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14 Wie wir gesehen haben, werden bei Vulkanausbrüchen glutheiße Gesteins- schmelzen aus dem Erdinnern gefördert, die unter stürmischer Entgasung aus- fließen oder explosiv herausgeschleudert werden. Man muss daraus schließen, dass im Erdinnern glutheiße Schmelzen existieren, in denen leichtflüchtige (volatile) Komponenten gelöst sind. Die meisten Laven, die an die Erdoberfläche gefördert werden, enthalten bereits Kristalle, die in einer Magmenkammer oder beim Aufstieg gewachsen sind; sie bilden Einsprenglinge in vulkanischen Ge- steinen. Als Magma bezeichnet man dementsprechend glutheiße Gesteins- schmelzen des Erdinnern, die neben leichtflüchtigen Bestandteilen meist auch Kris- talle enthalten können. Es muss daran erinnert werden, dass „Magma“ ein theore- tischer Begriff ist; denn niemand hat ein Magma je gesehen! Wir beobachten lediglich die vielfältigen Entgasungsprozesse von Lava an der Erdoberfläche, die ein wesentliches Merkmal des Vulkanismus sind (Abb. 14.1) und bei explosiver Entbindung der Gase oft eine verheerende Rolle spielen. Solche Prozesse bele- gen eindringlich, dass die Menge an leichtflüchtigen Komponenten, die im Mag- ma gelöst sind, groß sein muss. Aber auch die ruhiger verlaufende Entgasung z. B. von ausfließenden Lavaströmen beeindruckt durch die enormen Mengen geförderter Gase. Weitere Schlüsse über das Magma der Tiefe werden aus seinen Kristallisationsprodukten, den Vulkaniten und Plutoniten, gezogen. Abb. 14.1. Vulkanische Dampftätig- keit am Hauptkrater des Ätna. (Foto: M. Okrusch) 14.1 Chemische Zusammensetzung und Struktur magmatischer Schmelzen 14.2 Vulkanische Gase 14.3 Magmatische Temperaturen 14.4 Viskosität von Magmen und Laven 14.5 Löslichkeit von leichtflüchtigen Komponenten im Magma Magma und Lava

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Wie wir gesehen haben, werden bei Vulkanausbrüchen glutheiße Gesteins-schmelzen aus dem Erdinnern gefördert, die unter stürmischer Entgasung aus-fließen oder explosiv herausgeschleudert werden. Man muss daraus schließen,dass im Erdinnern glutheiße Schmelzen existieren, in denen leichtflüchtige(volatile) Komponenten gelöst sind. Die meisten Laven, die an die Erdoberflächegefördert werden, enthalten bereits Kristalle, die in einer Magmenkammer oderbeim Aufstieg gewachsen sind; sie bilden Einsprenglinge in vulkanischen Ge-steinen. Als Magma bezeichnet man dementsprechend glutheiße Gesteins-schmelzen des Erdinnern, die neben leichtflüchtigen Bestandteilen meist auch Kris-talle enthalten können. Es muss daran erinnert werden, dass „Magma“ ein theore-tischer Begriff ist; denn niemand hat ein Magma je gesehen! Wir beobachtenlediglich die vielfältigen Entgasungsprozesse von Lava an der Erdoberfläche, dieein wesentliches Merkmal des Vulkanismus sind (Abb. 14.1) und bei explosiverEntbindung der Gase oft eine verheerende Rolle spielen. Solche Prozesse bele-gen eindringlich, dass die Menge an leichtflüchtigen Komponenten, die im Mag-ma gelöst sind, groß sein muss. Aber auch die ruhiger verlaufende Entgasungz. B. von ausfließenden Lavaströmen beeindruckt durch die enormen Mengengeförderter Gase. Weitere Schlüsse über das Magma der Tiefe werden aus seinenKristallisationsprodukten, den Vulkaniten und Plutoniten, gezogen.

Abb. 14.1.Vulkanische Dampftätig-keit am Hauptkrater desÄtna. (Foto: M. Okrusch)

14.1ChemischeZusammensetzungund StrukturmagmatischerSchmelzen

14.2Vulkanische Gase

14.3MagmatischeTemperaturen

14.4Viskositätvon Magmenund Laven

14.5Löslichkeit vonleichtflüchtigenKomponentenim Magma

Magma und Lava

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14.1Chemische Zusammensetzung und Strukturmagmatischer Schmelzen

Wie man aus der Häufigkeitsverteilung magmatischerGesteine sofort sieht, haben Magmen in ihrer weit über-wiegenden Mehrzahl silikatische Zusammensetzung,während Karbonat- und Sulfid-Magmen nur selten auf-treten. Silikatschmelzen und -gläser bestehen aus [SiO4]-und [AlO4]-Tetraedern, die zu Gruppen ähnlich de-nen in Silikatstrukturen vernetzt sind, wie [AlSiO4]n

–,[AlSi2O6]n

–, [AlSi3O8]n–, [Si2O6]n

4–, [Si2O7]n6– oder Ringen wie

[Si6O18]12– (Abb. 14.2). Si[4] und Al[4] mit ihren starkensp3-Hybrid-Bindungen zum Sauerstoff spielen also dieRolle von Netzwerkbildnern. Demgegenüber wirken diefreien Kationen Na+, K+, Ca2+, Mg2+, Fe2+, Fe3+ u. a., aberauch Al in [6]-Koordination, deren Bindung mit O – we-gen ihres höheren ionaren Anteils – schwächer ist, alsNetzwerkwandler (Netzwerkmodifizierer). Der Grad derVernetzung nimmt also mit dem relativen Anteil an SiO2,aber auch mit sinkender Temperatur zu. Bei hoher Tem-peratur enthält die Schmelze viele freie [(Si,Al)O4]-Grup-pen; mit der Abkühlung erfolgt eine zunehmende Poly-merisation und der Übergang in zunehmend komplexe-re Konfigurationen. Daher weisen Si-arme und/oder hei-ßere Magmen eine geringere Viskosität auf als Si-reicherebzw. weniger heiße (s. unten). Unter den leichtflüchtigenKomponenten kann insbesondere (OH)– die Rolle einesNetzwerkwandlers spielen, wie weiter unter gezeigt wird.

14.2Vulkanische Gase

Während der Eruptionsphase eines Vulkans werden enor-me Mengen an vulkanischen Gasen ausgestoßen, derenquantitative Bestimmung schwierig, aber nicht unmöglichist. Aus flüssiger Basaltlava austretende Gase wurden zuerstim Lavasee Halemaumau im Kilauea-Krater auf der InselHawaii eingefangen und analysiert. Es wurde festgestellt,

dass die Beteiligung der verschiedenen Gasphasen sehrschwankt. Dabei herrscht Wasserdampf vor, der jedoch zumgrößten Teil aus verdampftem Grundwasser herrührt. Ausjüngerer Zeit stammen weitere zuverlässige Gasbestimmun-gen aus verschiedenen Eruptionsstadien des Ätna. Auch gibtes Möglichkeiten, aus Sublimationsprodukten, die sich anden Vulkanschloten oder innerhalb der Erstarrungskrusteder Lavakörper aus heißen, sich entbindenden Dämpfenabsetzen, einen Teil dieser Gase indirekt zu bestimmen. Dasist auch aus Gaseinschlüssen in Mineralen der magmati-schen Gesteine, so aus solchen in Olivin-Einsprenglingenvon Olivinbasalten, möglich.

Insgesamt gesehen sind die wichtigsten vulkanischenGasspezies H2O (35–90 Mol.-%), CO2 (5–50 Mol.-%) undSO2 bzw. H2S (2–30 Mol.-%), während Cl2, HCl, F2, HF,SiF4, H3BO3, COS, CS2, CO, CH4 und H2 zurücktreten.Zahlreiche weitere Gase kommen nur in sehr kleinenMengen vor. Gelbrotes FeCl3 färbt die Eruptionswolkezeitweise orange. Bei den Schwefeldämpfen dominierenSO2 und H2S, wobei SO2 im Vergleich zu H2S durch hö-here Temperaturen und/oder höhere Sauerstoffkon-zentrationen begünstigt wird. Durch Reaktion mit demLuftsauerstoff kann H2S nach der Reaktion

H2S + ½O2 → S + H2O (14.1)

zu elementarem Schwefel oxidiert werden, der sich amKraterrand niederschlägt, oder es erfolgt eine weitere Oxi-dation zu SO2 oder SO3. Im Einzelnen gibt es je nach demGesteinstyp große Unterschiede in der Zusammensetzungvulkanischer Gase. Wie Messungen auf Hawaii gezeigt ha-ben, sind die CO2-Gehalte in basaltischen Magmen häu-fig höher als man früher angenommen hatte. Somitkommt man auf etwa vergleichbare Anteile an CO2, H2Ound SO2 neben deutlichen Mengen an HF und HCl. Dem-gegenüber überwiegt in rhyolithischen Magmen der H2O-Gehalt stark (Schmincke 2000).

Der Anteil an leichtflüchtigen Komponenten, die inMagmen gelöst werden können, hängt nicht nur vonDruck und Temperatur, sondern (mit Ausnahme des CO2)auch vom SiO2-Gehalt des Magmas und damit von sei-ner Viskosität ab. Nach Analysen an abgeschrecktenGesteinsgläsern und an Glaseinschlüssen in Mineralensowie aus experimentellen Daten (s. unten) kann manin Magmen unterschiedlicher Zusammensetzung folgen-de H2O-Gehalte abschätzen (aus Schmincke 2000):

� Tholeiite mittelozeanischer Rücken 0,1–0,2 Gew.-%,� Tholeiite ozeanischer Inseln 0,3–0,6 Gew.-%,� Alkalibasalte 0,8–1,5 Gew.-%,� Basalte an Subduktionszonen 2–3 Gew.-%,� Basanite und Nephelinite 1,5–2 Gew.-%,� Andesite und Dacite von Inselbögen 1–2 Gew.-%,

sowie von aktiven Kontinentalrändern 2–4 Gew.-%,� Rhyolithe bis ca. 7 Gew.-%.

Abb. 14.2. Strukturschema einer Silikatschmelze. Kationen �+, Anio-nen �– , neutrale Teilchen �. Darüber hinaus inselförmige [SiO4]4–-Tetraeder und solche, die zu Sechserringen oder zu Ketten polymeri-siert sind. In einem Magma wären die kleinen neutralen Teilchenhauptsächlich H2O-Moleküle und die neutralen [SiO4]-Gruppen wür-den durch Si(OH)4 ersetzt sein. Nach Mueller und Saxena (1977)

14.1

14.2

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Beim Aufstieg eines Magmas wird die Sättigungs-grenze der volatilen Komponenten in der ReihenfolgeCO2 → SO2/H2S → HCl → H2O → HF überschritten undes bildet sich eine freie Gasphase, zunächst in Form vonBläschen. Für eine vertiefende Beschäftigung mit demProblem der magmatischen Gase sei auf Schmincke(2000) verwiesen.

14.3Magmatische Temperaturen

14.3.1Direkte Messungen

Magmatische Temperaturen können selbstverständlichnur an Laven direkt gemessen werden. Wegen ihrer Ge-fährlichkeit – hohe Temperaturen, Explosionsgefahr,Austritt giftiger Gase – kann man solche Messungen amehesten bei ruhigen Effusionen oder an Lavaseen durch-führen. In der Tat wurden die ersten Temperatur-bestimmungen durch Daly (1909) und Shepherd (1911)an der Oberfläche des Lavasees Halemaumau durchge-führt, wobei die Temperatur nach der Farbe der Schmel-ze bestimmt wurde, die unabhängig vom Chemismus ist(Tabelle 14.1). Die Temperatur wird entweder rein visu-ell abgeschätzt oder mit einem Pyrometer gemesen, d. h.mit einem Fernrohr, das im Gesichtsfeld einen regelbarenelektrischen Glühfaden als Vergleichsstandard besitzt.Die Temperatur dieses Fadens kann so lange variiertwerden, bis seine Farbe mit der der Lava übereinstimmt.Die Pyrometermethode findet auch heute noch in derVulkanologie und in der Technik Anwendung. Mit die-ser Methode fanden Daly und Shepherd Temperaturenvon etwa 1 000 °C

Eine weitere Methode ist der Vergleich mit Substan-zen bekannten Schmelzpunktes. Hierfür werden in derStahl-, Keramik- und Feuerfestindustrie schon langeSeger-Kegel verwendet, kleine Kegel aus Porzellanmasse,die bei bestimmten Temperaturen schmelzen. In einergrundlegenden Studie montierte Jaggar (1917) Seger-Ke-gel in Stahlrohren und tauchte diese in unterschiedlicheTiefen des Lavasees Halemaumau ein. Dadurch konnte erdie Temperaturverteilung im See ermitteln und am See-

boden eine Maximaltemperatur von 1 170 °C messen. WieAbb. 14.3 erkennen lässt, nimmt die Lavatemperatur vomSeeboden zur Oberfläche kontinuierlich ab, um dort in-folge frei werdender Kristallisationswärme wieder auf etwa1 000 °C anzusteigen, d. h. auf den Wert, der früher durchPyrometermessungen gefunden wurde. Infolge dieserexothermen Reaktion kann die Kristallisation von Lava-strömen um Monate verzögert werden, wie beim Ausbruchdes Hekla-Vulkans (Island) von 1947 gezeigt wurde.

In der modernen Vulkanologie erfolgt die Tempera-turbestimmung von Laven meist mit Thermoelementenoder mit optischen Pyrometern (Pinkerton et al. 2002).Ungeachtet der starken Streuung kann man mit Sicher-heit aussagen, dass die SiO2-ärmeren Laven wie z. B. diebasaltischen mit Temperaturen zwischen rund 1 200 und1 000 °C viel heißer sind als die SiO2-reicheren daciti-schen und rhyolithischen Laven mit Temperaturen von950–750 °C.

14.3.2Schmelzversuche an natürlichen Gesteinen

Solche Versuche wurden von französischen Forschernbereits im 19. Jahrhundert durchgeführt, wobei aller-dings der ursprünglich vorhandene Gehalt an leicht-flüchtigen Komponenten, insbesondere H2O, nicht be-rücksichtigt werden konnte. Erst mit der Einführung vonHochdruckautoklaven können Aufschmelz- und Kristal-lisationsexperimente bei hohen Temperaturen und Drü-cken durchgeführt werden, bei denen die Schmelzenjeweils an H2O gesättigt sind, d. h. der Wasserdampfdruckist gleich dem Gesamtdruck: PH2O = Ptot. Mit solchenHydrothermalexperimenten kann man die Liquidus- und

Tabelle 14.1. Farbe und Temperatur von Schmelzen

Abb. 14.3. Temperaturverteilung im Lavasee Halemaumau, Kilauea-Krater (Hawai) und in den darüber befindlichen brennenden Ga-sen. (Nach Jaggar 1917, aus Barth 1962)

14.3

14.3 · Magmatische Temperaturen

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Soliduskurven natürlicher Gesteine im PH2O-T-Diagrammbestimmen. Bei einem gegebenen Druck kristallisiertnämlich ein Magma nicht bei einer bestimmten Tempe-ratur sondern über ein Temperaturintervall. Dabei wirddie Bildung der ersten Kristalle als Liquidus-, das Ver-schwinden der letzten Schmelze als Solidustemperaturbezeichnet.

Die grundlegenden Versuche an natürlichen Basaltenunterschiedlicher Zusammensetzung wurden von Yoderu. Tilley (1962) durchgeführt. Sie ermittelten für dieolivin-tholeiitische Kilauea-Lava von 1921 bei Atmosphä-rendruck (P = 1 bar) – also ohne Anwesenheit von H2O– eine Liquidustemperatur (TL) von ca. 1 250 °C und eineSolidustemperatur (TS) von ca. 1 050 °C; das Kristal-lisationsintervall ∆T beträgt also etwa 200 °C. Mit zu-nehmendem H2O-Druck nimmt TL deutlich, TS sogarstark ab; dementsprechend wird ∆T größer. So ist beiPH2O = 2 kbar: TL = 1 140 °C, TS = 880 °C, ∆T = 260 °C, beiPH2O = 5 kbar: TL = 1 120 °C, TS = 780 °C, ∆T = 340 °C(Abb. 14.4). Die experimentellen Ergebnisse bei PH2O= 10 kbar sind allerdings geologisch nicht mehr relevant;denn bei erhöhten Drücken in der Erdkruste reicht derWassergehalt mit Sicherheit nicht mehr aus, um dasMagma an H2O zu sättigen. Die von Yoder u. Tilley (1962)

experimentell bestimmten Liquidus- und Soliduskurvenfür basaltische Vulkanite anderer Zusammensetzung ver-laufen prinzipiell ähnlich, wenn auch zu höheren oderniedrigeren Temperaturen verschoben. Dabei sind die Li-quidustemperaturen bei 1 bar meist etwas höher, als anaktiven Vulkanen ermittelt wurde. Das ist ein Hinweis,dass die in der Natur geförderten Magmen bereits ihrenLiquidus überschritten hatten, was in der Anwesenheitvon Einsprenglingskristallen, z. B. von Olivin zum Aus-druck kommt.

Bei PH2O = 1 kbar ergibt sich mit abnehmender Tem-peratur folgende Kristallisationsabfolge: Beim Unter-schreiten der Liquidus-Kurve scheidet sich zunächst Oli-vin, dann Pyroxen und kurz vor Erreichen der SoliduskurvePlagioklas aus; das Stabilitätsfeld von Amphibol wird erstim Subsolidus-Bereich erreicht. Demgegenüber bildet sichbei PH2O = 5 kbar bereits im Bereich zwischen Liquidus-und Soliduskurve Amphibol, während Olivin und Pyro-xen instabil werden und verschwinden. Das entstehende„Gestein“ ist bei PH2O < 1,5 kbar ein Olivin-Tholeiit bzw.Olivin-Gabbro, bei >1,5 kbar ein Hornblende-Gabbro.

Schon vorher hatten Tuttle u. Bowen (1958) ähnli-che Untersuchungen an natürlichen Graniten durch-geführt, die später von Luth et al. (1964) und anderenAutoren fortgesetzt wurden. Dabei ergaben sich prinzi-piell ganz ähnliche Liquidus- und Soliduskurven, die je-doch bei deutlich tieferen Temperaturen liegen; dasKristallisationsintervall ∆T ist geringer. So ist beiP = 1 bar: TL = 1 120 °C, TS = 960 °C, ∆T = 160 °C, beiPH2O = 2 kbar: TL = 900 °C, TS = 720 °C, ∆T = 180 °C, beiPH2O = 4 kbar: TL = 750 °C, TS = 660 °C, ∆T = 90 °C (vgl.auch Abschn. 18.2, S. 227ff).

14.4Viskosität von Magmen und Laven

Die Viskosität von Magmen und Laven hängt von ihrerTemperatur, dem Umgebungsdruck, ihrem Chemismus,dem Gehalt an leichtflüchtigen Komponenten und demAnteil an bereits abgeschiedenen Kristallen ab. Bereitsdie geologische Erfahrung lehrt, dass basaltische Lavenmit ihrem relativ niedrigen SiO2-Gehalt geringere Vis-kosität aufweisen als dacitische, rhyolithische oder tra-chyische Laven mit ihrem relativ höheren SiO2-Gehalt.Die basaltischen Pahoehoe-Laven der Insel Hawaii sindfast so dünnflüssig wie Öl, Fließgeschwindigkeiten von10–20 km/h sind gängig; maximal werden etwa 60 km/herreicht. Im Gegensatz dazu war die dacitische Lava derMontagne Pelée so viskos, dass sie überhaupt nicht flie-ßen konnte. Bei gleicher Zusammensetzung ist eine hei-ße Schmelze sehr viel weniger viskos als eine kältere: Einebasaltische Lava hat bei 1 400 °C ein Viskositätsmodul von140 Poise, bei 1 150 °C eins von ca. 80 000 Poise; zum Ver-gleich: bei Zimmertemperatur hat Wasser 0,1 Poise, Gly-cerin 10 Poise.

Abb. 14.4. Ergebnisse von Schmelz- und Kristallisationsversuchenim System Olivin-Tholeiit–H2O (Lava von 1921, Kilauea-Caldera,Hawaii) bei einem trockenen Druck von 1 bar und H2O-Drückenvon 1, 2, 5 und 10 kbar. Mit zunehmenden H2O-Drücken nehmendie Liquidus- und Solidus-Temperaturen ab und das Kristallisati-ons-Intervall wird größer. � Schmelze, �× Schmelze plus Kristalle,× Kristalle. (Nach Yoder u. Tilley 1962)

14.4

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Der Viskositätsmodul η wird definiert als die Kraft, die not-wendig ist, um in einer Flüssigkeitsschicht von 1 cm2 Flächeund 1 cm Dicke die obere gegen die untere Schichtfläche miteiner Geschwindigkeit von 1 cm/s in Parallelbewegung zu hal-ten. Anders ausgedrückt: η ist die Scherspannung (gemessenin Pa) bezogen auf die Verformungsrate (gemessen in s–1):1 Poise = 0,1 Pa s.

Bei Newtonschen Flüssigkeiten sind Scherspannungund Verformungsrate proportional, bei ihnen genügtschon eine unendlich kleine Scherspannung, um sie zumFließen zu bringen. In der Natur zeigen nur ganz niedrig-viskose Laven ohne Gasblasen und Kristalle Newton-sches Verhalten. Bei den meisten Laven muss dagegeneine endliche Schubkraft aufgewendet werden, bevor siezu fließen beginnen (Fließgrenze, engl. yield strength); siewerden Binghamsche Flüssigkeiten genannt.

Viskositätsmessungen können in der Natur an Lava-strömen und an Lavaseen oder im Laboratorium ankünstlichen Silikatschmelzen vorgenommen werden.Dabei wurde gezeigt, dass die Viskosität der SiO2-reiche-ren Schmelzen um mehrere Größenordnungen höher istals bei SiO2-ärmeren, z. B. den basaltischen (Abb. 14.5).

Laven mit höherer Viskosität besitzen eine größereNeigung zu glasiger (hyaliner) Erstarrung, weil das Dif-fusionsvermögen der chemischen Elemente und der Kris-tallisationsvorgang in einer solchen Schmelze stark ge-hemmt sind. Das sind die SiO2-reicheren Laven von Rhy-olith- oder Trachytzusammensetzung, die zu Obsidianoder Pechstein erstarren können (s. S. 148f).

Darüber hinaus ist der Viskositätsgrad einer natürli-chen Schmelze entscheidend für den Aufstieg und ihrIntrusionsvermögen in einen gegebenen Gesteinsver-

band. Er beeinflusst ebenso die Sonderung von frühaus-geschiedenen Kristallen im Magma, die im Allgemeinenvon der Dichte der umgebenden Schmelze abweichen.So stiegen die in der Vesuvlava zuerst abgeschiedenenKristalle von Leucit wegen ihrer geringeren Dichte aufund reicherten sich an ihrer Oberfläche schwimmend an.In vielen Basaltlaven sinken andererseits die spezifischschwereren Olivin- und Pyroxenkristalle zu Boden undbilden dort einen Bodensatz, sie akkumulieren, wie dasinsbesondere in mächtigen Lagergängen oder in LayeredIntrusions beobachtet werden kann. Alle diese Vorgängewerden bei großer Viskosität gehemmt.

Dabei drängt sich die Frage auf, wie sich die Viskosi-tät von Magmen mit den erhöhten Drücken des Erdin-nern ändert. Zur Klärung dieser Frage bieten sich Expe-rimente mit der Kugelfallmethode an. Bei erhöhten Drü-cken und Temperaturen werden Pulver von Mineralenoder Gesteinen, auf denen eine Metallkugel (z. B. Pt) liegt,künstlich geschmolzen; in dieser Schmelze sinkt die Ku-gel ab und der Fallweg, den sie in einer bestimmten Zeitzurücklegt, ist ein Maß für die Viskosität. Auf diesem Wegekam Kushiro (1976) zu dem zunächst überraschendenErgebnis, dass bei einem Druckanstieg von 1 bar auf25 kbar – bei einer konstanten Temperatur von 1 350 °C– der Viskositätsmodul einer trockenen Jadeitschmelzeetwa um eine Zehnerpotenz abnimmt, d. h. die Schmel-ze wird immer beweglicher. Weitere Experimente zeig-ten, dass dieses Ergebnis auch für andere Silikatschmelzenvon Rhyolith- bis Basaltzusammensetzung gilt, und zwarfür solche, die Si-reich sind und/oder ein (Na + K) / Al-Ver-hältnis nahe 1 haben. Bei ihnen ist der Anteil der Brücken-sauerstoffe in O-Si-O-Bindungen (BO) größer als der anNichtbrückensauerstoffen (NBO): BO / (BO + NBO) > 0,5.Offenbar findet in diesen Schmelzen bei isothermerDruckerhöhung zunehmend ein Übergang Al[4] → Al[6]

statt, so dass der Anteil an Netzwerkbildern kleiner wird.Ist dagegen BO / (BO + NBO) < 0,5, so nimmt die Vis-kosität mit steigendem Druck zu, weil die Struktur dich-ter gepackt wird und die Bindungskräfte zunehmen(Scarfe et al. 1987). Von großem Einfluss auf die Viskosi-tät von Silikatschmelzen ist darüber hinaus der Gehaltan leichtflüchtigen Komponenten, insbesondere H2O bzw.(OH) und F.

14.5Löslichkeit von leichtflüchtigen Komponentenim Magma

Durch grundlegende Experimente konnte bereits Goran-son (1931) zeigen, dass die Löslichkeit von Wasser in Si-likatschmelzen (Albit, Albit-Kalifeldspat-Gemenge, na-türlicher Obsidian) bei gegebener Temperatur mit stei-gendem Druck zunimmt. So können bei 1 000 °C und1 kbar Druck etwa 5 Gew.-%, bei 5 kbar fast 10 Gew.-%H2O gelöst werden. Demgegenüber nimmt die Löslich-

Abb. 14.5. Die Viskosität des Magmas wird maßgebend vom SiO2-Gehalt beeinflusst. Der SiO2-Gehalt wächst vom basaltischen zumrhyolithischen Magma an. Je höher die Viskosität eines Magmasist, um so geringer ist die Fähigkeit des Fließens. Zum Vergleichsind die viel geringeren Viskositäten von brennendem Öl und vonheißem Pech eingetragen. (Nach Flint u. Skinner 1974)

14.5 · Löslichkeit von leichtflüchtigen Komponenten im Magma

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Abb. 14.6. Löslichkeit von H2O in einer Albitschmelze bei unterschied-lichen Temperaturen und Drücken nach experimentellen Ergebnis-sen unterschiedlicher Autoren. Mit steigendem Druck nimmt dieLöslichkeit bei gegebener Temperatur zu; bei steigender Tempera-tur haben die Löslichkeitsisobaren zunächst einen negativen Ver-lauf (retrograde Löslichkeit), schwenken aber bei Drücken von>4 kbar allmählich in eine positive Steigung um (prograde Löslich-keit). (Nach Paillat et al. 1992)

Abb. 14.7. Anteil an Hydroxyl-Gruppen (geschlossene Symbole) undmolekularem H2O (offene Symbole), die in Silikatgläsern gelöst sind,in Abhängigkeit vom Gesamtwasser-Gehalt. Kreise: Rhyolithgläser;Dreiecke: Basaltgläser; Quadrat: Albitglas. (Nach Stolper 1982)

Abb. 14.8. Erhöhung des (OH)-Gehalts (Silver u. Stolper 1989; rechteOrdinate) und Erniedrigung der Viskosität (Dingwell 1987; linkeOrdinate) mit steigendem H2O-Gehalt einer Albitschmelze. (NachLange in Carroll u. Holloway 1997)

keit bei konstantem Druck mit steigender Temperaturzunächst ab: sie ist retrograd. Jedoch gilt das nur für re-lativ niedrige Drücke: ab 4 kbar ändert sich die Steigungder Löslichkeitsisobaren von negativ zu positiv, d. h. iso-bare Temperaturerhöhung führt nun zu einer Steigerungder Löslichkeit: sie wird prograd (Abb. 14.6).

Die Frage, in welcher Form das gelöste Wasser inSilikatschmelzen vorliegt, wurde durch infrarot-spektro-skopische Analysen an Basalt-, Rhyolith- und Albit-gläsern gelöst (z. B. Stolper 1982, u. a.). Danach wirdWasser zunächst überwiegend in Form von (OH)-Grup-pen eingebaut, während der Anteil an H2O-Molekülengering ist. Mit zunehmender Wasseraufnahme steigt je-

doch der Gehalt an molekularem H2O immer stärker an,während der des (OH) kaum noch zunimmt (Abb. 14.7).Dieser Befund hat natürlich eine große Bedeutung fürdie Rolle von (OH) als Netzwerkwandler und damit fürdie Viskosität wasserhaltiger Schmelzen. Nach der ein-fachen Gleichung

H2Omolekular + O2– = 2(OH)– (14.2)

werden für die Bildung von (OH)-Gruppen aus H2O-Molekülen Brückensauerstoffe des Silikatgerüsts benö-tigt; der Vorgang wirkt also depolymerisierend: mit zu-nehmendem (OH)-Gehalt nimmt der Viskositätsmodulzu. Nach Abb. 14.7 können aber der (OH)-Gehalt nichtbeliebig gesteigert und die Viskosität nicht entsprechendgesenkt werden; ab 4–5 Gew.-% Gesamt-H2O ist für beideeine Sättigung erreicht (Abb. 14.8).

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