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732 Lebenssituationen Einzelne Syndrome Im Folgenden werden einige Syndrome in ihrer Ursache, ihren Merkmalen und den Besonderheiten bei der heilerziehungspflegerischen Begleitung dargestellt. Dabei werden die für das jeweilige Syndrom typischen Merkmale benannt, die so aber nicht bei allen Betroffenen vorliegen. Wichtig ist auch, Menschen mit einer syndromalen Veränderung nicht nur über ihre typischen Merkmale wahrzunehmen. Den Anfang machen häufige Syndrome, gefolgt von selteneren Syndromen, die ein besonders mar- kantes Bild aufweisen oder an denen beispielhaft Besonderheiten dargestellt werden können. Bei der Vielzahl an verschiedenen Syndromen ist dies eine kleine Auswahl, bei speziellen Fragen zu einzelnen Syndromen oder in der Begleitung von Eltern sind die jeweiligen Selbsthilfegruppen eine gute Anlaufstelle. Darüber hinaus gibt es auch Bücher, z. B. das des Psychologieprofessors Klaus Sarimski, die auf Verhaltensbeson- derheiten bei speziellen Syndromen eingehen. Fetales Alkoholsyndrom Ursache Ein fetales Alkoholsyndrom (FAS) entsteht, wenn eine Frau während der Schwanger- schaft Alkohol zu sich nimmt. Das Syndrom ist sehr variabel und korreliert in seiner Ausprägung nicht mit dem Ausmaß des Alkoholkonsums. Auch der Zeitpunkt des übermäßigen Alkoholkonsums spielt für Art und Ausprägung der Veränderungen ei- ne Rolle. Besonders große Schädigungen sind bei einer Alkoholabhängigkeit der Mut- ter, Trinkexzessen und Alkoholkonsum in den ersten drei Monaten zu erwarten. Inzwi- schen ist klar, dass es nicht möglich ist, einen Grenzwert für einen sicher unschädlichen Alkoholkonsum in der Schwangerschaft festzulegen. Die Diagnosestellung kann schwer sein, auch weil Schwangere meist nicht genau angeben (können), wie viel Al- kohol sie getrunken haben. Man geht von einer Häufigkeit von etwa 1 : 365 Neugebo- renen aus, wobei die Zahlen in der Literatur wegen der Schwierigkeit der Diagnose bei leichten Formen sehr schwanken. Merkmale des Syndroms Beim FAS kommt es zur Schädigung des Gehirns, einer Beeinträchtigung des Wachs- tums und klassischen Veränderungen des Aussehens. Diese sind durch abfallende Lidachsen, schmale Lippen und einen kleinen Kopf gekennzeichnet. In einem Drittel der Fälle liegen Herzfehler oder Fehlbildungen der Genitalorgane vor. Das Verhalten ist zumeist von emotionaler Instabilität, starker Unruhe und Erregbarkeit geprägt. Es kann eine Beeinträchtigung der Intelligenz vorliegen, die von einer leichten Lernbe- hinderung bis zu einer mittelgradigen geistigen Behinderung reichen kann. Heilerziehungspflegerische Begleitung Für die Begleitung von Menschen mit fetalem Alkoholsyndrom ist es wesentlich, klare Strukturen zu schaffen und eine Reizüberflutung zu vermeiden. Daneben ist eine umfassende Förderung der Entwicklung wichtig, um das Ausmaß der Beeinträchti- gung gering zu halten. Dafür ist es wichtig, Eltern und Sorgeberechtigte zu unterstüt- zen, z. B. mit einer sozialpädagogischen Familienhilfe, und zu stärken, da gerade die emotionale Instabilität und hohe Erregbarkeit eine große Herausforderung darstellen kann. Bei einer Alkoholkrankheit der Mutter oder beider Elternteile werden die Kinder auch häufig in Pflegefamilien oder vollstationären Einrichtungen betreut, was für die Kinder eine förderlichere Struktur bedeuten kann. 13.3 Selbsthilfegruppen stellen  in der Regel im Internet Infor- mationen bereit. 13.3.1 www.fasworld-ev.de Seiten des Vereins FASworld e. V. Deutschland [1] Fetales Alkoholsyndrom 9783064503045 Inhalt_S732 732 30.06.11 16:10

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Lebenssituationen

Einzelne Syndrome

Im Folgenden werden einige Syndrome in ihrer Ursache, ihren Merkmalen und den Besonderheiten bei der heilerziehungspflegerischen Begleitung dargestellt. Dabei werden die für das jeweilige Syndrom typischen Merkmale benannt, die so aber nicht bei allen Betroffenen vorliegen. Wichtig ist auch, Menschen mit einer syndromalen Veränderung nicht nur über ihre typischen Merkmale wahrzunehmen. Den Anfang machen häufige Syndrome, gefolgt von selteneren Syndromen, die ein besonders mar-kantes Bild aufweisen oder an denen beispielhaft Besonderheiten dargestellt werden können. Bei der Vielzahl an verschiedenen Syndromen ist dies eine kleine Auswahl, bei speziellen Fragen zu einzelnen Syndromen oder in der Begleitung von Eltern sind die jeweiligen Selbsthilfegruppen eine gute Anlaufstelle. Darüber hinaus gibt es auch Bücher, z. B. das des Psychologieprofessors Klaus Sarimski, die auf Verhaltensbeson-derheiten bei speziellen Syndromen eingehen.

Fetales Alkoholsyndrom

UrsacheEin fetales Alkoholsyndrom (FAS) entsteht, wenn eine Frau während der Schwanger-schaft Alkohol zu sich nimmt. Das Syndrom ist sehr variabel und korreliert in seiner Ausprägung nicht mit dem Ausmaß des Alkoholkonsums. Auch der Zeitpunkt des übermäßigen Alkoholkonsums spielt für Art und Ausprägung der Veränderungen ei-ne Rolle. Besonders große Schädigungen sind bei einer Alkoholabhängigkeit der Mut-ter, Trinkexzessen und Alkoholkonsum in den ersten drei Monaten zu erwarten. Inzwi-schen ist klar, dass es nicht möglich ist, einen Grenzwert für einen sicher unschädlichen Alkoholkonsum in der Schwangerschaft festzulegen. Die Diagnosestellung kann schwer sein, auch weil Schwangere meist nicht genau angeben (können), wie viel Al-kohol sie getrunken haben. Man geht von einer Häufigkeit von etwa 1 : 365 Neugebo-renen aus, wobei die Zahlen in der Literatur wegen der Schwierigkeit der Diagnose bei leichten Formen sehr schwanken.

Merkmale des SyndromsBeim FAS kommt es zur Schädigung des Gehirns, einer Beeinträchtigung des Wachs-tums und klassischen Veränderungen des Aussehens. Diese sind durch abfallende Lidachsen, schmale Lippen und einen kleinen Kopf gekennzeichnet. In einem Drittel der Fälle liegen Herzfehler oder Fehlbildungen der Genitalorgane vor. Das Verhalten ist zumeist von emotionaler Instabilität, starker Unruhe und Erregbarkeit geprägt. Es kann eine Beeinträchtigung der Intelligenz vorliegen, die von einer leichten Lernbe-hinderung bis zu einer mittelgradigen geistigen Behinderung reichen kann.

Heilerziehungspflegerische BegleitungFür die Begleitung von Menschen mit fetalem Alkoholsyndrom ist es wesentlich, klare Strukturen zu schaffen und eine Reizüberflutung zu vermeiden. Daneben ist eine umfassende Förderung der Entwicklung wichtig, um das Ausmaß der Beeinträchti-gung gering zu halten. Dafür ist es wichtig, Eltern und Sorgeberechtigte zu unterstüt-zen, z. B. mit einer sozialpädagogischen Familienhilfe, und zu stärken, da gerade die emotionale Instabilität und hohe Erregbarkeit eine große Herausforderung darstellen kann. Bei einer Alkoholkrankheit der Mutter oder beider Elternteile werden die Kinder auch häufig in Pflegefamilien oder vollstationären Einrichtungen betreut, was für die Kinder eine förderlichere Struktur bedeuten kann.

13.3

  Selbsthilfegruppen stellen in der Regel im Internet Infor-mationen bereit.

13.3.1

www.fasworld-ev.deSeiten des Vereins FASworld

e. V. Deutschland

[1] Fetales Alkoholsyndrom

9783064503045 Inhalt_S732 732 30.06.11 16:10

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IV  Phänomenbezogen begleiten und unterstützen 13Das Leben von Erwachsenen mit FAS weist eine große Bandbreite auf und hängt vom Ausmaß der Beeinträchtigung ab. Menschen mit einer Lernbehinderung haben die Möglichkeit, ein selbstständiges und selbstbestimmtes Leben ohne spezifische Unter-stützung zu führen. Andere sind stärker beeinträchtigt und auf umfassende Unterstüt-zung angewiesen. Ähnlich stellt sich dies auch für die organischen Fehlbildungen dar. Über die Lebensspanne sind die Verhaltensprobleme häufig im Kindes- und Jugend-alter besonders ausgeprägt, nach der Adoleszenz nehmen sie oft ab. Es bleibt in vielen Fällen eine leichte Irritierbarkeit, die nach klaren Strukturen verlangt, und eine ge-wisse „Naivität“, die eine Beeinflussbarkeit durch andere ermöglichen kann.

Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivität-Syndrom

Ursache und MerkmaleDas Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivität-Syndrom (ADHS) wird auf eine Verände-rung im Stoffwechsel der Neurotransmitter zurückgeführt. Genetische Faktoren spie-len eine Rolle, aber die Ursache ist multifaktoriell.

Jungen sind häufiger betroffen als Mädchen und beide Geschlechter können auch im Erwachsenenalter betroffen sein. Die Betroffenen sind überaus aktiv und erregbar, können sich schlecht konzentrieren und neigen auf Grund von Frustrationen zu Schwierigkeiten im Umgang mit anderen. Häufig fällt das Syndrom im Schulalter besonders auf, da die Kinder in der Schule nicht in der Lage sind, still zu sitzen und dem Unterricht zu folgen. Es tritt auch als Variante ohne Hyperaktivität auf, und wird dann einfach Aufmerksamkeitsdefizit-Syndrom (ADS) genannt. Hierbei sind die Be-troffenen eher ruhig, scheinen zu träumen und fallen weniger auf, da häufig die Hy-peraktivität zur Diagnose der Aufmerksamkeitsstörung führt.

Heilerziehungspflegerinnen sind eher im Bereich der Kinder mit Lernbehinderung mit ADS/ADHS befasst (z. B. in Kindertagesstätten, als Schulassistenz, in familienun-terstützenden Angeboten). Kinder und Erwachsene, die nur ein ADHS aufweisen, benötigen in der Regel keine heilerziehungspflegerische Begleitung.

Hyperaktivität als SymptomBei vielen Syndromen, die mit geistiger Behinderung einhergehen, besteht eine Hy-peraktivität. Diese stellt in der Regel kein ADHS dar, sondern eine Verhaltensbeson-derheit im Rahmen der genetischen Syndrome oder anderer Ursachen (z. B. |fetales Alkoholsyndrom), die der geistigen Behinderung zugrunde liegen. Dies kann für die Betreuung und Begleitung eine besondere Herausforderung sein. Hier ist es wichtig, auf weitere anregende Reize zu verzichten, eine klare Struktur anzubieten und genü-gend Möglichkeit zur körperlichen Bewegung zu geben. Um in der Kommunikation eine gute Wahrnehmung zu erreichen, sollten Blickkontakt gesucht sowie klare und kurze Sätze verwendet werden. Verlässlichkeit in Absprachen ist sehr wichtig.

Behandlung beim ADHSZur Behandlung wird eine Verhaltenstherapie eingesetzt, die eine verlängerte Auf-merksamkeitsspanne und bessere Selbststeuerung zum Ziel hat. Zudem wird häufig Methylphenhidat (Ritalin®) verordnet, das den Neurotransmitterstoffwechsel norma-lisieren soll. Als Substanz ist es ein Aufputschmittel, das aber bei ADHS zu einer Verbesserung der Aufmerksamkeitsspanne und Beruhigung führt. Da das Medika-ment im sich entwickelnden Gehirn wirkt und unter das Betäubungsmittelgesetz fällt, wurde lange über Nebenwirkungen (z. B. der Erzeugung einer Suchterkrankung im Erwachsenenalter) und Folgewirkungen der medikamentösen Therapie diskutiert.

13.3.2

www.adhs-deutschland.deDer gemeinnützige Selbsthilfe-

verein ADHS Deutschland e. V.,

vernetzt mit ehrenamtlichen

Mitgliedern 250 Selbsthilfe-

gruppen, bietet ein Telefonbe-

raternetz an.

www.ads-gruppe.deDie Website führt unter ande-

rem Erfahrungsberichte auf

und verlinkt zu Therapieein-

richtungen.

fetales Alkoholsyndrom | 732

Materialien zum WeiterarbeitenLS „Der nervt total“

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Lebenssituationen

Häufig kann die Therapie nach einigen Jahren abgesetzt werden, ohne dass die Sym-ptome wieder auftreten. So segensreich die medikamentöse Therapie sein kann, so wichtig ist es, begleitende pädagogische Maßnahmen umzusetzen und bei der medi-kamentösen Therapie zurückhaltend zu sein.

Zum Weiterdenken Kinder mit ADHS gelten häufig als „unerzogen“, da sie mit ihrer hyperaktiven und impulsiven Art immer wieder auffallen. In dieser Situation hat die Diagnose eines ADHS für die Eltern eine sehr entlastende Funktion – statt „falscher Erziehung“ ist eine Krankheit Ursache des auffäl-ligen Verhaltens. Dabei kann es zu einer starken Fixierung auf die medika-mentöse Therapie kommen, während die begleitenden Maßnahmen zur Strukturierung zu wenig umgesetzt werden.

Down-Syndrom (Trisomie 21)

Ursache und HäufigkeitEin Down-Syndrom liegt vor, wenn in den Zellen des Körpers statt 46 Chromosomen 47 Chromosomen vorhanden sind, weil das Chromosom 21 dreifach vorliegt. Daher bezeichnet man es auch als Trisomie 21. Der Name Langdon-Down-Syndrom geht wie bei den meisten Syndromen auf den Erstbeschreiber zurück. Es ist mit 1 : 700 häufig, wobei die Häufigkeit vom Alter der Mutter wie auch des Vaters abhängt. Bei einer Frau mit 30 Jahren beträgt die Wahrscheinlichkeit 1 : 1000, bei einer Frau mit 40 Jahren

1 : 100. Heute werden Kin-der mit Trisomie 21 sel-tener geboren, weil mit der |pränatalen Diagnostik ge-zielt nach Anzeichen für ein Down-Syndrom ge-sucht wird. Wird in einer Schwangerschaft bei dem Kind eine Trisomie 21 fest-gestellt, kommt es häufig zu einem Schwanger-schaftsabbruch.

[1] Ob der Zappelphilipp wohl ADHS hatte?

13.3.3

[2] Kind mit Down-Syndrom im Kita-Alter [3] Schüler mit Down-Syndrom

pränatale Diagnostik | 91,

1 | 105

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IV  Phänomenbezogen begleiten und unterstützen 13MerkmaleDas Down-Syndrom weist einige Besonder-heiten im Aussehen auf, die recht charakteris-tisch sind. Der Kopf ist kurz und rund, die Lid-achse steht schräg, die Nasenwurzel ist flach und der Nacken breit. Dazu kommen eine all-gemeine |muskuläre Hypotonie, die Vierfin-gerfurche der Hand und die sogenannte Sanda-lenlücke am Fuß.

Daneben weisen viele Kinder mit Trisomie 21 einen Herzfehler auf und können Fehlbil-dungen am Magen-Darm-Trakt haben. Zu Be-ginn des Lebens bestehen häufig Schwierigkeiten mit dem Stillen, da es den Neugebo-renen mit ihrer muskulären Hypotonie schwerfällt, an der Brust zu saugen. Es sollte jedoch gefördert werden, da es eine frühzeitige Förderung der Gesichtsmuskulatur darstellt.

Dazu kommt für die Eltern die Herausforderung, direkt nach der Geburt eines Kin-des nicht nur die neue Lebenssituation zu bewältigen, sondern sich auch mit der Be-hinderung des Kindes auseinanderzusetzen, da durch das typische Äußere die Diagno-se zumeist direkt nach der Geburt erfolgt.

Im weiteren Verlauf zeigt sich eine Verzögerung der allgemeinen Entwicklung, die zumeist auch eine mittelgradige kognitive Beeinträchtigung zur Folge hat. Mit früher Förderung können viele Menschen mit Down-Syndrom ein weitgehend selbststän-diges Leben erreichen, allerdings ist auch hier auf die große Variabilität der Ausprä-gung hinzuweisen. Machen viele Kinder mit Down-Syndrom mit früher und umfas-sender Förderung große Entwicklungsfortschritte und haben ein freundliches und aufgeschlossenes Wesen, gibt es andere, die sehr stark betroffen sind und neben ihrer Trisomie Verhaltensbesonderheiten oder autistisches Verhalten zeigen. Gerade wegen der Häufigkeit des Down-Syndroms kommt es in besonderer Weise zur Ausbildung eines |Stereotyps in Bezug auf die Persönlichkeitseigenschaften oder Kompetenzen, dem keineswegs alle Menschen entsprechen.

[4]  Vierfingerfurche

muskuläre Hypotonieerniedrigte Muskelspan-

nung, die sich durch eine ge-

wisse Schlaffheit ausdrü-

cken kann, wobei die

Bewegungsfähigkeit und

Muskelkraft nicht beein-

trächtigt sind.

StereotypenIn der Soziologie Bezeich-

nung für eine starre Vorstel-

lung, die nicht der Realität

entspricht, aber von vielen

Menschen als richtig und be-

deutsam anerkannt wird.

Stereotypen vernachlässigen

die individuelle Vielfalt und

Widersprüchlichkeit zugun-

sten einer Vereinfachung

der „Weltsicht“.

[5]  Menschen mit Down-Syndrom ähneln sich unterei-nander, aber auch ihren Geschwistern

[6]  Erwachsene mit Down-Syndrom

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Lebenssituationen

Begleitung über die LebensspanneViele Kinder mit Down-Syndrom besuchen integrative Kindertagesstätten und Schu-len, lernen Lesen und Schreiben und verfügen über eine hohe Sozialkompetenz. Sie können kreativ, humorvoll, aber auch eigensinnig und rasch wütend sein. Insgesamt ist ihr Antrieb zu körperlicher Betätigung häufig etwas gemindert und sie neigen zu Adipositas bei häufig verminderter Körpergröße. Daher sind die Anregung körper-licher Aktivität und ein bewusstes Essverhalten bedeutsam. Als Jugendliche beschäfti-gen sie sich wie andere auch mit Freundschaft und Sexualität. Eine Partnerschaft zu führen ist für sie oft Bestandteil eines normalen Lebens, auch ein Kinderwunsch kann entstehen. Dennoch ist es eher selten, dass Menschen mit einer Trisomie 21 tatsächlich Eltern werden.

Die allermeisten Menschen mit Down-Syndrom arbeiten in einer WfbM, daneben gibt es aber vereinzelt Arbeitsplätze auf dem ersten Arbeitsmarkt. Im künstlerischen Be-reich sind Menschen mit Down-Syndrom stark vertreten, Juliane Götze, eine Schau-spielerin des Theaters Ramba Zamba, hat z. B. eine Hauptrolle in einer Folge des Poli-zeiruf 110 übernommen. Daneben gibt es Maler und Musiker mit Down-Syndrom.

Im Alter zeigt sich wieder eine hohe Variabilität, einzelne ziehen sich rasch aus Akti-vitäten zurück und werden sehr ruhig, verlieren Kompetenzen und entwickeln früh-zeitig Alterserkrankungen, während andere aktiv bleiben und vom Alterungsprozess wenig beeinträchtigt sind. Gerade wenn ältere Menschen mit Down-Syndrom sehr ruhig werden, sollte geklärt werden, ob eine Schilddrüsenunterfunktion oder auch eine |Depression vorliegen, da diese Erkrankungen besonders häufig auftreten und außer einem „Ruhigwerden“ oft wenige Symptome verursachen.

Medizinische BesonderheitenBesteht ein |Herzfehler, wird zumeist im Säuglings- oder Kleinkindalter eine Herz-operation durchgeführt, die manchmal wegen des Wachstums nach einigen Jahren wiederholt werden muss. Menschen mit Down-Syndrom haben häufiger eine Unter-funktion der Schilddrüse, die die Gabe von Schilddrüsenhormonen erforderlich macht. Sie können ein schwächer ausgeprägtes Immunsystem mit häufigen Infekten haben und erkranken öfter an Leukämie. Auch Seh- und Hörstörungen treten bei ihnen be-sonders häufig und auch früher auf, wie z. B. der |Graue Star als Alterskrankheit. Eben-falls häufiger und deutlich früher tritt eine |Alzheimer-Demenz auf, da sich die Gen-orte auf dem Chromosom 21 finden. Enthalten die entsprechenden Gene eine Ausprägung, die zur Alzheimer-Erkrankung prädisponiert, liegen sie durch die Triso-mie des Chromosom 21 gehäuft vor und erklären somit das frühere Auftreten.

Die muskuläre Hypotonie und Bindegewebsschwäche bleiben erhalten, sodass es häufiger zu Störungen der Halswirbelsäule kommen kann. Hier sind |spezifische Vor-sorgeuntersuchungen sinnvoll.

www.down-syndrom-netzwerk.deDas Down-Syndrom Netzwerk

Deutschland e. V., die Gemein-

schaft der Down-Syndrom Ver-

eine in Deutschland, sucht die

Eltern- und Selbsthilfegruppen

der Menschen mit Down-Syn-

drom zu vernetzen.

www.down-syndrom.orgDer Arbeitskreis Down-Syn-

drom e. V. setzt sich für die

Rechte von Menschen mit

Down-Syndrom ein.

Depression | 690, 691

Herzfehler | 544

Grauer Star | 558

Alzheimer-Demenz | 713

spezifische Vorsorge-

untersuchungen | 432

[1] Das Theater Ramba Zamba mit Juliane Götze

Materialien zum WeiterarbeitenLS „Der pinke Morgenmantel“

LS „Valerie ist unglaublich dick“

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