(130 Flipped Classroom: Der Unterricht wird auf den Kopf ... · Somit zählt der Flipped Classroom...

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© wissensdialoge.de | Bitte zitieren als: Behringer, N. (2014). Flipped Classroom: Der Unterricht wird auf den Kopf gestellt. wissens.blitz (130). http://www.wissensdialoge.de/flipped_classroom Dipl.-Psych. Nicole Behringer Schreibt auf wissensdialoge.de zu den Themen Enterprise 2.0 und Social Learning. Flipped Classroom: Der Unterricht wird auf den Kopf gestellt Alleine lernen, gemeinsam üben und vertiefen: Bei diesem Blended Learning Ansatz werden die Lernphasen vertauscht, um Aktivität und Partizipation der Lernenden zu fördern. Wenn wir uns an Unterrichtsstunden der eigenen Schulzeit oder Vorlesungen im Studium zurückerinnern, haben die meisten wahrscheinlich ein ähnliches Bild im Kopf: Der Lehrende steht vorne und referiert monolog- artig über ein Thema, während die SchülerInnen oder Studierenden (mehr oder weniger gut) zuhören. Ließe sich diese wertvolle gemeinsame Zeit zwischen Lehrenden und Lernenden nicht viel sinnvoller nutzen, als für einseitige Wissensvermittlung mittels Frontal- unterricht? Der Flipped Classroom bietet Anworten auf diese Frage. Umgedrehter Unterricht Bei der Methode des Flipped Classroom (oder auch Inverted Classroom) wird der klassische Unterricht „umgedreht“ (engl. „to flip something“): Die Inhalte, die vorher im Unterricht vermittelt wurden, werden nun mit Hilfe digitaler Medien zu Hause erlernt (Bergmann & Sams, 2012). Die daran anknüpfende vertiefende Ausei- nandersetzung mit dem Lernstoff findet nicht mehr allein zu Hause, sondern im Präsenzunterricht statt (sie- he Abbildung). Somit zählt der Flipped Classroom als Kombination aus Online-Lernphase und Präsenzlernphase zu den Blen- ded Learning Formen (siehe wissensblitz Nr. 4 und 10). Flexibles Lernen von zu Hause Der umgedrehte Unterricht basiert auf der Grundidee, dass für die Vermittlungs- und Rezeptionssituation kein gemeinsamer Ort erforderlich ist. Die Inputphase wird nach Hause verlagert, wo die Lernenden sich mit Hilfe von Online-Material (zum Beispiel Videos, die über YouTube bereitgestellt werden) auf den gemeinsamen Unterricht vorbereiten. Damit wird ein flexibles Lernen unabhängig von Ort und Zeit möglich. Jeder bestimmt selbst, wann und wo er lernt. Dabei können die Inhalte im eigenen Tempo erarbeitet werden: Die Lernenden können sich die Videos in Ruhe ansehen und, wenn etwas nicht verstanden oder vergessen wurde, die Se- quenz erneut anschauen. Wertschätzung der Präsenzzeit Durch die Auslagerung der Inputphase aus dem Hörsaal, Klassenzimmer oder Seminarraum kann die wertvolle gemeinsame Präsenzzeit sinnvoller für gemeinsame Diskussionen und Fragen genutzt werden. Die Lernenden können das Wissen, das sie zu Hause erworben haben, anwenden und vertiefen. Beim traditionellen Unterricht würde dies allein zu Hause in Form von Hausaufgaben erfolgen. Beim Flipped Classroom können die Lernen- den sich untereinander besser austauschen und disku- tieren und haben die Möglichkeit, den Unterricht aktiv mitzugestalten. Gleichzeitig kann der Lehrende intensi- ver auf die Bedürfnisse und Wünsche des Einzelnen eingehen. Dem entgegen steht einzig der einmalige Aufwand, das Online Material zu erstellen. Flipped Classroom als Schlüsseltrend Bekannt wurde das Konzept des Flipped Classroom im Kontext von Hochschullehre (Spannagel, 2012). Aber auch für den Schulunterricht wurde das Konzept bereits erfolgreich in den Fächern Chemie, Physik und Mathematik eingesetzt. Im Horizon Report 2014 (Johnson et al., 2014) wird der Flipped Classroom sogar als Schlüsseltrend identifiziert, der im kommenden Jahr einen großen Einfluss auf den Bildungsbereich ausüben wird. Fazit: Richtig eingesetzt kann die Methode des Flipped Classroom dazu beitragen, die vorhandene Lernzeit intensiver zu nutzen und den Lernprozess gezielter zu begleiten. Literatur: Bergmann, J. & Sams, A. (2012). Flip your classroom. Reach every student in every class every day. Eugene, Oregon: ISTE. Johnson, L., Adams Becker, S., Estrada, V., & Freeman, A. (2014). NMC Horizon Report: 2014 Higher Education Edition. Austin, Texas: The New Media Consortium. Spannagel, C. (2012). Selbstverantwortliches Lernen in der umgedrehten Mathematikvorlesung. In J. Handke & A. Sperl (Hrsg.) Das Inverted Classroom Model. Begleitband zur ersten deutschen ICM Konferenz (S. 73-81). München: Oldenbourg Verlag. wissens.blitz (130) wissensdialoge.de

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© wissensdialoge.de | Bitte zitieren als: Behringer, N. (2014). Flipped Classroom: Der Unterricht wird auf den Kopf gestellt. wissens.blitz (130).

http://www.wissensdialoge.de/flipped_classroom

Dipl.-Psych. Nicole Behringer

Schreibt auf wissensdialoge.de zu den Themen

Enterprise 2.0 und Social Learning.

Flipped Classroom: Der Unterricht wird auf

den Kopf gestellt

Alleine lernen, gemeinsam üben und vertiefen: Bei diesem Blended Learning Ansatz werden die Lernphasen vertauscht, um Aktivität und Partizipation der Lernenden zu fördern.

Wenn wir uns an Unterrichtsstunden der eigenen

Schulzeit oder Vorlesungen im Studium zurückerinnern,

haben die meisten wahrscheinlich ein ähnliches Bild im

Kopf: Der Lehrende steht vorne und referiert monolog-

artig über ein Thema, während die SchülerInnen oder

Studierenden (mehr oder weniger gut) zuhören. Ließe

sich diese wertvolle gemeinsame Zeit zwischen

Lehrenden und Lernenden nicht viel sinnvoller nutzen,

als für einseitige Wissensvermittlung mittels Frontal-

unterricht? Der Flipped Classroom bietet Anworten auf

diese Frage.

Umgedrehter Unterricht

Bei der Methode des Flipped Classroom (oder auch

Inverted Classroom) wird der klassische Unterricht

„umgedreht“ (engl. „to flip something“): Die Inhalte, die

vorher im Unterricht vermittelt wurden, werden nun mit

Hilfe digitaler Medien zu Hause erlernt (Bergmann &

Sams, 2012). Die daran anknüpfende vertiefende Ausei-

nandersetzung mit dem Lernstoff findet nicht mehr

allein zu Hause, sondern im Präsenzunterricht statt (sie-

he Abbildung).

Somit zählt der Flipped Classroom als Kombination aus

Online-Lernphase und Präsenzlernphase zu den Blen-

ded Learning Formen (siehe wissensblitz Nr. 4 und 10).

Flexibles Lernen von zu Hause

Der umgedrehte Unterricht basiert auf der Grundidee,

dass für die Vermittlungs- und Rezeptionssituation kein

gemeinsamer Ort erforderlich ist. Die Inputphase wird

nach Hause verlagert, wo die Lernenden sich mit Hilfe

von Online-Material (zum Beispiel Videos, die über

YouTube bereitgestellt werden) auf den gemeinsamen

Unterricht vorbereiten. Damit wird ein flexibles Lernen

unabhängig von Ort und Zeit möglich. Jeder bestimmt

selbst, wann und wo er lernt. Dabei können die Inhalte

im eigenen Tempo erarbeitet werden: Die Lernenden

können sich die Videos in Ruhe ansehen und, wenn

etwas nicht verstanden oder vergessen wurde, die Se-

quenz erneut anschauen.

Wertschätzung der Präsenzzeit

Durch die Auslagerung der Inputphase aus dem Hörsaal,

Klassenzimmer oder Seminarraum kann die wertvolle

gemeinsame Präsenzzeit sinnvoller für gemeinsame

Diskussionen und Fragen genutzt werden. Die Lernenden

können das Wissen, das sie zu Hause erworben haben,

anwenden und vertiefen. Beim traditionellen Unterricht

würde dies allein zu Hause in Form von Hausaufgaben

erfolgen. Beim Flipped Classroom können die Lernen-

den sich untereinander besser austauschen und disku-

tieren und haben die Möglichkeit, den Unterricht aktiv

mitzugestalten. Gleichzeitig kann der Lehrende intensi-

ver auf die Bedürfnisse und Wünsche des Einzelnen

eingehen. Dem entgegen steht einzig der einmalige

Aufwand, das Online Material zu erstellen.

Flipped Classroom als Schlüsseltrend

Bekannt wurde das Konzept des Flipped Classroom im

Kontext von Hochschullehre (Spannagel, 2012). Aber

auch für den Schulunterricht wurde das Konzept bereits

erfolgreich in den Fächern Chemie, Physik und

Mathematik eingesetzt. Im Horizon Report 2014

(Johnson et al., 2014) wird der Flipped Classroom sogar

als Schlüsseltrend identifiziert, der im kommenden Jahr

einen großen Einfluss auf den Bildungsbereich ausüben

wird.

Fazit: Richtig eingesetzt kann die Methode des Flipped

Classroom dazu beitragen, die vorhandene Lernzeit

intensiver zu nutzen und den Lernprozess gezielter zu

begleiten.

Literatur:

Bergmann, J. & Sams, A. (2012). Flip your classroom. Reach every

student in every class every day. Eugene, Oregon: ISTE.

Johnson, L., Adams Becker, S., Estrada, V., & Freeman, A. (2014). NMC

Horizon Report: 2014 Higher Education Edition. Austin, Texas: The

New Media Consortium.

Spannagel, C. (2012). Selbstverantwortliches Lernen in der

umgedrehten Mathematikvorlesung. In J. Handke & A. Sperl (Hrsg.)

Das Inverted Classroom Model. Begleitband zur ersten deutschen ICM

Konferenz (S. 73-81). München: Oldenbourg Verlag.

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