G‘................Speicheranteil des komplexen Schubmoduls [Pa]G“................Verlustanteil des komplexen Schubmoduls [Pa]
Das Relaxationszeitspektrum wurde nicht direkt aus G’ und G“ berechnet, weil auch
der Bereich höherer Schergeschwindigkeiten durch die Bestimmung der Viskosi-
tätsfunktion im Hochdruck-Kapillarrheometer in die Berechnung mit eingehen soll.
Die gemessenen Viskositätsfunktionen für die drei PEEK-Typen bei T=360 °C sind
in Abb. 13.1 aufgetragen. Bei PEEK ist eine klare Reihenfolge der Typen hinsichtlich
der Scherviskosität zu erkennen. PEEK 450 G ist der höchstviskose Typ, dicht ge-
folgt von 381 G. Mit großem Abstand (etwa Faktor 10 in der Nullviskosität) folgt 151
G. Die Kurven haben einen sehr ähnlichen Verlauf. Während die Typen 381 G und
stärker noch 151 G ein Newton’sches Plateau zeigen, kann bei PEEK 450 G das
Newton’sche Plateau im betrachteten Meßbereich bei T=360 °C noch nicht erreicht
werden, ein Einmünden deutet sich aber an.
- 140 -
Abb. 13.1: Viskositätsmessungen an PEEK mit dem Kegel-Platte-Rheometer
Abb. 13.2 zeigt die Viskositätsfunktion von PPS bei T=300°C im Vergleich zu PEEK
151 G bei T=360 °C. Die gewählten Meßtemperaturen im Rheometer entsprechen
typischen Verarbeitungstemperaturen im Schlauchreckverfahren und im Rheotens-
versuch.
Abb.13.2: Viskositätsmessung an PPS mit dem Kegel-Platte-Rheometer
10-3 10-2 10-1 100 101
103
104
105
PEEK 151 G
PEEK 381 G
PEEK 450 G
PEEKT=360 °C
Schergeschwindigkeit [s-1]
Sch
ervi
skos
ität η
[Pas
]
10-2 10-1 100 101
103
PEEK 151 GT=360 °C
PPS Fortron 0320C0T=300 °C
Schergeschwindigkeit [s-1]
Sch
ervi
skos
ität η
[Pas
]
- 141 -
PPS 0320C0 zeigt ebenfalls ein ausgeprägtes Newton’sches Plateau. Im Bereich
sehr kleiner Schergeschwindigkeiten (<0,05 s) und entsprechend langer Meßzeiten
ist ein Anstieg der Scherviskosität festzustellen. PPS ist bekanntermaßen thermisch
instabil. Es neigt zu Vernetzungsreaktionen („Curing“).
Eigene Messungen bei weiteren Temperaturen (PEEK: 380 und 400 °C, PPS: 320
und 340 °C) bestätigten die Gültigkeit des Zeit-Temperatur-Verschiebungsprinzips
und führten zu mittleren Fließaktivierungsenergien in Höhe von 42 kJ/mol für PEEK
381 G, 45 kJ/mol für PEEK 151 G und 450 G und 65 kJ/mol für PPS. In der Literatur
[MDS] wurden als Vergleichswerte für PEEK ca. 50 kJ/mol und für PPS ca. 19 kJ/mol
gefunden, wobei nicht angegeben ist, ob sich dieser Wert auf ein lineares oder ver-
zweigtes PPS bezieht.
Für Schmelzen von teilkristallinen Polymeren gilt die Arrhenius-Gleichung, aus der
als Zeit-Temperatur-Verschiebungsgesetz folgt:
������
−⋅
=0
0
11
3,2),(log
TTR
ETTa (Gl. 13.4)
mit:
a(T,T0)…..Verschiebungsfaktor zwischen den Temperaturen T und T0
T0.............Bezugstemperatur
E.............. Fließaktivierungsenergie
R..............allgemeine Gaskonstante
In einer sog. Arrhenius-Auftragung log a (T,T0) vs. (1/T-1/T0) liegen die Verschie-
bungsfaktoren bei Schmelzen von teilkristallinen Polymeren auf einer Geraden mit
der Steigung E/(2,3 R). Für PEEK wurde die Bezugstemperatur T0=360 °C gewählt,
für PPS T0=300 °C.
Es wurden folgende Verschiebungsfaktoren a(T,T0) ermittelt:
- 142 -
T=380 °C T=400 °C
PEEK 151 G 1,3 1,65
PEEK 381 G 1,28 1,6
PEEK 450 G 1,3 1,65
T=320 °C T=340 °C
PPS 0320C0 1,6 2,4
Tab. 13.1: Zeit-Temperatur-Verschiebungsfaktoren a(T,T0)
Da sich in einer Arrhenius-Auftragung durch zwei Meßpunkte trivialerweise immer
eine Gerade legen läßt, wurde auf die Darstellung verzichtet. Eingesetzt in Gl. 13.4
ergeben sich folgende Fließaktivierungsenergien:
PEEK 151 G 44,7 kJ/mol
PEEK 381 G 42,0 kJ/mol
PEEK 450 G 44,7 kJ/mol
PPS 0320C0 65,1 kJ/mol
Tab 13.2: Fließaktivierungsenergien E
- 143 -
In Abbildung 13.3 sind die mit dem Kegel-Platte-Rheometer gemessenen Kurvenab-
schnitte für PEEK 381 G zusammen mit den kapillarviskosimetrischen Kurven auf-
getragen.
Abb. 13.3: Scherviskosität von PEEK 381 G, gemessen mit unterschiedlichen Methoden
Die Kapillarviskosimeter-Kurven sind teils den Herstellerangaben [Vic,Vi2], teils ei-
ner Diplomarbeit von Weckesser [Wec] entnommen. Die Daten von Kegel-Platte-
und Kapillarviskosimeter passen angesichts der Verschiedenartigkeit der Meßme-
thoden recht gut zusammen.
Bei Betrachtung der anderen PEEK-Typen in Abb. 13.4 sind ähnliche Verhältnisse
zu finden wie bei PEEK 381 G. Um eine Berechnung des Relaxationszeitspektrums
über den gesamten Schergeschwindigkeitsbereich beider Viskosimeter zu ermögli-
chen, wurden jeweils die beiden Kurvenäste zu einer Gesamtkurve vereinigt. Die
Daten aus dem Kegel-Platte-Rheometer werden von der Gesamtkurve überdeckt.
10-3 10-2 10-1 100 101 102 103 104
102
103
104
PEEK 381 GT=360 °C
Kegel/Platte-Rheometer Kapillarrheometer [Wec] Literatur Victrex [Vic] Priv. Mitt. Victrex [Vi2]
Schergeschwindigkeit [s-1]
Sch
ervi
skos
ität η
[Pas
]
- 144 -
Abb. 13.4: Viskositätsfunktionen der PEEK-Typen
An die Viskositätsfunktionen wird die Gleichung 13.2 angepaßt, wobei acht Relaxa-
tionszeiten logarithmisch äquidistant über den Zeitbereich zwischen 10-4 und 103
Sekunden verteilt werden. Das Datendarstellungsprogramm Microcal Origin verfügt
über eine leistungsfähige Anpassungsroutine, die nach dem Levenberg-Marquardt-
Algorithmus [Mar,PFT,Nas] entsprechende Relaxationsstärken findet und das Er-
gebnis der Berechnung der anzupassenden Kurve zum Vergleich gegenüberstellt.
Bei richtiger Wahl der Relaxationszeiten wird in der ersten Iteration meist schon eine
sehr gute Anpassung erzielt. Weitere Schritte führen zur Minimierung des Fehler-
quadrats, so daß kein Unterschied zur Gesamtkurve zu erkennen ist. In Abb. 13.5
sind am Beispiel des PEEK 381 G die Gesamtkurve (vgl. Abb. 13.4) und die Kurven-
anpassung nach Gl. 13.2 gegenübergestellt.
10-3 10-2 10-1 100 101 102 103 104
102
103
104
105
Gesamtkurve Kegel/Platte-Rheometer Kapillarrheometer Literatur Victrex Priv. Mitt. Victrex
151 G
381 G
450 G
PEEK, T=360 °C
Schergeschwindigkeit [s-1]
Sch
ervi
skos
ität η
[Pas
]
- 145 -
10-3 10-2 10-1 100 101 102 103 104
102
103
104
105
Gesamtkurve Kurvenanpassung
.Schergeschwindigkeit γ [s-1]
Data: Master381_M381Model: user3 Chi^2 = 6714.90196R^2 = 0.99973 P1 736104.51197 ±620475.75874P2 215434.99896 ±113760.01083P3 73104.58684 ±11936.37844P4 20314.81327 ±1229.16145P5 4535.61222 ±125.45768P6 310.20736 ±13.04598P7 2.76518 ±1.59474P8 0.80815 ±0.23977
PEEK 381 G T=360 °C
Sch
ervi
skos
ität η
[Pas
]
Abb. 13.5: Viskositätsfunktion von 381 G (Gesamtkurve) und Kurvenanpassung nach Gl. 13.2
Die Anpassung ergab die in den folgenden Tabellen aufgeführten Relaxations-
zeitspektren für die drei PEEK-Typen.
381 G Relaxationszeiten Relaxationsstärkeni τi [s] gi [Pa]
1 0,0001 7361002 0,001 2154003 0,01 731004 0,1 203105 1 45366 10 310,27 100 2,7658 1000 0,8082
Tab. 13.3: Relaxationszeitspektrum von PEEK 381 G
- 146 -
450 G Relaxationszeiten Relaxationsstärkeni τi [s] gi [Pa]
1 0,0001 7218002 0,001 2666003 0,01 969704 0,1 295005 1 78826 10 12597 100 34,128 1000 1,655
Tab. 13.4: Relaxationszeitspektrum von PEEK 450 G
151 G Relaxationszeiten Relaxationsstärkeni τi [s] gi [Pa]
1 0,0001 5559002 0,001 1035003 0,01 306404 0,1 50755 1 164,86 10 4,877 100 0,4948 1000 0
Tab. 13.5: Relaxationszeitspektrum von PEEK 151 G
Die aus den Viskositätsfunktionen berechneten Relaxationszeitspektren können
überprüft werden, indem sie den im Kegel-Platte-Rheometer gemessenen dynami-
schen Modulanteile G’ und G“ gegenübergestellt werden.
Aus dem Relaxationszeitspektrum läßt sich die viskoelastische Antwort G‘(ω) und
G‘‘(ω) nach den folgenden Gleichungen zurückrechnen:
�⋅+
⋅⋅=i i
iigG
22
22
1'
τωτω (Gl. 13.5)
- 147 -
�⋅+
⋅⋅=i i
iigG
221"
τωτω (Gl. 13.6)
In den Abbildungen 13.6 und 13.7 sind die gemessenen frequenzabhängigen
Schubmoduln den mit den obigen Gleichungen berechneten gegenübergestellt. Die
gewonnenen Spektren beschreiben auch die Schubmodulkurven hervorragend, ins-
besondere die Kurve von G‘, die in die Berechnung der Viskosität in diesem Fre-
quenzbereich kaum eingeht, sondern von G‘‘ dominiert wird.
10-4 10-3 10-2 10-1 100 101 102
10-2
10-1
100
101
102
103
104
PEEK 450 GT=360 °C
Frequenz ω [s-1]
Mod
ulan
teile
G',G
'' [P
a]
G' G'' Berechnung
Abb. 13.6: Dynamische Moduln von PEEK 450 G
- 148 -
Abb. 13.7: Dynamische Moduln von PEEK 151 G
Die entsprechende Abbildung für PEEK 381 G ist im Anhang A-9 zu finden.
In der gleichen Weise wie bei PEEK läßt sich auch das Relaxationszeitspektrum für
PPS 0320C0 bestimmen. Viskositätsdaten des Herstellers, Fa. Ticona [Tic] im Be-
reich höherer Schergeschwindigkeiten wurden mit den eigenen Ergebnissen aus
dem Kegel-Platte-Rheometer zu einer gemeinsamen Viskositätsfunktion über den
Schergeschwindigkeitsbereich 0,01-2000 s-1 erstellt, die in Abb. 13.8 zu sehen ist.
10 -5 10 -4 10-3 10-2 10 -1 100 101 102
10 -7
10 -6
10 -5
10 -4
10 -3
10 -2
10 -1
100
101
102
103
104
105
PEEK 151 G
T=360 °C
G'
G"
BerechnungMo
du
lan
teile
G',G
'' [P
a]
Frequenz ω [s -1]
- 149 -
Abb. 13.8: Viskositätsfunktion von PPS
Im Bereich kleiner Schergeschwindigkeiten ist bei PPS kein Newton’sches Plateau,
sondern ein leichter Anstieg der Viskosität mit abnehmender Schergeschwindigkeit
zu erkennen.
Aus der Viskositätsfunktion kann analog zu PEEK nach Gl. 13.2 das Relaxations-
zeitspektrum berechnet werden. Das Ergebnis zeigt die folgende Tabelle:
Tab. 13.6: Relaxationszeitspektrum von PPS 0320C0
10-2 10-1 100 101 102 103 104
102
103
PPS 0320C0T=300 °C
Schergeschwindigkeit [s-1]
Sch
ervi
skos
ität η
[Pas
]
PPS Relaxationszeiten Relaxationsstärkeni τi [s] gi [Pa]
1 0,0001 1565002 0,001 1634003 0,01 578204 0,1 29985 1 11,196 10 07 100 08 1000 0
- 150 -
Die nach Gl. 13.5 und 13.6 aus dem Relaxationszeitspektrum berechneten komple-
xen Modulanteile G’(ω) und G“(ω) sind in Abb. 13.9 den Meßpunkten gegenüberge-
stellt.
10-5 10-4 10-3 10-2 10-1 100 101
10-5
10-4
10-3
10-2
10-1
100
101
102
103
Meßpunkte PPS Spektrum PPS
G'(ω)
G''(ω)
PPS Fortron 0320C0T=300 °C
Mod
uln
G',
G''
[Pa]
Frequenz ω [s-1]
Abb. 13.9: Dynamische Moduln von PPS
Die Meßpunkte des „Verlustmoduls“ G“ liegen über den gesamten Frequenzbereich
ohne große Abweichungen auf der durch das Spektrum berechneten Geraden. Un-
terhalb von 0,16 s-1 ist aber eine systematische Abweichung von G’ zu höheren
Werten hin zu erkennen. Dies ist vermutlich auf die Vernetzungsneigung („Curing“)
zurückzuführen, wobei plausibel erscheint, daß sich eine Vernetzung eher den Spei-
cher- als den Verlustanteil des Moduls beeinflußt.
13.2 Eigene Messung der Viskositätsfunktion und Berechnung des Relaxa-
tionszeitspektrums für LDPE
Analog zur in Kapitel 13.1 beschriebenen Methode wurde auch für LDPE 1840 H
zunächst die stationäre Scherviskositätsfunktion gemessen und daraus ein Relaxati-
onszeitspektrum bestimmt, welches mit den in der Literatur [PGL,Cam,Wag] gefun-
denen Daten verglichen wird.
- 151 -
Eigene Messungen mit dem Kegel-Platte-Rheometer sind in Abbildung 13.10 den
Meßwerten aus [PGL], den Viskositätsdaten aus der Kunststoff-Kennwertedatenbank
CAMPUS [Cam] und der aus dem existierenden Spektrum [Wag] berechneten Vis-
kositätsfunktion gegenübergestellt.
Abb. 13.10: Viskositätsdaten für LDPE 1840 H
Im Bereich kleiner Schergeschwindigkeiten (< 0,1 s-1) lieferten die eigenen Messun-
gen deutlich höhere Werte für die Scherviskosität als die Daten aus der Literatur
[PGL]. Demzufolge werden die eigenen Meßwerte in diesem Bereich nicht befriedi-
gend durch das bisherige Relaxationszeitspektrum beschrieben. Ein lediglich im Be-
reich langer Relaxationszeiten (τ ≥ 100 s) verändertes Spektrum paßt gut zu den
eigenen Messungen. Die aus diesem veränderten Spektrum berechnete Viskosi-
tätsfunktion ist ebenfalls in Abb. 13.10 zu sehen.
Die folgende Tabelle 13.7 zeigt die beiden Spektren (Originalspektrum [Wag] und
verändertes Spektrum) im Vergleich:
10-3 10-2 10-1 100 101 102 103
101
102
103
104
105
.Schergeschwindigkeit γ [s-1]
Eigene Messungen KPR Messungen [PGL] CAMPUS-Daten Spektrum [Wag] verändertes Spektrum
LDPE 1840 H150 °C
Sch
ervi
skos
ität η
[Pas
]
- 152 -
Tab. 13.7: Relaxationszeitspektrum von LDPE 1840 H
Die nach den Gleichungen 13.4 und 13.5 bestimmten dynamischen Moduln sind den
gemessenen in Abbildung 13.11 gegenübergestellt.
10-5 10-4 10-3 10-2 10-1 100 10110-1
100
101
102
103
104
Eigene Messung G' Eigene Messung G" Verändertes Spektrum Literatur-Spektrum
G''
G'
LDPE 1840 HT=150 °C
Sch
ubm
odul
n G
', G
'' [P
a]
Frequenz ω [Hz]
Abb. 13.11: Gemessene und berechnete Funktionen der dynamischen Modulanteile
Das aus der Literatur entnommene Spektrum [Wag] beschreibt also erwartungsge-
mäß die dynamischen Modulanteile ebensowenig wie die Viskositätsfunktion. Das
1840 H Relaxationszeiten
i τi [s] Literatur Verändert
1 0,0001 129000 1290002 0,001 94800 948003 0,01 58600 586004 0,1 26700 267005 1 9800 98006 10 1890 18907 100 180 5918 1000 1 46
Relaxationsstärken gi [Pa]
- 153 -
bei langen Relaxationszeiten veränderte Spektrum hingegen vermag sowohl den
Verlauf von G‘(ω) als auch von G“(ω) gut zu beschreiben.
Wie sich die Veränderung des Relaxationszeitspektrums auf die Modellierung von
Rheotenskurven auswirkt, zeigt Abb. 13.12. Im Vergleich zum Spektrum aus der Li-
teratur wird mit dem veränderten Relaxationszeitspektrum eine Rheotenskurve be-
rechnet, die bei größerer Abzugskraft verläuft, und zwar wächst die Differenz der
Kräfte mit zunehmender Abzugsgeschwindigkeit. Bei Verwendung eines etwas ge-
ringeren Vordehnungsfaktors kommt die modellierte Kurve auch mit dem veränder-
ten Spektrum mit den gemessenen Kurven zur Deckung.
Abb. 13.12: Modellierung gemessener Rheotenskurven mit dem Literaturspektrum und dem verän-
derten Spektrum
Daß die Veränderung des Relaxationszeitspektrums eine derart geringe Auswirkung
auf die modellierte Rheotenskurve hat, liegt daran, daß nur die Relaxationsstärken
bei langen Relaxationszeiten (τ7=100 s und τ8=1000 s) modifiziert werden mußten.
Die Verstreckung des Strangs geschieht aber innerhalb sehr viel kürzerer Zeiten
(ca. 0,1 bis 1 s), so daß die Relaxationsstärken bei langen Relaxationszeiten sich
nicht wesentlich auf die Materialfunktionen auswirken. Abb. 13.13 zeigt den Beitrag
0 50 100 150 200 2500
10
20
30
40
50
60LDPE 1840 HT=180 °CL/D=5/1,7S=10 mmv
0=38,3 mm/s
α=24β=0,022
Meßwerte Literaturspektrum mit ε
0=1,5
Verändertes Spektrum mit ε0=1,5
Verändertes Spektrum mit ε0=1,45
Abz
ugsk
raft
F [c
N]
Abzugsgeschwindigkeit v [mm/s]
- 154 -
der 7. und 8. Spektrallinie zur Modulfunktion (13.13 links) und zur Gedächtnisfunkti-
on (13.13 rechts) in Abhängigkeit von der Prozeßzeit.
Abb. 13.13: Zeitabhängigkeit der Anteile (relative Beiträge) der 7. und 8. Spektrallinie zur gesamten
Modulfunktion G(t) (links) bzw. zur gesamten Gedächtnisfunktion m(t) (rechts).
Im Zeitfenster, von dem der Rheotensversuch betroffen ist (t<1 s), trägt die Spektral-
linie 8 (τ8=1000 s) einen vernachlässigbar kleinen Anteil zur Modul- und Gedächt-
nisfunktion bei. Die Spektrallinie 7 hat nur nach der Veränderung (Erhöhung der
Relaxationsstärke von 180 auf 591 Pa) im relevanten Zeitfenster einen – wenn auch
bescheidenen – Anteil an der Modulfunktion (< 10 %). Dies erklärt, warum die Ver-
änderung des Relaxationszeitspektrums einen erkennbaren aber sehr geringen Ein-
fluß auf modellierte Rheotenskurven hat.
Fazit: Eigene Viskositätsmessungen mit dem Kegel-Platte-Rheometer an LDPE
1840 H zeigen im Bereich kleiner Schergeschwindigkeiten Unterschiede zu IUPAC I,
welche sich in einer Anhebung der Relaxationsstärken bei langen Relaxationszeiten
äußern. Diese Unterschiede im linear viskoelastischen Verhalten liegen nicht im
entsprechenden Zeitfenster, um sich auf die Modellierung der Rheotenskurve nen-
nenswert auswirken zu können.
10-4 10-3 10-2 10-1 100 101 102 103 104 105
0,0
0,2
0,4
0,6
0,8
1,0 7. Linie original 7. Linie verändert 8. Linie original 8. Linie verändert
Ant
eil d
er S
pekt
ralli
nie
am
Sch
ubm
odul
[-]
Zeit t [s]
10-4 10-3 10-2 10-1 100 101 102 103 104 105
0,0
0,2
0,4
0,6
0,8
1,0 7. Linie original 7. Linie verändert 8. Linie original 8. Linie verändert
Ant
eil d
er S
pekt
ralli
nie
an d
er G
edäc
htni
sfun
ktio
n [-
]
Zeit t [s]
- 155 -
13.3 Rheotenskurven von PEEK und PPS
Empirische Bestimmung einer Dämpfungsfunktion
Um Rheotensversuche an Schmelzen von PEEK und PPS modellieren zu können,
ist neben dem Relaxationszeitspektrum eine weitere Materialfunktion notwendig, die
Dämpfungsfunktion.
Rauschenberger und Laun [RaL] haben an LDPE gezeigt, daß die Modellierung von
Rheotenskurven mit PSM-Dämpfungsfunktionsparametern gelingt, die aus einer
gleichzeitigen Anpassung beider Parameter an Dehnviskositätsanlaufkurven stam-
men. Die Verwendung von PSM-Parametern aus Scherexperimenten führte zur Mo-
dellierung nicht realistischer Rheotenskurven.
Für Hochtemperaturthermoplaste steht –im Gegensatz zu LDPE– keine Methode zur
zeitabhängigen Messung der Dehnviskosität zur Verfügung, weil mit den gegenwär-
tig üblichen Dehnrheometer-Bauarten Messungen bei derartig hohen Temperaturen
nur eingeschränkt bzw. nicht möglich sind. Vom Meßprinzip her wäre eignet sich
zwar das Meißner’sche Dehnrheometer RME, aber aufgrund der enormen Handha-
bungsprobleme blieben Experimente [MeH] mit Hochtemperaturthermoplasten Po-
lyethersulfon (PES) ein Einzelfall. Mit dem Dehnrheometer nach Münstedt können
Hochtemperaturthermoplaste wie PEEK und PPS nicht vermessen werden, weil die
verfügbaren Öle, die zur Temperierung und zum Gravitationsausgleich verwendet
werden, nicht ausreichend temperaturstabil sind. Bei Messungen mit PPS und PEEK
151 G sind zudem wegen der geringen Schmelzeelastizität vermutlich Probleme mit
der Homogenität der Deformation zu erwarten. Das Material wird sich im Bereich der
Einspannungen vermutlich stärker verformen als im Zentrum. Die Folge ist der Abriß
an den Klemmen, während dazwischen weitgehend undeformierte Schmelze übrig
bleibt.
Die Dämpfungsfunktion hat auf die Form („Durchbiegung“) einer Rheotenskurve ei-
nen so starken Einfluß (vgl. Kap. 9.4.2), daß nur wenige PSM-Parametersätze die
gemessenen Kurvenformen beschreiben können. Weite Bereiche von α und β liefern
bei Einsetzen in das Berechnungsprogramm völlig andere Kurvenformen als die aus
- 156 -
den Experimenten gewonnenen, so daß der Bereich sinnvoller PSM-
Dämpfungsparameter auf empirische Weise sehr stark eingegrenzt werden kann.
Ein Beweis für die Gültigkeit eines Dämpfungsparametersatzes kann ohne Dehnvis-
kositätsanlaufkurven nicht erbracht werden.
Abb. 13.14 zeigt Modellierungsversuche mit unterschiedlichen PSM-Dämpfungs-
parametern im Vergleich zu gemessenen Rheotenskurven.
Abb. 13.14: Modellierungsversuche mit unterschiedlichen PSM-Dämpfungsparametern im Vergleich
zu gemessenen Rheotenskurven
Unter Berücksichtigung der Erfahrungen aus Kap. 9.4 zeigt sich, daß z.B. Kurven mit
α=8 im Vergleich zu den Meßwerten bei deutlich zu hohen Kräften verlaufen. Wenn
man versucht, durch die Wahl eines entsprechend großen Wertes für β gegenzu-
steuern (hier β=0,12), erhält man eine Kurve, die im Bereich kleiner Abzugsge-
schwindigkeiten bei zu hohen Kräften verläuft. Die Verwendung von α=2 liefert eine
Kurve, die generell bei kleineren Kräften als die Meßkurve verläuft. Die Wahl eines
kleineren Wertes für β ändert daran nichts.
Eine brauchbare Modellierung gelingt, wenn α≈4,2 und β≈0,004 gewählt wird.
0 100 200 300 4000
5
10
15
20
25
α=2 β=0,004
α=8 β=0,12
α=8 β=0,004
α=4,2 β=0,004
PEEK 381 GT=360 °Cv
0=38,3 mm/s
L/D=5/1,7S=10 mmε
0=1,3
Abz
ugsk
raft
F [c
N]
Abzugsgeschwindigkeit v [mm/s]
- 157 -
Allen Berechnungen liegt der gleiche Vordehnungsfaktor ε0 zugrunde. Er wurde be-
stimmt durch Modellierung des Beginnpunktes der Kurve, also bei F=0 im linear vis-
koelastischen Bereich, in dem die Dämpfungsfunktion keine Rolle spielt.
Einen Beleg für die Anwendbarkeit der empirisch bestimmten Dämpfungsparameter
erhält man durch die Modellierung gemessener Rheotenskurven bei Variation der
Abzugslänge, die in Abb. 13.15 gezeigt ist. Wenn für mehrere unterschiedliche
Rheotenskurven mit derselben Dämpfungsfunktion die Kurvenform in der Modellie-
rung richtig wiedergegeben werden kann, ergibt sich ein stimmiges Bild.
Analog zur Modellierung der Rheotenskurven von LDPE (vgl. Abb. 9.19) liegen mit
zunehmender Abzugslänge geringer werdende Vordehnungsfaktoren zugrunde. Mit
dem empirisch gewählten PSM-Parametersatz α= 4,2 und β=0,004 wurde die Kur-
venform der gemessenen Rheotenskurven gut getroffen.
0 100 200 300 400 500 600 7000
5
10
15
20
25 α=4,2β=0,004
S=80 mm, ε0=0,8
S=20 mm, ε0=1,15
S=10 mm, ε0=1,3
PEEK 381 GT=360 °Cv
0=38,3 mm/s
L/D=5/1,7
Abz
ugsk
raft
F [c
N]
Abzugsgeschwindigkeit v [mm/s]
S=40 mmε
0=1,0
Abb. 13.15: Modellierung gemessener Rheotenskurven mit empirisch ermittelter Dämpfungsfunktion
Für PEEK 450 G ergibt sich ein ganz ähnliches Bild. Abbildung 13.16 zeigt wieder-
um die gemessenen Rheotenskurven für vier verschiedene Abzugslängen im Ver-
gleich zu den berechneten Kurven. Mit dem Relaxationszeitspektrum für PEEK 450
G und den bei F=0 bestimmten Werten für ε0 konnte eine Dämpfungsfunktion empi-
risch ermittelt werden, die die gemessene Kurvenform gut beschreibt. Es wurden die
- 158 -
PSM-Dämpfungsparameter α=3,6 und β=0,001 verwendet. Der Unterschied zu den
bei PEEK 450 G verwendeten PSM-Parametern ist als gering im Vergleich zum Un-
terschied zwischen PEEK und LDPE zu betrachten.
0 100 200 300 400 5000
5
10
15
20
25
30
S=40 mmε
0=1,0
S=80 mmε
0=0,8
S=20 mmε
0=1,15
S=10 mmε
0=1,3
α=3,6β=0,001
PEEK 450 GT=360 °Cv
0=38,3 mm/s
L/D=5/1,7
Abz
ugsk
raft
F [c
N]
Abzugsgeschwindigkeit v [mm/s]
Abb. 13.16: Modellierung der gemessenen Rheotenskurven für PEEK 450 G
PEEK 151 G ist einer sinnvollen Rheotens-Messung nur eingeschränkt zugänglich.
Seine geringe Schmelzeelastizität und Schmelzefestigkeit führen in Verbindung mit
hoher Neigung zur Anhaftung an die Rheotens-Abzugsrollen zu experimentellen
Schwierigkeiten. Dies beinhaltet auch eine sehr schlechte Reproduzierbarkeit, wie
bei der Abzugslänge S=20 mm zu erkennen ist. Zwecks Übersichtlichkeit der Dar-
stellung wurden die fünf Wiederholungskurven nur für die Abzugslänge S=20 mm
aufgeführt und für die anderen Abzugslängen repräsentative Meßkurven dargestellt.
Die Modellrechnungen mit dem Relaxationszeitspektrum des PEEK 151 G und dem
Dämpfungsparameterpaar α=4,2 und β=0,004 sind den Messungen in der Abb.
13.17 gegenübergestellt. Aufgrund der experimentell bedingten starken Streuung
der Meßkurven gestaltet eine empirische Bestimmung der PSM-Parameter eigens
für PEEK 151 G schwierig.
- 159 -
Abb. 13.17: Modellierung gemessener Rheotenskurven mit PEEK 151 G
In gleicher Weise lassen sich auch für PPS mit dem ermittelten Relaxations-
zeitspektrum Rheotenskurven berechnen, wobei zunächst mit den PSM-Parametern
α=4,2 und β=0,004 gerechnet wurde. Abb. 13.18 zeigt diese Berechnungen im Ver-
gleich zu den gemessenen Kurven. Wie beim PEEK 151 G sind die Kurven wegen
der geringen Elastizität und der starken Haftneigung großen Schwankungen und
Meßungenauigkeiten unterworfen, was die empirische Abschätzung einer Dämp-
fungsfunktion stark unsicher macht.
Bemerkenswert ist, daß mit einem extrem kleinen Vordehnfaktor (ε0=0 oder 0,1) ge-
rechnet werden mußte, weil sonst der Anfangsgeschwindigkeit nicht erreicht würde.
PPS besitzt ein vergleichsweise geringes stationäres Rückstellvermögen und damit
geringe Schmelzeelastizität und zeigt bei der Extrusion kaum Strangaufweitung.
0 100 200 300 400 500 600 700 8000
1
2
3
4
5
6
α=4,2β=0,004
PEEK 151 GT=360 °Cv
0=38,3 mm/s
L/D=5/1,7
S=80 mmε0=0,8
S=40 mmε0=1,0
S=20 mmε0=1,15
S=10 mmε0=1,3
Abz
ugsk
raft
F [c
N]
Abzugsgeschwindigkeit v [mm/s]
- 160 -
Abb. 13.18: Versuch der Modellierung gemessener Rheotenskurven von PPS
Mit der Dämpfungsfunktion α=4,2 und β=0,004 werden Kurven (schwache Linien in
Abb. 13.18) berechnet, die bei höheren Kraftwerten verlaufen als die Meßkurven.
Bessere Übereinstimmung wird mit dem ebenfalls empirisch ermittelten Parameter-
satz α=3,1 und β=0,1 erzielt. Dieser hat den Nachteil, daß mit dem Modellierungs-
programm nur relativ kurze Kurvenzüge berechnet werden können bevor die Ele-
mentlängen gegen unendlich laufen. Daß die Meßkurve für S=80 mm relativ schlecht
beschrieben wird, hängt mit der Verstreckung des Stranges durch sein Eigengewicht
zusammen, das sich bei dieser Abzugslänge bereits sehr stark auswirkt.
Mit den empirisch gewonnenen PSM-Parametern läßt auch für die betrachteten
Hochtemperatur-Polymere sich nach Gl. 8.17 sehr einfach eine Dämpfungsfunktion
he(ε) berechnen, die wiederum in Gl. 9.3 eingesetzt zusammen mit dem gewonnenen
Relaxationszeitspektrum die Berechnung einer Dehnviskositätsanlaufkurve ermög-
licht. Da die Dämpfungsparameter aber nicht durch weitere Experimente abgesichert
sind, wird auf eine Darstellung verzichtet.
0 100 200 300 400 500 600 700 800 900 1000 1100 12000
1
2
3
4
S=80 mm
S=40 mm
S=20 mm
S=10 mm
α=4,2 β=0,004 α=3,1 β=0,1
PPS 0320C0T=300 °Cv0=38,3 mm/sL/D=5/1,7ε0=0
Abz
ugsk
raft
F [c
N]
Abzugsgeschwindigkeit v [mm/s]
- 161 -
13.4 Verlauf der Deformationsgrößen für PEEK und PPS
Aus den Rheotenskurven (Abbildungen 13.15-13.18) lassen sich die Abzugskräfte
ablesen, die im Schlauchreckprozeß für eine 50 µm-Beschichtung eines Drahts des
Durchmessers 1,4 mm bei der vorgegebenen Standard-Abzugsgeschwindigkeit von
v=20 m/min (=333 mm/s) und der Abzugslänge S=10 mm auftreten. Dieser Punkt
wird allerdings nur von den PEEK-Typen 381 G und 151 G sowie bei PPS erreicht,
während PEEK 450 G bei etwa 300 mm/s reißt (vgl. Abb. 13.16).
Bei der zu dieser konstanten Abzugsgeschwindigkeit gehörenden Abzugskraft wurde
der Verlauf des Verstreckvorgangs modelliert. Aus dem Verlauf der Strangge-
schwindigkeit folgen durch einfache mathematische Beziehungen die Hencky-
Dehnung, die Hencky-Dehngeschwindigkeit, die Beschleunigung, der Filamentquer-
schnitt und die Zugspannung, deren Berechnungen für die einzelnen Polymere in
den folgenden Abbildung gegen die Entfernung von der Düse aufgetragen ist. Die
Abzugskräfte betragen 20,4 cN für PEEK 381 G, 4,6 cN für PEEK 151 G und 3,4 cN
für PPS 0320C0 (vgl. Abb. 13.15 bis 13.18).
Abb. 13.19 zeigt ein weitgehend uniformes Verstreckungsverhalten von PEEK und
PPS. Die S-Form der Geschwindigkeitsentwicklung bei LDPE ist hier einer Bogen-
form gewichen.
Abb. 13.19: Geschwindigkeitsentwicklung von PEEK und PPS im Standard-Schlauchreckprozeß
0 2 4 6 8 100
50
100
150
200
250
300T=360 (300) °C
S=10 mm
v0=38,3 mm/s
L/D=5/1,7
F=20,4 cN
F=4,6 cN
F=3,4 cN
Düsenentfernung [mm]
Str
an
gg
esc
hw
ind
igke
it v
[mm
/s]
PEEK 381 G
PEEK 151 G
PPS 0320C0
- 162 -
Die aus dem Geschwindigkeitsverlauf berechenbare Hencky-Dehnung ist in Abb.
13.20 wiedergegeben. Sie wächst nahezu linear mit der Entfernung von der Düse
an.
Abb. 13.20: Zunahme der Hencky-Dehnung im Standard-Schlauchreckprozeß mit PEEK und PPS
Abb. 13.21 zeigt die zeitliche Ableitung der Dehnung, die Hencky-Dehn-
geschwindigkeit, für die drei untersuchten Hochtemperaturthermoplaste.
0 2 4 6 8 100,0
0,5
1,0
1,5
2,0T=360 (300) °CS=10 mmv
0=38,3 mm/s
L/D=5/1,7
F=20,4 cNF=4,6 cNF=3,4 cN
PEEK 381 G PEEK 151 G PPS 0320C0
Düsenentfernung [mm]
Hen
cky-
Deh
nung
εH
- 163 -
Abb.13.21: Hencky-Dehngeschwindigkeit
Zu Beginn des Verstreckvorgangs nimmt die Dehngeschwindigkeit ähnlich wie bei
LDPE einen relativ hohen Wert von über 80 s-1 an, durchläuft ein Minimum bei 10 s-1
und steigt bis zum Erreichen des Verstreckendes wieder auf 80-90 s-1 an. PEEK 381
G erreicht das Minimum in der Dehngeschwindigkeit unmittelbar nach Verlassen der
Düse, während PEEK 151 G und PPS erst nach etwa 0,5 mm das Minimum durch-
laufen. Die Faustformel (Gl. 11.1) berechnet um ca. 10 s-1 geringere Dehn-
geschwindigkeiten als die Modellierung.
In Abbildung 13.22 ist die Entwicklung der Schmelzebeschleunigung zu sehen. Sie
nimmt einen Endwert von 25 bis 30 m/s2 an der Stelle S=10 mm an, an der im realen
Versuch entweder der Draht oder die Abzugswalzen des Rheotens erreicht sind.
0 2 4 6 8 100
20
40
60
80
100
Modellierung
Faust-formel
F=20,4 cNF=4,6 cNF=3,4 cN
PEEK 381 G PEEK 151 G PPS 0320C0
T=360 (300) °CS=10 mmv
0=38,3 mm/s
L/D=5/1,7
Düsenentfernung [mm]
.H
enck
y-D
ehng
esch
win
digk
eit ε
[s-1]
- 164 -
Abb. 13.22: Beschleunigungsentwicklung
Division der Abzugskraft für das jeweilige Polymer bei der Geschwindigkeit 333
mm/s durch den Verlauf der Querschnittsfläche führt auf die herrschende Zugspan-
nung in der Schmelze. Die Ergebnisse sind in Abb. 13.23 dargestellt. Bei der Ab-
zugsgeschwindigkeit v=20 m/min=333 mm/s wirkt in der Schmelze des PEEK 381 G
die höchste Zugspannung, weil bei ähnlichem Geschwindigkeits- und damit Quer-
schnittsverlauf die höchste Abzugskraft gemessen wurde. Ihr Spitzenwert liegt bei
etwa 0,8 MPa, der von PEEK 151 G bei 0,18 MPa, und in der PPS-Schmelze steigt
die Zugspannung bis auf 0,12 MPa.
0 2 4 6 8 10
0
10000
20000
30000
F=20,4 cN
F=4,6 cN
F=3,4 cN
T=360 (300) °C
S=10 mm
v0=38,3 mm/s
L/D=5/1,7
PEEK 381 G
PEEK 151 G
PPS 0320C0
Düsenentfernung [mm]
Be
sch
leu
nig
un
g a
[m
m/s
2]
- 165 -
Abb. 13.23: Anstieg der Zugspannung
Schließlich führt die Berechnung des Geschwindigkeitsverlaufs auch auf die Kontur
des Vollstrangs, der zum Reckkegel in der Schlauchreckbeschichtung äquivalent ist.
Da sich der Verstreckprozeß bei den betrachteten Schmelzen kaum unterscheidet,
ist auch die Gestalt des Strangs nahezu identisch. Abb. 13.24 zeigt den Verlauf der
Strangradien in Abhängigkeit von der Entfernung zur Düse in vergrößertem Maß-
stab.
0 2 4 6 8 10
0.0
0.2
0.4
0.6
0.8
1.0
F=20,4 cN
F=4,6 cN
F=3,4 cN
PEEK 381 G
PEEK 151 G
PPS 0320C0
T=360 (300) °C
S=10 mm
v0=38,3 mm/s
L/D=5/1,7
Düsenentfernung [mm]
Zu
gsp
an
nu
ng
σ [
MP
a]
- 166 -
Abb. 13.24: Filamentkontur des dem Standard-Schlauchreckprozeß äquivalenten Rheotens-Versuchs
Fazit: Das am Beispiel des LDPE demonstrierte Modellierungsverfahren [RaL] kann
auf die Hochtemperatur-Thermoplaste PEEK und PPS übertragen werden, sofern
das Relaxationszeitspektrum und die Dämpfungsfunktion bekannt sind. Das Relaxa-
tionszeitspektrum kann durch eine einfache Anpassung an die Scherviskositätsfunk-
tion gewonnen werden, wobei der Meßbereich des Kegel-Platte-Rheometers bereits
ausreicht. Für die Bestimmung einer Dämpfungsfunktion sind Dehnviskositäts-An-
laufkurven notwendig, die bei Hochtemperatur-Thermoplasten gegenwärtig einer
Messung nicht zugänglich sind. Durch den Vergleich mit der Kurvenform gemesse-
ner Rheotenskurven können jedoch PSM-Parameter für die Dämpfungsfunktion we-
gen ihrer starken Auswirkungen auf die Kurvenform empirisch bestimmt werden. Die
damit berechneten Deformationsverläufe führen zu sinnvollen Ergebnissen.
10
8
6
4
2
0
-0.8 -0.6 -0.4 -0.2 0.0 0.2 0.4 0.6 0.8
F=20,4 cN
F=4,6 cN
F=3,4 cN
PEEK 381 G
PEEK 151 G
PPS 0320C0
T=360 (300) °C
S=10 mm
v0=38,3 mm/s
L/D=5/1,7
Dü
sen
en
tfe
rnu
ng
[m
m]
Radius r [mm]